Meine Freunde - Hisham Matar - E-Book

Meine Freunde E-Book

Hisham Matar

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Beschreibung

Was es bedeutet, im Exil zu sein: der neue große Roman von Pulitzer-Preisträger Hisham Matar. »Ein brillanter Roman über Freundschaft, Familie und Exil.« Colm Toibin

London, im Jahr 1984: Als die beiden Studenten Khaled und Mustafa im jugendlichen Überschwang beschließen, an einer Anti-Gaddafi-Demo vor der libyischen Botschaft teilzunehmen, können sie nicht ahnen, wie sehr das ihr Leben verändern wird. Regierungsbeamte feuern am helllichten Tag auf die Demonstranten, eine Polizistin stirbt, die beiden werden verletzt und müssen erkennen, dass es von nun an keine Rückkehr in die Heimat mehr geben wird - selbst ein Telefonat mit den Eltern ist zu gefährlich. Umso enger wird die Freundschaft, die sich zwischen Khaled und Mustafa sowie dem regimekritischen Schriftsteller Hosam entwickelt, sie ersetzt ihnen die Familie und die Heimat. Bis viele Jahre später der Arabische Frühling beginnt und das revolutionäre Klima auch Libyen erreicht: Plötzlich scheint der Weg zurück nach Hause frei zu sein. Und die drei Freunde sind gezwungen, sich zu entscheiden: zwischen dem Leben, das sie sich in London aufgebaut haben, und dem Leben, das sie als junge Männer zurücklassen mussten ...

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Seitenzahl: 554

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Zum Buch

London, im Jahr 1984: Als die beiden Studenten Khaled und Mustafa im jugendlichen Überschwang beschließen, an einer Anti-Gaddafi-Demo vor der libyschen Botschaft teilzunehmen, können sie nicht ahnen, wie sehr das ihr Leben verändern wird. Regierungsbeamte feuern am helllichten Tag auf die Demonstranten, eine Polizistin stirbt, die beiden werden verletzt und müssen erkennen, dass es von nun an keine Rückkehr in die Heimat mehr geben wird – selbst ein Telefonat mit den Eltern ist zu gefährlich. Umso enger wird die Freundschaft, die sich zwischen Khaled und Mustafa sowie dem regimekritischen Schriftsteller Hosam entwickelt, sie ersetzt ihnen die Familie und die Heimat. Bis viele Jahre später der Arabische Frühling beginnt und das revolutionäre Klima auch Libyen erreicht: Plötzlich scheint der Weg zurück nach Hause frei zu sein. Und die drei Freunde sind gezwungen, sich zu entscheiden: zwischen dem Leben, das sie sich in London aufgebaut haben, und dem Leben, das sie als junge Männer zurücklassen mussten …

Zum Autor

Hisham Matar, Sohn libyscher Eltern, wurde 1970 in New York City geboren, wuchs in Tripolis und, nach der Emigration der Familie, in Kairo auf. Seit 1986 lebt Hisham Matar in England. Er hat zwei international vielbeachtete Romane verfasst, »Im Land der Männer« und »Geschichte eines Verschwindens«, die mit zahlreichen Literaturpreisen ausgezeichnet wurden. Für seine Memoiren »Die Rückkehr. Auf der Suche nach meinem verlorenen Vater« erhielt Hisham Matar u. a. den Geschwister-Scholl-Preis, den PEN/Jean Stein Book Award, den Folio Prize und den Pulitzerpreis. Der Roman »Meine Freunde« wurde mit dem Orwell Prize for Political Fiction sowie dem National Book Critics Circle Best Fiction Award ausgezeichnet.

Hisham Matar

Meine Freunde

Roman

Aus dem Englischen von Werner Löcher-Lawrence

Luchterhand

Die englische Originalausgabe erschien 2024 unter dem Titel »My Friends« bei Viking, Penguin Random House UK.

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

Der Verlag behält sich die Verwertung der urheberrechtlich geschützten Inhalte dieses Werkes für Zwecke des Text- und Data-Minings nach § 44b UrhG ausdrücklich vor. Jegliche unbefugte Nutzung ist hiermit ausgeschlossen.

Copyright © der Originalausgabe 2024 Hisham Matar

Copyright © 2025 Luchterhand Literaturverlag

in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,

Neumarkter Straße 28, 81673 München

[email protected]

(Vorstehende Angaben sind zugleich

Pflichtinformationen nach GPSR.)

Umschlaggestaltung: buxdesign | Daniela Hofner nach einer Originalvorlage

Umschlagmotiv: © Jean-Philippe Charbonnier / Gamma Rapho

Satz: Buch-Werkstatt GmbH, Bad Aibling

ISBN 978-3-641-31876-5V001

www.luchterhand-literaturverlag.de

facebook.com/luchterhandverlag

Für meine verstorbene Freundin und Verlegerin Susan Kamil, die an dieses Buch geglaubt hat, bevor noch ein Wort zu Papier gebracht war, und deren Angedenken mir geholfen hat, es zu schreiben.

Es ist natürlich unmöglich, sicher zu sein, was in jemandem vorgeht, am wenigsten in einem selbst oder in denen, die wir gut kennen, vielleicht vor allem in jenen, die wir am besten kennen, dennoch, während ich hier auf der oberen Ebene des Bahnhofs King’s Cross stehe, von wo ich meinen alten Freund Hosam Zowa durch die Halle gehen sehe, habe ich das Gefühl, in ihn hineinblicken und ihn genauer denn je erkennen zu können, so als wäre unsere Freundschaft während der zwei Jahrzehnte, die uns verbinden, nur eine Studie gewesen, und erst jetzt, ironischerweise nachdem wir uns wieder einmal voneinander verabschiedet haben, scheint er als vollendetes Porträt vor mir auf. Und vielleicht ist das der natürliche Lauf der Dinge, dass wenn eine Freundschaft ein unerklärliches Ende findet, dahinschwindet oder sich einfach in nichts auflöst, dass dann die Veränderung, die wir in dem Moment empfinden, unvermeidlich erscheint, ein Schicksal, das sich lange angekündigt hat wie jemand, der aus großer Entfernung auf uns zukommt, erkennbar erst, wenn es zu spät ist, sich abzuwenden. Niemand hat jemals näher an meinem Herzen gewohnt, und als ich ihn zu seinem Zug nach Paris gehen sehe, der Stadt, in der wir uns vor so langer Zeit kennengelernt haben, und das auf die ­unwahrscheinlichste Weise, bin ich überzeugt, dass er genau dort, wo die beiden Seiten des Brustkorbs aufeinandertreffen, eine unsichtbare Last mit sich trägt, eine, die ich, wie ich glaube, aus der Ferne ausmachen kann.

Als er noch hier in London wohnte, verging kaum eine Woche, ohne dass wir einen Spaziergang machten, entweder durch den Park oder am Fluss entlang. Manchmal gerieten wir in eine Diskussion, für gewöhnlich um irgendeine undurchsichtige literarische Frage, einen Wortwechsel, der, wie vielleicht alle Wortwechsel, tiefere Uneinigkeiten verbarg. Zu meinem Bedauern tippte ich dabei manchmal mit dem Zeigefinger auf seine Brust – eine Geste, die mir nie gefallen hat – und ließ die Hand für einen flüchtigen Moment da­rauf ruhen, als wollte ich, was immer ich glaubte, dort platziert zu haben, an Ort und Stelle halten, und jedes Mal spürte ich dabei die besondere Stellung seiner Rippen, die seltsame Weise, wie sie hervorragten, wie in steter Erwartung eines Angriffs.

Er weiß nicht, dass ich noch hier bin. Er denkt, ich bin gegangen und eile zu meiner Essensverabredung, für die ich bereits zu spät dran bin. Ich weiß nicht, wa­rum ich ihn angelogen habe.

»Mit wem gehst du essen?«, hatte er gefragt.

»Kennst du nicht«, hatte ich geantwortet.

Er sah mich an, als hätten sich unsere Wege bereits getrennt und die Gegenwart wäre die Vergangenheit mit mir an der Küste und ihm an Bord des Schiffes, das in Richtung Zukunft segelt.

Diese Last auf seiner Brust, ich kann es sehen, drückt seine Schultern ein wenig zurück und lässt seine Hüften vortreten, wie um zu verhindern, dass er bei dem leichtesten Stoß nach vorn fällt. Und doch wirkt er – aus dieser Entfernung – wie ein Mann voller Tatkraft, der sich entschlossen vorwärtsbewegt, um in sein neues Leben einzutreten.

Die Jahre seit 2011, seit der libyschen Revolution und allem, was da­rauf folgte, den zahllosen Misserfolgen und verpassten Gelegenheiten, den Entführungen und Attentaten, dem Bürgerkrieg, der Zerstörung ganzer Wohnviertel, der Herrschaft der Milizen – all das hat Hosam verändert. Es zeigt sich in seiner Haltung und seinen Zügen, im sanften Zittern seiner Hände, das jedes Mal sichtbar wird, wenn er eine Zigarette an den Mund hebt, dem Zweifel um seine Augen, der Vorsicht in ihnen, sein Gesicht gleicht einer Landschaft, die unter schlechtem Wetter leidet.

Bald nach Beginn der Revolution kehrte er nach Hause zurück, und, wahrscheinlich war das ganz natürlich, wir entfernten uns voneinander. Bei seinen seltenen Londoner Besuchen gingen wir unbeschwert miteinander um, aber irgendwie weniger herzlich. Ich bin sicher, ihm ist die Veränderung ebenfalls aufgefallen. Manchmal wohnte er bei mir und schlief auf dem Sofa in meiner Einzimmerwohnung, teilte sich den Raum mit mir, in dem wir im Dunkeln miteinander reden konnten, bis einer von uns einschlief. Meist jedoch nahm er sich ein Zimmer in einem kleinen Hotel in Paddington. Dort trafen wir uns dann auch, und das Viertel um den Bahnhof he­rum, der die Straßen in eine Atmosphäre des Übergangs hüllt, gab uns das Gefühl, bloße Besucher zu sein, und erinnerte uns daran, dass unsere Freundschaft nur mehr eine Kopie dessen war, was sie einmal gewesen, als er noch hier gelebt und wir uns die Stadt so geteilt hatten, wie sich redliche Arbeiter Werkzeuge teilen. Wenn wir jetzt miteinander sprachen, wandte er immer wieder den Blick ab und erweckte den Eindruck, laut zu denken oder in ein Gespräch mit sich selbst vertieft zu sein. Und wenn ich ihm etwas erzählte, erwischte ich mich dabei, wie ich mich leicht vorbeugte, und ich fing einen leicht missmutigen Ton in meiner Stimme auf, als versuchte ich ihn von einer unwahrscheinlichen Behauptung zu überzeugen. Niemand ist anfälliger für Unwahrhaftigkeit oder bedürftiger danach als diejenigen, die sich niemals trennen wollen.

Gestern Abend kam Hosam aus Bengasi an. Wir haben bis Tagesanbruch geredet. Er hat auf dem Sofa geschlafen und ist erst am frühen Nachmittag aufgewacht. Wir mussten gleich zum Bahnhof St Pancras, von wo sein Zug nach Paris abgeht, wo er zwei Nächte verbringen und weiter nach San Francisco fliegen wird. London war die Stadt, in der er einmal gelebt hat. »Ich muss dich sehen«, stand in der Nachricht, die er aus Bengasi geschickt hatte, »bevor ich in mein ›Und-fortan-lebte-er-glücklich-und-in-Frieden‹ aufbreche.« Paris ist der Ort, wo er vor einundzwanzig Jahren gerade noch jung genug war, um die Fantasie der Selbsterfindung zu pflegen. »Ich möchte es ein letztes Mal sehen.« Das hat er gestern gesagt, als er in meine Wohnung kam.

Ich hatte ihn vom Flughafen abgeholt, und den ganzen Weg zurück, in der U-Bahn von Heathrow nach Shepherd’s Bush, redete er, auf Englisch, von kaum etwas anderem als seinem neuen Leben in Amerika. Von seinen letzten fünf Jahren in Libyen erzählte er nichts, obwohl ich genau da­rauf gehofft hatte.

»Es ist verrückt. Ich bin so überrascht wie du. Ich meine darüber, dass ich vorhabe, auf unbestimmte Dauer in einem Land zu leben, in dem ich noch nie gewesen bin, in einem Haus, das ich noch nie gesehen habe und das mein Vater, als er noch jung war, lange vor meiner Geburt, aus einer Laune heraus auf einer beruflichen Reise gekauft hat. Und jetzt habe ich vor, mein Kind dort großzuziehen. In Amerika.« Nach einer kleinen Pause, in der unser Zug weiter durch den Tunnel schoss, sagte er: »Armer Mann«, und meinte damit seinen Vater.

Während die Bahnhöfe vorbeizogen, sich die Türen öffneten und schlossen, Passagiere den Zug verließen und neue zustiegen, erzählte er mir, was er mir längst erzählt hatte, nämlich, wie sein Vater sich in Nordkalifornien verliebt hatte.

»Eigentlich wollte er jeden Sommer hinfliegen, wurde dann aber mit einem kompletten Reiseverbot belegt, für den Rest seines Lebens.«

An dieser Stelle lachte er, und ich fühlte mich verpflichtet, in sein Lachen mit einzustimmen.

Auf der anderen Seite des Gangs saß eine junge Familie. Der Mann war schwarz und gut aussehend, mit einem leicht trotzigen Ausdruck in den Augen. Die Frau, weiß und blond, sprach eher flüsternd zu ihrem Sohn neben sich. Der Junge schien etwa neun Jahre alt zu sein, sein lockiges Haar vergrößerte seinen Kopf aufs Doppelte und fing das Licht in braun-goldenen Schattierungen ein. Hin und wieder fuhr seine Mutter mit den Händen hindurch. Er sah in unsere Richtung, der Junge, mit je einer Hand auf dem Knie von Vater und Mutter. Er schwankte ein wenig mit den Bewegungen des Zuges. Die drei hatten etwas leicht nach außen Gewandtes. Sie wussten, dass sie eine schöne Familie waren, sahen zu uns her und schienen Hosam zu lauschen. Er hat oft diese Wirkung auf andere Leute.

»Kannst du dir vorstellen«, fuhr er fort, »aus einem Impuls heraus ein Haus zu kaufen und dann den Rest deines Lebens nicht in der Lage zu sein, es zu sehen? Selbst in der größten Not weigerte er sich, es zu vermieten. Bis Point Reyes« – so heißt die nächste Stadt – »zu einer Allegorie wurde, einem Synonym für das Verlorene und Unmögliche, dem Atlantis meiner Familie.«

Wir kamen an die Oberfläche, und der Zug füllte sich mit Licht. Die schöne Familie sah in die Landschaft, die am Fenster hinter uns vorbeistrich.

Hosam hatte bereits all seine Besitztümer nach Kalifornien geschickt und reiste mit kleinem Gepäck. Ich erkannte seine alte Tasche wieder. Klein, blau und abgenutzt. Es war dieselbe, mit der er schon von Paris hergezogen war und die er später benutzt hatte, wenn er mit Claire, seiner Freundin, im River Dart in Devon schwimmen ging, was sie beide von Zeit zu Zeit gern taten. Die alte, vertraute Tasche zu sehen, weckte die Sehnsucht nach jenen alten Tagen in mir, als Hosam noch in London wohnte, und zwar eine gute Weile in der Wohnung unter mir, die das ganze Erdgeschoss des Reihenhauses umfasst, mit einem verwilderten Garten nach hinten hinaus. Zuletzt wohnte er mit Claire dort, und mein Schlafzimmer lag genau über ihrem Wohnzimmer, und so schlief ich abends oft ein, während von unten ihr leises Gemurmel zu mir heraufdrang.

Es hatte sich alles ganz natürlich entwickelt. Hosam war nach London zurückgekehrt, und die Wohnung unter meiner war frei. Er zögerte erst, und ich war klug genug, ihn nicht zu drängen. Die niedrige Miete gab am Ende den Ausschlag. Wenig später zog Claire mit ein. Sie war Irin, sanftmütig, clever und mit einem Biss, der klarmachte, man musste sich nicht um sie sorgen, und dass das auch das Letzte war, was sie wollte. Ich weiß noch, wie wir einmal in einem Café auf sie warteten und sie sich verspätete. Hosam sah immer wieder auf sein Telefon. Ich fragte ihn, ob er sich Sorgen mache, und er reagierte verdutzt. »Sorgen?«, fragte er. »Ich sorge mich nie um Claire.« Sie hatten sich am Trinity College in Dublin kennengelernt, wo Hosam Englisch und Claire Geschichte studierte. Sie erinnerte uns gern daran, dass auch sie hier im Exil war.

»Aber ich sage dir eins«, fuhr Hosam jetzt etwas gedämpfter fort, beugte sich näher zu mir, blieb aber beim Englischen, »während dieser letzten paar Wochen, in denen wir gepackt und den Umzug organisiert haben, musste ich viel an meinen alten Herrn, Gott sei seiner Seele gnädig, denken. Ich weiß, es klingt verrückt, aber ich bin überzeugt, er wusste, dieser Moment würde kommen, da sein schwarzes Schaf – der Sohn, der, wie er meiner Mutter prophezeite, dazu bestimmt sei, Großes zu erreichen oder ein völliger Versager zu werden – allem den Rücken kehren und nach Amerika gehen würde, in das Land, aus dem die Menschen niemals zurückkommen.«

Wir erreichten unseren Bahnhof, und auf dem Weg zu seiner alten Adresse machte er hin und wieder Bemerkungen zu den Veränderungen, zu denen es seit seinem letzten Besuch gekommen war: Die alte Bäckerei ist zu einem Supermarkt geworden, und es hat Versuche gegeben, Shepherd’s Bush Green, das große, schon immer von allen Seiten von Verkehr umgebene Grasdreieck, zu verschönern.

Er verstummte, als wir in unsere vertraute Straße mit den Häuserreihen kamen. Ich war schnell mit dem Schlüssel, war es immer schon und habe mich in all den Jahren, die ich hier wohne, weder jemals ausgesperrt noch den Schlüssel oder mein Portemonnaie verloren. Unverändert wie eh und je lag die Post auf dem ausgeblichenen Teppich, und das Licht ging wieder aus, bevor man den letzten Treppenabsatz erreichte.

»Aber Paris«, sagte er plötzlich, während wir noch hochstiegen, »das ist reine Nostalgie.«

Er stellte seinen Koffer in die Küche, ging direkt ins Bad und ließ die Tür weit offen. Er seifte sich Hände und Gesicht ein und erzählte von seinen Plänen dort, dass er alle bekannten Straßen entlanggehen und den Jardin sauvage Saint-Vincent besuchen wolle, in den er mich einst gebracht hatte. Und während der Abend voranschritt, überzog ein neuer Ausdruck sein Gesicht: Wie er da in meiner Küche saß, mit seiner kleinen Tasche neben sich, hatte es den Anschein, als säße er nicht nur neben seinen Sachen, sondern in gewisser Weise auch neben sich und durchleide die Entfernung zwischen Libyen und Amerika, seinem ehemaligen und zukünftigen Leben. Vielleicht erkannte er hier in ­London, auf seiner Zwischenstation, als er sich von seinen Plänen reden hörte und fraglos meine mangelnde Begeisterung spürte, plötzlich die wahre Natur dessen, zu was er sich da aufmachte: die Fantasie, er könne nach Amerika gehen, als wäre es ein anderer Planet und keiner der alten Geister wäre in der Lage, ihm zu folgen. Es war offensichtlich, dass diese Tour durch seine beiden ehemaligen Städte zum Teil durch sein Bedauern über die Flüchtigkeit des Lebens motiviert war, das er hier einst genossen hatte, bevor sich alles änderte, bevor der libysche Wind, der uns nach Norden geschleudert hatte, zurückkam, um seine Kinder nach Hause zu fegen.

»Wir sind den Gezeiten ausgeliefert«, hatte er in den leidenschaftlichen Tagen des Arabischen Frühlings gesagt, als er mich dazu bewegen wollte, mit ihm nach Bengasi zurückzukehren, »sind ihnen ausgeliefert und Teil davon. Zu denken, wir wären frei von der Geschichte, ist so dumm wie die Vorstellung, nicht der Schwerkraft zu unterliegen.«

Letzte Nacht habe ich kaum geschlafen. Hosam wachte erst spät auf, stürzte seinen Kaffee he­runter, und wir verließen die Wohnung, die Betten ungemacht, als könnten wir jeden Moment zurückkehren, um unseren Schlaf wiederaufzunehmen.

Wir nahmen den 94er-Bus nach Marble Arch, stiegen dort in den 30er um und setzten uns aufs obere Deck. Er rutschte ans Fenster, sah hinaus, und ich betrachtete ihn und dachte an all die Grenzen, die er überschritten hatte, seit er zuletzt hier gelebt hatte. Nach mehr als drei Jahrzehnten in der Fremde war er endlich nach Libyen zurückgekehrt, um seine Familie zu besuchen, hatte sich in seine Cousine Malak verliebt, die, wie er mir in einer E-Mail schrieb, »mein Schicksal zu sein scheint«, hatte sich der Revolution angeschlossen, eine Waffe getragen und an mehreren zentralen Schlachten teilgenommen, bis er nach Sirte, die Heimatstadt des Diktators, kam. Dort geriet er zusammen mit einer Gruppe erschöpfter Mitstreiter in die folgenreichste Konfrontation mit den Streitkräften des Regimes. Nach einem Luftangriff spürten sie den Hauptgewinn auf: Muammar al-Gaddafi, den Colonel selbst, oder, wie Hosam es in der E-Mail ausdrückte, die er mir ein paar Stunden später, um zwei Uhr seiner Zeit, schickte, »den Kern unseres Leids«, der sich in einem Rohr im Sand versteckte. »Er war unsicher auf den Beinen«, fuhr Hosam fort, »wie ein alter, gebrechlicher Onkel. Und war er das nicht für uns, weniger ein Politiker als ein verrückter Verwandter?«

Ich las die E-Mail, kaum dass sie eingetroffen war, etwa um drei Uhr meiner Zeit. In jenen Tagen blieb mir oft jeder Schlaf versagt. Ich stellte ihn mir in seinem Zimmer in einem Haus in Misrata vor, mit seinem Telefon, dessen Licht sein Gesicht blau färbte. Misrata, zweihundertvierzig Kilometer nordwestlich von Sirte, war der Ort, wie er mich informierte, wohin er und die anderen die Leiche des Diktators gebracht hatten.

Ein paar Tage später, als Hosam wieder bei seiner Familie in Bengasi war, schrieb er:

Erinnerst du dich an Phaeton?

Er war besessen zu beweisen, dass sein Vater wirklich sein Vater war. »Da sieht Phaeton den Erdkreis von allen Seiten in Flammen stehen und hält die gewaltige Hitze nicht aus … Damals ward Libyen trocken, weil die Glut dem Lande die Feuchtigkeit entzog.«

Laut Ovid brannte unser Land wegen eines Streits zwischen Vater und Sohn nieder.

In diesen letzten Monaten endloser Kämpfe, schlafloser Nächte, immer unterwegs, musste ich oft an diese Geschichte denken.

Nur, um ihn dann zu finden, unseren verrückt gewordenen ­Vater, der sich in einem Abwasserrohr in ebenjenem von der Glut ausgetrockneten Land versteckte.

Nicht lange danach heiratete Hosam Malak. Das Paar bekam ein Kind. Er arbeitete für das neue Kulturministerium, und als alles zerfiel und die verschiedenen, um die Macht kämpfenden Gruppen anfingen, Gewehre aufeinander zu richten, zog er sich aus dem öffentlichen Leben zurück, und eines Tages dann haben er und Malak beschlossen, mit Angelica, ihrer vierjährigen Tochter, nach Amerika auszuwandern.

»In San Francisco gelandet und schon verliebt«, schrieb Malak gestern Abend in einer Textnachricht an Hosam, als er und ich gerade essen wollten. Er las mir auch den Rest der Nachricht vor und fügte dann mehr für sich mit einem Blick auf sein Telefon an: »Bei ihnen ist jetzt Mittag. Ich frage mich, was sie essen werden.«

In drei Tagen wird er bei ihnen sein, und sie werden die zwei Stunden nördlich nach Point Reyes fahren. Alles ist in Bewegung gesetzt.

»Ich war noch nie in Amerika«, erinnerte er mich, als wir im Bus saßen. »Aber während der letzten Wochen habe ich es mir vorgestellt. Nordkalifornien. Zypressen kenne ich, aber wie riecht ein Mammutbaum?«

Ein wenig später, als der Bus auf die Marylebone Road bog, fragte er: »Denkst du, es ist eine gute Idee? Amerika – ich meine, da zu leben?«

Ich wollte nichts sagen, um neutral zu wirken, zum Teil aus Gutherzigkeit, zum Teil aus Rache dafür, dass er mir immer wieder gesagt hat, was ich tun sollte – ein »erfüllteres, aktiveres Leben« sollte ich leben, wie er es einmal ausdrückte, und nach Libyen zurückkehren.

»Es ist ein guter Ort, um ein Kind großzuziehen«, sagte ich endlich, obwohl ich keine Ahnung hatte, ob Amerika gut für Kinder ist, oder wie es dort überhaupt ist, was es gibt und was es ausmacht. »Besonders Kalifornien«, fuhr ich fort. »The Sunshine State.«

Er lachte. »Himmel noch mal«, sagte er, »flieg nicht nach Florida, weil du denkst, dass du mich da findest. Du wirst uns doch besuchen kommen, oder? Ich meine, ich weiß, du hast was gegen das Fliegen.«

Ich bin nur einmal mit einem Flugzeug geflogen, von Bengasi nach London, und das war im September 1983. 2011, kurz nach der Revolution vom 17. Februar, als ich überlegte, nach Hause zurückzukehren, wollte ich das auf dem Landweg tun. Hosam sagte, er käme mit. »Um im genau richtigen Moment den Fuß auf die alte Erde zu setzen.« Es hätte drei Tage gedauert, mit mehreren Zügen, einer Fähre nach Sizilien, einer weiteren nach Malta und von dort dann in ein paar Stunden mit einem Luftkissenboot nach Tripolis. Ich hatte mir alles ausgemalt und sah schon die alte Küste näher kommen, spürte den Wind, der mir die Ohren füllte und es schwer machte, zu verstehen, was wir einander sagten.

»Stimmt«, sagte ich. »Der Sunshine State, das ist Florida. Ich würde dich gern in Kalifornien besuchen.«

Er schien mir zu glauben. »Wer weiß«, sagte er und versuchte, ermutigt zu klingen, »vielleicht magst du es ja sogar so sehr, dass du bleiben möchtest. Ein einfacher Flug. Wir wären wieder Nachbarn, und Angelica könnte ihren Onkel in der Nähe haben.«

Ich sah mich mit Schlaftabletten in der Tasche in ein Flugzeug steigen.

In St Pancras hatten wir etwas Zeit übrig. Ich schlug vor, ins Café im Zwischengeschoss des Bahnhofs King’s Cross zu gehen. »Da ist es weniger hektisch«, habe ich ihm erklärt. Der wahre Grund war allerdings, dass ich von Pendlern umgeben sein wollte, Menschen, die ins Wochenende fuhren oder zurück nach Hause kamen, da sie mir gesetzter schienen, ihre Freuden bescheidener. Bei meinen regelmäßigen Besuchen der British Library nebenan komme ich, bevor ich wieder nach Hause fahre, oft her, in genau dieses Café, um meine Augen eine Weile ausruhen zu lassen, indem ich das undramatische Schauspiel des Bahnhoftreibens verfolge, das umso reizvoller wird, wenn jemand rennt, um jemand anderen zu umarmen, oder sich auf dem Weg zu seinem Zug Tränen von den Wangen wischt.

Wir bestellten Kaffee und setzten uns nebeneinander an den kleinen runden Tisch, wie alte Männer, die der vorbeiziehenden Welt zusehen, oder als warteten wir auf Mustafa, den dritten in unserem Bunde, dass er wie durch ein Wunder auftauchte und sich zu uns setzte. Aber Mustafa ist in Libyen und wird es wohl nie wieder verlassen. Meine beiden engsten Freunde gehen in unterschiedliche Richtungen: Mustafa zurück in die Vergangenheit, Hosam voran in die Zukunft.

Ich nehme an, dass sich auch Hosam mit seinem kleinen Koffer neben sich ein wenig festgehalten fühlte, dass er diesen Moment hinter sich lassen und seine Reise beginnen wollte. Wir tranken unseren Espresso und umarmten uns, womöglich zum letzten Mal, dachte ich.

Wir haben uns 1995 kennengelernt, als er fünfunddreißig war und ich neunundzwanzig, und auch wenn wir uns jetzt seit einundzwanzig Jahren kennen, hat es mich überrascht, ihn die Worte »mein einzig wahrer Freund« flüstern zu hören, schnell und aus einem tiefen Gefühl heraus, als gäbe er es nur ungern zu, als ginge in diesem Moment die Sprache gegen die allgemeinen Gesetze der Rede dem Denken vo­raus und er verstünde sie, ganz wie ich, zum allerersten Mal und werde sich, ebenfalls ganz wie ich, des gleichzeitig freudigen und traurigen Gefühls bewusst, das sie hinterließen, nicht nur, weil es Worte unseres Abschieds waren, sondern auch, weil sie den trügerischen Charakter unserer Freundschaft noch bedauerlicher machten, die sich immer durch eine große Zuneigung und Treue, aber auch durch Ferne und Argwohn ausgezeichnet hat, durch eine starke, natürliche Verbindung und doch auch ein unerfindliches Schweigen, das, selbst wenn wir beieinander waren, nicht ganz zu überbrücken zu sein schien. Ich bezweifle nicht, dass ich ebenso sehr für diese Kluft verantwortlich war, dennoch werfe ich es ihm auch weiter insgeheim in meinen Gedanken vor, da ich glaube, dass ein Teil von ihm von Beginn an entschlossen war, auf Distanz zu bleiben. Selbst in den ausgelassensten Zeiten konnte ich diese Entfernung spüren. Aber jetzt waren diese Worte der letzte Urteilsspruch.

Dann, kurz bevor er losging, sagte er: »Bleib hier«, und ich nehme an, er meinte, ich solle ihn nicht weiter ­begleiten. Aber die Art, wie er diese beiden Wörter ausgesprochen hatte, rief in mir die Zeit wach, als er nach Libyen zurückgekehrt war und ich mich geweigert hatte, mitzugehen, nicht bereit oder nicht in der Lage, nach Hause zurückzukehren. Den »zögernden Khaled« begannen er und Mustafa mich in jenen wilden, leidenschaftlichen Tagen der Revolution zu nennen, als meine einzigen libyschen Freunde zu Männern der Tat wurden.

»Bleib hier«, sagte er noch einmal, und dieses Mal klang es eher wie die Bitte um ein Gelöbnis, als wäre das, was er eigentlich sagte: Versprich mir, dass du immer hier sein wirst.

Und hier bin ich, immer noch in King’s Cross, und sehe, wie er die geschäftige Bahnhofshalle mit dieser unbeteiligten Miene durchmisst, als könnte er, sollte er mit jemandem zusammenstoßen, einfach durch ihn hindurchgehen.

Folge ihm, sage ich mir.

Ich bleibe, wo ich bin, in diesem Mantel und dieser Minute, während sich die Zeit um mich legt. Unsere gesamte Freundschaft ist in diesem Augenblick enthalten.

London, die Stadt, die ich während der letzten drei Jahrzehnte zu meiner Heimat zu machen versucht habe, denkt in Gewissheiten. Sie genießt Einordnungen, und die Linie, die den Bürgersteig von der Straße trennt, ein Individuum vom anderen, gibt vor, so definitiv zu sein wie ein wissenschaftliches Faktum. Selbst den Schatten wird ein Platz zugewiesen, und London ist eine Stadt der Schatten, eine Stadt, die für Schatten gemacht ist, für Menschen wie mich, die ihr Leben hier verbringen und doch unsichtbar wie Geister bleiben können. Ich sehe ihr Licht und ihren Stein, ihre geballte Faust und ihre geruhsamen Rasenflächen, ihre hungrigen Münder und ihre weiten Flächen unaussprechbarer Geheimnisse, ein Muskel, der sich ganz um mich schließt. Aus seinem Griff heraus sehe ich meinem alten Freund hinterher, die Entfernung wächst.

Los, lauf ihm hinterher.

Oder renn zum Fahrkartenschalter und überrasche ihn im Zug.

Oder bleibe in einem anderen Wagen, und ein paar Stunden nachdem der Zug in Paris angekommen ist, ruf ihn an und sage, du hast den nächsten Zug genommen. Arrangiere, dass ihr euch im alten Café an der Ecke der Carr de l’Odéon trefft, wo ihr etliche Nachmittage und Abende verbracht habt, vor einundzwanzig Jahren, als ihr euch zum ersten Mal getroffen und kennengelernt habt. Verabschiedet euch an dem Ort, wo alles angefangen hat.

Aber ich bleibe, wo ich bin, mein Fenster schließt sich, und meine Einsamkeit nähert sich wie ein hoch aufragendes Gebäude. Drückt ihre kalte Mauer gegen meinen Rücken. Hosam ist nur mehr ein Punkt in einem Wald voller Köpfe. Wenn ich ihm folge, werde ich vielleicht frei sein. Oder verloren und ohne Halt. Es verlangt einiges an Übung, leben zu lernen.

Lauf, höre ich den Befehl, und dieses Mal renne ich. Schon bin ich an der Treppe, nehme drei Stufen auf einmal und lasse die Menschen um mich he­rum zusammen­schrecken, Reisende, die kommen und gehen, von Orten, die ihnen zugänglich bleiben. Ich winde mich durch die Menge und bin überrascht, wie schnell es mir gelingt, die Entfernung zu überbrücken, und da ist er, sein unschuldiger Rücken ist mir so nahe, dass ich, würde ich die Hand ausstrecken, sie ihm auf die Schulter legen könnte. Aber ich lasse den Abstand wieder etwas größer werden und folge ihm hinaus aus dem Bahnhof. Er bleibt stehen, wartet an der Ampel, um über die Straße, nach St Pancras zu gehen. Wenn er sich jetzt umdreht, wie erkläre ich mich dann? Aber wann habe ich je die Notwendigkeit verspürt, mich ihm zu erklären? Wie auch immer, er scheint bereits fort zu sein, bereits anderswo, ganz in seinen Plänen versunken. »Um endlich zu den Details zu kommen«, so hat er es am Abend zuvor ausgedrückt, während wir in meiner Küche saßen und aßen, an dem kleinen Tisch beim Fenster, durch das man auf den Garten hinaussieht, der einmal seiner und der der Nachbarn war. Ich ermutigte ihn mit einem Lächeln, und das Lächeln fiel mir noch leichter, als er mir ein Foto seiner Tochter auf seinem Telefon zeigte. Noor – aber er nennt sie Angelica. Klein und beeindruckend sah sie aus, nicht so sehr, als gehörte ihr die Welt, sondern als sei sie, durch ein magisches Zusammentreffen, zur Welt geworden. Er lachte und umarmte mich.

»Warum Angelica?«, fragte ich, ohne nachzudenken.

»Warum nicht?«, gab er zurück und wurde ganz rot vor Stolz.

»Ja, wa­rum nicht«, sagte ich.

Die Ampel springt auf Grün, und ich folge ihm in den Bahnhof St Pancras. Als er auf den Fahrkartenschalter zugeht, bleibe ich in angemessener Entfernung stehen. Er passiert die Sperre, und kurz bevor er um die Ecke verschwindet, dreht er sich noch einmal um. Aber er scheint mich nicht zu sehen und geht weiter. Oder vielleicht hat er mich auch gesehen, und die Leere in seinen Augen ist die Leere, die wir alle tief in uns tragen gegenüber jenen, die wir lieben.

Ich gehe zur Anzeigetafel, auf der die Abfahrten aktualisiert werden und warte dort. Sein Zug könnte verspätet oder gestrichen worden sein. Nach mehreren Durchsagen, die die Passagiere auffordern einzusteigen, ist es so weit. Ich stelle ihn mir vor, wie er in den Zug klettert, sich die Türen hinter ihm schließen und die schweren Wagen aus dem Bahnhof rollen.

Ich verlasse St Pancras und gehe die Euston Road in Richtung Westen hi­nunter. Es ist sechs Uhr abends, der 18. November 2016, und die spätherbstliche Sonne ist bereits untergegangen. Das Zwielicht überzieht den Himmel mit einem tiefen Blau. Die Straßen sind heller und belebter und erwecken den Eindruck, als käme das Licht nicht von oben, sondern stiege aus der Erde auf, um rosa in den Wolken zu verbleichen. Es ist Freitag. Der Bürgersteig ist voller Menschen, deren Köpfe einen dunklen, sich dahinbewegenden Fluss bilden. Es herrscht dichter Verkehr, der die Luft mit einem traurigen, metallischen Geruch erfüllt, doch dahinter ist auch der leichte Duft gefallener Blätter wahrnehmbar. Ich beschließe, zu Fuß zu gehen. Vielleicht werden mich die gut acht, neun Kilometer bis nach Hause müde genug machen, sodass ich schlafen kann.

Plötzlich bin ich froh, dass Hosam wieder abgereist ist. Das Alleinsein erlaubt beruhigende Illusionen. Ich könnte gerade erst angekommen sein, hier zum allerersten Mal aus dem Zug gestiegen sein, ein Besucher sein, ein Mann, der eine »Städtereise« unternimmt, wie es die Tourismusindustrie nennt, oder noch mal neu anfängt und Straßen betritt, an die es keinerlei Erinnerung gibt.

Damals, im März 1980, viele Jahre bevor ich Hosam Zowa kennenlernte, ja nicht einmal wusste, dass er eine reale Person war, hatte ich von ihm durch den BBC World Service für den arabischen Raum gehört, hatte an unserem Küchentisch in Bengasi gesessen und völlig gebannt einer Kurzgeschichte gelauscht, die er geschrieben hatte. Was der Sache noch mehr Gewicht verlieh, war, dass sie von dem legendären Sprecher und Journalisten Mohammed Mustafa Ramadan gelesen wurde, ein Starmoderator der BBC, geboren in unserer Stadt. Ich war vierzehn, und wir vier – meine Eltern, meine dreizehnjährige Schwester Souad und ich – hatten gerade zu Mittag gegessen und saßen noch am Küchentisch und aßen Orangen. Sie hatten gerade Saison und erfüllten die Küche mit ihrem Duft. Die Schalen, die Mutter in einem fortlaufenden Streifen abschnitt, lagen in Spiralen auf dem Tisch. Das Radio flüsterte im Hintergrund, wie immer auf den BBC World Service eingestellt. Big Ben schlug düster. Wie viele Menschen in der arabischen Welt und den ehemaligen Kolonien damals kannte ich London vom Hören, lange bevor ich es zu sehen bekam. Ich stellte mir den berühmten Glockenturm mitten im Zentrum vor und die gesamte Stadt mit ihren Gebäuden, Plätzen und Straßen um ihn he­rum arrangiert.

»Huna London« – hier ist London, sagte Mohammed Mustafa Ramadan. Es waren die Worte, die stets auf die Glockenschläge folgten und die Nachrichtenstunde eröffneten.

Als Mutter seine Stimme erkannte, drehte sie den ­Apparat lauter. Für uns war Mohammed Mustafa Ramadan einer von uns, und wir stimmten darin überein, dass sein leichter Bengasi-Einschlag seine Stimme noch schöner machte. Aber so klein und vertraut die Sozialstruktur unserer Stadt auch war, vermochten meine Eltern seine Familie doch nicht in ihr auszumachen, was seinen ungewöhnlichen, aus drei Vornamen bestehenden Namen noch hintergründiger erscheinen ließ. So gewann die Behauptung meines Vaters Gewicht, dass es ein Pseudonym sei, das der sehr offene, unverblümte Journalist nutze, um nicht aufgedeckt werden zu können. Und nun, ungeachtet der herausgehobenen Stellung, die er sehr zum Ärger unserer Diktatur in der BBC innehatte, und seiner wöchentlichen Kolumne in der Zeitung Al Arab, in der er regelmäßig die unterdrückerischen Praktiken des libyschen und anderer arabischer Regime bloßstellte, tat Mohammed Mustafa Ramadan etwas, das es in der BBC noch nie gegeben hatte und auch nie wieder geben würde. Es war seine kühnste, herausforderndste Tat und markierte ganz sicher den Zeitpunkt, nach dem nichts mehr war wie vorher, nicht für ihn und, obwohl ich es da noch nicht wusste, auch für mich nicht.

Während ich zurückdenke und mein erstes Zusammentreffen mit Hosam zu lokalisieren versuche, kehren meine Gedanken zu jenem schicksalhaften Nachmittag in unserer Küche in Bengasi zurück – in dem Haus, das es nicht mehr gibt, jeder uralte Ziegel pulverisiert, das ich mir im Geist aber immer noch klar vorstellen und betreten kann. Dort lauschte ich zusammen mit meiner Familie einer Geschichte, die ich nie wieder aus dem Kopf bekommen habe und die, das erkenne ich heute, mein Leben auf den jetzigen Moment hin ausgerichtet hat.

»Meine Kollegen und ich«, begann Mohammed Mustafa Ramadan, »haben beschlossen, wenn Sie es erlauben, geneigte, liebenswürdige Zuhörer, etwas zu tun, das noch nie getan wurde.«

Vater drehte das Radio noch lauter und bat uns, obwohl wir aufmerksam zuhörten, bitte leise zu sein, was Mutter zum Lachen brachte und ihn dazu, sich zu wiederholen.

»Wir haben beschlossen, dass wir euch, bevor wir wie gewohnt zu den Nachrichten kommen, eine Kurzgeschichte vorlesen. Ja, ein Stück Literatur. Wir wissen, dass das höchst ungewöhnlich ist. Aber wir folgen damit unserer Meinung, dass ein Werk der Fantasie mitunter relevanter ist als bloße Tatsachen.«

Hier, ob nur des dramatischen Effekts wegen oder weil jemand versuchte, ihn davon abzubringen, verstummte Mohammed Mustafa Ramadan für vielleicht vier, fünf Sekunden, die sich wie eine Ewigkeit anfühlten.

»Der Autor«, fuhr er fort, »ist ein junger libyscher Student am Trinity College in Dublin, der ehrwürdigen irischen Universität, an der Oscar Wilde und Samuel Beckett studiert haben.« Er sprach seinen Namen langsam und vorsichtig aus, als wären seine Buchstaben aus zerbrochenem Glas: »Hosam Zowa.«

Darauf folgte erneut eine Pause.

»Nie von ihm gehört«, sagte Mutter. Sie fragte Vater, ob er den Namen kenne, und er schüttelte den Kopf.

»Um ganz offen zu sein und nichts zu verheimlichen«, fuhr Mohammed Mustafa Ramadan fort, »Mr Zowa ist nicht nur ein Landsmann, sondern auch ein Freund. Ich fühle mich geehrt, ihn so nennen zu können. Aber ich versichere Ihnen, liebe Zuhörer, dass ich deswegen nicht voreingenommen bin. Die Geschichte wurde heute veröffentlicht, in einer Zeitung, die hier nicht genannt wird, einer, mit der Sie sicher vertraut sind.«

»Al Arab«, sagte Mutter und riet damit ihren Namen.

Vater blinzelte langsam, um Zustimmung zu signalisieren.

»Sie wird hier in London herausgegeben und gedruckt«, sagte Mohammed Mustafa Ramadan.

»Siehst du?«, sagte Mutter.

»Wegen ihrer freien und offenen Haltung ist sie jedoch in fast allen arabischen Ländern verboten. So steht es um uns in unserer Gegenwart, in unserer bedauernswerten Gegenwart.«

Das Wort »Gegenwart«, zweimal ausgesprochen, schwebte einen Moment lang über uns.

Mohammed Mustafa Ramadan verkündete den Titel der Geschichte: »Das Gegebene und das Genommene«, und begann zu lesen. Mein Vater starrte hoch konzentriert ins Nichts. Souad hob gelegentlich den Blick vom Tisch, in meine Richtung oder um Mutter oder Vater anzusehen. Mutters Blick ruhte auf mir.

Bevor er seine Strümpfe anzog, legte sich ein Mann mitten im Zimmer auf den Rücken und versuchte sich zu erinnern, wo er war. Eine Katze strich um seinen Körper. Er spürte, wie die feuchte Spitze ihrer Nase den großen Zeh seines linken Fußes berührte. Sie begann daran zu lecken. Es war kein unangenehmes Gefühl. Er spürte den schnellen Atem des Tieres, als es anfing, sanft, fast liebevoll an seiner weichen Haut zu knabbern. Die Verfeinerung des modernen Lebens, dachte er und überlegte, dass die Behaglichkeit von Baumwollsocken, Schuhen und Pantoffeln seine Füße zu einer Köstlichkeit hat werden lassen. Doch dann biss ihn die Katze und durchstach die Haut. Der Schmerz war scharf und klar, ging aber zurück, sobald die Katze das Blut ableckte. Sie hielt für einen Moment inne, schnurrte, hielt wieder inne und schnurrte noch ein wenig mehr. Er empfand eine unerwartete Befriedigung über ihr Behagen. Er dachte, auch er sollte die Augen ein wenig schließen. Als er aufwachte, war da immer noch das uhrwerkgleiche Atmen der Katze neben seinem Fuß. Sie leckte erneut über die wunde Stelle, wandte sich dann der eigenen Pfote zu, badete sie mit der Zunge und schrubbte und knabberte sie mit den Zähnen sauber. Teilnahmslos stand sie anschließend da und betrachtete seinen Fuß, bevor sie die Zähne aufs Neue in seinen Zeh grub und ein Stück Fleisch herausriss. Er sah sie an, ihre Augen zeigten keinerlei Wut oder Reue, und sie erwiderte seinen Blick. Er legte den Kopf auf den Boden. Der Schmerz war unerträglich, fürchterlich, und doch, dachte der Mann, war »unerträglich« nicht das richtige Wort. Tatsächlich war er überraschend erträglich. Der Mann blieb auf dem Boden seines Zimmers liegen, während die Katze ­gewissenhaft und ruhig weiter­arbeitete. Jedes Mal, wenn sie über die Wunde leckte und sie beruhigte, riss sie anschließend ein weiteres Stück Fleisch he­runter, bis sie den Zeh ganz gefressen hatte. Dann ging sie zum nächsten über.

Das Seltsame war, während die Katze fraß, fing der Mann an, die Geschichte seiner Zehen wie in einem Film vor sich ablaufen zu sehen, von ihrem Leben im Mutterleib bis zum heutigen Tag, all ihre Abenteuer und Missgeschicke, die auch seine eigenen waren, aber in spöttisch heroischem Maßstab, sodass er sich, während er gefressen wurde, auch betrauert fühlte, wenngleich auf sarkastische Weise. Dieses groteske Spektakel seines Lebens wurde umso hypnotischer, je länger die Katze mit ihrem diabolischen Plan fortfuhr. Sie arbeitete mit unbestreitbarer Entschlossenheit, fraß sich die Beine und Arme des Mannes hoch, während er zusah und die Lebensgeschichte seiner Glieder bestaunte, die verlorenen Erinnerungen, die plötzlich wie mit einem Netz aufgefangen wurden, in der kunstvollen Erzählung eines bescheidenen Lebens. Obwohl der Appetit der Katze endlos zu sein schien, besonders für ein Geschöpf ihrer Größe, schlang sie nichts in sich hinein, und ihre Zuversicht war, wie sich am Ende herausstellte, ihre größte Waffe. Mittlerweile bestand der Mann nur noch aus Kopf und Rumpf. Sein Kopf, das Einzige, wie er schloss, ohne das er nicht auskommen konnte, blieb perfekt intakt. Die Katze näherte sich ihm langsam und hielt bei seinem linken Ohr inne, als wollte sie ihm etwas von großer Wichtigkeit sagen. Doch stattdessen hörte er seine eigene Stimme.

Bis zu diesem Punkt der Geschichte war Mohammed Mustafa Ramadans Stimme nüchtern geblieben, ganz im unbewegten Ton eines Nachrichtensprechers, doch jetzt stahl sich ein leichtes Zittern in seine Kehle, wie eine in einem Tunnel gefangene Feder. Er verstummte und wiederholte den letzten Satz noch einmal: »Doch stattdessen hörte er seine eigene Stimme.« Es funktionierte nicht. Es gelang ihm nicht, sich von seiner Ergriffenheit zu befreien.

Er öffnete den Mund und sagte: »Nein.« Das Wort erfüllte das Zimmer. Es klang erstaunlich klar. Er wusste, er sagte es nicht nur für sich. Die Katze hob den Kopf, verschwand und ließ den Mann schließlich sein Leben wiederaufnehmen.

Die Geschichte war so kurz, dass es Mohammed Mustafa Ramadan nicht viel mehr als eine Minute gekostet haben konnte, sie vorzulesen. Ich war nicht sicher, was ich davon halten sollte. Ich fühlte mich von ihr infiziert. In den nachfolgenden Tagen und Wochen versuchte ich sie aus dem Kopf zu bekommen, aber sie blieb da, in der Tiefe, und kam zu ganz unerwarteten Momenten an die Oberfläche: Wenn ich zu Beginn des Tages, aber noch im Dunkel vor dem Morgengrauen auf den Schulbus wartete oder wenn ich an der Reihe war, den Innenhof des Hauses zu ­fegen, der wie ein offenes Geheimnis unter dem Himmel lag, aber vor den Nachbarn verborgen, sodass man seine Kleider ausziehen konnte, ohne dass jemand jemals etwas ­davon ­mitbekam. Und plötzlich dachte ich wieder an Hosam Zowas Darstellung einer Niederlage, die auch ein Sieg war. In solchen Momenten war ich nicht in der Lage, die klaustrophobische Atmosphäre der Geschichte zu ignorieren, die sich so schrecklich im unerklärlichen Ausbleiben jedweden Widerspruchs des Mannes offenbarte – was umso verstörender war, wenn man sah, wie wirksam sein Protest schließlich war, als er kam. Die Geschichte drang in meine Träume, in denen ich manchmal zu der gliederlosen Person wurde, um die sich ständig jemand kümmern musste. Was mir von jenen Träumen vor allem im Gedächtnis blieb, ist das grausame Gefühl meiner eigenen Hilflosigkeit. Zusammen mit dem, was mit Mohammed Mustafa Ramadan geschah, kurz nachdem er die Geschichte vorgelesen hatte, machte es mir Angst. Auf eine stumme, persönliche Art wurde ich mir der Zerbrechlichkeit all dessen bewusst, was mir lieb und teuer war: meiner Familie, meines Selbstgefühls und der Zukunft, die ich mir zu erwarten erlaubte.

Das Geheimnis um die Identität Hosam Zowas faszinierte meine Eltern und ganz besonders meinen Vater. Er war Historiker, gehörte der ersten Generation an, die nach Erlangen der Unabhängigkeit zur Universität ging, was so viel heißt wie, dass er nach den Beschränkungen, die den Libyern durch die italienische Besatzung auferlegt worden waren, zu den Ersten des Landes gehörte, die eine höhere Ausbildung bekamen. Anschließend promovierte er an der Universität von Kairo.

Als ich aufwuchs, wirkte er wie jemand, der verlässlich an die Zeit glaubte, an den Versuch der Menschen, sie zu messen, aber auch an ihre Hoheit über alles, was wir tun – dass alle Menschen, ihre Taten und ihr Charakter sich ihr nicht nur fügen, sondern von ihr offenbart werden, dass die wahre Natur der Dinge verborgen ist und die Funktion der Tage darin besteht, sie Schicht für Schicht freizulegen.

Nach 1969, dem Jahr, in dem Gaddafi die Macht übernahm, lehnte mein Vater still akademische Posten und lukrative Positionen in staatlich finanzierten Komitees ab und verschwand in eine Anstellung, die weder seinen Fähigkeiten noch seinen Ambitionen entsprach: Er wurde Geschichtslehrer an einer mittelmäßigen Schule in einem der ärmeren Viertel Bengasis. Am Ende stieg er zum Rektor auf, nahm die Stelle aber nur an, weil eine Ablehnung Argwohn erweckt hätte. Ich weiß noch, wie er meiner Mutter einmal von einem sich hinziehenden Streit unter den Lehrern erzählte, den er zu lösen versuchte, dann eine Sekunde innehielt, bevor er sich der Erkenntnis ergab, dass es »fast immer das Beste ist, die Dinge zu lassen, wie sie sind. Die meisten Probleme haben die Gewohnheit, sich selbst zu lösen.« Das war auch der Rat, den er bei mehr als einer Gelegenheit meiner Schwester Souad und mir gab. In seine Schule durften wir nicht gehen, es kam nicht in Frage, da er möglichen Anschuldigungen, uns bevorzugt zu behandeln, entgehen wollte. Doch trotz aller Vorsicht senkte sich von Zeit zu Zeit eine Wolke unbestimmter Paranoia über ihn, und er war überzeugt, dass irgendjemand irgendwo Pläne schmiedete, ihn zu diskreditieren.

Er war glühend interessiert an der politischen Geschichte der arabischen Welt, vor allem am wachsenden Nationalismus, den er das »Abschiedsgeschenk der Kolonialmächte« nannte. Seine Recherchen unternahm er im Verborgenen, in seiner Freizeit und veröffentlichte kein einziges Wort dazu. Das machte seine Berufung zu einem Hobby und einer Zuflucht. Die Wände in seinem Arbeitszimmer bei uns zu Hause standen bis unter die Decke voller Bücher zu Themen wie dem Osmanischen Reich, der italienischen Invasion Libyens oder dem britischen Mandat für Palästina. Die Stapel formten Säulen, die gefährlich hoch aufwuchsen, wie die uralten in höchste Höhen emporragenden Städte im Jemen.

Ich sah meinen Vater damals als einen Mann, der in dem Glauben lebte, dass die Welt ihn nicht brauchte, und warf ihm manchmal nicht so sehr fehlenden Mut, sondern, weit schlimmer, einen Mangel an Glauben vor. Mehr als drei Jahre nachdem wir gemeinsam Hosam Zowas Kurzgeschichte gehört hatten, ging ich zum Studium nach Großbritannien und trug jenen verzerrten Schatten mit mir, so wie all die anderen falschen Eindrücke, die ich von meinem Vater hatte. Und er lag auch auf mir, als ich vor der libyschen Botschaft am St James’s Square im Herzen von London zu meiner allerersten politischen Demonstration kam. Dort sagte ich mir, jetzt weißt du, dass du nicht er bist. Und selbst noch Minuten später, als die Kugeln flogen und Chaos ausbrach, war mein Vater, der Mann, der immer noch glaubte, dass es »fast immer das Beste ist, die Dinge zu lassen, wie sie sind«, für mich nichts als der ruhige, stille, farblose Hintergrund, vor dem sich mein Leben abspielen musste.

Davor jedoch, direkt nach der Radiolesung, begann mein Vater sich für die Identität des geheimnisvollen Autors zu interessieren, wodurch ich erste Dinge über Hosam Zowa erfuhr.

»Die Zowas sind eine gut bekannte Familie«, erklärte er uns. »Sidi Rajab Zowa hat für König Idris gearbeitet. Er war der persönliche Berater Seiner Majestät und wurde aufgrund seiner intuitiven Fähigkeiten »der Radar« genannt. Es hieß, dass Sidi Rajab jeden Gedanken des Königs vorhergesehen hatte. Er verstand die politische Zurückhaltung des alten Mannes, seine bescheidene Art und seine Vorliebe für ruhige Lösungen. Und so wie unser König zum Scheitern verurteilt war, litten auch die Zowas, als Gaddafi die Macht übernahm. Ihre Vermögenswerte wurden eingefroren, und sie durften das Land nicht verlassen. Aber sie hatten einen Sohn, der gerade noch rechtzeitig hinauskam«, erzählte Vater. »Als das Verbot kam, ging er in England zur Schule und ist dortgeblieben. Vielleicht ist er der Autor.«

Wir versuchten uns vorzustellen, was es für ihn bedeuten musste, nicht nach Hause zurückkehren zu können. Ich weiß noch, wie meine Mutter ins Nichts starrte und mehr zu sich als zu allen anderen sagte: »Ein Albtraum.« Und dann stellten wir uns vor, wie er zum Studieren nach Irland ging.

Ein paar Tage später sagte mein Vater, er habe besondere Neuigkeiten: »Ich habe herausgefunden, wo die Zowas wohnen, und ihr werdet es nicht glauben! Sie wohnen nicht nur in Bengasi, sondern an der Ecke unserer Parallelstraße.«

Ich erinnere mich an die Erregung, die uns alle erfasste. Gleich nach dem Mittagessen, ohne jemandem etwas zu sagen, ging ich das Haus suchen. Ich wurde langsamer, als ich ihm näher kam. Es war um die Zeit, da die Hitze bereits zurückzugehen beginnt, zum offenen blauen Himmel aufsteigt und die Luft darunter leichter werden lässt. Die Fenster zum ersten Stock standen weit offen. Hin und wieder konnte ich einen Schatten über die weiße Decke streichen sehen, sah, wie das Licht von einem Gegenstand zurückgeworfen wurde, hörte das leise Klirren von Besteck, Schuhe, die über Fliesen liefen, die Stimmen von Frauen. Für mich und meine jungenhafte Vorstellung war es merkwürdig, dass so eine eigentümliche Geschichte von jemandem erdacht worden sein sollte, der in einem so gewöhnlichen Haus aufgewachsen war.

Jahre später, als Hosam zurückkam, wohnte er hier und besuchte auch meine Eltern, zu denen er schnell ein enges Verhältnis entwickelte, indem er einen Teil der Lücke füllte, die ich hinterlassen hatte.

Aber während ich damals in die Zukunft blickte, wenn auch vage und unbestimmt, ging es meinem Vater weit mehr um die Vergangenheit. Je mehr er über die Zowas herausfand, desto interessanter wurden sie für ihn.

»Eine wunderliche Familie«, erklärte er nach etwa einer Woche seiner Nachforschungen, »gleichzeitig ehrenwert und abweichlerisch, ein Haus, das von den widerstreitenden Seiten verdammt und vereinnahmt wird. Die Zowas sind in gewisser Weise wie Libyen selbst. Schwer zu sagen, hinter wem sie stehen oder was sie wirklich sind.«

Wir verbrachten unsere Nachmittage auch weiter um den Küchentisch he­rum. Diese Erzählung, die nach allem, was ich sagen konnte, nichts mit der Vergangenheit zu tun hatte, hatte uns in die Geschichte unseres Landes katapultiert. Vater brachte Bücher, aus denen er vorlas. Oft blieben wir bis zum Abendessen dort sitzen, ohne dass sich einer von uns beschwert hätte. Wir erfuhren, dass die Zowas 1911, als Italien in Libyen einfiel, unter den Ersten waren, die sich dem Widerstand anschlossen und fünfzehn Jahre lang tapfer kämpften, bis sie ohne weitere Erklärung zur Parade ­kamen, mit der Benito Mussolini 1926 bei seinem ersten Besuch im Land willkommen geheißen wurde.

»Der Italiener saß auf seinem Pferd«, sagte Vater, »während örtliche Stammesangehörige an ihm vorbeidefilierten, ihre Schwerter in der Sonne blitzen ließen und ihm mit der Absurdität, die alles Nachäffen begleitet, den Faschistengruß darboten, der«, fügte Vater hinzu, »durch ihre dunklen Hände ironisch wirkte, als machten sie sich über den siegreichen Herrscher lustig. Hinzu kam«, fuhr Vater fort, »dass Mussolinis Hengst, ein kleiner, nervöser Araber, nicht stillstehen wollte. Alle paar Sekunden scharrte er mit den Hufen und warf den Schweif hin und her, was dem ›kleinen Italiener‹, wie die Libyer Mussolini gern nannten, einen Stoß nach dem anderen versetzte. Die Zowas weigerten sich, an dem Zug teilzunehmen oder auch nur abzusteigen. Sie saßen auf ihren dunkel schimmernden, muskulösen Pferden, die im Gegensatz zu dem Mussolinis wie eine Eins dastanden, verfolgten das Spektakel, als gälte es ihnen und als sei der Italiener nach Libyen gekommen, um sie zu unterhalten. Mussolinis Miene«, erläuterte Vater, »hochgereckt und mit dem typischen verächtlichen Ausdruck, den ein Historiker einmal als ›seltsam kokett‹ beschrieben hat, wirkte so verdutzt wie fasziniert. In Vorbereitung auf seinen Besuch war ihm von den Zowas berichtet worden, von ihren wirksamen Feldzügen gegen seine Armee, von ihrem Mut und ihrer Tapferkeit, aber auch von ihrer Bereitschaft, die Seiten zu wechseln. Ein Treffen wurde arrangiert. Einer von Mussolinis Beratern schrieb darüber in seiner Autobiografie: ›Diese Männer gehören einem alten Stamm an. Sie grüßten den Duce nicht. Sie blieben unbewegt und stumm und warteten, dass wir den ersten Schritt taten. Es lässt sich nicht leugnen, dass diese Männer eine ungezähmte Würde ausstrahlten.‹ Anschließend vermerkte der italienische Offizier, dass nach Ende des Treffens ›lange noch ein zunächst scharfer Geruch zurückblieb, der sich dann aber milderte und zu einem wunderbaren Duft wurde. Es sei eine örtliche Art Moschus, wurde uns gesagt. Am Tag da­rauf wurde dem Duce eine Flasche gebracht, doch der Unterschied zu dem, was die Zowas benutzt hatten, war wie der zwischen dem Duft frisch erblühenden Jasmins und seiner übersüßen Schwere, wenn er nach Tagen verbraucht seinem Ende entgegengeht.‹«

Vater war sehr zufrieden, und wir gratulierten ihm dazu, dieses Zitat gefunden zu haben.

»Die Übersetzung ist von mir, aber sie ist ziemlich genau«, erklärte er.

»Bravo«, sagte meine Mutter so stolz wie amüsiert.

Die Zowas erwiesen sich als nützliche Kollaborateure und lieferten so vernichtend genaue Informationen, dass 1931, fünf Jahre nach ihrem Treffen mit Benito Mussolini, Omar al-Mukhtar, der Anführer des libyschen Widerstands, dem sie bis dahin die Treue gehalten hatten, gefasst und öffentlich gehängt wurde. Mussolini belohnte die Zowas fürstlich. Sie wurden steinreich und begannen sich ihr Wappen mit Goldfäden in die Säume ihrer Mützen zu weben. Vater fand ein Bild davon in einem der Bücher aus seiner ­Bibliothek. Es zeigte einen Olivenbaum mit einer Mondsichel und drei Sternen darüber.

»Das ist fürchterlich«, sagte Souad.

»Verräter«, erklärte Mutter.

»Und das war noch nicht alles«, setzte Vater an. »Zehn Jahre später, als sie die Kriegserfolge der Briten sahen, wechselten die Zowas aufs Neue die Seiten, ›so wie Sonnenblumen dem Lauf der Sonne folgen‹, wie es einer unserer lyrischeren Historiker nannte. Sie schlossen sich al-Senussi an und behaupteten, die Wurzel ihres Familiennamens sei Zawya, wie die schulischen und sozialen Zentren hießen, die der Senussi-Orden eingerichtet und seit dem neunzehnten Jahrhundert von Tobruk bis Lagos betrieb. Und ihr Timing«, sagte Vater, »war unfehlbar, denn 1951 wurde der Patriarch von al-Senussi der vom Vereinigten Königreich eingesetzte Monarch Libyens.«

»Sie haben keine Prinzipien«, erklärte Mutter und verschränkte die Arme vor der Brust.

Vater lächelte, als wären wir alle seine Schüler und als habe er mit dieser Reaktion gerechnet. »Bei jeder Gelegenheit …«, fuhr er fort, aber Mutter unterbrach ihn.

»Männer, die sich kaufen lassen«, sagte sie.

Etwas musste geschehen. Jemand musste einen Tee kochen oder einen Grund dafür finden, damit das Schweigen – das wir alle brauchten – ein wenig länger anhielt. Mutter zog eine Zigarette hervor. Vater gab ihr Feuer und steckte sich dann selbst eine an. Ich ging einen Aschenbecher holen.

»Aber jedes Mal«, sagte Vater und sprach jetzt vor allem Mutter an, »waren ihre Manöver zeitlich so gut abgesteckt, dass sich nur schwer behaupten ließ, sie seien reine Opportunisten. Sie schlossen sich den Italienern an, als der libysche Widerstand noch stark war, und später dem Senussi-Orden, als noch längst nicht klar war, dass Italien zusammen mit seinem Verbündeten Deutschland den Krieg verlieren würde.«

»Verräter«, sagte Mutter wieder.

»Vielleicht. Sie haben Schweigen bewahrt und nie eine Rechtfertigung geliefert.«

»Und?«, fragte sie.

»Sie haben sich nie genötigt gefühlt, sich zu erklären oder darüber aufzuklären, dass sie behilflich waren, das Blut ihrer Gegner zu vergießen.«

»Was es umso schlimmer macht.«

»Vielleicht«, sagte er wieder. »Aber wie die Geschichte bezeugt, ist es eine wirksame Strategie, denn was sie tun, entspricht einem Muster, das nicht so sehr von Ideologie geleitet wird, von Temperament oder Ethik oder von Prinzipien …«

»Sie haben ganz offensichtlich keine«, sagte sie.

»Sondern eher von einer natürlichen Ordnung, einer so souveränen, die so frei von Selbstrechtfertigung ist wie eine Windböe, die an einem Sturm teilnimmt.«

»Wie kannst du das sagen?«, fragte sie. »Hör auf, poetisch klingen zu wollen. Sag, wie es ist. Sie haben Blut an den Händen. Sie sollten aufgehängt werden.«

Mit geröteten Wangen lächelte Vater, wie er es immer tat, wenn er das Thema wechseln wollte. »Kinder«, sagte er, »eure Mutter ist eine Radikale. Eine sehr schöne, aber dennoch eine Radikale.« Er kitzelte sie, und sie lachte, aber es war ein falsches Lachen.

König Idris suchte Hosams Vater, »den Radar«, aus, seinen Neffen und Thronerben, Kronprinz Hasan, beim ersten Staatsbesuch der Senussis in den Vereinigten Staaten zu begleiten.

»Sie landeten in Washington«, erzählte Vater und öffnete den Atlas bei einer Karte der USA. »Anschließend«, sagte er und fuhr mit dem Zeigefinger die Route ab, »flogen sie nach Colorado und von da nach San Francisco, wo sie die University of California in Berkeley besuchten.«

Und auf diesem Abstecher, wie ich später erfuhr, kauften sie das kleine Haus bei Point Reyes. Kürzlich, während eines der langen Nachmittage, die ich neuerdings in der British Library verbringe, stieß ich tief in einem Buch, das sich nicht einmal mit meinem Land beschäftigte, sondern mit dem eher ungewöhnlichen Thema der höheren Bildung im postkolonialen Afrika, auf ein Foto, das den jungen Sidi ­Rajab Zowa zeigte, im Anzug und mit trendiger Sonnenbrille, neben Prinz Hasan, der elegant in libyscher Kleidung und mit Mütze die Euclid Avenue in Berkeley hi­nuntergeht. Ich habe das Bild mit meinem Telefon fotografiert und dabei so stark hineingezoomt, bis das Gesicht von Hosams Vater den ganzen Bildschirm füllte. Nur die Knochenstruktur erinnerte an seinen Sohn. Ich schickte es Hosam in Bengasi, der sofort antwortete.

»Unglaublich«, sagte er. »Wo hast du das her?«

Etliche Stunden später schrieb er: »Es ist das Gesicht, das mich so packt. Die optimistische Annahme darin, dass er mit seiner neuen Frau und den Kindern, die erst noch kommen sollten, dort hinreisen und Urlaub machen könnte.«

Und noch etwas später: »Erstaunlich, wie die meisten Leute es für selbstverständlich halten, dass sie Kinder bekommen und viele Sommer mit ihnen verbringen werden.«

Es gibt Momente, Momente wie diesen, in denen mich eine abstrakte Sehnsucht überkommt, die durch das Fehlen eines fixen Objekts umso heftiger ist. Der Zeit gelingt es immer wieder, uns einzulullen und glauben zu machen, dass alles ewig anhält, und obwohl das keinesfalls zutrifft, leben wir doch gern in diesem Traum. Und ebenfalls wie in einem Traum hat der Ablauf meiner Tage nichts mit dem zu tun, was ich mir, irgendwie und ohne es zu wissen, einmal zu erwarten erlaubt habe.

Ich gehe die Euston Road hi­nunter, als wäre ich gerade erst angekommen, als passten meine zweiunddreißig Jahre in dieser Stadt in eine Hand. Es ist noch Zeit. Ich könnte zurückkehren und den Rest meiner Tage unter dem Himmel verbringen, unter dem ich geboren wurde. Vielleicht würde ich dann alles vergessen, was geschehen ist, oder doch zumindest nicht so viel daran denken. Vielleicht würde ich aber auch zu einem jener Rückkehrer, an die ich mich aus meiner Kindheit erinnere, Männer, die anderswo andere Leben gelebt hatten und auch noch Jahre nach ihrer Rückkehr da­rauf bestanden, in Erinnerungen zu schwelgen, davon zu erzählen, wenn ihnen danach war, halbwahre Geschichten und Anekdoten, um ihre Zuhörer zu amüsieren, die sich ihrerseits unterhalten, mitunter aber auch gezwungen fühlten, die ewigen Geschichten mit der umsichtigen Geduld derer zu tolerieren, die wissen, dass man Schlafwandler nicht abrupt aufwecken sollte.

Mohammed Mustafa Ramadan kam im Jahr meiner Geburt nach London, 1966, um für die BBC zu arbeiten. Eine englische Zeitung beschrieb ihn als »leidenschaftlichen Pamphletisten gegen die Regierung seines Landes«. Ich habe ihn mir oft vorgestellt, wie er ebendiese Straßen entlangging, die ich jetzt entlanggehe, wie er dabei ebenfalls fortwährend zurückblickte und somit ständig in Gefahr war, in etwas hineinzulaufen. Er muss sich, wie auch ich es nach meiner Ankunft hier getan habe, im Panzer des Exils sicher gefühlt haben. Doch wie sich herausstellte, schritt genau in dem Moment, da wir ihn das »Das Gegebene und das Genommene« lesen hörten, und in den folgenden Wochen, da unser Vater uns mit Geschichten über die Zowas unterhielt, die Gegenwart weiter voran und stand kurz davor, mit dem BBC-Journalisten zu kollidieren, dem Mann, der, wenn er im Radio sprach, sich nur an dich zu richten schien.

Die libysche Regierung war einer der Pioniere in dem, was als »die Tötung des Wortes« bezeichnet werden sollte, der teuflischen Kampagne, die mehrere arabische Regime in den 1970ern lostraten. In den 1980ern beschleunigte sie sich weiter und wird hier und da auch heute noch praktiziert, sodass sich absolut nicht sagen lässt, sie sei mittlerweile beendet. Ihr Hauptziel bestand und besteht darin, auf oft spektakuläre Weise unangenehme Journalisten loszuwerden, sie mitten auf der Straße oder auch beim Essen in einem vollen Restaurant zu erschießen. Sie zu entführen, zu foltern und zu ermorden und ihre entstellten Leichen als Warnung an all die zurückzulassen, die es wagen, unsere Herrschenden zu kritisieren. Die Einzelheiten solcher Angriffe haben sich in unsere Erinnerung gegraben. Sie verfärben unser Denken mit Blut. In jenen Jahren begannen arabische Journalisten, Herausgeber und Verleger aus ihren Ländern zu fliehen. Die meisten gingen nach London. Am Ende fand sich die gesamte Presse eines Volkes im Ausland wieder, und die überwältigende Mehrheit der arabischen Zeitungen und Zeitschriften wurde in London verfasst, bearbeitet und gedruckt. Dichter und Romanautoren folgten, und obwohl einige von ihnen ermordet wurden, blieb die Stadt bis weit in die 1990er das Zentrum der ausgewanderten arabischen Intelligenz. Man kann nicht sagen, dass sie dort aufblühte. Im Gegenteil, sie verlor an Kraft, wurde alt und müde. London war in gewisser Weise die Stadt, in die arabische Schriftsteller kamen, um zu sterben.

Damals, als ich vierzehn war, in Bengasi lebte und keine Absicht hatte, mein Zuhause zu verlassen, wäre ich niemals auf den Gedanken gekommen, dass ich den Rest meines Lebens in London verbringen sollte. Nicht zuletzt angeregt durch die Glockenschläge von Big Ben, hatte ich die vage Vorstellung, dass die englische Hauptstadt ein melancholischer Ort war und sich die arabischen Schriftsteller dort, unter ihnen von meinen Eltern hochgeachtete Autoren wie der sudanesische Romancier Tayeb Salih, der syrische Dichter Nizar Qabbani und der libanesische Journalist ­Salim el-Lozi, dass sich diese Männer dort nur bei Nacht trafen, lange nach Sonnenuntergang. Ich stellte mir London als einen am Rand eines furchterregenden Abgrunds liegenden, gefährlichen Ort vor, der jedoch einen weiten Blick bot, was in meiner jungenhaften Fantasie nahelegte, dass diese arabischen Exilanten weniger von Furcht dorthin getrieben wurden, sondern weil ihr Mut sie dazu verlockte.