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Wie Sie Ihre Angst besiegen und das Leben wieder genießen
Sie sind nicht allein mit Ihrer Angst. Viele Frauen plagen heute Angstzustände und Panikattacken. Janett Menzel litt selbst darunter und hat es geschafft, aus dieser Sackgasse herauszufinden. Heute ist sie Mentorin und schreibt den beliebtesten Angst-Blog (www.ich-habe-auch-angst.de).
Dies ist die Summe all der Methoden, mit denen sie es geschafft hat, sich auf ganzheitliche Weise und nachhaltig von ihren Ängsten zu befreien. Von der Umkehrmethode, über gesunde Selbstfürsorge bis hin zur Selbstfindung auf allen Ebenen: körperlich, mental, emotional und spirituell. Nehmen Sie sich Zeit, Ihre Ängste zu verstehen, fassen Sie Mut und finden Sie Ihren Weg aus der Angst.
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 320
Veröffentlichungsjahr: 2020
Janett Menzel
1. Auflage 2020
8 Abbildungen
2008 erlebte ich meine erste Panikattacke und es folgten weitere. Seitdem suche ich nach Methoden, um meine Erkenntnisse im Projekt »Ich habe auch Angst« weiterzugeben. Sie sind nicht allein mit Ihrer Angst: Zwar äußert sich Angst mit vielen Facetten, aber das Gefühl der plötzlichen Überwältigung, der Ohnmacht, Hilf- und Wehrlosigkeit ist bei allen Menschen gleich. Und doch trifft es Statistiken zufolge Frauen häufiger als Männer. Menschen tendieren aber zur Verdrängung und Vermeidung, bagatellisieren unliebsame Gefühle oder projizieren sie auf andere. Angst zeigt: Auch diese Abwehrmechanismen haben ihr Verfallsdatum, wenn etwas für die Existenz Bedeutsames aus dem Gleichgewicht geraten ist. Es stellt eine beachtenswerte Aufforderung zur nötigen Einsicht, Umkehr und Veränderung dar. Oft sind es weniger Lebenssituationen als man selbst mit den eigenen Gefühls-, Denk- und Verhaltensmustern, der Ängste schürt. Nichts kann sich zum Positiven verändern, wenn wir nicht bereit sind, uns zu prüfen und Ausgedientes loszulassen. Würde man sich für die Angst entscheiden, bliebe man immerwährend in diesem Gefühl verhaftet. Man würde sich von nötigen Erfahrungen abschneiden, die heilsam sein können – für das gesamte Umfeld. Man hätte stattdessen sein eigenes Gefängnis geschaffen und würde den Wärter Angst dafür bezahlen, einen täglich zu peinigen.
Mein Weg, den ich im Buch exemplarisch darlege, stellt kein Heilversprechen dar. Doch er beinhaltet anerkannte und wirksame Methoden gegen Angst in ihren Formen und Intensitäten, die ich im Laufe der Jahre gefunden habe, auf eine ganzheitliche Weise – damit nicht Angst, sondern Sie die Macht über Ihr Leben behalten: nachhaltig.
Ihre Janett Menzel
Titelei
Ich habe auch Angst
Teil I Schritt 1: Radikale Selbstprüfung
1 Das Durchdringen der Angst – Mein Weg
1.1 Der Beginn Ihres Weges
1.2 Wo ein Weg hineinführt, führt mindestens einer hinaus
1.2.1 Wie steht es um Ihre Bedürfnisse?
1.3 Bedürfnis-Check
1.4 Schnelle Methoden und Techniken
1.5 Ich bin doch nicht Jeanne d’Arc!
1.6 Vergebung und Erlaubnisse
1.6.1 Schauen Sie sich die nächsten Sätze an und spüren Sie in sich hinein:
1.7 Ziemlich gute Gründe
1.7.1 Ihre Vision einer angstfreien Zukunft
Teil II Schritt 2: Selbstverständlich ICH
2 Die Wunde der ungeliebten Frauen
2.1 Woher komme ich?
2.1.1 Die Eltern in uns: Identität und Identifizierung
2.1.2 Schrecklicher als Angst
2.2 Wenn das kleine Mädchen in Ihnen ruft
2.3 Hoffnungen, Erwartungen und Vorwürfe
2.3.1 Vergessenes Vertrauen
2.3.2 Verborgene Wut
2.4 Frau Ich, Ihr Selbst und Ihr Ego
2.4.1 Motive und Motivationen
2.4.2 Zugehörigkeit um jeden Preis
2.4.3 Wenn Motive Angst hervorrufen
2.4.4 Struktur, Impulse und Anerkennung
2.5 Gemeinsam
2.6 Die dunkle Seite des Mondes
Teil III Schritt 3: Ein Leben nach der Angst
3 Die Qual der Wahl & die Magie der Neuanfänge
3.1 Selbstfürsorge im Ausdruck
3.1.1 Grenzen und Begrenztheit
3.1.2 Selbstrespekt und Würde
3.1.3 Wert(e)voll
3.2 Sinn und Verstand
3.3 Selbstliebe
3.4 Einweihen des Umfelds
3.5 Schritt für Schritt ins Ziel
3.6 Liebe Leserinnen,
3.7 Literaturverzeichnis
3.7.1 Bücher
3.7.2 Artikel/Blogeinträge
3.7.3 Sonstiges
Autorenvorstellung
Impressum
1 Das Durchdringen der Angst – Mein Weg
Als sich meine Angst mit Panik erstmals zeigte, konnte ich nicht verstehen, wieso. Mein Leben erschien oberflächlich mehr als erfüllt: Ich hatte einen sinnvollen Job, eine stabile Partnerschaft und war finanziell abgesichert. Die Beziehung zu meiner Familie und meinen Freunden war überwiegend gesund und nährend. Und doch fand ich mich in einem Gefühl wieder, das mich aus meinen vermeintlich sicheren Angeln hob. Dabei war die Kraft meiner Angstzustände nicht zu vergleichen mit der Unsicherheit, die ich bislang kennengelernt hatte, wie beispielsweise die vor Prüfungen oder Bewerbungsgesprächen. Die »neue« Angst hatte eine bodenlos tiefe Intensität und ergriff meinen ganzen Körper. War ich draußen, wollte ich sofort zurück in meine Wohnung, denn ich fürchtete, jeden Moment werde der Himmel auf mich herabfallen. War ich unter Menschen, wollte ich allein sein, denn ihre bloße Anwesenheit engte mich ein. Stand ich in der Schlange an der Kasse, ertrug ich es kaum, abzuwarten, bis ich an der Reihe war. Ging ich an einer Straße entlang, machten mir die Autogeräusche Angst. War ich in Gesprächen, konnte ich weder lange zuhören noch stillsitzen. Wenn ich Zeit für Entspannung hatte, wollte mein Geist nicht schweigen. Stattdessen drehte er erst richtig auf und überflutete mich mit Horrorszenarien, fiktiven Gesprächen, glühend heißer Wut und: Angst – vorwiegend abends, wenn ich schlafen wollte, oder mitten in der Nacht, wenn die Angst mich weckte. Wie oft fürchtete ich, ich würde jeden Moment verrückt werden oder einfach sterben, weil mein Körper dieser Belastung nicht standhalten könnte. Dutzende Male malte ich mir aus, dass es doch irgendeinen Grund geben musste – bestimmt körperlich bedingt –, der diese Angst auslöste. Doch ich war kerngesund und blieb am Leben. Es waren nur Angst und Panik.
Nach Jahren der intensiven Suche nach den Hintergründen und Zusammenhängen meiner Angst verstand ich schließlich, dass sie ein Zeichen war: Ich war in meinem Leben in einer ungemütlichen, einsamen und kalten Sackgasse gelandet. Was auch immer ich mir einredete, war Absicht, um mir nicht eingestehen zu müssen, was alles nicht stimmte, nicht im Einklang mit meinen Werten und Bedürfnissen stand. Doch meine Angst zwang mich dazu.
Ich erinnere mich an einen verregneten Sonntag, an dem ich spazieren ging, um rauszukommen, nachdem ich tagelang – meine Angst vermeidend – in meiner Wohnung gesessen hatte. So wenige Menschen auch auf der Straße waren, es war der Regenschirm direkt über meinem Kopf, dessen Nähe mir zu viel wurde. Wieder zu Hause angekommen, stieg die Panik von meinen Füßen bis in meinen Kopf und überrollte mich für die kommende halbe Stunde. Typisch menschlich versuchte ich, die Angst zu verdrängen, und legte mich in meinem Wohnzimmer auf den Boden. Ich probierte alle Atemtechniken, die ich kannte, abwechselnd durch, aber keine linderte die schier unersättliche Welle dieses Gefühls, mit dem ich nie umzugehen gelernt hatte. Ich schloss die Augen und bemühte mich, meine Angst mit positiven Gedanken wegzudrücken. Das half für wenige Sekunden, bis ich wieder wie gelähmt an die Decke starrte. Doch erst die Tatsache, dass ich in diesem Moment selbst vor meiner Deckenlampe Angst hatte, löste meine Entschlossenheit aus, sie zu überwinden. So konnte es nicht weitergehen. So sollte mein Leben nicht aussehen. So konnte das Universum es nicht für mich gewollt haben. Dieser Sonntag setzte eine jahrelange, unermüdliche und wertvolle Suche nach einem ganzheitlichen Verständnis von Angst in Gang. Es musste Wege geben, denn es gibt immer Lösungen – für alles.
Sie lagen auf der anderen Seite der Angst, in ihrem motivierenden und aufweckenden Aspekt, der uns das Greifen nach den Sternen erlaubt. Er lässt uns wachsen und unser bestmögliches Ich reifen, das im Einklang mit unseren Bedürfnissen und Werten steht, jenseits aller Ansprüche anderer Menschen.
So, wie es mir ging, geht es vielen Frauen. Sie alle haben eine eigene Geschichte zu ihrer Angst zu erzählen, eigene Schweregrade und ausschlaggebende Momente, in denen sie beschlossen, dass sich etwas ändern müsse.
Nur, in welchem Lebensbereich fängt man an? Wo besteht das Ungleichgewicht, aus dem die Angst entstand? Ob die Balance physiologisch, mental, emotional oder spirituell wiederhergestellt oder gar aufgebaut werden muss, zeigte sich bei vielen, die sich mir anvertrauten, erst, nachdem sie sich auf den Weg gemacht hatten. Auch ich war mir meiner nötigen Schritte lange Zeit nicht bewusst. Jeden Morgen hoffte ich, meine Angst wäre wieder in das Nichts, aus dem sie gekommen war, verschwunden. Mehrmals versuchte ich, an Menschen und ihren Persönlichkeiten zu schrauben, Umstände für mich zu verbessern, und verteilte dabei viel Schuld. Es war eine kindische Hoffnung, alles werde sich schon von allein regeln. Ich musste handeln, für mich, und das sofort, um endlich wieder angstfrei zu leben.
Nach mehreren Tiefschlägen unterzog ich mich schließlich einer radikalen Selbstprüfung und entdeckte jene Sackgasse, von der ich eingangs sprach. Meine Gefühle, mein Denken und Handeln hatten mich dorthin gebracht. Dort hatte ich geglaubt, alles zu finden, was ich mir immer gewünscht hatte. Wie bei vielen Frauen waren das Sicherheit, Zugehörigkeit und Anerkennung, von anderen und erst dann von mir selbst. Für meine emotionalen Anpassungsleistungen, die ich erbrachte, um zu erhalten, was mir Wert und Sicherheit versprach, hätten einen Orden verdient. Erst jetzt erkannte ich, wie schändlich ich mit mir umgegangen war, was ich alles von mir erwartet hatte, wie traurig und wütend ich war und wie sehr ich im Stillen für Wiedergutmachung betete. So unbequem ich im Erreichen meiner Ziele auch sein konnte, ich mochte mich nur, wenn mich andere mochten und es mir zeigten. Eine Palette unbewusster Sehnsüchte schien mich zu einzelnen Lebensschritten motiviert zu haben. Genau diese stellte ich einzeln infrage, denn erst sie hatten mich in die Sackgasse geführt. Dort verbarg sich meine Wunde, die mich jahrelang unbewusst geleitet hatte.
Ich suchte rigide meine Persönlichkeit, meine Lebensumstände und mein soziales Umfeld ab. Wo und wann sagte ich Ja statt Nein? Wo blieb ich still, statt meine Meinung zu äußern? Wann rannte ich lieber gegen Wände, als den Kampf aufzugeben? Welche Reaktionsmuster hatte ich? Was hatte ich wirklich erreicht? War ich zufrieden damit? Hatte ich durch meine Mühen bekommen, was ich mir versprochen hatte? Wie sah ich die Menschen in meinem Leben und im Allgemeinen und wie sollten sie mich wahrnehmen? Welche Maske trug ich und was verheimlichte ich aus Angst, in meiner wahren Natur erkannt zu werden? Was war der Sinn meines Lebens? Ich war gesund, aber dienten meine Lebensgewohnheiten meinem körperlichen Wohl? Und was hatte mein Geschlecht damit zu tun, dass ich Angstzustände erlebte? Gab es schon in meiner Kindheit und Ahnenlinie Anzeichen für die Angst, die mich 25 Jahre später überrollen sollte? Und wie konnte ich schnell handeln, damit ich keine Angst mehr haben würde?
Diese und andere Fragen stellen sich viele Frauen, die unter Angstzuständen leiden. Jede Frau entdeckt auf ihrem Weg aus der Angst früher oder später ihre ganz eigene Sackgasse. Wenn man weiß, was in sie hineingeführt hat, muss der Weg aus ihr heraus nicht beschwerlich sein. Sie müssen sich nur bewusst dafür entscheiden, Ihr Leben ungeniert zu betrachten und Angst als das zu sehen, was sie ist: einerseits Schutz vor dem, was Sie fürchten (sollen), und andererseits Aufforderung, die Person zu werden, die sie sein wollen und sollen. Es ist eine größere, bessere und zufriedenstellendere Version Ihres jetzigen Lebens, nach der sich ein Teil Ihrer Persönlichkeit sehnt – ob es Ihnen bewusst ist oder nicht. Ihr Körper-Geist-Seele-System möchte nicht länger verdrängen, dass einzelne Umstände ihre Toleranzgrenze erreicht haben. Angst als Zeichen dafür dankbar anzunehmen und sich für eine ehrliche Innenschau zu öffnen, ist das Beste, was Sie für sich tun können. Hingabe an sich selbst ist der erste, aber entscheidende Schritt auf dem Weg zu Ihrem Wohl, hin zu einer heilsamen Veränderung für Ihre Zukunft.
Angst erscheint plötzlich – ohne erkennbaren Grund –, auch wenn sie häufig innere und äußere, bewusste und teils unbewusste Krisen begleitet. Wenn ich an meine eigenen Angstzustände zurückdenke, hatten sie auch körperliche Ursachen, darunter mangelnde Bewegung, niedriger Blutdruck, Nahrungsintoleranzen, schlechte Ernährung sowie unbekannte Vitamin- und Mineralienmängel. Aber hauptsächlich schürten seelische Zustände meine Angst: viel Alleinsein bis hin zu Einsamkeit (trotz Freunden, Familie und Partner), wenige nährende Interessen und schöne Momente in meiner Freizeit, emotionale Überforderung durch Kollegen und Freunde, zu wenig Anerkennung und zu viel Verantwortung im Beruf, psychische Überforderung durch einzelne Menschen, die mir zu viel abverlangten. Außerdem war ich übermäßig stark durch Sanierungen in meinem Wohnhaus belastet; mir fehlten Stille und Zeiten der Entspannung, wenn ich sie brauchte.
Jede Frau hat ihre eigene Konstellation von Auslösern und Kombination von Umständen, die ihre Ängste bedingen. Aus meiner Erfahrung mit Betroffenen weiß ich, dass viele auf den ersten Blick keine Ursachen oder belastenden Lebensbereiche erkennen können. Das liegt oft daran, dass ihre Lebensumstände ihnen persönlich nicht problematisch erscheinen. Sie haben sich entweder an sie gewöhnt oder sie nie anders erlebt. Was für die einen ein schwerwiegender Faktor ist, kann sich für Sie ganz normal anfühlen. Doch Ihre angstauslösenden Umstände zu identifizieren, ist unabdingbar. Sie zeigen, worauf Ihr Körper und Geist reagieren. Es sind Grenzen, die für Ihr Wohl gewahrt sein müssen. Nur wenn Sie sich ihrer bewusst werden, können Sie den Grundstein für ein angstfreies Leben legen. Im Folgenden stelle ich Ihnen erste Möglichkeiten vor, die Ihnen bei Ihrer Selbstprüfung helfen können.
Es gibt drei Wege, die sich mir in den letzten Jahren zeigten, auf denen Sie sich effektiv in Zeiten voller Angst stabilisieren können. Der erste ist ein radikaler Prozess der Umkehrung aller jetzigen Verhaltensweisen und ggf. Lebensumstände. Als ich zum ersten Mal eine Panikattacke hatte, ließ ich mich für zwei Wochen krankschreiben und zog mich auch in meinem Privatleben weitgehend von sozialen Zwängen zurück – selbst in meiner Partnerschaft. Ich bewegte mich, statt stets nur zu sitzen. Ich aß gesund und langsam, statt schnell Ungesundes in mich hineinzustopfen, bevor der nächste Termin anstand. Ich fühlte in mich hinein, statt nur den Anforderungen anderer gerecht zu werden. Ich sprach aus, was ich fühlte, statt nur anderen bei ihren Problemen zu assistieren. Ich umgab mich mit positiven Menschen und übte positive Tätigkeiten aus. Ich vermied es, zu grübeln, und sorgte stattdessen für wohltuende Entspannung und ausreichend Schlaf. Und die Panik blieb fern – weil ich die für mich negativen Umstände mied.
Diesen Weg können auch Sie gehen, nachdem Sie Ihre Angstauslöser erkannt haben. Sie werden im Laufe des Buches viele Möglichkeiten kennenlernen, sie zu identifizieren.
Als ich beim zweiten Mal Panik, dieses Mal mit Agoraphobie (Angst vor Weite), erlebte, war ich in einer schwierigen Partnerschaft und auch einzelne Freundschaften gestalteten sich nur mäßig. Beide Bereiche waren mit Problemen behaftet. Mein Job war nach wie vor unerfüllend und der Kontakt zu vielen schwierig. Ich war wieder, ohne es zu merken, in einer Sackgasse gelandet. Als die Angstzustände anhielten, begann ich unbewusst, Korrekturen vorzunehmen: Ich meldete mich bei zwei Freundinnen, die stets Probleme hatten, fast gar nicht mehr und sah auch meinen Partner, mit dem ich Schwierigkeiten hatte, nur noch selten. Ich brauchte das Alleinsein, obwohl ich vorher stark an diesen Verbindungen festgehalten und viel in sie investiert hatte. Beruflich nahm ich Änderungen vor, obwohl sie mein Einkommen reduzierten. Ich konzentrierte mich nur noch auf mich und meine Genesung. Jeden Tag ging ich in meine angstauslösenden Momente und nutzte alle Ressourcen, die mir zur Verfügung standen, um die besten Lösungen gegen meine Angst zu finden. Ich erinnere mich an Stunden voller Stille, Einsamkeit, Musik, angsterfülltem Kontakt zu mir selbst, Natur, autogenem Training, langsamem Yoga gegen meine innere Hektik, Tanzen und Kickboxen gegen meine Stresshormone. Nach acht Wochen war ich wieder psychisch ausgeglichen und stabil. Erneut waren es problembehaftete Bindungen, von denen ich mich distanzierte, und destruktive Verhaltensweisen, die ich änderte.
Der zweite Weg ist für viele am schwersten, weil er durch die Angst hindurchführt. Die kognitive Verhaltenstherapie arbeitet so. Dieser Ansatz verlangt es Betroffenen ab, die Angst bewusst zu erleben, statt sie wegzudrücken, sie da sein zu lassen – in aller Schwere und Häufigkeit. Sei es mit Atemtechniken, positiven Gedanken, Akzeptanz und Dankbarkeitsarbeit: Im Vordergrund steht die Konfrontation. Man meidet nicht die angstauslösenden Situationen, sondern geht sie stattdessen bewusst an. So kann man lernen, dass Angst zwar ein Gefühl ist, dahinter aber keine weitere Bedrohung steckt. Auch ich kann mich an eine Panikattacke erinnern, die ich bewusst zuließ. Es gab nur wenige Momente in meinem Leben, in denen ich mich ähnlich glücklich und befreit gefühlt habe, wie nach dieser Panikattacke. Dennoch funktioniert dieser Weg nicht für jede Frau. Er ist zudem für viele in ihrem Alltag und ihren Beziehungen schwierig zu gestalten. Sie können keine so radikalen Veränderungen vornehmen, wie ich es tat, weil ihr Job es beispielsweise nicht ermöglicht. Oder sie haben große Mühe, den Partner aus ihrem Alltag auszuschließen, zum Beispiel, weil sie mit ihm zusammenwohnen oder es schlichtweg fürchten. Doch es kann ein erster Schritt sein, zumindest die eigenen Beziehungen und beruflichen Verbindungen daraufhin zu überprüfen, ob sie Sie nähren oder auslaugen.
Auch bei mir wirkte dieser Weg nicht nachhaltig. Ein Jahr später erlebte ich die nächste Panikattacke. Aus meiner vorherigen Erfahrung wusste ich, was sie ausgelöst hatte: Diskussionen über die Realität, die ich so dringend ändern wollte. Ich war frustriert über meine Lebensumstände. Ich wollte mehr vom Leben, von meinen Beziehungen, meinem Job, aber traute mich nicht, mich zu trennen – weder privat noch beruflich. Ich wusste, dass ich andere nicht ändern konnte, besonders, weil sie sich nicht ändern wollten. Stattdessen begann ich, mich ganzheitlich mit Angst und mit mir selbst auseinanderzusetzen. Es war der Beginn einer lange dauernden Selbstfindung auf allen Ebenen: der körperlichen, mentalen, emotionalen und spirituellen. Ich fand neue Interessen, die mir Halt gaben und mich in meinem Selbst bestärkten. Ich erkannte dabei, dass ich nicht die einzige Frau war, der es so ging. Auch andere hatten Mühe, ihren Weg zu finden und ihn würdevoll zu gehen, sich zu erkennen und kennenzulernen. Vor allem stellte ich fest: Es gab viele Frauen, die Schwierigkeiten mit ihren persönlichen Beziehungen hatten. Entweder, weil sie ungewollt Single waren, oder weil sie sich in ihrer Partnerschaft unwohl oder einsam fühlten. Gleichzeitig fürchteten sie die Konsequenzen einer Trennung. Ihre Angst, zu niemandem zu gehören, teilte ich. Gleichzeitig hatte ich gelernt, wie katastrophal schlechte Beziehungen für die Psyche und den Körper sein können.
Diese letzte Episode meiner Angst dauerte mehrere Monate. Nur durch sie erkannte ich, dass ein radikaler Rückzug aus Lebensumständen (Weg 1) und die kurzfristige Veränderung bisheriger Reaktions- und Verhaltensmuster (Weg 2) bei mir zwar halfen, doch nicht die besten Lösungen sein könnten, wenn meine Angstzustände in dieser Frequenz wiederkehren würden. Dieses Mal distanzierte ich mich deshalb nicht von Problemen oder problembehafteten Menschen. Ich lernte mittendrin und währenddessen, meine Beziehungen zu gestalten und mein Leben in die eigenen Hände zu nehmen, ohne um Erlaubnis zu bitten. Hauptsächlich aber verband ich die Erkenntnisse meiner Selbstfindungsphase mit notwendigen Änderungen in meinem Verhalten. Ich begann eine Gesprächstherapie, die mich bestärkte, meine bisherigen Gedankenschranken aufzulösen. Nicht länger funktionierende Freundschaften und meine Partnerschaft gingen in der Folge in die Brüche – zu meinem Besten. Ich wechselte beruflich in eine andere Abteilung und kündigte später die Anstellung. Ich veränderte proaktiv die Beziehung zu meinen Familienangehörigen, denen ich mehr Halt zu geben schien als sie mir. Selbst unter größtem Druck und Konflikten hielt ich an meiner Würde, meinen Werten und meinen Herzenszielen fest. Ich folgte unbeirrbar meiner Intuition und war zu allen Konsequenzen bereit. Kommunikationsstrategien halfen mir, mein soziales Umfeld auf meine Pläne vorzubereiten. Dieser dritte Weg war für mich daher der nachhaltigste.
— Dieses Mal distanzierte ich mich nicht von Problemen oder problembehafteten Menschen. —
Manchmal sind es mehrere kleine Aspekte unseres Lebens, die wir ändern müssen, damit Ängste schwinden. Doch es können ebenso die großen Lebensbereiche sein, die Ängste in Ihnen auslösen – nicht etwa, weil sie per se schlecht wären. Menschen denken dann oft, sie müssten gleich alles hinwerfen, sich von ihrem Partner trennen oder den Job kündigen. Die Angst, nichts und niemanden mehr zu haben, lässt sie schließlich erstarren. Doch Verbindungen und Umstände können eventuell nur einen anderen Rahmen benötigen, damit sie wieder für Sie mit Sinn erfüllt wären. Sollten sie selbst dann nicht länger dienlich sein, hätten Sie noch immer die Möglichkeit, sich zu lösen.
Ebenso gibt es angsteinflößende Ereignisse im Leben, die nicht geändert werden können, zum Beispiel Trennungen/Scheidungen, den Tod geliebter Menschen, Verlust von Freundschaften, Auszug der Kinder aus dem elterlichen Zuhause, ernsthafte Krankheiten und Unfälle, Arbeitsunfähigkeit, Eintritt in die Rente, Verlust einer Lebensaufgabe, Arbeitslosigkeit, drohende Armut u. v. m. In diesen Fällen geht etwas Bedeutsames verloren. Es entsteht – oft unfreiwillig – ein leerer Platz, der neu gefüllt werden kann, wenn man sich bereit dazu fühlt. Um wieder Hoffnung und Kraft für die Zukunft zu schöpfen, braucht für jeden etwas anderes. Einige benötigen therapeutische Unterstützung und die Nähe zu vertrauensvollen, sozialen Kontakten. Anderen hilft die Abgrenzung und Besinnung, eine Zeit der Distanz, um das Ereignis zu reflektieren und sich neu zu orientieren. Ich hoffe, Ihnen in diesem Buch eine Fülle von Anregungen geben zu können, die Ihrem Leben und Sein wieder eine neue Bedeutung verleihen.
Abraham Maslow, Mitbegründer der Humanistischen Psychologie, entwickelte die Bedürfnispyramide. Er unterschied zunächst fünf Bedürfnisebenen (später dann sieben Ebenen), wobei die ersten vier Defizitbedürfnisse darstellen. Je stärker in diesen Bereichen Ihre Bedürfnisse befriedigt sind, desto zufriedener und gesünder fühlen Sie sich. Je unbefriedigter die Bedürfnisse sind, desto unwohler fühlt man sich und das Risiko für Erkrankungen nimmt zu, so Maslow. Dabei verschwinden Bedürfnisse jedoch nicht einfach; sie können nur verdrängt oder abgewehrt werden.Unbefriedigte Bedürfnisse erkennen Sie dann am Gefühl der Leere trotz äußerer, scheinbarer Fülle. Sie äußern sich als Sehnsüchte oder Drang, etwas unbedingt tun zu müssen oder (haben) zu wollen. Stillen Sie Ihre Bedürfnisse nicht, können sich Selbstwertängste, Süchte, Traurigkeit, Wut u. v. m. melden.
Physiologische Bedürfnisse Doch nicht immer sind innere Prozesse die Ursache für Angstzustände. Maslow benannte als unterste Bedürfnisebene die physiologische Ebene, die existenzielle Bedürfnisse verdeutlicht, darunter ausreichend Nahrung und Wasser, Sauerstoff, Licht, Vitamine, Mineralien, eine erfüllte Sexualität, Bewegung, eine angenehme Temperatur, Ruhe, Schlaf sowie die Abwesenheit von Krankheiten und Schmerzen. Sind diese Bedürfnisse unerfüllt, können sich Schlafprobleme, ein geschwächtes Immunsystem, Krankheiten, eine erhöhte Empfindsamkeit, innere Unruhe, Temperatur-, Geräusch- und Lichtempfindlichkeit, Energielosigkeit, Müdigkeit, Konzentrations- und Lernschwierigkeiten zeigen.
Von entscheidender Tragweite in diesem Bereich sind unentdeckte Krankheiten. Als bekannter Auslöser von Angstzuständen gelten vor allem Schilddrüsenerkrankungen. Auch auf gynäkologischer Ebene – so berichteten es mir Leserinnen – kann ein Östrogenmangel Symptome wie Schwitzen, Energiemangel, Schläfrigkeit, Libidoverlust und Hitzewallungen in Verbindung mit Ängsten auslösen. Ebenso Mangelzustände (Vitamin D, Eisen, Magnesium, B-Vitamine) sowie die Wahl der Ernährung und unentdeckte Nahrungsintoleranzen (z. B. Laktose, Gluten, Glukose, Knoblauch, Zwiebeln, Histamin) können Stress verursachen. Sie hindern den Darm an der Produktion wichtiger Neurotransmitter. Anhaltender Stress belastet den Darm so stark, dass die Bildung von Serotonin und Dopamin, den Botenstoffen des Glücks, beeinträchtigt wird. Betroffene mit einem Reizdarm oder einer kranken Darmschleimhaut leiden häufiger unter Ängsten und Depressionen. Margaret Wehrenberg identifizierte zudem Koffein, Alkohol, Zucker und Tabak als darmbasierte Auslöser von Angst. Was den Darm auch stresst, sind mangelnde Bewegung und fehlende Ruhe. Denn durch Sport werden essentielle Stresshormone abgebaut und die Ausschüttung von Glückshormonen angeregt. Durch gezielte Zeiten der Entspannung erreicht man einen ähnlichen Effekt. Dabei ist besonders Stille ein wichtiger Faktor: außen und innen.
— Verbindungen und Umstände können eventuell nur einen anderen Rahmen benötigen, damit sie wieder für Sie mit Sinn erfüllt sind. —
Als auf der physiologischen Bedürfnisebene unbefriedigt erleben sich häufig Mütter, besonders frischgebackene. Sie leiden unter Schlafmangel und Unruhe, fehlenden Zeiten der Stille und Einkehr. Auch viel arbeitende Frauen, die dem Job Vorrang geben, haben übermäßig unbefriedigte Bedürfnisse in diesem Bereich (besonders Frischluft und Licht) sowie Menschen, die häufig drinnen oder starken Reizen ausgesetzt sind, wie zum Beispiel anhaltender Lautstärke.
Nahrungsmittel mit beruhigender Wirkung
(sofern keine Intoleranzen vorliegen)
Bananen
Nüsse, Kerne und Samen (Kürbiskerne, Sesam, Chiasamen usw.)
Hafer (Haferflocken, Hafermilch)
Kartoffeln, Süßkartoffeln
Petersilie
Sprossen
Beeren (besonders dunkle wie Schwarze Johannisbeeren und Heidelbeeren)
grünes Gemüse (besonders Blattsalat und Brokkoli)
Fisch (besonders Lachs und Sardinen)
naturbelassener Reis, Vollkornreis
Dinkel
Hülsenfrüchte (besonders Bohnen)
Tees (Kräuter, Roiboos, hoch dosierte Kamille, Melisse)
Käse (Hüttenkäse, Emmentaler, Camembert)
Bier (Hopfen)
Avocado
dunkle Schokolade und Kakao
Eier bzw. Eigelb
Zitronen
Salbei
Honig
Paprika
Ingwer
Johanniskraut, Baldrian, Ginseng, Lavendel
Sicherheitsbedürfnisse Die zweite Ebene konzentriert sich auf Bedürfnisse nach Schutz und Sicherheit: Eine lebenssichernde Umgebung, Stabilität, Struktur, Ordnung sowie wohltuende Grenzen sind die Basis. Bleiben Bedürfnisse unerfüllt, können sich generelle Ängste und Verlustangst zeigen (man sieht überall physische, psychische und emotionale Bedrohungen für die Lieben und sich, empfindet Lebensbereiche als angstbesetzt). Auch Symptome wie körperliche Erschöpfung und die Schwierigkeit, sich zu entspannen, das Gefühl, keine Zeit zu haben, sich eingeengt fühlen, Herzrasen, Muskelverspannungen, innere Anspannung, starke Unlust, das Gefühl, ausgeliefert zu sein, keine Hilfe zu bekommen, alles im Alleingang machen zu müssen sowie sich unfähig zu fühlen sind Anzeichen.
Hier finden sich erneut Mütter, aber auch Frauen, die unter schwierigen Partnerschaften leiden oder Gefahren im Beruf ausgesetzt sind. Diese Gefahren können emotionaler und psychischer Natur sein: Überforderung, ein hoher Erwartungsdruck, Perfektionismus, Mobbing, schwierige Beziehungen zu Vorgesetzten, erzwungener Obrigkeitsgehorsam sowie die eigene Konstitution (Hochsensibilität, Hochempathie, Hochbegabungen, AD(H)S, Introversion, Umgang mit Stress und einzelnen Gefühlen). Was uns Sicherheit bietet, ist immer eng an eine Bedeutung geknüpft, die wir dem Sicherheitsspender verliehen haben. Droht diese Bedeutung, der Wert, den etwas/jemand für uns hat, verlorenzugehen, treten Angstzustände auf. Nicht Angst ist das Problem, sondern das Festhalten an Bedeutungen, die wir Situationen und Personen selbst verleihen. Bitte fragen Sie sich, was/wen Sie befürchten zu verlieren und welche Bedeutung es/derjenige für Sie hat. Welche Bedeutung wird dadurch Ihrem Leben verliehen und welchen Wert hätte Ihr Leben ohne?
Bei einer Betroffenen verdeutlichte sich das im befürchteten Verlust ihrer Kinder, wenn sie die Scheidung einreichen würde. Sie litt jahrelang an Panikattacken und lebte in einem engen Kreis um ihr Haus herum, als Signal für ihre Angst, sich von ihrer Ehe (und somit Familie) zu entfernen. Eine Leserin erlebte Angstattacken, wenn sie im Auto zu Meetings fuhr, mit denen sie bewusst keinen Stress verband. Unbewusst löste die Enge ihres Berufs verbunden mit der Art der geschäftlichen Kontakte, denen sie menschlich nichts abgewinnen konnte, Angst aus. Doch ihr Job ermöglichte ihr einen Lebensstil, der ihr Sicherheit gab. Ihn aufzugeben oder kritisch zu betrachten, verstärkte ihre Angst – auch, weil ihre Eltern ihre Arbeitgeber waren.
Soziale Bedürfnisse Die dritte Bedürfnisebene kennzeichnet die Bedürfnisse nach Liebe und Zugehörigkeit: Freiheit von Einsamkeit und sozialen Ängsten, stattdessen das Erleben von Freude und nährenden Bindungen, die Geborgenheit einer Familie, ggf. mit Kindern, eine gesunde Partnerschaft sowie das Gefühl einer gleichgesinnten Gemeinschaft. Im Umkehrschluss werden unbefriedigte Bedürfnisse begleitet von Einsamkeit, emotionaler Erschöpfung, dem Gefühl, nur schwer Liebe annehmen zu können und mehr zu geben, als zu empfangen, fehlender Geborgenheit, destruktiven oder oberflächlichen Beziehungen, innerer Leere, Langeweile, Sinnlosigkeit, dem Gefühl, für andere da sein zu müssen, um Zuwendung von ihnen zu erhalten – und seine eigenen Bedürfnisse zurückstellen zu müssen.
Meistens handelt es sich um den Bereich der persönlichen Beziehungen und der Partnerschaft sowie der Familie, der unerfüllte Bedürfnisse zeigt, die nicht behoben werden. Viele Frauen geben Beziehungen eine besondere Bedeutung und stehen einem Wandel skeptisch gegenüber. Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass es leichter ist, wenn sich andere verändern, damit wir selbst nicht aktiv werden müssen. Wir übertragen anderen oft eine Verantwortung für unsere inneren Zustände, für die wir einstehen müssten. Sind wir zum Beispiel unglücklich mit unserem Partner, muss es an ihm liegen. Dahinter verbirgt sich oft eine Angst vor Unabhängigkeit, Trennung, Verlust und Veränderung auf charakterlicher/verhaltensbezogener Ebene. Gleichzeitig tendieren Frauen dazu, eher eine wie auch immer geartete, aber wenig positive Beziehung einzugehen, als gar keine zu haben. Das kann zum einen daran liegen, dass ihre weibliche Energie durch Fürsorge und Hingabe Ausdruck finden möchte. Auf der anderen Seite haben viele Frauen gelernt, dass sie sich durch Zugehörigkeit und Bindung wohl- und wertvoll fühlen. Dafür wären sie bereit, körperliche und andere Bedürfnisse zu vernachlässigen. Doch das Leben verliert so an Eigendrehung und Eigensinn. Nur ein Gleichgewicht von Selbstabgrenzung und -hingabe, Festhalten an Bestehendem sowie Wandel ist langfristig vielversprechend für die Gesundheit. Krampfhaftes Festhalten aber kann Ängste ins Unermessliche steigern. Hier zeigt sich bei vielen Frauen ihre persönliche Sackgasse. Dass sie eher ihre Bedürfnisse unbefriedigt lassen, statt sich für sich einzusetzen, zu den eigenen Meinungen und Wünschen zu stehen, ihren Gefühlen Ausdruck zu verleihen und sich selbst treu zu bleiben, ist mit der Angst verbunden, allein zurückzubleiben. Deshalb bleiben wir in uns nicht länger dienlichen Partnerschaften, statt uns zu trennen. Das kann sich auch auf den Beruf beziehen. Die (ungesund überhöhte) Bedeutung einer Beziehung (auch eines Jobs, um Teil von etwas zu sein), gerät in Konflikt mit anderen, ebenso wichtigen Bedürfnissen.
Individualbedürfnisse Selbst das Bedürfnis nach Achtung und Selbstachtung, wenn unbefriedigt, kann Ängste schüren. Das Erleben von Respekt, Status, Ruhm, Ehre sowie Macht, genügend Aufmerksamkeit und Anerkennung zu erfahren, Leistung und Kompetenz frei ausdrücken zu können, persönliche Freiheit, Unabhängigkeit zu erleben und Selbstvertrauen zu empfinden sind die Bausteine dieser Ebene. Je befriedigter unsere Bedürfnisse hier sind, desto stärker ist unser Selbstwert. Bei unbefriedigten Bedürfnissen können sich Burnout/Depressionen durch Gefühle der Nutz- und Sinnlosigkeit zeigen, außerdem lähmende Langeweile (»Boreout«), starke Unlust zu Leistungen aller Art (auch emotionalen Anpassungsleistungen) sowie das Gefühl, ausgeliefert zu sein.
Macht, finanzielle und persönliche Unabhängigkeit, Ehrgefühl und intellektuelle Leistungen auf den höchsten beruflichen Ebenen sind relativ neue Themen für Frauen. Erst der Feminismus öffnete sie für Frauen und machte sie für viele überhaupt erstrebenswert und somit wertvoll und zum Teil des persönlichen Reichtums. Unzählige Frauen berichteten mir in den vergangenen Jahren, dass sie ihr Leben noch immer auf allen Ebenen zu »klein« lebten, sie sich ihre Leistungen und deren Wert bislang abgesprochen hatten – auch weil es anderen so leichter fiel, mit ihnen umzugehen. Der Wert als Frau und Mensch rückt in Zeiten der Selbstliebe und des Empowerments zwar immer wieder in den Fokus, doch selten wird er zu gefühltem Wissen und somit zur Selbstverständlichkeit. Frauen haben für sich nicht nur entdecken können, dass sie ihren Wert untergraben und zu wenig für sich einstehen. Sie haben erkannt, dass gleichzeitig eine tiefe Angst vor Selbstabgrenzung und Unabhängigkeit, der eine nicht gelebte Selbstachtung zugrunde liegt, in ihnen wohnt. Sei es durch Erziehung, Schulbildung, Verhaltensweisen der (besonders weiblichen) Ahnenlinie oder bestimmte Erfahrungen: Wenige empfinden sich persönlich und beruflich als machtvoll oder glauben, dass sie Status, Ehrgefühl und Freiheit verdient hätten. Wenigen fällt es leicht, ihr Leben (allein) in Besitz zu nehmen und anderen ihre Grenzen aufzuzeigen, aber auch sich selbst an die eigenen Grenzen zu halten. Viele vernachlässigen diese in Anbetracht der Konsequenzen oder wissen nicht einmal, welche Grenzen sie besitzen (sollten).
In diesen ersten vier Bedürfnisbereichen könnte Ihre Angst fußen. Deshalb bitte ich Sie nachzuspüren, in welchem Bereich Sie sich unerfüllt fühlen. Sollten Sie mehrere Bereiche entdecken, sortieren Sie sie nach Wichtigkeit. Das wird Ihnen verdeutlichen, was Sie in Ihre Sackgasse führte.
Als erste Hilfestellung möchte ich Ihnen für den Moment drei Fragen mitgeben:
1. Wann (Momente, Gedanken, wenn Sie sich von etwas/jemandem entfernen, sich etwas/jemandem nähern, wenn sich etwas/jemand sich Ihnen entzieht) tritt Angst auf?
2. In welchem Lebensbereich (Familie, Kinder, Partnerschaft, Beruf, Freunde, Selbstverwirklichung) ist die Angst am stärksten?
3. Sind es Personen (und deren Verhaltensweisen), die die Angst auszulösen scheinen (hierzu zählen auch befürchtete Reaktionen)?
Selbstverwirklichung Nebst den besprochenen vier Ebenen scheint sich der Bedürfnisbereich der Selbstverwirklichung, zu dem Selbstfindung, -ausdruck und ein Leben in Authentizität gehören, gegen die stagnierenden, erstickenden oder unerfüllten Lebensbereiche zu wehren. Die fünfte Bedürfnisebene nach Maslow beschreibt deshalb das Bedürfnis nach Selbstverwirklichung und gilt als Wachstumsbedürfnis: Sinn, das Empfinden eines Selbst, das Ausschöpfen eigener Potenziale, das Erleben eines höheren Guts, dienen können/dürfen/wollen, sich gesellschaftlichen/weltlichen Diensten hingeben. Unerfüllte Bedürfnisse in diesem Bereich zeigen sich in Sinnleere, vor allem beruflicher Arbeiten, dem Drang nach neuem, andersartigem Wissen und der Erkenntnis auf tieferen Ebenen, der Suche nach dem eigenen Sinn (und des Lebens) sowie Erleuchtung, dem Wunsch nach spirituellem Wachstum und dem Finden und Ausleben der Berufung. Besonders Frauen, die augenscheinlich (fast) alleshaben, bemerken hier starke räsonierende Gefühle. Als versuchte die Seele, die Oberhand über die Gestaltung ihrer Zukunft zu gewinnen, erfahren sie Angst oft als notwendige Reflexion ihres IST-Zustandes. Angst fordert sie zur Korrektur auf, sich spirituell zu erkunden oder Lebensbereiche mit Sinn zu füllen.
Es soll nun um Sie gehen. Sie sollen sich in den Vordergrund stellen und dürfen die Welt ohne selbstignorierende Pflichten betrachten, dürfen Ihre Fühler ausstrecken und interessante Themenbereiche und Gleichgesinnte finden, zu Entdeckerinnen werden – denn das Leben hält viel bereit. So wachte eine Leserin stets nachts um drei Uhr auf und dachte über den Sinn des Lebens nach, über Wissensgebiete wie Philosophie und Weltpolitik. Sie spürte einen Drang nach Engagement für diese Belange und suchte nach dort angesiedelten Aufgaben, statt sich vorrangig um ihre Familie und den Haushalt zu kümmern.
Zu einer radikalen Selbstprüfung gehört nicht nur, dass Sie Ihre Bedürfnisse betrachten und kennen. Das eigene Leben zu überprüfen bedeutet, sich darüber klar zu werden, was in welchem Bereich und wieso nicht stimmig für Sie ist. Es waren Ihre Handlungen, Gedanken und Gefühle, die Sie in diese Situationen brachten, die Sie dort hielten oder aus denen Sie sich nicht lösen konnten. Nicht immer sind solche Erkenntnisse schmerzfrei. Doch so unangenehm die Einsichten auch sein mögen: Es ist essenziell, dass Sie sich eingestehen und verinnerlichen, wenn Ihre Partnerschaft Ihnen mehr schadet als nützt, oder Ihr derzeitiger Arbeitgeber Ihnen nötige Lebensenergie stiehlt, Sie sich unfrei in Ihrer Persönlichkeitsentwicklung fühlen oder abhängig von anderen. Da Sie allein darüber entscheiden, ob Sie für Ihre Bedürfnisse einstehen oder sie vernachlässigen, sind Sie die einzige Person, die ihre Befriedigung in Gang setzen kann. Je stärker Sie Ihr Leben nach den Anforderungen und Bedürfnissen anderer ausgerichtet haben, desto mehr Widerstand könnten Sie zwar erfahren, doch was unter dem Strich steht, bestimmt maßgeblich über Ihre Zufriedenheit in allen Lebensbereichen und somit über die Anwesenheit Ihrer Angst.
Ich lade Sie nun ein, nachdem ich Ihnen alle Bedürfnisebenen vorgestellt habe, Ihr Leben einem Check zu unterziehen. Notieren Sie sich bei jeder Frage – spontan, aber wahrheitsgetreu –, wo auf der Zahlenskala Sie Ihre Zufriedenheit ansetzen und wohin Sie gelangen möchten. Betrachten Sie in jedem Lebensbereich nicht nur Ihr aktuelles Gefühl, sondern erinnern Sie sich gegebenenfalls an immer wieder auftretende Konflikte oder Widerstände. Sollten bestimmte Personen in Ihrem Lebensbereich nicht nur für kurzzeitigen (physischen, emotionalen und psychischen) Stress sorgen, sondern eine konstante Herausforderung darstellen, beziehen Sie dies mit in Ihre Bewertung ein. Ganz gleich, wie sehr Sie diese Person(en) auch lieben mögen, wie sehr Sie sie auch zu glauben brauchen: In diesem Check geht es nur um die Überprüfung und die Gewahrwerdung dessen, was aktuell ist und wie Sie es sich wünschen würden. Ich möchte Ihnen aufzeigen, wo es Brennpunkte und Konfliktherde gibt, die Sie angehen können, um den Raubbau an Ihrem Körper, Ihrem Geist und Ihrer Seele zu beenden – denn nur so kann es gelingen, dass Angst auch auf allen Ebenen schwindet.
Welche Bedürfnisebene ist am stärksten unbefriedigt und unbefriedigend? An welcher sollten, können und möchten Sie am stärksten arbeiten?
Betrachten Sie nach diesen Erkenntnissen Ihre Bedürfnisse in den letzten 24 Monaten. Fragen Sie sich auch: Erinnere ich mich an eine Zeit, in der ich erfüllter war? Gab es singuläre Ereignisse, die ein Ungleichgewicht herstellten? Wann traten diese ein? Was machte das mit meinen Bedürfnissen auf den einzelnen Ebenen?
Einige der Bedürfnisse lassen sich leichter befriedigen als andere. Fangen Sie bei diesen an. Da Angst eine sehr physische Wahrnehmung ist, ist es sinnvoll, beim Körper zu beginnen, da wir hier am leichtesten und effektivsten etwas bewirken können. Im Folgenden stelle ich Ihnen einige der besten Wege vor.
Ruhepausen Gönnen Sie sich bewusst Ruhe. Angst kann ein Symptom einer emotionalen und/oder geistigen Überforderung sein, wie es sich bei vielen Frauen, auch bei mir, zeigte. Entspannung und die entschleunigte Gestaltung der eigenen Zeit sind essenziell dafür, Stresshormone wie Kortisol und Noradrenalin abklingen zu lassen.
Entspannung Autogenes Training, progressive Muskelrelaxation, Meditation, Yoga sowie Kontakt zur Natur können helfen, sich zu erden und wieder einen klaren Kopf zu bekommen. Gehen Sie mit Ihren Herausforderungen spazieren oder besuchen Sie einen speziellen Kurs Ihrer Wahl. Konsultieren Sie auch das Internet, um Videos, Audios und geführte Meditationen zur Entspannung zu finden – besonders, wenn Sie wegen Ihrer Angstzustände die Öffentlichkeit meiden. Agieren Sie für Ihren Körper selbst dann, wenn Ihnen Angst bereits viel Energie abgefordert hat. Es ist eine wichtige Übung, sich trotz allem immer für sich selbst einzusetzen und da zu sein. Schulen Sie sich in dieser Selbstfürsorge und verbringen Sie Zeit mit sich. Auch Freunde und/oder enge Bezugspersonen, die keinen Stress auslösen, können Ihnen dabei eine Hilfe sein. Bitten Sie sie eventuell, Sie zu begleiten.
Bewegung/Sport Auch durch Bewegungen aller Art, die den Puls ansteigen lassen, lässt sich Ruhe im Körper und Geist herzustellen, denn Sport reduziert Stresshormone und regt gleichzeitig die Ausschüttung von Glückshormonen an. Die Forscherin Bente Pedersen stellte fest, dass arbeitende Muskeln sogenannte Myokine, heilende Botenstoffe, ausschütten, die Krankheiten entgegenwirken. Mittlerweile ist zudem bekannt, dass ein körpereigener Angsthemmer, das Peptid ANP, durch Sport ausgeschüttet wird. Eine niederländische Studie zeigte 2011, dass schon 60 Minuten Sport pro Woche die Gefahr von Depressionen sowie Angst- und Panikstörungen verringern würde. Die Genesung erfolgte zudem schneller, wenn die Betroffenen regelmäßig Sport trieben. Doch Vorsicht: Sport sollte keine Tätigkeit sein, die zusätzlichen Stress bei Ihnen auslöst. Wählen Sie eine Sportart, die Ihnen Freude bereitet und Ihnen das Gefühl gibt, Sie selbst sein zu dürfen.
Schaffen Sie Raum in Ihrem Körper