Masse Mensch - Ernst Toller - E-Book

Masse Mensch E-Book

Ernst Toller

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Beschreibung

Die Reihe Reclam XL – Text und Kontext bietet Klassikertexte mit Materialien im Anhang und ist damit speziell auf die Bedürfnisse des Deutschunterrichts zugeschnitten. Auf die sorgfältig edierten Texte folgen Erläuterungen einzelner Textstellen sowie Materialien, die das Verständnis des Werkes erleichtern und Impulse für Diskussionen im Unterricht liefern: Text- und Bilddokumente zu Quellen und Stoff, zur Biographie des Autors, zu seiner Epoche sowie zur Rezeptionsgeschichte. Die Herausgeber sind erfahrene Lehrerinnen und Lehrer, die die Materialien nach den neuesten Erkenntnissen von Germanistik und Fachdidaktik für jeden Band neu erarbeitet haben. Die Bände von Reclam XL sind im Textteil seiten- und zeilenidentisch mit denen der Universal-Bibliothek. UB- und XL-Ausgaben sind also nicht nur im Unterricht nebeneinander verwendbar - es passen auch weiterhin alle Lektüreschlüssel, Erläuterungsbände und Interpretationen dazu. E-Book mit Seitenzählung der gedruckten Ausgabe: Buch und E-Book können parallel benutzt werden.

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Seitenzahl: 108

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Ernst Toller

Masse - Mensch

Ein Stück aus der sozialen Revolution des 20. Jahrhunderts

Herausgegeben von Volker Ladenthin und Mario Leis

2015 Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG, Stuttgart

E-Book-Konvertierung: pagina GmbH, Tübingen

Made in Germany 2017

RECLAM ist eine eingetragene Marke der Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG, Stuttgart

ISBN 978-3-15-960847-1

ISBN

Inhalt

Masse - MenschWeltrevolution. ...Die erste Niederschrift entstand ...Vorwort zur zweiten AuflageSpielerErstes BildZweites BildDrittes BildViertes BildFünftes BildSechstes BildSiebentes BildAnhang1. Zur Textgestalt2. Anmerkungen3. Leben und Werk4. Zeithorizont5. Literarischer Kontext und Selbstaussagen Tollers5.1 Expressionismus5.2 Zum expressionistischen Stationen- und Verkündigungsdrama5.3 Zum expressionistischen Sprachstil6. Deutungsansätze7. LiteraturhinweiseHinweise zur E-Book-Ausgabe

Ernst Toller

Masse - Mensch

 

[5]Weltrevolution.

Gebärerin des neuen Schwingens.

Gebärerin der neuen Völkerkreise.

Rot leuchtet das Jahrhundert

Blutige Schuldfanale.

Die Erde kreuzigt sich.

DEN PROLETARIERN

[6]Die erste Niederschrift entstand im Oktober 1919,

im ersten Jahr der deutschen Revolution.

Festungsgefängnis Niederschönenfeld.

[7]Vorwort zur zweiten Auflage

Brief an einen schöpferischen Mittler

Es gibt Kritiker, die bemängeln, daß Sie, obschon die Traumbilder Traumantlitz trugen, den »realen Bildern« visionäres Antlitz gaben und so die Grenzen zwischen Realität und Traum milderten. Sie haben, ich möchte es Ihnen eigens sagen, in meinem Sinn gehandelt. Diese »realen Bilder« sind keine naturalistischen »Milieuszenen«, die Gestalten sind (bis auf die Gestalt Sonjas) nicht individualbetont. Was kann in meinem Drama wie »Masse - Mensch« real sein? Nur der seelische, der geistige Atem.

Als Politiker handle ich, als ob die Menschen als einzelne, als Gruppen, als Funktionsträger, als Machtexponenten, als Wirtschaftsexponenten, als ob irgend welche Sachverhältnisse reale Gegebenheiten wären. Als Künstler schaue ich diese »realen Gegebenheiten« in ihrer großen Fragwürdigkeit. (»Es ist noch eine Frage, ob wir persönlich existieren.«)

Ich sehe auf einem Gefängnishof Sträflinge in eintönigem Rhythmus Holz sägen. Menschen, denke ich bewegt. Der mag ein Arbeiter sein, der ein Bauer, der vielleicht ein Notariatsgehilfe .... Ich sehe die Stube, in der der Arbeiter lebte, sehe seine kleinen Eigentümlichkeiten, die besonderen Gesten, mit denen er ein Streichholz wegwerfen, eine Frau umarmen, das Fabriktor abends durchschreiten mag. Ich sehe ebenso deutlich den breitrückigen Bauern dort, den kleinen schmalbrüstigen Notariatsgehilfen. Dann … jäh … sind das gar keine Menschen X und Y und Z mehr, sondern schauerliche Marionetten, von ahnungsvoll erfühltem Zwang schicksalhaft getrieben.

Zwei Frauen gingen einmal vor meinem Zellenfenster, an dessen Eisenstäben ich hing, vorbei. Scheinbar zwei alte [8]Jungfern. Beide trugen kurz geschnittene, weiße Haare, beide trugen Kleider von gleicher Form, gleicher Farbe und gleichem Schnitt, beide trugen einen grauen Regenschirm mit weißen Tupfen, beide wackelten mit dem Kopf.

Nicht eine Augenblicksspanne schaute ich »reale Menschen«, die im »realen Neuburg«, in der schmalen Gerichtsgasse spazieren gingen. Ein Totentanz zweier alter Jungfern, einer alten Jungfer und ihres Spiegeltodes, glotzte mich an.

————

Das Drama »Masse - Mensch« als Totalität ist eine visionäre Schau, die in zweieinhalb Tagen förmlich aus mir »brach«. Die beiden Nächte, die ich durch den Zwang der Haft in dunkler Zelle im »Bett« verbringen mußte, waren Abgründe der Qual, ich war wie gepeitscht von Gesichten, von dämonischen Gesichten, von in grotesken Sprüngen sich überpurzelnden Gesichten. Morgens setzte ich mich, vor innerem Fieber frierend, an den Tisch und hörte nicht eher auf, bis meine Finger klamm, zitternd den Dienst versagten. Niemand durfte in meine Zelle, ich lehnte die Reinigung ab, ich wandte mich in hemmungslosem Zorn gegen Kameraden, die mich etwas fragen, die mir in irgend etwas helfen wollten.

Ein Jahr währte die müh-selige (selige) Arbeit des Neuformens und Feilens. –

Ich stehe dem Drama »Masse - Mensch« heute kritisch gegenüber, ich habe die Bedingtheit der Form erkannt, die herrührt von einer trotz allem! inneren Gehemmtheit jener Tage, einer menschlichen Scham, die künstlerischer Formung persönlichen Erlebens, nackter Konfession, scheu auswich, und die doch nicht den Willen zu reiner künstlerischer Objektivation aufbringen konnte. Das Ungeheure der Revolutionstage war nicht seelisches Bild der Revolutionstage geworden, es war irgendwie noch schmerzendes, qualvolles »Seelenelement«, Seelen-»Chaos«.

[9]Ich bin verwundert über die Verständnislosigkeit der Kritik. Die Ursache mag (und das ist am wahrscheinlichsten) ein Mangel der Gestaltung sein. Vielleicht ist aber auch Mitursache die Erscheinung, daß für den »bürgerlichen« Kritiker »Zeitungswort«, »Leitartikelphrase« usw. bedeutet, was für unsereinen, der dem proletarischen Volk nahe lebt, um seine geistige, seine seelische Welt weiß, der aus der seelischen und geistigen Welt des proletarischen Volks heraus schafft, Ausdruck erschütterndster, aufwühlendster, den ganzen Menschen erfassender ideelicher Kämpfe bedeutet.

Es ist schon so: was in der sozialen Welt und deren künstlerischem Bild »dem Bürger« Streit um dürre Worte scheint, ist dem Proletarier tragischer Zwiespalt, bedrängender Ansturm. Was dem »Bürger« als Erkenntnis »tief«, »bedeutend«, als Ausdruck bewegtester geistiger Kämpfe erscheint, läßt den Proletarier gänzlich »un-angerührt«. –

Daß auch proletarische Kunst im Menschlichen münden muß, daß sie im Tiefsten allumfassend sein muß – wie das Leben, wie der Tod, brauche ich nicht zu betonen. Es gibt eine proletarische Kunst nur insofern, als für den Gestaltenden die Mannigfaltigkeiten proletarischen Seelenlebens Wege zur Formung des Ewig-Menschlichen sind.

 

  Festung Niederschönenfeld, Oktober 1921

 

Ernst Toller

[10]Spieler

ARBEITER

ARBEITERINNEN

DER NAMENLOSE

GEFANGENE MÄDCHEN

OFFIZIER

PRIESTER

MANN (Der Beamte)

SONJA IRENE L., eine Frau

Traumbilder der Sonja Irene L. Gestalten

SONJA IRENE L.

DER BEGLEITER

BANKIERS

DER BEAMTE

WACHEN (Männer und Frauen)

GEFANGENE

SCHATTEN

(Das dritte, fünfte und siebente Bild in visionärer Traumferne)

[11]Erstes Bild

Angedeutet:

Hinterzimmer einer Arbeiterschenke.

In der Mitte ein klotziger Tisch, um den eine Frau und die Arbeiter sitzen.

ERSTER ARBEITER Flugblätter sind verteilt,

Im großen Saal Zusammenkunft. –

Frühzeitig schließen morgen die Fabriken.

Die Massen gären.

Morgen wird Entscheidung.

Bist du bereit, Genossin?

DIE FRAU Ich bins.

Mit jedem Atem wächst mir Kraft –

Wie sehnt ich diese Stunde,

Da Herzblut Wort und Wort zur Tat wird.

Lähmung befiel mich oft – zusammen krallt ich

Meine Hände vor Zorn und Scham und Qual.

Gröhlen die verruchten Blätter Sieg –

Packen Millionen Fäuste mich ....

Und gellen: Du bist schuldig, daß wir sterben!

Ja, jedes Pferd, deß Flanken zitternd schäumen,

Klagt stumm mich an – klagt an. –

Daß morgen ich Fanfare jüngsten Tages gellte,

Da mein Gewissen brandet in den Saal –

Bin ich es noch, die Streik verkünden wird?

Mensch ruft Streik, Natur ruft Streik!

Mir ists, als bellts der Hund, der an mir aufspringt,

Betrete ich mein Haus …

Als gischtet Streik der Strom!

Mein Wissen ist so stark. Die Massen

Auferstanden frei vom Paragraphenband

Der feisten Herrn am grünen Tisch,

[12]Armeen der Menschheit werden sie mit wuchtender Gebärde

Das Friedenswerk zum unsichtbaren Dome türmen.

Die rote Fahne, … Fahne des Anbruchs,

Wer trägt sie voran?

ZWEITER ARBEITER Du! Dir folgen sie.

Stille flackert.

DIE FRAU Daß nur die Mittler schweigen!

Du glaubst, die Polizei ist ohne Kunde?

Wenn Militär den Saal mit Ketten fesselt?

ERSTER ARBEITER Die Polizei ist ohne Kunde. Und wenn sies weiß,

So weiß sie nicht den wahren Zweck. –

Umfängt die Massen erst der Saal,

Sind sie gewaltige Flut, die keine Polizei

Zu Parkfontänen ruhig plätschernd formt.

Und dann: die Polizei wagt nicht mehr vollen Einsatz,

Zersetzung fraß den Rausch des Machtgefühls

Die Regimenter aber stehn zu uns –

Soldatenräte überall!

Morgen wird Entscheidung, Genossin.

Es klopft.

ERSTER ARBEITER Verraten!

ZWEITER ARBEITER Sie dürfen dich nicht fangen.

ERSTER ARBEITER Nur eine Tür.

ZWEITER ARBEITER Durchs Fenster!

ERSTER ARBEITER Das Fenster stürzt in einen Lichtschacht.

DIE FRAU So nah dem Kampf …

Es klopft stärker. Die Tür öffnet sich. Der Mann, Mantelkragen hoch aufgeschlagen, kommt hinein, blickt sich schnell um, hebt den Hut aus steifem Filz.

DIE FRAU Ein … Freund und nichts zu fürchten …

Du kommst zu mir,

Du findest mich.

DER MANN Ich wünsche guten Abend.

[13]Leise.

Ich bitte mich nicht vorzustellen.

Kann ich dich sprechen?

DIE FRAU Genossen …

DIE ARBEITER Gute Nacht.

Auf Morgen.

DIE FRAU Gute Nacht, auf Morgen.

DER MANN Klar wird dir sein,

Ich komm nicht her als Helfer.

DIE FRAU Verzeih den Traum der blühenden Sekunden.

DER MANN Bedrohte Ehre zwang den Schritt hierher.

DIE FRAU Bin ich der Anlaß? Seltsam.

Ists Ehre bürgerlichen Standes?

Ward abgestimmt? Droht Mehrheit

Dich aus ihren Reihen auszuschließen?

DER MANN Ich bitte, laß das Scherzen.

Die Rücksichtnahme, die dir fremd, ist mir Gebot.

Für mich besteht die sachlich strenge Ehrensatzung …

DIE FRAU Die euch zu Formeln prägt.

DER MANN Die Unterordnung, Selbstzucht heischt …

Du nimmst nicht teil an meinen Worten …

DIE FRAU Ich sehe deine Augen.

DER MANN Verwirr mich nicht.

DIE FRAU Du … du …

DER MANN Um kurz zu sein,

Ich setze Riegel vor dein Wirken.

DIE FRAU Du …

DER MANN Drang nach sozialer Tätigkeit

Kann auch Befriedigung in unserm Kreise finden.

Ich nenne: Heim unehelich geborner Kinder.

Gedanke liegt dem Arbeitsfeld zugrunde,

Der Zeuge ist für die Kultur, von dir verspottet.

Selbst deine sogenannten Arbeitergenossen

Verachten Mütter ohne Ehe.

DIE FRAU Nur weiter … weiter …

DER MANN Du bist nicht frei in deinem Handeln.

[14]DIE FRAU Ich bin frei …

DER MANN Annehmen darf ich ein gewisses Maß von Rücksicht,

Wenn nicht von deiner Einsicht, so von deinem Takt.

DIE FRAU Ich kenne Rücksicht nur aufs Werk,

Dem diene ich, dem, hörst du, muß ich dienen.

DER MANN Zergliedern will ich:

Wunsch nach äußerer Tätigkeit bestimmt dein Tun –

Wunsch, geboren aus verschiedenen Motiven.

Es liegt mir der Gedanke fern,

Daß diese Wünsche unedler Natur.

DIE FRAU Wie du mir wehe tust mit jedem Wort …

Kennst du die Bilder der Madonnen

In bäuerlichen Häusern?

Durchbohrt von Schwertern blutet Herz in dunklen Tränen.

Ihr häßlichen, ihr rührend frommen Drucke …

So einfältig und groß …

Du … Du …

Sprachst du von Wünschen?

Ich weiß … Schlucht gräbt sich zwischen uns …

Nicht Wunsch hat mein Geschick gewendet,

Not wars … Not aus Menschsein,

Not aus meiner tiefsten Fülle.

Not wendet, höre, Not wendet!

Nicht Laune, Spiel der Langeweile,

Not aus Menschsein wendet.

DER MANN Not? Hast du ein Recht

Von Not zu sprechen?

DIE FRAU Mann … du … laß mich …

Nun halt ich deinen Kopf …

Nun küß ich deine Augen …

Du …

Sprich nicht weiter …

DER MANN Fern liegt mir dich zu quälen …

Der Ort … Man kann uns nicht belauschen?

[15]DIE FRAU Und hört uns ein Genosse,

Sie haben Taktgefühl auch ohne Ehrensatzung.

Oh, wenn du sie verstündest, Hauch nur spürtest ihrer Not.

Not … die unsre ist … sein muß!

Erniedrigt habt ihr sie …

Erniedrigend euch selbst geschändet,

Zu eignen Henkern wurdet ihr …

Sperr das Mitleid deiner Augen!

Ich bin nicht nervenkrank,

Bin nicht sentimental.

Weil ichs nicht bin, gehöre ich zu ihnen.

O eure jämmerlichen Stunden für soziales Tun bestimmt,

Beschwichtigung aus Eitelkeit und Schwäche.

Kameraden sind, die schämen sich für euch,

Wenn sie nicht … hell auflachen …

Siehst du, wie ich jetzt lache.

DER MANN So magst du alle Wahrheit wissen.

Man weiß … Behörde weiß von dir.

Ich leistete den Staatseid … Frau.

Der Referent für Personalia ist unterrichtet,

Fortkommen im Beruf wär ausgeschlossen.

DIE FRAU Und …?

DER MANN Ich sag dir rücksichtslos,

Ich zieh die Konsequenzen,

Die … sei versichert,

Auch mein Gefühl berühren würden …

Zumal du neben dem Beruf des Gatten

Das Staatswohl schädigst …

Du unterstützt den innren Feind.

Damit ist Scheidungs-Tatbestand gegeben.

DIE FRAU Dann freilich … wenn ich dich schädige,

Dir im Wege hemmend stehe …

DER MANN Noch wäre Zeit.

DIE FRAU Dann freilich …

[16]Dann … bin ich bereit …

Ich trag die Schuld …

Hab keine Angst, Prozeß wird dich nicht schädigen

Du …

Du … meine Arme weiten sich dir

In großer Not.

Du, mein Blut blüht dir …

Sieh, ich werde welkes Blatt ohne dich.

Du bist der Tau, der mich entfaltet.

Du bist der Sturm, deß märzne Kraft

Brandfackeln wirft in dürstendes Geäder …

Nächte waren, Rufe schwellender Knaben,

Die sich bäumen in ihres Blutes Reife …

Trag mich fort, in Wiesen, Park, Alleen,

Demütig will ich deine Augen küssen …

Ich glaube, ich werde schwach sein

Ohne dich … grenzenlos …

Verzeih, ich wars nur eben.

Ich sehe klar die Lage, gerechtfertigt dein Tun.

Denn siehe, morgen steh ich vor den Massen –

Morgen spreche ich zu ihnen.

Morgen werde ich dem Staat, dem Eid du schwurst

Die Maske von der Mörderfratze reißen …

DER MANN Dein Tun ist Staatsverrat!

DIE FRAU Dein Staat führt Krieg,

Dein Staat verrät das Volk!

Dein Staat ausbeutet, drückt, bedrückt,

Entrechtet Volk.

DER MANN Staat ist heilig … Krieg sichert Leben ihm.

Friede ist Phantom von Nervenschwachen.

Krieg ist nichts als unterbrochner Waffenstillstand,

In dem der Staat, bedroht vom äußren Feind,

Bedroht vom innren Feind, beständig lebt.

DIE FRAU Wie kann ein Leib von Pest und Brand zerfressen leben?

Sahst du den nackten Leib des Staates?

[17]Sahst du die Würmer daran fressen?

Sahst du die Börsen, die sich mästen

Mit Menschenleibern?

Du sahst ihn nicht … ich weiß du schwurst dem Staate Eid,

Tust deine Pflicht und dein Gewissen ist beruhigt.

DER MANN Bedeutet der Entscheid dein letztes Wort?

DIE FRAU Bedeutet letztes Wort.

DER MANN Gute Nacht!

DIE FRAU Gute Nacht.

Da der Mann gehen will.

DIE FRAU Ich darf mit dir gehen?

Zum letzten Male heut …

Oder bin ich schamlos?

Oder bin ich schamlos …

Schamlos in meinem Blut …