Mein ängstliches Kind. In 7 Schritten den Sorgenkreislauf durchbrechen und mutige, unabhängige Kinder erziehen - Reid Wilson - E-Book

Mein ängstliches Kind. In 7 Schritten den Sorgenkreislauf durchbrechen und mutige, unabhängige Kinder erziehen E-Book

Reid Wilson

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Beschreibung

Ängstliche Kinder - ängstliche Eltern Was machen Sie mit einem Kind, das jeden Morgen, wenn es zur Schule gehen soll, Bauchschmerzen bekommt, nachschulische Aktivitäten verweigert oder sich im Badezimmer zwanghaft wäscht? Unter unseren Kindern hat Angst inzwischen epidemische Züge angenommen. Doch im Versuch zu helfen, verstärken leider viele Eltern und Fachleute unbewusst noch die Ängste und das Vermeidungsverhalten des Kindes. Nach ihren großen Erfolgen mit Hunderten von Organisationen, Schulen und unzähligen Familien geben die beiden Angst-Experten Reid Wilson und Lynn Lyons im vorliegenden Buch ihre unkonventionelle Methode weiter. Folgen Sie dem außergewöhnlichen, wirksamen und vieltausendfach bewährten Ansatz, um Kindern und Teenagern zu helfen, ihre Ängste, Sorgen und Phobien zu überwinden und letztlich widerstandsfähiger, unabhängiger und glücklicher zu werden. - Angstfördernde Muster erkennen: u.a. Beschwichtigung, Anpassung, Vermeidung und schlechte Problemlösung - Ängste meistern lernen: der konkrete Plan mit sieben "Puzzleteilen" für eine positive Veränderung - Ängstliche Kinder - ängstliche Eltern: Übungen und Techniken für neue Denk- und Verhaltensweisen beider Seiten Inkl. Downloadlink zu "Casey's Guide" für Kinder und Jugendliche zwischen 8 und 15 Jahren: In "Casey's Guide" beschreibt die 14-jährige Casey, deren Fall im Hauptbuch ausführlich dargestellt wird, mit eigenen Geschichten, Analogien und Metaphern, wie Ängste entstehen, wie diese die ganze Familie beeinträchtigen können und wie sie selbst ihre Ängste in den Griff bekommen hat. Das ca. 150-seitige Zusatzbuch ist als pdf-Datei herunterladbar.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

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Seitenzahl: 305

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Meinen drei Jungs,Crawford, Brackett und Zed,und natürlich meinen Eltern,in Liebe und Anerkennungfür ALLES

Lynn

Für Bob, Charlie, Michael, Matt, Jones,Grayson, Mason und Emma

Reid

Dr. Reid Wilson / Lynn Lyons

In 7 Schritten den Sorgenkreislauf durchbrechen und mutige, unabhängige Kinder erziehen

Aus dem Englischen von Susanne Engelhardt

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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Dr. Reid Wilson / Lynn Lyons

Mein ängstliches Kind

In 7 Schritten den Sorgenkreislauf durchbrechen und mutige, unabhängige Kinder erziehen.

Die bewährte Methode der Angst-Experten

E-Book (epub): ISBN 978-3-86374-699-5

(Druckausgabe: ISBN 978-3-86374-697-1, 1. Auflage 2023)

Mankau Verlag GmbH

D-82418 Murnau a. Staffelsee

Im Netz: www.mankau-verlag.de

Soziale Netzwerke: www.mankau-verlag.de/forum

Übersetzung: Susanne Engelhardt, München

Lektorat: Redaktionsbüro Julia Feldbaum, Augsburg

Endkorrektorat: Susanne Langer-Joffroy M. A., Germering

Cover/Umschlaggestaltung: Andrea Janas, München, www.andreajanas.com

Gestaltung Innenteil: Mankau Verlag GmbH

Die Originalausgabe ist unter den folgenden Titeln erschienen:

ANXIOUS KIDS, ANXIOUS PARENTS copyright:

© 2013 Reid Wilson, PhD und Lynn Lyons, LICSW

PLAYING WITH ANXIETY copyright:

© 2014 Reid Wilson, PhD und Lynn Lyons, LICSW

All rights reserved. German translation copyright:

© 2023 by Mankau Verlag GmbH

Published by arrangement with the original publisher,Health Communications, Inc. c/o Simon & Schuster, Inc.

Wichtiger Hinweis des Verlags:

Die Autoren haben bei der Erstellung dieses Buches Informationen und Ratschläge mit Sorgfalt recherchiert und geprüft, dennoch erfolgen alle Angaben ohne Gewähr; Verlag und Autoren können keinerlei Haftung für etwaige Schäden oder Nachteile übernehmen, die sich aus der praktischen Umsetzung der in diesem Buch dargestellten Inhalte ergeben. Bitte respektieren Sie die Grenzen der Selbstbehandlung, und suchen Sie bei Erkrankungen einen erfahrenen Arzt oder Heilpraktiker auf.

Inhalt

EINLEITUNG

KAPITEL 1 – Wie Sorgen entstehen und warum sie wieder verschwinden müssen

Wenn man es mit der Besorgnis übertreibt

KAPITEL 2 – Angeboren oder erlernt? Egal, Sie haben einen Job zu erledigen

Am Anfang war die Verletzlichkeit

Neigung bedeutet nicht Schicksal

Ängstliche Eltern, besorgte Kinder

Die Macht positiver Vorbilder

Noch eines …

KAPITEL 3 – Zu der Zeit schien das eine gute Idee zu sein …

»Die Menschenwelt im Übermaß sich in den Alltag drängt«

Stell dir vor …

Sturer Perfektionismus

KAPITEL 4 – So neu ist das gar nicht

Die Ankunft der Sorgen

Die Geschichte zweier Zahnreinigungen

KAPITEL 5 – Die gleichen Sorgen, aber unterschiedliche Antworten

Wer ist der Chef?

Die Kinder reden mehr, Sie reden weniger

Hüten Sie sich vor der Detailfalle

Die Sorgen an ihren Platz verweisen

KAPITEL 6 – Je unsicherer, desto besser

Das große Ganze steckt voller Ungewissheit

Zwei Perspektiven: eine Erzählung

Ein Vorbild ist mehr wert als tausend Worte

Verlass dich auf mich … aber bitte nicht zu sehr

Schule, Sonderregelungen und Krücken

KAPITEL 7 – Das Gehirn umschulen: Am wichtigsten ist das Tun

Kommen Sie auf den Geschmack, Schritt für Schritt

Hund sehen, bereitwillig stehen bleiben … und das Ganze von vorn!

KAPITEL 8 – Den Körper zur Ruhe bringen

Vom Umgang mit dem Körper

Normale Nervosität und Angstsensitivität

KAPITEL 9 – Das Ziel vor Augen

Das »Wollen« wollen

Gehen Sie es langsam an

Weniger Kämpfe ausfechten

KAPITEL 10 – Wenn die Amnesie zuschlägt

Stichwort Perfektion

Autonomie kontra Angst: Schluss mit dem Anlehnen, jetzt heißt es aufstehen

KAPITEL 11 – »Casey’s Guide« verspricht Hilfe

Sich mit Händen und Füßen wehren

Sie werden überrascht sein

KAPITEL 12 – Auf in Richtung Mut und Unabhängigkeit

Haben Sie Ihre Hausaufgaben gemacht?

Auf der Schnellspur

Den Motor anwerfen

Die Puzzleteile noch einmal ansehen

Jedes Puzzleteil durchsprechen

Wiederholen Sie den Vorgang am Beispiel einer vergangenen Situation

Entwerfen Sie einen Plan für das gegenwärtige Ereignis

Christies Aktionsplan

Dein Aktionsplan

Fortschritte belohnen

Die Herausforderungen eines erfüllten Lebens

Wie Sie Ihrem Kind mit »Casey’s Guide« helfen

Kapitel 1: Ein Klumpen voller Raupen

Kapitel 2: Klettere nicht auf den Baum!

Kapitel 3: Sofort anhalten! Ich will hier raus!

Kapitel 4: Damit sollte man rechnen

Kapitel 5: Das sprechende Eichhörnchen

Kapitel 6: Mach's dir ruhig unbequem!

Kapitel 7: Gassigehen mit dem Gehirn

Kapitel 8: Ich sage: unbehaglich. Du sagst: Ich muss kotzen!

Kapitel 9: Der Kampf mit dem Spargel

Kapitel 10: Von Rutschen und Leitern

Kapitel 11: Ein cooler Feueralarm

Kapitel 12: The show must go on!

Wichtige Internetadressen

Danksagung

Kostenloses E-Book »Casey’s Guide«

Das kostenlose E-Book »Casey's Guide« für Kinder und Jugendliche zwischen 8 und 15 Jahren können Sie als PDF-Datei herunterladen. Näheres dazu erfahren Sie auf Seite 16.

Einleitung

Mal ehrlich: Sich Sorgen um unsere Kinder zu machen, das können wir Eltern. Wie läuft es in der Schule? Ist es sicher, sie allein von ihrer Freundin heimkommen zu lassen? Soll ich ihm die Videospiele verbieten?

Und auch Ratschläge haben wir jede Menge. »Fang besser vor dem Wochenende mit deinem Aufsatz an, denn da machst du den Ausflug.« – »Wenn die Kinder auf dem Spielplatz gemein zu dir sind, ignorier sie einfach und geh weg.« – »Fünf Portionen Obst und Gemüse pro Tag. Lass uns ein bisschen Farbe auf den Teller bringen!«

Aber was, wenn unsere Söhne und Töchter bei normalen Aktivitäten mehr als üblich zögern und einen Grad an Ängstlichkeit zeigen, der unter diesen Umständen übertrieben scheint? Plötzlich fürchtet sich Ihr Sohn vor allem, was mit Feuer zu tun hat. Und Albträume machen ihm Angst, sodass er im Bett die Augen nicht mehr zumachen will, wenn Sie nicht bei ihm bleiben, bis er tief und fest eingeschlafen ist. Vielleicht klammert er auch immer mehr und lässt Sie kaum noch von sich fort. Will er nicht länger in der Fußballmannschaft spielen oder mit der Schulband, obwohl er das früher toll fand? Wie steht es mit Übernachtungen bei Freunden? Undenkbar?

Oder vielleicht widerstrebt es Ihrer Tochter immer mehr, zur Schule zu gehen. Erst ist sie nach dem Wecken noch im Bett geblieben. Dann Bauchschmerzen. Dann immer mehr Tage, an denen sie sich »zu krank« für die Schule fühlt. Und inzwischen kriegt sie jeden Tag Wutanfälle und widersetzt sich bei jedem Schritt. Vielleicht hat ihr letztes Jahr auch ein aggressiver Hund einen Schreck eingejagt. Jetzt erschrickt sie jedes Mal, wenn sie einen Hund bellen hört. Welche liebevollen, fürsorglichen Eltern würden angesichts dieses ängstlichen Vermeidungsverhaltens eines Kindes nicht in Sorge verfallen? Also bieten Sie guten Rat, Logik und Ermunterungen an, aber nichts scheint zu helfen. Als hätten Sie nicht längst alles Mögliche ausprobiert:

Natürlich erläutern Sie Ihrem Sohn alle Brandschutzvorkehrungen. Und falls es doch brennen sollte, kann man ja auch ganz schnell den Notruf wählen.

Natürlich gehen Sie mit Ihrer Tochter zum Kinderarzt, der ihr mehr als einmal versichert, dass sie fit genug für die Schule ist. Und das Trödeln am Morgen hat jetzt auch Konsequenzen.

Natürlich besuchen Sie mit Ihrer Tochter den Hund der Nachbarn, der keiner Fliege etwas antun kann.

Natürlich versprechen Sie Ihrem Sohn, einem Teenager, unterwegs immer das Handy anzulassen und sofort heimzukommen, falls etwas mit ihm ist.

Natürlich erinnern Sie Ihr Kind daran, wie viel Spaß ihm Fußball letztes Jahr noch gemacht hat oder wie viel sein Musiklehrer von ihm hält.

Und selbstverständlich versprechen Sie Ihrer Tochter sonst was, damit sie eine halbe Stunde mit ihrer Freundin und deren Mutter im Park verbringt.

Sorgen sind für jedermann anstrengend. Wenn Ängste den Alltag bestimmen, haben Eltern manchmal das Gefühl, sich im Kreis zu drehen. Kaum löst man ein Problem (indem man auf die Sorgen eingeht), schon taucht ein neues auf. Als gäbe es kein Ende.

Wir verstehen Ihren Schmerz und wollen Sie aus diesem Teufelskreis befreien. Wir befassen uns seit Langem beruflich mit Angststörungen. Zusammen haben wir fünfzig Jahre Erfahrung und Hunderte von Familien, Schulen und Einrichtungen dabei unterstützt, mutige und unabhängige Kinder und Jugendliche zu fördern. Eine Tätigkeit über Jahrzehnte zu erforschen und auszuüben hat einen Vorteil: Man wird irgendwann gut darin. Und das haben wir getan: Wir haben herausgefunden, was die Forschung uns über Furcht, Sorgen, Ängste und Vermeidungsverhalten zu sagen hat. Und was Studien darüber sagen, wie Familien Herausforderungen begegnen und trotz der Bedrohung vorankommen können. Wir haben alles genommen, was wir bei unseren Forschungen und in der Praxis gelernt haben, und in die Fertigkeiten einfließen lassen, die wir Ihnen hier vermitteln.

Wir sind selbst Eltern und wissen, dass es nicht unser Job sein kann, das Auftreten von Sorgen zu stoppen, denn die tauchen in allen Lebensphasen und bei allen von uns auf. Kinder machen sich Sorgen, Teenager machen sich Sorgen, und auch wir machen uns Sorgen. Unser Ziel ist also nicht, Sorgen vorzubeugen, sondern zu verhindern, dass Familien von ihnen dominiert werden. Wir haben ein paar vortreffliche Ideen zusammengestellt, die Eltern helfen, ihren Kindern zu helfen, damit sie das Leben wieder genießen können. Und die verraten wir Ihnen in diesem Buch.

Vorweg ein Fakt, der Sie überraschen mag. Untersuchungen haben gezeigt, dass Kinder von Eltern lernen können, sich Sorgen zu machen, die eigentlich nur versuchen zu helfen. Die üblichsten Reaktionen auf unsere besorgten und verängstigten Kinder können sie dazu anhalten, noch ängstlicher zu sein. Wenn wir als Eltern besorgt und frustriert sind, bringen wir unseren Kindern selten bei, sich nicht zu sorgen. Stattdessen bringen wir ihnen unabsichtlich bei, auf eine Art zu denken und zu handeln, die ihre Ängste und ihr Vermeidungsverhalten bestärken. Was gehört zu diesen üblichen Fehlern, die wir machen können?

Wir versuchen, unsere Kinder davon zu überzeugen, dass nichts Schlimmes passieren wird. Sie »müssen« sich keine Sorgen machen, weil sie in Sicherheit sind.

Wir versuchen, sie zu beruhigen, indem wir unsere Pläne oder den genauen Ablauf einer anstehenden Veranstaltung in allen Details darlegen.

Wir behaupten, alles sei gut, solange sie sich nur beruhigen, und wir ermutigen sie, Entspannungstechniken zu lernen.

Wir ändern familiäre oder schulische Aktivitäten, damit sie keine Angst mehr haben und sich wohlfühlen.

Wir verzeihen Trotzanfälle und Zornesausbrüche, als handelte es sich dabei um eine Ausprägung der unkontrollierbaren kindlichen Angst.

Wir lassen zu, dass sie unser eigenes ängstliches Verhalten erleben, ohne Vorbilder oder Bewältigungsstrategien anzubieten.

Wir sind frustriert oder genervt und verlangen auch noch von unserem verängstigten Kind, einfach mal zu »machen«.

Im Buch erklären wir das Problematische all dieser Ansätze und zeigen Ihnen, wie Sie dem Vermeidungsverhalten begegnen können. Kinder und Jugendliche müssen ihre Zweifel eigenständig überwinden, denn dahinter wartet eine Zukunft voller Abenteuer. Kinder brauchen einen Plan. Und dann müssen sie eigene Pläne entwickeln. Man kann Kinder nicht zwingen, und sie werden nicht gern herumkommandiert. Aber Sie können der Partner Ihres Kindes sein, um das Blatt zu wenden. Hier ein Beispiel dafür, wie die Dinge besser werden können:

***

Casey war als Kind ängstlich und vermied aus Sorge vieles. Das deutete sich schon vor dem Kindergarten an, denn anderen Kindern und Erwachsenen gegenüber war sie schüchtern. In den ersten Schuljahren hatte sie Angst vor Geburtstagsfeiern, also blieb ihre Mutter immer mit ihr dort. Das Feuerwerk am amerikanischen Nationalfeiertag im Park ließen sie jedes Jahr aus – zu unheimlich. Im Kino saß sie immer ganz außen, damit sie jederzeit gehen konnte. Dieses Vermeidungsverhalten schien zu funktionieren, denn es hielt sie davon ab zu weinen, zu zittern oder zu brüllen.

In der zweiten Klasse musste ihre Mutter schon betteln, damit sie überhaupt aufstand, und Casey weinte, wenn es Zeit für den Schulbus war. Also begann ihre Mutter, sie zu fahren, denn anders war sie nicht zu beruhigen. Als Nächstes weigerte Casey sich, aus dem Auto zu steigen. Sie weinte, brüllte und flehte ihre Mutter an, sie wieder mit nach Hause zu nehmen. Ging sie doch mal zur Schule, landete sie oft mit Bauchschmerzen bei der Schulkrankenschwester.

Durch die Fehlzeiten hatte sie irgendwann in Rechnen und Schreiben einen Rückstand gegenüber den anderen Kindern, was zu noch mehr Problemen führte, denn für Casey war Perfektion gerade gut genug. Nachts saß sie manchmal stundenlang am Küchentisch und achtete darauf, dass jeder Buchstabe und jedes Wort auf dem Papier einwandfrei waren. Die Rechenaufgaben ging sie wieder und wieder durch. Verstand sie etwas nicht, weinte sie und schrie ihre Mutter an. Lief etwas nicht perfekt, war das Caseys Überzeugung nach ein Zeichen dafür, dass sie entweder dumm war oder Ärger mit der Lehrerin bekommen würde.

Jahre später fasste sie das so zusammen: »Ich verwendete viel zu viel Zeit und Energie darauf, mir Sorgen zu machen. Es kam mir vor, als wären die Sorgen mein Kumpel, ob ich wollte oder nicht. Wir hingen immer zusammen rum.«

Nichts beruhigte ihre Zweifel.

Ein Auftritt mit dem Chor in der vierten Klasse entwickelte sich zu einem letzten schlimmen Trauma. An jenem Abend saß sie im neuen grünen Kleid auf dem Bett und ließ sich von ihrer Mutter die Haare flechten. Sie war nervös, wollte aber unbedingt gehen. »Denn nach der Aufführung«, sagte Casey, »wollten meine Freundinnen und ich zusammen mit unseren Familien Eis essen gehen. Und wer will da nicht dabei sein?«

Plötzlich musste Casey sich übergeben. Es war das erste Mal, dass sie sich vor Nervosität erbrechen musste. Sie verpasste den Auftritt und das Eisessen. Sie weinte sich in den Schlaf, und am nächsten Morgen weinte sie zusammen mit ihrer Mutter. Und das sollte der letzte Tag sein, an dem die Sorgen ihr Leben bestimmten. Casey beschrieb das so: »Im Gespräch versiegten unsere Tränen. Wir waren beide sauer. In dem Moment haben wir beschlossen, diese ständige Besorgnis wie ein Puzzle anzugehen. Und wir wollten dieses Puzzle fertigkriegen!«

Mit vierzehn hat Casey sich verwandelt, vom überängstlichen Kind hin zur normalen, aufgeschlossenen Jugendlichen. Sie verbrachte Zeit mit Freundinnen, vor allem mit Shannon. Im Frühjahr hatte sie einen Heidenspaß, als sie backstage mit anderen am Schul-Musical mitarbeitete. Und seit zwei Jahren läuft sie im Cross-Country-Team ihrer Schule mit. Sie ist nicht die Schnellste der Truppe, aber es macht Spaß, und sie geht darin auf.

***

Casey steht exemplarisch für die jungen Menschen, die wir begleitet haben, und die zusammen mit ihren Familien lernten, die Angst zu besiegen. Auch Ihre Familie kann das. Wir begleiten Sie in dreierlei Hinsicht:

Wir zeigen auf, wie Sorgen die Kontrolle über das Leben des Kindes (und über Ihres!) gewinnen, und wie Familien unbewusst Muster übernehmen, welche die Sorgen noch verstärken.

Wir erklären, wie Sie Ihrem Kind dabei helfen können, den Mut aufzubringen, um die Sorgen zu überwinden. Dabei verwenden wir eine kindgerechte Sprache. Wir entwickeln das Bild eines Puzzles aus sieben Teilen, das wir mit Ihnen zusammensetzen. Beim Anblick der Liste mag Ihnen ein Teil der Strategien unorthodox vorkommen. Aber wenn Sie alle Teile in die Tat umsetzen, ist das ein Weg aus der Falle der ständigen Besorgnis.

Wir geben Ihnen die konkreten Tipps und Übungen, die Sie für den Aufbruch benötigen – damit lenken Sie Ihre Familie fort von den ständigen Sorgen und hin zu mehr Gedeihen, Ausprobieren und Entdecken. Wie im Buch zu lesen, ist es wichtig, Sorgen zu verstehen, aber

Handeln

ist der Schlüssel zum Besiegen der Angst.

Egal, ob Kind, Teenager oder Erwachsener, wer sich sorgt, neigt dazu, wiederholt das Gleiche zu denken und zu tun. Der Trick ist zu erkennen, wie Sorgen funktionieren und eine andere Antwort darauf zu haben.

Sehen Sie sich selbst als Coach. Die Kinder müssen aktiv werden, aber der Coach spielt eine wichtige Rolle für das Team, indem er an der Unsicherheit vorbeiführt. Vielleicht werden Sie jeden Tag besprechen, woran Sie arbeiten wollen, oder Sie wirken im Hintergrund, indem Sie Mut machen und an bestimmte Punkte erinnern.

In den ersten zehn Kapiteln stellen wir Ihnen sechs der sieben Teile des Puzzles für ängstliche, besorgte Kinder vor. In Kapitel 12 bekommen Sie den zwölften Teil, der Ihnen erklärt, wie Sie die anderen sechs planvoll zusammenfügen. Am Ende jedes Kapitels steht ein Absatz, der »Zeit zu handeln« heißt: Die Umsetzung des Konzepts, bei der wir Sie Schritt für Schritt und ohne Druck begleiten, damit Sie die Fähigkeit entwickeln können, ängstliche Kinder und Jugendliche großzuziehen. Wir werden Sie bitten, Ihre eigenen Überzeugungen und die Art und Weise zu betrachten, wie Sie mit unangenehmen Situationen umgehen – und ob Sie Ihrem Kind vielleicht ein falsches Verhalten vorleben. Am wichtigsten aber ist, dass wir Vorschläge machen, um Veränderungen in Ihrer Familie und Ihrem Kind anzustoßen, und konkrete Vorgaben liefern, wie Sie Ihrem Kind Mut und Unabhängigkeit vorleben können. Wir wünschen uns, dass Sie sich beim Lesen des Buches ermutigt und hoffnungsvoll fühlen. Für genauso wichtig erachten wir, dass Sie den Veränderungsprozess aktiv mitgestalten. Obwohl wir in jedem Kapitel Vorschläge unterbreiten, kommen einige unserer wichtigsten Empfehlungen am Kapitelende. Dazu gehört, sich ein wenig mehr in die anstehenden Probleme zu vertiefen und sogar einige Ihrer Denk- und Handlungsmuster zu hinterfragen.

Ein weiterer Teil des Abschnitts »Zeit zu handeln« heißt »Den Samen säen«. Hier erhalten Sie Tipps, wie Sie Ihr Kind auf beiläufige Art und Weise an die wichtigen Konzepte und Fähigkeiten des jeweiligen Kapitels heranführen. Sein Kind in ein Gespräch verwickeln, auf Muster hinweisen oder das Erzählen einer relevanten Geschichte, all das sind hilfreiche Methoden, um das Interesse Ihres Kindes zu wecken. Stellen Sie sich dabei vor, Sie pflanzen Samen in die fruchtbare Vorstellungskraft Ihres Kindes. In Kapitel 11 schlagen wir Ihnen zudem Aktivitäten vor, die Sie zusammen mit Ihrem Kind machen können. Dabei werden diese Samen dann aufgehen.

Zum Abschnitt »Zeit zu handeln« gehört außerdem vorzuleben, wie etwas geht. In Sachen Sozialverhalten lernen Kinder vorrangig, indem sie ihre Eltern oder andere für sich wichtige Erwachsene beobachten. Wir wollen uns Ihre große Bedeutung als Vorbild zunutze machen, das ist das Ziel dieses Abschnitts in jedem Kapitel.

Einige Kapitel enthalten auch einen Abschnitt »Nur für Eltern«. Indem Sie mehr darüber lernen, wie Sorgen und Ängste Ihr Denken und Handeln beeinflussen, haben Sie auch die Möglichkeit, Ihre erzieherischen Fähigkeiten durch die beschriebenen Übungen zu stärken.

Wenn Sie unseren Vorschlägen am jeweiligen Kapitelende folgen, werden Sie sich beim Lesen von Kapitel 11 als Eltern gestärkt fühlen und klare Grundsätze haben, wie Sie ein mutiges und unabhängiges Kind fördern können. Dann wird sich Ihr Kind daran gewöhnen, die Herausforderungen in seiner Umwelt neu zu bewerten.

Jetzt kommt der schwierige Teil: Sie müssen Ihr Kind dazu bringen, bei all dem mitzumachen. Sie mögen alles richtig machen, aber solange sich Ihr Kind weigert zu handeln, stecken Sie als Familie fest.

Wir lassen Sie nicht im Stich, während Sie versuchen, Einfluss auf Ihr Kind zu nehmen. Wir haben ein E-Book speziell für ängstliche Kinder geschrieben, in dem sich Casey als starke und gesunde Vierzehnjährige an Ihre Kinder wendet. Es liegt als PDF-Datei vor und kann gratis heruntergeladen werden. Es heißt Casey’s Guide für Kinder und Jugendliche von 8 bis 15 Jahren und erzählt, wie Casey und ihre Mom das Sorgenpuzzle entdeckten und zusammensetzten, um Caseys Leben zu verändern. Casey hat genau den Mut, den es braucht, damit ein Kind seine Ängste besiegen kann, und sie wird Ihrem Kind zeigen, wie es ebenfalls zum Sieger wird. Achten Sie darauf, die ersten zehn Kapitel zu lesen und durchzuarbeiten, bevor Sie Ihrem Kind Casey’s Guide geben. In Kapitel 11 fassen wir nämlich jedes Kapitel aus Casey’s Guide zusammen und listen Fragen zur Diskussion auf, damit Ihr Kind die Prinzipien erfasst, für die Casey steht. Das Ganze wird ergänzt durch Aktivitäten – durchaus auch spielerische, die Sie und Ihr Kind zusammen ausprobieren können. Durch sie werden die Fertigkeiten eines jeden Puzzleteils verstärkt. Die Fragen und Aktivitäten in Kapitel 11 sind allerdings eher etwas für jüngere Kinder. Teenager sind ja schon etwas unabhängiger und werden Casey’s Guide sicher lieber selber lesen (was ein gutes Zeichen ist!).

Obwohl wir dieses Buch in einem zwanglosen und entspannten Ton verfasst haben, sollte unsere Lockerheit Sie nicht täuschen. Wir stehen voll hinter diesen Prinzipien und sind fest überzeugt, dass sie Eltern als Anleitung dienen – für Kinder ab etwa acht Jahren bis hin zu Jugendlichen, die kurz vor dem Schulabschluss stehen. Wir haben dieses Vorgehen Hunderten von Familien vermittelt, bei deren Kindern eine schwere Angststörung diagnostiziert wurde, zu denen spezifische Phobien, Trennungsangst, Schulangst, generalisierte Angststörungen, soziale Ängste, Panikstörungen und Zwangsneurosen gehören.

Wir sind zuversichtlich, dass dieses Buch auch Ihrer Familie helfen kann, aber Sie müssen das nicht allein durchstehen. Im Anhang finden Sie Web-Adressen von Organisationen, die Ihnen dabei helfen können, Experten in Ihrer Nähe zu finden.

Kostenloses E-Book »Casey’s Guide«

Das kostenlose E-Book »Casey's Guide« für Kinder und Jugendliche zwischen 8 und 15 Jahren können Sie als PDF-Datei herunterladen. Gehen Sie dazu auf die Internetseite www.mankau-verlag.de, dort auf die Produktseite von »Mein ängstliches Kind«. Hier finden Sie den Download-Link (Passwort: casey815).

KAPITEL 1

Wie Sorgen entstehen und warum sie wieder verschwinden müssen

Als Elizabeth und ihre Mom zum ersten Termin kommen, sehen beide müde aus. Elizabeth schläft nicht gut, und sie hält ihre Eltern mit ihren sorgenvollen Gedanken wach. Damit sie zur Ruhe kommt, möchte sie lange Gespräche darüber führen, was am Tag passiert ist und was am nächsten passieren könnte. Die Ängstlichkeit fordert ihren Tribut, und das geht in dieser Familie seit Jahren so. Die Sorgen überwältigen sie, und sie wissen nicht mehr weiter.

Diese Geschichte klingt vertraut. Es kann Kinder und Eltern demoralisieren, wenn sie glauben: »Das geht schon das ganze Leben so, und es durchdringt so viele Lebensbereiche. Ändern kann man nichts.« Oft meistern Familien solche Symptome, indem sie stressige Aktivitäten meiden. Auch wenn es kurzfristig alle entspannt, etwas zu vermeiden, wird das Leben dadurch doch viel zu sehr eingeschränkt.

Angst ist etwas Kurioses, denn sie weiß genau, wie sie überwältigend und einfach zugleich sein kann. Wenn man beginnt, sich mit dem Thema Angst zu befassen, hat man viel zu tun. Angststörungen gibt es in verschiedenen Einstufungen, und Forschungsergebnisse auf Tausenden von Seiten können helfen zu verstehen, woher sie kommen, was sie bewirken und wie sie am besten behandelt werden. Doch wenn man mittendrin steckt, fühlt es sich überwältigend und verwirrend an – wie ein Labyrinth mit hohen Wänden und trügerischen Sackgassen.

Andererseits sind Ängste gar nicht so komplex. Wenn man einen Schritt zurücktritt und das Ganze überblickt, ist die Taktik der Ängste und Sorgen oft überraschend leicht zu durchschauen. Es stimmt, die Details variieren von Kind zu Kind und von Familie zu Familie, aber Angst folgt einem ziemlich festen Muster. Aus der Distanz sieht man die Fallen, aber auch die Auswege.

In diesem Kapitel erzählen wir Ihnen einiges über den Zweck von Ängsten und Sorgen. Wir wollen, dass Sie und Ihr Kind die normale, häufig auch nützliche Rolle verstehen, die Besorgnis oder Angst für unseren Körper und unser Gehirn spielen. Anschließend differenzieren wir zwischen normalen und problematischen Sorgen. Vielleicht merken Sie auch, dass Ihre Bedenken in Anbetracht der Ängstlichkeit Ihres Kindes berechtigt sind und wirklich thematisiert werden müssen. Hoffentlich steigert die Information, dass Sie sehr wohl etwas bewegen können, Ihre Motivation und Zuversicht.

Fangen wir also mit der Funktion an, die Ängste haben. Denken Sie einmal an einen Moment in Ihrem Leben zurück, in dem Sie Angst hatten und die Reaktion Ihres Körpers normal und sogar hilfreich war.

Hier ein Beispiel: Beim Fahrradfahren letzten Sommer bemerkte Lynn einen Hund, der vor einem Haus an einen Baum gebunden war. Sie sah den Hund bellen, knurren und an der Leine zerren. Er stellte sich auf die Hinterbeine und zerrte weiter. Dann riss das Halsband. Plötzlich war er frei und raste auf sie zu. Sofort trat Lynn in die Pedale. Und zwar heftig. Ihr Körper hatte ein wichtiges Ziel, und als der Hund näher kam, arbeiteten Herz, Muskeln, Augen und Lunge gemeinsam daran zu entkommen. Sie schaffte es, dank des ausgeprägten Fluchtinstinkts, der perfekt funktionierte, als sie sich bedroht und verängstigt fühlte.

Unser Fluchtinstinkt existiert, um uns zu retten, genau wie er Lynn vor diesem Hund rettete. Er geht einher mit einer Reihe massiver körperlicher Reaktionen:

Der Blutzucker steigt an.

Die Pupillen weiten sich.

Schweiß wird abgesondert.

Der Herzschlag wird schneller.

Die Muskelspannung erhöht sich.

Die Blutmenge in Händen und Füßen nimmt ab, das Blut fließt in Kopf und Rumpf.

Diese normalen, gesunden und lebensrettenden Veränderungen sind körperliche Reaktionen. Sie entstehen durch die Kommunikation des Gehirns mit dem vegetativen Nervensystem, dem endokrinen System und den sensorischen Nerven der Skelettmuskulatur. Erhält das Gehirn die Nachricht, dass eine Krise droht, legt es den Notschalter um, und alle Systeme reagieren sofort und simultan.

Aber was, wenn Sie nicht verstehen, warum Ihr Körper so reagiert? Vielleicht denken Sie, es sei falsch oder gefährlich, so heftig zu reagieren. Angenommen, Sie meinen, die Herausforderung sei zu groß, Sie werden damit nicht fertig, und die Konsequenzen werden furchtbar sein. Dann packt Sie die Angst, die den Fluchtreflex verstärkt:

Das Herz könnte einen Schlag aussetzen oder wild pochen.

Ihr Magen verkrampft sich vielleicht.

Hände, Arme oder Beine könnten zittern.

Das Atmen könnte Ihnen schwerfallen.

Sie verspüren vielleicht Schmerzen oder Enge in der Brust.

Kiefer, Nacken oder Schultern könnten sich verspannen.

Sie haben vielleicht einen trockenen Mund.

Sie können möglicherweise nur schwer schlucken.

Hände oder Füße fühlen sich vielleicht kalt, schweißig oder taub an.

Sie haben eventuell Kopfschmerzen.

Jetzt stellen Sie sich vor, Sie sind noch ein Kind und erleben diese Reaktionen zum ersten Mal. Kein Wunder, dass unsere Kinder versuchen, Situationen zu meiden, die solche Veränderungen hervorrufen. Sie rechnen nicht damit, verstehen sie nicht, haben Angst davor und wollen sie – um jeden Preis – wieder loswerden. Einer der Hauptgründe, warum Kinder sich Sorgen machen: Sie rechnen mit Vorkommnissen, bei denen sie wieder einen Kontrollverlust erleben werden. Sobald sie sich derart sorgen, suchen sie nach Wegen, sich zu beruhigen, und sie haben dabei nur wenige Optionen.

Eine Strategie besteht darin, sich und Ihrem Kind mehr Wege aufzuzeigen, wie man auf Ängste und die Umstände reagieren kann, die Ängste hervorrufen. Zuerst einmal können Sie und Ihr Kind lernen, Ängste, Furcht und Sorgen zu verstehen, statt sich nur von ihnen lenken zu lassen. Wo beginnen? Man muss Kindern sagen, dass es okay und sogar richtig ist, Angst zu haben. Ängste sind ein elementarer Schutzmechanismus, den wir mit anderen Säugetieren teilen. Wir sollen uns sorgen. Es hilft uns dabei, innezuhalten und unsere Taten zu überdenken, vor Gefahren zurückzuweichen oder, falls nötig, um unser Leben zu kämpfen.

Was ist mit einer Situation, die nicht lebensbedrohlich ist? Ihr Kind fürchtet sich vielleicht davor, bei einem Freund zu übernachten, doch diese Furcht wird schnell zur Angst vor der Angst und davor, was diese mit ihm macht, wenn es wach, allein und weit weg von Ihnen ist.

Und jetzt kommt der Trick: Was, wenn Ihr Kind stattdessen denkt, »Angst ist ein wichtiger Teil von mir, der mich im Notfall beschützt«? Und dann denkt es vielleicht noch: »Aber ich bin mir nicht sicher, wie ich damit umgehen soll. Wenn ich mehr darüber erfahre, kann ich meine Gefühle vielleicht besser kontrollieren.«

Altes Signal

Neues Signal

»Angst ist überwältigend, komplex und schlecht. Weg damit!«

»Angst ist ein wichtiger Teil von mir und beschützt mich im Notfall.«

Etwas wie Angst und Sorgen aufzuwerten, wo sie doch so viel Leid verursachen, mag unorthodox erscheinen. Doch genau darin besteht unsere Strategie, die hoffentlich auch zu Ihrer wird. Statt Ihr sorgenvolles Kind zu kritisieren und ihm gut zuzureden, besteht Ihre Aufgabe darin, die Erkenntnis zu stärken, dass Angst zu haben okay ist. Ihre gemeinsame Basis wird stärker, wenn Sie sagen: »Klar hast du Angst. Du bist dir nicht sicher, ob du das packst. Es ist ganz normal, besorgt zu sein.« In den folgenden Kapiteln erhalten Sie Ratschläge, wie es dann weitergeht. Aber anfangen können Sie mit den Worten: »Du hast vollkommen recht, Angst zu haben.«

Wenn man es mit der Besorgnis übertreibt

Obwohl eine ängstliche Reaktion angemessen sein kann, kann sie auch schnell übers Ziel hinausschießen. Ängstlichkeit wird genau wie jedes andere Verhalten problematisch, wenn es übermäßig, am falschen Ort oder zur falschen Zeit angewendet wird.

Oft fragen Eltern uns, wie man weiß, wann Besorgnis nicht mehr normal, sondern problematisch ist, denn viele Sorgen klingen ja nach den ganz normalen Konflikten in Kindheit und Jugend.

Zum Aufwachsen gehören neue Herausforderungen und Erfahrungen, Unsicherheit ist unvermeidlich. Wie soll ich mich in meiner neuen Klasse verhalten? Blamiere ich mich nur wieder? Kriege ich das hin, so wie andere Kinder? Wie wird das Ferienlager? Was, wenn es mir da nicht gefällt?

Alles ganz normale Sorgen in der Kindheit, aber wenn sie anhalten, wird es problematisch. Wenn aus momentanem Zögern stetige Sorgen werden, werden Kinder immer ängstlicher und gehen nicht mehr aufs Leben zu.

Weiter vorn haben wir erklärt, dass Ängste etwas Simples sind, wenn man einen Schritt zurücktritt und das große Ganze betrachtet. Simpel deshalb, weil Ängste eine Methode sind, um zweierlei zu finden: Sicherheit und Geborgenheit. Problematisch ist, dass die beiden sofort und dauerhaft gewollt sind, aber das Leben steckt voller Überraschungen und Unannehmlichkeiten, kleinen und großen. Überängstliche Kinder ermüden Erwachsene, weil solch junge Menschen verlangen, alles zu wissen und sich geborgen zu fühlen. Sie erwarten von den Erwachsenen in ihrem Umfeld, dass sie liefern. Da Sie aber nicht alles wissen können und keine dauerhafte Geborgenheit bieten können, neigen Ihre Kinder vielleicht zu folgenden Verhaltensmustern:

Sie klammern sich an Sie.

Sie weigern sich, Neues auszuprobieren.

Sie verlangen immer wieder beruhigende Antworten auf ihre »Was wäre, wenn«-Fragen.

Sie fühlen sich krank und klagen über Schmerzen, Beschwerden und Übelkeit.

Sie wollen nicht zur Schule, weinen oder haben Trotzanfälle, wenn man sie zwingt.

Sie verhalten sich schüchtern und schotten sich im Unterricht und gegenüber anderen ab.

Sie machen sich Sorgen über Zukunft oder Vergangenes: »Das sieht bestimmt blöd aus, wenn ich das Referat halte!« – »Werde ich je heiraten?« – »Ist meine beste Freundin sauer auf mich?« – »Meiner Familie wird etwas zustoßen.«

Wenn Kinder nicht lernen, Unsicherheit und Unbehagen auszuhalten, sondern zu der Erkenntnis gelangen, dass übertriebene Ängstlichkeit im Leben akzeptiert wird, setzt ausweichendes Verhalten ein, was wunderbar funktioniert – aus Sicht der Angst. Hat ein Kind Angst vor dem Busfahren und weigert sich so heftig, dass seine Mutter es zur Schule fährt, weicht seine Angst der Geborgenheit und Sicherheit des mütterlichen Autos, und die Mutter ist auch noch dabei. Es fühlt sich sicher, setzt sich aber nicht mit seiner Angst auseinander.

Vermeiden mag kurzfristig die perfekte Lösung sein, langfristig aber wird die Angst schlimmer, und neue Probleme tauchen auf. Unbehandelte Ängste bei Kindern machen den Weg frei für Depressionen bei Jugendlichen und Erwachsenen. Kinder, die Schule und neuen Erfahrungen aus dem Weg gehen, verpassen wertvolle Gelegenheiten für soziale Bindungen und entwickeln vielleicht nie die Fähigkeiten, die sie für ihre Zukunft brauchen. Vielleicht nehmen sie Drogen, um mit ihren Ängsten klarzukommen. Die Noten werden schlechter, und junge Erwachsene mit Ängsten haben eher Probleme, sich von zu Hause zu lösen und unabhängig zu werden.

Ängste sind verbreitet. Umfragen zeigen, dass bis zu 20 Prozent aller Kinder eine Angststörung haben, und es werden mehr. Aber auch ohne Diagnose machen so gut wie alle Heranwachsenden Angsterfahrungen. Bestimmte Faktoren – genetische Disposition, Temperament und stressige Situationen – erhöhen das Risiko, Ängste zu entwickeln, worüber in Kapitel 2 zu reden sein wird. Und in Kapitel 3 schauen wir uns an, wie Angstmuster in der Familie erlernt werden.

Wir wissen, wie verunsichernd ein ängstliches Kind sein kann. Sie sind nicht allein. Ängste sind der Hauptgrund, warum Eltern mit ihren Kindern Rat bei Psychiatern und Psychologen suchen. Sie sind auch am besten zu behandeln. Ängste und Sorgen sind ein normaler Teil eines erfüllten Lebens. Auch Sie haben irgendwann einmal Angst gehabt, oder? Genau wie wir. Unserer Meinung nach kann man als Eltern seinem Kind kaum ein größeres Geschenk machen, als ihm zu helfen, Ängste durchzustehen.

ZEIT ZU HANDELN:

DIE UMSETZUNG DER IDEEN AUS KAPITEL 1

In diesem Kapitel ging es um drei Punkte, die als Fundament für das Vorgehen dienen, das wir Ihnen vermitteln wollen. Als Erstes haben wir die Angst entmystifiziert, als Zweites haben wir aufgezeigt, inwiefern Ängste und Ängstlichkeit hilfreich und notwendig sein können, und dann haben wir Ihnen gesagt, dass Handeln und nicht Vermeiden der Schlüssel zum Erfolg ist. Das sind die Ideen, die Sie nun umsetzen sollen.

Säen Sie … Optimismus und Tatkraft

Kinder kriegen mit, worüber ihre Eltern reden, vor allem, wenn dabei vom Kind die Rede ist. Unterhalten Sie sich also in Hörweite Ihres Kindes über die Themen aus

Kapitel 1

. Äußern Sie sich optimistisch. Sagen Sie zum Beispiel: »Jetzt wissen wir, wie Ängste zustande kommen« oder »Ich hätte Angst nie für etwas Hilfreiches gehalten. Dann muss ich sie auch nicht immer überwinden.«

Besprechen Sie mit Ihrem Kind, wie jeder von Ihnen das Angstthema anpacken kann. Sagen Sie, dass Sie dieses Buch lesen, erzählen Sie von den neuen Ideen darin, und zwar ganz entspannt. Schreiben Sie Ihrem Kind nicht gleich vor, wie es jetzt denken oder reagieren soll. Ihr Kind soll neugierig sein, nicht misstrauisch.

Zeigen Sie sich selbst neugierig im Hinblick auf das Kommende. Betonen Sie den aktiven Part. »Wie aufregend, dass wir jetzt lernen, was man gegen die Angst

machen

kann.« – »Ich lese ein Buch über Ängste, und ich kann es kaum erwarten, das nächste Kapitel

anzugehen

.« Vergessen Sie nicht, beim Thema Angst dreht sich alles ums Anhalten und Vermeiden. Säen Sie also Bewegung und Entdeckungsfreude.

Zeigen Sie … wie man mit »normalen« Ängsten umgeht

Wie sieht es mit Ihnen aus – neigen auch Sie zu Ängsten? Hinterfragen Sie Ihre eigenen Fähigkeiten, mit Ängsten umzugehen. Wie gehen Sie mit Stress um? Wie haben Sie auf die Sorgen und Symptome Ihres Kindes reagiert? Viele Eltern aus Familien, die von Ängsten regiert werden, erzählen uns, dass sie gar nicht mehr wissen, wo die Ängste ihrer Kinder aufhören und ihre eigenen beginnen. In Kapitel 3 geht es verstärkt um elterliche Vorbilder. Dort weisen wir gezielt darauf hin, auf welche elterlichen Muster Sie achten sollten. Hier und jetzt sollten Sie sich aber erst einmal beobachten. Fragen Sie gute Freunde (die gewillt sind, aufrichtig mit Ihnen zu sein), wie Sie anscheinend mit Stress umgehen und inwieweit Sie vielleicht ängstliches Verhalten vorleben. Vier Augen sehen oft mehr als zwei.

KAPITEL 2

Angeboren oder erlernt? Egal, Sie haben einen Job zu erledigen

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Er war schon immer ein sensibles Kind. Ich erinnere mich noch, wie er als Baby war … Beugte sich eine Freundin über den Kinderwagen, fing er an zu weinen. Er hat lange gebraucht, um zu ertragen, dass meine Mutter ihn hält. Sogar ein neues Spielzeug regte ihn auf. Als Kleinkind wurde es besser, aber er blieb immer schüchtern. Ich erinnere mich, dass er ständig mein Bein umklammerte. Der Kindergarten war am Anfang ein Albtraum für uns beide. Noch in der zweiten Klasse konnte er nicht einschlafen, wenn wir nicht bei ihm im Zimmer waren oder das Licht anließen.

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Derartiges hören wir häufig von Eltern. Oft werden uns Schulkinder vorgestellt, die so deutliche Anzeichen einer Angststörung zeigen, dass die Eltern fachliche Hilfe benötigen. Wie in Kapitel 1 geschrieben, sind Ängste unter Kindern und Jugendlichen verbreitet. Ein solches Problem hat natürlich im Lauf der Jahre Studie über Studie hervorgebracht. Forscher trachten danach zu erklären, wer, wie und warum unter Ängsten leidet. Warum kommen manche Kinder klar, während andere viel mehr kämpfen müssen? Wer hat das größte Risiko? Was verstärkt oder lindert Ängste? Sind sie genetisch bedingt? Oder durch die Umwelt? Wie sieht es mit dem elterlichen Einfluss aus?

In den beiden nächsten Kapiteln erklären wir die Faktoren, welche die Entwicklung von Ängsten beeinflussen. Wir beginnen in diesem Kapitel mit der Bedeutung von Veranlagung und Genen. Selbst wenn Ihr Kind (und Sie!) in den Genpool der Ängste gegriffen haben, können Sie lernen, diese Neigung zu managen, und mit Strategien darauf reagieren, die verhindern, dass Ängste in Ihrer Familie überhandnehmen.

Am Anfang war die Verletzlichkeit

Wissenschaftler konnten weder ein Angstgen noch einen isolierten Grund für Ängste bei Kindern finden. (Das Gleiche gilt übrigens für Depressionen.) Aber Kinder können mit einer genetischen Prädisposition zur Welt kommen, sodass sie sensibel, emotional, ängstlich und reizbar sind. Angesichts fremder Menschen oder unerwarteter Situationen neigen sie eher zu verstörten Reaktionen.