Eine liberale Versuchung - Delilah Jay - E-Book

Eine liberale Versuchung E-Book

Delilah Jay

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Beschreibung

Eddie, ein zwölfjähriger Junge aus San Francisco, lebt mit seinem Vater Edward in London. Dort hat Edward D. Wilton IV seine Verlobte Edwina kennengelernt, die darauf aus ist, ihn schnellstmöglich zu heiraten. Sie ist frisch geschieden von ihrem Ex-Ehemann Victor, einem schottischen Unternehmer und Lobbyisten der Liberalen Partei in England. Edward, ein sehr wohlhabender mächtiger amerikanischer Geschäftsmann, hat sich das alleinige Sorgerecht für den Sohn Eddie erschlichen und sieht nun in Edwina eine engagierte Nanny für seinen Spross. Der leidet schrecklich unter dem strengen Regime der neuen Stiefmutter, dem er Tag für Tag ausgeliefert ist. Im feinen Londoner Stadtteil Knightsbridge, im Queens Club, dem Privatinternat und auf dem Landsitz in Schottland, muss er sich Edwinas versnobtem Protokoll beugen. Restlos ausgeliefert vermisst er seine Mutter, die als medikamentenabhängige Alkoholikerin in San Francisco lebt und die er nur selten sehen darf. Jeder der Erwachsenen hat ein fatales Geheimnis vor dem anderen zu verbergen: Intrigen, Affären, ein Mordversuch… Sechs Tage auf dem schottischen Landsitz mit Freunden malen das perfekt anmutende Bild einer Familie der gehobenen englischen Gesellschaft und erlauben einen tiefen Blick hinter die Kulissen. Sarkastisch, politisch, provokativ!

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Seitenzahl: 104

Veröffentlichungsjahr: 2017

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IMPRESSUM

Dies ist ein Werk der Fiktion. Namen, Charaktere, Ereignisse und Vorfälle sind entweder die Produkte der Phantasie der Autorin oder in einer fiktiven Weise verwendet. Jede Ähnlichkeit mit realen Personen, lebend oder tot, oder tatsächlichen Ereignissen ist rein zufällig.

Eine liberale VersuchungDelilah JCopyright: © 2014 Delilah Jpublished by: epubli GmbH, Berlinwww.epubli.deISBN 978-3-7375-2864-1

www.delilah-jay.comwww.facebook.com/delilahjay

Delilah Jc/o pellybay films GmbHAn der Alster 1820099 Hamburg-Germany

Layout und Produktion2014, by Anita Böningwww.typo-im-fluss.de

Coverlayout2014, by Nicole Lakawww.nima-typografik.de

Coverbild Getty Images

Photo Delilah JKai Krellenbergwww.kaikrellenberg.de

Verwendete Schriften Marcelle ScriptNew Century Schoolbook LT

Druck und Bindung www.esf-print.de

Delilah J

Eine liberale Versuchung

Für Massi und Charlie

Mi par d'udire ancora,

o scosa in mezzo ai fior,

la voce sua talora,

sospirare l'amor!

I PESCATORI DI PERLE by Georges Bizet — Enrico Caruso

EDDIE

Ich schaue aus dem schwarzen Fenster des Geländewagens. Wir biegen in das Anwesen in der Nähe von Perth im Süden Schottlands ein.

"Wir sind da!", ruft Henry, einer meiner Stiefbrüder.

"Ist das nicht fantastisch!", höre ich Edwina sagen, meine Stiefmutter.

Es ist Februar und bitterkalt. Immer ist es kalt hier in Schottland, aber dieses Jahr war es zu Hause in London schon unerträglich. Es fühlt sich an, als wäre der Frühling weit entfernt. Ich freue mich auf Felix, meinen Freund aus der Schule. Er und seine Mum kommen morgen zu uns nach Swanley-on-Tay. Henry und Theodor sind mit uns mitgekommen. Mein anderer Stiefbruder Richard ist schon wieder im Internat, weil seine Ferien vorbei sind. Morgen kommt auch Daisy mit ihrer Großmutter Miranda, Edwinas bester Freundin.

Wir fahren die lange Einfahrt entlang, am Cottage vorbei, am Fischerhaus, bis wir zum Herrenhaus gelangen. Biscuit, meine Labradorhündin, freut sich nach der siebenstündigen Fahrt endlich aus dem Käfig im Auto herausgelassen zu werden. Seit zwei Jahren fahren wir in fast allen Ferien hierher nach Schottland. Seit zwei Jahren muss ich fischen, schießen und Edwina gehorchen, denn damals traf mein Vater sie auf einer Dinnerparty im Queen's Club in London.

Ich bin zwölf Jahre alt und ein wenig schlaksig. So sagen es die anderen. Ich bin sehr groß für mein Alter. Mein Vater, Edward IV, ist auch sehr groß. Er lebt in London und San Francisco und hat Firmen überall auf der Welt. Oft ist er lange auf Reisen. Dann bleibe ich bei Edwina oder bei den vielen Nannys, die ich im Laufe der Jahre hatte. Sie gaben sich die Türklinke in die Hand, wechselten oft schon nach wenigen Tagen, weil ich so schwierig war. Jetzt habe ich noch immer Nannys, aber die werden von Edwina ausgesucht und überwacht.

Edwinas drei Söhne sind alle im Internat — ich auch nach den Sommerferien. Sie meint, das wäre gut für mich, dabei habe ich schon Schwierigkeiten, bei meinen Freunden zu übernachten. Ich bleibe lieber zu Hause. Ja, zu Hause … wo ist das eigentlich?

"Hallo, wie schön dich zu sehen!" Edwina stürzt geradezu in die Eingangshalle des Herrenhauses, wo sie Maria Clara, die brasilianische Haushälterin begrüßt.

Es ist schon später Nachmittag und Nebel legt sich über die weiten Wiesen und den Fluss Tay.

Es klingelt an der Tür. Jock, der Ghillie 1, steht im Türrahmen.

"Komm schnell rein, Jock."

Er greift nach ihr, umarmt sie. Sie gehen in eines der Kaminzimmer, wo Maria Clara bereits das Feuer angezündet hat.

"Da bist du … endlich, Edwina! Ich habe dich vermisst!" Jock reißt sie nochmals an sich und presst sie dicht an seinen Körper.

"Pass auf, die Jungs sind hier", höre ich Edwina flüstern.

"Was trinkst du? Ich nehme ein Glas Champagner … Maria Clara."

"Ein Bier für mich!" Jock hat ein rundes freundliches Gesicht. Morgen wird er gewiss mit uns zum Fischen gehen. Das ist sein Job.

Mir ist es zu kalt und die gefangenen Lachse und Forellen müssen wir ohnehin wieder in den Fluss werfen, denn wir dürfen zu dieser Jahreszeit die Fische nicht behalten. Sie sind in der Paarungszeit. Fangen müssen wir sie aber, denn das ist hier die Lieblingsbeschäftigung — für die, die es sich leisten können. Wir tun das jeden Tag und später im Jahr gehen wir auf die Jagd und schießen Wild. Mir macht das keine Freude, aber ich muss es tun — damit ich ein echter Mann werde, so wie mein Vater, ein echtes Alpha-Tier.

"Komm, lass' uns das Auto ausräumen", fordert Theodor mich auf.

Ich verstehe mich mit meinen Stiefbrüdern, aber mein Freund Felix ist mir lieber. Ich trotte hinaus in die Kälte und räume das Gepäck mit Theodor und Henry aus dem Auto. Theodor ist schon 18 Jahre alt. Er ist gerade mit der Schule fertig und wird nun Politik studieren.

Ein spitzer Schrei aus dem Kaminzimmer: Edwina liegt auf dem Boden, über ihr Jock. Die Flasche Champagner rollt mir entgegen. Sie ist leer. Edwinas Beine sind gespreizt und ich sehe ihr Höschen. Jocks Hand bewegt sich auf ihrer flachen Brust. Ich lasse vor Schreck das Gepäck fallen. Es sind die Einkaufstüten aus dem Supermarkt. Glas zerschellt auf dem harten Boden. Eine Flasche Wein, ein Marmeladenglas, Joghurtbecher und deren Inhalt vermischen sich auf dem Isfahanteppich, auf dem ich gerade stehe.

"Es tut mir leid, schrecklich leid", stammele ich und weiß nicht, wie ich ungeschehen machen kann, was ich soeben gesehen habe …

1Ein Ghillie ist ein professioneller Jäger, der auf dem Fluss beim Fischfang hilft. Der Begriff kommt aus dem Schottischen.

EDWINA

"Miranda, wie schön dich zu hören! Wann kommt ihr an, du und Daisy? Wir freuen uns alle auf euch! Ich hole euch dann vom Bahnhof ab", freue ich mich, als meine beste Freundin mich anruft. Sie sind bereits auf dem Weg hierher und werden uns in unserem Herrenhaus in Schottland besuchen kommen, wie schon so oft zuvor.

Sie ist eine echte Lady um die Mitte 60, war Lehrerin an einer der renommiertesten Privatschulen für Mädchen in England. Nicht lange, denn dann ging sie auf große Reise mit ihrem Mann George, Gott hab ihn selig. Er verstarb bereits vor 20 Jahren im diplomatischen Auftrag, wie sie stolz erzählt. "Ich kenne das Leben im großen Stil", pflegt Miranda mir immer zu berichten. "Haushälterinnen, Butler, Gärtner … ach, weißt du, Edwina, ich kann noch immer nicht verstehen, wie ich es jetzt ohne diese Annehmlichkeiten in meinem kleinen Puppenhaus in Holland Park aushalte. Es ist einfach schrecklich! Und eine viel zu kleine Pension hat mir der gute George auch hinterlassen. Weißt du, wir hatten ja immer alles. Die fürstliche Bezahlung auf dem Konto in England und — nicht zu vergessen — für bestimmte Aufträge bekam George alles extra bezahlt … auf das Konto auf den Cayman Islands. Ja, es war ein spannendes Leben mit George, der stets von einem Frühstücksmeeting mit dem amerikanischen Botschafter zu einem Mittagessen mit der Royal Family eilte. Ich war dann stets zu Hause mit Sophie, nun ja, ich war Diplomatengattin. Und das verlernt man nie, liebe Edwina."

Sie stand immer an meiner Seite und ich sah die mütterliche Figur meines Lebens in ihr. Sie ist eine kleine zierliche Person, stets akkurat gekleidet, Understatement — versteht sich. Der Umgang mit der königlichen Familie färbte auf sie ab, obwohl sie ihn nur aus zweiter Hand erleben durfte. Auch George war eher jemand, der in der hintersten Reihe der Geschehnisse stand. Verwunderlich dennoch, dass er sich zum Schluss dem Dienst des MI5, dem britischen Geheimdienst verschreiben durfte. Nicht lange, denn dann wurde er in geheimer Mission entlarvt und vor Sophies Augen beim Fünfuhrtee im Salon ihres Landhauses in Oxfordshire erschossen. Nur Sophie und der Hirsch an der Wand, den George selbst erlegt hatte, waren Augenzeugen der Tat. Und da der Hirsch ausgestopft war und Sophie unter Schock stand, konnte niemand den Tathergang wirklich rekonstruieren. Sie waren beide nicht vernehmungsfähig, Sophie nicht und auch nicht der Hirsch. Sophie litt schon damals an starken Depressionen. Sie konnte es nicht verkraften, dass die Familie den luxuriösen Lebensstandard in China und Indien aufgeben musste. Heute arbeitet sie im Büro der Liberalen in London. Sie locht, legt ab, locht, legt ab … Urkunden, Dokumente — ein neuer Ordner bitte; für 1.400 Pfund pro Monat.

Sie hat es nicht leicht allein mit ihrer Daisy. Den Job hat ihr mein Ex-Mann Victor besorgt. Seine Verbindungen sind endlos und oft sehr nützlich.

"Jungs, los jetzt! Die Pancakes sind fertig!", rufe ich durch das Treppenhaus nach oben in den zweiten Stock. Anscheinend hört mich niemand.

"Boys!"

Keine Antwort. Das Haus ist groß, die Wände hoch und dick und die Jungs haben sicher Kopfhörer auf.

Jock steht in der Tür: "Ist das Frühstück für mich fertig, my Love?" fragt er mich.

Ich erstarre. Er fuhr gestern Abend nach Hause, schon allein der Jungs wegen. Sein Auto stand die ganze Nacht nicht auf dem Anwesen. Hatten sie es überhaupt bemerkt? "Jock! Wie schön … du holst die Jungs zum Fischen ab? Edward freut sich so sehr darauf", strahle ich ihn an.

"Guten Morgen Mum." Die Jungs stehen in der Tür.

"Guten Morgen. Die Pancakes sind fertig. Jock ist hier, um euch zum Fischen abzuholen. Das ist doch toll, nicht wahr, Eddie?"

"Ja, ja … ", antwortet er. Er stottert und stammelt langsam vor sich hin. Auf den Boden schauend sucht er nach Worten.

Oh Gott, wie froh bin ich, wenn er erst einmal im Internat ist! Zwei Stunden Autofahrt von London entfernt. Nur alle drei Wochen wird er dann nach Hause kommen. Viel Sport, viel frische Luft. Das wird ihm gut tun.

Der Morgennebel zieht weiter hinter den Fluss. Wir blicken auf das Panorama der Unendlichkeit. Der Fluss, die Wiesen, der Nebel auf der anderen Seite des Ufers. Hier sagen sich Fuchs und Hase Gute Nacht, hier habe ich mit meinen Kindern und Victor die besten Jahre meines Lebens verbracht. Allein, während er umherreiste, um seine Politiker zu vermarkten. Allein, während die Jungs im Internat waren. Die meisten Herrenhäuser hier werden nur in den Ferien genutzt und manchmal, wenn ein Bankholiday das Wochenende mit einem Montag verlängert, an dem keiner arbeitet und die Kinder keine Schule haben. Seltene Dinnerpartys, seltene Gäste wegen der weiten Entfernung von London. Es sind um die 450 Meilen bis hierher, fast sieben Stunden mit dem Auto. Ich war jedoch allein hier in Schottland, statt am Sloane Square zu bummeln, ins Theater zu gehen, im Party-Kommite einer Brustkrebs-Charity zu sein und im Queen's Club Tennis zu spielen.

"Auf geht's!", höre ich Jock die Jungs herbeirufen.

"Muss ich wirklich … ", fragt mich Eddie. Ich unterbreche ihn.

"Ja, es tut dir gut. Dein Vater will das so. Nun mach, beeil dich."

Er geht mir schrecklich auf die Nerven. Sein Gestotter, seine Lernschwierigkeiten in der Schule, diese Unlust, woran auch immer. Bald fliege ich zu Eddies Vater, Edward IV, nach San Francisco. Dann sind alle wieder in der Schule und ich kann meine Zeit mit meinem zukünftigen Mann verbringen: Edward D. Wilton IV!

Like a jester dressed, in a silly gown,

something evil came to town,

at the darkest hour, in the dead of night,

all who'd listen gathered round.

From the uninspired from the tortured sounds …

LADY MACBETH, written by John Lees, Barclay James Harvest

EDWARD D. WILTON IV

"Ja, ich höre. Was sagtest du eben, Liebling? Ich kann dich nicht verstehen, die Verbindung ist schlecht. Ja, ich bin im Büro. Du, hör mal, ich habe keine Zeit mehr, muss gleich in eine Besprechung. Wir telefonieren später." Ich lege auf.

Mein Büro befindet sich in der Nähe des Flughafens von San Francisco. Das Geschäft mit dem Privatjet-Charter blüht wie nie zuvor. Seit der Attentate durch die Taliban ist mein Umsatz um rund 130 Prozent pro Jahr gestiegen. Für mich ein erfolgreicher 9/11! Ich schaue aus dem Fenster, inhaliere den Duft des Kerosins bis in die Spitzen meiner Lungen. In einer Stunde etwa treffe ich meinen Anwalt zum Mittagessen. Ja, ich mache Edwina bald zu Mrs. Edward D Wilton IV! Nur … dazu bedarf es einiger Vorbereitung. Vier Monate bis zur Hochzeit, da bleibt mir nicht viel Zeit.

Ich traf Edwina auf dieser Dinnerparty im Queen's Club in London. Sie war meine Tischpartnerin, somit hatten wir uns zwangsweise etwas zu sagen. Meine erste Frage an jede Frau ist ein Standard: "Wie viele Ärzte haben Sie?"

"Was ist das für eine Frage?", fragte sie mich lachend. "Na zwei, einen praktischen Arzt und einen, na ja, für diese Frauengeschichten, Sie wissen schon." Sie errötete.