Märchen aus 1001 Nacht - Scheherazade - E-Book

Märchen aus 1001 Nacht E-Book

Scheherazade

4,8

Beschreibung

Der Klassiker des Orients - wunderschöne Märchen von edlen Prinzen, prächtigen Palästen und reichen Sultanen. Erleben Sie viele wundersame Abenteuer und große Heldentaten in der nie vergehenden Pracht des Orients und lassen Sie sich in diese farbenfrohe und fremde Welt mit all ihren Schätzen und Reichtümern entführen!

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Märchen aus 1001 Nacht

Edition Lempertz

Impressum

Math. Lempertz GmbH Hauptstr. 354 53639 Königswinter Tel.: 02223 / 90 00 36 Fax: 02223 / 90 00 38 [email protected] www.edition-lempertz.de

Wie es kam, dass Scheherazade die Geschichten aus Tausendundeiner Nacht erzählte

Es wird erzählt, dass einst in uralter Zeit und längst entschwundenen Tagen ein König in Indien und China lebte, der ein starkes Heer, zahlreiche Leibgarden, große Dienerschaft und ein stattliches Gefolge besaß. Er hatte auch zwei Söhne, von denen der eine schon etwas älter war, während der andere noch jung war; beide waren tapfere Rittersleute, doch war der ältere noch ritterlicher als der jüngere. Er war auch der Herrscher des Landes und waltete in Gerechtigkeit über seine Untertanen, sodass ihm das Volk seines Landes und Königreiches in Liebe zugetan war. Sein Name war König Schahriar, sein jüngerer Bruder aber hieß König Schahseman und war König zu Samarkand in Persien.

Zwanzig Jahre lang hatte ein jeder von ihnen in seinem Land seine Untertanen gerecht und weise regiert und in Fröhlichkeit und Zufriedenheit gelebt, als der ältere Bruder von Sehnsucht nach seinem jüngeren Bruder ergriffen wurde und seinen Wesir deshalb beauftragte, zu ihm zu reisen und ihn mit sich zurück zu bringen. Der Wesir antwortete: “Ich höre und gehorche” und machte sich auf den Weg, bis er bei dem Bruder seines Königs wohlbehalten ankam. Vor Schahseman geführt, überbrachte er ihm Grüße, tat ihm kund, dass sein Bruder Sehnsucht nach ihm habe und forderte ihn auf, ihn zu besuchen. Schahseman willigte sogleich ein und traf die Vorkehrungen zur Reise. Nachdem er dann die Zelte, Kamele und Maultiere, die Diener und die Leibwache hatte vor die Stadt ziehen lassen und den Wesir zum Landesverweser bestellt hatte, machte er sich selber auf den Weg in das Land seines Bruders.

Gegen Mitternacht fiel ihm jedoch ein, dass er etwas Wichtiges im Schloss vergessen hatte; er kehrte wieder um und fand dort seine Gemahlin in seinem Bett in den Armen eines schwarzen Sklaven. Bei diesem Anblick wurde ihm schwarz vor Augen und er sprach bei sich: “Wenn sich das schon zuträgt, bevor ich noch die Stadt verlassen habe, was wird dann diese Dirne erst anstellen, wenn ich eine Weile bei meinem Bruder bin?” Darauf zog er sein Schwert und tötete die beiden.

Er kehrte dann sofort wieder um, gab Befehl zum Aufbruch und reiste fort und fort, bis er sich dem Schloss seines Bruders näherte. Schahriar zog ihm erfreut über seine Ankunft entgegen und begrüßte ihn in höchster Freude; dann ließ er ihm zu Ehren die Stadt festlich schmücken, setzte sich an seine Seite und plauderte mit ihm fröhlich und vergnügt. Der König Schahseman dachte jedoch an den Vorfall mit seiner Gattin und der Kummer bedrückte ihn so heftig, dass seine Farbe gelb wurde und sein Körper sich verzehrte. Schahriar bemerkte es wohl, doch dachte er bei sich, die Ursache des Ganzen wäre die Trennung von seinem Land und Königreich; er ließ ihn deshalb in Ruhe und befragte ihn nicht weiter.

Nach einiger Zeit jedoch sagte er zu ihm: “Mein Bruder, ich sehe, wie sich dein Körper verzehrt und wie deine Farbe immer gelber wird.” Er aber antwortete nur: “Ach, mein Bruder, ich leide an einer inneren Wunde” und erwähnte nichts von seiner Gattin. Schahriar meinte darauf: “Wie wär’s, wenn du mit mir auf die Jagd kämst, vielleicht erheitert das dein Gemüt?” Schahseman aber lehnte es ab und so zog sein Bruder allein auf die Jagd. Nun befanden sich im Schloss des Königs Schahseman Fenster, welche auf den Garten seines Bruders hinausgingen. Da sah er plötzlich, wie sich das Schlosstor auftat und aus ihm zwanzig Sklavinnen und zwanzig Sklaven heraustraten, in deren Mitte in vollendeter Schönheit und Anmut die Frau seines Bruders einherschritt. Sie begaben sich zu einem Springbrunnen, machten dort Halt, legten ihre Sachen ab und setzten sich zueinander. Auf einmal rief die Frau seines Bruders: “Masud!” Da kam ein schwarzer Sklave herbei und umarmte sie; desgleichen taten die übrigen Sklaven mit ihren Sklavinnen und hörten nicht eher auf, als bis der Tag sich neigte. Als der Bruder des Königs dies sah, sprach er bei sich: “Bei Allah, mein Unglück ist leichter als dieses hier.” All sein Zorn und Kummer schwanden dahin, er aß und trank wieder und dachte: Dies ist viel schlimmer als das, was mir widerfahren ist.

Als nun der König Schahriar von seinem Ausflug wieder heimkehrte und sie einander begrüßt hatten, sah er, dass sein Bruder Schahseman seine Farbe wiederbekommen hatte und sein Antlitz wieder gesund geworden war und dass er, nachdem er zuvor nur wenig Speise und Trank zu sich genommen hatte, jetzt wieder mit Appetit aß. Er verwunderte sich darüber und sprach zu ihm: “Mein Bruder, vorher sah ich die Farbe deines Gesichtes gelb, jetzt aber hast du deine Farbe wiederbekommen; erzähle mir doch, wie das zugegangen ist.” Schahseman antwortete ihm: “Wie es kam, dass sich meine Farbe veränderte, will ich dir wohl erzählen; doch verlange nicht, auch von mir zu erfahren, wie ich sie wiedererlangte.” Da sagte er zu ihm: “So erzähl mir zuerst, wie sich deine Farbe änderte und du krank wurdest, dass ich es höre.” Nun erzählte er ihm: “Wisse, mein Bruder, als du deinen Wesir zu mir geschickt hattest, mich zu dir zu holen und ich mich reisefertig gemacht hatte und schon aus der Stadt hinaus ins offene Feld gezogen war, fiel mir ein, dass ich den Edelstein, den ich dir zum Geschenk machte, im Schloss vergessen hatte. Wie ich deshalb wieder umkehrte, fand ich im Bette bei meiner Gemahlin einen schwarzen Sklaven ruhen. Ich tötete beide und kam dann zu dir; doch musste ich fortwährend an diesen Vorfall denken. Das ist’s, warum sich meine Farbe änderte und mein Leib sich verzehrte; wie ich sie aber wiederbekam, danach befrage mich nicht.” Als Schahriar seinen Bruder dies erzählen hörte, drang er in ihn und sprach: “Bei Allahes Willen, ich beschwöre dich, erzähle mir, wie es kam, dass deine Farbe wiederkehrte.” Da erzählte er ihm alles, was er gesehen hatte. Schahriar sagte darauf: “Ich muss es mit eigenen Augen sehen.” Infolgedessen gab ihm Schahseman den Rat: “Tu so, als ob du wieder auf die Jagd gehen wolltest und verbirg dich bei mir; dann wirst du es mit eigenen Augen sehen und dich davon selbst überzeugen können.”

Da ließ der König sofort ausrufen, dass er wieder einen Ausflug machen wolle; die Truppen zogen aus, die Zelte wurden vor die Stadt geschafft und der König begab sich hinaus ins Lager. Dort angelangt, gab er seinen Pagen den Befehl, niemand vorzulassen, verkleidete sich dann und ging geheim in das Schloss seines Bruders, wo er sich an das Fenster, das auf den Garten hinausging, setzte. Nach einer Weile betraten denn auch wieder die Sklavinnen mit ihrer Herrin und den Sklaven den Garten und verfuhren bis zum Abend in derselben Weise, wie es ihm sein Bruder erzählt hatte. Bei diesem Anblick schwand dem König Schahriar der Verstand aus dem Kopf. Er sprach zu seinem Bruder: “Komm, lass uns unseres Weges ziehen und uns nicht eher wieder um unser Reich bekümmern, bis wir jemand gefunden haben, dem Gleiches wie uns widerfahren ist. Wenn nicht, so ist der Tod für uns besser als das Leben.”

Schahseman willigte sogleich ein und so machten sich die beiden aus einer verborgenen Pforte des Schlosses auf den Weg und wanderten Tag und Nacht, bis sie zu einem Baum inmitten einer Wiese, bei der eine Quelle floss, am Ufer des Salzmeeres anlangten. Sie tranken dort von der Quelle und ließen sich nieder, um sich auszuruhen. Nach einiger Zeit begann das Meer plötzlich zu toben; eine schwarze Säule erhob sich aus ihm, stieg bis zum Himmel und kam dann gerade auf die Wiese zu. Wie sie das bemerkten, erschraken sie und stiegen in den Gipfel des Baumes, der sehr hoch war und beobachteten von dort, was aus der Sache werden wollte. Und siehe! Da war’s ein Dschinni, ein Dämon von riesenhaftem Wuchs, mit breitem Haupt und weiter Brust, der auf dem Kopfe einen Kasten trug. Nun stieg er ans Land, kam gerade auf den Baum zu, auf welchem die beiden saßen und ließ sich unter ihm nieder. Dann öffnete er den Kasten und holte aus ihm eine Schachtel hervor; nachdem er auch diese geöffnet hatte, stieg ein Mädchen, schön und strahlend wie die leuchtende Sonne, heraus. Nun schaute sie der Dschinni an und sprach zu ihr: “O du Herrin der edel geborenen Frauen, die ich mir in der Brautnacht entführte, ich trage Verlangen, ein wenig zu schlafen.” Darauf legte er sein Haupt in ihren Schoß und schlief ein. Wie nun das Mädchen den Kopf hob und zum Gipfel des Baumes schaute, erblickte sie die. beiden Könige, die dort oben saßen. Da legte sie das Haupt des Dschinni von ihrem Schoß auf die Erde, trat unter den Baum und gab ihnen durch Zeichen zu verstehen, vom Baum herunterzusteigen und sich nicht vor dem Ifrit zu fürchten. Sie riefen jedoch hinunter: “Bei Allahes Willen, erlass uns das!” Da drohte sie ihnen: “Bei Allah, steigt ihr nicht vom Baum herunter, so wecke ich den Ifrit, dass er euch auf die grausamste Weise umbringt.” Da erschraken sie und stiegen hinunter. Sie trat nun zu ihnen heran und sagte: “Seid mir zu Willen oder ich wecke den Ifrit.” Da sprach der König Schahriar zu seinem Bruder Schahseman: “Mein Bruder, tu, was sie dich heißt”; Schahseman hingegen sagte: “Nicht eher, als bis du es vor mir getan hast” und einer blinzelte dem anderen zu, den Anfang zu machen. Da sagte sie: “Was blinzelt ihr einander zu? Seid ihr mir nicht zu Willen, so wecke ich den Ifrit.” So gehorchten sie ihr aus Furcht vor dem Dschinni, worauf sie aus ihrer Tasche einen Beutel hervorholte und aus ihm eine Schnur, an welcher fünfhundertundsiebzig Siegelringe hingen, herauszog. Dann fragte sie: “Wisst ihr, was diese Ringe bedeuten?” Sie antworteten: “Wir wissen es nicht.” Da sagte sie: “Die Besitzer dieser Ringe waren mir, ohne dass der Ifrit es merkte, zu Willen; so gebt mir nun auch eure beiden Ringe, ihr Brüder.” Als sie die Ringe vom Finger abgezogen und ihr gegeben hatten, sagte sie: “Seht, dieser Ifrit da hat mich in der Hochzeitsnacht entführt, mich in eine Schachtel gesperrt, hat dann die Schachtel in diesen Kasten gepackt und sieben Schlösser davorgelegt und mich auf den Grund des tosenden Meeres versteckt, ohne zu wissen, dass wir Frauen alles, was wir wollen, auch durchsetzen.”

Als sie diese Worte von ihr vernahmen, wunderten sie sich maßlos und sprachen zueinander: “Wenn diesem, der doch ein Ifrit ist, Schlimmeres als uns widerfahren ist, so liegt für uns hierin ein Trost.” Darauf verließen beide sie zur Stunde, kehrten in die Stadt des Königs Schahriar zurück und begaben sich wieder in sein Schloss. Dort angelangt, ließ der König Schahriar unverzüglich seiner Gemahlin, den Sklavinnen und den Sklaven den Kopf abschlagen. Dann ließ er sich eine Jungfrau bringen und ließ sie nach der Brautnacht hinrichten; und so verfuhr er drei Jahre lang, bis die Leute zu schreien begannen und mit ihren Töchtern flohen, sodass in jener Stadt kein erwachsenes Mädchen mehr zu finden war. Als nun der Wesir wieder vom König den Befehl erhielt, ihm in üblicher Weise ein Mädchen zu bringen und er vergebens nach einem gesucht hatte, ging er voll Zorn und Schmerz und in Furcht vor dem König nach Hause. Nun hatte der Wesir zwei Töchter, beide schön, anmutig, entzückend und von ebenmäßigem Wuchs; der Name der älteren war Scheherazade, der der jüngeren Dunjazade.

Die ältere hatte viele Bücher und Chroniken, die Lebensbeschreibungen der früheren Könige und die Geschichte der vergangenen Völker gelesen; man berichtet auch, dass sie tausend Bücher von den Chroniken, die sich mit den vergangenen Völkern und verstorbenen Königen befassten und die Dichter gesammelt hatte. Diese fragte nun ihren Vater: “Mein Vater, warum bist du so verändert, so voll Sorge und Kummer?” Darauf erzählte der Wesir ihr von Anfang bis Ende alles, was sich da mit dem König zugetragen hatte. Da sagte sie: “Bei Allahes Willen, mein Vater, vermähle mich mit dem König: Entweder bleibe ich am Leben, oder ich opfere mich für die Töchter der Moslems auf und werde die Ursache ihrer Errettung aus seinen Händen.” Der Wesir antwortete ihr jedoch: “Bei Allahes Willen, niemals! Willst du dein Leben aufs Spiel setzen?” Sie erklärte aber: “Es muss sein.” Da schmückte er sie bräutlich und begab sich zum König Schahriar, während sie inzwischen ihrer jüngeren Schwester folgendes ans Herz legte: “Wenn ich mich zum König begeben habe, werde ich nach dir schicken und dich holen lassen. Bist du dann zu mir gekommen, so sprich, wenn der König meiner nicht mehr bedarf: “Schwester, erzähle mir doch eine merkwürdige Geschichte, dass wir dabei wach bleiben.” Dann erzähle ich dir eine Geschichte, worin, so Allah will, die Errettung liegen wird.” Hierauf begab sich ihr Vater, der Wesir, mit ihr zum König, welcher bei ihrem Anblick erfreut sagte: “Hast du gebracht, was ich wünschte?” Worauf der Wesir antwortete: “Ja.” Als nun der König ihr Lager teilen wollte, begann sie zu weinen, sodass er sie fragte: “Was fehlt dir?” Sie antwortete ihm: “Ach, mein König, siehe, ich habe noch eine Schwester, von der ich gern Abschied nehmen möchte.” Darauf ließ sie der König holen und als sie zu ihrer Schwester gekommen war, umarmte sie sie und setzte sich am Fußende des Lagers nieder.

Als nun der König mit Scheherazade geruht hatte und sie sich zum Plaudern setzten, sagte die jüngere Schwester zur älteren: “Bei Allah, meine Schwester, erzähl uns doch eine Geschichte, dass wir dabei wach bleiben.” Scheherazade antwortete: “Recht gern, wenn es mir der edle König gestattet.” Der König war hierüber erfreut, da er sich aufgeregt fühlte und sagte zu ihr: “Er zähle.” So begann Scheherazade 

zu erzählen und ihre Geschichte war so schön und wunderbar, dass der König und die Schwester nicht aufhören konnten, ihr zu lauschen, ohne zu merken, wie die Zeit verstrich. Als Scheherazade aber das Morgenlicht dämmern sah, brach sie ihre Erzählung mittendrin ab. Da rief ihre Schwester: “Wie schön ist doch deine Geschichte, wie lieb, wie süß und entzückend!” Scheherazade erwiderte jedoch: “Was ist dies im Vergleich zu dem, was ich euch in der kommenden Nacht erzählen werde, wenn mich der König am Leben lässt.” Da sprach der König bei sich: “Bei Allah, sie soll nicht eher sterben, als ich das Ende ihrer Geschichte gehört habe.”

Am Morgen aber begab sich der König in die Regierungshalle, in der sich der Wesir mit dem Leichentuch unter dem Arm eingefunden hatte. Hierauf sprach der König Recht und setzte ein und ab bis zum Ende des Tages, ohne dass er dem Wesir irgendetwas mitteilte, sodass dieser sich zutiefst verwunderte. Nach Schluss des Diwans begab sich dann der König wieder in sein Schloss. Als nun die zweite Nacht anbrach, sagte Dunjazade wieder zu ihrer Schwester Scheherazade: “Schwester, erzähle uns doch deine Geschichte zu Ende.” Scheherazade antwortete: “Recht gern, wenn es mir der König gestattet.” Der König sagte: “Erzähle!” Und so fuhr sie denn fort.

Als sie aber die Erzählung geendet hatte, wusste sie sofort eine neue anzufangen und da sie sie beim Morgengrauen abbrach, gab ihr der König abermals eine Frist. Und so geschah es weiter: Sie verwob ihre Geschichten so kunstvoll ineinander, dass der König nie müde wurde, ihr zuzuhören und stets mehr hören wollte. So verschonte er ihr Leben von Tag zu Tag und sie erzählte tausendundeine Nacht hindurch immer neue seltsame Begebenheiten. Die schönsten von ihnen stehen in diesem Buch.

Der Fischer und der Ifrit

Es war einmal ein hoch betagter Fischer, der eine Frau und drei Kinder hatte und, obwohl er in dürftigen Verhältnissen lebte, es sich zur Gewohnheit gemacht hatte, sein Netz jeden Tag nur viermal und nicht öfter auszuwerfen. Eines Tages begab er sich wieder zur Mittagszeit an den Meeresstrand, legte seinen Beutel ab, warf das Netz aus und wartete, bis es sich im Wasser gesetzt hatte. Als er dann die Stricke anzog, fand er es so schwer, dass er es trotz heftigen Anziehens nicht herausbekommen konnte. Er stieg darum an Land, stieß einen Pflock in die Erde und band das Netz daran fest; dann entkleidete er sich, tauchte beim Netz unter und arbeitete so lange im Wasser, bis er es herausgeschafft hatte. Voll Freude darüber zog er wieder seine Kleider an, doch fand er, als er zum Netz ging, einen toten Esel darin. Beim diesem Anblick wurde er traurig und rief: “Keine Macht und keine Kraft außer bei Allah dem Hohen und Erhabenen!” Dann sagte er: “Das ist ein wundersamer Fang zum täglich Brot!”

Nachdem er den toten Esel aus dem Netz herausgezogen hatte, stieg er wieder ins Meer und warf es unter Anrufung des Namen Allahs aus. Er wartete, bis es sich gesetzt hatte und zog es dann wieder ein, doch war es diesmal noch schwerer und saß noch fester als beim erste Mal. Er glaubte, es wären Fische und band das Netz fest; dann entkleidete er sich, stieg wieder ins Wasser, tauchte unter und arbeitete so lange, bis er es losgemacht und ans Land gezogen hatte. Da fand er einen großen Topf voll Sand und Schlamm darin. Betrübt warf er ihn fort und reinigte dann das Netz. Nachdem er Allah um Verzeihung gebeten hatte, ging er wieder ans Meer, warf es zum dritten Mal aus und wartete, bis es sich gesetzt hatte. Als er es dann wieder herauszog, fand er es voll Scherben und Flaschen. Hierauf blickte er gen Himmel und betete: “O Allah, du weißt, dass ich mein Netz nur viermal des Tages auswerfe und schon habe ich es dreimal getan.” Dann warf er unter Anrufung des Namens Allahs das Netz ins Meer und wartete, bis es sich gesetzt hatte. Als er es wieder herausziehen wollte, konnte er es nicht, da es sich am Boden verstrickt hatte. Er rief: “Keine Macht und keine Kraft außer bei Allah, dem Hohen und Erhabenen!”, entkleidete sich, tauchte unter und arbeitete so lange, bis er es ans Land geschafft hatte. Wie er es nun auseinander nahm, fand er eine Messingflasche, die mit etwas angefüllt war und einen Bleiverschluss mit dem Stempel des Siegels unseres Herrn Salomonn trug. Der Fischer sagte erfreut bei ihrem Anblick: “Ich verkaufe sie auf dem Kupfermarkt, sie ist bestimmt zehn Dinar wert.” Hierauf schüttelte er sie und fand, dass sie schwer war; da sagte er: “Ich muss sie öffnen und schauen, was darin ist; ich steck’s in den Sack und verkaufe dann die Flasche auf dem Kupfermarkt.”

Darauf zog er ein Messer hervor und arbeitete an dem Blei so lange, bis er es von der Messingflasche los bekam; dann legte er sie auf die Erde und schüttelte sie hin und her, damit ihr Inhalt herauskäme. Es kam jedoch zu seiner Verwunderung aus der Flasche nichts außer Rauch heraus, der bis zu den Wolken am Himmel aufstieg und sich über die Erde legte. Als nun aber der Rauch völlig der Flasche entstiegen war, zog er sich wieder zusammen, schüttelte sich und wurde ein Ifrit, dessen Haupt in die Wolken ragte, während seine Füße auf dem Boden standen. Er hatte einen Kopf wie eine Kuppel, Hände wie Heugabeln, Beine wie Schiffsmaste, sein Mund glich einer Höhle, seine Zähne Felsen, seine Nüstern waren wie Trompeten, seine Augen wie zwei Lampen und sein Haar war staubfarben und stand zu Berge. Beim Anblick des Ifrits erbebte der Fischer; die Zähne klapperten ihm, sein Speichel trocknete und der Weg verschwand ihm vor den Augen. Als nun der Ifrit den Fischer sah, rief er: “Es gibt keinen Allah außer Allah und Salomonn ist der Prophet Allahs! O du Prophet Allahs, töte mich nicht, ich werde deinen Worten nicht mehr widersprechen und gegen deinen Befehl nicht mehr rebellieren.” Da sagte der Fischer zu ihm: “O Marid, sprichst du von Salomonn, dem Propheten Allahs? Salomonn ist seit achtzehnhundert Jahren tot und wir leben am Ende der Zeit. Wie ist deine Geschichte und was ist mit dir vorgegangen? Warum saßt du in dieser Flasche?” Als der Marid die Worte des Fischers vernahm, sagte er: “Es ist kein Allah außer Allah! Frohe Botschaft, Fischer!” Da fragte der Fischer: “Welche frohe Botschaft bringst du mir?” Er antwortete: “Dass du sofort des grausamsten Todes sterben sollst.” Der Fischer versetzte: “Du verdienst, dass dir für diese Freudenbotschaft Allahs Schutz entzogen wird, O Ifritenfürst, O Verworfener! Weshalb willst du mich töten und wodurch habe ich den Tod verdient? Ich habe dich doch eben aus der Flasche befreit, dich aus der Meerestiefe errettet und an Land gebracht.” Darauf sagte der Ifrit: “Wähle dir, welche Todesart du sterben willst und wie ich dich umbringen soll!” Der Fischer rief: “Was ist denn meine Schuld, dass dies mein Lohn von dir sein soll?” Der Ifrit versetzte: “Höre meine Geschichte, Fischer.” Der Fischer antwortete: “Sprich, aber mach deine Rede kurz, denn mein Geist ist mir in die Füße gefahren.”

Der Ifrit erzählte nun: “Wisse, ich bin einer der abtrünnigen Dschinn und hatte mich gegen Salomonn, den Sohn Davids, erhoben; ich und der Dschinni Sachr; da sandte er seinen Wesir Asaf, den Sohn des Berechia, der mich mit Gewalt demütigte, mich trotz meines Widerstrebens vor ihn brachte und vor ihn hinstellte. Als Salomonn meiner ansichtig wurde, nahm er vor mir seine Zuflucht zu Allah und forderte mich zum Glauben und zur Unterwerfung unter seine Befehle auf. Als ich es verweigerte, ließ er diese Flasche holen und mich darin einsperren. Dann versiegelte er sie mit Blei, prägte den höchsten Namen darauf und gab dem Dschinni Befehl, mich mitten ins Meer zu werfen. Hundert Jahre lag ich dort und sprach während dieser Zeit in meinem Herzen: “Jeden, der mich erlöst, mache ich für alle Zeit reich”; aber die hundert Jahre verstrichen, ohne dass jemand kam, mich zu befreien. Dann kamen weitere hundert Jahre über mich, in denen ich sprach: “Jedem, der mich befreit, öffne ich die Schätze der Erde”; aber niemand befreite mich. Als weitere vierhundert Jahre über mir hingezogen waren, sprach ich: “Jedem, der mich befreit, erfülle ich drei Wünsche”; aber keiner befreite mich. Da ergrimmte ich in heißem Zorn und sprach bei mir: “Jeden, der mich jetzt befreit, bringe ich um und stelle ihm die Wahl seines Todes anheim.” Und siehe! Da hast du mich befreit und ich habe dir deine Todesart anheim gestellt.”

Als der Fischer die Erzählung des Ifrits vernommen hatte, rief er: “Allahs Wunder, musste ich auch gerade zu dieser Zeit kommen und dich befreien!” Dann bat er den Ifrit: “Verschone mich und lass mich am Leben, so wird Allah dich auch verschonen, bring mich nicht um, so wird Allah dir auch Macht geben über den, der dich verderben will.” Der Marid antwortete jedoch: “Du musst in jedem Fall sterben, darum wähle dir deine Todesart.” Noch einmal bat der Fischer, der seinen sicheren Tod vor Augen sah, den Ifrit: “Verschone mich zum Dank dafür, dass ich dich befreit habe.” Der Ifrit antwortete jedoch: “Gerade deshalb, weil du mich befreit hast, will ich dich umbringen.” “O Ifritenfürst”, bat der Fischer, “habe ich dir Gutes erwiesen und du willst es mit Bösem vergelten?” Der Ifrit antwortete jedoch dem Fischer: “Gier nicht nach dem Leben, dein Tod ist unabänderlich.” Da sprach der Fischer bei sich: Das ist nur ein böser Geist, ich aber bin ein Mensch, dem Allah seinen gesunden Verstand gegeben hat; ich muss mit meinem Verstand und meiner Erfindungsgabe etwas zu seinem Verderben ersinnen, ebenso wie er mit List und Tücke zu Werke ging. Dann fragte er den Ifrit: “Hast du wirklich den festen Willen, mich zu töten?” Er antwortete: “Ja.” Darauf sprach er: “Bei dem höchsten Namen, der in den Siegelring Salomons eingegraben ist, wirst du mir die Wahrheit sagen, wenn ich dich noch etwas frage?” Der Ifrit antwortete: “Ja”, erbebte jedoch bei der Erwähnung des höchsten Namens und sagte: “Frage, doch mach’s kurz!” Da fragte ihn der Fischer: “Wie kannst du in dieser Flasche gewesen sein, die nicht einmal deine Hand oder deinen Fuß, geschweige denn deinen ganzen Körper fassen kann?” Der Ifrit antwortete: “Du glaubst nicht, dass ich da drin war?” Der Fischer entgegnete: “Ich glaub es nicht eher, bis ich dich mit eigenen Augen darin sehe.” Sogleich schüttelte sich der Ifrit und löste sich in Rauch auf, der bis zum Himmel stieg, worauf er sich wieder zusammenzog und sich nach und nach in die Flasche senkte, bis er völlig in ihr verschwunden war. Da nahm der Fischer schnell das Bleisiegel, verschloss die Öffnung der Flasche und rief dem Ifrit zu: “Wähle dir von mir deine Todesart! Für- wahr, ich werfe dich hier ins Meer, baue mir hier ein Haus und warne jeden Fischer, hier zu fischen. Ich sag ihm: “Hier liegt ein Ifrit im Meere, der jedem, der ihn herausholt, die Todesarten erklärt und ihm dann die Wahl lässt.”” Bei diesen Worten des Fischers versuchte der Ifrit herauszukommen; er vermochte es jedoch nicht, da er sich eingeschlossen fand und oben das Gepräge vom Siegelring Salomonns erblickte. Als er nun merkte, dass der Fischer ihn in das niedrigste, unreinste und kleinste Ifritengefängnis eingesperrt hatte und mit der Flasche zum Meer ging, rief er: “Nicht doch, nicht doch!” Der Fischer jedoch entgegnete: “Ja doch, ja doch!” Da beruhigte sich der Marid und fragte unterwürfig: “Fischer, was willst du mit mir tun?” Der Fischer antwortete: “Dich ins Meer werfen; hast du bereits achtzehnhundert Jahre darin gelegen, so will ich nun dafür sorgen, dass du bis zur Stunde des Gerichts darin bleibst. Sprach ich nicht zu dir: ‘Verschone mich, so wird Allah dich auch verschonen, töte mich nicht, so wird Allah dich auch nicht töten? Du aber hörtest nicht auf meine Worte, sondern wolltest Verrat an mir üben; darum hat dich Allah nun in meine Hand gegeben, damit ich an dir Verrat übe.” Da bat ihn der Ifrit und sagte: “Öffne mir und ich will dir Gutes tun.” Der Fischer aber entgegnete: “Du lügst, Verruchter! Ich und du, wir gleichen hier dem Wesir des Königs Junan und dem Weisen Rujan.” Da fragte der Ifrit: “Wie war’s mit dem Wesir des Königs Junan und dem Weisen Rujan? Wie ist ihre Geschichte?” Der Fischer erzählte.

Die Geschichte des Königs Junan und des Weisen Rujan

Wisse, Ifrit, in alter Zeit lebte einmal in der Stadt der Perser ein König namens Junan, welcher reich und tapfer war und Kriegsmacht und Leibgarden aller Art hatte. Er war jedoch aussätzig und keiner der Ärzte und Gelehrten hatte es vermocht, ihn trotz aller Medizin, Pulver und Salben davon zu heilen. Nun war in die Stadt des Königs Junan auch ein großer hoch betagter Hakim, ein Weiser, gekommen namens Rujan, der die Schriften der alten Griechen, der Perser, der Neugriechen, Araber und Syrer gelesen, Medizin und Astrologie studiert hatte und nicht nur die Grundsätze dieser Wissenschaften, sondern auch die Regeln zu ihrer nützlichen und schädlichen Anwendung kannte; außerdem war er aber auch mit den nützlichen und schädlichen Eigenschaften der Pflanzen, der trockenen Kräuter und auch der frischen Gräser vertraut und hatte Philosophie studiert, sodass er sowohl die medizinischen als auch alle anderen Wissenschaften völlig beherrschte.

Als dieser Weise bereits einige Tage in der Stadt war und von dem Aussatz des Königs hörte, mit dem ihn Allah geprüft hatte und auch vernahm, dass die Ärzte und Gelehrten ihn nicht zu heilen vermocht hatten, brachte er die Nacht über mit Arbeiten zu; als der Morgen aber anbrach und sein Licht verbreitete, legte er seine beste Kleidung an und ging sich zum König. Zur Audienz zugelassen, küsste er die Erde vor ihm und erflehte ihm immerwährende Macht und beständiges Glück in einer aufs Beste gesetzten Rede. Darauf tat er ihm kund, wer er wäre und sprach: “O König, mir ist von der Plage deines Körpers zu Ohren gekommen und auch, dass keiner der vielen Ärzte das Mittel fand, sie zu beseitigen. Ich aber will dich heilen, O König, ohne dir eine Medizin zum Einnehmen zu geben oder dich mit Salben einzureiben.” Als der König Junan diese Worte vernahm, sagte er verwundert: “Wie willst du das fertig bringen? Aber, bei Allah, machst du mich gesund, so mache ich dich reich bis auf Kind und Kindeskind, ich beschenke dich und erfülle dir jeden deiner Wünsche; auch sollst du mein Tischgenosse und Freund sein.” Hierauf schenkte er ihm ein Ehrenkleid nebst anderen Geschenken und fragte ihn: “Wirst du mich wirklich von dieser Krankheit ohne Medizin und ohne Salben heilen?” Er antwortete: “Ja, ich werde dich heilen, ohne deinem Körper irgendwelche Beschwerden zuzufügen.” Da geriet der König außer sich vor Erstaunen und fragte: “Hakim, was du da gesagt hast, zu welcher Zeit und Stunde wird es geschehen? Eile dich, mein Sohn!” Er antwortete: “Ich höre und gehorche.” Darauf verließ er den König und mietete sich ein Haus, wohin er seine Bücher, Medizin und Spezereien schaffte. Dann destillierte er die Stoffe und fertigte eine Keule mit einem hohlen Griff, in welchen er den Extrakt hineingoss und machte geschickt einen Ball dazu. Als er mit allem fertig war, begab er sich am nächsten Tage wieder zum König, küsste die Erde vor ihm und befahl ihm, zu der Rennbahn zu reiten und dort mit dem Ball und der Keule zu spielen. Wie der König nun mit den Emiren, den Kämmerlingen, Wesiren und den Großen des Reiches auf der Rennbahn erschien, trat der Hakim Rujan zu ihm heran, übergab ihm die Keule und sprach: “Nimm diese Keule und fasse sie so, wie ich es dir jetzt zeige, an, geh auf die Rennbahn und schlage den Ball mit ihr, so stark du kannst, bis deine Hand und dein ganzer Körper in Schweiß geraten; dann wird die Arznei von deiner Hand in den ganzen Körper eindringen. Bist du fertig mit dem Ballspiel und spürst die Arznei in dir, so kehr ins Schloss zurück, begib dich ins Bad, wasch dich und leg dich schlafen; du bist dann gesund. Frieden sei mit dir!” Hierauf nahm der König Junan vom Hakim die Keule, fasste sie mit festem Griff an und bestieg sein Schlachtross. Der Ball wurde vor ihm hergeworfen und er sprengte hinterher, bis er ihn einholte und aus Leibeskräften mit der Keule schlug, die er fest in der Hand hielt. In dieser Weise schlug er den Ball, bis seine Hand und sein ganzer Körper in Schweiß gerieten und die Arznei aus dem Griff in ihn eindrang. Wie der Hakim Rujan dieses nun bemerkte, befahl er ihm, ins Schloss zurückzukehren und sogleich ins Bad zu gehen.

Der König Junan kehrte auf der Stelle um und befahl, das Bad zu verlassen, damit er selber baden könne und die Kammerdiener und Mamelucken eilten um die Wette, dem König sein Zeug bereitzulegen, während er sich ins Bad begab und sich tüchtig wusch. 

Als er sich wieder angekleidet hatte, ritt er ins Schloss und legte sich schlafen. Wie er nun wieder erwachte und seinen Körper begutachtete, sah er allen Aussatz verschwunden und seinen Körper rein wie weißes Silber; da erfasste ihn übermächtige Freude, dass sich seine Brust vor Wonne dehnte. Als er am nächsten Morgen den Diwan betrat und sich auf den Thron des Reiches setzte und die Kämmerlinge und Großen des Reiches vor ihm erschienen, trat auch der Hakim Rujan ein, küsste die Erde vor ihm und begrüßte ihn mit ehrfürchtigen Worten. Der König aber erhob sich vor ihm von seinem Throne, umarmte ihn, hieß ihn an seiner Seite Platz nehmen und verlieh ihm prachtvolle Ehrenkleider.

Gleich darauf wurden Tische mit Speisen vor ihnen hingesetzt und der König speiste und trank mit ihm den ganzen Tag. Zum Abend aber schenkte er dem Hakim zweitausend Dinar, außer den Ehrenkleidern und sonstigen Geschenken und ließ ihn auf seinem Schlachtross nach Hause reiten, während er sich noch immer über seine Heilung verwunderte und sagte: “Dieser hat von außen meinen Körper gesund gemacht, ohne mich mit Salben einzureiben; bei Allah, das ist eine außergewöhnliche Kunst! Einen solchen Mann muss ich mit Geschenken und Ehren überhäufen und ihn mein Leben lang zu meinem Freund und Vertrauten machen.” Voll Freude und Fröhlichkeit über seine Genesung von seiner Krankheit verbrachte der König Junan die Nacht und ließ am nächsten Morgen, als er den Thron bestieg und die Großen des Reiches vor ihm standen und die Emire und Wesire zu seiner Rechten und Linken saßen, wieder den Hakim Rujan kommen. Als er eintrat und die Erde vor ihm küsste, erhob sich der König wieder vor ihm, hieß ihn an seiner Seite Platz nehmen, speiste mit ihm und wünschte ihm langes Leben. Darauf beschenkte er ihn wieder mit einem Ehrenkleid und anderen Kostbarkeiten, unterhielt sich mit ihm bis in die Nacht und verordnete ihm fünf Ehrenkleider und tausend Dinare, worauf der Hakim dankerfüllt für den König nach Hause ging.

Nun befand sich unter den Wesiren des Königs auch ein Wesir von hässlichem Äußern und Unheil bringendem Gestirn, ein schmutziger, geiziger und neidischer Mensch, dem Neid und Bosheit angeboren waren. Als dieser Wesir sah, wie der König den Hakim Rujan so sehr auszeichnete und ihm alle diese Gunsterweisungen zuteil werden ließ, beneidete er ihn deshalb und trachtete ihn zu verderben, wie es im Sprichwort heißt: Jede Seele ist eine Höhle voll Neid oder auch: Gewalttätigkeit lauert in jeder Seele; der Starke zeigt sie, aber der Schwache verbirgt sie. Infolgedessen trat der Wesir am nächsten Tage, als sich der König wieder in den Diwan begeben hatte und im Kreise seiner Emire, Wesire und Kammerherren saß, an ihn heran, küsste die Erde vor ihm und sprach: “O König der Zeit, dessen Huld die Menschen umfasst, ich habe dir einen guten Rat von großer Wichtigkeit mitzuteilen; verheimlichte ich ihn dir, so wäre ich ein Bastard; gebietest du es mir, so tue ich ihn dir kund.” Der König, durch die Worte des Wesirs in Unruhe versetzt, fragte: “Wie ist dein guter Rat?” Er antwortete: “Ruhmreicher König, die Alten haben gesagt: “Wer nicht das Ende bedenkt, hat am Schicksal keinen Freund”; ich aber sehe den König auf Unrechtem Wege, insofern er seinen Feind, der nach dem Ende seiner Herrschaft trachtet, beschenkt, ihn mit Gunst- und Ehrenbezeigungen grenzenlos überhäuft und ihn zum nächsten Vertrauten gemacht hat; ich bin deshalb besorgt um den König.” Da wurde der König bestürzt, wechselte die Farbe und fragte ihn: “Wer, meinst du, ist mein Feind, dem ich meine Gunst bezeuge?” Der Wesir antwortete: “O König, wenn du schläfst, so erwache! Ich meine den Hakim Rujan.” Der König entgegnete ihm: “Der ist ja mein Freund und mir am wertesten von allen Menschen, weil er mich durch ein Ding, das ich mit der Hand anfasste, behandelte und mich von meiner Krankheit heilte, an der sich die Ärzte umsonst abgemüht hatten; einen Mann wie ihn gibt’s in dieser Zeit nicht mehr auf der Welt, weder im Abend- noch im Morgenland. Wie kannst du das von ihm behaupten? Ich werde ihm von heute an Gehalt und Einkünfte festsetzen und ihm monatlich tausend Dinar geben; wollte ich jedoch selbst das Reich mit ihm teilen, so wäre es noch für ihn zu wenig. Ich glaube, du sprichst nur aus Neid und willst, dass ich ihn hinrichten lasse.

Darauf erwiderte der Wesir: “Großmächtiger König, welche Unbill habe ich ihm denn zugefügt und welche Bosheit habe ich von ihm erlitten? Nur aus Sorge um dich habe ich so gesprochen und du wirst die Wahrheit davon erfahren; folgst du mir, so bist du gerettet, wenn aber nicht, so verlierst du dein Leben. Siehst du denn nicht ein und glaubst du nicht, dass er, wenn er deinen Körper von außen gesund machte, indem er dich einen Gegenstand anfassen ließ, dich auf dieselbe Weise auch umbringen kann?” Da sagte der König Junan: “Du hast recht und es wird sicherlich so kommen, wie du es sagst, du wohl beratender Wesir. Vielleicht ist dieser Hakim als Spion hierhergekommen, um mich ins Verderben zu stürzen. Hat er mich durch etwas, das er mich anfassen ließ, geheilt, so kann er mich auch durch etwas, das er mir zu riechen gibt, umbringen.” Dann fragte er den Wesir: “Was soll ich mit ihm tun, Wesir?” Der Wesir antwortete: “Schicke sofort nach ihm und ist er hier, so schlag ihm den Kopf ab, dann hast du ihm seine Bosheit heimgezahlt und hast vor ihm Ruhe. Besser, dass du an ihm Treulosigkeit übst, als dass er es an dir tut.” Da sagte der König Junan: “Du hast recht, Wesir” und ließ den Hakim holen.

Voller Fröhlichkeit und nichts ahnend von dem Geschick, das der Barmherzige über ihn verhängt hatte, trat der Hakim ein. Der König jedoch redete ihn an: “Weißt du, weshalb ich dich habe kommen lassen?” Der Hakim antwortete: “Allah nur, der Erhabene, kennt das Verborgene.” Darauf entgegnete der König: “Ich habe dich kommen lassen, um dir das Leben zu nehmen.” Der Hakim, über diese Worte des Königs aufs Äußerste bestürzt, fragte: “Weshalb, O König, willst du mich töten und welche Schuld ist an mir offenbar geworden?” Der König antwortete ihm: “Man hat mir gesagt, du seist ein Spion und nur hierhergekommen, um mich umzubringen; darum werde ich dir zuvorkommen und dich hinrichten lassen.” Darauf rief der König den Scharfrichter und befahl ihm: “Schlag diesem Verräter den Kopf ab und befreie uns von seiner Hinterlist! “ Nun bat der Hakim: “Lass mich am Leben, so wird Allah dich am Leben lassen, töte mich nicht, dass Allah dich nicht tötet.” und flehte ihn mit diesen Worten wiederholt an, wie ich es auch tat, O Ifrit, ohne dass du mich hörtest, sondern du wolltest mitleidlos meinen Tod. Der König Junan antwortete jedoch dem Hakim Rujan auf sein Flehen: “Ich bin nicht sicher vor dir, dass du mich nicht umbringst; denn hast du mich durch etwas geheilt, das ich in meine Hand nahm, so bin ich nicht sicher, dass du mich durch etwas, das ich rieche oder dergleichen umbringst.” Da sagte der Hakim: “O König, ist das mein Lohn von dir? Du vergiltst Gutes mit Bösem”; der König erklärte jedoch: “Du musst unverzüglich sterben.”

Als nun der Hakim sich davon überzeugt hatte, dass der König ihn ohne Erbarmen hinrichten lassen wollte, weinte er vor Betrübnis darüber, dass er einem Unwürdigen Gutes erwiesen hatte; der Scharfrichter aber trat heran, um ihm die Augen zu verbinden und rief, nachdem er es getan hatte: “Gebiete!”, während der Hakim den König unter Tränen bat: “Lass mich am Leben, so wird Allah dich auch am Leben lassen, töte mich nicht, dass Allah dich nicht tötet!” Nun erhob sich auch einer der Günstlinge des Königs und bat: “O König, schenke mir das Blut dieses Hakims, wir haben nicht bemerkt, dass er irgendein Vergehen gegen dich begangen hat, wir haben vielmehr nur gesehen, dass er dich von deiner Krankheit geheilt hat, an welcher sich die Ärzte und Gelehrten umsonst abmühten.” Der König entgegnete ihnen jedoch: “Ihr wisst nicht, weshalb ich diesen Hakim umbringen lassen muss. Bleibt er am Leben, so komme ich zweifellos selber um, denn wer mich von meiner Krankheit durch etwas, das ich anfassen musste, heilte, kann mich ebenso gut durch etwas, das er mir zu riechen gibt, umbringen. Ich fürchte, dass er mir nach dem Leben trachtet und dafür gedungen ist. Kann es nicht ein Spion sein, der nur hierher gekommen ist, um mir das Leben zu nehmen? Nicht eher, als bis er tot ist, habe ich Sicherheit für mein Leben.” Nun flehte der Hakim wieder: “Lass mich am Leben, so wird dich Allah auch am Leben lassen.” Als er sich jedoch, o Ifrit, davon überzeugt hatte, dass der König ihn ohne Gnade und Barmherzigkeit zum Tode verdammt hatte, sagte er: “Muss es denn also sein, O König, dass ich sterben muss, so gewähre mir eine Frist, dass ich mich nach Hause begebe, mich fertig mache, meiner Familie und meinen Nachbarn Verfügungen über mein Begräbnis erteile und meine medizinischen Bücher verschenke. Ich habe darunter ein ganz besonderes Buch, das ich dir zum Geschenk machen will; verwahre es wohl in deiner Schatzkammer.” Da fragte der König den Hakim: “Was hat es mit diesem Buch auf sich?” Der Hakim erwiderte: “Es enthält zahllose Dinge und das Geringste seiner Geheimnisse ist dieses, dass, wenn du mir den Kopf hast abschlagen lassen und es dann öffnest und drei Blätter davon umgeschlagen hast und dann auf der linken Seite drei Zeilen liest, mein Kopf mit dir sprechen und auf alle deine Fragen Antwort erteilen wird.” Der König verwunderte sich hierüber aufs Höchste und fragte ihn, indem er sich vor Freude schüttelte: “Hakim, wird dein Kopf wirklich sprechen, wenn ich ihn dir habe abschlagen lassen?” “Gewiss, O König”, antwortete er, “es ist eine wunderbare Sache.”

Hierauf entließ der König den Hakim unter einer Wache nach Hause, wo er noch an demselben Tage seine Geschäfte erledigte. Am nächsten Tage begab er sich dann wieder in den Diwan, in dem sich die Emire, Wesire, die Kämmerlinge, Deputierten und Großen des Reiches in voller Anzahl bereits versammelt hatten, sodass der Diwan einem Blumengarten glich. Mit einem alten Buch und einer Büchse Pulver trat er zum König heran, setzte sich nieder und rief: “Bringt mir ein Tablett!” Dann schüttete er das Pulver darauf, breitete es aus und sprach zum König: “Nimm dieses Buch, aber halte es still, bis mir der Kopf abgeschlagen ist, dann lass ihn auf das Tablett stellen und fest aufs Pulver drücken, bis das Blut zu fließen aufgehört hat und öffne dann das Buch.” Als der Scharfrichter nun den Kopf abgeschlagen hatte und alles nach der Weisung des Hakims geschehen war, öffnete der König das Buch, fand aber, dass die Blätter zusammenklebten. Infolgedessen führte er den Finger zum Mund und schlug, nachdem er ihn mit Speichel genetzt hatte, das erste, zweite und dritte Blatt auf, die sich alle nur mit Mühe voneinander lösen ließen. Als er nun in dieser Weise bis zum sechsten Blatt gekommen war und nichts darauf geschrieben fand, sagte er: “Hakim, es steht nichts darin geschrieben.” Da antwortete der Kopf des Hakims: “Schlag weiter um!” Der König blätterte darauf weiter um, aber schon in kürzester Zeit war das Gift, mit welchem es der Hakim vergiftet hatte, in ihn eingedrungen, sodass der König plötzlich hin und her wankte und rief: “Ich bin vergiftet.” Da sprach der Kopf des Hakims Rujan die Verse:

“Sie waren mit Macht begabt und walteten hart ihres Amtes, Doch in Bälde schon war’s, als ob ihre Macht nie gewesen. Wären sie gerecht verfahren, wäre ihnen gerechter Lohn geworden, Nun aber hat das Geschick sie wegen ihrer Gewalttaten vergewaltigt. So redet ihr los, eine stumme Sprache zu ihnen: Das wurde euer Lohn und der Zeiten Lauf ist ohne Tadel.”

Nach diesen Worten des Kopfes fiel der König entseelt zu Boden. “Wisse aber, O Ifrit”, so fuhr der Fischer fort, “wenn der König Junan den Hakim Rujan am Leben gelassen hätte, so hätte ihn Allah auch verschont; da er es jedoch nicht wollte, sondern nur nach seinem Tode trachtete, bestrafte ihn Allah ebenfalls mit dem Tode. So auch du, O Ifrit; hättest du mich am Leben lassen wollen, so würde ich ebenfalls dich jetzt verschonen. Nun aber werfe ich dich ins Meer, dass du in der Flasche eingesperrt umkommst.” Da schrie der Marid: “Bei Allah, Fischer, tu’s nicht! Lass mich aus Großmut am Leben und straf mich nicht für meine Bosheit. Habe ich dir Böses zugefügt, so tue du Gutes; heißt doch unter den Sprichwörtern eins: Tue Gutes dem, der dir Böses zugefügt hat; dem Bösen genügt sein Werk.” Der Fischer aber ent- gegnete: “Du wirst unbedingt ins Meer geworfen, dass du niemals wieder herauskommst. Als ich dich zu erweichen suchte und mich vor dir erniedrigte, bliebst du auf meinen Tod bestehen, ohne dass ich ihn durch irgendein Vergehen gegen dich verdient hätte, da ich dir niemals Böses, sondern nur Gutes zugefügt hatte, indem ich dich aus deinem Gefängnis befreite. Nachdem du aber in dieser Weise an mir gehandelt hast, weiß ich, dass du von Grund auf böse bist. Deshalb werfe ich dich ins Meer und falls dich jemand wieder herausholen sollte, werde ich ihm von dir erzählen und ihn vor dir warnen, damit er dich zum zweiten Mal hineinwirft und du hier im Meer bis zum Ende der Zeit liegen bleibst, wo du dann die verschiedenen Strafen kennen lernst.

Nun bat ihn der Ifrit: “Lass mich los in dieser Zeit der Menschlichkeit; ich schwöre dir, ich werde dir fortan nichts Böses mehr zufügen, sondern dir einen Dienst von großem Nutzen erweisen, der dich dauernd reich macht.” Da nahm ihm der Fischer einen Eid ab, dass er, wenn er ihn losließe, ihm hinfort keine Unbill zufügen, ihm vielmehr Gutes erweisen würde und öffnete ihm, nachdem er sich so durch Eid und Gelöbnis gesichert hatte und ihm den Schwur unter Bekräftigung durch den höchsten Namen Allahs abgenommen hatte, worauf der Rauch wieder aufstieg, bis er ganz heraus war und sich dann zusammenzog und wieder ein Ifrit von abschreckender Gestalt wurde, der die Flasche mit einem Fußtritt ins Meer stieß. Wie der Fischer dies sah, glaubte er fest, dass sein Ende gekommen sei und sprach bei sich: “Das ist kein gutes Zeichen.” Dann aber stärkte er sein Herz und sprach: “O Ifrit, Allah, der Erhabene, hat gesprochen: Haltet den Eid, denn der Eid wird zur Rechenschaft gezogen. Du aber hast mir gelobt und geschworen, nicht Verrat an mir zu üben. Wenn du an mir Verrat übst, wird Allah es dir vergelten, denn er ist eifersüchtig; er verzeiht wohl, doch vergisst er nicht. Ich habe zu dir gesprochen wie der Hakim Rujan zum König Junan: Lass mich am Leben, so wird dich Allah auch am Leben lassen.”

Der Ifrit lachte und rief, indem er voranschritt: “Folge mir, Fischer!”, worauf der Fischer, noch immer an seinem Entkommen zweifelnd, hinter dem Ifrit her schritt, bis die Stadt hinter ihnen lag und sie über einen Berg eine weite Steppe hinunter stiegen, in deren Mitte sich ein See befand; hier machte der Ifrit Halt und befahl dem Fischer, sein Netz auszuwerfen und zu fischen. Wie der Fischer aber genauer zusah, erblickte er im See zu seiner Verwunderung weiße, rote, blaue und gelbe Fische; er warf jedoch sein Netz aus und zog zu seiner Freude vier Fische, jeden von besonderer Farbe, heraus. Nun sagte der Ifrit zu ihm: “Begib dich mit diesen Fischen zum Sultan und mach sie ihm zum Geschenk, er wird dir dafür reichen Lohn zahlen. Entschuldige mich, um Allah, denn eine andere Weise, dir zu lohnen, weiß ich in dieser Zeit nicht, da ich achtzehnhundert Jahre hier im Meer lag und erst zu dieser Stunde wieder die Außenwelt gesehen habe. Fische aber täglich hier nur einmal - und damit Lebewohl!” Bei diesen Worten 

stampfte er auf den Boden und die Erde spaltete sich und verschlang ihn. Der Fischer begab sich nun voll Verwunderung über sein Abenteuer mit dem Ifrit in die Stadt und ging mit den Fischen nach Haus. Nachdem er dort einen irdenen Topf voll Wasser gefüllt und die Fische hineingelegt hatte, trug er die im Topf Zappelnden auf seinem Kopf ins Schloss des Königs, wie es ihm der Ifrit befohlen hatte. Vor den König geführt, übergab er ihm die Fische, der über sie in höchstem Maße staunte, da er Fische von solcher Art und Beschaffenheit in seinem ganzen Leben noch nicht gesehen hatte und sie der Köchin zu übergeben befahl, die ihm ein befreundeter König vor drei Tagen zum Geschenk gemacht und deren Kochkunst er noch nicht erprobt hatte. Der Wesir befahl ihr, sie zu braten und fügte noch die Ermahnung hinzu: “Sklavin, der König gebietet dir durch mich: Ich habe meine Tränen nur für mein Unglück gespart. So erheitere unser Gemüt heute durch deine Kunst und mach deine Sache gut; es hat sie nämlich heute jemand dem Sultan zum Geschenk gebracht.” Hierauf kehrte der Wesir wieder zum König zurück und erhielt von ihm den Befehl, dem Fischer vierhundert Dinar auszuhändigen. Der Wesir tat es und der Fischer nahm das Geld in seinen Schoß, ging fröhlich und vergnügt zu seinem Weib nach Hause und kaufte seiner Familie alles, was notwendig war, ein.

Die Köchin aber hatte inzwischen die Fische genommen, sie gereinigt und in die Pfanne gelegt und war eben im Begriff, sie auf die andere Seite zu wenden, da sie auf der einen gar waren, als sich plötzlich die Küchenwand öffnete und ein schlankes, oval-wangiges, tadellos schönes Mädchen von lieblichem Gesicht und hoher Gestalt, um die Augen mit Kajal geschwärzt, heraustrat, das um den Kopf ein blauseidenes Tuch, in den Ohren Ringe, Spangen an den Handgelenken und edelsteinbesetzte Ringe an den Fingern trug und in der Hand eine Bambusrute hielt. An den Herd heran schreitend, stieß sie die Rute in die Pfanne und sprach die Worte: “Ihr Fische, haltet ihr auch euren Schwur?” Als die Köchin dies sah und hörte, fiel sie in Ohnmacht, das Mädchen wiederholte seine Worte jedoch noch zweimal, worauf die Fische den Kopf aus der Pfanne hoben und antworteten: “Ja, ja” und dann alle den Vers sprachen:

“Kommst du wieder, so kehren wir auch wieder, Bist du treu, so sind wir es auch; Fliehst du aber, so tun wir ein Gleiches.”

Hierauf stürzte das Mädchen die Pfanne um, verschwand auf demselben Wege, auf welchem es gekommen war und die Küchenwand schloss sich hinter ihm zu. Als nun die Köchin wieder zur Besinnung kam und die vier Fische zu schwarzen Kohlen verbrannt sah, rief sie: “Im ersten Gefecht zerbrach sein Schaft.” Während sie noch über sich selber schalt, stand auch schon der Wesir neben ihr und sagte: “Gib die Fische für den Sultan.” Da fing sie an zu weinen und erzählte dem Wesir, was vorgefallen war. Der Wesir wunderte sich und meinte: “Das ist eine wunderbare Geschichte.” Dann ließ er den Fischer wieder holen und sprach zu ihm: “Fischer, du musst uns noch einmal vier ganz gleiche Fische bringen.” Nun ging der Fischer wieder zum See hinaus, warf sein Netz aus und hatte, wie er es herauszog, wieder vier Fische darin. Als er sie dem Wesir übergeben hatte, begab sich dieser mit ihnen zur Köchin und befahl ihr: “Auf, brate die Fische vor mir, damit ich diese Sache mit eigenen Augen ansehe.” Die Köchin ging darauf ans Werk, machte die Fische zurecht, legte sie in die Pfanne und setzte sie aufs Feuer. Nach kurzer Zeit öffnete sich die Wand wieder und das Mädchen erschien in derselben Kleidung und mit der Rute in der Hand; es steckte die Rute wieder in die Pfanne und rief: “Fische, Fische, haltet ihr auch euren Schwur?”, worauf die Fische wieder den Kopf hoben und den Vers sprachen:

“Kommst du wieder, so kehren wir auch wieder, Bist du treu, so sind wir es auch; Fliehst du aber, so tun wir ein Gleiches.”

Dann stürzte das Mädchen die Pfanne mit der Rute um, verschwand auf demselben Wege, auf dem es gekommen war und die Küchenwand schloss sich hinter ihm wieder zu. Als es fort war, stand der Wesir auf und sagte: “Das darf dem König nicht verborgen bleiben.” Hierauf trat er vor den König und erzählte ihm, was sich in seiner Gegenwart zugetragen hatte. Der König erklärte: “Ich muss es mit eigenen Augen sehen”, ließ den Fischer holen und befahl ihm, binnen drei Tagen vier Fische ganz gleich den ersten zu bringen. Der Fischer machte sich wieder zum See auf und brachte ihm sogleich die Fische, wofür er vom König wieder vierhundert Goldstücke erhielt. Dann wandte sich der König zum Wesir und befahl ihm: “Brate selber die Fische in meiner Gegenwart.” Der Wesir antwortete: “Ich höre und gehorche”, holte die Pfanne und legte die Fische, nachdem er sie gereinigt hatte, hinein. Als er sie dann umwendete, spaltete sich plötzlich die Wand und ein schwarzer Sklave, groß wie ein Stier oder ein Spross vom Riesenstamme, kam heraus; er hielt in seiner Hand einen grünen Baumast und rief mit heller, durchdringender Stimme: “Fische, Fische, haltet ihr auch euren alten Schwur?”, worauf die Fische wieder den Kopf aus der Pfanne hoben und riefen: “Ja, ja” und dann den Vers sprachen:

“Kommst du wieder, so kehren wir auch wieder, Bist du treu, so sind wir es auch; Fliehst du aber, so tun wir ein Gleiches.”

Dann trat der Sklave an die Pfanne heran, stürzte sie mit dem Ast um, dass die Fische zu schwarzen Kohlen verbrannten und ging auf derselben Stelle, von wo er gekommen war, wieder hinaus. Als er ihren Blicken entschwunden war, sagte der König: “Das ist ein Vorfall, der nicht mit Schweigen bedeckt werden darf; mit den Fischen muss es eine ganz besondere Bewandtnis haben.” Darauf ließ er den Fischer holen und fragte ihn: “Woher hast du die Fische?” Der Fischer erwiderte: “Aus einem See zwischen vier Bergen hinter jenem Berge, der sich außerhalb der Stadt erhebt.” Nun fragte der König den Fischer weiter: “Wie viele Tagesreisen von hier?” Der Fischer antwortete: “Ach, mein Herr und Sultan, nur eine halbe Wegstunde.” Der König verwunderte sich hierüber und befahl, dass die Truppen sogleich mit dem Fischer ausziehen sollten. Sie marschierten nun mit dem Fischer, der in einem fort den Ifrit verfluchte, bis sie den Berg erstiegen hatten und von dort in eine weite Steppe hinunter stiegen, die sie bisher in ihrem ganzen Leben noch nicht gesehen hatten. Als sie auch den See zwischen den vier Bergen und die roten, weißen, gelben und blauen Fische darin erblickten, verwunderte sich der Sultan samt den Truppen und fragte sie und die anderen Begleiter: “Hat einer von euch früher diesen See hier gesehen?” Alle erwiderten: “Nein.” Darauf sagte der König: “Bei Allah, ich betrete nicht eher wieder meine Stadt und setze mich auf den Thron meines Reiches, bis ich weiß, wie es sich in Wahrheit mit diesem See und seinen Fischen verhält” und befahl den Leuten, rings um die Berge zu lagern. Als sie die Zelte aufgeschlagen hatten, ließ er seinen Wesir rufen, einen erfahrenen, verständigen, geschickten und kenntnisreichen Mann und sprach zu ihm: “Ich beabsichtige, etwas zu tun, was ich dir mitteilen will; ich habe mir nämlich vorgenommen, mich noch heute Nacht allein auf den Weg zu machen und über diesen See und die Fische Nachforschungen anzustellen. Setz du dich darum in den Eingang meines Zeltes und sprich zu den Emiren, Wesiren und Kämmerlingen: Der Sultan ist krank und hat mir Befehl erteilt, niemand den Eintritt zu ihm zu gestatten; keinem aber teile etwas von meinem Vorhaben mit.”

Obwohl der Wesir ihm von seinem Vorhaben abzuraten suchte, vertauschte der König jedoch seine Kleidung, gürtete sein Schwert um und machte sich unbemerkt auf den Weg. Er wanderte den Rest der Nacht über bis zum Morgen und gönnte sich erst Ruhe, als ihm die Hitze lästig wurde. Dann wanderte er den Rest des Tages und die zweite Nacht über bis zum Morgen, bis er etwas Schwarzes in der Ferne schimmern sah. Erfreut rief er: “Vielleicht finde ich dort jemand, der mir über den See und die Fische Auskunft geben kann.” Als er nun dem schwarzen Gegenstand nahe gekommen war, sah er, dass es ein aus schwarzen Steinen erbautes und mit Eisenplatten bedecktes Schloss war, dessen einer Torflügel offen stand, während der andere verriegelt war. Hierüber erfreut, trat der König ans Tor und klopfte leise, doch vernahm er keine Antwort. Er klopfte ein zweites und ein drittes Mal, hörte aber nichts. Da klopfte er zum vierten Mal, dass es weithin hallte, aber niemand gab Antwort. Nun sagte er: “Zweifellos steht es leer” und schritt beherzt durch das Schlosstor in die Vorhalle. Hier rief er laut: “Ihr Schlossbewohner, hier steht ein fremder Wandersmann, habt ihr etwas Zehrung für ihn?” Zum zweiten und dritten Mal wiederholte er diese Worte; doch da er keine Antwort erhielt, stärkte er sein Herz, festigte seine Seele und trat aus der Vorhalle mitten ins Schloss ein. Auch dort fand er niemand, sah aber Teppiche ausgebreitet und in der Mitte einen Springbrunnen mit vier Löwen aus rotem Gold, die das Wasser gleich Perlen und Edelsteinen aus ihren Rachen spien; dazu flatterten Vögel ringsumher, welche durch ein hoch im Schloss ausgespanntes Netz am Fortfliegen gehindert waren. Über all dies verwundert, doch bekümmert, dass er niemand sah, der ihm über den See, die Fische, die Berge und das Schloss hätte Auskunft geben können, setzte er sich in der Tür, in Gedanken versunken, nieder, als er plötzlich ein Seufzen aus bekümmertem Herzen vernahm und dann eine Stimme ein Lied singen hörte, aus dem die Klage erscholl: “O Schicksal, du hast kein Erbarmen mit mir und verschonst mich nicht!”

Als der Sultan diesen Klagegesang vernahm, sprang er auf und ging in der Richtung der Stimme vor; durch einen Vorhang trat er in einen Saal und erblickte hier auf einem Polster, das etwa eine Elle hoch sein mochte, einen jungen Mann von trefflichem Wuchs und schöner Stimme, mit glänzender Stirn und roten Wangen, auf denen ein Mal wie ein Ambraschild thronte. Der König freute sich, als er den jungen Mann sah, der in einem seidenen, goldgesäumten Kaftan dasaß, jedoch Spuren von Kummer im Antlitz trug und begrüßte ihn. Er erwiderte dem König den Gruß und sagte: “Mein Herr, entschuldige mich, dass ich nicht aufstehe.” Darauf fragte ihn der König: “O Jüngling, gib mir doch Auskunft über den See, die farbigen Fische, über dieses Schloss und warum du ganz allein hier bist und weinst.” Als der junge Mann diese Worte vernahm, flössen ihm die Tränen wieder die Wangen hinunter, dass der König, über sein bitterliches Weinen bestürzt, fragte: “Warum weinst du, Jüngling?” Er antwortete: “Soll ich nicht weinen, wenn ich mich in diesem Zustande befinde?” Dann streckte er seine Hand nach dem Saum seines Gewandes aus und hob es auf; da sah der König, dass die untere Hälfte seines Körpers Stein war. Der Jüngling erzählte nun.

Die Geschichte des versteinerten Prinzen

Wisse, O König, mit diesen Fischen hat es eine seltsame Bewandtnis. Würde es mit Nadeln in die Augenwinkel geschrieben, es wäre eine Lehre für alle, die sich belehren lassen. So vernimm denn, mein Herr, dass mein Vater König in der Stadt, die hier stand, war und Machmud hieß, der Herr der schwarzen Inseln und der Herr jener vier Berge. Nachdem er siebzig Jahre regiert hatte, segnete er das Zeitliche, worauf ich an seiner statt Herrscher wurde und mich mit meiner Base verheiratete, welche mich so innig liebte, dass sie, wenn ich einmal fern von ihr war, weder aß noch trank, bis sie mich wieder sah. Fünf Jahre hatte sie so unter meiner Obhut verbracht, als sie eines Tages zum Bade ging, während ich dem Koch befahl, uns das Abendessen herzurichten und mich dann in dieses Schloss begab, um an meiner gewöhnlichen Ruhestätte zu schlafen. Ich befahl hier zwei Sklavinnen, mir das Gesicht zu fächeln, worauf sich die eine mir zu Häupten, die andere zu Füßen legte. In Unruhe jedoch über ihre Abwesenheit vermochte ich nicht einzuschlafen; mit geschlossenen Augen, aber wachem Geiste hörte ich nun, wie die Sklavin, die mir zu Häupten saß, die andere Sklavin zu meinen Füßen anredete und sprach: “Ach, Masude, unseres Herrn Jugend ist doch arm; wie leid er mir tut um unserer verworfenen, sündigen Herrin willen!” Darauf antwortete die andere: “Allah verfluche alle ehebrecherischen Weiber! Aber einer wie unser Herr mit solchen Eigenschaften passt nicht für diese Dirne, die jede Nacht fern von seinem Lager zubringt.” Nun sagte wieder die Sklavin, die mir zu Häupten saß: “Unser Herr ist doch sehr sorglos, dass er sie nicht zur Rede stellt”, worauf die andere erwiderte: “Wehe dir, weiß unser Herr denn, was sie treibt, oder verlässt sie ihn etwa mit seinem Willen? Im Gegenteil; sie vermischt den Trank, den er jede Nacht vor dem Schlafengehen zu sich nimmt, mit Bendsch, sodass er fest schläft und nicht weiß, was vorgeht, wohin sie geht und was sie treibt. Dann, nachdem sie ihm den Trank gereicht hat, legt sie ihre Kleider wieder an und geht aus. Erst in der Morgendämmerung kommt sie wieder und brennt ein Räucherwerk vor seiner Nase ab, dass er aus seinem Schlaf erwacht.