Maradona Mío - Florian Weber - E-Book

Maradona Mío E-Book

Florian Weber

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Beschreibung

Diego im Paniniheft. Diego auf dem Shirt. Diego im Kopf. Diego auf dem Schlagzeug. Diego im Stadion. Diego auf dem Bolzplatz. Diego im Buch. Diego auf der Haut. Diego in der Disco. Wir erfahren, wie Diego in das junge Leben des Flo Weber kam, es aufwühlte, begleitete, begeisterte und ihn sogar eventuell zu einem der bekanntesten deutschen Fußballsongs seiner Band Sportfreunde Stiller inspirierte. Eine freudentrunkene Rückschau auf ein Leben mit dem Menschen und dem Mythos Diego Armando Maradona.

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Florian Weber,geboren 1974 in Schrobenhausen, ist Musiker (u.a. Sportfreunde Stiller, Bolzplatz Heroes, MS Flinte), Künstler und Autor (drei Romane bisher). Er spielte jahrelang aktiv Fußball. Als Jugendlicher hatte er ein Probetraining beim FC Bayern München, war deutscher Vizemeister mit der Hochschulmannschaft München, trifft bei Benefizspielen durchaus mal auf Benny Lauth, Claudio Pizarro oder Lothar Matthäus und schrieb Lieder über König Fußball – nur keins über Maradona.

© Verlag Voland & Quist GmbH

Berlin und Dresden 2024

Reihen-Hrsg. IKONEN: Frank Willmann

ISBN 978-3-86391-404-2

eISBN 978-3-86391-412-7

voland-quist.de

Umschlaggestaltung und Satz: Guerillagrafik

Druck und Bindung: BALTO print, Vilnius

FLORIAN WEBER

MARADONA MÍO

MEIN LEBEN MIT DEM BESTEN

Inhalt

Die Erscheinung

The Summer of ’86

Maradona goes Baden-Baden

Diego über Diego

El diez por siempre!

Meeting the second best

Die ewigen Vergleiche

Nachtrag

Nachträglicher Nachtrag

So war’s. Und wenn’s nicht so war, dann ist es zumindest das, von dem ich denke: so war’s.

Gleich mal eines vorweg. Wer behauptet, ich hätte ihn nie getroffen, lügt.

Noch eins hinterher. Wer meint, es hätte Bessere als ihn gegeben, lügt.

Abschließend: Wer sagt, ich würde nicht an Gott glauben, lügt.

Im herkömmlichen Sinn bin ich Atheist. Ich glaube aber an die Liebe. Ich glaube an das gute Schöpfungspotenzial in der Vereinigung moralisch einwandfrei denkender Menschen. Ich glaube an meine Familie. An die blutsverwandte wie an die hineinverliebte. An unerschütterliche Freundschaften. An die Macht der Musik. An die Energie von Keith Moon. An Copa Mundial, den besten Fußballschuh der letzten 45 Jahre.

Und ich glaube an Nietzsches Satz: Gott ist tot. Seit dem 25. November 2020.

Gott hieß Diego Armando Maradona. Und an ihn glaubte ich auch.

Man darf glauben, was man will. Außer dass Despoten, Diktatoren, Kriegstreiber, Autokraten und rechtsradikale Arschlöcher ihre Berechtigung haben. Das ist Bullshit.

Man darf aber die unterschiedlichsten Meinung haben, was Kunst betrifft. Musik, Malerei, Cineastik, kreative Darbietungen, ästhetische Zurschaustellungen, wobei Ästhetik im Auge des Betrachters liegt. Nicht aber bei Diego Armando Maradona. Was er „anfußte“, wurde zu Gold. Für jederfrau und -mann sichtbar. El Pibe de Oro. Der Goldjunge. Als wir Buben waren, wollten wir alle Goldjungen sein.

„Wie wird man Goldjunge?“, fragten wir unsere Eltern. Wir ernteten fragende Blicke, ablehnende Scheibenwischer oder den klischeehaften Seitenhieb: „Durch harte Arbeit, Burli!“

Das musste doch auch anders gehen, oder?

Nein, sagte der Mangold Toni, alteingesessener Trainer und legendärer Schiedsrichter in unserem Fußballverein FC Schrobenhausen. Dabei klapperte sein Gebiss im Mund, manchmal musste er es mit seiner rechten Hand einfangen: „Es gibt schon einen Goldjungen, und den nur einmal. Und zwar in Argentinien. Und zwar seit dem 30. Oktober 1960. Diego Armando Maradona heißt der. Dass ia aich des bloß merkt´s!“

Wussten wir natürlich. Wir alle traurig und fast erbost: „Ja, aber Toni … was, wenn einer von uns auch mal …“

„Nix! Und jetz laffts amoi a paar Rundn, ia Mamaladbuam!“, um seine Zähne festhaltend hinterherzuschimpfen: „Ja Kruzefix, da haun mia glei die Zähn ab zwengs eich Drialla …!“

Es ist ganz einfach so. Als junger Mensch, dem vieles zufliegt, was die sportliche Bewegung betrifft, verspürt man Momente, in denen denkt man von sich selbst: Wow! Das war jetzt Wahnsinn. Vielleicht könnt ich ja auch einmal Gipfel erklimmen. Die höchsten. Bei den Löwen spielen. Oder Bundesliga. Weltmeisterschaft. Wer weiß, warum soll nur einer Goldjunge sein? Der hat ja auch irgendwie nur mit einem alten Ball aufm Acker zu kicken begonnen. Wie wir hier aufm Bolzi. Ich glaub, ich werde auch mal so gut wie Maradona.

Ein Blitzgedanke, freilich, aber ich war im Sport tatsächlich überall vorn dabei. War im Turnen Gaumeister (so hieß das damals tatsächlich, ich würde sagen, mittlerweile Regionalmeister oder so), im Schwimmen mehrfach Oberbayerischer Meister, im Basketball einmal Dritter bei den bayerischen Meisterschaften mit dem SSV Schrobenhausen. Im Tennis war ich zwar nur Vize-Stadtmeister in meinem Jahrgang – der Von der Grün Richard war im Finale unbezwingbar und der Hendl Peter hatte im Halbfinale Magen-Darm.

Aber bei meinem Ball- und Körpergefühl erhoffte ich auch hier baldigst größere Siege. Zudem war es die jüngste Sportart, in der ich mich übte und es gab verheißungsvolle Ansätze. Lobs gingen mir leicht vom Schläger. Stopps erlief ich aufgrund meiner Schnelligkeit mit Leichtigkeit. Die Vorhand surrte peitschenartig. Die Rückhand wackelte zwar und die Doppelfehlerquote beim Aufschlag war hoch. Doch jeder weiß: Boris Becker als jüngster Grand-Slam-Sieger war bei seinem Wimbledonsieg 1985 siebzehn Jahre alt. Ich hatte noch ein wenig Zeit. Trotzdem ein später Einstieg ins Metier. Wohl zu spät.

Das Gesamtpaket betrachtend stellte ich fest: Wenn ein Goldjunge, dann im Fußball. Vielleicht nicht immer beim FC Schrobenhausen – aber auf alle Fälle „El Pibe de asparagus“, der Spargel-Maradona. Eine Vision. Eine Vorstellung. Ein Traum nicht unbedingt. Eine Fantasie schon eher.

Der Freundl Ludwig, mein damaliger Tennistrainer, zermalmte meine hochfliegenden Ambitionen mit einem einzigen, unpädagogischen Satz zu Staub. Ein herrlicher Sommertag, Nachmittagstraining auf Platz 4 auf der Anlage des TC Schrobenhausen. Nach einer wiederholt unpräzisen Rückhand meinerseits weit ins Seitenaus schmetterte er fast erzürnt:

„Flo, du kannst alles, aber nix g´scheit!“

Das saß.

Als im gleichen Training der Kränzlein Stefan dem Freundl Ludwig einen zugeschmissenen Vorhandball aufs Auge zimmerte, dieser sein Gesicht schützend und jammernd Richtung Vereinsgaststätte zu Eiswürfel stolperte, dachte ich mir: „Geschieht dir grad recht, du gemeiner Hund.“

Ein Elfjähriger steigt nach so einer demütigenden Offenbarung nicht ungerührt aufs Fahrrad. Auf dem Nachhauseweg kullerten die Tränen, so viel Teflon war noch nicht auf meiner zarten Seele. Ich will nicht sagen, dass ich gebrochen war. Keinesfalls. Ich glaube aber, es war der Tag, an dem ich akzeptierte, dass, falls es einen weiteren Goldjungen geben wird, dieser nicht ich sein werde. Vielleicht der Broncel Jürgen oder der Yürekli Tugran. Der Dorschner Gigi oder der Brußi, der Drilling Tommy oder irgendein anderer Junge aus Schrobenhausen, aus Deutschland, aus Brasilien oder halt nochmal aus Argentinien. Beim Fantasieren ist man nicht allein.

Im Grunde hatte der Freundl Luggi nicht ganz unrecht.

Ins Tennistraining ging ich trotzdem nie wieder.

Die Erscheinung

Diego kam im Sommer 1982 in mein Leben. Wir Buben saßen achtjährig auf dem Asphalt vor dem Kaufhaus Schmederer und klebten Panini-Bilder in unsere Alben, umgehend nach dem Kauf der zwei Päckchen, weil mehr war mit den 50 Pfennigen nicht drin, die man der Mama aus dem Geldbeutel stibitzt hatte. Die Ablösefolien der Klebebilder wirbelte der Wind davon. Passanten mussten mühevoll über die achtlos hingeworfenen BMX-Räder steigen, ältere Personen murrten:

„Es Saukrippen! Habt’s woi scho lang koa Watschn mehr kriagt“.

Entweder hörten und sahen wir nichts (ein bisschen so wie im Matheunterricht), predigten scheinheilig irgendwas von Notfall (ein bisschen so wie im Religionsunterricht) oder waren vertieft in unsere Aktion (ein bisschen so wie im Sportunterricht) und es wäre Wahnsinn, wär’s so gewesen, aber es könnte tatsächlich das erste Bildchen gewesen sein, das ich ausgepackt habe: Nummer 176, ein Spieler vom amtierenden Weltmeister Argentinien – Diego Armando Maradona.

Grimmiger, entschlossener Blick, in die Ferne gerichtet, als säße oben auf den Rängen in der Weite des Stadions ein Zuschauer mit einem Banner, auf dem steht: „Maradona, du Pflunzn!“

Ich mochte den Mann sofort.

Madonna, las ich anfangs. Lustig, wie die Maria, Mutter Gottes. Während ich ihn vorsichtig in den dafür vorhergesehenen Rahmen klebte, kam mir der volle Name nochmal über die Lippen. „Diego Armando Maradona.“

So, dachte ich, sollte man als Fußballer heißen. Nicht Karl-Heinz oder Hansi oder Harald.

Ich blätterte zur deutschen Nationalmannschaft und platzierte dort meine nächste Klebeerrungenschaft. Uwe Reinders.

Der Mann sollte später auch einmal wegen seiner Hand beziehungsweise den Händen Berühmtheit erlangen. Nicht so wie Diegos Hand 1986 – die Hand Gottes –, aber Uwe Reinders gelang die Mutter, also die Madonna aller Einwurftore (quasi der Maradona unter den Einwurftoren). Und zwar in der Bundesligasaison direkt nach der WM ’82 gegen Jean-Marie Pfaff vom FC Bayern München. Reinders katapultierte den Ball per Einwurf aufs Tor, und der wurde von Jean-Maries Finger, übrigens in seinem ersten Spiel für die Roten, ins Netz gelenkt, somit so gültig wie sensationell.

Über Uwes Tor freute ich mich damals als vager 60er-Fan natürlich kurz.

Über Diego freute ich mich ein Leben lang.

In meinem Herzen ging sein Stern 1986 auf. Denn in diesem pummelig wirkenden kleinen Derwisch erkannte ich mich selbst. Ich war als junger Mensch auch eher klein, wenn auch ziemlich dünn und muskulös. Ich war schnell. Das war meine Waffe. Klar hatte auch ich ein paar Tricks auf Lager, aber aufgrund meines Speeds war bei mir eben der Bauerntrick (links Ball, rechts Flo am Gegner vorbei) der verlässlichste. Später kam noch eine Fähigkeit hinzu, mit der ich mir Vorteile verschaffte, aber eher Uwe-Style als Diego-Kopie: der weite Einwurf.