Meetings - Simone Kauffeld - E-Book

Meetings E-Book

Simone Kauffeld

0,0

Beschreibung

Unser Arbeitsleben verändert sich. Der Bedarf an Austausch in Organisationen wächst. Dadurch nimmt auch die Bedeutung von Meetings zu, doch sie werden aktuell eher als notwendiges Übel gesehen. Um als erfolgreiches Kommunikationsinstrument zu dienen, müssen Meetings gut gestaltet werden. Das Buch beschreibt Meetings nicht als isolierte Ereignisse, sondern betrachtet alle Kontextfaktoren, die vor, während und nach Meetings wirken. Der Band schließt mit einem Ausblick auf Meetings in einer digitalisierten Arbeitswelt und zeigt, wie künstliche Intelligenz genutzt werden kann, um Meetings und Kommunikationsflüsse in Unternehmen zu verbessern.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 285

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Die Autoren

Prof. Dr. Simone Kauffeld ist Professorin für Arbeits-, Organisations- und Sozialpsychologie an der TU Braunschweig. In Forschung und Praxis leistet sie Beiträge zu den Themen Kompetenz, Teams und Führung, Karriere und Coaching sowie der Gestaltung von Veränderungsprozessen in Organisationen.

Prof. Dr. Nils Christian Sauer ist als Professor an der Hochschule in der Akademie der Polizei Hamburg tätig. In Forschung und Praxis leistet er Beiträge zu den Themen Soziale Netzwerkanalyse, Meetings und Meetinginteraktion, Team- und Gruppenprozesse sowie Führung und Führungstrends.

Simone Kauffeld & Nils Christian Sauer

Meetings

Grundlagen und Empfehlungen für eine effiziente Gestaltung

Verlag W. Kohlhammer

für Annafee und Aaron, Jutta, Alois und Jörn

Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechts ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Die Wiedergabe von Warenbezeichnungen, Handelsnamen und sonstigen Kennzeichen in diesem Buch berechtigt nicht zu der Annahme, dass diese von jedermann frei benutzt werden dürfen. Vielmehr kann es sich auch dann um eingetragene Warenzeichen oder sonstige geschützte Kennzeichen handeln, wenn sie nicht eigens als solche gekennzeichnet sind.

Es konnten nicht alle Rechtsinhaber von Abbildungen ermittelt werden. Sollte dem Verlag gegenüber der Nachweis der Rechtsinhaberschaft geführt werden, wird das branchenübliche Honorar nachträglich gezahlt.

Dieses Werk enthält Hinweise/Links zu externen Websites Dritter, auf deren Inhalt der Verlag keinen Einfluss hat und die der Haftung der jeweiligen Seitenanbieter oder -betreiber unterliegen. Zum Zeitpunkt der Verlinkung wurden die externen Websites auf mögliche Rechtsverstöße überprüft und dabei keine Rechtsverletzung festgestellt. Ohne konkrete Hinweise auf eine solche Rechtsverletzung ist eine permanente inhaltliche Kontrolle der verlinkten Seiten nicht zumutbar. Sollten jedoch Rechtsverletzungen bekannt werden, werden die betroffenen externen Links soweit möglich unverzüglich entfernt.

1. Auflage 2022

Alle Rechte vorbehalten

© W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Gesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Print:

ISBN 978-3-17-038412-5

E-Book-Formate:

pdf:        ISBN 978-3-17-038413-2

epub:     ISBN 978-3-17-038414-9

 

Vorwort zur Buchreihe

 

 

 

Ökonomische, technologische und gesellschaftliche Entwicklungen tragen dazu bei, dass unsere Arbeitswelt sich in einem stetigen Veränderungsprozess befindet. Dies hat Auswirkungen auf das Erleben und Verhalten des einzelnen arbeitenden Menschen genauso wie auf gesamte Organisationen und größere wirtschaftliche Zusammenhänge.

Die vorliegende Buchreihe soll einen fundierten Einblick in verschiedene Forschungs- und Anwendungsfelder innerhalb der Arbeits-, Organisations-, Personal- und Wirtschaftspsychologie geben – einem der wichtigsten Bereiche der angewandten Psychologie. Aktuelle, praxisrelevante und an wichtigen Trends orientierten Themen werden vorgestellt und die Reihe dabei sukzessive um neue Bände erweitert.

Die Reihe richtet sich vor allem an Studierende der (Wirtschafts-)Psychologie und sich weiterbildende Personen. Durch die fachübergreifende Bedeutung sind die Inhalte der Bücher jedoch auch für Studierende angrenzender Bereiche, wie z. B. der Wirtschaft, Soziologie und Pädagogik von hoher Relevanz. Als besonders interessierte Zielgruppe können bereits erwerbstätige Personen aus dem Personalbereich (z. B. Coaches, Beraterinnen und Berater, Personalentwicklerinnen und Personalentwickler) identifiziert werden, die sich z.B in einem Aufbaustudium weiterbilden. Die konsequente Verbindung von Theorie und Praxis bietet darüber hinaus Führungskräften die Möglichkeit, sich wissenschaftlich fundiert mit praxisrelevanten Themen wie z. B. Kompetenzmanagement in Unternehmen, Coaching, Change Management oder Gesundheit im Arbeitskontext auseinanderzusetzen.

Simone Kauffeld

Braunschweig, Frühjahr 2021

 

Vorwort

 

 

 

Mit diesem Buch ist es uns ein großes Anliegen, Meetings mit all ihren Vorteilen und Herausforderungen zu reflektieren. Die einzelnen Kapitel sollen einen Eindruck vermitteln, wo wir in der aktuellen Meetingpraxis stehen und wo wir hinkommen können, wenn Organisationen die Potentiale von Meetings ausschöpfen. Dazu haben wir in diesem Buch mit den Praxishacks eine Vielzahl an Methoden und Techniken zur effizienten Gestaltung von Meetings integriert, die leicht und flexibel umgesetzt werden können. Zusätzlich laden wir Sie mit den Meetingflashes zu vertiefenden Exkursen über aktuelle Forschungsthemen der »Meeting Sciences« ein.

Meetings begleiten mich, Simone Kauffeld, seit meiner ersten Tätigkeit in der Industrie. Damals durfte ich zahlreiche gruppen- und gruppenübergreifende Besprechungen sowohl im Produktions- als auch im Angestelltenbereich moderieren. Nach meinem Ausflug in die Industrie erhielt ich die Möglichkeit, mich auf wissenschaftlich mit den Kompetenzen von Mitarbeitenden zu beschäftigten. Im Fokus stand dabei die Frage, wie Kompetenzen unternehmens-, -branchen- und hierarchieübergreifend gemessen werden können. Die bis dahin gängigen Selbst- und Fremdbeschreibungsbögen überzeugten nicht, da sie zu sehr von sozialer Erwünschtheit und dem Anspruchsniveau der Beurteilenden abhängig zu sein schienen. Daher musste die Frage gestellt werden, welche zentralen Situationen branchenunabhängig in verschiedensten Organisationen und auf allen Hierarchieebenen anzutreffen sind, in denen sich Kompetenzen zeigen können. Wo bündelt sich das Fachwissen von Experten? Wo werden Kompetenzen sichtbar? Die Antwort war schnell gefunden: in »echten« Meetings.

So folgten Jahre, in denen echte Meetings in Organisationen beobachtet und aufgezeichnet werden konnten als Gegenleistung für Trainingsworkshops zur Bewältigung arbeitsbezogener Problemstellungen und effizienter Meetingpraxis. Parallel konnte ein Schema für die Kodierung der Äußerungen in den echten Meetings entwickelt werden. Kodierenden wurden für die aufwändige Akt-für-Akt-Kodierungen der Meetingvideos geschult. Ca. 40 Arbeitsstunden wurde für die Auswertung eines einstündiges Meeting benötigt, später – mit entsprechender Software-Unterstützung – reichten acht Stunden. Heute können wir mit unserer App live kodieren.

Die Begeisterung für Meetings ist übergeschwappt – Nils Sauer ist einer der »Infizierten«. In einigen von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) und dem Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Projekten konnten wir explizit oder implizit unserem Forschungsinteresse nachgehen. Nicht alles kann sich in diesem Buch wiederfinden.

Durch die Videoanalyse der echten Meetings konnten wir uns das konkrete Verhalten von Teilnehmenden anschauen und so nicht nur funktionale und dysfunktionale Verhaltensweisen, sondern auch typische Interaktionen und Netzwerke in Meetings identifizieren.

Das Thema wird uns nicht loslassen, denn neue Entwicklungen, die wir in diesem Buch an einigen Stellen auch im Blick haben konnten, wie virtuelle Meetings, Kollaborationswerkzeuge und die Möglichkeiten der Künstlichen Intelligenz, stellen uns vor neue spannende Herausforderungen in Forschung und Praxis.

Braunschweig und Hamburg, März 2021

Simone Kauffeld und Nils Christian Sauer

 

Inhalt

 

 

 

Vorwort zur Buchreihe

Vorwort

1 Meetingization: Die Bedeutung von Meetings in Unternehmen

1.1 Meetings als Spiegelbild der Organisation

1.1.1 Meetings als Kommunikationsplattform

1.2 Meetings als Input–Prozess–Output-Modell

1.3 Fazit

2 Meetingkontext: Das organisationale Umfeld als Inputfaktor

2.1 Situative Bedingungen für Meetings

2.1.1 Der Zweck des Meetings

2.1.2 Die Hierarchie in Meetings

2.1.3 Die Ressourcen des Meetings

2.2 Technische Bedingungen für Meetings

2.2.1 Interaktive Kommunikationsmittel

2.2.2 Digitale Kommunikationsmittel

2.3 Fazit

3 Meetinggestaltung: Das Team und die Teilnehmenden als Inputfaktoren

3.1 Schlüsselfaktoren in Meetings

3.1.1 Die Normen in Meetings

3.1.2 Die Gruppenzusammensetzung

3.2 Fazit

4 Meetingprozess: Die Interaktion als Prozessfaktor

4.1 Verhalten in Meetings

4.1.1 Funktionales Verhalten

4.1.2 Dysfunktionales Verhalten

4.2 Zusammenarbeit in Meetings

4.2.1 Einstiegsphase

4.2.2 Arbeitsphase

4.2.3 Abschlussphase

4.3 Fazit

5 Meetingerfolg: Effizienz und Effektivität als Outputfaktoren

5.1 Nutzen des Meetings

5.2 Effizienz als Output

5.2.1 Maßnahmenplanung

5.3 Effektivität als Outcome

5.3.1 Umsetzungsorientierung

5.3.2 Meetingzufriedenheit

5.4 Fazit

6 Meetingimpulse: Wege aus dem Jammertal!

6.1 Meetingregeln

6.2 Kommunikationskampagne

6.2.1 Meeting Nudges

6.3 Transferfokussierte Trainingsbegleitung

6.3.1 Training zur Meetinggestaltung

6.3.2 Training zur motivierenden Gesprächsführung

6.3.4 Live-Kodierung

6.3.5 Digitale Reflexion

6.4 Individuelle Teamentwicklung

6.5 Fazit

7 Meetingful: Das Meeting der Zukunft

7.1 Meetings in neuen Arbeitsformen

7.1.1 Agile Meetings

7.1.2 Briefings

7.1.3 Holokratische Meetings

7.2 Meetings als ein Bestandteil im Prozess

7.3 Künstliche Intelligenz in Meetings

7.4 Fazit

Literaturverzeichnis

Stichwortverzeichnis

 

1          Meetingization: Die Bedeutung von Meetings in Unternehmen

 

 

 

MeetingSample: Die Arbeitswoche und seine Meetings

»Puuh!« Melanie Neumann, 37 Jahre alt, stöhnte hörbar auf. Es war Freitagmittag und das Ende der Arbeitswoche war endlich in Sicht. Eigentlich mochte Melanie ihre Arbeit als Wirtschaftsingenieurin in einem mittelständischen Unternehmen. Diese Woche fühlte es sich allerdings nicht so an, als hätte sie viel geschafft. Das lag vor allem daran, dass sie als Abteilungsleiterin mehr als die Hälfte ihrer Arbeitszeit in Meetings verbracht hatte. Ehrlich gesagt hatte sie genug davon, jede Woche mehr als 20 Stunden in Besprechungen zu verbringen. Jeden Tag in mindestens zwei Meetings – das zerrte an ihren Nerven, da sich die Diskussion nur im Kreis drehte und am Ende niemand wusste, was wirklich zu tun war. Viele Aufgaben blieben dadurch während der Woche liegen. Am Ende blieben nur wenige Stunden bis zum Wochenende, um alles so gut wie möglich abzuarbeiten. Natürlich würden da wieder einige Sachen liegen bleiben. Deshalb war ihr schon jetzt klar, dass sie am Wochenende ständig an die liegengebliebenen Aufgaben denken würde. So wird sie kaum richtig abschalten können.

Ziel des Kapitels »Meetingization« ist es, Ihnen einen Einblick in die moderne Welt der Meetings zu geben. Zum Einstieg gehen wir darauf ein, wie Meetings zu einem festen Bestandteil des organisationalen Alltags geworden sind. Warum sind Meetings in der heutigen Arbeitswelt nicht mehr wegzudenken? Wie konnte es dazu kommen, dass Beschäftigte durchschnittlich an mehr als zwei Meetings pro Woche teilnehmen? Um diese Fragen zu klären, stellen wir den Zweck und das Potenzial von Meetings vor. Wir zeigen Ihnen aber auch auf, warum Meetings in der Praxis nur allzu oft unproduktiv ablaufen und deshalb viel zu häufig als Zeitverschwendung wahrgenommen werden.

1.1       Meetings als Spiegelbild der Organisation

Meetings! Egal ob angestellt, arbeitgebend oder freiberuflich, jede arbeitende Person hat sie in seinem oder ihrem Arbeitsleben schon erlebt. Dieser Trend führt sogar so weit, dass manche Forscher*innen schon von einer ‹Meetingization of Society‹ sprechen (von Vree, 2011).

In der Unternehmenspraxis sind Meetings so weit verbreitet, weil sie eine zentrale Rolle als Mittel zur Koordination und Zusammenarbeit spielen. Ihre Bedeutung zeigt eindrucksvoll eine Studie vom Bundesministerium für Bildung und Forschung, in der persönliche Besprechungen als wichtigstes Kommunikationsmittel noch vor E-Mails und Telefongesprächen genannt werden (Abb. 1.1). Bolte, Neumer und Porschen haben schon 2008 Meetings als das Hauptinstrument zur selbstgesteuerten Abstimmung und Koordination in Organisationen herausgestellt. Seitdem haben Meetingaktivitäten weiter zugenommen. So gibt es aktuell in den USA 25–55 Millionen Meetings an jedem einzelnen Tag (Keith, 2015). Dabei verbringt jede*r einzelne Beschäftigte durchschnittlich 6 Stunden in 3 Meetings pro Woche (Lehmann-Willenbrock, Allen & Belyeu, 2016). Dabei steigt der Anteil an Arbeitszeit, der in Meetings verbracht wird, mit den Hierarchiestufen, sodass Führungskräfte des mittleren Managements rund 60 % und des Top-Managements bis zu 90 % ihrer Arbeitszeit in Besprechungen verbringen (Newlund, 2012; Siegert, 2007). Somit befinden sich Führungskräfte durchschnittlich zwei Tage pro Woche in Meetings. Stray und Moe (2020) konnten für Mitarbeitende in Softwareentwicklungsteams zeigen, dass diese an durchschnittlich zwei Sitzungen pro Tag teilnahmen. Diejenigen, die in verteilten Teams arbeiteten, verbrachten etwas mehr Zeit in Sitzungen pro Tag als die lokal arbeitenden Teams (3 h/Tag vs. 3,6 h/Tag). Insgesamt verbrachten die Mitarbeiter 16 Stunden und 36 Minuten pro Woche in Besprechungen. Einige der Befragten gaben an, dass sie wegen der vielen täglichen Sitzungen am Morgen erst nach dem Mittagessen mit ihrer Arbeit beginnen konnten.

Als wenn diese Zahlen nicht schon beeindruckend genug wären, erhöht sich die Meetingzeit mit der Größe des Unternehmens und der Hierarchieebene, sodass in Großunternehmen sowie höheren Führungsebenen deutlich mehr Zeit für Meetings aufgewandt wird als in Klein- und mittleren Unternehmen (KMUI) (Mankins et al., 2014).

Abb. 1.1: Wichtigkeit verschiedener Kommunikationsmittel in Unternehmen (Rief, 2015)

1.1.1     Meetings als Kommunikationsplattform

In einer frühen Definition hat Schwarzman (1986) Meetings als vorvereinbarte Kommunikationsereignisse definiert, bei denen sich drei oder mehr Personen zum arbeitsbezogenen Austausch versammeln. In einer neueren Definition hat Rogelberg (2006) Meetings genauer eingegrenzt und sie als zielgerichtete, arbeitsbezogene Interaktion zwischen mindestens zwei Personen definiert, die mehr Struktur als ein spontanes Gespräch, aber weniger als eine Vorlesung hat. Im weiteren Verlauf des Buches werden wir daher den Begriff Meetings für vorvereinbarte, zielgerichtete und strukturierte Kommunikationsereignisse in Unternehmen verwenden. Den Begriff Besprechungen verwenden wir dagegen für jegliche Art von Austausch zwischen mehr als zwei Personen in Organisationen.

Die Verwendung des Begriffes Kommunikationsereignis zeigt bereits, dass Meetings nicht nur dem reinen Informationsaustausch dienen. Stattdessen ist es das Alleinstellungsmerkmal von Meetings, dass sie die einzige Arbeitssituation sind, in der eine Vielzahl an Funktionen zusammenkommen und Arbeitstätigkeiten gemeinsam stattfinden. So sind Meetings nicht nur der Ort im Unternehmen, an dem Aufgaben koordiniert und Meinungen ausgetauscht werden, sondern sie bieten auch eine Plattform, um soziale Beziehungen aufzubauen, die Hintergründe von Entscheidungen zu erfahren sowie die Organisationskultur und Machtstruktur zu erleben (Lehmann-Willenbrock, Rogelberg, Allen & Kello, 2018; Tracy & Dimock, 2004). Dadurch stellen Meetings die Hauptkommunikationsplattform im Unternehmen dar. Meist finden die einzelnen Aktivitäten gleichzeitig statt und beeinflussen sich gegenseitig, sodass sie nicht so einfach zu identifizieren sind. Aus diesem Grund haben wir sie im Folgenden einzelnd aufgeschlüsselt und dargestellt.

Koordination: Um die Ziele einer Organisation zu erreichen, müssen verschiedene Teile einer Organisation integriert und verknüpft werden. In Meetings werden Aufgaben koordiniert und Informationen ausgetauscht. Dies ist zwingend notwendig, um alle Beteiligten auf den gleichen Informationsstand zu bringen, um Anpassungsprozesse zu ermöglichen und Entscheidungen auf den gleichen Grundlagen zu treffen (Allen, Beck, Scott & Rogelberg, 2014).

Kultur: Meetings stellen einen Ort dar, um gemeinsame Erfahrungen zu erleben und persönliche Beziehungen zu knüpfen (Imkpen & Tsang, 2005). Neue Mitarbeitende lernen in Meetings nicht nur den Diskussionsstil und die Art der Zusammenarbeit kennen, die im Unternehmen vorherrschen, sondern erleben auch die Führungskultur und das Betriebsklima aus erster Hand und werden so mit der Organisation vertraut und sozialisiert (Jay, 1999). Zusätzlich zeigen sich in der Zusammenarbeit die organisationalen Werte, Normen und Symbole, sodass Meetings als ein Abbild der Organisationskultur gesehen werden können (Pullig, 2016). Kauffeld (2006) konnte in einer Untersuchung zeigen, dass innerhalb eines Unternehmens über Bereiche und Hierarchieebene hinweg ähnlicher diskutiert wird als zwischen Unternehmen.

Einflussnahme: Meetings sind ein wichtiger Ort, um Beschäftigten eine Stimme zu verleihen (Allen, Lehmann-Willenbrock & Jones, 2015). »Voice« ist ein psychologisches Konstrukt, welches das Ausmaß beschreibt, in dem Mitarbeitende dazu ermutigt werden, ihre eigenen Gedanken und Ideen im Arbeitskontext zu äußern (Allen & Rogelberg, 2013). Damit stellen Meetings in Organisationen den Hauptort dar, an dem Beschäftigte ihre Meinung einbringen können (Meinecke, Klonek & Kauffeld, 2016). Diese Form der Partizipation und Einflussnahme ist besonders relevant für die Wahrnehmung organisationaler Gerechtigkeit, denn die Möglichkeit zur Mitsprache bestimmt, ob eine Entscheidung in Unternehmen als gerecht oder ungerecht wahrgenommen wird (Bobocel & Gosse, 2015). Somit sind Meetings von elementar Bedeutung, um organisationale Demokratie zu beleben. Dies zeigt sich daran, dass die Freiheit, im Unternehmen seine Meinung zu äußern, das Gefühl der Wertschätzung signifikant erhöht und einen positiven Einfluss auf die organisationale Effektivität hat. Insgesamt steigert sie zudem die Entscheidungsqualität und fördert die Teamleistung (Dooley & Fryxell, 1999; Morrison & Milliken, 2000).

Sinnstiftung: Meetings stellen den organisationalen Kontext dar, in dem am häufigsten die Bedeutung und Hintergründe organisationaler Entscheidungen und Vorgänge vermittelt werden (Duffy & O-Rourke, 2015). Diese Art der Sinnstiftung ist als Prozess definiert, durch den ein individuelles Verständnis für Erlebnisse und Erfahrungen entsteht (Kwon, Clarke & Wodak, 2014; Scott, Allen, Rogelberg & Kello, 2015). So wird eine Vielzahl an Meetings einberufen, um Unklarheiten zu bereinigen oder aktuelle Ereignisse zu erklären (Jarzabkowski & Seidle, 2008). Insgesamt werden Meetings, die den Teilnehmenden Sinn vermitteln können, als positiver und zufriedenstellender bewertet (Lehmann-Willenbrock, Allen & Belyeu, 2016). Die Bedeutung von Sinnstiftung endet jedoch nicht direkt mit dem Abschluss des Meetings, sondern beeinflusst die Arbeitseinstellung weit darüber hinaus, denn durch die Sinnvermittlung werden Ambiguitäten reduziert und das Gefühl vermittelt, Aufgaben kompetent und erfolgreich bearbeiten zu können (Allen & Rogelberg, 2013; Allen, Lehmann-Willenbrock & Sands, 2016). Darüber hinaus können Meetings auch der Bedürfnisbefriediung dienen. So wird durch die Teilnahme das Gefühl sozialer Zugehörigkeit gestärkt und das Einbringen in das Meeting befriedigt das Bedürfnis nach Autonomie (Douglass et al., 2015; Gagné & Deci, 2005).

Machtstrukturen. Meetings bilden persönliche Beziehungen und Hierarchien ab (Rief, 2015). So zeigt bereits die Einladung zu Meetings die informelle Bedeutung Beschäftigter in der Organisation. Schließlich manifestiert sich die soziale Ordnung darin, wer bei der Zieldefinition und Entscheidungsfindung einbezogen wird. Wer ist beim Meeting dabei? Die Anzahl an Meetings, in denen teilgenommen wird, kann als Grad für die Bedeutung der eigenen Person in der Organisation herangezogen werden. Die Nicht-Einladung kann wiederrum als Ausgrenzung erlebt werden. In den Meetings selbst gibt der Zeitpunkt und die Anzahl der Wortbeiträge einer Person ebenso wie die Abfolge der Wortbeiträge Einsichten, wer welche Rolle und Bedeutung im Meeting hat (Sauer & Kauffeld, 2013). Meetings in Organisation sind häufig als Kaskaden aufgebaut. Informationen und Neuigkeiten werden häufig top-down vom Treffen der Unternehmensleitung zur Besprechung der Abteilungsleitungen bis zum Teammeeting kaskadiert. Gleichzeitig werden Probleme oder Initiativen bottom-up in umgekehrter Richtung weitergegeben (Krause & Tarnowski, 2019).

Erfolgsfaktor. Meetings bieten nicht nur eine Kommunikationsplattform, sondern sind auch Ereignisse, die Einfluss auf den Unternehmenserfolg haben. Kauffeld konnte zeigen, dass die Art der Kommunikation in Meetings mit der Produktivität von Arbeitsgruppen sowie dem Unternehmenserfolg Jahre später zusammenhängt (Kauffeld, 2006; Kauffeld & Lehmann-Willenbrock, 2012). Rogelberg und Kollegen (2010) zeigen, dass Meetings signifikant die Arbeitszufriedenheit beeinflussen. Auch auf das gesundheitliche Wohlbefinden der einzelnen Mitarbeitenden hat nicht nur die Anzahl, sondern auch die Art der Kommunikation im Meeting einen Einfluss (Schulte, Fenner & Kauffeld, 2013; Sonnentag, 2001). Aufgrund der umfassenden Funktionen von Meetings sind sie ein unabdingbares Instrument für eine effiziente Unternehmensführung, da sie den vollständigen Informations- und Kommunikationsprozess von der rechtzeitigen Erfassung neuer Markttrends bis zu den Umsetzungsentscheidungen begleiten (Rogelberg, Allen, Shanock & Cliff, 2010).

Meetings als Jammertal

Obwohl Meetings eine elementare Relevanz für betriebliche Prozesse haben, bleibt ihre Effektivität umstritten (Allen et al., 2012). So werden Meetings von Teilnehmenden häufig als lästiges Ärgernis beschrieben. Ein Hauptkritikpunkt ist vor allem, dass die Möglichkeit zur Meinungsäußerung nicht zum konstruktiven Zusammenarbeiten, sondern zum Jammern über Alltagsprobleme genutzt wird, was Zeit, Nerven und Konzentrationsfähigkeit kostet. Darüber hinaus klagen Mitarbeitende häufig über die Anzahl von Meetings, da es zu viele Besprechungen gibt, die von anderen Arbeiten abhalten (Felkai & Beiderwieden, 2013). Aus diesen Gründen werden Meetings in der Praxis auch gerne als Jammertal bezeichnet, durch das alle Beschäftigten im Laufe der Arbeitswoche durchmüssen (Kauffeld, 2012). Die Gründe für den negativen Ruf von Meetings sind dabei vielfältig. Daher haben wir im Folgenden die vier Hauptprobleme ausgeführt.

Meetinggestaltung. Eine internationale Befragung in 41 Ländern hat ergeben, dass weniger als die Hälfte der Teilnehmenden die Zeit in Meetings als effektiv ansieht. Stattdessen wird ein Großteil der Meetingzeit als Verschwendung angesehen, die effektiver für andere, zielführendere Tätigkeiten genutzt werden könnte (Rausch, 2013). Als Hauptgrund wird genannt, dass oft zu viele Beschäftigte zu den Besprechungen eingeladen werden, die thematisch kaum involviert sind, sodass sie wenig Konstruktives beitragen bzw. Relevantes mitnehmen können. Ein weiterer Grund ist das häufige Fehlen etablierter Gestaltungsprinzipien, sodass langweilige Erörterungen und ziellose Diskussionen gefördert anstatt verhindert werden (Geimer et al., 2015).

Direkte Kosten. Unternehmen investieren viel Zeit und Geld in die Durchführung von Meetings (Rogelberg et al., 2007). Diese Investitionen haben direkte monetäre Auswirkungen auf das Unternehmen in Form von Kosten für Personal, Reisen sowie Kommunikationstechnologien (u. a. Millen, Fontaine & Muller, 2002). Den Hauptanteil machen die Personalkosten aus. So kommen Schätzungen zu dem Ergebnis, dass die meisten Unternehmen zwischen 7 % und 15 % ihres Personalbudgets in Meetings stecken (Lehmann-Willenbrock et al., 2017; Romano & Nunamaker, 2001). Trotz dieses Aufwandes werden ca. 42 % aller Meetings als qualitativ schlecht eingestuft (Schell Marketing Studie, 2010). Weitere Schätzungen gehen davon aus, dass sich durch effektivere Meetings 20–30 % der Personalkosten einsparen ließen (Siegert, 2007; Rausch, 2009). Wenn man diese Werte zur Grundlage nimmt, zeigt sich das enorme Einsparungspotenzial, denn bereits bei Berechnungen mit konservativen Werten (20 Stunden Arbeitszeit, die ein Beschäftigter z. B. aus der Forschung und Entwicklung in der Woche in Meetings verbringt, sowie 20 % Effizienzsteigerung) ist eine Kostenreduktion von ca. 95 000 000 € pro Jahr möglich (siehe die ausführliche Berechnung in Tab. 1.1).

Tab 1.1: Potenzial von Meetings

BerechnungsgrundlageResultierende KostenKostenreduktion (20 % Effizienzsteigerung)

Indirekte Kosten. Neben den direkten Kosten verursachen Meetings zusätzlich indirekte Kosten. Unproduktive Meetings lösen eine hohe Unzufriedenheit bei Beschäftigten aus. Durch die Vielzahl an Meetings wird die effektive Arbeitszeit geringer, sodass zusätzlich Stress entsteht, da die Teilnehmenden durch den Zeitverlust unnötige Anstrengungen zur Erfüllung der Routinetätigkeiten auf sich nehmen müssen (Allen et al., 2008). Insgesamt verursachen Meetings zu häufig Frustration. Um diese abzubauen, wird weitere Zeit benötigt, was als »Meeting Recovery Syndrome« bezeichnet wird und sogar dazu führen kann, dass Meetings zu einem Gesundheitsrisiko für Teilnehmende werden (Schulte, Fenner & Kauffeld, 2013). So steht eine höhere Anzahl an Meetings in Zusammenhang mit höherer täglicher Erschöpfung und größerer wahrgenommener Arbeitsbelastung (Tremmel & Sonnentag, 2018). Diese negativen Aspekte können sogar die Absicht Beschäftigter fördern, das Unternehmen zu verlassen (Rogelberg et al., 2006; 2010). Die indirekten Kosten beziehen sich jedoch nicht nur auf Meetingteilnehmende. Ineffiziente Meetings kreieren auch Folgeprobleme für Unternehmen, wenn aufgrund schlechter Kommunikation falsche Entscheidungen getroffen oder negative Entwicklungen nicht identifiziert werden. Dann müssen im Anschluss Zeit und Ressourcen aufgewandt werden, um die Fehler auszubügeln, sodass wiederum Folgekosten entstehen (Rogelberg, 2013; Tropman, 2014).

Meetingkontrolle. Erstaunlich erscheint dabei, dass Organisationen trotz dieser negativen Aspekte nur wenig unternehmen, um den Return on Investment von Meetings überhaupt zu erfassen (Rogelberg et al., 2012). So zeigt allein die Tatsache, dass wir Schätzungen zur Berechnung von Meetingkosten nutzen mussten, dass kaum ein Unternehmen etablierte Kontrollinstrumente benutzt, um den Erfolg bzw. die Effizienz von Meetings zu erfassen. Aufgrund der Bedeutung von Meetings und der offensichtlichen Unzufriedenheit mit der aktuellen Nutzung ist es daher unumgänglich, sich mit der Optimierung der Meetingkultur in Unternehmen auseinanderzusetzen. Dabei muss das gesamte Besprechungswesen inklusive der vor- und nachgelagerten Einbettung in die organisationalen Arbeitsprozesse sowie der zielgerichteten Nutzung von Kommunikationsinstrumenten betrachtet werden, um die zahlreichen Einflussvariablen auf den Unternehmenserfolg erfassen zu können (Kauffeld & Lehmann-Willenbrock, 2012).

1.2       Meetings als Input–Prozess–Output-Modell

Es findet nicht nur eine Vielzahl unterschiedlicher Aktivitäten im Rahmen von Meetings statt, der Verlauf eines jeden Meetings wird auch von einer Fülle von Faktoren beeinflusst. Um diese Einflussfaktoren analysieren zu können, müssen sie zuallererst sinnvoll angeordnet werden. Dazu dient in der Forschung das sogenannte Input-Prozess-Output-Modell (IPO) als konzeptioneller Bezugsrahmen (McGrath, 1964). Es stellt ein einfaches, heuristisches Konzept dar, um den Zusammenhang zwischen den Ausgangsvariablen (Input), der Gruppeninteraktion (Prozesse) und den Gruppenergebnissen (Output) darzustellen. Der Interaktionsprozess wird in diesem Rahmen als intervenierende Variable zwischen Input und Output gesehen (Hackman & Morris, 1975). Dabei basiert das Modell auf dem Prinzip der Äquifinalität, welches besagt, dass ein bestimmter Endzustand über verschiedene Wege erreicht werden kann. Somit ist das Ergebnis unabhängig von den Ausgangszuständen. Infolgedessen ist der Interaktionsprozess der Schlüssel für die Effektivität der Zusammenarbeit (Watzlawick, Beavin & Jackson 1990). Es kommt also darauf an, wie gut die Ressourcen im Rahmen des Interaktionsprozesses umgesetzt werden.

Eine große Anzahl an Untersuchungen zur Erhebung der Effektivität von Teamarbeit wurde auf Basis von IPO-Modellen durchgeführt (siehe Rausch 2008 für einen Überblick). Dabei wird den Gruppenprozessen eine zentrale Bedeutung zur Erklärung des Zusammenhangs zwischen Input- und Outputfaktoren beigemessen (u. a. Fulk & Collins-Jarvis, 2001; Hackman & Morris, 1975). Da Meetings durch die Interaktion gestaltet werden, ist die Analyse der Gruppenprozesse ebenfalls der Schlüssel, um den Meetingerfolg sowie die daran beteiligten Prozesse fassbar zu machen (Kauffeld, 2006; Beck, 2008; Lehmann-Willenbrock, Beck & Kauffeld, 2016). Die Meetingeffektivität ist also von den Interaktionsprozessen während des Meetings abhängig. Diese werden wiederum von den Kontextfaktoren (u. a. Gruppengröße, technische Hilfsmittel) beeinflusst, welche den Rahmen für die Interaktion bilden (Fulk & Collins-Jarvis, 2001; Kauffeld, 2006).

Eine Ergänzung des IPO-Modells bezieht die Eigendynamik mit ein, die durch Gruppenprozesse ausgelöst wird. Dazu gehören dynamische Phänomene, (u. a. Einstellungen, Werte, Motivation und Vertrauen) die aus der Interaktion entspringen und sich im weiteren Verlauf verselbstständigen, sodass sie hemmende oder fördernde Wirkung haben (Busch & von der Oelnitz, 2016). Diese emergenten Bedingungen verändern sich fortwährend im Verlauf der Interaktion und beeinflussen den Ausgang des Meetings (Marks, Matheu & Zaccaro, 2001). So kann eine Meinungsverschiedenheit zu einem Konflikt und der Aufspaltung in Pro- und Kontragruppen führen. Die Art, wie dieser Konflikt gelöst wird, resultiert entweder in dem Empfinden von Gerechtigkeit oder Misstrauen. Die daraus resultierende Gruppenstimmung beeinflusst den weiteren Verlauf des Meetings und in der Folge das Endergebnis. Die Meetingeffektivität ist also von den emergenten Zuständen, die sich während des Meetings entwickeln, abhängig (Kozlowski, 2015).

Da Meetings nicht isolierte Ereignisse sind, sondern im organisationalen Umfeld stattfinden, wird in einer Erweiterung des Modells eine weitere Input-Phase an das Ende angefügt, sodass aus dem linearen Verlauf ein Zyklus wird und Feedbackprozesse integriert werden können (Ilgen, Hollenbeck, Johnson & Jundt, 2005). Bezogen auf Meetings bedeutet dieser Kreislauf, dass der Besprechungsoutput einen direkten Einfluss auf Inputvariablen der nächsten Besprechung hat. Die Entscheidungen, die in einem Meeting getroffen werden, haben demnach einen direkten Effekt auf die Gestaltung des nächsten Meetings. Wenn z. B. in einer Besprechung die Lösung für ein spezifisches Problem festgelegt und die geplante Maßnahme bis zum nächsten Treffen umgesetzt worden ist, muss dieses Thema nicht mehr auf die Agenda des nächsten Meetings genommen werden, sodass die entsprechenden Expert*innen nicht eingeladen werden müssen. In Abbildung 1.2 ist das zugrundeliegende IPOI-Modell graphisch dargestellt.

In den folgenden Kapiteln orientieren wir uns am IPOI-Modell und nutzen es als inhaltlichen Rahmen. So gehen wir im zweiten Kapitel auf die situativen Eigenschaften und technischen Voraussetzungen des organisationalen Umfelds als Inputvariablen ein. Im dritten Kapitel zeigen wir den Einfluss von Teilnehmenden- und Gruppencharakteristiken als Inputfaktoren auf. Im vierten Kapitel fokussieren wir uns auf den

Abb. 1.2: Input-Prozess-Output-Input-Modell in Meetings (abgeleitet von Busch & von der Oelnitz, 2016; Ilgen, Hollenbeck, Johnson & Jundt, 2005; McGrath, 1964)

Prozess während des Meetings. Dabei werfen wir einen detaillierten Blick auf das Verhalten und emergente Zustände sowie die Interaktion in kritischen Phasen des Meetings. Schließlich definieren wir im fünften Kapitel Output- und Outcome-Faktoren, mit denen der Erfolg von Meetings erfasst werden kann.

1.3       Fazit

Meetings haben eine große Bedeutung in Organisationen. Als Indikator kann die Häufigkeit, mit der Meetings durchgeführt werden, genannt werden. In Meetings kristallisiert sich das organisationale Geschehen, sodass Meetings ein Spiegelbild der Organisation darstellen. Dabei befriedigen Meetings zentrale Bedürfnisse, geben Orientierung und dienen der Koordination. Zudem ermöglichen sie Partizipation, Mitsprache und Ansprache. Organisationen investieren in Form von Personal in Meetings. Trotz dieses hohen Resourceneinsatzes wird das Potenzial von Meetings jedoch oft nicht erreicht. Dies liegt weniger an den Input-Faktoren als an den Prozessfaktoren. Dabei spielen vor allem emergente Prozesse, die während eines Meetings zum Tragen kommen, eine bedeutsame Rolle, da sie das Ergebnis bestimmen.

Weiterführende Literatur

Busch, M. W. & von der Oelsnitz, D. (2016). Emergente Teamphänomene–Warum sich Erfolge eines Teams nicht einfach kopieren lassen. Gruppe. Interaktion. Organisation. Zeitschrift für Angewandte Organisationspsychologie (GIO), 47(4), 345-355.

Ilgen, D. R., Hollenbeck, J. R., Johnson, M. & Jundt, D. (2005). Teams in organizations: From input-process-output models to IMOI models. Annu. Rev. Psychol., 56, 517-543.

Lehmann-Willenbrock, N., Allen, J. A. & van Vugt, M. (2020). The Origins and Evolutionary Significance of Team Meetings in Organizations. In Managing Meetings in Organizations. Bingley, UK: Emerald Publishing Limited.

 

2          Meetingkontext: Das organisationale Umfeld als Inputfaktor

 

 

 

MeetingSample: Unerhofft kommt im Meeting zu oft!

Nachdem Melanie Neumann am Montagmorgen im Büro angekommen war, hatte sie sich zuerst entspannt eine Tasse Kaffee gemacht. Als sie damit zurück ins Büro kam, war ihr Rechner hochgefahren und ein Termin blinkte in Outlook auf: »08:30 Uhr Projektmeeting; Ort: Konferenzraum; Teilnehmer: 4; Dauer: 60 Minuten; Thema: »Entscheidung Energieeinsparungen im Büro«.

Melanie hatte selbst zu dem Projektmeeting eingeladen, da der Firmenchef ihr die Leitung des Projektes übertragen hatte. Das Ziel war es, Maßnahmen zum bereichsübergreifenden Energiesparen auszuarbeiten. Bisher hatte sich das Team noch nicht treffen können, da alle vier Projektmitglieder aus unterschiedlichen Bereichen kamen und an verschiedenen Standorten arbeiteten. Melanie hatte erst überlegt, in der Woche vor dem Meeting eine Webkonferenz zum Kennenlernen einzuberufen. Sie wusste allerdings nicht, ob alle dasselbe Tool für virtuelle Meetings auf ihren Rechnern installiert hatten und damit auch umgehen konnten. Deshalb hatte sie den Plan fallen lassen. Stattdessen hatte sie jedem Projektmitglied zur Vorbereitung die Aufgabe gegeben, Ideen für mögliche Maßnahmen zu sammeln.

Wie so oft kritzelte sie schnell »zwischen Tür und Angel« einige Notizen auf ein Blatt, um wenigstens etwas vorbereitet zu sein. In der Besprechung drehte sich schließlich alles um das jeweilige Energiesparverhalten in den verschiedenen Abteilungen, da doch weniger Wissen über die unterschiedlichen Abteilungen herrschte, als Melanie angenommen hatte. Da sie die Rollen des Zeitmanagements und Protokollierens nicht vergeben hatte, musste sie dies selbst übernehmen und kam mit der Moderation gar nicht hinterher. Dadurch dauerte das Meeting länger als geplant und sie konnte am Ende keine einheitlichen Maßnahmen festlegen.

»Oh je!« Am Ende des Tages war Melanie Neumann fix und fertig. Die Woche hatte gerade erst begonnen und sie war schon durch das erste ausgeuferte Meeting gestresst.

Ziel des Kapitels »Meetingkontext« ist es, einen kompakten Einblick über die Rahmenbedingungen von Meetings zu geben, die sich auf die Meetingpraxis und den Erfolg von Meetings in Unternehmen auswirken. Dabei gehen wir detailliert auf das organisationale Umfeld als situativen Inputfaktor ein und stellen ihnen verschiedene etablierte Formate zur Gestaltung effektiver Meetings vor. Vertiefend diskutieren wir den Einfluss aktueller Trends wie virtuelle Arbeit für Besprechungen.

2.1       Situative Bedingungen für Meetings

Die Ineffizienz von Meetings ist ein wiederkehrendes Thema in den Medien. So gibt es eine schier endlose Masse an Praxishandbüchern zur Verbesserung von Besprechungen. Dennoch reagieren die meisten Beschäftigten mit kritischem Stirnrunzeln, wenn sie auf die gängige Meetingpraxis im Unternehmen angesprochen werden. So zeigen Umfragen, dass nur zwei von fünf Führungskräften den Kontext ihrer Meetings beachten und ihre Besprechungen an unterschiedliche Gegebenheiten anpassen (Allen, 2014; Elsayed-Elkouly, 1997). Auch hat sich gezeigt, dass in den meisten Organisationen regelmäßige Trainings zu Kommunikation und Teamarbeit, Moderation oder Personalführung angeboten und genutzt werden, die gelernten Inhalte jedoch so gut wie keine Auswirkungen auf den Arbeitsalltag haben (Kauffeld, 2000). So werden in Trainings zwar Tipps und Tricks zur Gestaltung effektiver Meetings vermittelt, jedoch nicht in der Praxis umgesetzt (Kauffeld, 2016).

Modelle zur Erfassung von Meetingerfolg haben drei Schlüsselfaktoren als Inputvariablen identifiziert: (1) situative Eigenschaften des organisationalen Umfelds, (2) Gruppeneigenschaften sowie (3) individuelle Eigenschaften der Teilnehmenden (Cohen-Powless, 2002; Davison, 1997; Pietschmann, 1995; Volkema & Niederman, 1996). In Zeiten der Digitalisierung spielen zudem technische Möglichkeiten eine Rolle, denen wir in Kapitel 2.2 nachgehen. Die situativen Eigenschaften des organisationalen Umfelds haben eine besonders hohe Praxisrelevanz. Sie umfassen (a) den Zweck des Meetings, welcher Einflussfaktoren wie die Komplexität der zu besprechenden Themen und den Zeitdruck bei der Aufgabenerfüllung bestimmt. So variieren in Abhängigkeit vom Zweck die Interaktion und das Kommunikationsverhalten der Teilnehmenden. (b) Die Hierarchie beeinflusst die Planung und Organisation des Meetings. So hängt die Einladung zur Teilnahme an Meetings sowie die Zuweisung spezifischer Rollen häufig vom Rang der Person in der Organisation ab. (c) Die vorhandenen Ressourcen bestimmen die zur Verfügung stehenden Mittel für das Meeting. In Abhängigkeit der Ressourcen variieren der Zeitrahmen, die räumlichen Gegebenheiten sowie die technischen Hilfsmittel.

2.1.1     Der Zweck des Meetings

Meeting ist nicht gleich Meeting. Denn sie können verschiedene Themen oder Schwerpunkte haben. Aufgrund dieser Unterschiede macht es keinen Sinn für jedes Thema einfach einen Zeitraum zu blocken, einen Termin einzustellen und drauflos zu diskutieren. Genau das passiert jedoch in Unternehmen allzu häufig, was entscheidend dazu beiträgt, dass Meetings als wenig effizient und zufriedenstellend gesehen werden. Um Meetings effektiv gestalten zu können, muss erst einmal Klarheit herrschen, welchen Zweck die Besprechung haben soll. Denn davon hängt die Wahl des Meetingtypen ab, der für die jeweilige Aufgabe geeignet ist.

In der Praxisliteratur werden Meetings meist in Abteilungsbesprechungen, Projektmeetings und Gremien aufgeteilt (Rogelberg, 2019). Auch wenn dies eine gute erste Übersicht ist, bleibt der Erkenntnisgewinn doch limitiert, da sich die Einteilung vor allem auf den Personenkreis und weniger auf die Inhalte und Strukturen konzentriert (Allen et al., 2014). In der Forschung werden Meetings dagegen häufig nach ihrer Aufgabe differenziert (z. B. Bischof & Bischof, 2007). Dies ist jedoch keine einheitliche Klassifikation, da häufig Aufgaben und Ziele vermischt werden bzw. nicht einheitlich voneinander getrennt werden können (Scott, Shanock & Rogelberg 2012).

Insgesamt sind beide Klassifizierungen problematisch, da es schwierig ist, Meetings anhand einer einzelnen übergeordneten Aufgabe bzw. einer singulären Zielsetzung zu definieren. In der Praxis sind Besprechungen meist komplexer, da sie mehrere gleichberechtigte Aufgaben umfassen. Wenn es in einem Meeting z. B. um eine konkrete Entscheidungsfindung geht, sind oft unterschiedliche Teilziele, wie z. B. das Definieren des Problems, das Entwickeln von Lösungen und das Festlegen von Maßnahmen, integriert (Breiner, 1997; Rief, 2015).

Daher stellt die Unterscheidung nach Funktion eine weitere Möglichkeit zur Klassifizierung dar (Allen et al., 2014; Leach et al., 2009; Tracy & Dimock, 2004). Dabei werden drei übergeordnete Funktionen für Meetings definiert: (1) sich informieren und Informationen geben, (2) gemeinsam diskutieren und Probleme lösen sowie (3) zukünftige Maßnahmen planen und Entscheidungen treffen. Genau wie bei den Zielen und Aufgaben ergibt sich jedoch das Problem, dass in vielen Meetings mehrere dieser Funktionen behandelt werden. Zusätzlich wird die organisationale Ebene nicht berücksichtigt, da es in Unternehmen nicht nur regelmäßige und geplante Sitzungen, sondern auch unregelmäßige Ad-hoc-Treffen gibt (Malik, 1994).

Alternativ wird in der Forschung eine Orientierung am zeitlichen Rahmen postuliert. Doppler und Lauterburg (2008) schlagen spezifische Meetingarten für kurz-, mittel- und langfristige Themen vor. So sind (1) Informationsmeetings auf das kurzfristige Tagesgeschäft, (2) Problemlösemeetings auf die mittelfristige Problembearbeitung sowie (3) Entscheidungsmeetings auf die langfristige Konsensfindung zum zukünftigen Vorgehen fokussiert. Kießling-Sonntag (2005) legt einen Problembearbeitungszyklus als übergeordneten Rahmen zugrunde, in dem verschiedene Meetingtypen chronologisch und entlang des Lösungsfortschritts angeordnet werden. Dieser chronologische Dreischritt umfasst (1) zu Beginn Meetings zur Informationsgewinnung durch Expertenaustausch und Problemanalyse, (2) im Anschluss Meetings für Lösungsversuche mit dem Ziel der Problembearbeitung und (3) zum Abschluss Meetings zur Entscheidungsfindung.

Insgesamt muss bei der Klassifikation von Meetings festgehalten werden, dass die Einteilung vor allem der Orientierung und Eingrenzung dient. Natürlich können einzelne Meetings immer auch mehrere der genannten Bestandteile umfassen. So können innerhalb eines Meetings Informationen ausgetauscht, Probleme diskutiert und Lösungen erarbeitet werden, damit abschließende Entscheidungen getroffen werden können. Genauso kann der Dreischritt auch mehrere Meetings umfassen. Meistens wird der Prozess allerdings aufgeteilt, damit zuerst alle relevanten Informationen eingeholt oder im Vorfeld Lösungen mit verschiedenen Akteuren diskutiert werden können.