Mein Herz hat doch schon JA gesagt - Nina Kayser-Darius - E-Book

Mein Herz hat doch schon JA gesagt E-Book

Nina Kayser-Darius

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Beschreibung

Notarzt Dr. Winter ist eine großartige neue Arztserie, in der ganz nebenbei auch das kleinste medizinische Detail seriös recherchiert wurde. In der Klinik wird der Chefarzt der Unfallchirurgie mit den schwierigsten, aufregendsten Fällen konfrontiert, die einem Notarzt begegnen können. Im Leben des attraktiven jungen Arztes gibt es eigentlich nur ein Problem: Seine große Liebe bleibt ganz lange unerfüllt. Die Liebesgeschichte mit der charmanten, liebreizenden Hotelmanagerin Stefanie Wagner sorgt für manch urkomisches, erheiterndes Missverständnis zwischen diesem verhinderten Traumpaar. Die hübsche junge Frau lag völlig reglos auf der Parkbank. Sie war sehr blaß, ihre langen blonden Haare hingen ihr unordentlich ins Gesicht. Ihre Kleider sahen teuer aus, und sie wirkte eigentlich gar nicht wie »so eine«, fand der Rentner Ewald Mönke, der ein wenig ratlos vor ihr stand, aber sie mußte wohl doch eine sein. Eine andere Erklärung fand er jedenfalls nicht. Er hatte versucht, sie aufzuwecken, und es war ihm nicht gelungen. »So eine« war für ihn eine Drogenabhängige. Mit Junkies kannte er sich aus, denn die Wohnung, in der er seit mehr als dreißig Jahren lebte, lag mittlerweile in einer Gegend, die Politiker gerne mit dem Namen »sozialer Brennpunkt« umschrieben. Früher war es eine gute Wohngegend gewesen, aber diese Zeiten waren schon lange vorbei. Sogar unten im Flur des Hauses, in dem er selbst wohnte, hatte er schon gesehen, daß Drogen den Besitzer wechselten – aber was sollte ausgerechnet er dagegen tun? Wenn nicht einmal die Polizei etwas erreichte, dann konnte ein armer Rentner wie er, der froh war, die Miete für seine schäbige kleine Wohnung noch bezahlen zu können, erst recht nichts ausrichten. Ewald Mönke murmelte beschwichtigend: »Sei ruhig, Herr Müller. Mir wird schon was einfallen, aber ich muß nachdenken. So lange wirst du dich ja wohl gedulden können, oder etwa nicht?« Herr Müller, eine recht häßliche Promenadenmischung mit wunderschönen braunen Augen, bellte leise, um seine Zustimmung auszudrücken. Er ließ sich direkt vor der Parkbank nieder, wobei er sein Herrchen unablässig ansah, um nur ja nicht den Moment zu verpassen, in dem dieser sich erneut in Bewegung setzen würde. Ewald Mönke und Herr Müller befanden sich nämlich auf ihrem täglichen Morgenspaziergang, der mindestens eine Stunde dauern mußte, um Herrn Müller auch nur annähernd zufriedenzustellen. Sie waren kaum zehn Minuten unterwegs gewesen, als Ewald Mönke völlig unprogrammgemäß stehengeblieben war.

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Notarzt Dr. Winter – 6 –

Mein Herz hat doch schon JA gesagt

Eine rätselhafte junge Frau bringt Verwirrung in die Kurfürstenklinik

Nina Kayser-Darius

Die hübsche junge Frau lag völlig reglos auf der Parkbank. Sie war sehr blaß, ihre langen blonden Haare hingen ihr unordentlich ins Gesicht. Ihre Kleider sahen teuer aus, und sie wirkte eigentlich gar nicht wie »so eine«, fand der Rentner Ewald Mönke, der ein wenig ratlos vor ihr stand, aber sie mußte wohl doch eine sein. Eine andere Erklärung fand er jedenfalls nicht. Er hatte versucht, sie aufzuwecken, und es war ihm nicht gelungen.

»So eine« war für ihn eine Drogenabhängige. Mit Junkies kannte er sich aus, denn die Wohnung, in der er seit mehr als dreißig Jahren lebte, lag mittlerweile in einer Gegend, die Politiker gerne mit dem Namen »sozialer Brennpunkt« umschrieben. Früher war es eine gute Wohngegend gewesen, aber diese Zeiten waren schon lange vorbei. Sogar unten im Flur des Hauses, in dem er selbst wohnte, hatte er schon gesehen, daß Drogen den Besitzer wechselten – aber was sollte ausgerechnet er dagegen tun?

Wenn nicht einmal die Polizei etwas erreichte, dann konnte ein armer Rentner wie er, der froh war, die Miete für seine schäbige kleine Wohnung noch bezahlen zu können, erst recht nichts ausrichten.

Ewald Mönke murmelte beschwichtigend: »Sei ruhig, Herr Müller. Mir wird schon was einfallen, aber ich muß nachdenken. So lange wirst du dich ja wohl gedulden können, oder etwa nicht?«

Herr Müller, eine recht häßliche Promenadenmischung mit wunderschönen braunen Augen, bellte leise, um seine Zustimmung auszudrücken. Er ließ sich direkt vor der Parkbank nieder, wobei er sein Herrchen unablässig ansah, um nur ja nicht den Moment zu verpassen, in dem dieser sich erneut in Bewegung setzen würde.

Ewald Mönke und Herr Müller befanden sich nämlich auf ihrem täglichen Morgenspaziergang, der mindestens eine Stunde dauern mußte, um Herrn Müller auch nur annähernd zufriedenzustellen. Sie waren kaum zehn Minuten unterwegs gewesen, als Ewald Mönke völlig unprogrammgemäß stehengeblieben war.

Aber Herr Müller war ein wohlerzogener Hund, deshalb gab er keinen Mucks mehr von sich, ­sondern wartete. Nur sein kleines Stummelschwänzchen, das unab­lässig hin und her schlug, verriet seine Ungeduld.

»Ich weiß, was ich tue, Herr Müller«, sagte Ewald Mönke in diesem Augenblick erleichtert. »Ich rufe einen Rettungswagen, der bringt die Frau ins Krankenhaus, und dort werden sie dann schon herausfinden, was mit ihr los ist.«

Herr Müller jaulte leise, und Ewald Mönke beugte sich erneut über die junge Frau und sagte: »Hallo, Sie! Wenn Sie jetzt nicht aufwachen, hole ich einen Rettungswagen, hören Sie? Vielleicht wollen Sie ja nicht ins Krankenhaus, dann sollten Sie jetzt aber wirklich schnellstens aufwachen und mir sagen, was mit Ihnen los ist! Sie haben mir einen großen Schrecken eingejagt – einfach so hier zu liegen am frühen Morgen und sich nicht zu rühren!«

Er wartete einige Sekunden, doch er bekam auch dieses Mal keine Antwort. Deshalb wandte er sich seufzend ab. »Komm, Herr Müller!« sagte er. »Wir müssen jetzt zuerst telefonieren. Danach gehen wir wieder in den Park.«

Das war nicht direkt das, was Herr Müller gewollt hatte, aber er ergab sich in sein Schicksal und folgte seinem Herrchen, das den Park auf dem schnellsten Wege verließ.

*

»Adrian?« Schwester Monika Ullmann kam in den kleinen Aufenthaltsraum gestürmt, in dem sich der Unfallchirurg Dr. Adrian Winter gerade eine Tasse Kaffee eingeschenkt hatte, um etwas wacher zu werden. Es war Vollmond, und er hatte nicht besonders gut geschlafen.

»Eine junge Frau wird gleich gebracht«, sagte Schwester Monika außer Atem. »Ein Rentner hat sie in einem Park gefunden, auf einer Parkbank, und er hat sie nicht aufwecken können. Verdacht auf Drogenmißbrauch.«

Adrian nahm einen zu großen Schluck Kaffee und verbrannte sich die Zunge. »Au, verdammt!« Er verzog das Gesicht und stellte hastig die Tasse ab. Dann lächelte er die hübsche Schwester an. »Ich bin sofort da, Moni. Haben sie sonst noch etwas gesagt? Ist sie immer noch ohne Bewußtsein?«

»Nein, im Wagen ist sie zu sich gekommen. Mehr haben sie nicht gesagt. Sie hatten es ziemlich eilig.«

Adrian trank den restlichen Kaffee – diesmal war er vorsichtiger und nahm nur kleine Schlucke, um sich nicht noch einmal zu verbrennen. Dann folgte er Schwester Monika in eine der Notfallkabinen. »Bereite schon mal eine Infusion mit Kochsalz vor, Moni, und außerdem…«

Er kam nicht dazu weiterzusprechen, denn in diesem Augenblick wurde die angekündigte junge Frau auch schon gebracht. »Die Patientin ist achtundzwanzig Jahre alt, wieder bei Bewußtsein. Behauptet, keine Drogen zu nehmen, kann aber nicht erklären, warum sie bewußtlos auf der Parkbank gelegen hat. Stark unterkühlt, sie hat dort offenbar die ganze Nacht verbracht. Sie hat bereits eine kreislaufstabilisierende Infusion bekommen«, berichtete einer der Sanitäter. »Wir müssen wieder los, Herr Dr. Winter!«

Adrian nickte und wandte sich der Patientin zu. »Wo ist Julia?« fragte er.

»Sie kommt gleich, sie war bis eben mit einem Herzanfall beschäftigt«, antwortete Schwester Monika, die der Patientin die Infusion mit Kochsalzlösung anlegte.

»Ich brauch’ sie hier«, sagte Adri­an knapp, und Schwester Monika verschwand gleich darauf wortlos, um sich auf die Suche nach Dr. Julia Martensen zu machen. Adrian Winter und sie bildeten ein großartiges Team – der junge, engagierte Chirurg und die souveräne, bereits auf die fünfzig zugehende Internistin.

»Können Sie mich hören?« fragte Adrian die junge Frau, die ihn aus großen blauen Augen ansah. Er war sicher, daß sie ihn hörte, aber offenbar verstand sie nicht, was vor sich ging.

»Ja«, antwortete sie. Mehr sagte sie nicht.

»Ist sie das?« fragte Julia Martensen, die in diesem Augenblick hereinkam.

»Ja, ich finde nicht, daß sie wie eine Drogensüchtige aussieht«, sagte Adrian nachdenklich. »Sie hat auch keinerlei Einstiche oder so.«

»Vielleicht kokst sie«, erwiderte Julia nüchtern. Sie war eine gutaussehende, sehr schlanke Frau mit kurzen braunen, nach der neuesten Mode geschnittenen Haaren. »Irgendwelche Verletzungen?«

»Ich habe keine entdecken können«, stellte Adrian fest. »Sie ist dehydriert und unterkühlt, das steht fest. Moni, bitte besorg als erstes ein paar angewärmte Decken. Und sie sollte auch eine angewärmte Infusion bekommen. Wir führen ihr zunächst einmal Flüssigkeit zu, machen eine große Blutuntersuchung mit Drogenscreening, und danach sind wir hoffentlich klüger.«

Julia beugte sich über die Patientin, die unruhig war, aber noch immer nichts sagte. »Wie heißen Sie?« fragte sie behutsam.

Die junge Frau sah sie an und drehte den Kopf weg. Ihre Augen füllten sich mit Tränen.

Julia richtete sich auf und blickte Adrian fragend an. »Verstehst du das?«

»Nein«, antwortete er leise. »Ich verstehe es auch nicht, aber das Beste wird sein, wenn wir sie erst einmal in Ruhe lassen. Vielleicht sind wir nach den Untersuchungen klüger.«

Schwester Monika kam mit den angewärmten Decken, in die sie die Patientin mit vereinten Kräften hüllten, und bald darauf wurde ihr auch noch eine angewärmte Infusion angelegt. Sie nahmen ihr Blut ab und schickten es mit der Bitte ins Labor, es möglichst bald zu untersuchen.

»Merkwürdiger Fall«, murmelte Adrian kopfschüttelnd vor sich hin. »Normalerweise würde ich sagen, sie muß sich nur ordentlich aufwärmen, genug essen und trinken, und danach wird sie sich sofort besser fühlen. Aber ich habe ein komisches Gefühl bei der Sache.«

»Ich auch«, gestand Julia, und das überraschte ihren jüngeren Kollegen. Julia stand mit beiden Beinen auf der Erde, und sie glaubte in der Regel nur das, was man ihr auch beweisen konnte. Für Intuition war in ihrem Team Adrian zuständig – obwohl man sie im allgemeinen eher den Frauen nachsagt. Aber in der Notaufnahme der Kurfürsten-Klinik in Berlin, die Dr. Adrian Winter leitete, waren zumindest in diesem Punkt die Rollen anders als üblich verteilt.

»Es bleibt uns trotzdem nichts anderes übrig, als die Laborergebnisse abzuwarten«, stellte Adrian fest. »Meinst du, wir sollten noch ein CT machen lassen?«

»Wegen ihrer Bewußtlosigkeit, meinst du?«

Er nickte.

»Wenn uns die Laborwerte nicht weiterhelfen, würde ich das auf jeden Fall tun«, antwortete sie. »Es könnte natürlich einfach ein Kreislaufkollaps gewesen sein, weil sie offenbar nichts gegessen und getrunken hat. Aber ich hoffe, daß sie anfängt zu reden, sobald es ihr bessergeht. Vielleicht erfahren wir dann alles, was wir wissen wollen.«

Er glaubte es nicht, und sie ebensowenig, das sah er ihr an. Aber er sagte nichts mehr.

Im Augenblick jedenfalls konnten sie nichts tun.

*

Lukas Bromberger hatte keinen Blick für Frankfurts neue Hochhäuser. Er wollte so schnell wie möglich nach München zurück, denn dort wartete Felicitas auf ihn. Seine wunderschöne blonde Verlobte, die er zärtlich Feli nannte. Sie waren schon seit zwei Jahren ein Paar und würden in vier Wochen endlich heiraten. Er hatte sie schon öfter gefragt, aber sie hatte nicht so früh heiraten wollen. »Laß uns erst ganz sicher sein, Lukas«, hatte sie jedesmal gesagt. »Wir haben es doch nicht eilig.«

Er hatte es sehr wohl eilig gehabt, aber das hätte er niemals zugegeben. Noch immer konnte er sein Glück nicht fassen, daß sie sich unter allen Männern dieser Welt ausgerechnet ihn ausgesucht hatte. Lukas litt nicht an mangelndem Selbstbewußtsein, denn er hatte es mit seinen zweiunddreißig Jahren schon weit gebracht. Er hatte eine eigene Agentur für Öffentlichkeitsarbeit, die gut lief, er sah gut aus mit seinen braunen Locken und den warmen braunen Augen, und er war ein allgemein sehr beliebter Mann. Er hielt sich außerdem für jemanden, auf den man sich verlassen konnte.

Trotzdem fand er, daß er nichts Besonderes war – Feli hingegen war das sehr wohl. Sie war nicht nur schön und klug, sie hatte auch eine Menge Temperament, sie war künstlerisch begabt, darüber hinaus humorvoll und zuverlässig. Lukas fand, daß das eine einmalige Kombination war. Er zumindest kannte keine andere Frau, die so viele positive Eigenschaften hatte wie Feli. Ein Leben ohne sie erschien ihm absolut unvorstellbar.

Und deshalb war er nicht gern länger von ihr getrennt. Deshalb auch hatte er es mit dem Heiraten so eilig.

Denn noch immer saß ihm die Angst im Nacken, ein anderer Mann könnte kommen und ihr Herz im Sturm erobern. Ein Mann, der genauso etwas Besonderes war wie Feli.

Lukas seufzte. Es wäre sehr viel schöner gewesen, wenn er nicht immer diese Angst gehabt hätte, sie zu verlieren. Er war sonst gar nicht so. Er neigte nicht übermäßig zur Eifersucht, und er war auch niemand, der sich viele Gedanken um »ungelegte Eier« machte. Aber wenn es um Feli ging, dann funktionierte sein Gehirn völlig anders als gewöhnlich. Es war offenbar die Liebe, die das bewirkte.

»Herr Bromberger?«

Der Auftraggeber, mit dem er sich in einem exklusiven Frankfurter Hotel getroffen hatte, sah ihn fragend an, und Lukas wurde es abwechselnd heiß und kalt. Er hatte dem anderen mindestens eine Minute lang nicht zugehört und dementsprechend nicht die geringste Ahnung, was dieser jetzt von ihm hören wollte. Das war unverzeihlich, schließlich ging es bei dem möglichen Auftrag um eine Menge Geld. Er entschloß sich, die Wahrheit zu gestehen und sein Gegenüber dadurch zu entwaffnen.

»Entschuldigen Sie bitte, aber Sie wissen vielleicht, daß ich in vier Wochen heiraten werde. Und deshalb passiert es mir in letzter Zeit gelegentlich, daß ich an meine zukünftige Frau denke, wenn ich mich eigentlich auf meine Arbeit konzentrieren sollte. Wenn Sie können, verzeihen Sie mir, daß ich einige Augenblicke lang mit meinen Gedanken woanders war.«

Auf dem Gesicht des Mannes, der ihm gegenüber saß, erschien ein breites Lächeln. »Kann ich gut verstehen – schließlich war ich auch mal frisch verliebt!« Er wiederholte, was er gesagt hatte, und diesmal antwortete Lukas ausführlich und mit großem Sachverstand.

Allmählich entspannte er sich wieder. Offenbar hatte er diese gefährliche Situation gemeistert. Jetzt durfte er sich nur keinen weiteren Patzer leisten, dann hatte er den Auftrag sicher in der Tasche.

*

»Kein Alkohol, keine Drogen«, stellte Dr. Adrian Winter fest, als die Laborwerte der jungen Patientin vorlagen, die noch immer in der Notaufnahme war. »Aber sie muß stationär aufgenommen werden, denn sie hat sich vielleicht eine Lungenentzündung geholt. Zur Vorsicht muß sie weiter beobachtet werden.«

»Wir können sie auf die Innere verlegen«, meinte Julia Martensen, »wir haben noch einige Betten frei, und ich kann mich dort weiter um sie kümmern.«

»Du hast diese Woche Dienst in der Notaufnahme, vergiß das nicht«, sagte Adrian mit gespielter Strenge. »Da wird nicht nebenbei noch heimlich auf der Station nach dem Rechten gesehen.«

Sie lächelte ihn voller Zuneigung an. »Das mußt ausgerechnet du sagen! Dr. Adrian Winter, der Arzt, der sich noch um Patienten kümmert, wenn sie die Notaufnahme längst verlassen haben.«

»Schon gut, schon gut«, murmelte er verlegen, »ich sag’ keinen Ton mehr. Aber laß uns bitte noch einmal zu ihr gehen, ob sie jetzt bereit ist, mit uns zu reden. Ihr Fall wird immer rätselhafter. Wenn weder Drogen noch Alkohol im Spiel sind, Julia, was hat sie dann auf dieser Parkbank getan? Sie wirkt doch nicht so, als hätte sie keine Wohnung, in die sie gehen könnte. Warum also war sie unterkühlt, dehydriert und hatte nichts im Magen?«

»Ich kann es dir auch nicht sagen«, antwortete seine Kollegin. »Kreislaufkollaps, etwas anderes wüßte ich nicht. Komm, wir fragen sie selbst.«

Wenige Auenblicke später standen sie neben der jungen Frau, die ihnen entgegensah, aber durch nichts zu erkennen gab, daß sie sich erinnern konnte, wer sie waren.

»Wissen Sie, wo Sie sind?« fragte Julia behutsam.

»Nein«, antwortete die Patientin, und Adrian atmete auf. Immerhin hatte sie geantwortet, das war schon mal ein Fortschritt.

»In der Kurfürsten-Klinik in Berlin«, sagte er. »Sie sind hier in der Notaufnahme. Können Sie sich erinnern, wie Sie hierher gekommen sind?«

Wieder antwortete sie mit: »Nein.« Ihre großen blauen Augen waren jetzt aufmerksam auf die beiden Ärzte gerichtet.