Mein Herz brennt - Thomas Weiß - E-Book

Mein Herz brennt E-Book

Thomas Weiss

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Beschreibung

Mit Mut gegen die Wut!

Über Jahrhunderte war es in der theologischen Tradition und Frömmigkeitsgeschichte festgelegt: Gott gegenüber hat der Mensch Demut zu üben. Er geht die „wunderbaren“ Wege Gottes ohne Murren und Aufbegehren und nimmt an, was ihm zugeteilt ist. Und doch sind sie da: die Gefühle der Verletzung, die verhaltene Wut, der unbezwingbare Zorn gegen das, was einem Menschen widerfahren kann. Und gegen den, der es verursacht oder wenigstens zulässt. Das „Wut- und Mut-Buch“ stellt sich der Trauer, die nicht einfach hinnehmen will, und dem Zorn, der einen Ausdruck braucht. Wer auf Gott, auf sich selbst, auf das unverfügbare „Schicksal“ und ungerechte Weltläufe zornig ist, die und der hat noch nicht aufgegeben, ist wahrhaftig und bei sich selbst, sucht gelingende Beziehung.

Das Wut- und Mut-Buch will ermutigen: Zuerst zur Wut selbst, die einen Platz hat (und haben muss) in einer wahrhaftigen Gottesbeziehung auf Augenhöhe, in einer Trauerarbeit, die alle Reaktionen auf Tod und Abschied wahr- und ernstnimmt. Dann zu den „Energien“, die die Wut freisetzt: Ehrlichkeit mit Gott und mit sich selbst; Aufbegehren und sich selbst erspüren dabei; Hilfe und Trost nicht nur erhoffen, sondern einfordern von einem Gott, der Hilfe und Trost zusagt; die Kraft der Wut und zur Wut ummünzen in die Kraft, die eigene Situation zu verändern, in die Hand zu nehmen. Was aufregt, kann auch anregen! Zur Wut wird ermutigt und Mut wird gemacht durch Meditationen, kurze Besinnungen und Gebetstexte.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
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Seitenzahl: 83

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Was mir Mut macht, mein Gott:

dass du meine Trauer nicht bewertest,

dass du mich nicht drängst

(Nun ist es aber mal gut!)

und nicht ungeduldig wirst

(Jetzt reiß dich mal wieder zusammen!).

Ich kann trauern,

wie ich es brauche:

zwei Schritte vor, einen zurück,

in aller Stille oder sehr, sehr laut.

Das Wut- und Mut-Buch in Trauerzeiten will ermutigen: Zur Wut selbst, die einen Platz hat (und haben muss) in einer wahrhaftigen Gottesbeziehung auf Augenhöhe, in einer Trauerarbeit, die alle Reaktionen auf Tod und Abschied wahr- und ernstnimmt. Was aufregt, kann auch anregen – zu neuem Mut. Das Buch bietet zu beidem Meditationen, kurze Besinnungen und Gebetstexte.

Thomas Weiß, geboren 1961, Studium der Evangelischen Theologie in Bielefeld und Heidelberg, danach Arbeit in Gemeinden Süd- und Nordbadens und als Erwachsenenbildner in Freiburg. Mitglied der Gesellschaft für zeitgenössische Lyrik, Leipzig, Stipendiat und Mitglied des Förderkreises deutscher Schriftsteller in Baden-Württemberg, Stuttgart. Bis April 2024 leitete er die evangelische Erwachsenenbildung in der Badischen Landeskirche (Landesstelle für Evangelische Erwachsenen- und Familienbildung, Karlsruhe). 2020 wurde er in das PEN-Zentrum Deutschland aufgenommen. Thomas Weiß lebt in Baden-Baden.

Meiner Vertrauten, für gemeinsame Fragen und geteilte Erfahrungen

Thomas Weiß

Mein Herz brennt

Ein Wut- und Mut-Buch für Trauernde

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Copyright © 2025 Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh,

in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,

Neumarkter Straße 28, 81673 München

[email protected]

(Vorstehende Angaben sind zugleich

Pflichtinformationen nach GPSR.)

Umsetzung eBook: Greiner & Reichel, Köln

Umschlagmotiv: © great_bergens – Adobe Stock.com

ISBN 978-3-641-33518-2V001

www.gtvh.de

ecclesia dell’arte

Inhalt

Wie Geschwister. Vorwort

Von der Wut

Protest

Erlaubnis

Zornige Gebete

Selbstgespräch 1

Anklage

Selbstgespräch 2

Empörung

Selbstgespräch 3

Aufrecht

Selbstgespräch 4

Aufbegehren

Selbstgespräch 5

Zorn

Zornige Gebete

Wendung

Vom Mut

Brennen

All mein Mut

Mutige Gebete

Selbstgespräch 6

Ermutigung

Selbstgespräch 7

Freund

Selbstgespräch 8

Wort

Selbstgespräch 9

Mutige Gebete

Selbstgespräch 10

Frieden

Wie Geschwister

Vorwort

Dieses Buch habe ich geschrieben, liebe Leser:innen, indem ich unterstelle, dass es von Erfahrungen erzählt, die wir teilen miteinander, Sie und ich. Bitte lassen Sie es mich ganz handgreiflich machen:

Als mein Vater starb – zweieinhalb Jahrzehnte ist das her –, starb er plötzlich, im Hausflur brach er zusammen und lebte, von einem Moment auf den anderen, nicht mehr. Als wir, die Familie und Freunde, auf dem Friedhof standen und ihn verabschiedeten, war ich außer mir vor Wut. Ich war wütend auf ihn, weil er ging, ohne unserem Streit, unseren Schwierigkeiten miteinander noch Raum zu gewähren, ohne eine Versöhnung, wenigstens eine Aussprache zu suchen. Ich war wütend auf mich, weil ich mich nicht rechtzeitig selbst darum bemüht hatte. Und ich war wütend auf Gott, weil er das alles so zugelassen hatte. Der katholische Kinderglaube meines Vaters, in den er sich in seiner Krankheit zurückgezogen hatte, und meine protestantisch-theologische Bildung halfen uns beide nicht. Diese Wut hat lange, lange ihre Arbeit getan in mir.

Als meine Mutter ging, vor gut zehn Jahren, war es stimmig. Wir hatten noch ein gutes, letztes Jahr miteinander, in dem Vieles besprochen werden konnte und in dem ich von manchem Schmerz, mancher Enttäuschung Abschied nehmen konnte, ohne dass wir uns darüber noch streiten mussten. Ihr Tod war ein langsames Verlöschen, eingebettet in Wohlwollen und Zuwendung; als wir auf dem Friedhof standen, war das traurig, aber auch richtig und gut. Ihr Sterben hat mich ermutigt für das eigene Fortgehen.

Wut und Mut – wenn ich davon schreibe, sind meine Sätze und Gedanken geprägt von und durchmischt mit eigenen Erfahrungen: mit der Trauer, die ich selbst um Menschen, die mir nahe waren (und in Wahrheit noch sind), getragen habe; mit der Todesnähe, die ich selbst während einer schweren Erkrankung erlebt habe; und mit den Echos vieler Gespräche, die ich als Trauer- und Sterbebegleiter im seelsorglichen Amt habe führen dürfen.

Dabei ist mir die Wut vielfältig begegnet, als ein spannungsreiches, bewegendes, manchmal schmerzhaftes, oft auch befreiendes Gefühl, das im »Trauerkaleidoskop« (Chris Paul) seinen guten Ort hat, das beim Trauern unterstützt und mir hilft, zu mir selbst und zu meinen Bedürfnissen als Trauernde:r zu stehen. Die Gebete, Besinnungen und Selbstgespräche, die Sie in diesem Buch finden werden, spiegeln die vielen Facetten der Wut wieder (tatsächlich ist das Bild des sich stets wandelnden, bunten »Kaleidoskops« sehr hilfreich) – eine pastoralpsychologische oder psychotherapeutische Systematik der Wut habe und kenne ich nicht. Meine Texte sprechen von Erfahrungen, von Erlebtem und Erinnertem, sind konkret und sinnlich. Auch, weil ich davon überzeugt bin, dass es nicht die Theorie ist, die uns das Leben – und sein Ende – erschließt und darin tröstet, sondern die Erfahrung.

Trauerkaleidoskop – siehe: Chris Paul, Ich lebe mit meiner Trauer. Das Kaleidoskop der Trauer für Trauernde, Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh 2024 (3. Auflage).

So gilt es auch für den Mut – er wird gesät, er bricht auf, wächst und gedeiht, indem ich meine Erfahrungen mit ihm mache und diese Erfahrungen gelten lasse. Manchmal kommt mir der Mut abhanden, ab und zu hält er sich vornehm zurück – und zuzeiten bricht er sich Bahn und lässt sich nicht daran hindern, mich zu tragen, mir Arme, Beine und das Herz zu stärken. Die Wut und der Mut sind einander sehr verwandt, wie Geschwister. Die Wut hat große Kraft. Wenn sie mich auf mich selbst verweist, spielt sie mir die Energie zu, die ich brauche, um meinen Trauerweg mit Bedacht und Aufmerksamkeit zu gehen. Der Mut spricht mir zu: Komm, sei so frei, zornig zu sein. Denn für die Wut – nachgerade als Christ:in – braucht es Mut, lehne ich mich zornig doch – momentweise und im Feuer – gegen Autoritäten auf: gegen die christliche Tradition, die Demut fordert, gegen das Bild von einem Gott, der Gehorsam will und der (angeblich) schon weiß, was gut für mich ist, auch wenn ich es nicht verstehe.

Wut und Mut, die machen die Trauer zu meiner Trauer, die machen den Weg, den ich trauernd beschreite, wahrhaftig und im besten Sinne selbst-bestimmt.

Menschen, die einen Verlust erlitten haben – die einen Menschen verloren haben, denen eine Liebe oder eine Freundschaft zerbrochen ist oder denen eine Krankheit Beweglichkeit und Lebenskraft geraubt hat –, in denen die Wut tobt und der Mut sich zaghaft regt, mögen in diesem Buch Worte und Gedanken finden, die sie weitertragen, die die Wut befeuern und den Mut bestärken. Nicht alles, was Sie hier lesen, wird in gleicher Weise gültig für Sie sein, wie es das für mich ist, der ich von Trauer, Wut und Mut erzähle, wie ich sie erfahren habe – aber niemals sind Trauer, Wut und Mut gleichgültig. Nehmen Sie sich Zeit dafür, alle Zeit, die Sie brauchen. Und das brennende Herz wird ein getrostes werden.

Baden-Baden, in der Passionszeit 2025

Willst du vor Zorn bersten?

(Hiob 18,4)

VON DER WUT

Protest

dem herrn unserem gott

hat es ganz und gar nicht gefallen

daß gustav e. lips

durch einen verkehrsunfall starb

erstens war er zu jung

zweitens seiner frau ein zärtlicher mann

drittens zwei kindern ein lustiger vater

viertens den freunden ein guter freund

fünftens erfüllt von vielen ideen

was soll jetzt ohne ihn werden?

was ist seine frau ohne ihn?

wer spielt mit den kindern?

wer ersetzt einen freund?

wer hat die neuen ideen?

dem herrn unserem gott

hat es ganz und gar nicht gefallen,

daß einige von euch dachten

es habe ihm solches gefallen

im namen dessen der tote erweckte

im namen des toten der auferstand:

wir protestieren gegen den tod von gustav e. lips

(Kurt Marti)

Kurt Marti, »dem herrn unserem gott hat es ganz und gar nicht gefallen« aus: Kurt Marti – Leichenreden (Hermann Luchterhand Verlag, Neuwied und Berlin 1969).

Es ist eine liturgische Formel: »Es hat dem Herrn gefallen.« Und sie hat etwas für sich. Wenn es denn Gott gefiel, dass gustav e. lips starb, dass mein Vater sich sterbend davonmachte, dass die liebe Freundin ihrer unheilbaren Krankheit erlag – dann werden sie nicht einfach ausgelöscht, zufällig, und von einem blinden Schicksal dahingerafft. Wenn es Gott gefiel, dass sie gingen, dann waltet da irgendein Sinn, dann gibt es immerhin einen, der so etwas wie einen Plan hat, der seinen Willen durchsetzt. Ich kann diesen Gedanken verstehen. Zwar fordert er mir eine Menge Demut ab, aber er lässt doch Raum für etwas Hoffnung – die Hoffnung, dass Sterben und Tod und Trauer kein endgültiges Verhängnis sind, sondern alles irgendwie irgendwann einmal noch gut werden kann. Weil es Gott so gefällt.

Kurt Marti, dem 2017 verstorbenen Schweizer Pfarrer und Dichter der »Leichenpredigten«, gefällt dieser Gedanke aber nicht. Hören Sie seine Empörung, wenn er protestiert: dem herrn unserem gott hat es ganz und gar nicht gefallen? Er hält die notwendige Demut, das Einverständnis mit unserer Sterblichkeit und alle fromme Gottergebenheit für unerträglich. Er muss protestieren (und hat dabei meine ganze Sympathie), er ärgert sich und regt sich auf. Ich glaube, nicht über den Tod selbst, auch wenn die letzte Zeile des Gedichtes danach klingt. Der Tod, naja, der ist unvermeidlich, wir verfügen über unser Leben nicht so, dass wir es ins Unendliche verlängern oder festhalten könnten. Wir sind sterblich – gerade die Dichterinnen und Dichter haben das eingesehen: »Der Tod ist groß. / Wir sind die Seinen / lachenden Munds.« (Rainer Maria Rilke)

Worüber Kurt Marti sich echauffiert, das ist dieses Bild von dem herrn unserem gott