Marionette Teil 1 - C. U. Mo - E-Book

Marionette Teil 1 E-Book

C. U. Mo

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Beschreibung

Fäden des Schicksals reißen, werden zusammengeknüpft, lösen sich. Belanas Leben liegt in Trümmern. Bis sie Sven Hansen kennenlernt. Plötzlich ist da Magie. Ist es auch Liebe? Doch das Glück währt nur sehr kurz. Die Liebe, die beide empfinden, verhüllt sich unheilvoll im Dunklen. Sie ahnen nicht, dass Belana im Hirn eines geisteskranken Mannes gefangen ist, der schon einmal gemordet hat, und es wieder tun wird. Ist Belanas Leben in Gefahr?

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Seitenzahl: 297

Veröffentlichungsjahr: 2022

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Da in diesem Buch explizite Liebesszenen beschrieben sind, ist es für Leser/innen unter 18 nicht geeignet. Personen und Charaktere in dieser Geschichte sind frei erfunden. Ähnlichkeiten zu Lebenden und schon Verstorbenen sind rein zufällig.

Ich danke Hauptkommissar Michael Kramer und einer sehr netten Bloggerin für ihre Reiseberichte über Dubai. Mein Dank geht auch an meine Freundin Petra Ortwein, sowie an all meine Leser/innen, die meine Geschichten mit Begeisterung lesen. Mein größter Dank geht an meine Lektorin.

Christine Morandin wurde in einem entlegenen Ort namens Kirchende in eine wunderbare Familie hineingeboren. Dank ihrer starken Persönlichkeit gelang es ihr, sich gegen vier Schwestern und sechs Brüdern zu behaupten. Sie liebte es, jedes Buch, das ihr zwischen die Finger kam, zu verschlingen. Die deutsche Grammatik hatte allerdings eine solch enorme Größe, dass sie nicht in ihr kleines Hirn hineinpasste und die Lehrer ständig sagten: `Weiterüben! Noch einmal schreiben!` Trotz alledem konnte sie niemand bremsen Geschichten über Liebe, Leid und Verzweiflung in ihre Schulhefte zu schreiben, die so manch eine Freundin zu lesen bekam. Wurde ein Diktat angekündigt, so hieß es: `Oh Gott, oh Gott!` Bei einem Aufsatz hingegen: `Juchhu!` Heute lebt sie glücklich in Wetter Wengern, in jenem Ort, wo auch die bekannte Kochbuchautorin Henriette Davidis geboren und aufgewachsen ist. Ihre zwei Töchter und das Pflegekind, sind zu wunderbaren Frauen herangewachsen. In ihren Geschichten ist immer etwas Wahres, etwas Erfundenes, etwas Recherchiertes, etwas zum Lächeln, Sprüche und Zitate, Musik, die sie liebt und natürlich Liebe, Leid, Eifersucht, Gefahr und Mord. In ihren Erzählungen möchte sie ihre Leser auf eine Reise schicken, die möglichst viel Freude, Spannung und gelegentlich auch ein herzhaftes Lachen herbeizaubert.

Widmung

Für meine Töchter Jennifer, Lisa-Marie und Janine

Es gibt keinen Tag, an dem ich nicht an euch denke. Ihr müsst für niemanden perfekt sein. Für mich seid ihr es seit Eurer Geburt. Ich bin unsagbar stolz auf euch und danke für das Geschenk, das ihr für mich seid. Es gibt nichts Schöneres, als Eure Mama zu sein.

Ich liebe Euch so sehr

Inhaltsverzeichnis

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Belanas Herz gehörte nur einem Mann: Christian Kohlander. Christian war vier Jahre älter als sie und entstammte einer wohlhabenden streng katholischen Familie, und sah einfach fantastisch aus. Die jungen Mädchen verfielen ihm reihenweise: Seiner auffällig blonden Mähne, dem großen maskulinen Körper, seinem schönen Gesicht mit dem bezaubernden Lächeln. Ein Mann, der geschaffen schien, die ganze Welt zu erobern. Das Blau seiner Augen war klar wie ein Gebirgssee, und wenn Belana ihre Blicke hineinversenkte, schien ihr der Himmel entgegenzuleuchten.

Sie träumte von Heirat und Kindern und davon, auf ewig mit ihm verbunden zu sein. Doch hätte sie das gewusst, was auf sie zukäme, - sie wäre schnell zum nächstbesten See gestürmt, um sich dort zu ertränken.

Es geschah vor sechs Jahren im Freibad.

Als Belana vom Beckenrand ins Wasser sprang, und wie ein Walross auf dem sehr kühlen Nass aufklatschte, öffnete sich der Verschluss ihres Bikini-Oberteils und entblößte ihre prallen Brüste. Da war Holland in Not. Verzweifelt versuchte sie die Schnalle zu erhaschen, doch dies war gar nicht so einfach…

Plötzlich bekam sie einen Krampf in ihrem rechten Oberschenkel und schrie auf. Ihre Hände flatterten in der Luft herum, das Bikini-Oberteil löste sich vom Körper, und schwamm seelenruhig an ihr vorbei, während sie zu ertrinken drohte. Chlorwasser flutete ihren Mund, drang in Nase und Ohren ein. Prustend wehrte sie sich gegen den schauderhaften Geschmack des Wassers. Panik durchzuckte sie. Sollte das ihr Ende sein? In einem Schwimmbad? Dort, wo Kinder und Erwachsenen ins Becken pinkelten? Vor ihrem geistigen Auge tauchte ein Grabstein auf:

- Hier ruht Belana Weidenreich.

Ertrunken in einem mit Urin und Chlor verseuchten Schwimmbecken. Gott sei bitte ihrer Seele gnädig und versorge sie mit frischem Wasser -.

Immer wieder schwappte das Wasser bedrohlich über ihr zusammen, bis sie endlich von zwei starken Armen aus dem Becken gezogen wurde. Blinzelnd schaute sie ihrem Retter ins Gesicht, und da war es um sie geschehen. Völlig erschöpft, außer Atem, blickte sie ihm in die Augen. Sein Blick drang in ihr Innerstes. Er betrachtete sie so liebevoll und voll ehrlichster, wohltuender Sorge. Aber da war noch etwas: In seinem Blick lag so etwas wie – Anbetung.

Das war der Moment, als sie von so unbekannten Gefühlen an geheimnisvoller Intensität gepackt wurde, die sich überaus schnell in eine glühende Liebe verwandelt hatten.

Er, der bei allen Mädchen der Hahn im Korb war, schien sich fortan nur für sie zu interessieren.

Doch da sie erst fünfzehn und er schon fast zwanzig war, erlaubte es ihre Mutter nicht, dass sie sich alleine trafen, und auch seine Eltern hielten ein strenges Auge drauf und behinderten das Glück an seiner vollen Entfaltung. Nie war man allein, und seit diesem denkwürdigen Nachmittag hatte er sie nie mehr in seine Arme genommen oder berührt.

Als sie endlich achtzehn war, hoffte sie, dass das erbarmungslos, gewaltsam angepappte Feigenblatt endlich von ihnen abblättern möge und man seinem Sehnen freien Lauf lassen dürfe. Sie verzehrte sich so sehr nach seinen Umarmungen, heißen Küssen und hemmungslosem Sex.

Aber nichts dergleichen passierte. Seine Erklärung für diese Zurückhaltung war so schlicht und einfach: „Kein Sex vor der Ehe!“

Nach weiteren drei Jahren, mit 21, war sie immer noch Jungfrau. Und er?

Tja, das hatte sie vor ungefähr zehn Wochen herausgefunden.

Es war ein Freitag, sie hatte ihren all vierwöchigen Termin bei Antonio – ihrem Friseur. Doch an diesem Tag lag Antonio mit einer Grippe im Bett. Seine Mitarbeiterin Babette war bis über beide Ohren mit Terminen eingedeckt, und so blieb nur noch das Lehrmädchen Bettina übrig.

Doch da war Belana aus Erfahrung klug und auf der Hut.

Schaudernd erinnerte sie sich an das Gemetzel, das Bettina vor einiger Zeit auf ihrem Kopf veranstaltet hatte:

In verbissenem Arbeitseifer, so als gälte es ihre Kunstfertigkeit auf Teufel komm raus unter Beweis zu stellen, war Bettina über Belanas rote Locken hergefallen, und nach diesem Herumgewüte auf ihrem Kopf, blickte ein gerupftes Huhn mit gänzlich ratlosem Ausdruck im Gesicht, aus dem Spiegel auf Belana drauf, und sah dabei unsäglich töricht aus. Ein entsetzlicher Anblick. Nein, dies würde ihr gewiss kein zweites Mal passieren!

Auf dem Heimweg spiegelte sie sich mit ihren schönen roten Locken in den Schaufenstern und war froh, dies Ungemach - die nächsten Wochen als gerupftes Hühnchen durchs Leben zu flattern - nochmals glücklich abgewendet zu haben, auch wenn Buschalarm auf ihrem Haupt herrschte. Aber Belana wollte nun nicht länger warten, und die weiteren Geschicke selber in die Hand nehmen. Sie verzehrte sich nach Christians Berührungen.

Sie waren doch verliebte junge Menschen!

Und so betrat sie einen sehr teuren Laden und kaufte sich schöne Dessous, um bei Gelegenheit endlich die nötigen Gelüste in ihm zu entfachen.

Jedoch - es sollte anders kommen. Aber das wusste sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht.

Belana kehrte in ihre Wohnung zurück, betrat den Flur und traute ihren Ohren nicht. Aus dem Wohnzimmer tönte lautes Gestöhne. Ob Christian sich wohl einen nicht jugendfreien Film anschaute?

Sie riss stürmisch die Tür auf und erstarrte: Ihr Studienkollege Martin, lehnte mit dem Rücken am Kopfteil der Couch. Seine Hose hatte er bis zu den Knöcheln hinabgezogen, und Christian, nackt wie ihn Gott schuf, saß knutschend und fummelnd auf dessen Schoß: Stöhnend und keuchend schleckte er Martin ab.

Wie vom Blitz durchzuckt, hielten beide in ihrem Treiben inne. Dann stoben sie auseinander wie zwei völlig aufgeschreckte Vögel, und Christians Gesicht verfärbte sich: Zunächst lief es verschämt puterrot an und wandelte sich rasch in ein fahles quittegelb, das bald jegliche Farbe verlor: Übrig blieb ein kreideweißes Gesicht.

Mit weit aufgerissenen Augen, paralysiert zu einer Marmorstatue erstarrt, blieb Belana stehen - unfähig etwas zu sagen und sich zu rühren. Die Zeit fror fest und nichts bewegte sich mehr.

Schönling Martin, mit seiner teuer gelifteten Nase, seine Hose auf halb acht hängend, war so schnell aus seiner allzu bequemen Sitzposition emporgesprungen, dass er vornüber von der Couch fiel und mit einem lauten und wüsten: „Fuck, Fuck!“, auf dem Teppich landete. Der Länge nach segelte er über den Bodenbelag hin. Es dauerte eine Weile, bis er wieder auf seinen Beinen stand. Seine Nase und die Eichel seines Penis, sahen sich sehr ähnlich - Rot wie eine schrumpelige Tomate.

Von nun an, würde sie jedes Mal an Tomaten denken, wenn sie ihn ansehen musste.

Eine schwach konturierte Frage lag fiebrig auf ihren Lippen, als Christian überraschend aufbrauste und sie von Sinnen anschrie:

„Kannst du nicht anklopfen, bevor du ins Zimmer kommst? Hast du kein bisschen Anstand? Jetzt schau dir das Desaster an. Du blöde Kuh!“

„Ja“, stellte sie fest. Sie war wirklich eine blöde und gutgläubige, aber wütende Kuh. Wenn sie schon eine dumme, ahnungslose und naive Kuh war, wollte sie nicht auch noch eine Hysterische sein. Sie versuchte, ihre brodelnden Nerven zur Räson zu bringen. Aber das war unmöglich. Der grollende Ärger in ihr siedete bedrohlich und konnte die Brodelei nicht stoppen.

„Wie bitte? Bist du völlig irregeworden? Das ist meine Wohnung. Ich kann hier reinkommen, wann immer ich will. Was machst du da überhaupt mit diesem… diesem Kerl da? Mit Martin? Habe ich das jetzt richtig interpretiert??? Du hast Sex mit… mit einem Mann, mit ihm?“

Fassungslos trommelte sie mit diesem Fragenhagel auf ihn ein. Sie wusste kaum, wie sie sich ausdrücken sollte, um ihrem Entsetzen freien Lauf zu lassen. „Mich lässt du versauern, am Hungerhaken hängen? Ich wollte Sex mit dir. Ich fasse es ja nicht du… du Fremdgänger!“

Zu gerne hätte sie ihm einen festen Tritt in seinen Allerwertesten verpasst, oder besser noch in sein baumelndes Ding da unten, das aussah wie eine dürre Gurke. Sie hatte noch nie gesehen, wie er da unten ausgestattet war.

Das war das erste Mal, dass sie seinen Penis zu Gesicht bekam. Nach sechs Jahren. Oh, es waren ja schon fast sieben, denn in ein paar Wochen würde sie bereits ihren 22. Geburtstag feiern.

„Warum ein Mann?“, schrie sie weiter. Ein bisschen zu schrill und ein bisschen zu laut.

Ja, warum wohl? Sie konnte nicht mit so einem Teil aufwarten, so einem Penis oder besser gesagt einer dürren Gurke.

„Du… du mieser Kerl, du Blödmann!“

„Mein Gott“, sagte der miese Kerl, der mittlerweile in seine Beinkleider zurückgestiegen war. „Wo ist denn der Unterschied zwischen Mann und Frau? Hättest du es lieber, wenn ich dich mit einer Frau betrüge? Wie sieht es denn bei dir aus, wie oft hast du mich schon betrogen? Oder willst du mir weismachen, dass du die Heilige Jungfrau Maria bist und immer noch keinen Sex hattest? Ich denke mal, es wird eher so sein, dass es da schon einige gegeben hat.“

Wovon redete der verfluchte Kerl?

Sie und fremdgegangen? Nie im Leben, sie liebte doch nur ihn. Er wollte sich doch nur vor sich selber reinwaschen, der Bastard, und ihr das Gefühl vermitteln, dass sie nicht anders war, als er. Dann sah er sie auch noch an, als wäre sie daran schuld, dass er sich mit einem Mann vergnügte.

„Ja, warum ein Mann?“, schnaufte er. „Weil du mir nicht das geben kannst, was ich brauche! Außerdem habe ich nie von Liebe gesprochen. Wag es nicht noch einmal, einfach so hereinzuplatzen. Ich habe ein Recht auf eine Intimsphäre.“

Christian wohnte seit sechs Monaten bei ihr und fühlte sich offenbar wie zu Hause, und von Anfang an hatte er sich gerne mit schönen Männern abgegeben, die er gelegentlich auch in ihre Wohnung einlud. Und nun starrte er sie unfreundlich an. Das war doch paradox und lachhaft. Sie fragte sich allen Ernstes, ob er sie verarschen wollte.

Tränen stiegen ihr in die Augen. Vielleicht nahm er sie auch auf den Arm, und die beiden verkohlten sie nur.

„Bitte sag mir, dass du Witze machst!“, quoll es weinerlich aus ihrem Munde, „bitte sag mir, dass ihr mich nur verkohlt habt.“

„Witze?“ Ein verächtliches fieses Lachen entstieg seiner Kehle. „Das ist kein Witz, Belana. Ich kann mit dir nichts anfangen.“

Als sei´s der Demütigungen nicht genug!

Wenn dieses Gespräch so weiter lief, könnte sie für nichts mehr garantieren. Sie wollte sich aber im Zaum halten.

„Was ist mit deinen Eltern? Wissen die davon und klären mich auf, wie lange du es schon weißt? Ich meine, dass du Schw... Schwul bist?“

An seinem Blick konnte sie sehen, dass das nicht der Fall war, - seine Eltern wussten von nichts.

Angst und Schrecken blitzte aus seinen Augen, und mit einem Male fiel er vor ihr auf die Knie.

„Um Gottes willen, erzähl ihnen bloß nichts. Die flippen aus, wenn sie erfahren, dass ich auf Männer stehe. Du weißt wie sie sind. Bitte Belana! Tu es bitte nicht.“

„Wie lange?“, fragte sie nachdrücklich.

„Seit ich zwölf bin“, antwortete er, krallte sich an ihren Beinen fest und schaute sie verzweifelt an. „Als ich 18 wurde, habe ich mich das erste Mal mit einem Mann eingelassen. Darauf folgten etliche Männer, bis ich Martin getroffen habe.“

„Was? Mit zwölf schon, und habe ich das richtig gehört, du sprichst von Männern? Einer reichte dir nicht? Mit wie vielen Kerlen hast du es denn schon getrieben? Du elender Hundesohn! Du Lügner! Du Betrüger!“ Ihr Schluchzen ließ die Sätze nicht so schneidend klingen, wie sie empfunden wurden.

„Bitte Belana!“

„Bitte, bitte“, äffte sie ihn nach, „weißt du, wen du da anbettelst? Was ist mit mir? Was ist mit deinen Gefühlen für mich? Wir wollten heiraten. Hast du das vergessen? Dann war ich nichts anderes als eine Marionette, mit der du nach Lust und Laune herumspielen konntest, wie es dir gefällt? Und nun hast du mal eben ohne Bedacht die Fäden abgerissen, du mieser Kerl! Du, du… „Arsch“, wollte sie sagen, doch das so hässliche und einmal ausgestoßen uneinfangbare Wort blieb ihr in der Kehle stecken. „Ach verdammt nochmal, scher dich zum Teufel!“

Weitere bösartige Worte, die ihr auf der Zunge lagen, konnte und wollte sie nicht aussprechen.

„Es tut mir so leid, Belana. Bitte nimm doch meine Entschuldigung an, bitte, und sei bitte so fair, erzähle es nicht rum.“

„Gut!“, sagte sie. „Ich werde alles für mich behalten. Du wirst es deinen Eltern selber sagen.“

Christian räusperte sich erleichtert.

„Super, zumindest bist du was das betrifft, offen. Ich brauche mir also keine Sorgen zu machen, dass sie mich enterben. Gut, ich heirate dich. Im Gegenzug hälst du die Klappe. Ich werde dich nicht hängen lassen. Es muss ja niemand wissen, dass wir nur pro forma ein Paar sind.“

Liebe Güte, war sie so hässlich? War er der Meinung, sie bekäme keinen anderen Mann mehr ab?

Sie atmete ein paarmal tief durch, bevor sie ihm antwortete:

„Oh, wie nett! Ist dies Galgenhumor oder Ernst? Du meine Güte Christian, denkst du, ich will dich jetzt noch heiraten? Ich bin ja schon dumm genug, dass ich von deiner Neigung nichts bemerkt habe, aber so dumm, weiter deine Marionette zu spielen, bin ich wiederum auch nicht.“

Der Blick auf ihn verschwamm hinter einem Schleier von Tränen. Sie fühlte sich so verletzt.

Oh ha. Plötzlich stand Martin zwischen ihnen. Sein Blick war so finster, dass selbst Luzifer erschrocken wäre. Er holte aus, – Belana duckte sich, in der Annahme, dass die Ohrfeige die in den Lüften lag, ihr galt, aber sie traf Christian und hallte durch den Raum.

„Na bitte“, dachte sie, - noch eine enttäuschte Liebe!

„Was bist du nur für ein erbärmlicher kleiner Wicht, der keinen Arsch in der Hose hat?“, tobte Martin. „Warum stehst du nicht zu mir und deiner Neigung? Unter diesen Umständen kann und will ich nicht weitermachen. Zwischen uns ist es nun aus, such dir jemanden, der deinen Schwüren Glauben schenkt. Ich sag dir zum Abschied: „Fick dich selbst.“

Er drehte sich um, stapfte wutentbrannt in den Flur hinaus und knallte die Türe hinter sich zu.

Belana empfand ähnlich wie Martin. Christian hatte alles zerstört.

„Warte!“, schrie Christian noch hinter Martin her, „lass es dir erklären! Es wäre nur eine Scheinehe. Zwischen uns wird sich nichts ändern. Ich liebe dich! Ich brauche dich!“

Bei jedem Wort, das Christian von sich gab, wuchs Belanas Wut, Verletztheit und Traurigkeit. Das Gefühl der Machtlosigkeit hatte sie übermannt.

Ein pyroklastischer Strom donnerte auf sie zu. Den Tod ihrer Liebe unmittelbar vor Augen wurde sie überrollt und zerquetscht.

„Ich war die Marionette seines Eigennutzes und seiner Eigenliebe“, dachte sie, und fuhr den Mittelfinger in die Höh´, drehte sich um und marschierte ohne ein Wort aus dem Zimmer. Sie würde ihm das nie verzeihen und wollte ihn nie wiedersehen, floh aus seiner Nähe und aus dem Haus. Wie lange sie umhergeirrt war, konnte sie später nicht sagen. Aber sie hatte noch am Abend seine Habseligkeiten über den kleinen Balkon geworfen. Das Sofa musste auch weg, das wollte sie nicht mehr haben, schob es zur Balkontür, hievte es über die Brüstung und ließ es hinunterfallen. Mit ächzendem Gebälk und unter jauligem Geknarre prallte es auf der Wiese unter ihrem Balkon auf und zerfiel in seine Einzelteile. Und wenn Christian nicht schon das Weite gesucht hätte, wäre er gleich hinterhergeflogen.

Eigentlich hatte sie gar nichts gegen Schwule. Diese meist schönen Männer, konnten sehr lieb und charmant sein. Aber dass Christian auch ein Homo war, war für sie der Witz des Monats. Ständig stellte sie sich die irreale Frage, ob sie wohl Schuld daran habe. Hatte sie zu wenig Bereitschaft ausgeströmt? Quatsch. Auch wenn sie mit ihm in einem Bett schlief, schien ihn das völlig kalt gelassen zu haben. Auch dann, wenn sie nackt neben ihm lag.

Einmal hatte sie extra einen Fotografen aufgesucht, der ein paar verführerische Fotos von ihr geschossen hatte.

Uwe, der Bruder ihrer Freundin Chrissy, besaß ein Fotostudio in der Stadt. Er war groß, bildhübsch und ähnelte Tom Cruise.

Eigentümlicherweise war er schwarzhaarig und dunkel, obwohl Chrissy und ihre Eltern blond und hellhäutig waren.

„In welcher Pose möchtest du fotografiert werden?“, wollte Uwe wissen.

„So!“ Belana deutete auf lockere Weise auf ihr Hinterteil. „Den hier! Meinen Po. Ich möchte, dass du ihn in seiner reinen Form ablichtest!“

Ach du Schande! Sie musste sich ein lautes Lachen verkneifen, denn Uwes Gesicht färbte sich puterrot und seine Augen wurden so riesig, dass sie Angst bekam, sie könnten ihm aus dem Kopf purzeln. Süß fand sie, dass er zu stottern begann wie ein Pennäler.

„Äh, b… bist du dir sicher? Weißt d… du eigentlich was… was du mir damit antust?“ Er hechelte nach Luft, räusperte sich ein paarmal und krächzte dann aber so ungerührt, wie es ihm nur möglich war: „W… wie du willst. Ich werde mein Bestes geben.“

Belanas Auftrag schien Uwe ganz und gar aus seinem Lebenslot gehebelt zu haben. Es war zum Brüllen! Sie konnte genau sehen, wie seine Hände zitterten, als er den Auslöser drückte. Das war wohl sein erster Popo, den er da fotografierte?

Und als die Bilder fertig waren, hatte sich seine Nervosität noch immer nicht gelegt.

„Komm Lana, wir schauen uns die Bilder gleich mal an“, sagte er, zog sie in einen kleinen Raum und ließ den Laptop aufsurren. Der Bildschirm wurde hell, und Uwe tippte fahrig und mit schwitzenden Fingern auf der Tastatur herum.

„Alles perfekt!“

Doch seine Datenbank war der Schrecken aller IT Freaks. Von wegen perfekt. Bilder und Videos waren wild durcheinandergewürfelt. Nicht eine Datei hatte einen Referenznamen, oder eine Nummer, die darauf hindeutete, was sich da in welchem Ordner befand.

„Bist du wirklich sicher, dass du meine Fotos auch gespeichert hast?“, fragte Belana.

„Ganz sicher! Ich habe die Aufnahmen schon in der Kamera digitalisiert und einen Extra-Ordner angelegt, damit ich ihn gleich finde und nicht so lange suchen muss. Was ich vergessen habe, ist, der Datei einen Namen zu geben. Wie auch immer, du wirst sehen, ich finde sie sofort.“

Unkontrolliert fuhren seine Finger über die Tastatur.

Belana musste sich zusammenreißen, um nicht bei jedem Foto, das aufgepixelt wurde, geschockt aufzujaulen. Das waren keine Fotos mehr, das war schlicht Schweinkram.

Da war sie ja völlig falschgelegen in ihrer Annahme, dass er noch nie einen Hintern abgelichtet hatte. Es gab definitiv mehrere Popos und anderes in seiner Datenbank.

Oh ha, und wie viel mehr! So viel mehr, dass ihr die Röte ins Gesicht schoss. Sie sah Penisse noch und noch, - große, dünne, dicke, kleine, gekrümmte, einige waren mit blauvioletten dicken Adern durchsetzt, andere wiederum von feinerer Gestalt. Die Spitzen teils blau oder rot, einige gar glänzend. Mehrere Fotos zeigten Männer und Frauen bei ihren Spielchen.

„Wie wäre es“, sagte sie, als sie bemerkte, dass Uwe sie dabei lüstern aus seinen Augenwinkeln heraus beobachtete, „wenn du über die Suchfunktion nach Popos suchst?“

Sie deutete auf die kleine Lupe in der Menüleiste.

„Immer mit der Ruhe“, rief Uwe. „Ich bin der Fotograf und werde doch meine eigenen Dateien finden. Auf ein paar Minuten kommt es jetzt auch nicht an.“ Dann klickte er auf einen Ordner. „Hier sind sie!“

Als ihr eigenes Körperteil dann endlich auf dem Bildschirm erschien, kam sie aus dem Staunen nicht heraus. Ihr Po war zu einem Meisterwerk geworden. Das kleine Muttermal, das auf der rechten Pobacke blitzte, - es sah aus wie ein Herz - war mit einem besonderen Lichteffekt in den Fokus gelenkt worden, sodass man nicht umhinkam, sich dieses Kunstwerk freudig anzuschauen.

Gott! Er sah fantastisch aus.

„Sind doch supergeil, oder was meinst du? Wenn dein Christian da nicht drauf abfährt, heiß ich Esel“, grinste Uwe. „Such dir drei aus. Und wenn du nichts dagegen hast, würde ich gerne ein Foto ins Schaufenster hängen. Es kennt doch keiner deinen Hintern, oder? Na ja, ich halt. Aber außer deiner Mama und Christian gibt es niemanden, oder?“

Tja, da gab es einige - dank der Freikörperkultur, für die sie nach ihrem damaligen Sprung ins Wasser eine Vorliebe entdeckt hatte.

Sie war damit einverstanden, dass er ein Foto ins Schaufenster hängt, und bekam drei Fotos kostenlos.

In einem schönen Rahmen sah ihr Knackpo noch künstlerischer aus.

Dumm war aber, dass wenige Tage später ein Nacktbader mit Namen Rico anrief.

„Hi Lana, kann es sein, dass dein Po bei Uwe Ferrer im Schaufenster hängt? Ich bin fast vom Rad gefallen, als ich den da hängen sah. Das Herz war nicht zu übersehen. Ich muss dir ein Kompliment machen: Dein Popo macht sich außergewöhnlich chic im Schaufenster. Ich denke, Uwe wird sich kaum retten können vor neuen Aufträgen?“

Von diesem Tag an, war ihr Knackpo in Altona berühmt. Ob ihr dies peinlich war? Nicht im Geringsten. Tja, und Christian? Der war überhaupt nicht erfreut über das Geschenk. Er sorgte sich lediglich darüber, dass seine Eltern und Freunde dieses Bild im Schaufenster zu sehen bekommen könnten. Belana solle Uwe bitten, dieses verdorbene Bildnis aus der Auslage zu entfernen. Dies aber sah Belana nicht ein.

Ihre Freude, ihm dieses schöne Geschenk gemacht zu haben, war verpufft, und die erhoffte heiße Nacht konnte man auch knicken.

Einige Minuten lang schloss Belana die Augen und kämpfte wieder gegen die Erinnerungen an, die sich ihr wie aus einem offenen Buch entgegenzublättern schienen.

Unverständliches bekam im Nachhinein plötzlich einen Sinn, und erklärte so manches: Oftmals war er spät, mit einem entrückten Lächeln im Gesicht heimgekehrt. Die Hand im Schritt, gerad so, als wäre ihm sein Heiligtum vergoldet worden, schwebte er an ihr vorbei, um sich ins Bett zu begeben. Fragte sie nach dem Grund seiner verklärten Seligkeit, drehte er sich nur herum und brummte etwas Unverständliches.

Die weißen Flecken auf ihrem Sofa waren auf einmal erklärbar. Es handelte sich ganz offensichtlich, um Sperma.

Mit großer Mühe hatte sie die Flecken entfernt, stundenlang auf dem Boden gehockt und mit Shampoo drüber gewischt, bis nichts mehr zu sehen war. Tage später waren wieder Flecken drauf, da hatte sie es einfach aufgegeben und ein Plaid darübergelegt, das sie aber natürlich alle paar Tage waschen musste. Wie dumm war sie eigentlich? Schon allein seine feminine Garderobe hätte ihr sagen müssen, dass da irgendwas nicht stimmte. Tagelang spukte ihr die Frage im Kopf herum, warum Christian wohl homosexuell geworden war. Oft waren Schwule die besseren Menschen und Freunde. Aber ihn als Freund zu sehen? Nein, das war nicht möglich. Dafür war sie wahrlich zu sehr verletzt, verzweifelt, enttäuscht und vor allem stinke, stinke sauer. Dieser Scheißkerl würde sie nie wieder belügen. Der nicht, aber auch kein anderer. Ihre Mutter hätte ihr einen anderen Namen geben müssen.

„Belana“ passte so gar nicht zu ihr. Ihr Name war laut Aussage ihres Großvaters keltischen Ursprungs und bedeutete „Die Starke“. Warum war sie bloß so dumm, so schwach und naiv? Warum hatte sie all dies geflissentlich übersehen oder gar übersehen wollen? Wieso gewährte sie ihm überhaupt noch einen Platz in ihren Gedanken? Und um was trauerte sie?? Hieß es nicht, aus der Verzweiflung heraus könne man als gestärkte Persönlichkeit hervortreten? Und doch fühlte sie sich hierfür zu schwach, und drohte stattdessen in Verzweiflung zu versinken.

Wenn sie Erinnerungen daran aufleben ließ, wie sehr sie Christian angehimmelt und vergöttert hatte, wurde ihr im Nachhinein übel. Dieser „Gott“ hatte sie nie berührt und das Privileg, dass sie nur ihm, ihm allein gehören würde, mit Füßen getreten.

Ihre Lust war verflogen. An ihrer Stelle trat Wut. Wer zum Teufel war er bloß, dass sie sich wegen ihm schlecht und hässlich fühlen musste?

„Lass die Vergangenheit ruhen“, rief ihr eine innere Stimme zu. „Viel zu lang hast du gelitten! Es wird Zeit, das Leben zu genießen.“

Laut und erbarmungslos schrie sie immer wieder: „Nein, mein Lieber. Du Ex Verlobter, du Arsch, du hast mich betrogen und belogen und ich lasse es nicht zu, dass du mich und meine Gedanken weiterhin beherrschst!“ Ihr Herz drohte zu versteinern. Hätte sie es bloß rechtzeitig aus der Gefahrenzone evakuiert. Nun aber war es zu spät, denn die Warnsignale hatte sie allesamt übersehen. Ihn würde sie für immer vergessen, doch das widerwärtige Szenarium, das er ihr geboten, und die despektierlichen Worte über ihren Po, die er ständig von sich gegeben hatte, wenn sie bei einem Stück Kuchen nicht Nein sagen konnte, hatten sich für alle Zeiten in die Erinnerungen gebrannt.

„Lana, kannst du dich nicht zügeln? Schau dich an! Dein Hintern wird irgendwann so fett wie der eines Schw… sein. Die Farbe hat er ja schon.“

Das Wörtchen Schwein brach er in der Mitte rasch ab, da seine streng katholisch vornehme Erziehung dazwischenfunkte.

Die nächsten Wochen in Belanas Leben versanken im Nichts. Zwar existierte sie noch irgendwie, aber sie nahm nicht mehr am realen Leben teil. Sie arbeitete viel, weinte viel und kämpfte gegen den Drang an, sich das Leben zu nehmen. Wenn sie in seltenen klaren Momenten ihren Gedanken freien Lauf ließ, stellte sie sich die Frage, welches Recht auf Glück der Mensch eigentlich habe? Wie viel des verfügbaren Glücks auf Erden, durfte man für sich beanspruchen? Sie fühlte sich wie eine Marionette, der man die Fäden entfernt hatte. Das Spiel war vorbei.

Sie beschloss zu fliehen.

Es war Zeit den Kokon aus trüben Trauerflor, den sie um sich gesponnen hatte zu durchbrechen und wieder am Leben teilzunehmen. Sie sehnte sich nach Meer und Sonne, den Naturgewalten, von denen sie sich wieder etwas Kraft erhoffte, und so nahm sie sich Urlaub, um in Westerland den Altweibersommer noch ein wenig zu genießen. Dort hatte ihr der Großvater ein Strandhaus vererbt, das sie sich einmal genauer anschauen wollte. Von ihrer Mutter hatte sie gehört, dass es mittlerweile baufällig sei.

Einst war es ein weiß gestrichenes Haus mit prächtigem Reetdach, mit blauen Fensterrahmen und Fensterläden.

Nun aber schien es verwittert wie ein Greis. Die Farbe war abgeblättert, und das Reetdach, das das Haus einst wie eine dichte Frisur geziert und beschützt hatte, war strohig und schütter geworden. Wind und Sonne und die Zeit hatten das Haus stark altern lassen. Und dennoch versuchte Belana, es sich in diesem alten Haus gemütlich zu machen, und in aller Ruhe, um diese Liebe zu trauern, die sich im Nachhinein, als Schall und Rauch entpuppt hatte.

Als Kind hatte sie mit ihren Eltern oftmals den Urlaub hier verbracht. Sie liebte die Insel und das Haus. Zwar bot es nun wirklich einen traurigen und heruntergekommenen Anblick, aber innen war es urgemütlich und erinnerte sie an viele schöne Tage ihrer Kindheit.

Ihr Großvater war auf dieser Insel geboren, wie auch seine Eltern, Großeltern und Ururgroßeltern. Aus Erzählungen vom Großvater wusste sie, dass Westerland im Jahr 1855 das Prädikat „Seebad“ verliehen wurde. Die relativ kleine Anzahl an Einwohnern konnten in der ersten Saison immerhin 98 Gäste zählen, und von diesem Jahr an durften Männer und Frauen gemeinsam baden – anders als früher, als dies nur an getrennten Badeabschnitten am Strand erlaubt war. Das Ziel, mehr Urlaubsgäste anzulocken, war erreicht.

Mittlerweile hatte sich aber so einiges geändert. Die Insel hatte sich in vielen Jahrzehnten zu einer sogenannten „Society Insel“ entwickelt, wo heute viele Reiche ihren Wohn- oder Zweitwohnsitz haben. Dementsprechend sind die Grundstückspreise hoch.

Die Einheimischen wandern mittlerweile aus, weil Arbeitsplätze rar geworden sind.

Belana wurde vom Gekreische der Möwen geweckt. Eigentlich wollte sie am frühen Morgen dieses schicksalhaften Tages nur kurz die Bedürfnisanstalt aufsuchen. Da sich in dem Hause jedoch keine Toilette befand, musste sie sich in aller Herrgottsfrühe zum Plumpsklo hinter dem Hause mühen. Obwohl der September bereits zur Neige ging, war es immer herrlich warm draußen. Selbst in den Morgenstunden wehte ein lauer Wind.

Äußerst spärlich bekleidet, trat sie vor die Türe. Doch als sie das Plumpsklo erreicht hatte, traf sie fast der Schlag.

Oh, du meine Güte, besagtes Klo war mit Sicherheit immer von Strandgängern benutzt worden. Es stank fürchterlich und war total verdreckt: Damenbinden und gebrauchte Kondome lagen zuhauf herum. Ihr war es unbegreiflich, dass sich Liebespaare an solch einem grässlichen Ort zum Sex treffen konnten. Da lagen halbverweste, aber auch gänzlich skelettierte Ratten und Mäuse herum. Sogar Lebensmittelreste steckten in der Öffnung dieses Donnerbalkens, und der üble Gestank war so ekelerregend, er löste einen quälenden Würgereiz in ihr aus.

„Wie zum Teufel soll ich hier meine Notdurft verrichten!“, jammerte sie.

Belana schüttelte sich vor Graus und Ekel. Kein Mensch war zu sehen, und so grub sie eine Mulde hinter dem Toilettenhäuschen, und hockte sich dort hin.

Währenddessen musste sie hilflos mit anhören, wie der Wind die Haustür zuschlug.

„Nein! Nicht die Tür!“, jaulte sie auf und fiel vor lauter Schreck in das gebuddelte Loch. Mit weit ausgestreckten Beinen, wie ein Krebs auf dem Rücken - alle viere von sich gestreckt, lag sie in dem Sandloch, und hatte große Mühe, sich wieder hervorzuquälen. Schließlich gelang es ihr aber doch, sich mühselig wieder aufzurappeln.

So schnell es ihre Füße erlaubten, stürmte sie zum Strand und ließ sich den Sand, der nun überall auf ihrem Körper klebte, von den Wellen abspülen. Gott sei Dank war es noch sehr früh am Morgen. Keine Touristen in Sicht. Endlich vom Sande befreit, lief sie zurück zum Haus.

Ach Gott, herrje – die Tür war ja zugedonnert worden. Wie sollte sie jetzt ins Haus kommen? Sie war nur mit einem Stringtanga bekleidet.

Auch wenn das Haus uralt und sogar schon abbruchsreif war, hatte der alte Großvater vor seinem Tode noch ein Sicherheitsschloss einbauen lassen, weil sich immer wieder Gesindel ins Haus geschlichen hatte.

Das Haus lag weit ab vom Strand mitten in den Dünen und somit für Urlaubsgäste nicht sofort zu sehen. Das nutzten die Jugendlichen dann auch aus, um ihr Unwesen dort zu treiben.

Vor dem Haus stand eine kleine blaue Bank, schon halb verrottet. Die ließ sich hoffentlich dazu nutzen, ins offene Fenster zu steigen, frohlockte Belana und stieg auf die Bank, um sich von dort mit einem Klimmzug ins Fenster zu stemmen.

Wenig später jedoch musste sie sich die Seele aus dem Leibe fluchen und jammern: Sie hing im Fensterrahmen fest, wie eine Wurst, die nicht aus ihrer Pelle gedrückt werden kann.

„Heilige Schei…“. Belana befand sich in einer solch misslichen Lage und verfluchte das alte Haus, von dem sie jetzt wünschte, es möge auseinanderfallen. „Sollte ich es jemals schaffen, wieder frei zu sein - ich schwöre, ich fackele das Haus ab!“, wimmerte sie panikiert. „Wenn ich hier nicht verrotte!“, gesellte sich ein erschreckender Gedanke hinzu.

Die Urlaubssaison war immerhin vorbei, und es verirrte sich so gut wie kein Tourist mehr an diesen Strandabschnitt.

Belana jammerte, winselte und schrie.

Wenn sie nicht gefunden und gerettet würde, so würde sie in wenigen Tagen vergammelt und verrottet tot im Fenster hängen.

Eine gefühlte Ewigkeit lang hing sie fest, und wenn sie die Beine nicht ständig bewegt hätte, wären die wohl abgestorben.

Plötzlich hörte sie eine sehr tiefe, sonor lachende Männerstimme hinter sich.

Oh Gott, oh Gott, durchfuhr es sie. Das auch noch. Konnte es noch schlimmer kommen? Ein Mann? Warum nicht eine Frau? Ach herrje! Sie war doch kaum verhüllt – und jetzt konnte sich ein fremder Mann am knusprigen Anblick ihres Allerwertesten ergötzen. Eigentlich war sie nicht prüde, und doch war es ihr unangenehm, seine vermeintlich lüsternen Blicke zu spüren. Sie war dem Fremden hilflos ausgeliefert. Wer weiß denn, auf welche Gedanken so ein Kerl kam, wenn sich ihm solch ein Anblick bot?

Panik stieg in ihr empor. Sie bündelte ihre ganze Verzweiflung zusammen, um sich doch noch aus dieser unwürdigen Position zu befreien – ihr blanker Podex bewegte sich dazu anrüchig und aufreizend.

„Kann ich helfen?“, raunte die tiefe Stimme hinter ihrem Rücken.

„Nicht hingucken. Machen Sie sofort die Augen zu. Nicht gucken und ziehen Sie mich verdammt noch mal hier raus“, tönte es schrill und hysterisch aus ihrem Mund.

Der Kerl hinter ihr lachte so unverschämt erotisch, dass ein Schauder über ihren Körper wanderte, und merkwürdigerweise unglaubliche Gefühle in ihr hervorrief.

„Könnten Sie mir bitte mal verraten, Lady, wie das zu bewerkstelligen ist? Ich wüsste beim besten Willen nicht wie? Außerdem leuchtet ihr Popöchen schon von Weitem. Jeder, der hier vorbeikommt, kann ihn sehen. Seien Sie froh, dass ich kein Sittenstrolch bin. Wenn Sie meine Hilfe nicht annehmen, gehe ich meines Weges.“

Sekundenlang war es still hinter ihr. Sie spürte seinen Blick und hatte für einen Augenblick das Gefühl, als spüre sie den Lufthauch seiner Hand über ihrem nackten Hinterteil, als würde er versuchen sie zu berühren. Ein unangenehmer Gedanke bewehte sie. Der Kerl hatte doch nichts Schändliches vor?

„Lassen Sie bloß ihre Hände bei sich“, keuchte sie auf.

„Okay. Sie können ja warten, bis jemand vorbeikommt, der Ihnen genehm ist. Vielleicht in ein paar Tagen oder Wochen? Ich glaube nicht, dass sich in nächster Zeit viel abspielen wird. Falls Sie es vergessen haben sollten: Die Ferien sind vorbei, kein Mensch verirrt sich mehr in diesen Strandabschnitt. Aber, ich überlege gerade. Der Anblick, den Sie mir hier bieten, ist nett. Ich glaube, ich mach es mir ein bisschen gemütlich und genieße dieses einmalige Schauspiel.“

Sein Lachen klang unverschämt. Sie kochte.

War dieser Kerl bekloppt? Wollte er sie hängen lassen, um sie anzuglotzen und es auch noch zu genießen?

„Nein, bitte nicht weggehen! Bleiben Sie bitte hier. Ich komme hier nicht raus. Aber, aber nicht anfassen!“ Ihre Beine zappelten vor Aufregung. „Es ist mir egal, wie sie es bewerkstelligen. Aber nicht anfa…“

Weiter kam sie nicht. Eh sie sich versah, lagen die Hände des Fremden auf ihren Oberschenkeln und zogen sie aus dem Fenster.

Der Zug war so kräftig, dass sie nach hinten in den Sand fielen. Nun lag sie rücklings auf seiner breiten Brust und atmete heftig irritiert, seinen Duft in sich ein.

Na wunderbar. Schon wieder eine unnötig blöde aber irgendwie verdammt heiße Situation.

Sie spürte seine Wärme auf ihrer Haut, und, du lieber Himmel,