Zusammen sind wir einmalig - Sarra Manning - E-Book
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Sarra Manning

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Beschreibung

Zwei Singles, ein Hund und die ganz große Liebe ... Dieser Roman ist britische Romantic Comedy par excellence und begeistert Leserinnen und Presse! All die vergeblichen Versuche, endlich ihren Traumprinzen zu finden – Margot hat genug davon! Die quirlige 36-Jährige, die ihre Kurven gern durch auffällig gemusterte Kleider unterstreicht, will doch nur so geliebt werden, wie sie ist. Der verschlossene Will scheint das genaue Gegenteil von Margot zu sein. Als sie in einem Tierheim aufeinandertreffen, funkt es trotzdem sofort – allerdings nicht zwischen den beiden. Beim Anblick der sensiblen Hundedame Blossom sind Margot und Will schockverliebt. Sie beschließen, sich abwechselnd um Blossom zu kümmern. Das kann ja heiter werden, denkt sich Margot. Doch unter Wills harter Schale verbirgt sich ein großes Herz, und Blossom hat bereits ganz eigene Pläne für ihre zwei neuen Lieblingsmenschen ... »Wunderschön geschrieben, witzig und liebenswert – ich habe diese Romantic Comedy mit Begeisterung gelesen!« Kate Eberlen »Ein großartiges Buch. Absolut wundervoll und mit großartigen Charakteren!« Marian Keyes ​»Klug, lustig, romantisch – Sarra Mannings Romane sind pures Lesevergnügen!« Mhairi McFarlane ​»Eine heitere und originelle Liebesgeschichte, erzählt mit Tiefe, Humor und Herz (und mit dem bezauberndsten Hund in der Hauptrolle).« Holly Miller​, Autorin von »Ein letzter erster Augenblick« »Romantisch, aufrichtig, witzig und frisch. Wenn Sie Love to Share geliebt haben, werden Sie von Zusammen sind wir einmalig begeistert sein.« Laura Jane Williams, Autorin von »Dein Lächeln um halb acht« »Einfach nur hinreißend!« Cosmopolitan

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© Sarra Manning 2021

Titel der englischen Originalausgabe:

»Rescue Me«, Hodder & Stoughton, London 2021

© der deutschsprachigen Ausgabe:

Piper Verlag GmbH, München 2021

Redaktion: Christine Neumann

Covergestaltung: FAVORITBUERO, München nach einem Entwurf

von Jo Myler, Hodder & Stoughton

Covermotiv: Abby Lossing

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Inhalt

Cover & Impressum

Widmung

Zitat

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Für Eric, den singenden Mops, Monty und Marley, Ginger und Snoopy, Chubs, Scooby und Luna, Ambrose und Gertie, Ollie, Tag, Huxley, Oreo, Truffle, George, Mabel und Barksley, Bob, Lola, Henry, Lucy, Reggie, Harry und Mr Bingley, Bella 1, Bella 2, Bella 3, Milo 1, Milo 2, Shepsy, Spike, Doris, Gaia, Benji, Cracker, Lorenzo, Ralph, Woody, Biscuit, Rosie, Leo, Smithy, Freya, Denby, Rufus und alle anderen derzeitigen und vergangenen Hunde von Muswell Hill. Aber vor allem für den entzückenden und sanftmütigen Oscar, der den Gang über die Regenbogenbrücke bereits hinter sich hat und der erste Teilzeithund war.

»Mein kleiner Hund, ein Herzschlag zu meinen Füßen.«

Edith Wharton

Kapitel 1

Margot

Margot Millwood war ein Katzenmensch. Nur leider hatte das noch niemand ihrem Kater Percy erklärt.

Genauso wie niemand Margots Ex-Freund George erklärt hatte, dass sie nach zweimonatiger Trennung wieder zusammenkommen würden.

George hatte sie um einen schnellen Drink nach der Arbeit gebeten, und Margot war davon ausgegangen, dass ein schneller Drink zu einem Abendessen und zu dem Geständnis führen würde, dass George – wie Margot – gesehen hatte, was auf den Dating-Apps los war, und zu dem Schluss gekommen war, dass das, was sie gehabt hatten, doch nicht so schlecht gewesen war.

Falsch gedacht!

»Ich habe bei mir noch ein paar Sachen von dir gefunden«, erklärte George und reichte ihr eine prall gefüllte Plastiktüte, bevor Margot überhaupt an ihrem Gin Tonic nippen konnte. »Ich kann nicht lange bleiben. Ich habe noch etwas vor.«

»Noch etwas vor …?« Margot warf einen schnellen Blick in die Tasche, die unter anderem eine fast leere Tube getönte Tagescreme und ein rotes Spitzenhöschen enthielt, das garantiert nicht ihr gehörte. Sie war versucht, es ihm mit einem vernichtenden Kommentar ins Gesicht zu schleudern, aber sie vermutete, dass es nicht gewaschen war. »Dieses Hös–«

»Tut mir leid, dass alles so stressig ist, aber ich bin mir sicher, dass keiner von uns beiden noch einmal den Grund unserer Trennung durchkauen will«, fuhr George fort und stürzte die Hälfte seines hippen, lokal gebrauten Bieres mit beinahe ungebührlicher Eile hinunter.

Einer Kampfansage wie dieser konnte Margot noch nie widerstehen. »Wir haben uns getrennt, weil du nach zwei Jahren beschlossen hast, dass du noch nicht einmal bereit bist, darüber zu sprechen, wann wir eine Familie gründen wollen, und mir das ausgerechnet an meinem sechsunddreißigsten Geburtstag unter die Nase reiben musstest.«

»Ich habe dich zum Geburtstagsessen eingeladen, und du hast mir erklärt – nein, du hast von mir verlangt –, dass wir noch am selben Abend ein Baby machen, bevor ich überhaupt einen Blick in die Speisekarte werfen konnte«, rief ihr George in Erinnerung, während Margots Handy zu klingeln begann. Sie ignorierte es.

»Ich habe nicht von dir verlangt, dass du mich noch in dieser Nacht schwängerst. Ich habe bloß darauf hingewiesen, dass meine Fruchtbarkeit mit sechsunddreißig abnimmt«, verteidigte sich Margot. Ihr Telefon verriet ihr piepend, dass sie eine neue Nachricht hatte. George stieß ein gedehntes, geräuschvolles Seufzen aus.

»Egal, das ist jetzt nicht mehr wichtig. Wir sind beide weitergezogen«, erklärte er. »Eine Totenbeschau hat jetzt echt keinen Sinn mehr, Margs.«

Das stimmte tatsächlich. Margot legte die Hände übereinander, um sich von jeglichen Drohgebärden abzuhalten. Sie wollte auch keine Totenbeschau, trotzdem hatte George einen guten Rat verdient.

»Wenn wir gerade beim Weiterziehen sind, kann ich dir nur raten, dass du deiner nächsten Flamme besser von Anfang an sagst, dass du Kinder kategorisch ablehnst. Besser ehrlich, als sie zwei Jahre lang mit falschen Versprechungen und Vielleichts hinzuhalten«, sagte sie kühl und ohne eine Spur von Verbitterung, während ihr Handy erneut zu klingeln begann.

Sie ignorierte es auch dieses Mal, denn sie hatte bemerkt, dass George ihr plötzlich nicht mehr in die Augen schauen konnte.

»Du bist bereits mit jemandem zusammen.« Es war keine Frage.

George nickte. »Es gibt kein Gesetz, das es mir verbietet«, sagte er steif. »Willst du nicht mal ans Handy gehen?«

»Vergiss das Handy«, erwiderte Margot. »Noch einmal, mach meiner Nachfolgerin bitte nichts vor. Ab fünfunddreißig ist die Fruchtbarkeit –«

»– einer Frau nur noch halb so groß«, beendete George den Satz für sie. »Ja, das hast du mir bereits Hunderte Male vorgerechnet.«

Aber es hatte trotzdem nicht gereicht, um George zur Tat schreiten zu lassen, anstatt Margot mit Floskeln abzuspeisen, was für eine gute Mutter sie einmal werden würde. Oder mit dem Vorschlag, dass sie besser noch ein oder zwei Jahre und ein paar Gehaltserhöhungen abwarten sollten, um ein Haus für ihre hypothetische Familie kaufen zu können, die George ja gar nicht haben wollte.

»Ich meine nur. Deiner neuen Freundin zuliebe.« Niemand konnte Margot vorwerfen, sich nicht schwesterlich zu verhalten.

»Darüber musst du dir keine Gedanken machen, und Cassie auch nicht«, erwiderte George und merkte vermutlich nicht einmal, dass er vor Stolz die Brust blähte wie eine fette Taube.

»Aha, dann nehme ich an, dass deine Cassie unter dreißig ist.« Es war offensichtlich, aber Georges aufgesetzt verlegenes Lächeln bestätigte es ihr.

»Sie ist sechsundzwanzig.« Er wirkte nicht ansatzweise beschämt, dass er eine fünfzehn Jahre jüngere Frau datete. Im Gegenteil, er wirkte hocherfreut.

Margots Handy klingelte bereits zum dritten Mal, und dieses Mal war es eine willkommene Unterbrechung. »Sieht so aus, als wollte mich jemand unbedingt sprechen.« Margot erhob sich, schnappte sich ihre Jacke, die Handtasche und die Plastiktüte mit dem gammeligen Plunder, der vermutlich nicht einmal ihr gehörte. »War nett, mal wieder mit dir zu plaudern. Mach’s gut!«

Natürlich verfing sich der Riemen ihrer Handtasche am Stuhl, und während sie sich hastig zu befreien versuchte, hörte ihr Handy auf zu klingeln, und George bekam nicht nur die Chance auf das letzte Wort, sondern lieferte zugleich eine ziemlich vernichtende Charaktereinschätzung ab.

»Weißt du, Margs, ich habe immer gehofft, dass wir beide die Ziellinie erreichen, aber du bist einfach ›too much‹.«

Der Vorwurf traf Margot vollkommen unvermittelt, und ließ die Wut in ihr aufsteigen. Eine jüngere Margot hätte sich vielleicht geschworen, in Zukunft nicht mehr so anstrengend zu sein, aber die reifere Margot weigerte sich, eine derartige Unterstellung anzunehmen.

»Nein, du bist ›too much‹«, zischte sie und verließ die affektierte kleine Bar in Kings Cross, während sie in ihrer Tasche nach dem Handy kramte, das schon wieder klingelte und vibrierte. Als Richard Burton zum ersten Mal Elizabeth Taylor gegenübergestanden hatte, hatte er sie ebenfalls als »too bloody much« bezeichnet, aber nur, weil Elizabeth Taylor zu viel von all den guten Dingen gehabt hatte, die eine Frau ausmachten: Witz, Intelligenz, Killerkurven und violette Augen. Aber wenn George – mit seinem fliehenden Kinn und der alles andere als schnellen Auffassungsgabe für partnerschaftliche Denkanstöße (ha! Jetzt konnte sie es endlich zugeben!) – erklärte, dass Margot »too much« war, dann meinte er, dass sie bedürftig, fordernd und verzweifelt sei. Margot hielt sich für nichts dergleichen, aber sie war nun mal sechsunddreißig, und die Zeit verging wie im Flug, während die Aussichten auf eine ernsthafte Beziehung immer düsterer wurden.

»Ja?«, zischte sie zur Begrüßung des unbekannten Teilnehmers, der vermutlich aus einem Callcenter am anderen Ende der Welt anrief, um sich zu erkundigen, ob sie in letzter Zeit in einen Unfall verwickelt gewesen war.

»Hallo?«, erwiderte eine unsichere weibliche Stimme. »Ich versuche schon seit einer halben Stunde, Sie zu erreichen. Es geht um Ihren Kater. Sie nennen ihn Percy, glaube ich.«

»Ich nenne ihn Percy, weil das sein Name ist«, erwiderte Margot gelassen, obwohl sie alles andere war als das. »Sind Sie die Person, die ihn gekidnappt hat?«

Margot war es gewöhnt, dass Percy sich rarmachte. Tatsächlich tolerierte er sie kaum in seiner Nähe. Wenn er wieder einmal die ganze Nacht unterwegs gewesen war, kam er heim und schrie so lange, bis Margot ihn fütterte. Sie hätte sich inzwischen sogar über den einen oder anderen toten Vogel oder eine halb tote Maus gefreut, die ihre Freunde von ihren Katzen als Liebesbeweis geliefert bekamen. Aber nur weil es schwer war, jemanden – oder eine Katze – zu lieben, hieß das nicht, dass man einfach so aufgab. Er war immer noch ihr Percy. Auch wenn Margots Freunde ihn Mistvieh nannten, weil er Margot immer wieder mit seinen großen Augen und von sich gestreckten Gliedern zu sich lockte, als wollte er von ihr gestreichelt werden. Er begann sogar zu schnurren, wenn sie ihn unterm Kinn kraulte. Doch sobald Margot es wagte, sich langsam zu entspannen, kratzte oder biss er sie. Und wenn sie wirklich Pech hatte, machte er sogar beides. Dank ihrer Liebe zu Percy wusste sie immer ganz genau, wann die nächste Tetanusimpfung anstand.

In den letzten Monaten war Percy immer länger und länger fortgeblieben und dabei fetter und fetter geworden. Es war offensichtlich, dass er sich bei den Nachbarn anbiederte, weshalb Margot zu einer verzweifelten Maßnahme gegriffen hatte. Nachdem sie die Nachricht an Percys Halsband angebracht hatte, war ihr das Blut von den Händen getropft.

An alle, die es interessiert:Percy wird geliebt und regelmäßig gefüttert.Lassen Sie ihn NICHT ins Haus,und geben Sie ihm NICHTS zu fressen.Meine Nummer steht auf dem Schild am Halsband, falls ich ihn abholen soll.

 

»Wir haben ihn nicht gekidnappt. Es gefällt ihm hier anscheinend bloß besser als bei Ihnen«, meinte die Frau am anderen Ende der Leitung gerade etwas ungehalten. Doch dann wurde ihr offensichtlich klar, dass sie Percy sehr wohl gekidnappt hatte, wenn er sich derzeit in ihrem Haus befand, denn sie seufzte. »Hören Sie, können Sie vielleicht vorbeikommen?«

Margot wäre am liebsten nach Hause gegangen, in ihre Jogginghose geschlüpft und hätte darüber nachgegrübelt, was mit George schiefgelaufen war. Vielleicht hätte sie sogar geweint. Nicht wegen George und seiner sechsundzwanzigjährigen neuen Freundin im fruchtbarsten Alter, sondern weil sie es einfach nicht schaffte, einen passenden Mann zu finden. Sie wollte doch nur einen durchschnittlichen, normalen Mann ohne Bindungsangst.

Aber nicht heute Abend, Satan. Heute Abend war Margot gerade lange genug zu Hause, um Percys Katzenkorb, einen Beutel Dreamies und ein dickes Badetuch zu holen. Dann machte sie sich auf, um ihren soziopathischen Kater aus einer der schönen großen viktorianischen Villen zu holen, für die Highgate bekannt war.

Margot wurde in einen offenen Wohn-Ess-Bereich geführt, in dem es nicht bloß einen, sondern gleich zwei Kaminöfen gab. Über einem hing ein Warhol-Druck von Mao, und die riesige Wohnlandschaft hätte ihre ganze Wohnung ausgefüllt. Auf den Kissen saßen zwei kleine Mädchen – sie waren sicher nicht älter als vier und sechs und hätten an einem Schultag um acht Uhr abends definitiv längst ins Bett gehört –, und zwischen ihnen eingekuschelt lag Percy. Er hatte ein Babymützchen auf dem Kopf und ignorierte Margot geflissentlich.

»Hören Sie, Sie dürfen ihn einfach nicht mehr ins Haus lassen«, erklärte Margot der abgespannten Frau, die ihr die Tür geöffnet und sich als Fay vorgestellt hatte, und ihrem ebenso abgespannten Mann Benji. Als Margot gekommen war, hatte die Nanny gerade das Haus verlassen, weshalb Margot keine Ahnung hatte, warum die beiden so fertig aussahen. »Er ist ein Kater und Opportunist. Aber er ist mein Kater und mein Opportunist.«

»Er heißt nicht Percy, sondern Pudding«, meldete sich das jüngere Mädchen zu Wort. Ihr pummeliges Ärmchen hielt Percy/Pudding im Würgegriff. Bald würde Blut fließen.

»Wenn er bei dir glücklich wäre, würde er nicht dauernd zu uns kommen«, erklärte ihre ältere Schwester, während sie Margot feindselig anstarrte. Genauso wie Percy, dessen Blick mörderisch war.

Margots Boss Tansy hatte ihr geraten, sich keine Schildpattkatze zuzulegen. »Alle Katzen haben die Tendenz, Arschlöcher zu sein, aber Torties sind die schlimmsten«, hatte sie gemeint, als sich Margot vor ein paar Jahren während der Wurfsaison auf den Tierhilfe-Seiten im Internet umgesehen hatte. Wie oft hatte Margot sich gewünscht, sie hätte damals auf Tansy gehört. Trotzdem würde sie ihren Kater jetzt nicht kampflos aufgeben.

Am Ende floss tatsächlich Blut. Und zwar Margots Blut, als sie versuchte, Percy in seinen Katzenkorb zu verfrachten. Dazu war es nötig, das dicke Badetuch über ihn zu werfen, um ihn einerseits kampfunfähig zu machen und andererseits ihre Hände zu schützen. Leider schaffte Percy es trotz allem, eine Pfote zu befreien und den auf sein Konto gehenden Narben auf Margots rechter Hand noch weitere tiefe Kratzer hinzuzufügen.

Die kleinen Mädchen weinten, Fay war mit den Worten »Mein Gott, ich brauche einen Drink« verschwunden, und Benji murmelte in einem fort: »Sind Sie sicher, dass der Kater Ihnen gehört?«

O ja, das hier war auf jeden Fall Margots Kater. Der Letzte in einer langen Reihe von Männern, die dachten, auf der anderen Seite des Zauns wäre das Gras viel, viel grüner.

»Okay«, meinte Margot, als Fay mit einem Verbandskasten wiederkam. »Wissen Sie was? Sie dürfen ihn behalten.«

Fay und Benji nahmen ihren Sieg huldvoll zur Kenntnis, und Elise, das kleinere Mädchen, kam zu Margot und umarmte sie tröstend, während Fay vorsichtig desinfizierende Wundcreme auf Margots Verletzungen tupfte und Benji laut überlegte, ob diese nicht besser genäht werden sollten.

Sie nannten sie andauernd Marge, bis Margot schließlich anmerkte, dass sie Margot – Mar-go – hieß. »Marge klingt nach einem Butterersatzprodukt, und ich bin ganz sicher kein Ersatzprodukt.« Obwohl ihr Ersatz durch diverse Nachfolgerinnen an diesem Abend durchaus ein wiederkehrendes Motiv war.

Benji bot an, Margot nach Hause zu bringen, aber im Grunde tat er es nur, um Percys Sachen zu holen. Den Kratzbaum, tonnenweise Spielzeug und das schweineteure Katzenfutter, weil Percy sonst nichts anderes fraß. Margot packte alles in einen Karton, lehnte jegliche Bezahlung ab, stieß die Tür hinter Benji zu und kam mit einem Mal zu einem Entschluss.

»Das war’s! Ab jetzt mag ich Hunde.«

Kapitel 2

Will

Roland trug einen schwarzen Rollkragenpullover, cremefarbene Chinos und eine Hornbrille. Egal ob Frühling, Sommer, Herbst oder Winter, der schwarze Rollkragenpullover, die Chinos, die Brille und sein ausdrucksloses Gesicht waren unumgänglich.

Seit nunmehr einem Jahr kam Will einmal die Woche in Rolands Praxis etwas abseits der Kilburn Park Road, und dennoch hätte er ihn ohne den Rollkragenpullover und die Hornbrille bei einer polizeilichen Gegenüberstellung niemals erkannt.

Vielleicht war genau das der Punkt.

»Dann sind Sie also sicher, dass Sie eine Pause einlegen wollen?«

Will erkannte, dass Roland ihn keine Sekunde aus den Augen gelassen hatte, während er gedanklich abgeschweift war.

»Keine Pause. Ich will die Therapie beenden«, erwiderte er mit fester Stimme, obwohl ihn Rolands ausdrucksloses Gesicht wie immer nervös machte. »Ich habe von Anfang an gesagt, dass ich mir ein Jahr Zeit gebe, um mich wieder hinzubiegen.«

Sobald er es ausgesprochen hatte, wünschte Will, er hätte es anders formuliert. Roland schob seine Brille ein Stück weit die Nase hinunter und sah ihn über den Rand hinweg an. »Hinbiegen?«, fragte er leise. »Ich glaube, mich erinnern zu können, dass wir am Beginn Ihrer allerersten Sitzung darüber sprachen, dass es hier nicht darum geht, etwas hinzubiegen. Es ist vielmehr ein fortlaufender Prozess.«

»Ja, aber ich habe trotzdem nur ein Jahr eingeplant«, erinnerte Will ihn. Dank Roland fühlte er sich in einer Konfrontation nicht mehr länger unwohl. »Ich wollte eine zielorientierte Herangehensweise, und dieses Ziel habe ich jetzt erreicht. Es ist also ein guter Zeitpunkt – ein geradezu hervorragender Zeitpunkt – für einen Abschluss. In New York kannte ich Leute, die jahrelang zur Therapie gingen, manche sogar Jahrzehnte, und es war kein Ende in Sicht.«

Will verschwieg, dass viele dieser Leute vollkommen funktionsgestört waren, weil die Therapeuten an allen Aspekten ihres Lebens herumgepfuscht hatten, anstatt es zu verbessern.

»Nun, Sie haben tatsächlich große Fortschritte gemacht«, gab Roland zu. »Sie haben jede Menge Arbeit investiert, und ich sage das nicht leichtfertig. Es kann eine große Herausforderung sein, auf Erinnerungen zurückzugreifen, die so lange begraben lagen.«

Das war ein weiterer Grund, warum Will eine frühzeitige Entlassung aufgrund guter Führung verdient hatte. Vor einem Jahr war er eine leere Hülle gewesen. Ausgebrannt, nicht einsatzfähig. Und jetzt? Er versuchte zwar immer noch herauszufinden, wer er war, aber er wusste zumindest, dass er nicht der Mann war, in dessen Rolle er vor Jahren geschlüpft war. »Ich bin weit gekommen.«

»Die Panikattacken sind also zurückgegangen?«

»Ich hatte seit Monaten keine mehr.«

»Und Ihr Arzt war einverstanden, dass Sie die Antidepressiva absetzen?«

Will nickte. »Ich habe vor fünf Monaten angefangen, die Dosis zu verringern, und vor zwei Monaten ganz damit aufgehört.«

»Und Sie sind bereit, emotionale Verbindungen einzugehen, die bisher in Ihrem Leben gefehlt haben?«

Natürlich hatte sich Roland die schwerste Frage bis zum Schluss aufgehoben.

»Emotionale Verbindungen haben im Moment für mich keine Priorität.«

»Nanu. Ich dachte, das Fehlen emotionaler Verbindungen und Ihre Unfähigkeit, sich anderen Menschen in tiefer, bedeutsamer Weise verbunden zu fühlen, sind die Hauptthemen, an denen wir im letzten Jahr gearbeitet haben?« Roland warf einen Blick auf seinen Block und die umfangreichen Notizen, die er sich gemacht hatte.

»Ich habe mich im letzten Jahr meiner Familie emotional angenähert. Das muss doch auch zählen«, beharrte Will. Nachdem er vor über zwanzig Jahren von zu Hause ausgezogen war, hatte er selten das Bedürfnis verspürt, dorthin zurückzukehren. Nach drei Jahren an der Universität von Manchester und einem erstklassigen Abschluss in Internationaler Finanzwissenschaft und Betriebswirtschaft war Will von den Headhuntern einer weltweit agierenden Investmentbank angeheuert worden. Man hatte ihm das Masterstudium an der Wharton Business School in Philadelphia finanziert, und darauf folgten fünf Jahre in Berlin, drei Jahre in Paris und ein kurzer Zwischenstopp in Hongkong, bevor er nach New York versetzt worden war, wo ihn die größte private Investmentbank der Stadt abgeworben hatte.

Er hatte in jeder Hinsicht eine strahlende Karriere hingelegt. Hatte Leistungsboni und Eckapartments mit unglaublicher Aussicht abgestaubt, von denen eines größer war als das andere. Sein Zuhause und der Blumenladen, den die Familie in Muswell Hill betrieb, waren eine Million Lichtjahre entfernt gewesen.

Natürlich hatte Will jeden Sonntagmorgen pflichtschuldigst seine Mutter Mary angerufen und war zu Geburten, Hochzeiten und neuerdings leider auch zu Beerdigungen nach Hause zurückgekehrt. Ab und zu hatte seine Familie ihn besucht.

Er hatte also eine Familie, und er mochte sie. Es hatte sich allerdings herausgestellt, dass er sie sehr viel lieber mochte, wenn ein ganzer Ozean und mehrere Zeitzonen zwischen ihnen lagen.

Im letzten Jahr hatte Will seine Familie tagtäglich gesehen, und auch wenn er eigentlich ein berufliches Sabbatical einlegen wollte, hatte er irgendwann damit begonnen, im Familienunternehmen mitzuarbeiten. Das musste Roland ihm doch zugutehalten. Genauso wie die Tatsache, dass er seine Halbschwester Sage bisher nicht umgebracht hatte. Sage hatte noch nicht einmal in Gedanken existiert, als Will zum ersten Mal von zu Hause fort war, und sie hatte inzwischen das Nerven ihrer Mitmenschen zu einer Kunstform erhoben.

»Natürlich sind Familienbande wichtig und prägend. Genauso wie die Familienbande, die wir durchtrennen.« Roland verschränkte die Arme, doch diesen speziellen Weg würde Will sicher nicht schon wieder einschlagen. Er verschränkte ebenfalls die Arme und hielt Rolands Blick stand, bis der Therapeut seufzte. »In Ordnung, Will, dann erzählen Sie mir bitte noch mal von Ihrer letzten Liebesbeziehung. Wie war das mit der Dame, die mit ihrem Schuh auf Sie eingeschlagen hat?« Roland hatte viele bewundernswerte Qualitäten, doch seine Fähigkeit, sich an die erniedrigendsten Momente in Wills Leben zu erinnern, gehörte nicht dazu.

»Dovinda? Sie hat mich nicht mit ihrem Schuh geschlagen, sie hat ihren Schuh nach mir geworfen«, stellte er klar. »Und wir hatten keine Beziehung. Wir sind nur miteinander ausgegangen. So macht man das in New York.«

Das hatten sie alles schon durchgekaut. Mehr als einmal.

»Dann ist also niemand in New York in einer festen Beziehung? Schon seltsam.« Roland, dessen Gesicht immer noch ausdruckslos war, schüttelte den Kopf. »Erzählen Sie doch noch einmal, warum Dovinda ihren Schuh nach Ihnen geworfen hat.«

Will ließ sich nicht zweimal bitten. »Weil sie eine richtige Beziehung wollte und ich dachte, wir seien uns einig, dass wir zwar gerne zusammen sind und auch miteinander ins Bett gehen, mehr aber nicht.«

»Wobei es sich um ein wiederkehrendes Muster in Ihren Beziehungen handelte«, stellte Roland nickend klar und machte sich Notizen.

»Noch einmal: Das waren keine Beziehungen.«

Dieses Thema war in diesem Zimmer schon oft genug zur Sprache gekommen. Jeden Donnerstagabend zwischen sechs und zehn vor sieben hatte Will sich versteckten Wahrheiten und lange verborgenen Geheimnissen gestellt und Dinge angesprochen, die er sich nie hätte vorstellen können. Da kamen Schmerz, rohe Emotionen und sogar Tränen hoch, doch die Beziehung zu Roland zu beenden fiel ihm bisher am schwersten.

Außerdem lag Roland falsch. Die Tatsache, dass Will tiefe emotionale Bindungen zu anderen Menschen vermied, hatte nichts mit dem einschneidenden Erlebnis zu tun, das ihn in Rolands Behandlungszimmer geführt hatte. Es hatte nichts damit zu tun, dass er auf einer Trage in der Notaufnahme des New York Presbyterian Hospitals gelegen hatte und überzeugt gewesen war, einen Herzinfarkt erlitten zu haben. Klar hatte er zu dem Zeitpunkt seit mehr als fünf Jahren in New York gelebt, und es hatte trotzdem keinen einzigen Menschen gegeben, den er hätte anrufen wollen, aber das war nicht das Problem gewesen.

Das Problem war gewesen, dass er eine strahlende Karriere, eine schicke Wohnung in Tribeca, jede Menge Geld auf der Bank und die modernsten Technikspielereien und teuersten Trainer hatte, doch plötzlich war dieser nagende, stechende, einsame Schmerz in seiner Brust das Allerwichtigste in seinem Leben gewesen. Der dynamische, erfolgreiche, getriebene Mann, zu dem er sich selbst gemacht hatte, hatte nicht mehr existiert, und er war wieder zu dem verängstigten, hilflosen Zwölfjährigen geworden, der …

Roland räusperte sich, und Will kehrte aus seinen Gedanken ins Behandlungszimmer und in die Gegenwart zurück, die so viel besser war als die Vergangenheit. »Sie haben sehr schwierige persönliche Umstände hinter sich gelassen und sich im letzten Jahr wieder in Ihre Familie eingefügt, das heißt, Sie können sehr wohl emotionale Bindungen eingehen und brauchen diese auch, obwohl Sie das Gegenteil behaupten. Aber mal abgesehen von Ihrer Familie möchte ich, dass Sie spontan eine andere Person in Ihrem Leben nennen, mit der Sie eine tiefgreifende Verbindung gespürt haben«, verlangte Roland, und Will spürte mit einem Mal, wie die Panik wie bittere Galle in ihm hochstieg. »Jemanden, bei dem Sie keine Angst davor hatten, verletzlich zu sein. Jemanden, den Sie bedingungslos geliebt haben.«

Will fiel keine Menschenseele ein. Dann kam ihm plötzlich eine Antwort in den Sinn. »Muttley«, platzte es aus ihm heraus. »Hunde zählen doch auch, oder?«

Allein der Gedanke an den Jack-Russell-und-weiß-Gott-was-noch-Mischling aus seiner Kindheit zauberte ihm ein Lächeln aufs Gesicht. Muttley war sein ständiger Begleiter gewesen. Er ging mit Will zur Schule und wartete, bis er wieder herauskam. Sie spielten stundenlang Ball. Und es gab Tage, an denen Will im Dunkeln sein Gesicht an das warme, dunkle Fell presste, dem Hund seine geheimsten Sorgen und Ängste anvertraute und spürte, wie die Tränen zu fließen begannen.

Das war Liebe. Das musste Liebe sein. Aber …

»Ich werde mir keinen Hund zulegen!«, erklärte Will bestimmt.

Roland hob kaum merklich die Augenbrauen. »Niemand hat gesagt, dass Sie sich einen Hund zulegen sollen.«

»Ein Hund – selbst ein Pflegehund – ist eine riesige Verpflichtung. Riesig.«

»Es hat auch niemand etwas von einem Pflegehund gesagt.« Roland seufzte erneut. Es war bereits zehn Minuten vor sieben und Zeit, dass sein Patient sich endgültig verabschiedete.

Doch Will wollte die Dinge nicht ungeklärt in der Luft hängen lassen, was nur wieder bewies, wie sehr er als Mensch gewachsen war. »Vielleicht könnte ich ab und zu einen Hund Gassi führen. Als ehrenamtlicher Helfer in einem Tierheim zum Beispiel?« Er runzelte die Stirn. »Das kann sicher nicht schaden, oder?«

Angesichts der Feierlichkeit der Situation runzelte auch Roland die Stirn. Es war die deutlichste Gefühlsregung, die Will je an ihm gesehen hatte. Er wartete auf Rolands Abschlussrede, die sicher auch dieses Mal sehr aufschlussreich sein und nachdenklich stimmen würde.

Doch Roland legte bloß den Stift beiseite und sah Will noch einmal durchdringend an. »Ich finde sicher einen freien Termin, falls Sie die Sitzungen fortsetzen wollen«, erklärte er mit einem einigermaßen wehmutsvollen Lächeln. »Bis dahin, alles Gute!«

Kapitel 3

Margot

»Ich bin liebenswürdig. Ich bin stark. Ich bin positiv. Ich ziehe liebenswürdige, starke, positive Menschen an. Ich verdiene es, geliebt zu werden. Ich bin eine wunderbare Hundebesitzerin.«

Normalerweise versuchte Margot, etwas energiegeladener zu sein, wenn sie ihre täglichen positiven Gedanken formulierte, die das bestmögliche Bild von ihr zeichnen und es hinauf ins Universum schicken sollten, damit es irgendwann Realität werden konnte. Doch sie saß auf der Rückbank eines Uber-Taxis, und der Fahrer war bereits beleidigt, weil sie ihn gebeten hatte, das Info-Radio auszumachen und einen Musiksender einzustellen. Außerdem begleitete sie ihre Freundin Tracy, die der Sache mit der positiven Energie nichts abgewinnen konnte.

Während die Bee Gees die Hörer zum Tanzen aufforderten – Yeah! –, nahm Margot einige beruhigende Atemzüge. Sie war genauso nervös wie vor einem ihrer unzähligen Blind Dates. Eigentlich sogar nervöser, denn in letzter Zeit hatte sie nur Resignation verspürt, bevor sie sich mit dem nächsten Mann von der nächsten Dating-App getroffen hatte, weil ihr eigentlich schon von vornherein klar gewesen war, dass er höchstwahrscheinlich nicht der Richtige sein würde. Weil er sie nur wieder von oben bis unten mustern und sich nicht damit aufhalten würde, seine Enttäuschung oder die lüsterne Freude zu verbergen, dass sie auch nicht die Richtige war, es aber sicher für einen One-Night-Stand reichen würde.

Einem Hund würde es egal sein, dass Margot Größe 44 trug, dass sie schon vor zwei Wochen ihren Ansatz hätte färben sollen und dass sie Kaffee auf ihr Sweatshirt mit der Aufschrift »Strong Girls Club« gekleckert hatte, was ihr allerdings erst nach dem Verlassen des Hauses aufgefallen war. Ein Hund würde wissen, dass es sich dabei nur um Oberflächlichkeiten handelte und dass das, was wirklich zählte – Margots Seele, ihr Herz und ihr angeborener Sinn für richtig und falsch –, perfekt war.

»Ich bin schrecklich nervös«, gestand sie Tracy. »Was, wenn mich kein Hund leiden kann?«

»Die Chancen stehen gut, dass dich zumindest einer mag.« Tracy tätschelte ihre Hand.

Sie hatten sich vor achtzehn Jahren am Mode-College kennengelernt. Tracy war damals gerade aus Neuseeland gekommen, wo es »viele Schafe, aber kaum trendige Mode« gab. Ihre Haare waren wenige Millimeter kurz geschnitten gewesen, sie hatte ein Lippenpiercing getragen, und ihre direkte Art war erschreckend. Doch die Zeit und Margot hatten sie milder gemacht. Die kastanienbraunen Haare waren gewachsen, und sie hatte sich von ihrem Lippenpiercing verabschiedet, auch wenn sie immer noch eine übertriebene Leidenschaft für Doc Martens und Leopardenmuster empfand und selten von ihrer Meinung abwich.

»Deswegen bin ich ja bei dir. Du bist nach dem Wiedersehen mit George emotional zu labil, um eine lebensverändernde Entscheidung zu treffen.«

»Ich kann immer noch nicht glauben, dass ich zwei ausschlaggebende Jahre meiner Fruchtbarkeit an ihn verschwendet habe«, seufzte Margot, und Tracy seufzte mit. Nicht weil sie ihr zustimmte, sondern weil Margot schon die ganze Woche auf dem Thema herumritt und es ihr langsam zum Hals heraushing.

»Es wird schon alles gut gehen. Die Hündchen werden dich lieben. Ganz bestimmt«, beharrte Tracy, vermutlich, um weiteres Gerede über George im Keim zu ersticken. »Sind wir nicht bald da?«

Ganz in der Nähe gab es ein Tierheim, und natürlich wollte Margot lieber einen Hund adoptieren als einen kaufen. Sie wusste, was es bedeutete, sitzen gelassen zu werden und das Gefühl zu haben, nicht gut genug zu sein. Margot hatte bereits den Fragebogen ausgefüllt und den Kontrollbesuch mit wehenden Fahnen bestanden, denn immerhin war sie – wie sie sich täglich versicherte – eine liebenswürdige, fürsorgliche, positive Frau.

Obwohl der eigentlich entscheidende Punkt ihr winziger Garten gewesen war. Auch wenn er nicht größer war als eine Briefmarke. Keine Standardbriefmarke, sondern eher die Miniversion.

Ein weiterer Pluspunkt war Margots Vorsatz gewesen, den Hund jeden Tag mit zur Arbeit zu nehmen, wobei sie die Wahrheit in diesem Punkt ziemlich locker genommen hatte, denn ihre Vorgesetzten Derek und Tansy hatten ihr geschlossen mitgeteilt, dass sie auf keinen Fall einen Hund mit ins Büro nehmen dürfe. Bestimmt würden die beiden ihre Meinung noch ändern. Am Anfang hatten sie sich auch vehement gegen einen Homeoffice-Mittwoch gewehrt, doch irgendwann hatten sie nachgegeben.

Wie auch immer, darüber konnte sie sich später noch Gedanken machen. Im Moment saß sie in einem Uber-Taxi, das durch die Straßen Nordlondons raste und wie ein Hase über die Geschwindigkeitsschwellen hüpfte, und sie versuchte lieber, sich den perfekten Hund auszumalen. Er war süß, flauschig, einfach auf dem Arm zu tragen, Instagram-tauglich und unbedingt stubenrein. Als sie vor dem einstöckigen, langen Gebäude direkt an der A 41 in Barnet hielten, hatte Margot das Bild eines kleinen Cockapoos, einer Kreuzung aus einem Cockerspaniel und einem Zwergpudel, vor Augen.

»Ich bin eine tolle Hundebesitzerin«, murmelte sie leise, während sie ausstieg.

Ihr Hundeschicksal erwartete sie.

Der Eingangsbereich war zweckmäßig eingerichtet, denn immerhin war das hier eine Wohltätigkeitsorganisation, die offensichtlich kein Geld für Sofas oder eine neue Farbe für die nikotingelben Wände erübrigen konnte. Doch die ehrenamtliche Helferin, die auf sie wartete, hatte ein breites Lächeln auf dem Gesicht und meinte eifrig: »Ich bin Sophie. Danke, dass Sie über einen Hund aus dem Tierheim nachdenken.«

Sophie war eine junge Frau mit leuchtend orangefarbenen Dreadlocks, Tattoos und einer derart sachlichen Ausstrahlung, dass Margot nicht zugeben konnte, dass sie einen Hund wollte, der etwas auf Insta hermachte. Und der das Loch in ihrem Herzen füllte, das sämtliche Männer in ihrem Leben gegraben hatten und das letztlich durch Percys Treulosigkeit noch tiefer geworden war.

Sophie öffnete eine Doppelflügeltür. Im nächsten Moment stieg Margot der Gestank von Ammoniak in die Nase, und ihre Ohren dröhnten. Es klang, als würden Hunderte Hunde gleichzeitig bellen, und es war millionenfach brutaler, als sie es sich vorgestellt hatte. In ihren Gedanken war es sehr viel herzerwärmender gewesen als dieses … dieses … Hundegefängnis.

Die Hunde steckten einzeln in kleinen Zwingern mit hartem Fliesenboden, grelles Neonlicht strahlte auf sie herab. Kein Wunder, dass sie an den Gitterstäben hochsprangen, mit den Pfoten dagegendrückten und verzweifelt versuchten, Margots Aufmerksamkeit zu erregen.

»Zwinger bedeuten für viele Hunde extremen Stress«, erklärte Sophie. »Vor allem für diejenigen, die ihre Besitzer verloren haben. Sie verstehen nicht, warum sie gerade noch mit ihrem Menschen in einem gemütlichen Haus gelebt haben und plötzlich hier gelandet sind.«

»Es ist so traurig«, murmelte Margot, und auch wenn sie nach einem süßen Fellknäuel suchte, hatte jeder Hund, an dem sie vorbeikam, etwas Verlockendes. Einige Minuten lang war sie hin und weg von einer älteren französischen Bulldogge mit weißem Fell, die ihre Hände beschnüffelte, doch Tracy zog sie weiter.

»Bullys sind total überzüchtet und haben haufenweise gesundheitliche Probleme. Unsere Nachbarn haben einen Bully. Der arme Kerl kann nicht einmal Wasser trinken, ohne dass es wieder hochkommt.« Tracy bedachte die dahinschmelzende Margot mit einem strengen Blick. »Du musst praktisch denken, Margs. Die Tierarztrechnungen würden dich in den Ruin treiben.«

Es gab keine Cockapoos, dafür aber haufenweise Staffordshire Bullterrier, die für Margot jedoch auf keinen Fall infrage kamen. Sie wollte kein vorschnelles Urteil fällen, aber jedes Mal, wenn etwas über einen Hundeangriff in der Zeitung stand, war der Schuldige ein »Bullterrier oder Ähnliches«, und auch die Hunde in den Zwingern sprangen Margot bedrohlich entgegen, als sie an ihnen vorbeiging.

»Sie wollen nur freundlich sein«, versicherte Sophie, was Margot allerdings bezweifelte. »Ich weiß, sie haben dank der Presse einen schlechten Ruf, aber Staffys gehören sogar zu den drei Hunderassen, die der Dachverband der Hundezuchtvereine ausdrücklich Familien mit Kindern empfiehlt.«

»Wirklich?«, erwiderte Margot möglichst unverbindlich.

»Ja. Und ich habe noch eine witzige Statistik für Sie: Es kommen wesentlich mehr Leute ins Krankenhaus, weil sie von einem Labrador gebissen wurden«, meinte Sophie, was allerdings nicht so beruhigend war, wie sie vermutlich dachte.

Sie kamen bereits zu der letzten Reihe, und obwohl viele Hunde an Margots Herz gerührt hatten, suchte sie noch nach dem Hund, der ihr Herz stahl.

Der letzte Zwinger war leer, doch Margot blieb trotzdem stehen, um das Schild mit den Daten des früheren Bewohners zu lesen.

Name:Blossom

Alter:ca. 3 Jahre

Rasse:Staffordshire Bullterrier

Anmerkungen: Wurde streunend aufgegriffenund nicht aus dem städtischen Tierheim abgeholt.Nervös in Gegenwart von Männern. Bei Futtergabe extrem motiviert.Kann nicht mit Katzen zusammenleben.Blossom will einfach geliebt werden!

 

»O mein Gott, Margot«, hauchte Tracy. »Dein Seelentier.«

Margot legte sich eine Hand aufs Herz, um sicherzugehen, dass es noch da war, denn möglicherweise war es gerade gestohlen worden.

»Dieser Hund …«, begann sie, doch bevor sie fragen konnte, wo Blossom war, erkannte sie, dass der Zwinger gar nicht leer war. Ganz hinten kauerte eine kleine weiße Staffy-Hündin und zitterte wie an einem frostigen Wintertag, obwohl es für Ende September ungewöhnlich warm war.

Margot ging in die Hocke und streckte die Hand aus. »Hallo«, sagte sie sanft. »Willst du nicht herkommen und Hallo sagen?«

Das war für Percy das Stichwort gewesen, um mit ausgefahrenen Krallen und gefletschten Zähnen auf Margot zuzustürzen, doch Blossom hob kaum den Kopf.

»Oh, du bist ja so hübsch«, säuselte Margot, und sie hatte noch nie so große Bestätigung erfahren wie in dem Moment, als der kleine Hund sich langsam erhob und zitternd näher kam. »Was für ein besonderes, einzigartiges kleines Mädchen.«

Blossom hatte große braune Augen, die aussahen, als hätte sie ein Top-Stylist mit schwarzem Kajal umrahmt. Sie fixierte Margot misstrauisch, während sie bis zu den Stäben vortrat und zögernd die Zunge herausstreckte, um über Margots Finger zu schlecken.

Margot streichelte die Wange der Hündin, und Blossom drückte sich an die Stäbe, als suchte sie noch mehr Nähe. Margot wollte keinen Staffy, und sie war nicht überzeugt, dass die Rasse ein toller Familienhund war. Außerdem war sie wohl kaum flauschig und konnte schlecht auf den Arm genommen werden. Doch Blossom starrte mit seelenvollen braunen Augen zu ihr hoch, und es konnte ja sicher nicht schaden, sie zu einem kleinen Spaziergang mitzunehmen. Nur damit sie sich ein wenig die Beine vertreten konnte.

»Ich bleibe inzwischen hier«, erklärte Tracy stirnrunzelnd. »Aber denk daran: keine übereilten Entscheidungen.«

»Auf keinen Fall«, versprach Margot, während Sophie die Leine an Blossoms Halsband befestigte.

Blossom folgte Margot ängstlich an den anderen Hunden vorbei, die ihr Gebell angesichts des vermuteten Ausbruchversuches ihrer Leidensgenossin noch verstärkten. Sie versuchte, sich hinter Margot zu verstecken, und drückte sich mit dem Kopf an ihre Beine, bis sie draußen waren.

Das Tierheim befand sich direkt am Waldrand, und sobald das Gekläffe nicht mehr zu hören war, trabte Blossom brav neben Margot her und wurde nur ab und zu langsamer, um mit ihren riesigen Augen zu ihr hochzublicken. Ihr Körper glich einem Fass und schien nur aus Schultern und Brustkorb zu bestehen, die von kurzen und im Vergleich viel zu zarten Beinen getragen wurden, wobei die leicht gekrümmten Hinterbeine einer zerbrechlichen Wünschelrute glichen.

Ihr Fell war nicht reinweiß. Ihre Schnauze war weiß, doch der Kopf und die Schlappohren waren beige. Ihr Rücken war beige mit weißen Sprenkeln, von denen einer die Form von Italien hatte, und auch ihr Schwanz war beige. Bis auf die Spitze, die aussah, als hätte man sie in weiße Farbe getaucht.

Alles in allem war sie in einem bemitleidenswerten Zustand. Sie hatte kahle Stellen an den Flanken, und auch wenn sie wuchtig gebaut war, konnte Margot durch das schüttere Fell jede einzelne Rippe erkennen.

»Was ist bloß mit dir passiert, kleine Maus?«, fragte Margot. Die Hündin antwortete nicht, sondern trabte weiter folgsam neben ihr her, bis sie zu einem Baumstamm kamen und Margot sich setzte. Blossom ließ sich ebenfalls sinken und legte ihr Kinn auf Margots Knie, damit sie weiterhin zu ihr hochstarren konnte. So, als wäre Margot das Einzige, was sie für den Rest ihres Lebens sehen wollte. Es war sehr, sehr lange her, seit jemand Margot derart hingerissen angesehen hatte.

Und das Gefühl beruhte auf Gegenseitigkeit. Auch Margot konnte den Blick nicht von Blossom abwenden. Die Hündin mit dem herzförmigen Kopf und den samtweichen Augen war wirklich außerordentlich hübsch.

»Magst du mich etwa?«

All die Dates. All die Männer. All die Jahre, in denen Margot versucht hatte, jemanden zu finden, der keine Angst davor hatte, sie trotz ihrer Widersprüche und Komplexitäten zu lieben. Wenn sie ehrlich war, hatte sie selbst auch nie den Funken gespürt. Eine Verbindung. Die Gewissheit, das perfekte Gegenstück gefunden zu haben.

Bis jetzt.

Jetzt, in diesem Moment, hatte sie das Gefühl, gleich in Tränen auszubrechen, während ihr Herz auf dreifache Größe anschwoll. Sie hätte Blossom am liebsten in die Arme geschlossen, sie mit Küssen überhäuft und ihr versprochen, dass sie nie wieder Angst haben musste.

Margot war keine Expertin, aber sie schätzte, dass sich Liebe auf den ersten Blick genau so anfühlte.

»Blossom ist der richtige Hund für mich«, erklärte Margot Sophie und Tracy, als Blossom und sie wieder zurück im Tierheim waren. »Wir sind füreinander bestimmt.«

»Blossom hat wirklich ein liebevolles Zuhause verdient«, erwiderte Sophie und streichelte Blossoms Schnauze. »Sobald sie sich eingelebt hat und sich sicher fühlt, wird sie ein vollkommen anderer Hund sein. Sollen wir gleich den Papierkram erledigen?«

»Bist du dir wirklich sicher?«, fragte Tracy. »Wir waren uns doch einig, nichts zu überstürzen.«

Margot nickte eifrig. »Ich war mir noch nie so sicher. Ich fülle gleich alle Formulare aus, und nächste Woche hole ich sie ab.«

»Sie können sie nicht sofort mitnehmen?«, fragte Sophie, und Blossom warf Margot noch einen letzten verlorenen Blick zu, bevor sie wieder in ihren verhassten Zwinger geschoben wurde.

»Nein, das geht leider auf keinen Fall«, erklärte Margot kurz darauf Belinda, der Leiterin des Tierheims. »Ich habe Ihnen ja schon bei Ihrem Kontrollbesuch erklärt, dass ich morgen beruflich eine Woche verreisen muss.« Ihre Stimme klang vor Verlegenheit ungewöhnlich piepsig. »Ich komme am Sonntagvormittag direkt vom Flughafen hierher und hole sie ab.«

»Blossom erträgt nicht noch eine Woche im Zwinger«, erwiderte Belinda bestimmt. »Und ich werde sie auch nicht für Sie reservieren. Womöglich kommt morgen jemand vorbei, der sie sofort mitnehmen würde.«

Ich bin eine tolle Hundebesitzerin. Leider ließ das Universum Margots Beteuerungen nicht Realität werden.

»Aber Blossom ist für mich bestimmt!«, flehte Margot und hatte die Hände tatsächlich wie zum Gebet aufeinandergepresst. »Es muss doch jemanden geben, der sich eine Woche lang um sie kümmern kann?«

Kapitel 4

Will

Will hielt mit dem Firmen-Van vor dem Tierheim. Normalerweise übernahm er keine Auslieferungen, doch irgendwie hatte er sich in den letzten Monaten zum Mädchen für alles entwickelt und wurde für sämtliche anfallenden Arbeiten im familieneigenen Blumenhandel herangezogen. Er verhandelte Verträge für die Ausstattung von Events, er überarbeitete die Website, und er stellte Sandra aus Barnet einen saisonalen Blumenstrauß zu, nachdem sie beim fünfzehnten Anlauf endlich die Fahrprüfung bestanden hatte.

Während seine Mutter Sandras Blumen den letzten Schliff verpasst hatte, hatte er auf Google nach den nächstgelegenen Tierheimen Ausschau gehalten, denn am Morgen hatte er die wöchentliche Nachricht von Roland erhalten, auch wenn er offiziell nicht mehr zu dessen Klienten zählte.

Ich wollte mich nur mal kurz melden und bekräftigen, dass das Eingehen von neuen emotionalen Bindungen ausschließlich positive Auswirkungen auf Ihre mentale Gesundheit haben kann. Die Arbeit als ehrenamtlicher Helfer im Tierschutz wäre ein guter Start. (Ihr Donnerstagabendtermin ist nach wie vor frei, falls Sie die Therapie-Unterbrechung noch einmal überdenken wollen.)

Beste Grüße, Roland

 

Er würde die Sache schnell hinter sich bringen. Einen Hund in Nöten suchen, emotionale Nähe schenken und empfangen, ein Foto mit besagtem Hund machen und es Roland schicken, um gleich danach zu einem Termin mit einer angesehenen PR-Agentur zu fahren, die einen neuen Floristen für ihre Firmen-Events suchte.

Will hatte gerade zwei Schritte in den Empfangsbereich gemacht, als ihm eine junge Frau mit leuchtend orangefarbenen Dreadlocks, einem marineblauen T-Shirt mit dem Logo der Organisation und einem resoluten Gesichtsausdruck entgegentrat.

»Ich möchte einen Ihrer Hunde spazieren führen«, erklärte er etwas lauter als üblich, um das aufgeregte Bellen zu übertönen, das durch die Tür hinter der Frau drang.

»Okay. Gab es denn schon einen Kontrollbesuch? Wie ist Ihr Name?«, fragte sie und trat vor eine Tür mit der Aufschrift Privat. »Ich sehe gleich mal nach …«

»Ich bin kein ehrenamtlicher Mitarbeiter«, sagte Will. »Ich will nur kurz mit einem der Hunde spazieren gehen.«

»So läuft das hier nicht.« Die Frau verschränkte die Arme vor der Brust. »Wir müssen Sie zuerst durchchecken. Aber das können wir gerne sofort erledigen …«

Doch Will wollte sich nicht verpflichten, womöglich Woche um Woche wiederzukommen und mit den Hunden abzuhängen. Obwohl es objektiv betrachtet keinen guten Grund gab, es nicht zu tun. Sein Vorhaben erwies sich als sehr viel schwieriger als gedacht.

»Ich könnte auch einen Pflegehund aufnehmen«, improvisierte er. Vielleicht konnte er einfach einen Hund mitnehmen und dann erkennen, dass er nicht als Pflegevater geeignet war. Tut mir leid, dass ich Ihre Zeit verschwendet habe, ich gehe dann mal wieder, danke vielmals. Obwohl es auch hier keinen guten Grund gab, warum er keinen Hund zur Pflege übernehmen konnte. Abgesehen davon, dass die Aufnahme eines Hundes – eines lebendigen Wesens – eine große Verpflichtung war und er keine großen Verpflichtungen eingehen wolle. Nur kleine. Ganz, ganz kleine. »Ich habe auch Erfahrung mit Hunden. Ich hatte als Kind einen. Muttley. Er war der beste Hund der Welt.«

Die Dreadlocks-Tante musste lächeln. »Jeder denkt, sein Hund wäre der beste der Welt.«

»Und alle haben recht«, fuhr Will fort. Das Gebell wurde lauter und eindringlicher. »Abgesehen von den armen Hunden, die hier enden.«

Sie senkte die Arme. »Wir müssen trotzdem ein paar Hintergrundinfos einholen«, beharrte sie.

Doch Will merkte, dass sie langsam nachgab. »Natürlich, aber könnte ich solange schon mal einen Blick auf die Hunde werfen?«

Sobald sie durch die Tür waren, wurde der Lärm ohrenbetäubend, und der Gestank von Ammoniak stieg in Wills Nase, während er die Hunde betrachtete, die sich gegen die Gitterstäbe drückten und daran hochsprangen.

Es gab nicht viel Süßes zu sehen. Bloß Schmerz und Verzweiflung, weil man sie hier in dieser kalten, unwirtlichen Umgebung eingesperrt hatte, obwohl sie einmal ein geliebtes Haustier gewesen waren. Zumindest hoffte Will das. Der Gedanke, dass diese Hunde noch nie ein weiches Bett und eine liebevolle, streichelnde Hand kennengelernt hatten, gefiel ihm nicht.

Er wandte sich von einem fieberhaften Spaniel mit traurig flehenden Augen ab und dem nächsten Käfig zu, der eine französische Bulldogge beheimatete. Jeder liebte französische Bulldoggen, doch diese hier hatte grau meliertes Fell, verklebte Augen und stieß seltsame Geräusche aus wie ein Motorrad, das nicht anspringen wollte. Womöglich kippte der Hund schon während des Selfies aus den Latschen.

»Tut mir leid, Kumpel«, erklärte er und streckte die Finger durchs Gitter, um ihm über den Kopf zu streicheln. Er spürte, wie er langsam schwach wurde. Wenn er noch länger hierblieb, nahm er am Ende alle Hunde in Pflege. Doch bevor Will einen vorschnellen Entschluss fassen konnte, erregte ein Tumult am Ende der Zwingerreihe seine Aufmerksamkeit.

Eine schwarzhaarige Frau kniete vor einem Käfig und blickte zu zwei anderen Frauen nach oben. »Sie ist mein Seelenhund. Wir gehören zusammen«, erklärte sie mit brüchiger, ziemlich hoher Stimme. Will trat neugierig näher und erkannte, dass Tränen über ihr Gesicht liefen.

Es war ein hübsches Gesicht. Ein wirklich hübsches Gesicht. Und ein dazu passender, wohlgeformter Körper. Sie wirkte weich und nachgiebig, obwohl er seine Frauen lieber hart und unnachgiebig mochte. So wurde niemand verletzt. Er konnte sich nicht vorstellen, dass Dovinda – oder eine ihrer zahllosen Vorgängerinnen – in der Öffentlichkeit geweint hätte.

»Ich habe diese Woche berufliche Verpflichtungen, und natürlich will ich nicht, dass Blossom in der Zwischenzeit leidet, aber es muss doch eine Lösung geben«, sagte die Frau mit immer noch zitternder Stimme und gerunzelter Stirn.

Will und die Ehrenamtliche neben ihm tauschten einen Blick. Zwei vernünftige Menschen, die mit theatralischem Getue nichts am Hut hatten.

Er war nun nahe genug, um zu erkennen, dass die Frau einen Hund in ihren Armen verbarg. Es war ein trauriger Staffy mit samtweichen Augen. Will konnte schwer einschätzen, ob der Hund ein schreckliches Leben hinter sich hatte oder es einfach nicht mochte, von einem weinenden Menschen im Würgegriff gehalten zu werden.

»Wenn sie in einer Woche noch hier ist, können Sie sie haben, aber bis dahin hat ihre Vermittlung oberste Priorität«, erklärte die ältere Frau mit fester Stimme. Ihre Brille hing an einer Kette um ihren Hals, was ihr eine gewisse Autorität verlieh, und Will ging davon aus, dass sie hier das Sagen hatte. »Wir stellen sie heute Nachmittag auf unseren Social-Media-Kanälen vor. Das war ohnehin geplant.«

Will fragte sich, warum die weinende Frau gerade von diesem Hund derart besessen war, da er die beiden nicht auseinanderhalten konnte, waren sie doch zu einem weinenden, zitternden Bündel verschmolzen. Die schwarzen Haare der Frau hingen über dem Hund, und sie schlang die Arme um seinen stämmigen Körper.

»Komm schon, Margs«, meinte die zweite stehende Frau leise. Sie hatte rote Haare und trug zwei verschiedene Arten von Leopardenmuster. »Wenn es sein soll, dann klappt es auch.«

Margs (Was war denn das für ein Name?) hob das tränennasse Gesicht. »Kannst du sie nicht eine Woche lang nehmen?«, fragte sie hoffnungsvoll.

»Auf keinen Fall. Den ist bis Freitagabend unterwegs, und auf dem Campus sind außer registrierten Begleithunden keine Tiere erlaubt«, erklärte ihre Freundin. »Es gab da einmal einen Vorfall mit einem Frettchen, das jemand als emotionale Unterstützung dabeihatte. Tut mir leid.«

Will spürte, wie ihn jemand am Arm zog. »Meinten Sie nicht vorhin, dass Sie einen Hund in Pflege nehmen würden?«

»Was?«

Will drehte sich zu der Dreadlocks-Tante um, die ihn strahlend ansah. »Wir suchen verzweifelt nach Pflegeeltern. Wirklich verzweifelt.«

»Oh! Dann könnten Sie doch auf Blossom aufpassen!« Nun waren sämtliche Blicke auf ihn gerichtet, vor allem die blauen Augen der knienden Frau, die ein wenig geschwollen waren. »Ich wusste, es gibt eine Lösung.«

Will hob die Hand. »Moment mal! Ich sagte, ich würde darüber nachdenken, einen Pflegehund zu nehmen.« Vielleicht hatte er sich vorhin in dieser Frau getäuscht. Sie richtete sich gerade zur vollen Größe auf, und da war etwas Kompromissloses in ihrer Haltung, in der Art, wie sie die Schultern nach hinten drückte, und in dem abwägenden Blick, mit dem sie ihn bedachte.

»Es ist nur eine Woche Ihres ganzen Lebens«, sagte sie mit sanfter Stimme, als wären sie die einzigen anwesenden Personen und als würden ihre Worte nicht von einer Kakofonie an Hundegebell begleitet. »Sie schaffen Blossom hier raus und machen den Zwinger für den nächsten Hund frei, Sie würden dadurch sogar zwei Hunde retten. Das ist doch ziemlich gut für einen derart kurzen Lebensabschnitt, oder?«

Will musste unwillkürlich nicken. Wenn sie es so sagte … andererseits war er ein viel beschäftigter Mann … Na ja, so beschäftigt dann auch wieder nicht. Und wenn er einen Hund aus dieser Hölle befreien konnte, war das sicher eine gute Tat. »Brauche ich denn keinen Kontrollbesuch?«, erinnerte er sich. »Aber heute geht es auf keinen Fall. Um drei habe ich einen Geschäftstermin, und jetzt ist es schon elf.«

»Wir können die Kontrolle sofort durchführen, und ich würde Ihnen Blossom am Abend vorbeibringen«, meinte die Dreadlocks-Tante prompt. »Wo wohnen Sie denn?«

Die Situation geriet immer mehr außer Kontrolle. In derartigen Fällen schlug Will sich nicht gut. »Muswell Hill – aber hören Sie, wir reden später darüber, ich …«

»Das ist ja perfekt, ich wohne gleich den Hügel rauf in Highgate«, mischte sich Margs ein und strahlte Will an wie die Sonne, die nach einem Regen durch die Wolken bricht. Er versuchte ihr Lächeln zu erwidern oder hob zumindest die Mundwinkel, denn er war mittlerweile aus der Übung. »Wir sind praktisch Nachbarn. Wissen Sie, wenn man sich etwas intensiv genug wünscht und die Energie des Wunsches ins Universum hinausschickt, dann antwortet es einem manchmal.«

»Margs, hör auf mit diesem positiven Denken. Der Vormittag war schon anstrengend genug.«

Will wünschte sich sofort, er könnte sein Lächeln wieder zurücknehmen. Er wusste aus eigener, bitterer Erfahrung, dass man mit Frauen vorsichtig sein musste, die derartigen Unsinn über positive Energie und die Manifestation von Freude verzapften: Wenn sie dich erst einmal wegen deiner Bindungsunfähigkeit anschrien, war von Freude keine Spur mehr zu sehen.

»Das wäre wirklich ein großer Zufall«, stimmte die ältere Frau zu. Sie setzte ihre Brille auf, damit sie das Schild an dem leeren Zwinger lesen konnte. »Ahh. Ich wusste, dass es zu schön ist, um wahr zu sein. Blossom mag keine Männer.«

Will kannte sich mit Zurückweisungen aus, aber so schnell hatte man ihn noch nie abserviert. Das erweckte seine Widerstandskraft.

»Ich kann doch nichts dafür, dass ich ein Mann bin«, verteidigte er sich, und Margs lächelte milde, als hätte er wenigstens versuchen können, etwas daran zu ändern.

Inzwischen hielten die Dreadlocks-Tante und die ältere Frau Kriegsrat. »Es wäre trotzdem einen Versuch wert«, hörte Will eine der beiden. »Mit Randeep war es okay, nachdem sie aufgetaut ist. Soll ich Leckerlis holen?«

Die Dreadlocks-Tante eilte durch die Käfigreihe zurück zur Tür. Will wäre ihr am liebsten gefolgt. Und im Prinzip konnte er das auch, immerhin war er ein mündiger Erwachsener. Doch dann wirbelten die Dreadlocks plötzlich herum. »Ich hole die teuren Leckerlis. Mit Ente. Die mag sie besonders.«

Während er emotional erpresst, manipuliert und unter Druck gesetzt worden war, hatte Will der Hündin keine weitere Beachtung geschenkt, doch als er jetzt auf sie hinuntersah, duckte sie sich und versteckte sich zwischen den Beinen ihrer möglichen zukünftigen Besitzerin und der Älteren, vermutlich um ihm zu entkommen.

Es war ein weiterer Schlag in die Magengrube. Er wusste, dass er Probleme hatte, emotionale Beziehungen mit Menschen einzugehen. Aber Will war nicht unfreundlich. Er war nicht gemein. Er war nicht grausam. Er war nicht gewalttätig. Er verfügte über keinerlei Eigenschaften, die es rechtfertigten, dass jemand – und dazu noch ein Hund – vor ihm zurückwich.

»Ich will sie nicht traumatisieren«, erklärte Will.

»Das würde ich auch nicht zulassen«, erwiderte die Ältere streng, und in diesem Moment kam die Dreadlocks-Tante mit einer kleinen Metallschüssel wieder, die sie Will in die Hand drückte. Die verschrumpelten Fleischstücke stanken bestialisch.

»Gefriergetrocknete Enteninnereien«, erklärte sie ihm fröhlich. Offenbar durfte man als Hundebesitzer nicht zartbesaitet sein … oder Veganer. »Nehmen Sie ein Stück, gehen Sie in die Hocke, und strecken Sie die Hand aus. Halten Sie den Kopf allerdings abgewandt.«

Will tat, wie ihm geheißen. So hatte er sich seinen Besuch im Tierheim nicht vorgestellt. Auf dem Boden kauernd mit einem gefriergetrockneten Entenherz auf der Handfläche, während er den Blick starr auf einen Punkt am Boden gerichtet hielt, wo eine Fliese ausgesprungen war.

»Komm her, Blossom«, lockte die Dreadlocks-Tante mit sanfter Stimme, rückte näher an Will heran und versuchte, den Hund dazu zu bringen, dasselbe zu tun. »Komm schon. Braves Mädchen.«

Zehn Minuten später lag Will flach auf dem Boden und hatte den Kopf in einem seltsamen Winkel zur Seite gedreht, um keinen Augenkontakt zu riskieren. Es war eine der unerträglichsten Erfahrungen in seiner jüngsten Vergangenheit. Er stellte sich gerade vor vier vollkommen fremden Frauen zur Schau, damit sie die Zurückweisung, die Demütigung und sein Versagen, das Vertrauen dieser Hündin zu gewinnen, hautnah miterleben konnten. Es war wie eine Metapher für sein ganzes Leben.

Doch dann passierte das Unglaubliche, und die Hündin schlich sich nahe genug heran, um das Leckerli zu erwischen. Will war davon ausgegangen, dass sie es ihm von der Hand fetzen und vermutlich auch etwas Haut erwischen würde, doch sie nahm es beinahe anmutig zwischen die Lefzen und schluckte es eilig. Danach zog sie sich sofort zurück, doch sie kam recht schnell wieder, als eine weitere Enteninnerei in Wills Hand lockte.

Nach dem dritten Bissen beschloss die Hündin offensichtlich, dass der Typ ungefährlich war, denn sie schlich nicht zurück, sondern setzte sich vor Will auf den Boden.

»Halten Sie weiter die Hand ausgestreckt und die Finger gekrümmt, damit sie daran schnuppern kann«, wurde ihm befohlen, und er wagte nicht zu widersprechen.

Seine Muskeln brüllten protestierend, doch Will zwang sich, flach liegen zu bleiben. Sein Blick huschte zu Margs, die die Hündin konzentriert beobachtete und sich dabei auf die Unterlippe biss, bis Blossom schließlich an seiner Hand schnupperte. Als die Nasenlöcher der Hündin zu zucken begannen, entspannte sich Margs, und als sie sich ganz sanft von Will über die Backe streicheln ließ, seufzte sie. Im nächsten Augenblick hob Blossom eine Pfote, ließ sie auf Wills Schulter sinken, und Margs lachte.

»Ich glaube, sie will noch ein Leckerli, nicht wahr, Blossom?«

Will gab der Bitte nur zu gerne nach. Genauso gerne, wie er sich hinhockte, anstatt weiter auf dem Boden zu liegen. Blossom sah ihm sogar einen flüchtigen Moment lang in die Augen und ließ zu, dass er sie mit einem Finger unterm Kinn kraulte. Will sah in ihre argwöhnischen braunen Augen und erkannte den Schmerz und den Kummer, den dieser Hund in seinem Leben durchgemacht hatte. Ich sehe dich, hätte er gerne gesagt. Ich kenne das auch. Es wird besser, versprochen. Blossoms lange rosafarbene Zunge schoss heraus und leckte über Wills Finger, bevor sie sich wieder in den schützenden Hafen zwischen den Beinen der Frauen zurückzog, die diesen kleinen, lautlosen Austausch mit geneigten Köpfen und angehaltenem Atem verfolgt hatten.

Es hatte nicht länger als zehn Sekunden gedauert, doch diese zehn Sekunden hatten Wills gefrorenes Herz erwärmt. Er hatte bekommen, weswegen er hergekommen war – eine emotionale Verbindung mit einem anderen Lebewesen. Nun hatte er es nicht mehr so eilig zu verschwinden.

Man sagte ja, dass Hunde gute Menschenkenner waren, und Will fühlte sich bestätigt. Vielleicht lohnte es sich tatsächlich, eine Woche auf Blossom achtzugeben und ihr bei dem Übergang von einem traumatisierten Hund in ein glückliches neues Leben zu helfen, ohne dass es zur Routine wurde und er eine richtige Verpflichtung eingehen musste. Vielleicht dachte er dann an etwas anderes als an sich selbst. Er hatte noch nie so viel über sich selbst nachgedacht wie in diesem Jahr während der Psychotherapie, und das war anstrengend genug.

»Das lief sehr viel besser als erwartet«, sagte die ältere Frau zufrieden. »Vor einer Woche hat sie sich beim Anblick eines Mannes noch eingenässt.«

Na gut, die Latte war ziemlich tief gesetzt, aber hier ging es nicht um Will und seine Gefühle. Es ging um Blossom. Niemand sollte verängstigt durchs Leben gehen. Kein Mensch, kein Hund und auch sonst niemand.

»Also, wann können wir die Kontrolle machen?«, fragte er, denn offenbar würde er tatsächlich eine Woche lang einen verängstigten Staffordshire Bullterrier bei sich beherbergen.

»Gehen wir doch ins Büro, dann nehme ich Ihre Daten auf«, meinte die Ältere, doch bevor Will sich in Bewegung setzen konnte, legte Margs ihm eine Hand auf den Arm. Sie hatte fähige Hände, als könnten sie auch anpacken, und ihre Fingernägel waren pastellblau lackiert.

»Ich bin Margot«, sagte sie mit einem weiteren strahlenden Sonntagslächeln. »Niemals Marge. Margot.«

»Obwohl es ihr gefällt, wenn man sie Margs nennt«, erklärte ihre Freundin und stieß sie in die Seite.

»Das toleriere ich gerade noch.«

»Will«, sagte er, und sie schüttelten sich die Hände. Ihre Blicke trafen sich und hielten einander fest, bis Will den Blick senkte.

»Danke! Ich danke Ihnen so sehr, dass Sie uns helfen«, erklärte Margot mit dem Eifer einer Frau, die an positive Energie glaubte.

»Womöglich bestehe ich die Kontrolle nicht.« Da er jedoch nicht in einer rattenverseuchten Bruchbude hauste, würde er mit Sicherheit schon bald eine Woche lang für Blossoms Wohlergehen verantwortlich sein. Panik stieg wie ein Fieberschub in ihm hoch.

»Wir sollten unsere Nummern austauschen«, erklärte Margot und zog ihr Handy aus der hinteren Hosentasche. Sie merkte nicht, dass Will schweigend in eine ausgewachsene Glaubenskrise gerutscht war. »Ich erwarte stündliche Berichte inklusive Fotos.«

Selbst in seinem gebeutelten Zustand war Will klar, dass sie keine Witze machte.

Später an diesem Abend wurde Blossom zu Will nach Hause geliefert. Sie stank noch immer nach Eau de Zwinger und kam mit einem halben Sack Hundefutter und der fröhlichen Bekanntgabe, unter einer »schüchternen Blase« zu leiden. »Es kann also durchaus sein, dass sie ein paar Tage nicht pinkeln muss.«

Will schloss die Tür hinter der Dreadlocks-Tante, schüttelte den Kopf und drückte die Schultern durch. »Okay. Ich schaffe das.«

Er wandte sich zu Blossom herum, die verängstigt die Wände im Flur beäugte. Ihre Hundestirn gerunzelt, am ganzen Körper zitternd. Schließlich warf sie Will einen einzigen, angsterfüllten Blick zu und verschwand Schutz suchend im Wohnzimmer.

Will seufzte so schwer, dass er es bis in die Zehen spürte. »O Gott, was habe ich mir eingebrockt!«

Kapitel 5

Margot

Zweimal im Jahr genoss Margot fünf Tage im Ausland, um die Kollektion der nächsten Saison zu fotografieren.

Es war die letzte Septemberwoche, und in der Nacht, bevor sie London verlassen hatte, hatte sie zum ersten Mal die Heizung angemacht. Wer würde in diesem Fall schon Nein zu fünf Tagen im portugiesischen Peniche sagen, wo Sandstrände und Temperaturen über zwanzig Grad warteten und Lissabon nur eine Autostunde entfernt war?

Margot war ausgebildete Modedesignerin, doch ihr war schnell klar geworden, dass sie nicht das nächste Enfant terrible der britischen Modeszene werden würde. So weh es auch tat, es zuzugeben (und so schmerzhaft die Reise zu dieser Erkenntnis auch gewesen war), sie war wohl eher Boden als Balenciaga. Eher Mango als Marc Jacobs. Eher Cath Kidston als Christian Dior.

Sie konnte hübsche Kleider entwerfen, die den weiblichen Formen schmeichelten, doch ihre Entwürfe würden nie auf den Pariser Laufstegen gefeiert oder von Prominenten auf der Met Gala getragen werden.

Sie hatte schon früh gelernt, ihre Erwartungen anzupassen. Trotzdem hatte sie nach dem Abschluss gehofft, dass ihr erster Job ihr wahres Talent ans Tageslicht befördern würde. Doch leider war sie dann bei einem führenden Sportartikelhersteller gelandet, wo sie Trainingsanzüge von der Stange entworfen hatte.

Natürlich trugen jede Menge Leute Trainingsanzüge, und irgendjemand musste sie designen, doch Margot steckte drei Jahre lang in der Sportschiene fest und kam nicht voran, denn jedes Mal, wenn sie sich für einen interessanteren Job bewarb, bestand ihr Portfolio bloß aus Kunstfaser-Freizeitklamotten. Ihr größter Erfolg war, als einer der Nichtsnutze in der Seifenoper Hollyoaks ihren Trainingsanzug trug.

Richtig verwirklichen konnte sie sich nur, wenn sie für sich selbst Kleider entwarf. Sie trug Größe 44, doch die trendigeren Läden verkauften meist nur Kleider bis Größe 42, und falls es doch einmal etwas in ihrer Größe gab, war die Wahrscheinlichkeit, es zu ergattern, bevor es vergriffen war, etwa so groß wie die Wahrscheinlichkeit, dass ein Fabergé-Ei bei einer Antiquitäten-Show im Fernsehen auftauchte.

Vermutlich hätte Margot eine Kleidergröße weniger gehabt, wenn sie weniger gegessen und mehr Sport gemacht hätte, aber ehrlich gesagt hatte sie keine Lust dazu. Natürlich könnte sie Zucchini-Spaghetti und Pizza mit Blumenkohlboden essen und sich bloß zwei Stück dunkle Schokolade am Tag gönnen. Doch das Leben war hart, warum sollte Margot sich also den simplen Genuss von Spaghetti aus Weizenmehl oder einer Pizza mit echtem Boden verwehren? Und zwei Stück dunkle Schokolade konnten auf keinen Fall jemals mit einem Doppelriegel Milchschokolade mithalten.

Es war also einfacher und um einiges stressfreier (sie hatte einmal in einer Topshop-Umkleide zu weinen begonnen, weil die dortige Größe 44 eigentlich Größe 40 entsprach), ihre Outfits selbst zu entwerfen. Hübsche Kleider und Oberteile im blumigen Liberty-Print und aus weich fallendem Jersey, der ihrer Figur schmeichelte. Tatsächlich hatte sie eine ihrer Eigenkreationen getragen – ein Wickelkleid aus tiefschwarzer Baumwolle mit weißen Punkten –, als sie die beiden wichtigsten Menschen in ihrem Leben kennengelernt hatte.

Es war an einem Dienstag zur Mittagszeit im Kaufhaus Marks & Spencer in Camden gewesen. Margot war gerade dabei, sich ein BLT-Sandwich zu holen, während Derek und Tansy Spencer-Williams eine »Colin, die Raupe«-Torte für die Geburtstagsparty einer Angestellten kauften.

»Ich liebe dieses Kleid«, hörte Margot jemanden hinter sich sagen, als sie nach dem letzten BLT-Sandwich griff. Sie wandte sich um und sah sich einer eleganten Frau in einem reinweißen Jumpsuit und kurz geschorenen Haaren gegenüber, die ihre unglaublichen Wangenknochen betonten. Neben ihr stand ein in die Jahre gekommener Rockabilly, dessen graue Tolle genauso beeindruckend war wie die Stulpen seiner Jeans. Beide starrten Margot an.

Margot sagte das Einzige, was ihr unter diesen Umständen passend erschien: »Danke! Es hat sogar Taschen!«, und steckte die freie Hand in eine davon, damit sie es mit eigenen Augen sehen konnten.