Mein London, eine Nacht und die Liebe - Sarra Manning - E-Book

Mein London, eine Nacht und die Liebe E-Book

Sarra Manning

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Beschreibung

12 Stunden, 257 WhatsApp-Nachrichten und 2 gebrochene Herzen später Sunny liebt Mark – bis sie auf einem Foto erkennt, dass er sie betrügt. Wütend sucht sie ihn im Pub. Doch Mark ist schon weitergezogen. Damit beginnt eine Jagd durch das nächtliche London, von Pub zu Pub, Party, Club, Fast Food Restaurant … 12 Stunden und 257 WhatsApp-Nachrichten lang folgt Sunny jedem Hinweis, setzt eine gut vernetzte Türsteherin auf Mark an, klaut ein Rad, tanzt Charleston – bis sie im Morgengrauen endlich auf Mark trifft. Aber da hat sie schon mit ihm abgeschlossen. Denn mit jedem zurückgelegten Kilometer ist Sunny klarer geworden, was sie wirklich will. Und das hat auch mit Jean-Luc zu tun, der sie nörgelnd aber unermüdlich durch diese temporeiche Nacht begleitet hat.

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Seitenzahl: 371

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Über das Buch

EIN HERZ GEBROCHEN. EIN HERZ GEHEILT.

Sunny liebt Mark – bis sie auf einem Foto erkennt, dass er sie betrügt. Wütend sucht sie ihn in seinem Lieblingspub. Nur ist Mark da schon weitergezogen. So beginnt eine Jagd durch das nächtliche London, von Pub zu Pub, Party, Club, Fast-Food-Restaurant. 12 Stunden und 257 WhatsApp-Nachrichten lang folgt Sunny jedem Hinweis, setzt eine gut vernetzte Türsteherin auf Mark an, klaut ein Rad, tanzt Charleston, läuft sich Blasen … Doch mit jedem zurückgelegten Kilometer wird Sunny klarer, was sie wirklich will.

Cover

Über das Buch

Haupttitel

Widmung

Zitat

PROLOG

LONDON

CHECKLISTE FÜR SAMSTAGABEND

20.00 UHR

CRYSTAL PALACE

10 GRÜNDE, WARUM ICH DACHTE, MARK SOLLTE MEIN HERZ GEHÖREN

21.23 UHR

CLAPHAM

DINGE, VON DENEN MIR MEINE MUTTER DRINGEND ABGERATEN HAT

21.55 UHR

CAMDEN

WOMIT VERPLEMPERE ICH EIGENTLICH MEINEN SAMSTAGABEND?

22.57 UHR

SHOREDITCH

DER HOT WING RAP

MITTERNACHT

DALSTON

EINE GESCHICHTE MEINER FRISUREN

1.45 UHR

SOHO

WAS ZUM TEUFEL FANGE ICH EIGENTLICH MIT MEINEM SAMSTAGABEND AN?

2.53 UHR

MAYFAIR

LONDON CALLING

3.45 UHR

CHELSEA

GRANDMA PAULINES ANANASPUNSCH

5.30 UHR

Von NOTTING HILL nach LADBROKE GROVE

TO-DO-LISTE

6.25 UHR

SOUTH BANK

MEIN AKTUELLER ZUSTAND

8.00 UHR

ALEXANDRA PALACE, MUSWELL HILL

EPILOG

DANKSAGUNG

Über Sarra Manning / Kattrin Stier

Impressum

 

 

 

 

Abwesenden Freunden gewidmet: Jacqui Johnson, Jacqui Rice, Karen Auerbach, Peter Knight, Adam Lowe und Rupert Jones –  die mich in meiner eigenen wilden Jugend bei zahllosen Abenteuern quer durch London begleitet haben.

 

 

 

 

In den Blicken der Menschen, in ihrem Schwung, Schritt und Trott; im Lärm und Getöse; zwischen den Kutschen, Automobilen, Omnibussen, Lastwagen und den schlurfenden, schwankenden Sandwichmännern; den Blaskapellen; den Drehorgeln; in dem Glanz und dem Klingen und dem seltsam hohen Singen eines Flugzeugs dort droben war das, was sie liebte; Leben; London.

Mrs Dalloway, Virginia Woolf

 

 

 

 

LONDON

Eine Stadt mit acht Millionen Einwohnern. Acht Millionen Leben. Acht Millionen Geschichten.

Diese hier ist nur eine davon.

 

 

 

 

Liebe Sunny,

es ist wichtig, dass du eines nicht vergisst: Du wirst wunderbar zurechtkommen, wenn du jetzt eine Woche lang alleine zu Hause bist. Absolut kein Problem.

Solltest du doch Angst haben, kann ja Emmeline oder eine andere von deinen FreundINNEN bei dir übernachten. Aber keine Jungs. Bitte missbrauche unser Vertrauen nicht, indem du Mark einlädst und dann eine Entscheidung triffst, die du möglicherweise dein ganzes Leben lang bereuen wirst. Rein legal gesehen bist du natürlich alt genug, selbst zu entscheiden, wann und mit wem du Sex haben willst, aber willst du wirklich deine Jungfräulichkeit mit einem Jungen verlieren, dem ständig die Unterhose aus der Hose hängt? Immerhin darf man mit siebzehn ja auch noch nicht wählen und kein Feuerwerk oder harten Alkohol kaufen, und trotzdem soll man alt genug sein, um Sex zu haben? Wirklich? Denk mal darüber nach!

Mark ist ein sehr netter Junge. Ich will gar nichts Gegenteiliges behaupten, aber er hat so etwas an sich, mit dem ich einfach nicht warm werde. Nenne es mütterliche Intuition. Aber meine mütterliche Intuition sagt mir gleichzeitig, dass DU VERNÜNFTIG GENUG BIST, DAS RICHTIGE ZU TUN!!!!!!!

Vergiss nicht, dass das warme Wasser jeden Morgen um sechs anspringt. Diese komischen dumpfen Klopfgeräusche kommen also vom Boiler und nicht von irgendeinem Einbrecher. (Aber denk trotzdem ans Abschließen, so wie Terry es dir gezeigt hat. Auch alle Fenster und die Hintertür.)

Solltest du tatsächlich glauben, dass ein Eindringling im Haus ist, oder wenn es ein Unwetter gibt und ein Baum in eines der Fenster kracht, dann ruf bei Max oben an. Aber nur in absoluten Notfällen, du weißt ja, wie pampig er war, als wir dich über Ostern für eine Nacht alleine gelassen haben und du dachtest, bei uns würde ein Poltergeist herumspuken.

Solltest du gar nicht alleine klarkommen, kannst du zu Onkel Dee und Yolly gehen. Es gibt auch die Möglichkeit, dass dein Vater doch schon früher aus Edinburgh zurückkommt, dann könntest du, wie ursprünglich vorgesehen, bei ihm sein, aber da deinem Vater ja seine Karriere ständig wichtiger ist als seine familiären Verpflichtungen, würde ich mich nicht darauf verlassen.

Bitte bring keine Fleischprodukte ins Haus. Auch wenn ich nicht da bin. Du weißt genau, wie ich zum Thema Fleischkonsum stehe, und es würde mich verletzen. Auch wenn ich mich auf einem Campingplatz in Südfrankreich befinde, werde ich die kosmischen Schwingungen spüren und es merken und wäre sehr enttäuscht von dir.

Da ist besonderes (und sehr teures) Frischfutter für Gretchen Weiner statt des üblichen Whiskas. Wenn sie wieder mit dem Hintern über den Teppich reibt und dabei so fürchterlich miaut, dann musst du sie zum Tierarzt bringen, um ihre Analdrüsen ausdrücken zu lassen. Schon wieder. In die Transportbox kriegst du sie am besten, indem du die extralangen Gummihandschuhe anziehst, ein Handtuch über sie wirfst und ein Gebet sprichst.

Keine Partys. Von mir aus kannst du ein paar Freunde dahaben, aber poste keine Einladung auf Facebook. Ich will nicht nach Hause kommen und feststellen müssen, dass 500 Teenager auf Ecstasy das Haus bis auf die Grundmauern geschleift haben. Dafür würde die Versicherung bestimmt nicht aufkommen.

Wir haben noch mal groß eingekauft, bevor wir gefahren sind, aber in dem »Marmeladenglas« im Vorratsschrank sind 30 Pfund für Milch und andere verderbliche Sachen. Ich will Quittungen sehen!

Also noch mal in Kurzfassung: Emmeline darf übernachten. Mark nicht. Kein Fleisch. Boiler springt um 6 an. Achte auf Gretchen Weiners Hintern.

BITTE KEIN SEX MIT DIESEM JUNGEN (FALLS DOCH – UND DAMIT HEIßE ICH ES IN KEINER WEISE GUT –, BENUTZT EIN KONDOM).

Im Gefrierschrank ist noch eine Packung Calippos für dich.

Bis in einer Woche. Du schaffst das. Wir glauben an dich!

Hab dich ganz ganz ganz ganz doll lieb

Mum und Terry xxx

PS: Dan lässt dir vielen Dank ausrichten, dass du bereit bist, seine Echsen zu füttern. Er hat genaue Anweisungen hinterlassen, aber du sollst nicht in seinem Zimmer rumschnüffeln. Ich hab ihm natürlich gesagt, du hättest Besseres zu tun, als in seiner Unterhosenschublade rumzustöbern.

 

 

 

 

CHECKLISTE FÜR SAMSTAGABEND

Geldbeutel   

Oyster Card   

Topshop Sonnenbrille   

Cherry Lipgloss   

Wimperntusche   

Haargummi   

Handcreme   

Normale Pflaster   

Blasenpflaster   

Tampons   

Wasserflasche   

Handyladekabel   

Mums Jo Malone Blackberry & Bay-Parfüm   

(NICHT VERGESSEN, ES IN IHR SCHLAFZIMMER ZURÜCKZUSTELLEN, BEVOR SIE MERKT, DASS ES WEG IST.)

Kaugummi   

Tempo   

Check yourself before you wreck yourself.

20.00 UHR

CRYSTAL PALACE

Crystal Palace ist einer der höchstgelegenen Orte in London. Der Name stammt vom sogenannten Crystal Palace, der ursprünglich 1851 für die erste Weltausstellung im Hyde Park gebaut wurde. 1854 wurde das Gebäude dann auf ein Gelände in Penge, einem südlichen Stadtteil von London, versetzt, als strahlender Mittelpunkt eines viktorianischen Vergnügungsparks mit einem Irrgarten, 22 lebensgroßen Dinosauriermodellen und so vielen Springbrunnen, dass eigens zwei Wassertürme gebaut werden mussten, um sie am Laufen zu halten.

Doch leider brannte der Crystal Palace 1936 komplett ab und nur der Park blieb übrig, in dem sich heute das National Sports Centre befindet.

In der Gegend von Crystal Palace haben unter anderem so bedeutende Leute gelebt wie Sir Arthur Conan Doyle, der Autor von Sherlock Holmes, und Francis Pettit Smith, einer der Erfinder der Schiffsschraube.

Nach mehr als zwei Stunden Fahrt, für die wir sogar einen richtigen Zug vom Bahnhof Victoria und nicht nur die Overground-Bahn nehmen mussten, kommen Emmeline und ich endlich beim Crystal Palace Park an. Was sich so Park nennt … In Wahrheit ist es eigentlich nur ein einziger großer Hügel. Vielleicht sogar ein kleiner Berg.

Keuchend steigen wir den immer steiler werdenden Hang hinauf. Die Henkel der klirrenden Plastiktüten aus dem Getränke-Shop schneiden uns in die Handgelenke und die kondensierte Feuchtigkeit der eiskalten Flaschen streift unsere nackten Beine. Auch unsere Nacken glänzen vor Feuchtigkeit, denn noch immer ist es schwül und heiß – und das, obwohl sich die Sonne schon langsam anschickt, in einem hellblauen Himmel mit pinken und orangen Streifen zu versinken.

Wir haben keine Ahnung, in welche Richtung wir gehen.

»Ich glaube, der Süden von London war eigentlich nie zur Besiedlung vorgesehen, sonst wäre er doch nicht so verdammt schwer zu erreichen«, keucht Emmeline.

»Stimmt«, pflichte ich ihr bei. »Aber ist das nicht etwas rassistisch dem Londoner Süden gegenüber?«

»Ich glaube, das geht nicht, weil der Londoner Süden weder eine Rasse ist noch ein Geschlecht hat. Deswegen kann man sich auch nicht rassistisch oder sexistisch darüber äußern. Man hat doch die Wahl, ob man im Süden von London leben will oder nicht. Mein Gott, wenn das hier noch steiler wird, brauchen wir Steigeisen.«

»Kann nicht mehr reden. Muss meinen Sauerstoff einteilen.«

Wir schleppen uns weiter. Emmeline hält ihr Handy vor sich wie eine Wünschelrute auf der Suche nach einer Wasserader. »Wir folgen dem Weg um den unteren See herum so wie jetzt, obwohl es noch zwei andere Seen gibt und ich nicht sicher bin, welcher niedriger liegt als die anderen und – oh, schau mal! Dinosaurier!«

»Was?« Nachdem ich eine weitere Nachricht an Mark abgeschickt habe, blicke ich auf und sehe Dinosaurier direkt vor meiner Nase. Natürlich keine echten Dinosaurier. Sie sind aus Glasfaser oder so und wurden in lebensechten Action-Szenen um das Ufer eines kleinen Sees herum arrangiert. »Oh Gott, das ist ja voll Jurassic Park-mäßig hier!«

Emmeline schüttelt den Kopf. Unter der dicken Schicht von Lichtschutzfaktor 50 ist ihr Gesicht knallrot. »Vielleicht war mein Urteil über den Londoner Süden doch etwas zu hart.«

»Deine Urteile sind immer zu hart. So bist du eben.«

»Ja, ich weiß. Ich setze eben gerne auf meine Stärken.« Emmelines Augen sind auf den Felsen gerichtet, vor dem sich die Dinosaurier tummeln und von dem uns ein Geländer und der kleine See trennen. Noch bevor sie den Mund aufmacht, weiß ich schon, was sie sagen wird. »Es muss doch einen Weg geben, wie wir in dieses Dinosaurier-Gehege kommen, um ein paar Fotos zu machen, oder? Du und ich auf dem Rücken irgend so eines Dingsbumssauriers. Das posten wir dann auf Instagram und kassieren noch mehr Likes als für das Bild von deiner Grillparty, auf dem ich beim Oralsex mit einem Grillwürstchen zu sehen bin.«

»Du musst das Bild unbedingt löschen, bevor meine Mum mitkriegt, dass sich Fleischprodukte in ihrem Garten befunden haben.« Ich beäuge das Wasser. Auf der anderen Seite dümpelt eine leere Coladose einsam vor sich hin. »Ich würde ja ohne Weiteres durch diesen See waten, aber der sieht nicht besonders sauber aus und ich hab keine Lust, mir Legionellen einzufangen.«

»Man kriegt keine Legionellen vom Herumplanschen. Komm schon, zieh die Schuhe aus. Wir haben sowieso Shorts an. Wie tief wird das Wasser schon sein?« Emmeline schlüpft bereits aus ihren Turnschuhen. »Wenn wir uns doch mit irgendeiner schrecklichen Seuche anstecken und man dir die Beine amputieren muss, werde ich dich jeden Tag besuchen. Und deinen Rollstuhl aufpimpen. Und dir die Fernbedienung vom Fernseher überlassen.«

»Na wenn das so ist, wie könnte ich da noch Nein sagen?« Obwohl mir das in diesem Fall doch gar nicht so schwerfällt. »Nein, ich glaube, ich passe.«

»Du hast wirklich keinen Sinn für Abenteuer …«

Ich höre das Brummen meines Handys. Perfektes Timing, um mich vor Emmelines Überredungskünsten zu bewahren, die allzu oft dazu führen, dass ich etwas mache, was auf Nachsitzen/Hausarrest/Verletzung hinausläuft. Einmal, als wir mit der Schule im Globe Theatre waren, um Wie es euch gefällt zu sehen, hat Emmeline mich gezwungen, bei ihrem One-Woman-Moshpit mitzumachen, und dabei habe ich mir gleich alles drei eingehandelt.

Als ich das Handy aus den Tiefen meine Tasche hervorkrame, leuchtet mir Marks Gesicht auf dem Display entgegen. »I got sunshine on a cloudy day«, singt er, als drangehe. »Hey Baby, seid ihr schon beim Crystal Palace?«

»Ja, aber wir haben eine Ewigkeit gebraucht! Nicht mal mit der Overground, sondern mit einem richtigen Zug.«

»Chill mal, Sunny«, sagt Emmeline, die sich jetzt, Gott sei Dank, ihre Chucks wieder anzieht, da sie offenbar aufgegeben hat, sich unter die Dinosaurier zu mischen. »Das war das Mindeste, was du tun konntest, nachdem ich die ganze Woche bei dir übernachten musste.«

»Du übernachtest gerne bei mir.« Emmelines Mutter arbeitet nachts und Emmelines ältere Schwester Mary (Emmelines Mum steht voll auf Frauenthemen und hat ihre Töchter daher nach Mary Wollstonecraft, einer Frauenrechtlerin aus dem 18. Jahrhundert, und Emmeline Pankhurst, der Anführerin der Suffragetten, benannt – Emmeline hat das Gefühl, dass sie dabei eindeutig den Kürzeren gezogen hat) blockiert das Wohnzimmer mit ihrem ätzenden Freund. Und wenn die beiden mal wieder wild knutschend in der Horizontalen auf dem Sofa landen, ist es nicht gerade eine Strafe für Emmeline, wenn sie zu mir kommt.

»Sunny! Hör auf, mit Em zu reden, und sprich stattdessen lieber mit mir, deinem Freund, falls du noch weißt, wer ich bin.«

Ich lächele. »Unwahrscheinlich, dass ich dich so schnell vergesse.«

»Gut, freut mich zu hören. Du bleibst also nur eine Stunde, oder? Und dann kehrst du wie besprochen in die Zivilisation zurück.« Es kommt nicht so oft vor, dass Mark so tut, als würde er sich nach mir verzehren. Ich wünschte, es wäre öfter der Fall. »Unglaublich, dass du ausgerechnet heute Abend diese Tour nach Crystal Palace machen musst.«

»Schon, aber Em und ich haben eine Vereinbarung. Sie hat mich die ganze Woche vor Einbrechern beschützt und deswegen begleite ich sie heute.«

»Ich hätte dich auch vor Einbrechern schützen können«, betont Mark. Er macht ein komisches Geräusch, eine Mischung aus Schnauben und Kichern. »Ich hätte noch ganz andere Dinge machen können. Eine ganze Woche lang hätten wir andere Dinge machen können.«

»Aber ich war mir nicht so sicher, dass ich andere Dinge machen wollte …« Ich werfe einen Blick zu Emmeline hinüber, die nie ein Problem damit hat, schamlos die Gespräche von anderen zu belauschen – insbesondere meine Telefongespräche –, doch sie betrachtet nur stirnrunzelnd Google Maps auf ihrem Handy und kaut auf ihrer Unterlippe herum, während ihr die blonden Stirnfransen in dicken, feuchten Strähnen an der Stirn kleben.

»Aber jetzt bist du dir sicher?« Marks Stimme wird zum Ende des Satzes hin immer höher und piepsiger, als wäre er nervös. »Ich meine, du willst doch?«

»Ja, glaube schon. Ich meine, du willst es doch auch noch, oder?«

»Na ja, nur wenn du auch willst.« Es hört sich so an, als wäre es für Mark auch ganz okay, wenn ich jetzt Nein sage, aber so ein bisschen Schiss erscheint mir nicht als ausreichende Begründung, um Nein zu sagen. »Aber ich bin allzeit bereit. Also im übertragenen Sinne. Nicht buchstäblich. Wobei ich natürlich auch im buchstäblichen Sinne bereit bin oder sein werde. Du weißt, was ich meine.«

Es ist ein gutes Gefühl, dass anscheinend auch Mark, der immer so selbstsicher ist, so zielgerichtet und direkt, ein bisschen Schiss hat. »Ich wäre direkt beleidigt, wenn du im buchstäblichen Sinne nicht bereit wärst.«

»Oh, das werde ich sein. Versprochen.« Ich hoffe, dass Sex irgendwann weniger einschüchternd wird, wenn man es erst einmal getan hat, denn noch nie zuvor hatte ein einziges Wort die Macht, mein Herz derart in Furcht und Schrecken zu versetzen – nicht einmal Wörter wie »Nachprüfung« oder »Zwickel« oder »Blumenkohl«. »Ich würde also ein paar, äh, du weißt schon, Kondome kaufen, und da habe ich mich gefragt, ob du irgendwelche Vorlieben hast?«

Vorlieben? »Was?«

»Gerippt oder farbig – vielleicht nicht farbig, das wäre irgendwie komisch. Oder wenn du allergisch auf Latex bist, dann gibt es auch spezielle ohne Latex.« Die Worte sprudeln nur so aus Marks Mund. »Du bist doch nicht allergisch, oder?«

»Ich glaube nicht. Vielleicht besorgst du einfach welche, die keine Spermien durchlassen.« Ich bin selbst erstaunt, dass es mir gelingt, das mit so ruhiger Stimme zu sagen, doch dann muss ich kichern, weil diese Unterhaltung so surreal ist und außerdem der Beweis, dass die sogenannte mütterliche Intuition meiner Mutter offensichtlich defekt ist.

Mark ist nämlich wunderbar und benimmt sich total vernünftig und informiert – von wegen, dass wir uns keine ekligen Geschlechtskrankheiten holen oder dass ich schwanger werde. Kurz, er ist einfach der perfekte Freund.

»Okay«, sagt Mark. »Dann hole ich solche. Sollen wir uns um elf in der Lock Tavern treffen?«

»Ja, bis dann. Und morgen früh hilfst du mir, den Gartenschuppen fertig zu streichen und die letzten Fleischreste von der Grillparty zu beseitigen?« Ich glaube, das Haus wieder in einen muttertauglichen Zustand zu versetzen, bevor sie aus Frankreich zurückkommt, macht mich noch nervöser als die Sache mit dem Sex.

»Das kommt drauf an. Wenn du scheiße im Bett bist, mache ich mich so schnell wie möglich aus dem Staub.«

»Sag das nicht. Vielleicht bin ich scheiße. Bestimmt wird es scheiße. Es ist mein erstes Mal. Mach mir doch nicht so einen Druck …«

»Sunny! Sunny! Das war ein Witz. Ich habe einen Witz gemacht. Ich muss am Sonntag ziemlich früh los, weil ich zum Mittagessen bei meiner Großmutter in Godalming sein muss, aber wir lieben uns doch, oder?«

»Ja, schon …«

»Dann wird auch alles gut. See you later, Baby.«

Da sind so viele Gefühle. All diese Gefühle. Auf einmal. Aber ich kann sie nicht einmal ansatzweise sortieren und durchgehen, weil Emmeline mir ihr Handy vors Gesicht hält und befiehlt: »Lächeln!« – und schon fühle ich in erster Linie Überraschung. »Lass das!«

»Ich wollte noch ein letztes Bild von dir in deinem jungfräulichen Zustand machen«, sagt sie und zeigt mir das Display, auf dem mein Gesicht in schweißglänzender Verwirrung prangt. »Ich fasse es nicht, dass du Sex haben wirst. Mit Mark!«

»Mit wem sollte ich denn sonst Sex haben?«

Sie macht eine auffordernde Kopfbewegung. »Komm jetzt. Wenn du nachher noch einen dringenden Termin mit Marks Penis hast, sollten wir jetzt lieber mal in die Gänge kommen.« Emmeline stapft davon, ohne auf mich zu warten. Sie stapft sehr gerne, das tut sie lieber als gehen. »Ich fasse es nicht, dass du mir nichts davon erzählt hast«, sagt sie, als ich sie schließlich einhole.

»Ich habe es auch erst heute Morgen definitiv beschlossen und dachte, du wärst vielleicht ein bisschen … du weißt schon …«

»Ich glaube einfach, dass du noch nicht bereit dazu bist, Sunny«, sagt Emmeline, als wäre sie so viel älter und klüger als ich. Dabei ist sie nur zwei Monate älter und musste ihre Abschlussprüfung in Mathe wiederholen. »Keine von uns hatte schon Sex und – ich meine, versteh mich nicht falsch – aber du bist ja sonst auch nicht gerade immer an vorderster Front, oder?«

Sie meint das wirklich nicht böse. Ich bin risikoscheu. Ich war die Letzte in unserer Clique, die Boyfriend Jeans und neonfarbenen Nagellack getragen hat, und als wir mit der Schule auf der Erlebnisfahrt beim White-Water-Rafting waren, habe ich die totale Panikattacke gekriegt, sobald ich einen Fuß in dieses Schlauchboot gesetzt habe. Ich bin in Tränen ausgebrochen und habe auf der Stelle beschlossen, dass ich ganz glücklich und zufrieden weiterleben könnte, ohne möglicherweise einen grausamen und schmerzhaften Tod zu sterben, indem ich an den Felsen zerschelle. Allerdings ist es keineswegs so, als würde ich vor allen anderen auf diesen Sex-Zug aufspringen. »Alex hatte schon Sex und die Jungs hatten auch alle schon Sex.«

»Die Jungs zählen nicht«, gibt Emmeline sofort zurück. »Die lügen nämlich. Warum, glaubst du wohl, hatten sie allesamt ganz zufällig Sex mit irgendwelchen Mädchen, die wir überhaupt nicht kennen? ›Ach, die kennst du sowieso nicht. Ich hab sie bei meiner Cousine getroffen.‹ – ›Genau, sie geht auf eine Schule irgendwo am anderen Ende von London!‹ So ein Mist! Die sind alle noch Jungfrauen, und Alex war in Glastonbury auf dem Festival so richtig besoffen und hatte Sex in einem schrottigen Wohnmobil, und soll ich dich erinnern, mit wem sie nach Glastonbury gefahren ist?«

Ich seufze. »Mit ihren Eltern. Und ja, ich erinnere mich auch, dass sie sie auf dem Nachhauseweg bitten musste, bei einer Apotheke anzuhalten, damit sie die Pille danach besorgen konnte.«

Emmeline wirft mir einen triumphierenden Blick zu. »Sie sagt, es war die schlimmste Erfahrung ihres Lebens, ihre Jungfräulichkeit zu verlieren.«

»Ja, aber das ist doch ganz was anderes, weil Mark keine Zufallsbekanntschaft ist. Wir sind jetzt schon seit acht Monaten zusammen und wir lieben uns.«

»Liebe!« Emmeline ist echt gefühlsgehemmt. »Aber was wissen wir wirklich über ihn? Er taucht plötzlich einfach so bei uns auf, um seine A-Levels zu machen, mitsamt seinem vornehmen Akzent und seiner angeberischen Haartolle, und dann trifft er sich nur jedes zweite Wochenende mit dir, was sehr, sehr verdächtig ist.«

Ich sage eine Weile gar nichts, weil der Weg jetzt so steil ist, fast senkrecht, dass ich nur noch mit Schnaufen beschäftigt bin. Erst als er wieder etwas ebener wird, kann ich Mark verteidigen. »Seine Eltern haben sich scheiden lassen. Deswegen musste er vom Internat runter und ans andere Ende von London ziehen. Da gibt es überhaupt nichts Verdächtiges. Er sollte dir stattdessen leidtun.«

»Ich sage ja gar nicht, dass er ein schlechter Mensch ist oder so. Ich sage nur, dass bei ihm mein Alarmsystem anspringt«, beharrt Emmeline. »Ich kann Menschen gut einschätzen, das weißt du.«

»Ich glaube, du bist ein bisschen streng.« Ich muss mich überwinden, das zu sagen, denn inzwischen hat Emmeline die Nasenflügel gebläht wie ein wütender kleiner Stier. »Er war immer total nett zu dir. Was war zum Beispiel, als du dich ausgeschlossen hast und er seitlich an eurem Haus hochgekraxelt ist, um ins Badezimmerfenster einzusteigen? Oder als du dein ganzes Essensgeld für einen Lottoschein ausgegeben hattest …«

»Da gab’s ’nen Vierer-Jackpot!«

»Vierer hin oder her. Du wärst verhungert, wenn Mark dir kein Sandwich spendiert hätte und …«

»Halt die Klappe!« Das ist ganz schön heftig, selbst für Emmeline, zumal sie außerdem noch an meinem T-Shirt herumzerrt. »Halt die Klappe und sieh dir das an!«

Wir sind inzwischen auf der Hügelkuppe angelangt und mein Blick folgt Emmelines ausgestrecktem Finger – und da liegt London. Ganz London. Nicht das altbekannte London, wie beim Blick vom Primrose Hill oder vom Alexandra Palace aus. Wir kennen die Skyline von London immer nur vom Norden her und jetzt ist alles falsch herum zu sehen. Von der anderen Seite.

Da ist der runde Büroturm, den die Londoner gerne als Gherkin oder Gewürzgurke bezeichnen, und daneben das komische Gebäude, das wie eine Käsereibe aussieht. Dann die spitze Glaspyramide des Shard und ganz, ganz weit links ist die Kuppel der St Paul’s Cathedral. Dazwischen sind andere Kirchen und Wohnblocks. Kräne und Gerüste. Es ist ganz egal, von welcher Seite aus ich diese Skyline sehe; sie fühlt sich immer an wie mein Zuhause. Wie London.

Während wir so dastehen, schlingt Emmeline einen Arm um meinen Hals. Es ist zu heiß und klebrig für solche Umarmungen, aber auch wenn wir oft streiten, gibt mir Emmelines Gegenwart ein Gefühl von Zuhause. »Ich liebe diese Stadt«, sagt sie plötzlich. »Wenn ich sie so sehe, so groß und beeindruckend, denke ich daran, wie klein mein Leben im Vergleich dazu ist, und doch bin ich ein Teil davon. Stimmt’s, Sun?«

»Maybe it’s because I’m a Londoner that I love London town«, trällere ich in einem albernen Cockney-Tonfall.

Emmeline löst schnell ihren Arm von mir und gibt mir einen sanften Schubs. »Lass das. Das ist furchtbar«, sagt sie schaudernd. »Du klingst wie dieser Typ aus Mary Poppins.«

»Gawd bless ya, Mary Poppins!«, rufen wir beide wie schon so viele Mal zuvor, und schon haben wir unseren kleinen Streit überwunden. Das entsteht immer so plötzlich aus dem Nichts und löst sich dann ebenso schnell wieder auf, wenn uns ein Blick, ein Witz oder eine kleine Bemerkung daran erinnern, wie alt und tief unsere Freundschaft ist, die einfach allem widerstehen kann – selbst wenn Emmeline immer die Bestimmerin sein muss und ich unfähig bin, mir eine Meinung zu bilden und mich daran zu halten.

Emmeline hakt sich bei mir ein und im Weitergehen fragt sie leise: »Hast du Angst?«

Ich habe vor so vielen Dingen Angst. Manchmal kann ich nachts nicht schlafen, während ich all die Dinge aufliste, die mir Angst machen, und dabei gibt es inzwischen eine eigene Unterliste von Ängsten, die sich einzig und alleine um das drehen, was ich in ein paar Stunden mit Mark tun werde.

Ich habe Angst, dass es wehtut.

Ich habe Angst, dass es so schrecklich wird, dass ich Mark danach nicht einmal mehr küssen mag und es das Ende unserer Beziehung bedeutet.

Ich habe Angst, dass es richtig gut wird und ich es danach die ganze Zeit tun will und alle mich für eine Schlampe halten.

Ich habe Angst, dass ich etwas falsch mache. Oh Gott, es gibt so vieles, was ich falsch machen könnte. Wenn ich an Sex denke und was dabei wo und wie lange reingehört, kommt es mir ebenso lächerlich wie unnötig kompliziert vor.

Ich habe Angst, dass Mark, wenn ich mich ausziehe, alles von meinem Busen über die knubbeligen Knie und die leicht silbrigen Dehnungsstreifen an meinen Hüften bis da unten (und da unten hat mich bisher noch nie jemand angeschaut) ansieht und es so abstoßend findet, dass er keinen mehr hochkriegt.

Ich habe Angst, dass mir jetzt schon heiß ist und ich schwitze und ich noch viel mehr schwitzen werde und mir noch heißer sein wird, wenn ich nicht vorher duschen kann.

Ich habe Angst, dass Mark es vielleicht sexy finden könnte, mit mir zusammen zu duschen. Ich bin vielleicht bereit, mit ihm ins Bett zu steigen, aber nicht in die Dusche.

»Ich hab Schiss«, beantworte ich Emmelines Frage. »Aber ich habe ja immer vor allem Schiss, stimmt’s?«

Emmeline nickt. »Außer dass du seltsamerweise die Einzige bist, die ich kenne, die keine Angst vor Spinnen hat.«

Sofort fühle ich mich besser. Ich komme mit Spinnen klar. Sollte ich jemals im Rahmen so einer schrecklichen Realityshow irgendwo im Dschungel ausgesetzt werden, kriege ich vielleicht einen Schreikrampf, wenn ich über eine durchgewetzte Seilbrücke gehen oder durch Flüsse schwimmen soll, in denen es von Krokodilen nur so wimmelt, aber mit kleinen Krabbeltieren komme ich prima zurecht. »Ja, immerhin, das ist ja schon mal etwas.«

»Vielleicht solltest du dir Mark einfach als Riesenspinne vorstellen, und dann wärst du weniger nervös«, sagt Emmeline. »Jede Menge haarige Beine, die überall auf dir rumkrabbeln. Örks! Jetzt mache ich mir selber Angst.«

»Bitte hör auf, meinen Freund als übergroßen Gliederfüßer zu beschreiben …«

»Em! Emmy! Hier sind wir!«

Auf dem grasbewachsenen Abhang unter uns hat sich eine Gruppe von Leuten, größtenteils Mädchen, niedergelassen, und eines dieser Mädchen winkt, um Emmeline auf sich aufmerksam zu machen. Es ist Charlie.

Emmeline leckte sich die Lippen und fährt sich hastig mit den Fingern durch ihre Stirnfransen, die in der Hitze zusammengeklebt sind. »Sehe ich einigermaßen okay aus?«, fragt sie besorgt. »Sehen meine Beine nicht total fett aus in diesen Shorts?«

»Nein! Du siehst toll aus.« Ich stolpere bereits den Abhang hinunter, während Emmeline noch immer einfach so dasteht. »Komm schon! Ich hab nur eine Stunde Zeit!«

ZEHN MINUTEN SPÄTER

Was mir auch noch Angst macht, sind übrigens Emmelines neue Freunde. Aber ich glaube, das geht nicht nur mir so. Ich glaube, es ist ganz normal, wenn man als alte Freundin plötzlich mit den neuen Freunden abhängen soll, die Emmeline kennengelernt hat, seitdem sie der London Roller Derby Recreational League beigetreten ist und dort als eine Art Roller-Derby-Lehrling trainiert.

Ich hätte nicht gedacht, dass Emmeline noch bestimmerischer und ehrgeiziger werden könnte, als sie es ohnehin schon war (ich werde nie wieder mit ihr Monopoly spielen, nachdem sie einmal das Spielbrett quer durch den Raum geschleudert hat, als ich Hotels auf der Bond Street, Regent Street, Oxford Street und der Park Lane gebaut hatte), doch dann entdeckte sie das Roller Derby für sich. Und jetzt schnallt sie sich die Rollschuhe an und punktet mit ihrem Ehrgeiz und damit, dass sie alle herumkommandiert, die es wagen, ihr in die Quere zu kommen.

Emmeline wollte mich auch zum Mitmachen bewegen, aber mir war das Risiko zu groß, dass ich hinfallen und mir irgendwelche irreparablen Verletzungen an wichtigen Körperteilen zuziehen könnte. In erster Linie ging es allerdings um den Helm. Was der mit meinen Haaren anstellen würde, ist einfach undenkbar.

Aber eigentlich sind Emmelines Roller-Derby-Freunde echt nett, wenn sie sich nicht gerade gegenseitig die Köpfe einschlagen. Und außerdem bin ich nicht die Einzige mit brauner Hautfarbe, was sonst oft vorkommt, wenn ich es wage, den bunt gemischten Londoner Stadtteil Haringey zu verlassen (die Volksrepublik Haringey, wie mein Vater sie spöttisch nennt). Und so lehne ich mich auf meine Ellbogen zurück und versuche mich zu amüsieren, auch wenn ich weiß, dass ich bald wieder wegmuss.

Das Ganze ist ein Geburtstagspicknick für eines der Mädchen aus der Roller-Derby-B-Mannschaft. Emmeline und ich haben am Nachmittag Käsestangen und Rock Cakes gebacken, die fast gar nicht angebrannt sind. Sie liegen jetzt in ihrer leicht geschwärzten Schönheit auf einem Papierteller, neben verschiedenen Quiches, Salaten, Würstchen im Teigmantel, vegetarischen Würstchen im Teigmantel, veganen Würstchen im Teigmantel, ein paar zerquetschten Sandwichs und einer verblüffenden Zahl selbst gebackener Kuchen, die allesamt auf einer karierten Wolldecke aufgereiht sind und in der Hitze vor sich hin schwitzen.

Emmeline quatscht mit ihren Freunden und ich lasse ihre Worte über meinem Kopf hinwegschweben wie die kleinen dunklen Wolkenfetzen am dunkler werdenden blauen Himmel. Ab und zu nehme ich einen Schluck aus einer der Bierflaschen, die wir mitgebracht haben, obwohl ich den Geschmack eigentlich gar nicht mag – aber Emmeline meinte, es würde einen falschen Eindruck erwecken, wenn wir da mit so einem süßen Fusel wie Bacardi Breezer oder so ankämen.

Eine weitere Gruppe von Mädchen trifft ein, die zwei sandfarbene Möpse dabeihaben. Die beiden Möpse, Fred und Ginger, versuchen, sich heimlich über die Würstchen herzumachen. Als sie merken, dass ich sie beobachte, kommen sie mit sabbernden Lefzen zu mir getrottet, drücken sich rechts und links an mich, um sich dann gleich auf den Rücken zu rollen und mir zwei stramme Bäuchlein entgegenzustrecken, die ich anscheinend kraulen soll.

Selbst zwei Möpse, denen man mich nicht einmal offiziell vorgestellt hat, merken, wie leicht man mich rumkriegen kann.

»Hey, Sunny. Alles okay mit dir?« Charlie setzt sich mit einem gefährlich durchhängenden Pappteller, auf dem sich das Essen stapelt, zu mir. Das bedeutet gleichzeitig, dass sie viel näher an Emmeline sitzt. »Wollten sie eure Pässe sehen, als ihr die Grenze in den Londoner Süden überschritten habt?«

Charlie ist echt nett. Sie ist supernett. Jedenfalls findet Emmeline das, aber trotz ihres ganzen draufgängerischen Gehabes kriegt sie es überhaupt nicht auf die Reihe, auf die eine zuzugehen, in die sie seit Monaten verknallt ist. Und deswegen bin ich hier – als Emmelines Begleitschutz.

Begleitschützerin.

Was auch immer. Wie sich herausstellt, bin ich auch nicht gerade top darin, mich mit Charlie zu unterhalten und dann nach und nach Emmeline in die Unterhaltung einzubeziehen. Mir fällt nichts Besseres ein als ein eingehender und äußerst langweiliger Bericht über unsere Fahrt von Crouch End hierher. »… und dann sind wir in Highbury und Islington umgestiegen, obwohl ich Ems gleich gesagt habe, dass wir lieber mit dem Bus nach Dalston Junction hätten fahren sollen und dann die ganze Strecke mit der Overground, aber sie meinte, ihre Version wäre schneller, und deswegen sind wir dann in Victoria noch einmal umgestiegen und sind immer noch eine Ewigkeit mit dem Zug gefahren bis Penge West.« Ich schnappe mir ein feines Ziegenkäse-Tomaten-Törtchen, das eher aus einem schicken Delikatessenladen als aus der Küche eines Roller-Girls zu stammen scheint, und stopfe es mir ganz in den Mund, sodass ich nicht weiterreden kann. Die beste Entscheidung des Tages.

»So eins musst du unbedingt probieren, Ems«, nuschele ich durch die herzhafte Geschmacksexplosion in meinem Mund hindurch.

Das ist das Stichwort, auf das sie die ganze Zeit verzweifelt gewartet hat. Emmeline rutscht auf den Knien näher. »Was ist los?«, fragt sie. »Oh, hallo, Charlie …«

»Hey, Ems.«

Die beiden sehen sich an und wenden sogleich den Blick ab, als hätten sie nie auf der Party nach dem Roller-Derby-Match in Cardiff rumgeknutscht.

»Diese Blaubeertörtchen sehen auch super aus«, nuschele ich und Charlie grinst mich dankbar an.

»Stimmt. Chloe sagt, sie hätte die nur eingeladen, weil sie wusste, dass sie immer so megaleckere Sachen mitbringen.«

Ich strecke die Beine aus und weiß jetzt schon, dass ich beim Aufstehen einen ganz reizenden Grasabdruck auf der Rückseite meiner Oberschenkel haben werde. »Wer bringt megaleckere Sachen mit?«

»Die beiden Franzosen, die Godards.«

Sofort setze ich mich gerade hin. »Die sind hier? Echt?«

Ich blicke mich hektisch um und dort, ganz am anderen Ende des lockeren Kreises von Leuten, der sich um das Essen gebildet hat, stehen dicht nebeneinander zwei blasse, dünne Jungs. Trotz der Hitze tragen sie schwarze, schmal geschnittene Anzüge, passend zu ihren schmalen Gestalten, und Sonnenbrillen. Ihre dunklen Haare sind fast so üppig wie meine.

Emmeline vergisst, dass sie eigentlich gerade einen auf schüchtern macht. »Oh mein Gott! Das sind sie wirklich!« Sie packt meine Hand. »Ich hatte sie immer für ein Gerücht gehalten!«

Die Godards. Franzosen. Erst gab es nur den einen, der schon seit längerer Zeit auf seinem Moped durch den Londoner Norden kurvte, und dann waren es, vor ungefähr einem Jahr, plötzlich zwei. So als hätte sich Godard Nr. 1 plötzlich klonen lassen. Keiner weiß so genau, ob sie Zwillinge sind oder beste Freunde oder ein Paar. Es macht sogar das Gerücht die Runde, sie wären noch nicht einmal Franzosen. Jeder hat seine eigene Meinung über sie. Es gibt sogar einen Eintrag auf Tumblr, FuckYeah!TheGodards, wo die Leute Bilder der beiden posten können und wo sie zuletzt gesehen wurden.

Der einzige Mensch, der sie tatsächlich kennt, ist überraschenderweise meine Mutter. Die beiden betreiben eine Coffee Bar in einem alten Citroën-Bus und stehen zweimal wöchentlich auf dem Markt in Spitalfields, wo sie ihren Antik-Shop hat.

»Die Jungs sind hinreißend«, sagt sie immer. »Hinreißender Kaffee. Hinreißender Kuchen. Und dann diese hinreißenden Manieren.«

Einmal hat sie sogar einen der beiden dazu gebracht, für sie eine pampige Mail an einen Antiquitätenhändler in Toulouse zu schreiben, der ihr eine vom Holzwurm zerfressene Schlafzimmergarnitur verkauft hatte.

»Anscheinend sind sie überhaupt nicht schwul«, bemerkt Charlie. »Ich hab sie mal in einem Club gesehen und da haben sie beide dasselbe Mädchen angebaggert.«

»Nicht, dass es irgendwie nicht okay wäre, schwul zu sein«, sage ich, weil ich schließlich hier bin, um Ems zu unterstützen. »Das ist natürlich voll okay.«

»Ja, danke, Sunny.« Emmeline schafft es, ihr Bein auszustrecken und mir einen Tritt zu verpassen, und ich weiß nicht, wozu sie eigentlich meine Unterstützung braucht. Anstatt endlich in die Pötte zu kommen, wirft sie nur verstohlene Blicke zu Charlie hinüber, und sobald sie nicht hinsieht, schaut Charlie mit glasigen Augen zurück.

Ich muss in zwanzig Minuten wieder weg. Ich habe keine Zeit für so was.

»Geh jetzt und sprich mit ihr. Richtig. Mach schon!«, zische ich.

»Ich kann doch nicht einfach so anfangen, mit ihr zu reden.«

»Doch, kannst du. Das machen Menschen so, wenn sie sich mögen. Soll ich mich mal rarmachen? Ich könnte losgehen und noch ein paar Törtchen holen.« Das biete ich nicht nur aus reiner Herzensgüte an, sondern weil ich einen näheren Blick auf die beiden Godards werfen will. »Ich könnte Charlie einen von unseren Rock Cakes anbieten. Einen von denen, die nicht ganz verkohlt sind. Um deine abgefahrenen Backkünste zu demonstrieren.«

»Wage es ja nicht«, knurrt Emmeline. »Ich komme schon alleine klar.«

»Mit ›klarkommen‹ meinst du, dass du lieber gar nichts tust?«

»Ich könnte dir jetzt noch einen Tritt verpassen. Würde das als ›etwas tun‹ zählen?«

Es ist zu heiß und ich liege zu bequem, um Emmeline zu sagen, dass es eigentlich nicht zählt. »Sag mal, Charlie, Em braucht neue Rollen für ihre Rollschuhe. Wo kaufst du die immer?«

Wie sich herausstellt, sind das die magischen Worte, die Emmeline und Charlie in ein Gespräch verwickeln, und ich bin vollauf damit zufrieden, einen Teil meines Samstagabends damit zu verbringen, Törtchen zu essen und pralle Mopsbäuchlein zu kraulen.

Dann summt mein Handy und schon bin ich nicht mehr zufrieden.

Das ist bestimmt Mark, der mir sagen will, dass meine Stunde hier um ist. Die Angst ist zurück. Sie ist bitter und verjagt die Süße des Törtchens und den salzigen Geschmack des Ziegenkäses. Ich greife nach dem Handy und bin erleichtert und nur ein klein wenig enttäuscht, dass es eine Nachricht von Martha ist.

Emmeline und ich nennen sie insgeheim OMG!Martha, weil die ersten Worte aus ihrem Mund immer lauten: »Oh mein Gott, ihr werdet nicht glauben, was ich eben erfahren habe!« Sie ist das Gossip Girl von Crouch End.

Allerdings muss ich Martha zugestehen, dass ihre Quellen meistens top sind. »Eingehende Nachricht von Martha«, informiere ich Emmeline. »Sie hat ein Bild angehängt, das wird bestimmt gut.«

»Oh, lass sehen!«

Ich halte mein Handy so, dass Emmeline einen perfekten Blick auf das Display hat, und … dann sagen wir beide: »Oh mein Gott!«

Ich schließe die Augen. Ich kann nicht hinsehen. Ich kann nicht nicht hinsehen. Ich öffne sie wieder, und dann sehe ich nur das Foto eines Jungen, der aussieht wie Mark, mein Mark, und dessen Mund auf dem Mund eines Mädchens klebt, das nicht ich bin. Eine seiner Hände ruht auf ihrem Arsch, in voller Schönheit kess zur Schau gestellt von ihren superknappen Hotpants.

OMG! Mark ist mit einem Mädchen in der Lock Tavern. Habt ihr euch getrennt? :( Fühl dich gedrückt. M xxx

»Wie kommt sie denn auf die Idee? Sie weiß doch genau, dass wir uns nicht getrennt haben. Sie war erst vor zwei Tagen auf meiner Grillparty und da war ich mit Mark zusammen. Sehr sogar. Überhaupt, der Typ sieht gar nicht so aus wie Mark.« Ich setze mich auf und blinzele auf das Display. »Das ist er nicht.«

»Na ja … das sieht schon aus wie das rote Freundschaftsbändchen, das du ihm geschenkt hast, und das hier sieht irgendwie so aus wie das blaue Karohemd, das du Terry geklaut hast und das sich Mark dann von dir geliehen und nie zurückgegeben hat«, merkt Emmeline an.

»Es gibt jede Menge Leute, die rote Freundschaftsbändchen und blaue Karohemden tragen. Unmengen.«

Wieder summt mein Handy. Wieder OMG!Martha.

Hier noch ein Bild. Dachte, du solltest das sehen :( LG M xxx

Es ist dasselbe Mädchen mit langen, glänzenden Haaren, das einen Jungen küsst, der nur Mark sein kann. Das Bild ist aus einem etwas anderen Winkel aufgenommen und zeigt unverkennbar seine blonde Mähne und den Leberfleck an seinem Kinn, den ich unzählige Male geküsst habe. Ich erkenne sogar seine dunkelblaue Unterhose, weil Marks Jeans so tief sitzen, dass, auch ohne Sex mit ihm zu haben, der Blick auf seine Unterhosen unvermeidlich ist.

Der Schmerz kommt ebenso plötzlich wie überwältigend. So wie wenn man sich den Zeh anstößt oder den Finger in einer Tür einklemmt. Ehe ich mich’s versehe, laufen mir brennende Tränen die Wangen hinunter. Ich beuge mich vor und hole tief Luft. Emmeline lässt ihre Hand auf meinem Rücken liegen.

Es muss eine vollkommen vernünftige Erklärung geben, warum Mark da, inklusive Zungeneinsatz, mit einem anderen Mädchen rummacht. Aber mir fällt einfach keine ein.

»Was soll ich jetzt tun?«, frage ich Emmeline. »Soll ich ihn anrufen?«

»Vielleicht solltest du ihn jetzt lieber nicht anrufen, sondern dich erst einmal beruhigen«, sagt Emmeline, aber ich habe schon auf den grünen Knopf gedrückt.

Es folgt ein Rauschen, das direkt in seine Mailbox-Ansage übergeht, und ich höre Marks Stimme, seine beschissene Stimme: »Yo! Du weißt, was zu tun ist.« Ich mache den Mund auf und hole tief und stockend Atem, aber noch bevor ich etwas sagen kann, schnappt Emmeline sich das Handy.

»Nein, du hinterlässt keine Nachricht. So leicht sollte er nicht davonkommen. Dass er eine andere küsst und du dann per Mailbox mit ihm Schluss machst. Er hat Schlimmeres und du hast etwas viel Besseres verdient!«

»Aber es könnte doch ein ganz unschuldiger Kuss sein. Okay, es sieht nicht so aus, aber vielleicht ist es ja so«, protestiere ich.

Dann breche ich endgültig in Tränen aus.

In meiner Brust sitzt ein Schmerz, ich bin verschwitzt und mir ist kalt und ich heule hier vor tausend Leuten, die ich nicht einmal richtig kenne.

»Nicht, Sunny, bitte.« Emmeline hat es nicht so mit Umarmungen, stattdessen boxt sie mir sanft gegen den Arm. »Ich hasse es, wenn du weinst. Und außerdem ruiniert es dein Make-up.«

Unter gewaltigen Anstrengungen gelingt es mir, das Schluchzen stockend einzustellen. Ich habe noch nicht einmal meine Sonnenbrille abgenommen, und als ich mir nun rechts und links mit einem Finger unter den Augen entlangfahre, sind sie schwarz vor verschmierter Wimperntusche.

»Schlechte Nachrichten, Sunny?« Charlie mustert uns mit verlegener Miene als unfreiwillige Zeugin meines plötzlichen Absturzes in die Verzweiflung. »Brauchst du ein Taschentuch? Soll ich ein paar Papierservietten holen?«

»Es geht um meinen Freund«, nuschele ich. »Und ich habe selbst Taschentücher dabei, aber danke.«

»Um deinen Ex-Freund«, ergänzt Emmeline mit Nachdruck. »Betonung liegt auf Ex. Da gibt es kein Zurück mehr. Das sind echte Beweise auf deinem Handy. Mit diesen Bildern könnte man vor Gericht belegen, dass Mark nichts taugt. Ich wusste es! Ich wusste nur nicht, dass er dazu auch noch untreu ist.«

»Untreue Typen sind echt das Letzte«, pflichtet Charlie ihr bei, als ob ich hören will, was sie über meinen Freund denkt. Will ich nämlich nicht.

»Als mein Freund mich einmal betrogen hat, habe ich gar nicht erst abgewartet, dass er es noch ein zweites Mal tut, sondern ihn gleich mit einem Arschtritt vor die Tür gesetzt«, sagt eines der Mädchen, die hinter uns sitzen.

»Ein Arschtritt ist die einzige Sprache, die solche Typen verstehen.«

»Warum glauben sie, dass sie damit durchkommen, obwohl sie doch immer erwischt werden?«

»Ja, bei untreuen Typen muss man echt die Null-Toleranz-Regel durchziehen.«

Als hätten sie sich zum Chor einer griechischen Tragödie formiert, geben nun sämtliche Roller-Derby-Girls ihren Senf dazu, was sie für miese Typen kennen und dass man keine Gnade walten lassen dürfe.

Ich kann nicht denken. Kann das Chaos von Gefühlen nicht auseinandersortieren, die alle nach Aufmerksamkeit schreien. Kann nichts anderes tun als das Foto auf meinem Handy anstarren.

Dann brummt es wieder und ich schalte das Handy aus und stecke es in meine Tasche zurück. Ich bin emotional nicht in der Verfassung, mir noch mehr pseudo-besorgte Trollbeiträge von OMG!Martha reinzuziehen. »Ich muss jetzt los.« Ich rappele mich auf. Ich hatte recht, das Gras hat sich auf meinen Oberschenkeln abgedrückt, aber das ist meine geringste Sorge. »Ich hab noch was zu erledigen.«

Was auch immer das sein könnte. In erste Linie, mich in Gretchen Weiners stinkigem Fell ausheulen und zwischendurch schubweise den Mut aufbauen, Mark anzurufen und ihn zu fragen, was zum Teufel hier eigentlich abgeht. Aber eigentlich traue ich mich nicht, Mark anzurufen, weil ich das schrecklich fiese Gefühl habe, dass er nicht mehr als die dreißig Minuten seit unserem letzten Telefonat gebraucht hat, um von alles bestens auf nicht mehr in mich verliebt zu kommen. Ich kapiere allerdings nicht, wie oder warum. Ich kapiere einfach gar nichts mehr.

»Genau, so ist es richtig! Stöber ihn auf und sag ihm ins Gesicht, was er für ein Arsch ist.« Charlie boxt mir gegen den Arm mit weit mehr Schwung als Emmeline. Es tut weh. Diese Roller-Girls können ihre eigenen Kräfte einfach nicht richtig einschätzen.

»Hast du das wirklich vor?«, fragt Emmeline skeptisch. »Du willst nur nach Hause, um dich auszuheulen, oder?« Sie steht auf und klaubt ihre Sachen zusammen. »Okay, dann komme ich mit. Und in meiner Gegenwart wird nicht rumgeheult.«

»Ich komm schon klar«, sage ich rasch, weil ich ihr Angebot zwar zu schätzen weiß, aber Emmeline hat sich den ganzen Weg zum Chrystal Palace geschleppt, um mit ihren Roller-Derby-Freunden zusammen zu sein und vor allem um in Sachen Charlie endlich einen entscheidenden Schritt weiterzukommen. Und ich will ihr nicht im Weg stehen.

»Du kommst ganz und gar nicht klar«, beharrt Emmeline. »Wer würde das schon? Weißt du was, sobald wir bei dir sind, schnappen wir uns den ganzen Krempel, den Mark dort liegen gelassen hat, und verbrennen ihn. Das wird dir guttun.«

Nicht wirklich. Außerdem hatte ich diese Woche bereits ein unschönes Erlebnis unter Beteiligung offener Flammen; noch eines könnte ich nicht verkraften.

»Bitte, Em. Ich komm mit deiner harten Tour gerade nicht so klar. Ich brauche jetzt zum Trost ein Eis und meine Schmusedecke.«

Emmeline erschauert bei der Erwähnung meiner (wirklich ziemlich versifften und leise müffelnden) Schmusedecke. »Ich kann die harte Tour auch etwas runterfahren.«

Ihr Gesicht ist offen, ganz ohne Hintergedanken. Sie ist geradeheraus. Sie meint es ehrlich. Wenn ich will, dass sie mit mir quer durch London zu mir nach Hause zurückeiert, damit wir dort alle Fenster zumachen, die Sommerhitze aussperren und Eis essen, weil man so was in solchen Situationen tut, dann ist sie dabei. Das ist absolut safe, auch wenn ich mir bei so vielen anderen Dingen alles andere als sicher bin. Und Emmeline wird sagen: »Ich mochte ihn eigentlich noch nie.« Das wird sie ständig wiederholen. Und dann sogar: »Diese Trulla … sah echt wie eine Schlampe aus«, obwohl Emmelines Mum immer betont, dass wir nicht so über andere Mädchen ablästern sollen – selbst wenn sie es wirklich verdient haben.

Emmeline würde all das tun, weil sie meine beste Freundin ist, aber sie kann dennoch nicht den flüchtigen Blick in Charlies Richtung verheimlichen. Darin liegt Hoffnung, so viel Hoffnung – bis sich diese Hoffnung in Bedauern verwandelt.

Das mit der besten Freundin gilt allerdings für beide Seiten.