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Eine gefährliche Affäre. Rache für Gerechtigkeit. Macht & Kontrolle. Eingebettet in mafiöse Machenschaften der schönen und reichen italienischen Welt auf der Insel Ponza, in Ferrara und London. Korruption. Die Größten Italiens sind involviert: die Industrie, der Clan. Mode, Automobilindustrie, Formel-1-Rennen, Alkohol. Sie sind es, die große Vermögen kontrollieren. Überall. Die Liebesgeschichte von Aelita und Amos, die nie einen richtigen Anfang noch ein wahres Ende fand. Er wird ermordet im Hafen von Neapel. Auf dem Weg zur Fähre nach Procida. Sie erzählt über ihn, über sich, über ihre Liebe. Kämpft gegen ihn für ihren gemeinsamen Sohn in England und Italien. Eine Geschichte, die in Berlin, London, Neapel, Rom, Emilia Romagna, Monte Carlo spielt. Emotional. Erotisch. Liebe und Revanche. Intelligent – kurz und scharf geschrieben. Kreativ. Rasant und witzig. Ein Mord zu Beginn, der am Ende aufgedeckt und gerächt wird. Eine neue Definition Italiens: sie beschreibt die korrupten Machenschaften der wenigen gefeierten Größen Italiens und lässt selbst Berlusconi im Vergleich charmant dastehen. Ein Ende, das auf ein neues Italien hoffen lässt?
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Seitenzahl: 298
Veröffentlichungsjahr: 2017
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„Die Handlung und alle handelnden
Personen sind frei erfunden.
Jegliche Ähnlichkeit mit lebenden Personen und realen
Handlungen wären rein zufällig."
2. Auflage (überarbeitet)
Originalausgabe
Urheberin: Delilah J ©, www.delilah-jay.com
Delilah J
c/o. pellybay GmbH, Große Elbstraße 145a, 22767 Hamburg
Erscheinungsjahr: 2013
Umschlaggestaltung: Julia Kuhnert, Berlin, www.juliakuhnert.de
Nach einer Idee von Massi J ©
Fotonachweis: Privat
Innentypografie: Siegfried Pompe, Köln
Published at: epubli GmbH, Berlin, www.epubli.de
ISBN 978-3-84-423119-9
Sie konnten ihn nicht mehr zeigen. Nicht mehr aufbahren. Zu viele Schüsse. Den Kopf zerstört ebenso der Brustkorb. Es gab eine kurze gerichtsmedizinische Untersuchung. Nicht lang. Man will es ja auch besser nicht wissen – hier in Neapel. Könnte gefährlich sein. Für die Mediziner, die Gutachter, die Carabinieri, die Familie, die Richter, die Zeugen. Ja, die Zeugen. Gab es Zeugen? Fünf Schüsse waren es insgesamt. Sie stellten sicher, sicher dass es der sichere Tot war. Gezielt auf Kopf, Brustkorb, Herz und noch mal. Sicher. Abgefeuert aus einer Kalaschnikow. Beliebt hier – in dieser Gegend. Ja, es geschah in Neapel. An einem schönen, späten, sonnigen Mittag.
Er stieg aus dem Fond der schwarzen Limousine. Am Hafen. Auf dem Weg zu einer „Erledigung“ und um dann auf die Insel Ponza zu gehen. Normalerweise nimmt er den Helikopter. Heute nicht. Kein Blick zurück. Der Fahrer öffnet die Tür. Er steigt aus.
Zwei junge Männer – noch nicht einmal maskiert – lassen gekonnt ihre Motorräder fallen, ziehen die Waffen und schießen – erst auf ihn, dann auf den Fahrer. Der Fahrer überlebt nach sieben Stunden Operation im Ospedale Cardarelli in Neapel. Er wird lange vernehmungsunfähig sein. So die Ärzte. Was kann er auch schon sagen – oder besser: was will er sagen? Falls sein Zustand es überhaupt zulässt. Rein physisch. Psychisch wird er nicht wollen, nicht dürfen. Auftrag ausgeführt. Schnell und sicher. Zwei Jungs, fast noch Kinder. Schmächtig von der Statur. Vielleicht sechzehn oder siebzehn Jahre alt. Bewegen sich wie Profis. Ihr erstes Opfer war er nicht.
Keiner stellt ihn mehr her: nicht seinen Körper und seine Seele sowieso nicht. Jetzt kann ihn aber auch niemand mehr ansehen. So viel Kunst am Bau des Menschen hat noch kein Leichenbestatter oder Mediziner für eine geachtete Leiche tun müssen oder können.
Er fiel zu Boden. Auf den dreckigen Boden des Hafens von Neapel. Ein Blutmeer um ihn. Schnell wird es zu einer klebrigen stinkenden Schmiere in der glühenden Sonne. Hier, wo Fische, Zigaretten, Schmuggler, Alkohol, Kokain und Heroin, Diamanten und anderes Schmuggelgut gemischt mit dem Blut der toten und lebenden Ware Mensch eintrifft, den Asylanten, die abgewickelt wird und den Boden berührt, wo der Hauptumschlagplatz der Welt für alle Waren ist, die aus dunklen Kanälen kommen, hier findet er sein Ende. Das Ende eines reichen Lebens.
Eines Lebens, das an allem und von allen profitierte.
Wuchsen seine Zinsen mit dem Tod der anderen? Mit den Drogen, dem Menschenhandel? Blieb er sauber, weil ihn keiner erwischte? Geschützt von seinen Freunden: Bellarosa, seine Lebensbegleiterin der speziellen Art? Oder der „Gransignore in Carozza“? Kein Kläger – kein Richter! Hier in Neapel wagt man nicht, die wirklich Schuldigen zu verurteilen. Er hat es geschafft: Ein ganzes Leben der dunklen Höhle zu verschreiben, ohne verurteilt zu werden. Oder doch nicht? Was ist das hier? Was hätte er sich vorgestellt? Einen anderen Tod? Den, der Hand gehalten von seinem Sohn stundenlang über sein Leben in Monologform berichten darf mit der Erwartungshaltung: sieh mich gut und sei mir dankbar? Vergib mir? Ich war nie da für die, die mich liebten? Mich brauchten? Hab mich als Gott gesehen? Ja, Monologe liebte er! Er begann sie mit „lass uns doch mal darüber reden“ und alles endete in dem, was er glaubte zu sehen. Sein Sohn, der Gott sei Dank hier und heute nicht bei ihm war. Sein Sohn, der wahre Verlust. Ein unaufhörlicher Schmerz. Irreparabel für ihn. Das Wesen, das ihn spielt. Wie eine Marionette.
Das Einzige in seinem Leben. MINDGAME. Immer wieder.
Manipulation. Immer und jeden.
Wie gut kannte er seine Mörder? Hätte er sie manipulieren können? Hätten seine Monologe sie erreicht? Flehend um sein Leben? War er einer dieser Menschen, die ein „Signore“ waren? In Neapel gibt es das Sprichwort: „Signori non crescono - signori nascono“, was bedeutet, man wird nicht zu einem Herrn - „Als Herr wirst du geboren“. Für ihn galt das. Schon immer. Keine andere Wahl gehabt, so wie er geboren wurde – so wie er aufwuchs.
Ein Satz der Armen, die es nicht in die Welt der „Signori“ schaffen. Derer, die ein Leben lang aufschauen, zu denen, die sie sein wollen. Die soziale Kluft zwischen arm und reich ist größer in Italien als anderswo – es existiert Respekt für das, was man nicht hat. Wer man nicht ist. Was man nie erreicht. Oder nur wenige und nur selten.
Was sind es für Geschäfte, die er gemacht hat? Da drüben auf der Insel! Der Insel der „neuen“ Reichen: Ponza. Bekam er doch die Baugenehmigungen für Swimmingpools. Wurde doch derjenige festgenommen, der sie gegeben hatte! Verhaftet! Hat der mächtigste Mann nach dem italienischen Präsidenten ihn dazu aufgefordert oder ist es sein Tagesgeschäft? Im Vorstand und Aufsichtsrat von fast fünfzig erfolgreichen Firmen, deren Geschäfte von Alkohol, Mode, Medien, Nahrungsmitteln, Hedge Fonds, Versicherungen, Banken, Privatjet Charter bis hin zu Immobilien reichen, lebt er gewiss immer gefährlich.
Korruption, Manipulation, Lügen sind ein berechnendes Spiel zur Verteidigung der Macht und Kontrolle. Die Gefahr lauert überall. Auch auf dich! Hier hat sie zugeschlagen. Du kaufst, bezahlst, erhältst, wofür du zahlst. Dich hingibst. Du warst fast allein, Gott sei Dank! Lass mich nicht fantasieren, wenn du nicht allein gewesen wärst ...
Nur der Chauffeur war bei dir und hat überlebt. Warum eigentlich? Gewiss war es beabsichtigt.
Bei einer professionellen Hinrichtung wie dieser bleibt normalerweise kein Zeuge übrig. Vielleicht werden sie kommen und ihn später töten, wenn sie der Presse entnehmen, dass er überlebt hat. Wärst du sicher gewesen, wenn du den Helikopter genommen hättest und nicht die Fähre von Procida nach Neapel? Die Überführung der Leiche passierte noch am Tag des Verbrechens. Bei ihrer Ankunft in Ferrara stand ein langer Trauerzug bereit. Organisiert in wenigen Stunden. Sie führen ihn durch die ganze Stadt.
Alle waren da: seine Familie, seine Freunde, seine Feinde. Und auch die Feinde seiner Familie. Wir auch: Feliciano und ich. Manche trugen Schwarz, aber längst nicht alle. Ich tat es, aber nur weil ich Deutsche bin. Mein Gemüt hätte ein knallrotes Kleid mit einem großen Hut mit Federn ausgesucht. Tiefer Ausschnitt. Kann es mir noch immer leisten oder besser: wieder. Meine Brüste prallen an der richtigen Stelle in der Form und Größe, wie die Gier es verlangt. Mein Hut, fast wie beim Pferderennen in Ascot mit dem Unterschied, dass diese Veranstaltung hier einmalig ist und sich nie wiederholen wird, wogegen sich Ascot jedes Jahr erneut anbietet. Ein lautes Klagen, Weinen, Jammern ist zu hören. Wie in Süditalien üblich. In der Campagna besonders, aber auch sonst überall dort. Alle sind da: Unternehmer aus ganz Italien. Die Korruption hat keinen Namen. Sie existiert nur. Still. Jetzt und hier. Im kleinen Kreis eben. Fast alle Marken und Exporte vereint um einen Sarg. Wie viele Leichen hatten sie alle zuvor zu verantworten? Die Erschossenen, die in den Selbstmord getriebenen, die vielleicht Verunglückten, die Drogentoten, die Leichen der Müll- und Immobilienmafia? Wie viele? Ist er einen „gerächten“ Tod gestorben? Wurde er Bellarosa und ihren Unternehmungen zu unbequem? Vielleicht wusste er zu viel und spielte sein Monopoly dieses eine Mal zu selbstbewusst? Oder ist es die Summe zahlreicher kleiner Anhäufungen, die sie ihm nicht verzeihen konnte? Ich gehöre zu dieser Summe. Feliciano ebenso. Wir sind der größte Schmerz, der Bellarosa jemals bereitet wurde.
Es sieht fast aus, als würde die ganze Stadt trauern. Sicher hat er das nicht gewollt. So introvertiert, ja, fast schüchtern, wie er doch lebte. Er, der Philosoph der Hochfinanz! Den Reichen wollte er zeigen, wie man verantwortungsvoll mit Geld umgeht. Denen, die ihn um Geld baten, weil sie es dringend brauchten, erklärte er, Geld mache nicht glücklich! Kopiert den Gransignore in Carozza mit dem Wunsch nach „Serenita!“ Der Philosoph der Finanzwelt – so nannte ihn die Medienwelt – ist tot.
Auf dem Weg zum Friedhof – bewacht von der örtlichen Polizei und den Carabinieri – schleicht der Leichenwagen die Straßen Ferraras entlang. Gefolgt von unzählig vielen schwarzen Limousinen gefüllt mit Trauergästen, Body guards, Carabinieri und Polizisten erreicht er nun endlich den letzten Ort der Ruhe. Wozu die Bodyguards? Jetzt? Er ist doch schon tot! Sie fühlen sich alle ungeschützt in diesem Haufen der Macht, des Kontrollverlusts. Die Angst ist spürbar. Ich kann sie riechen. Sie bringen ihn zum Mausoleum – der künftigen Familiengruft. Ein eigenes Gebäude für seine Familie und ihn. Seine letzte Immobilie. Dieses Mal ohne Meeresblick? So viel war er sich wert. Geld macht nicht glücklich! Serenita! Ruhe in Frieden! Es ist die erste italienische Beerdigung, an der ich teilnehme. Sie schieben den Sarg später in ein Schubfach, so wurde mir erklärt. Italiener fürchten sich davor, von den Maden unter der Erde aufgefressen zu werden. Hier wird er allerdings aufgebaut – bekommt ein aufregendes Monument später – eine einzigartige Anfertigung des weltberühmten Schweizer Skulpteurs Alberto Giacometti, ja, sein Grab soll es schmücken. Es soll dich zeigen – darstellen. Giacometti starb bereits . Jemand hat es für dich ersteigert. So wie Giacomettis andere Werke bei Sotheby’s für zweiundsechzig Millionen Pfund in London in minutenschnelle den Besitzer wechselten. Ruhe sanft – das, was von dir übrig ist. Und deine Seele, die noch so viel zu verarbeiten hat, dass du sicher bald wiedergeboren wirst! Serenita! Im Hintergrund höre ich „Knockin‘ on heavens door“.
Ich bin völlig mitgerissen. Meine Fantasie brennt durch.
„Mama put my guns in the ground – I can’t shoot them anymore. Knock knock knockin‘ on heaven’s door...“ singen Guns ‘n Roses einfühlsam in meinem Kopf. Kein Orchester der Welt kann das jetzt überstimmen. „Knockin‘ on heaven’s door...“ knockt es ganzkörperlich in mir. *) *Quelle: „Knocking on Heaven’s Door“ von Bob Dylan Schon lange haben wir einige italienische Produkte aus unserem Leben und Konsum verbannt: Die bunte Farbenvielfalt aus dem Veneto – nicht einmal die Tatsache, dass mein lieber ehemaliger Kollege die Privatjets wartete, kann mich abhalten. Formula , die Kreativfabrik im Piemonte mit immer neuen Ideen für die Welt des Fahrens und Fliegens, das Duftwässerchen aus Emilia Romagna, Schühchen mit Gummibärchen an der Ferse – komplett verbannt und mein Sohn wird seine Liebe zu dem roten Rennwagen auch bald eintauschen, die weltbekannte Schokofabrik mit allen Marken erfolgreich positioniert: Nusskrümelchen in runden Schokobällchen, eine Kirsche in Schnaps, ein Sponsorship auf MTV und VH aus meinen vergangenen Zeiten. Kindern kann man auch schwer diese leckere Nussnougatcreme entziehen! Der schöne Adonis darf auch hier nicht vergessen werden! Welche Yacht nehmen wir heute? Kein Problem für den Präsidenten des „Nouveau Riche Yachtclubs“ auf Ponza. Zigaretten? Alkohol? Keine Frage! TobacPac und jede Schachtel voller Kraut ausgespuckt aus einer Packung, die Eure Maschinen herstellten? Vorbehaltlos verbannt aus dem italienischen Ferrara unter der Vorgabe sozialistischer Züge zur subtilen Vorgaukelung eventueller Intellektualität? Und hier haben wir ihn „Lello“, mit dem Mützchen den Emiglia-Romagna-Kommunismus im Haus des „Kirchturms“ trällernd – noch immer geladen auf glitzernden Flächen von Gransignore in Carozza hoch oben auf den Hügeln über Ponza! Fährt sich gut, oder? Wenn der eitle Gransignore rief, fuhr Deutschlands berümtester Rennfahrer aller Zeiten den roten Wagen zielsicher. Nur leider nicht immer ins Ziel. Erst recht nicht immer als Erster.
Was kann er schon dafür, dass das Marketing stimmt, die Technik jedoch nicht! Welche Macht er doch hat, der Gransignore in Carozza ... Stimmt es tatsächlich, dass er der mächtigste Mann Italiens nach Silvio Berlusconi ist? Hätte ich doch Wetten abschließen können über die Wahl von Silvio Berlusconis Scheidungsanwältin! Weit gefehlt! Diese Wette hätte ich verloren. Ist ja auch kein Wunder, denn meine Wahl auf Star und Ruhm von Barbara della Guerra zog bittere Wolken über ihr Haupt. Nicht weil sie in dem Prozess ihres Mandanten gegen mich für viel Bares auf ihrem Konto verlor – nein, gewiss nicht.
Sie durfte als Italiens Top-Scheidungsanwältin nicht einmal mehr bei Gericht amtierten ... nur noch lächerliche Fernsehshow jetzt! Ein Zirkus voller passiver Clowns. Sie schieben die vor, die für sie draufgehen: in den Knast oder in den Tod. Die zweite Variante ist jedoch wahrscheinlicher. Sicherer.
Anruf meines Schweizer Büros von Net Jets. Soll mich mit Dr. Amos in Ferrara in Verbindung setzen, der mag wohl Interesse an dem Erwerb eines Anteils an einem Privatjet haben. Gut, ich vereinbare einen Termin, bestätige mit der Sekretärin und stelle die naive Frage: „In welcher Branche, was für einem Business – bewegt sich Dottore?“ „Das fragen Sie ihn bitte persönlich. Darüber bin ich nicht befugt, irgendwelche Auskünfte zu geben“, antwortet sie - fast peinlich berührt.
Mein Besuch in Ferrara: Ich erinnere mich, dass ich müde war. Ein langweiliger Anfang vierzigjähriger Dr.
Amos sitzt mir bei meinem Besuch gegenüber. Dichte schwarze Haare, dunkelblauer Maßanzug, handgefertigte englische Schuhe. Ein sanftes Lächeln, das seine Macht ebenso unterstreicht wie die seines Büros. Im schönsten Teil der Stadt – gegenüber der Kathedrale – Chrom, Glas und Marmor mischen Alt mit Neu in Perfektion. Ebenso wie sein weißer Kragen zum nachtblauen maßgeschneiderten Anzug. Modisch, konservativ, schlicht, elegant.
„Ich interessiere mich nicht für einen Anteil an was auch immer für einem Jet, Signorina“, sagt er charmant distanziert. „Ich darf Sie doch so nennen, oder?“ Ein sanftes Lächeln umgarnt seine Mundwinkel.
„Prego Dottore“, er darf.
„Ich bin selbst Pilot und daher werde ich mir mein eigenes Flugzeug zulegen. Wie sind Ihre Konditionen bei Net Jets? Können Sie für mich arbeiten? Ich bereite gerade eine Firma vor, die Jet Charter in Italien betreiben wird. Interessiert? Darf ich Sie zum Essen einladen?“ Seine Selbstgefälligkeit findet kein Ende in einem beginnenden unaufhörlichen Monolog. Ich lehne ab, muss zurück. „Wie lange leben Sie schon in Italien? Ich hatte schon immer ein Faible für deutsche Frauen ...“ Unverschämtheit, denke ich. „Wie kann ich Sie erreichen? Wann darf ich Sie wiedersehen?“ Seine Tätigkeit und die seiner Firma – er spricht hier von der „Holding“ - erklärt er mit Mergers & Acquisitions.
„Mir ist momentan nicht nach einem „Merge“ mit Ihnen und stehe auch nicht für eine Acquisition zur Verfügung“, muss ich ablehnen.
„Nein, ... Danke, ... mein Zug geht in vierzig Minuten nach Milano. Aber danke. Wir können gern in Kontakt bleiben. Arrivederci Dottore!“ Sein Blick und Handdruck verrät mir, dass es genauso kommen wird.
David hätte mich eh nach dem Resultat des Termins gefragt. Net Jets war in den europäischen Kinderschuhen geführt von David in Zug – der Steuer wegen. Vertreten rechtlich von Ernesto Sprüngler und seiner MaxiJetCompany im Hintergrund. Ernesto mit seinen spektakulären Erfahrungen im Dealing mit Jets! Nichts hatte er zu tun mit dem Kleinen Prinzen, den Sant-Exupéry beschreibt! Ein Flugzeug rein – ein Flugzeug raus – beliebterweise in afrikanische Länder. Eine lange Skala von Kontakten und Terminen. Flüge zu Verkaufsveranstaltungen mit Gulfstreams und Citation ‘s nach Genf, London oder wo auch immer der Kunde rief. Jet-Reichweiten über den Ozean. Groundings von super ausgestatteten neuen Flugzeugen – teils auf Jungfernflügen – gesteuert von unseren Piloten aus Lissabon. Kunden, deren Namen nie erschienen. Der Einzige, der genannt wurde, war Tiger Woods.
Wir schreiben das Jahr . Und ich trinke einen schnellen, starken Espresso am Bahnhof in Ferrara und warte auf meinen Zug zurück nach Milano ohne mein Schicksal zu erahnen ...
Ich wohne in Franco Bossis Pferdestall zwischen Como und Mailand, Franco, der ehemalige internationale Springreiter, mit Devina und Don Juan – meinen beiden Lieblingen. Termine wie dieser in Ferrara sind für mich nur zu ertragen mit Tieren und Natur. Meine ungefähr dreißig Zigaretten täglich passen da nicht wirklich gut ins Bild – ein kleines Laster, das ich inzwischen aufgegeben habe. David bei Net Jets wird immer anstrengender und die Wintermonate sind im feuchten Norditalien in der Nähe des Comer Sees traurig.
Bis heute verstehe ich nicht, was die Deutschen und Engländer an die nördlichen Seen Italiens treibt. Für Italiener ist die Gegend schon einmal nicht wirklich richtiges Italien, sondern nur für nördliche Wesen. Geht man über die Schweizer Grenze schmeckt noch nicht einmal mehr die Pasta! Es gibt kein Meer, dafür umso mehr Nebel und Luftfeuchtigkeit. Die Autobahn nach Turin sollte man von November bis Februar morgens vor . Uhr unbedingt meiden, da man die Hand vor Augen nicht erkennen kann. Das gilt auch für die Fahrten von Milano nach Ferrara.
„Ab sofort arbeitest du aus dem Schweizer Büro hier in Zug und nicht mehr lauschig von zu Hause im Pferdestall bei Como“, lautet Davids Anweisung an mich bei meinem nächsten Besuch im Zuger Büro. Jeden Tag in ein Büro zu gehen ist ein Zustand, den ich schon seit vielen Jahren nicht mehr kenne und somit auch nicht schätze. Das brachte mich zur kurzen, jedoch wohlüberlegten Entscheidung, ein DIN-A-Blatt Papier zu nehmen und eine schnelle handschriftliche Kündigung auszusprechen. „Ich bin entsetzt!“ Davids Gesichtszüge entgleisen.
Ich dagegen bin geplant spontan – das hatte er nicht erwartet. Im Nachgang gefällt mir der Gedanke an meine Macht und ich hätte diese damals noch besser auskosten sollen.
Mit mir gingen die Kontakte zu Kunden und Interessenten. Immerhin hatte man mich als ersten Managing Director für Europa ausgewählt. Nicht nur weil ich drei Sprachen fließend sprach, die Musikszene dank meiner früheren Tätigkeit bei MTV gut kannte, Kontakte spontan knüpfen konnte und für mich ein „Nein“ ein „noch nicht jetzt“ bedeutete. Bis heute war das die interessanteste Aufgabe meines Lebens: dabei sein, wenn ein neuer Sender entsteht! Ich war für den Launch von Viacoms Tochterfirma und Schwester von MTV Europe VH in Deutschland eingebunden. Brachte Kunden zu Rockkonzerten. Marketingmanager der Fortune auf Mega Events.
Auch die Kunden und Interessenten von Net Jets trafen sich gern mit mir: den Vorteil hatte ich als schöne Frau nun einmal, die mit langen Beinen verwöhnt auf Stilettos die teuren Anteile an den Privatflugzeugen an den Mann zu bringen versuchte. Schweizer Verleger, Musiker aller Nationen, russische Oligarchen, Vorstände multinationaler Großunternehmen, Besitzer mittelständischer Familienbetriebe, große, kleine, dicke, dünne, freundli che, feindliche, junge, häufiger jedoch alte, impotente, grauhaarige, glatzköpfige, gierige, erfolgsgeile, machtgesteuerte, kontrollierende MÄNNER.
„Kommen Sie nie nach Monte Carlo?“ „Wann treffe ich Sie in St. Moritz? Ich habe da ein Chalet in Suvretta. Über Weihnachten geht das gar nicht, da bin ich mit meiner Familie da.“ „Nice Try!“ Ich werde von Net Jets gut bezahlt – Danke. Und ich mache keine Arbeit doppelt: entweder ich arbeite für Geld oder...
Statt nun nach meiner soeben geschriebenen Kündigung meine Macht richtig zu genießen, saß ich in meinem Büro, trank zu viel Kaffee und rauchte eine Zigarette nach der anderen und rief Dottore in Ferrara an. Wie alle anderen Kunden und Kontakte sollte er erfahren, dass ich in Zukunft nicht mehr bei Net Jets für ihn zu erreichen bin. Arrogant fragte er mich: „Sie rufen mich an, um mich um einen Job zu bitten, nicht wahr?“ Wie selbstgefällig ...
Ein Kollege bei Net Jets warnt mich. Er ist Italiener, ein Ingenieur, der unsere Flugzeuge wartet und früher auch die von der „Bunten Farbenvielfalt“ im Veneto.
„Dottore hat seine Familie auf Sizilien“, erfahre ich. „Es gibt eine Milliardärin, mit der er zusammen sei, na ja, vielleicht war, deren Ex-Mann im Gefängnis sitzen soll, wo sie ihn hingebracht hat wegen Korruption. Eine Strohpuppe für ihre illegalen Machenschaften“, erklärt mir Federico, mein Kollege. Ich denke, er verwechselt ihn ... Gibt ja schließlich viele Menschen, die in Ferrara leben, oder? Verwische den Gedanken, lass ihn gar nicht erst zu.
„Voglio la mia independenza!” Ich will meine Unabhängigkeit! ... so schreibt Dr. Amos in seinem Buch. Independenza. Ein Ausdruck, Name Wort mit der simplen Bedeutung „unabhängig“ – gefällt ihm besonders gut. „Ein guter Freund nannte seine Yacht „Independence“!“ erklärt mir Amos, wie ein Kleinkind, das über ein Spielzeug spricht.
Er ließ nicht locker, betrachtete meinen Anruf als Aufforderung zum Tango! „Wann kann ich Sie sehen?“ fragt er mich. „Kommen Sie nach Ferrara? Oder Monte Carlo? Nach Mailand?“ „Nein, ich kann nicht. Und ich rufe auch nicht wegen eines Jobs an. Habe bereits geplant und weiß, was ich tun werde“, erkläre ich ihm selbstbewusst.
„Und wann sehe ich Sie?“ Er lässt es nicht bleiben ...
„Darf ich Sie anrufen?“ Ja, klar, das darf er ...
Ich verließ das Büro und fuhr mich und meinen nachtblauen Porsche Carrera nach Como zurück zu Don Juan & Devina und zu meinen Umzugskartons, denn meine Entscheidung war deutlich: zurück nach Berlin. Inzwischen wohnte meine Freundin Aurelia in meiner Wohnung. Ganz wollte ich meine Liebe zu Italien nicht aufgeben, aber die Verliebtheit schwächelte im grauen nasskalten Februar in Norditalien. Morgen kommen Evita und Alexander aus dem Stall bei Berlin, um mich, meine Pferde, mein Hutschenreuther Service, das Kristall, die Silberlöffel und Designerklamotten von Versace, Chanel, Cavalli und Valentino abzuholen. Drei Koffer voller Schuhe: Stilettos in allen Farben, Pumps in allen Variationen.
Sergio Rossi dicht an Prada drängelnd. Handtaschen passend zu jedem Outfit. Louis Vuitton neben Hermes. Chanelkleider, Reitstiefel, Sporen und Sättel umschmusten einander in Alexanders Dodge, meinen Westfalen Don Juan und meine Hannoveranerin Devina im Pferdehänger ziehend. Travel in Style! Wir hatten einen schönen Abend in der kleinen Pizzeria in Como und ich schwebte zwischen dem Gefühl, es als „Straniera“ – die Ausländerinnicht geschafft zu haben in Macho Country und mir selbst zu applaudieren zu dem Mut, es versucht zu haben.
Wahrscheinlich war es der Nebel über dem Comer See, den ich übrigens bis heute nie vermisst habe.
Im kalten Februar bei Nebel, Eis und Schneesturm fuhren wir im Konvoi nach Berlin über Österreich – Devina, Don Juan, Evita, Alexander und ich.
Wie schön ist doch der Regen in den Wintermonaten in Berlin! Aurelia erwartete mich und es begann eine wundervolle Zeit. Sie steckte in Schwierigkeiten: Job, Geld, Familie, Männer ... Wir pendelten zwischen Berlin und Verona, wo sie eine Wohnung direkt neben der Arena hatte, genießen das gegenwärtig so leichte Leben zwischen Capuccino, Prosecco, Pasta, Sex, dem Meer und der Zukunft.
Dottore meldete sich fast täglich bei mir, rief an und ließ sich dazu hinreißen mir zu sagen: „Ich fühle mich wie auf einer Blumenwiese, wenn ich mit Ihnen telefoniere!“ Wer fällt denn auf so was rein? ICH! Bald darauf kam Dottore nach Berlin. Ich holte ihn mit meinem Porsche Carrera ab, der mich viel Geld und Nerven gekostet hatte: ein Montagsauto. In Italien würde man sagen „fatto un giorno di sciopero“ – sie müssen es ja wissen - es wurde während des Streiks gebaut. Und so kam es dann auch: Porschina – wie ich SIE liebevoll nannte, streikte dann auf dem Weg vom Flughafen zum Hotel Four Seasons am Gendarmenmarkt, was es damals dort noch gab. Vielleicht hätte ich auf den Technologieengel hören sollen, der meinen Porsche ständig ins Abseits stellte. Tat ich aber nicht. Porsche sind für schöne Frauen gebaut und erfunden worden – für Frauen, die langsam durch die Stadt schleichen wollen auf vier Rädern. Cruisen eben. Gesehen werden wollen. Frauen, die nicht zurückschauen, wenn sie bewundernd betrachtet werden. Voller Stolz werden solche Autos von Frauen gefahren. Nicht erst zum fünfzigsten Geburtstag – nein: mit Anfang dreißig. Arrogant und gebärfähig. Schön und auf der richtigen Seite der dreißig. Neugierig, verführerisch, bereit. Provokativ – ihrer Zeit voraus. Im Wissen, Aussehen, Intellekt, in der Internationalität – eine Kür aus Empfindungen, Sensibilität, Eitelkeit. Mit Wissen um ihre Macht. Auf der Suche nach der Gefahr.
Auf der Fahrt erzählte mir Dottore von Carolina – seiner Ex-Freundin. „Zur Abtreibung musste ich sie schließlich überreden. Ich wusste ja nicht, ob es mein Kind war oder nicht. Ich war dabei – bei der Abtreibung.
Was für eine widerliche Erfahrung, die sie mir da zumutete!“ Pause. Er unterdrückt Tränen. Ich schweige. Konzentriere mich auf den Straßenverkehr. Schon wieder Mitleid? Ja, scheint so. Carolina begann eine Affäre mit einem anderen Mann, den sie schlussendlich heiratete und mit dem sie drei Kinder hatte, so mutmaßt Dottore.
Nach dem Abendessen nahm er meine Hand – schaute mir tief in die Augen und sagte den verrücktesten Satz, den ich je im Zusammenhang einer Verführung gehört habe: „Ich habe Sie soeben mit meinen Augen geliebt!“ Wir siezten uns ... noch immer ... auf Italienisch ... und trieben es sechs Mal in dieser Nacht ... Hallelujah! Er fühlte sich wie mit siebzehn und wenn er mit mir telefonierte, sah er sich auf einem „Prato fiorito“ – einer Blumenwiese! Ich fühlte mich so stark. War seinem Charme förmlich verfallen. In kürzester Zeit. Ihm verfallen.
Er ließ mich nicht mehr aus seinen Armen – telefonisch natürlich. Ich war der Engel, die Diva und seine Geisha, die alle seine ungeträumten Fantasien wahr werden ließ. An dieser Stelle sollte ich vielleicht erwähnen, dass Dottore nicht so ganz allein lebte. An seiner italienischen Seite gab es noch immer Bellarosa. Sie, die, wie er sagt, noch nie schön war.
„Non era mai una bella donna“, so er.
Nein, das war sie tatsächlich nicht. Ich glaube, dass hässliche Frauen unbedingt dieses BELLA in ihrem Namen haben sollten – der Gerechtigkeit wegen. Sie hatte jedoch etwas, dass ihn faszinierte: Geld und Macht.
Sie kontrollierte ihn auch, wie es jemand tut, der davon sehr viel hat: ständige Anrufe und der Kommentar zu seinem Berlinbesuch: „Was machst du gerade mit Lilly Marlen?“ Ihre Fantasie reicht bis zum banalen Fremdgehen – weiter jedoch nicht. „Glaube mir, ich bin allein. Allein mit dir am Telefon, Bella. Ja, ich liebe dich! Dich als Einzige!“ höre ich ihn durch die fast verschlossene Zimmertür der Suite flüstern. Sehe mich als der „Blaue Engel“. Sein Sensibilitätsverlust tritt mit zunehmender Macht und Kontrolle ein. Bei ausradierter Fantasie, vorausgesetzt, dass die jemals vorhanden war.
„Nein – Sex habe ich mit Bellarosa schon seit sechs Jahren nicht mehr!“ beteuert er.
„Andere Frauen?“ frage ich schmunzelnd, die Augenbrauen hochziehend, schon jetzt die Antwort nicht glaubend.
„Davon darf sie nichts wissen – es würde sie doch so sehr verletzen. Deshalb bat sie mich, ihr nichts davon zu erzählen, falls es der Fall wäre, dass es je eine andere gäbe.“ „Warum fragt sie jetzt nach mir – nach Lilly Marlen?“ will ich provozierend wissen. „Ist es ihre persönliche Fantasie, die über die deutschen Kriegsjahre wenig hinausreicht?“ schmunzele ich ihn fragend an. „Zynikerin!“ denke ich. Ja, ich hätte eine verdammt gute Lilly Marlen abgegeben! Dazu braucht man Talent. Und das habe ich. I HAVE SKILLS! So werde ich ironisch viele Jahre später von meiner englischen Anwältin taxiert.
Später jedoch – sehr viel später. Zwischen dem Jetzt und dem Später werden noch einige Jahre der Spannung liegen. Und verstehe sie einzusetzen, meine Skills! „Weshalb habt ihr beide keine Kinder – nicht miteinander und auch nicht ohneeinander?“ interessiert mich.
Er antwortet: „Ja, da gab es mal den Versuch, hat nicht geklappt. Bellarosa ist zehn Jahre älter als ich“, erwidert Amos – zu dem Zeitpunkt war er Anfang vierzig.
„Da half auch der beste IVF-Spezialist nicht! Bereits zehn Jahre bin ich mit Bellarosa zusammen.“ Sagt er verbittert, melancholisch.
„Sie im Ostflügel der Villa – er im Westflügel? Oder umgekehrt“, frage ich frech, an meinem Strohhalm kauend. Provozierend, sexy. Nun konnte ich auch umso besser verstehen.
Er betrachtet meinen vollen Mund, den ich leicht geöffnet spitze. Stets der Wirkung meiner vollen Lippen bewusst.
„Du bist die Frau, die Geliebte, das Mädchen, die Hure, der Engel, die Madonna, die Mutter in jeder auch nur vorstellbaren Variante für mich, Aelita! Meine Aeli tina, Aelitissima!“ schwor er mit sanfter Stimme. Und ich verstand, dass Bellarosa die Erweiterung der Nabelschnur darstellte, ohne die er nicht leben kann. Eine Mutter-Sohn-Beziehung, Geschäftsbeziehung, Machtbeziehung. Die größte Abhängigkeit der Galaxie! Ich sollte noch sehen, wohin mich das bringt, so einfach in die Höhle der Löwin in der Kontrollbasis von Raumschiff Enterprise einzudringen.
„I’m a bitch, I’m a lover, I’m a child, I’m a mother, I’m a sinner, I’m a saint, I do not feel ashamed“, genauso fühl ich mich jetzt, „ I’m your hell, I’m your dream, I’m nothing in between, I know you wouldn’t want it any other way!“ singt Meredith Brooks wie eine Choreografie aus meiner Seele. „... but you look at me like maybe I’m an angel underkneeth, innocent and sweet ...“ singt sie weiter. *) Hey Amos, so Dottores wirklicher Name, du griechischer Liebesgott, hast du den Song schon vergessen oder nie verstanden? Vielleicht wusstest du nicht, was du tatest, als du ihn uns in unserer Situation gewidmet hast! Bellarosa war alt, unattraktiv, grob, sarkastisch, dominant, mächtig mit ihrem Geld und ihrem Körper - verstand ihn nicht. Ihr Lachen zu laut. Männer mögen keine lauten Frauen. Zu dominant. Sie mögen auch keine dominanten Frauen. Und wenn sie sie mögen, dann im Bordell als Domina, aber nicht an ihrer Seite. Über fünfzig ist Bellarosa. Eine verblühende Rose. Ein Alter, bei dem es keine richtige Seite der Fünfzig gibt. Nur eine Seite: die falsche. Ich war das ganze Gegenteil: jung, schön, schlank, langbeinig, elegant, blond ... und verstand seinen Schwanz! Mit meinem Geist, meiner Seele, meinen Brüs*) „The Bitch“, Meredith Brooks ten, meiner Erfahrung, meiner Sehnsucht, meiner Lust.
Aber er liebte am meisten meine Intelligenz – wow!!! Besonders beim Vögeln brauchte ich die! Er kam wieder nach Berlin zwei Wochen später. Die ILA – die Internationale Luftfahrt Ausstellung – fand statt.
Er erzählt mir, dass er ein Flugzeug des Typs Hawker kaufen will und auf dem Markt das Beste sucht, das zur Verfügung steht. Preis: um die Millionen US-Dollar. Er gibt mir eine Liste mit Namen: Derzeitige Besitzer dieses Flugzeugtyps.
„Kannst du sie bitte alle für mich durchtelefonieren?“ fragt er. „Die Telefonkosten bezahle ich dir natürlich.“ Wie billig ist das denn, Dottore? Denke ich. Auch ich bin auf der ILA in diesen Tagen, um Net Jets zu treffen und meinen Laptop abzugeben. Ich treffe auf der Messe die Repräsentanten von Raytheon, dem Hersteller des Flugzeugtyps Hawker. Wir unterhalten uns und ich frage nach gebrauchten Maschinen des Typs Hawker .
„Es handelt sich nicht zufällig um einen italienischen Kunden, dessen Vorname mit A beginnt und der aus Ferrara kommt?“ will der Repräsentant wissen. Kleine Welt! Ich bleibe mit ihm in Kontakt. Wir können die Provision ja teilen, wenn ich ihm helfe, mit Amos in Kontakt zu bleiben.
„Er war mit seinem Pilotenfreund Antonio auf der Messe. Hat alle Gespräche von ihm führen lassen. Seine Blicke kontrollieren die Atmosphäre.“ Amos taxiert den Gewinn, denke ich.
Wenig später warnt mich der Raytheon-Repräsentant vor Amos: „Ich habe mit einem Geschäftspartner in Monaco gesprochen, der für Südeuropa verantwortlich ist.
Privatjetbroker – Sie verstehen.“ Teilt Chris, der Repräsentant, das Geheimnis mit mir. „Alle kennen ihn dort – und seine Lebenspartnerin Bellarosa natürlich auch. Vorsicht!“ zischt mir Chris ins Ohr. „Monte Carlo ist ja nicht weit von Beaulieu sur Mer. Dort hat sie ihre Villa am Meer. Allen ist bewusst, dass es sich hierbei um die Mafia handelt! Sie verstehen?“ Nein. Ich verstehe nicht.
Kann nicht, will nicht. Das war die zweite Warnung – beide völlig unabhängig voneinander ... Wieder rufe ich Franco an, den Ingenieur bei Net Jets.
„Mädchen“, sagt er, „du bewegst dich auf sehr gefährlichem Gebiet ...!“ „Ich kann nicht mehr zurück!“ denke ich. Und wenn es so gefährlich ist, dann ist es das, egal ob ich weitermache oder jetzt aufhöre ... Das ist das beste Argument für mich, Amos nicht aufzugeben. Meine Liebe, seine Liebe, den hervorragenden Sex. Sein Spiel mit mir, das mir durchaus gefällt. Ich will nicht aufhören ... kann nicht aufhören! Bin mitgerissen, verschlungen im Bann seiner Anziehungskraft. Seiner Liebe, seiner Kontrolle, seiner Macht ...
Aurelia war Zeugin der unaufhörlichen Telefonate zwischen Amos und mir, der Vorbereitungen der Treffen zwischen der Wahl der Dessous, Schuhe, Kleider, des Nagellacks.
„Willst du wirklich dieses Kleid tragen?“ höre ich sie fragen. „Welche Dessous packst du ein? Lass mich mal sehen! Ok, die sind sexy genug.“ Mit dieser Vorbereitung ist sie zufrieden. Sie legte mir jeden Morgen Tarot-Karten bei Cappuccino und vielen Zigaretten. Gleich auf dem Weg in den Stall. Reiten um neun Uhr morgens. Aurelia war eine Hexe – das sah man an den roten Haaren! Sie war einmal schön – sehr schön und hatte viele Männer. Sie schlief mit Robert De Niro als sie schwanger war. Deshalb ist ihre Tochter Cornelia auch die hübscheste von allen ihren Kindern. Vielleicht sollten alle schwangeren Frauen Liebhaber haben. Auf jeden Fall, wenn es ein so spannender Mann wie Robert De Niro ist! Ein Hoch auf die Trophäen! Kein Rückblick auf meine Affären mit bedeutenden Männern ... Jetzt nicht. Später.
Aurelia glaubte, mich hat kein besserer Mann je mehr geliebt als er, und ich glaubte das ebenso. „Non hai conosciuto mai uno meglio di lui!“ so sagte sie immer wieder. Ein Superlativ! Mein Name ist Aelita – ich bin die Königin vom Mars.
Wie in dem sowjetischen Stummfilm von von Yakov Protazanov, einem russischen Filmemacher. Ein Film nach der Novelle von Alexei Tolstoy. Königin Aelita und Amos. Amos, der Gott der Liebe, und die Königin vom Mars. Aelita, wie das Wunderkind Aelita Andre, die vierjährige Künstlerin aus Neuseeland. Aelita, stellvertretend für Aphrodite, die Geliebte von Amos, mein Amos und ich. Ein besonderer Name, Aelita – eine besondere Geschichte. Jede Frau, jedes Mädchen mit dem Namen Aelita ist etwas ganz Besonderes. Und ich treffe im ganzen großen Weltall in seinem und meinem eigenen Universum den einzigen Mann, der für mich geboren wurde. Ich die einzige Frau auf dem Liebesmilkyway, die es für ihn gibt.
Ich wurde zu Aelitina und Aelitissima – verkleinert, vergrößert - je nach Bedarf und durfte eine Seite seines Lebens teilen, die keiner Frau zuvor bekannt war: ich – die Geliebte! Fast jede Woche im Hotel Baglioni in Bologna, dicht bei Ferrara, so praktisch für mich vom Flughafen aus zu erreichen. Dort, wo wir fast immer dasselbe Liebesnest hatten: , was für eine Zahl! Sie verbirgt sogar mein Geburtsdatum! Und ich konnte ihn schon sehen, wenn er die gegenüberliegende Straße zu Fuß überquerte.
Wenn er das Zimmer verließ, schmeckte ich ihn noch lange danach. Seine Augen funkelten. Mal grün, mal blau – je nach Stimmung. Beim Orgasmus waren sie blau – definitiv – auch wenn sie geschlossen waren! Da bin ich sicher. Grün sind sie bei großem Ärger. Bei Wut.
Unsicherheit. Und heute bin ich davon überzeugt, dass sie nur noch grün sind. Kein blau mehr! Ich habe das Privileg für die blauen Augen. Nur ich und Feliciano natürlich. Amos Duft hing für mich riechbar in allen Hotelfluren. Heute kann ich ihn nicht mehr riechen. Er duftet einfach nicht mehr. Mein Sinn für sein Parfum ist verschwunden. Keine Begeisterung. Damals auf Sardinien, dort konnte ich ihn riechen, schmecken, fühlen.
Dort, wo er seine Jetflugstunden im italienischen Fliegercamp absolvierte, sich mit seinem Alitalia-Freund Antonio traf – sein Name dem des Antoine de Saint-Exuperit gleichend, dem größten aller kleinen Prinzen. Er stand ihm zur Seite. Begleitete ihn, beriet ihn. Amos und ich hatten getrennte Hotelzimmer in dem wunderschönen Hotel bei Alghero, das direkt am Meer lag. Bellarosa durfte ja nichts erfahren. Mit ihr war er vorher schon hier. Völlig terrorisiert von der Idee, die alte Besitzerin des Hotels könne etwas merken und er würde schlecht dastehen. Nicht nur das: vielleicht auch Bellarosa informieren? Er war mit Bellarosa schon hier. Mit dieser alten, hässlichen Krähe, die, wie gesagt, nie schön war. Bella rosa: stechend wie die Dornen einer Rose. Nicht rosa, nicht rot. Nur ihre Dornen hinterlassen eine rote Spur.
Ihre Blutspur. Aber alle liebten sie. Oder ihr Geld? Nur ihr Geld. Amos und ich gingen zum Abendessen in ein drittklassiges Restaurant – das beste vor Ort war ja seinen Co-Piloten vorbehalten – die konnten ihn natürlich erkennen, denn die meisten von ihnen wohnten wiederum in unserem Hotel. Keine Zigarette nach dem Essen! Ein Drama für mich. Das waren die Momente, an denen ich ihn wegwünschte! Zumindest für eine Zigarettenlänge.
Seine Diskretion war perfekt.
„Das kann ich nicht riskieren! Warte ab, eines Tages ist es so weit. Nur jetzt nicht. Es ist ein schlechter Moment. Du glaubst gar nicht, was passiert, wenn jetzt – ausgerechnet jetzt - das her-auskommt! Das – ich meine – das mit dir und mir! Ein Skandal!“ plustert er theatralisch einer männlichen Diva gleichend.