Mariechen und das Sonnenlicht - Grazyna Bednarczyk - E-Book

Mariechen und das Sonnenlicht E-Book

Grazyna Bednarczyk

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Beschreibung

Mariechen, ein fröhliches, aufgewecktes und wissbegieriges Mädchen, lebt mit ihren Eltern in einem kleinen Dorf, wo sie einen Hof mit Pferden, unter anderem Nelly, ihr Pony, Kühen und ihren zwei Hunden Jeckie und Recks haben, die Mariechen sehr liebt. Mariechen hilft auf dem Hof und geht gern in die Schule, weil sie wissbegierig ist und so gern Neues lernt. Doch eines Tages ist alles anders und nichts ist mehr so, wie es immer war: Als sie auf-wacht, ist es dunkel. Wo ist die Sonne? Aufgeregt weckt Mariechen ihre Eltern, die zuerst nicht glauben wollen, was passiert ist. Doch als diese endlich richtig wach sind, macht sich die Aufregung auch bei ihnen breit. Die Tiere sind schon ganz unruhig, weil ihre Fütterungszeit längst überschritten ist, und die Dunkelheit sie nervös macht. Nachdem die Eltern und Mariechen zuerst die Tiere versorgt haben, setzen sie sich alle ans Kaminfeuer im Wohnzimmer und diskutieren und rätseln, was nur passiert sein könnte. Doch sie finden keine Lösung. Und so geht es allen Nachbarn. Auch nach ein paar Tagen geht die Sonne nicht mehr auf. Alle bangen um ihre Tiere und ihre Ernte, denn ohne Licht kein Leben. Alles würde verdorren und eingehen ohne die Sonne. Mariechen überlegt, was sie nur tun kann, um die Welt zu retten. Wie soll sie das allein schaffen? Sie braucht Hilfe und sucht Rat bei den weisen Eulen, nahe in einem Wald. Also packt sie eines Nachts bei Vollmond ihre Sachen und macht sich auf den Weg zu den Eulen, die ihr einen abenteuerlichen und unglaublichen Ratschlag geben ... Ein absolut spannendes Märchen, das die kleinen Leserinnen und Leser sicher nicht mehr weglegen möchten, so rasant ist Mariechens Reise, so vielfältig sind die Begegnungen mit den unterschiedlichsten und neuen Freundschaften, die sie unterwegs findet. "Wer mutig ist, kann alles erreichen!" - so könnte man die Kernbotschaft dieses berüh-renden und liebevollen Märchens zusammenfassen. Ein Märchen, das auch Mamas, Papas, Omas und Opas beim Vorlesen Freude bereitet und das mutige Kind in ihnen wieder lebendig werden lässt.

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Seitenzahl: 101

Veröffentlichungsjahr: 2021

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Am Rande eines großen Fichtenwaldes im Taunus gab es ein kleines Dorf, in dem ein Mädchen namens Mariechen lebte. Mariechens Eltern besaßen einen Bauernhof, auf dem sie Kühe und Pferde hielten. Unter den Pferden war ein kleines ockerbraunes Pony mit hübscher, üppiger, kastanienbrauner Mähne und einem langen, ebenfalls kastanienbraunen Schweif, das Mariechen letzten Sommer von ihren Eltern bekommen hatte und das sie bereits reiten konnte. Auch zwei kleine Hunde, Jeckie und Recks, lebten auf dem großen Anwesen. Jeckie hatte kurzhaariges, fuchsrotes Fell, während Recks etwas längeres mahagonirotes Fell besaß. Weiße Abzeichen am Hals, Bauch und den Pfoten rundeten ihr freundliches Aussehen ab. Die Eltern bauten Getreide an, das sie im Sommer ernteten und an Lagerhäuser oder Großhändler verkauften. Von dem Verkaufserlös kauften sie alles Notwendige, wie Lebensmittel, Kleidung, bezahlten die Schulausgaben für ihre Tochter und konnten ein ganzes Jahr bis zur nächsten Ernte gut leben. Mariechen war ein fröhliches, rothaariges Mädchen mit Sommersprossen im Gesicht, das fleißig lernte, ihren Eltern auf dem Bauernhof gern half und am liebsten mit Jeckie und Recks spazieren ging. Trotz ihres jungen Alters war sie sehr wissbegierig und wollte alles über die Welt erfahren. Sie interessierte sich für Tiere, Pflanzen, aber auch für ferne Länder und den Kosmos. Ihren Eltern stellte sie ständig viele Fragen, die mit den Erklärungen ihre Neugier noch weiter entfachten. Was sie nicht wussten, lasen sie im Lexikon nach. Weil Mariechen auf die ganze Welt so neugierig war, bekam sie von ihren Eltern viele Bücher geschenkt, darunter auch einen großen Atlas mit sehr vielen bunten und detaillierten Abbildungen der Kontinente, Länder, Ozeane, Meere und Inseln. Darüber hinaus war Mariechen ein sehr begabtes Kind, sodass ihr das Lernen keine große Mühe machte. Insofern war es nicht verwunderlich, dass sie die beste Schülerin war – und das nicht nur in ihrer zweiten Klasse, sondern in der ganzen Schule. Weil es in ihrem Dorf keine Schule gab, musste sie stets mit dem Linienbus in einen größeren Ort zur Schule fahren. An Wochenenden, Feiertagen oder in den Ferien begleitete sie morgens mit den beiden Hunden sehr gern ihren Vater, wenn er die Kühe und Pferde auf die Koppel brachte. Jeden Morgen wachte Mariechen sehr früh auf, gleich mit dem ersten Sonnenstrahl, und erfreute sich des neuen Tages, der ganz bestimmt wunderbar sein würde! Eilig sprang sie aus ihrem Bett und machte sich für die Schule fertig oder einfach nur für das Wochenende. Bereits angezogen rannte sie fröhlich die Treppe hinunter in die Küche, um mit ihren Eltern zu frühstücken. Und so war es jeden Morgen, im Sommer wie im Winter, nur nicht an diesem einen Morgen Ende Juli, an dem alles anders war.

Es war noch dunkel, als Mariechen an jenem Morgen aufwachte. „Es ist noch Nacht“, dachte sie und schlief behaglich wieder ein. Nach einer Weile wachte sie wieder auf, aber es war immer noch dunkel. „Hm … eine lange Nacht ist das“, wunderte sie sich und schlief wieder ein.

Aber als sie zum dritten Mal ihre Augen geöffnet hatte, hatte sie das Gefühl, dass irgendetwas nicht stimmte. Es war so beängstigend still und dunkel, als ob die Zeit stehengeblieben wäre. Mariechen machte zuerst das Licht in ihrem Zimmer an.

An der Wand über ihrem Bett war eine große Uhr angebracht, deren Zeiger auf 11:25 Uhr standen. „Oh, wie spät!“, erschrak sie. Blitzschnell rannte sie die Treppe hinunter in die Küche, aber dort war niemand! Dann eilte sie in das Schlafzimmer, in dem die Eltern ganz fest schliefen. Mariechen rüttelte an ihnen.

„Mama, Papa, steht auf! Es ist halb zwölf! Die Tiere müssen auf die Koppel gebracht werden, aber es ist so schrecklich dunkel da draußen!“, rief sie aufgeregt.

„Mariechen, sei ruhig mein Kind. Es ist doch noch Nacht. Leg dich zu uns hin und schlaf noch ein bisschen“, antwortete die Mutter verschlafen.

Aber dann rüttelte Mariechen kräftiger an ihrem Vater.

„Nein! Irgendetwas stimmt nicht, steht auf!“, rief sie erneut.

„Was ist, mein Häääschen?“, fragte der Vater gähnend, nachdem er aus dem Schlaf gerissen worden war und schaute Mariechen verschlafen an.

„Papa, warum geht die Sonne nicht auf?“, fragte seine Tochter.

Der Vater machte eine kleine Nachttischlampe an und schaute auf die Uhr. „Es ist schon nach halb zwölf? Geht die Uhr denn nicht richtig?“, wunderte sich der Vater und schüttelte sie, als ob diese stehen geblieben wäre, weil die Batterie leer war oder es einen Wackelkontakt gab. Doch er sah, dass diese tickte und allem Anschein nach richtig ging.

„Papa, hörst du denn nicht? Die Tiere sind unruhig!“, rief Mariechen, die in diesem Moment die Geräusche der Tiere im Stall, die ganz leise ins Haus drangen, wahrgenommen hatte.

„Ja, ja, ich höre es, aber die Dunkelheit … ich verstehe es nicht“, sagte der Vater noch schlaftrunken.

Als die Eltern das Muhen der Kühe und das Wiehern der Pferde wahrgenommen und die ungewöhnliche Situation begriffen hatten, eilten sie in ihren Pyjamas beunruhigt aus dem Haus, um nach den Tieren zu schauen. Eine unbegreifliche Finsternis breitete sich über ihrem Bauernhof aus. Der Vater startete den auf dem Hof stehenden Trecker und machte das Standlicht an, damit sie auf dem Hof besser sehen konnten, weil die vorhandene Hofbeleuchtung, die sich mittels des am Haus angebrachten Bewegungsmelder anschaltete, den Hof nur knapp beleuchtete. Eilig liefen sie in den Stall, um die Tiere zu versorgen, während Mariechen sich um die Hunde kümmerte.

Es war immer noch dunkel, als die Eltern später wieder ins Haus kamen. Aber nicht nur dunkel, sondern auch schrecklich kalt, und niemand verstand, was passiert sein konnte. Der Vater brachte Brennholz, das neben dem Haus gelagert wurde, und zündete das Kaminfeuer im Wohnzimmer an, während die Mutter in der Küche heiße Getränke vorbereitete. Als das Kaminfeuer loderte und die heißen Getränke auf dem Couchtisch standen, setzte sich die besorgte Familie auf die Couch vor dem Kamin. Der Vater machte den Fernseher an. In hoher Anspannung verfolgten sie die Nachrichten. Die Moderatoren berichteten bereits von der Sonnenfinsternis, die wie aus heiterem Himmel gekommen war und die Menschheit völlig überrascht hatte sowie den Naturwissenschaftlern den Atem raubte. Nicht einmal die Astronomen konnten die plötzliche Sonnenfinsternis erklären und niemand wusste, ob diese vorübergehender Natur war und die Sonne bald wieder scheinen würde, oder ob der glühende Stern für immer erloschen war. Weil aber das Sonnenlicht für jegliches Leben auf der Erde unentbehrlich ist, arbeitete bereits die Regierung an allen notwendigen Vorgängen auf Höchsttouren, um alle Kräfte und Ressourcen des Landes zu mobilisieren, damit das Land mit Kunstlicht versorgt werden konnte. Die Bürger wurden gebeten, Ruhe zu bewahren und es wurde ihnen schnelle Hilfe versprochen.

Bedrückt hörten sich die Eltern und Mariechen die Nachrichten an. In Angst und Sorge überlegten sie, warum an diesem Tag die Sonne nicht aufgegangen war und hofften darauf, dass der nächste Tag wieder Sonnenlicht bringen würde.

Aber so lange konnten sie nicht warten, denn schon ein Tag ohne das Sonnenlicht würde ihr Getreide, ihr Gemüse, die zierlichen Blumen und vielleicht sogar die Obstbäume vernichten. Daher lief der Vater rasch aus dem Haus. Im Dorf breitete sich bereits eine große Unruhe aus und erschrockene Nachbarn liefen aufgeregt umher.

„Schnell Männer! Nehmt eure Traktoren, Mähdrescher und Lastwagen und fahrt auf die Felder! Stellt die Maschinen dort auf und beleuchtet die Pflanzen mit deren Licht! Beeilt euch! Vielleicht können wir unsere Ernte wenigstens teilweise noch retten!“, hörte man ihre lauten Rufe.

Glücklicherweise verfügten ihre landwirtschaftlichen Fahrzeuge über Metallhalogendampflampen, deren blaues und weißes Licht den Pflanzen das Sonnenlicht vollwertig ersetzen konnte. Und so fuhren alle mit ihren Traktoren, Mähdreschern und Lastwagen auf ihre in absoluter Dunkelheit versunkenen Felder, um das reifende Getreide mit Kunstlicht zu versorgen. Als der Anfang ihres Kampfes gegen die Nacht getan war, versammelten sie sich, um gemeinsam nach einer Erklärung für die Finsternis und nach einer Strategie für ihr Überleben zu suchen, falls die Finsternis längere Zeit und im schlimmsten Fall endlos dauern würde, und versprachen sich gegenseitige Unterstützung. Dann liefen oder fuhren sie zu ihren Maschinen zurück und stellten sie um, weil der Wirkungsgrad der Leuchten zu gering war, um die weiten Felder komplett auszuleuchten. Sie beteten leise und angstvoll um das Sonnenlicht. Die Dorfbewohner bangten um ihre Tiere, ihre Ernten und schließlich um ihre Existenz. „Das ist das Ende der Welt, wir werden alle sterben“, hörte man verängstigtes Gestöhne und beklommenes Schluchzen.

Als der Vater Stunden später wieder ins Haus kam, hörte sich die Familie die Abendnachrichten an, aus denen sie von schneller Hilfe seitens der Bundeswehr und des technischen Hilfswerks erfuhr, die bereits mit Generatoren und Scheinwerfern im ganzen Land unterwegs waren. Ferner wurde berichtet, dass die Bauwirtschaft spezielle Konstruktionen und hohe Maste schnellstens liefern würde, die mit Lampen ausgestattet würden, die kalt-weißes Licht produzieren, das dem Sonnenlicht ähnlich ist, und diese flächendeckend, insbesondere auf den angebauten Feldern, aufgestellt werden. Bis dahin sollten möglichst Helikopter über den Feldern sowie den Teilen des Landes fliegen, wo Pflanzen am dringendsten Licht zum Leben benötigen, um diese mit Halogenlicht zu beleuchten. Ansonsten wurden alle Bürger abermals angehalten, sich ruhig zu verhalten.

Diese Nachrichten klangen jedoch eher bedrückend als aufmunternd, denn sie versprachen den Menschen die Sonne nicht und kündigten stattdessen düstere Zeiten an.

„Wie sollen wir das Getreide ernten in der Dunkelheit?“, klagte die Mutter. „Die Kälte macht die ganze Ernte kaputt. Die Tiere werden hungern, unser Kind wird hungern, wir werden hungern. Was sollen wir bloß tun?“ Sie verstummte einen Augenblick und sprach dann weiter: „Wie sollen wir bloß die Tiere versorgen, das Getreide ernten oder etwas säen fürs nächste Jahr? Bei dieser Kälte und Dunkelheit wird ja nichts mehr wachsen, kein Getreide, kein Mais, kein Gemüse, die Obstbäume werden kaputt gehen … Ich weiß gar nicht mehr, ob es jetzt Tag oder Nacht ist? Ob der Uhrzeiger 3 Uhr früh oder 15 Uhr nachmittags zeigt …“, fuhr sie klagend fort.

„Erst einmal haben wir noch genug Holz, um zu heizen, also werden wir nicht erfrieren. Auch haben wir Lebensmittelvorräte, die uns für eine Zeit lang reichen werden. Für unsere Tiere ist genug Heu vorhanden, sodass wir bis zum Winter überleben werden und bis dahin wird ganz sicher eine Lösung gefunden werden – oder die Sonne wird wieder scheinen!“, entgegnete der Vater.

Aber weder der nächste noch der übernächste Tag und auch keiner der Tage danach brachte das Sonnenlicht. Die schwachen Lichter der wenigen Laternen im Dorf beleuchteten nur spärlich die nahe Umgebung und die Beleuchtungen der Häuser zeigten draußen kaum Wirkung. Trotz der draußen aufgestellten Maschinen, die die Felder beleuchteten, breitete sich eine apokalyptische Finsternis über Mariechens Dorf und der ganzen Welt aus. Aber es war nicht nur dunkel, sondern auch bitterkalt, als ob es Winter wäre, obwohl es Juli war!

Als Mariechen das Gespräch ihrer Eltern hörte, erinnerte sie sich an die Worte ihrer Klassenlehrerin aus einem Unterricht: „Ohne das Licht der Sonne kann es kein Leben geben, kein Wachstum und keine Wärme. Es würden keine Pflanzen und keine Bäume wachsen, keine Sträucher und kein Getreide, es gäbe kein Obst und kein Gemüse, keine Kartoffeln, keine Beeren und kein Heu. Es gäbe keine Wälder, keine Insekten, keine Vögel, keine Fische, keine Tiere und auch keine Menschen mehr.“ „Wie schrecklich!“, fuhr Mariechen zusammen.

„Nein! Ich werde es nicht zulassen! Ich muss eine Lösung finden bevor … bevor die Welt untergeht!“, dachte sie. „Ich werde die Sonne suchen gehen! Ich muss herausfinden, warum sie nicht mehr aufgeht!“ Denn Mariechen wusste, dass die Sonne noch da war, weil sonst der Mond nicht scheinen könnte. Wie die Klassenlehrerin erklärt hatte, scheint der Mond nur deswegen, weil er von der Sonne angestrahlt wird.

Und da Mariechen ein mutiges und kluges Mädchen war, wusste sie sehr wohl, wie sie vorgehen sollte. Zunächst würde sie abwarten, bis es Vollmond war, denn bei Vollmond würde sie in den großen Fichtenwald finden und dort nach Eulen rufen, die bekannterweise als kluge Tiere galten, um sie zu fragen, wie sie zur Sonne finden könnte. Und das tat sie auch.