Martin Buber - Cornelia Muth - E-Book

Martin Buber E-Book

Cornelia Muth

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Beschreibung

Martin Bubers "Chassidische Geschichten" sind lebendige und humorvolle Anekdoten aus dem Leben der osteuropäischen jüdischen Gemeinden. Mit ihnen konnte Buber, der "Philosoph des Dialogischen" und wichtigste geistige Vater der Gestalttherapie, sein Verständnis der "Heilung aus der Begegnung" anschaulich machen. Aus dem Fundus der chassidischen Geschichten hat die Gestaltpädagogin und Professorin Cornelia Muth 23 Texte ausgewählt und diese in Bezug zur Gestalttherapie gestellt. Herausgekommen ist ein wirklich nahrhaftes Buch - für Gestalttherapeutinnen und Gestalttherapeuten, für ihre Klientinnen und Klienten und für alle an einer dialogischen Beratung und Psychotherapie Interessierten.

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Cornelia Muth, Professorin Dr. phil. habil. für Pädagogische Anthropologie an der University of Applied Sciences in Bielefeld. Diplom- und Gestaltpädagogin. Themen: Transkulturelle Erwachsenenbildung, Dialogisches Lernen und Praxisentwicklungsforschung. Zahlreiche Veröffentlichungen zu Martin Buber und der Bedeutung seiner Dialogphilosophie für Pädagogik und Therapie, u.a. »Willst Du mit mir gehen, Licht und Schatten verstehen? Eine Studie zu Martin Bubers Ich und Du«. www.corneliamuth.de

In der gikPRESS ist bereits ein weiteres Buch von ihr erschienen: »Das Zwischen!? Eine dialog–phänomeno– logische Perspektive«.

therapeutenadressen service

Praxisadressen von GestalttherapeutInnen. Infos siehe letzte Buchseite

INHALT

Anke und Erhard Doubrawa: Zum Geleit

Wachstum aus der Begegnung: eine dialogische Perspektive

Heilung durch Hingabe und Demut: Martin Bubers chassidischer Hintergrund

Das Zwischenhafte

Verkapselung

Elementare Situation

Wille und Loslassen

Paradoxe Wahrheit

Martin Bubers Lebensweg im Spiegel seiner Briefwechsel nach 1949 und dem Erscheinen der chassidischen Legenden

Anhang

Cornelia Muth

Zum Hintergrund von Martin Bubers Ich & Du

Stefan Blankertz und Erhard Doubrawa

Martin Buber: Werkleben

Literatur

ZUM GELEIT

»Die Beziehung zum Du ist unmittelbar. Zwischen Ich und Du steht keine Begrifflichkeit, kein Vorwissen und keine Phantasie. Zwischen Ich und Du steht kein Zweck, keine Gier und keine Vorwegnahme ...« (Martin Buber)

»Was Buber ›Begegnung‹ nannte, nennen wir ›Kontakt‹, d.h. die Wahrnehmung und Auseinandersetzung mit den Anderen als den Anderen.« (Laura Perls)

Wir Gestalttherapeutinnen und Gestalttherapeuten sehen in MARTIN BUBER, dem Philosophen des Dialogischen, einen wichtigen geistigen Vater. Heilung geschieht — nach seinem wie unserem Verständnis — in der Begegnung. Von Mensch zu Mensch. Vom Ich zum Du.

Unser therapeutisches Wissen, unsere therapeutischen Methoden und Techniken sind zwar wichtig, doch in gewisser Weise sekundär. Primär ist unser Bemühen, uns auf eine unverstellte Begegnung mit unseren Klienten einzulassen, mit ihnen in Beziehung zu treten, ihnen zu begegnen und uns von ihnen berühren zu lassen.

Im Zusammenhang mit dieser Begegnung von Therapeut und Klient bekommt Buber seine große Bedeutung für die Gestalttherapie. Er unterscheidet zwischen ICH–ES–Beziehung (das Gegenüber wird als Sache behandelt) und ICH-Du-Beziehung (dem

Gegenüber wird als Subjekt begegnet). Seine Philosophie wird von der Gestalttherapie als Aufforderung verstanden, mit den Klienten in einen heilenden Dialog einzutreten, in welchem die Gesprächspartner sich gegenseitig als verantwortliche Subjekte erleben. In diesem Dialog kann der Therapeut eine Vielzahl von Methoden so anwenden, wie es der Persönlichkeit des Klienten und seiner eigenen entspricht – therapeutische Gespräche, Gewahrseinsübungen, Rollenspiele, körperorientierte Interventionen sowie der Umgang mit kreativen Ausdrucksmitteln wie Ton, Papier und Farbe.

Was Martin Buber, »Ich-Du-Momente« genannt hat – Momente der Begegnung, in denen wir uns in unserem Wesen angesprochen und gemeint wissen —, entspricht dem, was der amerikanische Psychotherapeut Bergantino »existenzielle Augenblicke« nennt: lebensstiftende Momente, die echtes Leben, nicht einfach nur »Überleben« bedeuten. Es findet eine Begegnung von Wesen zu Wesen statt, eine zeitweise Überwindung der Rollen, eine heilende Berührung, die tiefe Gefühle auslöst – und zwar sowohl beim Klienten, als auch beim Therapeuten. Häufig ist das mit Tränen verbunden und nicht selten übrigens auch mit einer gleichsam existenziellen Scham, die zeigt, wie nah wir unserem Wesen sind, unserer Mitte, unserer Seele.

Len Bergantino weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass den »existenziellen Augenblicken« eine spirituelle Dimension eigen ist. Der humanistischer Psychologe Abraham A. Maslow stellte ähnliches fest, als er sich mit seelisch »besonders gesunden« Menschen beschäftigte. Diese Menschen, die sich oft gar nicht als religiös verstanden, wussten um die Erfahrung spiritueller Momente der Aufhebung des Getrenntseins: »Gipfelerlebnisse«, d.h. Momente der Verbundenheit, des Dazugehörens. Momente des Heilseins, des Ganzseins.

Unsere Fähigkeit und unsere Bereitschaft, uns als Therapeutinnen und Therapeuten auf eine rückhaltlose Begegnung mit unseren Klienten von Wesen zu Wesen einzulassen, brauchen die (Selbst–) Erfahrung von heilsamen Begegnungen und ebenso geistige Nahrung: So baten wir die Buber-Spezialistin Cornelia Muth (Gestaltpädagogin u. Professorin für Sozialwesen in Bielefeld) um ein »Buber-Buch« für unsere Reihe »Heilende Texte«, die wir mit Stefan Blankertz’ Band »Meister Eckhart: Heilende Texte« eröffnet haben.

Aus dem Fundus von Martin Bubers »Chassidischen Geschichten« hat Cornelia Muth 23 Texte ausgewählt und diese in Bezug zur Gestalttherapie gestellt. Dabei herausgekommen ist ein wirklich nahrhaftes Buch — für uns Gestalttherapeutinnen und Gestalttherapeuten und gleichermaßen auch für unsere Klientinnen und Klienten.

Wir legen es gerne in Ihre Hände, liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Leserinnen und Leser, und wünschen Ihnen eine anregende Lektüre.

ANKE UND ERHARD DOUBRAWA

Für Cordula!

WACHSTUM AUS DER BEGEGNUNG: EINE DIALOGISCHE PERSPEKTIVE

Heilung geschieht aus der Begegnung. Davon war der jüdische Dialogphilosoph Martin Buber (1878-1965) zutiefst überzeugt. Am deutlichsten zeigt er dies in seinem Vorwort »Heilung aus der Begegnung« zum gleichnamigen Buch von Hans Trüb (1889-1949). Das Buch erschien 1951, nach dem überraschenden Tod des Autors, der Psychoanalytiker und Psychotherapeut war.

In diesem Vorwort beschreibt Martin Buber, welches Wagnis ein Mensch eingeht, wenn er meint, einen anderen Menschen heilen zu können. Buber will damit auf die existentielle Situation des Helfers hinweisen, was diese hervorbringt und fordert, wenn sich Menschen »Heilung aus der Begegnung« verschreiben. Deswegen kann das Folgende ebenso für GestalttherapeutInnen gelten, denn auch der Gestaltansatz geht davon aus, dass Wachstum aus integrierendem Kontakt entsteht und durch »einsichtsvolle Awareness« getragen wird. Sie »... ist immer eine neue Gestalt, die aus sich heraus heilend ist« (Yontef 1999, 103). Wheeler beschreibt in Anlehnung an Lewin die existentielle Therapie so: »Der Akt der Wahrnehmung und der problemlösende Prozess sind nicht wesensverschieden« (Wheeler 2006, 81).

Was in dieser Hinsicht Kranksein bedeutet, nimmt Martin Buber wie folgt wahr. Für ihn ist nicht der Mensch an sich krank, sondern etwas »Zwischenhaftes« zwischen der Seele des Menschen und dem Leben selbst. D.h.: Der Mensch ist in seinem »Verhältnis zur Andersheit« erkrankt und »verkapselt«. Oder aus Gestaltperspektive: Der Mensch erlebt keinen nährenden Kontakt mit seinen Mit-Menschen, weil die »Kreativität des Selbst« dafür gehemmt ist (vgl. Perls et al. 2006, 204). Heilung ist demnach ein »gewandeltes Verhältnis zur Andersheit«, was für den Heilen-Wollenden laut Buber bedeutet: »Die Strenge und Tiefe der menschlichen Individuation, das elementare Anderssein des Anderen, wird dann nicht bloß als notwendiger Ausgangspunkt zur Kenntnis genommen, sondern von Wesen zu Wesen bejaht. Einflußwille bedeutet dann nicht die Bestrebung, den anderen zu ändern, ihm meine eigne ›Richtung‹ einzupfropfen, sondern die, das als richtig, als recht, als wahr Erkannte, das ja eben darum auch dort, in der Substanz des andern angelegt sein muß, dort eben durch meinen Einfluß, in der der Individuation angemessenen Gestalt aufkeimen und erwachsen zu lassen« (Buber 1962, 421).

Gleichzeitig betont Buber in dem genannten Vorwort, dass die Andersheit »uneinseelbar«, d.h. weder durch ein geordnetes Konzept, noch durch systematische Theorie begreifbar ist, da jedes Mensch-Werden als ein einzigartiger Prozess verläuft.

Ziel und Weg von Psychotherapie – laut Dialogphilosophie und Gestaltansatz — liegen infolgedessen im »Durchbrechen der Verkapselung«. Dies geschieht praktisch durch »rückhaltloses Gegenübertreten«, einem unmittelbaren Gegenübersein der TherapeutInnen, aber auch Wachheit und Kühnheit gehören dazu. Ärzte und Therapeuten sind »die Berufsökonomik aufs Spiel setzende, sich nicht Schonende und nicht Aufsparende, sich Dranwagende« (Martin Buber 1994, 18). Ein solcher Weg verläuft für Martin Buber nicht gradlinig, sondern existentiell »auf paradoxem Grund«.

Was bedeutet das Gesagte für den Anspruch der vorliegenden Buchreihe »Heilende Texte«? Wie können dann Texte heilend wirken? Übertragen auf Ihre Andersheiten, werte LeserInnen ›müssen‹ sich Ihre jeweils einmaligen mit der Andersheit des Textgeistes in einem gegenwärtigen Kontakt treffen. Dafür ist sowohl Ver-Antwortung als auch Gewahrsein beider Seiten notwendig. Doch bedarf es auch gleichzeitig einer existentiellen Situation, eines »Ringen und Schauen ohne Rückhalt der Absichten«. Dass dies nicht gesollt und gemusst und gekonnt werden kann, bildet den »paradoxen Grund«, auf dem echtes heilendes Lesen geschieht. Hierfür bieten sich insbesondere die jüdisch-mystischen Geschichten, die »Erzählungen der Chassidim«, gesammelt und übertragen von Martin Buber (1949) an. Sie laden zu einem Wagnis der Selbst- und Fremderkenntnis ein. Wirken können sie jedoch erst, wenn der Geist des Lesers den Geist der Anekdoten auf sich wirken lässt. Die von Buber nacherzählten Geschichten veranschaulichen die wechselseitigen Kräfte zwischen Organismus und Feld, die heilend wirken. Durch den »mündlichen Charakter« der Geschichten liegt ihr Geist näher am gelebten Leben als logisch systematisierte Theorien. Im Mittelpunkt der Geschichten stehen oft »begeisterte« Helfer, die ihre Freude am Dasein einer erfüllten Gegenwart zeigen. Es handelt sich dabei »um eine Freude an der Welt, wie sie ist, am Leben, wie es ist, an jeder Stunde des Lebens in der Welt, wie diese Stunde ist« (ebd., 18). Wie weit uns Menschen dies gelingt, hängt von der individuellen und momentanen Verkapselung ab.

HEILUNG DURCH HINGABE UND DEMUT: MARTIN BUBERS CHASSIDISCHER HINTERGRUND

Auf welchen »chassidischen Geist« Buber sich bezieht, soll nun erläutert werden. Die chassidische Bewegung war eine jüdische Lebensgemeinschaft in Osteuropa im 18. Jahrhundert. Ihre Seelsorger wurden Zaddiks genannt. Ein Zaddik »... ist ein Mensch, der die Tiefe der Verantwortung allstündlich mit dem Senkblei seines Wortes mißt. ... Und mögen es auch leibliche und halbleibliche Nöte sein, die sie [seine Gemeindemitglieder, CM] ihm zuführen, in seiner Welteinsicht besteht nichts Leibliches, das nicht verklärt, besteht kein Stoff, der nicht zum Geist erhoben werden kann. ... So ist er der Helfer im Geist, der Lehrer des Weltsinns, der Führer zu den göttlichen Funken« (Martin Buber 1963, 973).

Das Führen des Zaddiks zu den göttlichen Funken spiegelt den Heilungsprozess wider. Grundlegend dafür ist der Glaube an die heiligen Funken: Sie sind die zerbrochenen Reste der ersten nicht gelungenen Welten, die Gott vor unserer jetzigen Welt versucht hat zu bauen. Die ersten Welten konnten die göttliche Liebe nicht wirklich aufnehmen und zersplitterten. Jedoch blieben heilige Funken in den Splittern und fielen dann auf die heutige Welt. Diese Funken wiederum sind in allen Verkapselungen bzw. »... in die ›Schalungen‹, die trennenden, hindernden, dämonischen Umschließungen, die allein ›das Böse‹ sind, gefallen, aber sie fielen, um gehoben zu werden: um des Wirkens des Menschen an der Erlösung willen sind jene Welten gewesen und vergangen« (Martin Buber 1955, 306, nach Stöger 1996, 65). So gilt es einerseits diese Funken zu bergen und andererseits dabei anzuerkennen, dass die bergende Heilung eine polare Wiedervereinigung zwischen Hell und Dunkel herausfordert. Um ganz (whole, holy, heilig) zu werden, braucht der chassidische Mensch — Buber bezieht dies auch auf die heutigen Menschen — nicht perfekt zu sein. Vielmehr geht es darum, dass »der Mensch wird, der zu werden er, dieser einzelne Mensch da, erschaffen ist« (Martin Buber 1963, 947). Selbstbesinnende Verwirklichung ist damit gemeint und bedeutet, »Kontakt mit den Dingen und Wesen« aufzunehmen. Kontakt heißt im Chassidismus »den heilgen Umgang mit allem Seienden« zu üben und zu pflegen (ebd., 945). Denn überall können die Funken geborgen werden: In der Blumenvase, beim Schuheputzen,in der Currywurst ...jetzt beim Schreiben und Lesen dieses Textes.

Auch der Umgang mit Vergangenheit und Zukunft ist im Chassidismus heilig.1 Dabei ist es für den Menschen wichtig zu spüren, woher er kommt und wohin seine Zuversicht geht. Die Antworten können jedoch nicht technisch und moralisch gefunden werden, sondern nur durch/über das Bestehen des Unvorhersehbaren, d.h. durch Offenheit und Kontaktbereitschaft: »Und er kann keine Auslese nehmen, keine Scheidung; denn es ist nicht an ihm, zu bestimmen, was ihm zu begegnen hat und was nicht; und es gibt ja das Nichtheilige nicht, es gibt nur das noch nicht Geheiligte, noch nicht zur seiner Heiligkeit Erlöste, das er heiligen soll« (ebd., 842). Diesbezüglich ist auch das Wort zu heiligen, das befreit gesprochen, heilend auf die Existenz des Menschen wirkt. Je weniger der Mensch aber Kontakt zu den Dingen und Menschen hat, desto mehr versucht er, den nicht gefühlten Mangel und das dabei entstehende Vakuum mit dem Unerlösten der Welt auszugleichen und zu füllen. Dadurch verliert der Mensch seine Kontaktkraft zur Seele, die die Kontaktfläche zwischen ihm und der Welt ist und die der Leib braucht, um die Richtung im Leben zu finden.2 Wird dieser Teufelskreis durch Begegnung durchbrochen, findet also eine Entkapselung statt, beginnt Heilung und Leben von Moment zu Moment. Zur Ermöglichung und Vorbereitung solcher Befreiungsprozesse sind dem chassidischen Weg nach vier Leitplanken wichtig: INBRUNST, DIENST, INTENTION und DEMUT.

INBRUNST

bedeutet Hingabe an etwas, was wir selbst vor und im Handeln nicht bestimmen und erkennen können. Sie ist eine Kraft, die uns machen lässt, uns überkommt, ohne genau bestimmen zu können, woher sie zu uns gelangt und wohin sie geht, denn sie ist »das Gott umfangen ohne Zeit und Raum« (ebd., 26). Inbrunst ergreift uns. Portele nennt es mit Bubers Worten »die Hingabe an das Unbekannte« (Portele 1992, 129). Gleichzeitig meint Inbrunst das, was uns Menschen antreibt, eine Gestalt zu schließen.

DIENST

bedeutet Gottes Gegenwärtigkeit in allen Dingen zu erfahren und wahrzunehmen. Es geht um Wertschätzung, Achtsamkeit und Gewahrsein für alles, was ist und geschieht. Echter Dienst bezieht sich nicht wie die Inbrunst auf den einzelnen Menschen, sondern ist nur in Gemeinschaft, in wechselseitiger Verbundenheit möglich. Eine Wirkung echten Dienstes wäre z.B., um mit Wheeler zu sprechen, ein gesundes Feld, das gesunde Selbste hervorbringt bzw. die Einsicht und Anerkennung, dass Gesundheit gesellschaftlich unteilbar ist (Wheeler 2006, 333).

INTENTION

ist nicht mit Intentionalität aus der Phänomenologie zu verwechseln. Geht letztere davon aus, dass der Mensch immer ein Bewusstsein von etwas hat, also nicht unbezogen im Wahrnehmen ist, meint Chassidismus den Lebensprozess als Ziel und damit das spontane, freifließende Hervor- und Zurücktreten von Figur und Hintergrund, von Organismus und Feld. Buber beschreibt dieses Werden folgendermaßen: »Alle Menschen sind Stätten wandernder Seelen. In vielen Wesen wohnen sie und streben von Gestalt zu Gestalt nach der Vollendung« (Martin Buber 1963, 34). Vollendung bedeutet Erlösung, und erlösend ist der Moment, wenn das Finden der Funken in den Dingen und Menschen passiert. Dies gilt auch für jeden Buchstaben, für jedes Wort und jeden Satz, den ich jetzt schreibe und Sie, werte LeserInnen, im Moment wahrnehmen. Es geht um das Entkapseln unseres jeweiligen Denkhorizontes. Das damit verbundene Neue entsteht, wenn wir uns dem Nichts (-Wissen), der »Gestalt des Zwischen« hingeben.

DEMUT

ist die aktive Umsetzung der Einsicht, dass wir Menschen feldabhängige Wesen sind, ohne unsere Einzigartigkeit zu vernachlässigen. »In Wahrheit demütig aber ist, wer die andern wie sich fühlt und sich in den anderen. ... Die Demut, die hier gemeint ist, ist keine gewollte und geübte Tugend. Sie ist nichts als innerliches Sein, Fühlen und Aussagen. Nirgends ist ein Zwang an ihr, nirgends ein Sichbeugen, Sichbeherrschen, Sichbestimmen« (Martin Buber 1963, 40ff).

Demut bedingt zu erkennen, dass jedeR jedeN beeinflusst und die Beziehung zwischen dem Beobachter und dem Beobachteten die Wirklichkeit des Wahrgenommenen beeinflusst (vgl. Yontef 1999, 152). Demut ist ohne Mitgefühl und Liebe unmöglich. Erst die von diesen Qualitäten getragene Demut hilft wirklich. Helfen ist bedingt durch die Einsicht, »... dass alle Seelen eine sind, denn jede ist ein Funke aus der Urseele, und sie ist ganz in ihnen allen« (Martin Buber 1963, 45). Eine solche Überzeugung unterstützt die Entscheidung zur freiwilligen Selbstfestlegung, für den Klienten wirklich da zu sein. Laura Perls gab ihr besondere Aufmerksamkeit und nannte sie Commitment.

In dieser Zusammenschau sind vielleicht jetzt die fünf Grundaussagen über Heilungsprozesse aus dem Abschnitt »Wachstum und Begegnung: Eine dialogische Perspektive« nachvollziehbar. Sie lauten und gaben der vorliegenden Auswahl der chassidischen Geschichten die Richtung:

Kranksein weist auf dysfunktionale Kontakte mit der Welt und mit den Menschen hin.