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Dr. Daniel ist eine echte Erfolgsserie. Sie vereint medizinisch hochaktuelle Fälle und menschliche Schicksale, die uns zutiefst bewegen – und einen Arzt, den man sich in seiner Güte und Herzlichkeit zum Freund wünscht. Die Generalprobe war das reinste Fiasko. Bühnenbilder standen nicht rechtzeitig bereit, im Orchester verpaßte ein Geiger mehrmals den Einsatz, was zu gut hörbaren Disharmonien führte, und angesteckt vom allgemeinen Chaos lief auch bei den meisten Sängern und Sängerinnen so ziemlich alles schief. Einzig die Sopranistin Maria Antonius schaffte es, ihre Parts perfekt vorzubringen. Bei ihrer großen Arie ließ sie sich nicht einmal von den Fehlern des Orchesters irritieren. »Katastrophal!« tobte der Intendant im Zuschauerraum. »Habe ich denn lauter Anfänger auf der Bühne stehen?« Er raufte sich die Haare. »Wenn das morgen bei der Premiere passiert, bin ich ruiniert!« Dann wandte er sich Maria zu. Allein ihr Anblick schien den aufgebrachten Mann ein wenig zu beruhigen. »Wie, um Himmels willen, hast du es eigentlich fertiggebracht, in diesem Chaos so gut zu sein? Maria, deine Stimme, deine Ausstrahlung…« Ein eigenartiges Knistern unterbrach ihn, und im nächsten Moment schrie einer der Requisiteure: »Runter von der Bühne! Schnell!« Doch die Warnung kam bereits zu spät. Mit donnerndem Getöse löste sich ein Balken aus der Verankerung und krachte auf die Bühne. Ihm folgten kleinere Holzteile wie prasselnder Regen. Sekundenlang herrschte tödliche Stille, dann hörte man schmerzvolles Jammern und Stöhnen. »Oh, mein Gott!« schrie der Intendant, als er das ganze Ausmaß dieses Unfalls vor sich sah, dann rannte er zum Ausgang, schlug ohne Zögern das Fenster des im Moment unbesetzten Kassenhäuschens ein und riß den Telefonhörer an sein Ohr, um den Notarzt zu rufen. Es dauerte keine fünf Minuten, bis der erste Krankenwagen vor dem Theater hielt und die Sanitäter mit
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Seitenzahl: 114
Veröffentlichungsjahr: 2016
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Die Generalprobe war das reinste Fiasko. Bühnenbilder standen nicht rechtzeitig bereit, im Orchester verpaßte ein Geiger mehrmals den Einsatz, was zu gut hörbaren Disharmonien führte, und angesteckt vom allgemeinen Chaos lief auch bei den meisten Sängern und Sängerinnen so ziemlich alles schief. Einzig die Sopranistin Maria Antonius schaffte es, ihre Parts perfekt vorzubringen. Bei ihrer großen Arie ließ sie sich nicht einmal von den Fehlern des Orchesters irritieren.
»Katastrophal!« tobte der Intendant im Zuschauerraum. »Habe ich denn lauter Anfänger auf der Bühne stehen?« Er raufte sich die Haare. »Wenn das morgen bei der Premiere passiert, bin ich ruiniert!« Dann wandte er sich Maria zu. Allein ihr Anblick schien den aufgebrachten Mann ein wenig zu beruhigen. »Wie, um Himmels willen, hast du es eigentlich fertiggebracht, in diesem Chaos so gut zu sein? Maria, deine Stimme, deine Ausstrahlung…«
Ein eigenartiges Knistern unterbrach ihn, und im nächsten Moment schrie einer der Requisiteure: »Runter von der Bühne! Schnell!«
Doch die Warnung kam bereits zu spät. Mit donnerndem Getöse löste sich ein Balken aus der Verankerung und krachte auf die Bühne. Ihm folgten kleinere Holzteile wie prasselnder Regen. Sekundenlang herrschte tödliche Stille, dann hörte man schmerzvolles Jammern und Stöhnen.
»Oh, mein Gott!« schrie der Intendant, als er das ganze Ausmaß dieses Unfalls vor sich sah, dann rannte er zum Ausgang, schlug ohne Zögern das Fenster des im Moment unbesetzten Kassenhäuschens ein und riß den Telefonhörer an sein Ohr, um den Notarzt zu rufen.
Es dauerte keine fünf Minuten, bis der erste Krankenwagen vor dem Theater hielt und die Sanitäter mit Tragbahren ins Innere eilten.
»Meine Güte, das war ganze Arbeit«, stellte einer von ihnen fest, während er sich schon einen ersten Überblick verschaffte und mit sicherem Gespür die Verletzten erkannte, die es am schlimmsten erwischt hatte.
Inzwischen waren weitere Krankenwagen eingetroffen, im Theater wimmelte es nur so von Notärzten und Sanitätern. Die ersten Verletzten wurden bereits weggebracht, als man aus den Trümmern eine junge Frau barg.
»Sie atmet nicht!« schrie der Sanitäter aufgeregt.
Augenblicklich war einer der Notärzte zur Stelle, um zu intubieren. Seine Hände zitterten. Es war sein erster wirklich großer Einsatz mit vielen, zum Teil lebensgefährlich Verletzten, und bei dem jungen Mann, den er zuvor hatte behandeln wollen, hatte er nur noch den Tod feststellen können.
Vorsichtig führte er den Tubus durch den Mund der jungen Frau in den Rachen hinein und versuchte, ihn durch die Stimmritze zu schieben, doch es gelang nicht.
»Verdammt, beeilen Sie sich!« entfuhr es dem Sanitäter. »Die Frau stirbt uns hier weg!«
Der junge Arzt atmete tief durch, dann stieß er den Tubus gewaltsam durch die Stimmritze. Jetzt endlich konnte die Patientin künstlich beatmet werden.
»Sie muß sofort in die Klinik«, befahl der Arzt.
»War mir auch schon klar«, grummelte der Sanitäter unwillig, brüllte nach einem Kollegen und brachte die Patientin mit dessen Hilfe zum Krankenwagen. »Wer die Folgen des Unglücks überlebt, den bringt am Ende Krögers Behandlung um.«
»Alter Miesmacher«, entgegnete sein Kollege, während er half, die fahrbare Trage in den Krankenwagen zu heben. »Kröger ist eben einfach noch jung und unerfahren. Warte, bis er mal zehn oder zwanzig solcher Einsätze hinter sich hat.«
Der Sanitäter knurrte etwas Unverständliches, während er die Hecktüren hinter sich zuschlug. Sein Kollege setzte sich ans Steuer, schaltete Blaulicht und Martinshorn ein und raste zur nächsten Klinik. Hier wartete das Operationsteam bereits.
»Sie hat Blut im Gehörgang«, stellte der Chirurg Dr. Simon Pfeiffer fest. »Wir brauchen sofort ein Schädel-CT.«
Ein junger Assistenzarzt holte den Röntgenapparat.
»Rufen Sie den Neurochirurgen herunter, und zeigen Sie ihm die fertigen Aufnahmen«, fügte Dr. Pfeiffer hinzu.
»Intraabdominale Blutungen«, meldete ein zweiter Arzt. »Vermutlich ist die Milz gerissen.«
Dr. Pfeiffer nickte. »Wir machen sie auf.«
Er trat zum OP-Tisch, ließ sich wieder keimfreie Handschuhe überstreifen und streckte dann die rechte Hand aus.
»Skalpell!« Routiniert setzte er den Bauchschnitt.
»Meine Güte«, stöhnte er auf. »Ein Wunder, daß sie überhaupt noch lebt.«
Auch in den Augen des anderen Arztes, der ungefragt die Erste Assistenz übernommen hatte, zeigte sich Entsetzen. Dr. Pfeiffer entfernte die gerissene Milz. In diesem Moment trat auch der Neurochirurg in den Operationssaal.
»Was sagen die Aufnahmen?« wollte Dr. Pfeiffer wissen.
»Schädelfraktur mit Epiduralhämatom«, antwortete der Neurochirurg knapp. »Ich muß eine Kraniotomie vornehmen, um das Blut abzusaugen.« Er schwieg kurz. »Dabei kann ich nur hoffen, daß das Gehirn nicht geschädigt worden ist.«
Eine OP-Schwester eilte unaufgefordert zu ihm, um ihm zu assistieren. Vorsichtig öffnete der Neurochirurg die Schädeldecke der Patientin.
»Es tritt immer noch Blut in den Bauchraum«, murmelte Dr. Pfeiffer. »Wenn ich nur wüßte…«
»Sie kollabiert!« rief in diesem Moment der Anästhesist.
»Mist«, knurrte Dr. Pfeiffer, dann sah er den anderen Arzt an. »Müller, legen Sie sofort einen arteriellen Zugang.« Sein Blick erfaßte den jungen Assistenzarzt. »Schöninger, bereiten Sie eine Bluttransfusion vor… nein, geben Sie ihr das Blut im Druckbeutel.«
Der Assistenzarzt kam der Aufforderung unverzüglich nach, doch der Zustand der Patientin blieb weiterhin bedenklich.
Dr. Pfeiffer spritzte ihr einen Milliliter Atrophin, dann bereitete er eine Dopamin-Infusion vor, doch er kam gar nicht mehr dazu, sie anzuschließen.
»Multifokale Extrasystolen!« meldete der Anästhesist.
»Hundert Milligramm Lidocain intravenös!« ordnete Dr. Pfeiffer an. Im selben Moment ertönte vom Monitor ein schriller Piepton, und die gerade Linie zeigte, daß das Herz den Belastungen der Operation nicht mehr standhielt.
Mit einem Schritt war Dr. Pfeiffer bei der Patientin und begann mit der Herzmassage, während der Assistenzarzt den Defibrillator holte. Dr. Pfeiffer nahm ihm die beiden Defribrillatorpaddel ab.
»Auf 200 laden«, kommandierte er, dann preßte er die Defribrillatorpaddel auf die Brust der Patientin. »Zurücktreten!« Er drückte auf den Knopf, der einen kurzen Stromstoß durch ihren Körper jagte. Noch immer schrillte der entsetzliche Piepton durch den Raum.
»260!« ordnete Dr. Pfeiffer an und drückte die Defribrillatorpaddel zum zweiten Mal auf die Brust der Patientin. »Zurücktreten!« Wieder fuhr der Stromstoß durch den Körper der jungen Frau. Der schrille Pfeifton verstummte und machte dem regelmäßigen Piepen Platz, das anzeigte, daß das Herz seine Arbeit wieder aufgenommen hatte.
»Wir haben sie«, stieß Dr. Pfeiffer hervor, und die Erleichterung darüber war ihm deutlich anzuhören, dann kehrte er unverzüglich zum Operationsfeld zurück und stellte mit Entsetzen fest, daß noch immer Blut in den Bauchraum sickerte.
»Wenn ich bloß wüßte…«, knurrte er, doch in diesem Moment entdeckte er endlich die unscheinbare Verletzung, die zu den ständigen Blutungen führte.
»Na also«, murmelte er. »Jetzt sollte sich auch der Blutdruck stabilisieren.«
»Hundert zu fünfzig«, meldete der Anästhesist.
Dr. Pfeiffer nickte, dann sah er zu dem jungen Neurochirurgen hinüber. »Wie sieht’s bei Ihnen aus?«
»Nicht schlecht«, urteilte dieser. »Ich muß nur noch die Schädeldecke schließen. Wegen der Infektionsgefahr muß sie allerdings noch Antibiotika bekommen.«
Dr. Pfeiffer nickte.
»Sie kommt auf Intensiv«, erklärte er und wandte sich an eine der OP-Schwestern. »Stellen Sie die Personalien fest, damit ich die Angehörigen informieren kann.«
Er verließ den Operationssaal und betrat den Waschraum. Als er wieder herauskam, wartete die OP-Schwester schon auf ihn.
»Die Patientin heißt Maria Antonius«, gab sie ungefragt Auskunft. »In ihren persönlichen Sachen habe ich aber nur diese Telefonnummer gefunden. Ein Name stand nicht dabei.«
Dr. Pfeiffer nahm den Zettel entgegen, betrachtete ihn und nickte. »Ich werde mal anrufen.«
Er ging zur Intensivstation, doch die Patientin war wie erwartet noch ohne Bewußtsein. Gewissenhaft überprüfte er Blutdruck, Puls und Temperatur, dann kehrte er zu seinem Büro zurück, nahm den Telefonhörer ab und wählte die Nummer, die er von der Krankenschwester bekommen hatte.
»Marquardt«, meldete sich eine männliche Stimme.
»Unfallklinik, Pfeiffer«, gab sich der Chirurg zu erkennen. »Ich habe Ihre Rufnummer in den persönlichen Sachen einer Frau Maria Antonius gefunden. Kennen Sie die Dame?«
»O mein Gott!« stieß der Mann am anderen Ende der Leitung hervor. »Ist ihr etwas zugestoßen?«
»Wenn Sie mir sagen, wer Sie sind, kann ich Ihnen vielleicht Auskunft geben«, entgegnete Dr. Pfeiffer.
»Günther Marquardt«, nannte der Mann nun seinen Namen. »Ich bin der Verlobte von Fräulein Antonius.«
»Im Theater hat es einen Unfall gegeben«, erzählte Dr. Pfeiffer jetzt. »Ihre Verlobte wurde dabei ziemlich schwer verletzt, ist aber außer Lebensgefahr.«
»Ich komme sofort!« rief Günther ins Telefon und legte auf.
*
Es dauerte keine zehn Minuten, bis Günther Marquardt völlig aufgelöst in die Unfallklinik stürzte.
»Beruhigen Sie sich«, bat Dr. Pfeiffer, der den jungen Mann gleich in der Eingangshalle abgefangen hatte. »Ihrer Verlobten geht es den Umständen entsprechend gut. Sie liegt zwar noch auf der Intensivstation, aber es besteht keine Lebensgefahr mehr. Die Chancen, daß Fräulein Antonius wieder völlig gesund wird, liegen gut.«
Günther wurde bei diesen Worten tatsächlich merklich ruhiger.
»Kann ich sie sehen?« wollte er wissen.
Dr. Pfeiffer nickte. »Selbstverständlich.« Er zögerte. »Ich sollte Sie vielleicht ein bißchen vorwarnen. Wie gesagt, Ihre Verlobte ist außer Lebensgefahr, allerdings wirkt die Intensivstation auf einen medizinischen Laien oft ziemlich erschreckend. Fräulein Antonius muß noch Infusionen bekommen, und bitte, stören Sie sich auch nicht an den vielen Apparaten, die Sie sehen werden. Das alles dient nur dazu, ihre Verlobte bestmöglichst zu betreuen.« Wieder schwieg er kurz. »Hat Frau Antonius Eltern oder sonst irgendwelche nahen Verwandten, die wir benachrichtigen müßten?«
Günther schüttelte den Kopf. »Sie wurde mit fünfzehn zur Vollwaise und kam zu ihren Großeltern, aber die sind inzwischen tot. Maria hat nur mich.«
Dr. Pfeiffer war sichtlich betroffen. Er hatte selbst sehr jung seine Eltern verloren und wußte daher, was es bedeutete, völlig allein auf der Welt zu stehen.
Jetzt begleitete er Günther zur Intensivstation und sah zu, wie der junge Mann nach einigem Zögern an Marias Bett trat. Dann blickte er angstvoll zu dem Arzt zurück.
»Sie ist doch nicht im… Koma?« vergewisserte er sich.
»Nein, Herr Marquardt, keine Sorge«, beruhigte Dr. Pfeiffer ihn. »Ihre Verlobte hat eine sehr schwere Operation hinter sich, und es wird wohl noch eine ganze Weile dauern, bis sie zu sich kommt, aber sie wird aus der Narkose aufwachen.«
Günther nickte, dann glitt sein Blick über das bleiche Gesicht seiner Verlobten, erfaßte die vielen Schläuche, über die Maria mit Sauerstoff und Medikamenten versorgt wurde, und wanderte schließlich über die blinkenden und piepsenden Apparate, die hinter und neben ihrem Bett standen. Das alles jagte ihm Angst ein. Abrupt wandte er sich um und verließ den Raum mit den riesigen Fensterscheiben, durch die die geschäftig herumeilenden Schwestern die Patienten gut beobachten konnten und so auf jede Veränderung des Zustandes aufmerksam wurden.
»Ich kann das nicht sehen«, murmelte er entschuldigend, dann sah er Dr. Pfeiffer an. »Wie lange muß sie noch hier so liegen?«
»Bis eine Beobachtung rund um die Uhr nicht mehr nötig sein wird«, antwortete der Chirurg. »Das kann morgen sein, möglicherweise aber auch erst in ein paar Tagen. Es kommt darauf an, wie gut sie die Operation verkraftet.«
Günther nickte. »Ich komme morgen wieder.« Er verabschiedete sich von Dr. Pfeiffer und verließ die Intensivstation, ohne noch einmal zurückgeblickt zu haben.
Dr. Pfeiffer sah ihm nach, dann trat er an das Bett seiner Patientin.
»Armes Mädchen«, murmelte er. »Eine große Hilfe wird dir dein Verlobter wohl nicht sein.«
*
Die Schmerzen waren schier unerträglich. Nico Brandes hatte das Gefühl, auf dem Klavier keinen einzigen Ton mehr anschlagen zu können. Der Schmerz trieb ihm das Wasser in die Augen. Er konnte die Noten vor sich kaum noch erkennen. Angestrengt blinzelte er, während er fühlte, wie ihm der Schweiß in Strömen über Stirn und Rücken lief. Mit einer kakophonischen Disharmonie brach er das Stück schließlich ab.
Mißbilligendes Raunen drang aus dem Publikum zu ihm herauf. Nico fühlte sich ganz elend. Er wußte, daß er die Konzertbesucher zutiefst enttäuscht hatte, aber vielleicht würde es ja nach der Pause wieder besser gehen.
Er stand auf, versuchte sich die Schmerzen dabei nicht anmerken zu lassen, und verbeugte sich, doch nur mäßiger Applaus erklang.
Sekunden später ließ sich Nico in seiner Garderobe erschöpft auf den Stuhl sinken, der vor dem Spiegel stand. Geistesabwesend massierte er zuerst seine Handgelenke, dann sein rechtes Kniegelenk.
»Verdammt, Nico, was sollte das denn sein?«
Mit diesen vorwurfsvollen Worten stürzte sein Agent Willi Sebaldt herein.
»Du spielst wie ein Anfänger!« hielt er seinem Schützling wütend vor.
Nico sackte unter dem Vorwurf noch mehr in sich zusammen. Hilflos schluchzte er auf. »Ich kann nicht mehr.«
»So, du kannst also nicht mehr?« Willis Stimme war voller Zynismus. »Was ist es denn diesmal? Vielleicht wieder die Schmerzen im Handgelenk?«
Der junge Pianist nickte. »Sie sind unerträglich geworden.«
»Du bist unerträglich geworden!« entgegnete Willi grob. »Und du bist lediglich wehleidig! Mit deinen Gelenken ist alles in Ordnung! Das hat Dr. Arnold vor einer Woche erst zweifelsfrei festgestellt.«
»Zweifelsfrei? Na, ich weiß nicht.«
»Aber ich«, knurrte Willi aufgebracht. »Und ich weiß noch etwas.«Der Blick, mit dem er Nico bedachte, war ungnädig. »Wenn du im zweiten Teil des Konzerts nicht so spielst, wie dein Publikum es von dir erwartet, dann kannst du dir einen anderen Agenten suchen. Ist das klar?«
»Ja«, flüsterte Nico und fragte sich, wie er mit seinen schmerzenden Handgelenken überhaupt noch eineinhalb Stunden spielen sollte. Allein der Gedanke an den weißen Flügel, der auf der Bühne wartete, verursachte ihm bereits Übelkeit. Er versuchte, seine Finger zu bewegen, und wußte, daß er nach der Pause noch schlechter spielen würde als zuvor.
Das Klopfen an der Garderobentür riß ihn aus seinen trüben Gedanken.
»Ja, bitte!« rief er.
Die Tür ging auf, und Nico blickte in ein freundlich lächelndes Gesicht.
»Jean!« rief er erfreut und wollte schon aufspringen, um seinen Freund und Kollegen zu begrüßen, doch der schmerzhafte Stich, der bereits bei der geringsten Bewegung in sein Kniegelenk fuhr, ließ ihn dieses Vorhaben rasch vergessen.
»Du bist hier?« fragte er daher nur.