Meine Psychose & ich - Karla Weiß - E-Book

Meine Psychose & ich E-Book

Karla Weiß

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  • Herausgeber: tredition
  • Kategorie: Ratgeber
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2021
Beschreibung

Ich habe ein Buch geschrieben über verschiedene Phasen der Psychosen, die ich im Laufe meines Lebens "erlitten" habe, zum Einen, weil es einfach gut tut, sich Sorgen "von der Seele zu schreiben", zum Anderen weil ich Menschen, denen es ähnlich geht/ging wie mir, helfen will, mit solch einer Diagnose umzugehen und einfach zu zeigen, daß man nicht alleine auf der Welt ist damit.

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Seitenzahl: 148

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Karla Weiß

Meine Psychose & ich

Lebensbuch einer 56-jährigen Frau, die gerade noch an ihrer letzten Psychose zu knabbern hat

© 2021 Karla Weiß

Autorin: Karla Weiß

Autoren-e-Mail: [email protected]

Titelbild: Karla im Mittelmeer

Verlag & Druck:

tredition GmbH,

Halenreie 40-44, 22359 Hamburg

ISBN:

978-3-347-24099-5 (Paperback)

978-3-347-24100-8 (Hardcover)

978-3-347-24101-5 (e-Book)

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

Meine Psychose & ich

02.10.2020

Ich glaub, ich schreib jetzt mal ein Buch, denn ich kann leider kein Buch lesen, kann mich einfach nicht darauf konzentrieren, was da geschrieben steht, egal, ob es ein langer Roman, eine kurze Geschichte oder ein Sachbuch ist. Das ist total Scheiße. Ich würde so gerne mal wieder ein Buch lesen… lesen ist gemütlich. Auf der Couch liegen, in eine Decke gekuschelt, Türe zu. Das ist wichtig, damit keine störenden Geräusche ans Ohr dringen… es gibt so viel Dinge, die ablenken. Fernseher, Radio, diejenigen Familienmitglieder, die gerade im Hause sind, Fliegen an der Wand,Piepser im Handy, Geschirrspülmaschine, selbst dieser Laptop hier, auf dem ich gerade schreibe, der gibt rauschende Töne von sich. Auch die stören mich. Aber da will ich jetzt mal durch, schließlich geht es ja jetzt nicht ums Lesen, sondern ums Schreiben.

Eine alte Schulfreundin hat schon in der 8. Klasse zu mir gesagt „Du müßtest mal ein Buch schreiben“. Ich weiß nicht, warum sie das gesagt hat, aber ich hab es mir gemerkt und nun tu ich es… ich versuche es zumindest. Eigentlich ist es ja schon mein 9. Buch, denn ich habe mit 12 Jahren mein 1. Tagebuch geschrieben… es wurden 8 Stück, glaube ich, bis zum meinem ca. 19. Lebensjahr. Sie kennen sicher diese kleinen bunten chinesischen Schreibbücher mit denBlumenranken am Rand, die sich wunderbar als Tagebuch eigneten. Ich möchte sie alle nochmal durchlesen, hatte vor einiger Zeit mit dem ersten Buch begonnen, aber – wie Sie ja von mir bereits wissen – habe ich mangels Konzentration nach einigen Seiten wieder aufgehört, darin zu lesen. Die Bücher liegen auf meinem Nachttisch, aber eigentlich ist das sowieso keine gute Bettlektüre, so kurz vor dem Einschlafen von den Sorgen und Nöten eines jungen Mädchens zu lesen. Aber nein, es waren nicht nur schlechte Zeiten damals… ich hatte zum Teil sehr viel Spaß in meinem jungen Leben damals.

Nebenbei bemerkt: Sie werden sich vielleicht über verschiedene Dinge wundern. So ein Chaos von Worten und Sätzen, keine Absätze, keineGliederung, keine ordentlichen Satzzeichen, kein Stil, kein roter Faden. Für Sie nicht, nein, das verstehe ich, aber der Faden ist in meinem Kopf rot. So denke ich. Ziemlich verworren sind meine Gedanken und Taten. Ich verstehe Sie, wenn Sie das Buch wieder zur Seite legen, weil Sie sich etwas Anderes unter dem Titel, den ich jetzt noch gar nicht kenne, vorgestellt haben. Sie können mir gerne schreiben… wenn Sie nun sauer sind auf mich, weil Sie das Buch gekauft haben und die Euros zum Fenster rausgeschmissen haben. Am Ende werde ich eine E-Mailadresse angeben (die ich hoffentlich nicht vergesse, einzurichten) und werde immer wieder mal reinschauen, ob es jemanden gibt, der Interesse hat, sich mit mir auszutauschen über das, was er/sie gelesen hat bzw. über das, was ich geschrieben habe. ImGrunde möchte ich mir Teile aus meinem Leben von der Seele schreiben, vor allem die Teile, die mich zeitgleich fast zerstört und total glücklich gemacht haben.

Die Ärzte sagen „schizo-affektive Störungen“ dazu, glaube ich. Ich müßte jetzt den Arztbrief suchen, auf dem die genauen Diagnosen stehen, aber da müßte ich jetzt aufstehen… und dazu fehlt mir gerade die Lust. Ich schreib grad so voller Energie… und das muß ich oder will ich ausnutzen. Also ja, ich bin schizophren, manischdepressiv (bipolare Störungen) und habe Psychosen, wobei das sich alles irgendwie überschneidet. Ich sage meistens, wenn mich einer in der Arbeit fragt, was denn mit mir los war (denn ich habe gerade fast zweieinhalb Monategefehlt), daß ich eine ganz schlimme Psychose hatte. Das ist wahr… und ich liebe eigentlich die Wahrheit, möchte mich stets am Rande der Wahrheit bewegen…. und ich möchte mit dieser Scheiß-Diagnose ein bißchen Verständnis erreichen in meinem Umfeld, sowohl im Arbeitsumfeld als auch in meinem übrigen sozialen Umfeld. Naja, so ganz werde ich Sie nicht mit der Wahrheit belasten, denn erstens könnte es sein, daß auch meine Töchter und meine Mutter lesen, was alles so passiert ist im Laufe meines Lebens…. und daran werde ich ein bißchen deshalb feilen, denn es soll ja nicht zuuu negativ klingen, aber das war es ja auch nicht. Nein, das war es nicht. Aber negativer zumindest, als ich es in Erinnerung habe.

Ich habe zum Beispiel immer gedacht, daß ich das totale Papakind war, daß mein Vater mich geliebt hat, so wie ich ihn, aber wenn man jemanden liebt, dann schreit man ihn nicht so oft an, oder? Man schreit dann nicht seine 12jährige Tochter, die am Vormittag ihr Bett noch nicht ordentlich gerichtet hat, so an: „Du bist ein Weib, Du müßtest das Bett von Deinem Bruder auch gleich machen“. Es wurden Türen geschlagen, es wurde geschrien, gestritten und geschwiegen, manchmal tagelang wurde schweigend aneinander vorbei gegangen… so lange, bis ich zum Beispiel einen kleinen Flieger aus Papier gebastelt und drauf geschrieben habe „Ich hab Dich lieb“; den hab ich dann zu meinem Vater fliegen lassen und dann war alles wieder gut. Alles wieder gut??? Scheiße war´s. Nichts war gut. Scheiße war´s. Der Manteldes Schweigens wurde über die unzähligen Streits, Unstimmigkeiten und Mißverständnisse geworfen, ohne daß jemals nochmal darüber gesprochen wurde, ohne daß Dinge aufgeklärt wurden, geschweige denn, es wurde sachlich über etwas diskutiert…. oh nein. Sachlich ging überhaupt nichts. In der ganzen Familie nicht, weder bei meinem Vater, noch bei meiner Mutter, noch bei meinem Bruder, noch bei mir. Am wenigsten wahrscheinlich bei mir. Ich bin ein Bauchmensch, aber halt…. ich habe mich entwickelt, Leute. Kaum renne ich 10 Jahre zu einer Psychotherapeutin, schon kann ich reden wie ein normaler Mensch.

Bei dieser Gelegenheit, liebe Frau L….., danke ich Ihnen nochmals aus der tiefsten Tiefe meinesHerzens für alles, was Sie für mich getan haben. Sie haben aus mir eine selbstbewusste Frau gemacht, eine Frau, die sich sogar selber liebt. Ich habe es Ihnen bereits oft gesagt, aber wiederhole mich hier wirklich sehr gerne. Durch Sie kann ich zu meinem Bauch (der wegen des übermässigen Essens wegen des Hungers durch die vielen Tabletten wieder viel zu groß ist) auch meinen Kopf (der wegen der vielen Tabletten wieder viel zu erschöpft ist) einschalten, kann über alles (wenn ich etwas zum Thema zu sagen habe) sachlich diskutieren, natürlich aber auch trotzdem mit Gefühl.

Gefühle spielen in meinem Leben eine riesige Rolle. Sie tragen mich durch das Leben. Ich liebe das Leben, naja, momentan tue ich mich nochschwer damit, denn meine letzte Psychose fand ihren Höhepunkt morgen vor 3 Monaten, das heißt, daß sie noch nicht in aller Gänze vorübergegangen ist. Es war die Hölle, der 3.7.2020; aber vorher muß ich – glaube ich – noch etwas ausholen, damit Sie mir so folgen können, wie ich mir das vorstelle.

Hmmm, wie soll ich jetzt weitermachen? Mir ist übrigens gerade ein möglicher Titel dieses Buches eingefallen: Vielleicht „Lebensbuch einer 56-jährigen Frau, die gerade noch an ihrer letzten Psychose zu knabbern hat“. Das würde den Kern treffen…. und den Kern treffe ich doch so gerne.

Wie gesagt, wenn ich Sie langweile oder wenn ich mich ab und zu wiederhole, dann entschuldige ichmich hiermit schon einmal aufrichtig, aber mehr geht nicht…. meine Finger rasen über die Tastatur meines Notebooks und ich freue mich, endlich mir selber die Möglichkeit zu geben, loszulassen, nicht nur mündlich, sondern jetzt auch schriftlich.

So, nun erzähle ich weiter. Vor 15 Jahren, das war das Jahr 2005, zog ich mit meiner Familie von München etwas weiter westlich in eine kleinere Stadt, in der ich mich vom ersten Tag an wohl fühlte. Die Uhr ging dort anders, ich hörte kein aggressives Hupen mehr, sondern stellte so ganz nebenbei Rücksichtnahme der Menschen untereinander fest. Als mir beim Bäcker meine Semmeln runtergefallen sind, bückte sich der Mann rechts neben mir und links neben mir und … schwuppdiwupp… hatte ich meine Semmelnwieder auf dem Arm, was mir ein Lächeln ins Gesicht „zauberte“; das genoss ich auf jeden Fall. Ich würde nie mehr in eine Großstadt ziehen, da ich den Lärm und die vielen schlecht gelaunten Menschen nicht mehr ertragen würde. Kurz mal reinfahren, irgendetwas erledigen, das geht gerade noch, aber dann muß ich auch schnell wieder nach Hause, in mein Nest.

Nächstes Jahr feiere ich mit meinem Mann Silberhochzeit. Ich werde es nie vergessen, wie es dazu kam. Wir haben uns eigentlich schon mit 18 Jahren kennengelernt, damals, in der Kirche. Jeden Freitag war ich mit Freundinnen in der Teestube; wir haben dort mit anderen Jugendlichen Karten und Tischtennis gespielt, viel geplaudert und viel gelacht, sehr viel gelacht.

Eines Tages hat ein Freund wiederum einen Freund mitgebracht, der mich vom ersten Tag an so besonders angeschaut hat. Falls Sie eine Frau sind, dann wissen Sie, wie ich das meine. Er mochte es, wie ich lachte. Er selber hatte den Schalk im Nacken und war mit einer großen Portion Humor bestückt, was mir total gut gefallen hat…aber das war es dann auch schon… mehr als lachen und Karten spielen wollte ich eigentlich nicht mit ihm. So ging es dahin und erst nach einem Dreivierteljahr haben wir uns das erste Mal bei mir zuhause geküsst. Ich brauchte eine ganze Weile, durch ihn hindurchzuschauen und ihn kennenzulernen… es war wahrlich nicht „Liebe auf den ersten Blick“, aber das macht nichts. Ab dieser Zeit gab es uns eine ganze Weile nur noch zu zweit. Es gab zwar auch diverse Auf´sund Ab ´s, aber da denk ich mir nicht viel dabei, zumindest jetzt nicht mehr. Wir waren jung, haben das Leben ausgekostet, zum Teil auch jeder für sich. Letztendlich waren wir jedoch unzertrennlich.

Nach 13 Jahren Freundschaft waren wir – wie so oft – in der Faschingszeit zum Skifahren in den Dolomiten gelandet. An einem wunderbar sonnigen Tag legten wir – fernab der Skipiste – eine Pause ein und warfen uns in den Schnee, aßen unsere Brotzeit und tranken heißen Tee. Anschließend nahm mein Mann zwei kleine Schnapsfläschchen, gab mir eines davon, schaute mir in die Augen und sagte: „Du mußt jetzt sehr tapfer sein“……….Willst Du meine Frau werden?“ Oh Mann, war das schön. Da hab icherstmal geheult wie ein Schloßhund (heulen Schloßhunde wirklich?). Danach ging es ganz schnell.

Zuhause angekommen, bin ich nach kurzer Zeit schwanger mit unserer ersten Tochter geworden; nach einem halben Jahr haben wir dann geheiratet, dann noch zwei Jahre später kam unsere zweite Tochter zur Welt. Die beiden Mädchen haben – bis zum heutigen Tag – so viel Glück, Wärme und Liebe in unser Leben gebracht, was ich eigentlich nie mehr missen möchte, aber natürlich werden sie wohl spätestens nach dem Studium von zuhause ausziehen.

25.10.2020

Meine jüngere Tochter, ich nenne sie hier Emma (da meine beiden Mädels in meinem Buch nicht erkannt werden möchten, was ich sehr gut verstehen kann), war vom Babyalter an total temperamentvoll und ein besonders fröhliches, aufgewecktes kleines Mädchen. Ihre anderthalb Jahre ältere Schwester, Linda, war etwas ruhiger, schüchterner; aber wenn sie gut drauf war, ist sie aus sich heraus gegangen und war der fröhlichste Kasperl, den man sich vorstellen kann. Meine Güte, was haben wir gelacht zusammen. Emma hatte eigentlich ständig rote Backen von der frischen Luft und vom vielen Lachen. Sie kletterte im Kindergarten ständig auf den Haselnussbaum und rutschte die glatten Stämme wieder herunter,so daß sie täglich mit zerrissenen, durchlöchterten und dreckigen Klamotten nach Hause kam. Das war mir aber egal; Hauptsache, Emma hatte ihren Spaß im Kindergarten und war fröhlich, das war mir das Wichtigste.

Linda ließ sich gerne von Emma anstecken und hatte viel Spaß mit ihr zusammen, aber sie paßte zum Beispiel gut auf ihre Kleidung auf, was sie jetzt aber wiederum kaum noch macht. Jetzt gerade kam sie ins Wohnzimmer mit ziemlich zerrissenen Strumpfhosen, und das mit 23 Jahren. Du meine Güte, verkehrte Welt ist das. Sie empfindet es als in Ordnung und wenn ich ihr anbiete, sich von mir eine neue Strumpfhose zu nehmen, geht sie nicht drauf ein… „das passt schon so, ich mag mich jetzt nicht umziehen“.

Aber, wissen Sie, meine Tochter steckt ja in dieser kaputten Strumpfhose und fühlt sich gut darin.

Damit hab ich jetzt nicht mehr viel zu tun; ich habe kurz meine Meinung gesagt und Unterstützung angeboten, so wie ich es immer – hoffe ich – tue.

30.10.2020

Nun sind schon wieder ein paar Tage seit meinem letzten Eintrag vergangen und ich weiß eigentlich gar nicht, worauf ich bei diesem hinauswollte. Das Problem ist, daß ich – wie bereits geschrieben – keine Gliederung oder so etwas Ähnliches vorbereitet habe, weil sich das mitmeinen Gedankensprüngen nicht vereinbaren lässt, aber da ich ja nicht ständig nochmal lesen kann, was ich vorher geschrieben hatte, weiche ich wohl ständig vom Thema ab und fange neue Fäden an, von denen ich hoffe, daß sie trotzdem irgendwie verständlich sind. Natürlich kann es sein, daß ich mich hier und da einmal wiederhole, aber das bitte ich zu entschuldigen…. dies ist dem Chaos in meinem Kopf geschuldet… und wäre ich eine gesunde Frau, würde ich es anders gestalten, glauben Sie mir.

Ich denke, ich wollte bei meinem letzten Eintrag darauf hinaus, daß meine jüngere Tochter Emma in ihrem Temperament auffällig war; im Kindergarten und zuhause war das noch gut zu handhaben, aber dann kam die Grundschule. Siekonnte kaum still sitzen auf ihrem Stuhl, störte den Unterricht, lachte viel (was für mich das schönste Geräusch auf der Welt ist) und so landete ich, als sie in der 2. Klasse war, mit ihr bei einem Kinderpsychologen, um mal nachzuforschen, was da los ist. Nachdem ich einige Fragebögen ausgefüllt hatte und ein ausgiebiges Gespräch mit dem Arzt hatte, war klar, daß Emma ADHS hat. Mit anderen Worten, das Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom mit Hyperaktivität. Eigentlich ist das eine bescheuerte Diagnose, denn Emma hatte kein Defizit in puncto Aufmerksamkeit. Sie erhielt genug Aufmerksamkeit in ihrem noch so kurzen, bis dahin 8jährigen Leben. Als Defizit hätte ich ihr Temperament nie bezeichnet, aber ok; so lautete die Bezeichnung eben, macht ja nichts, ist egal. Da wir in der Erziehung unserer beidenMädchen sowieso immer versuchten, möglichst konsequent zu sein, haben wir instinktiv das Richtige getan.

Zum Beispiel wollte Emma einmal morgens nicht in den Kindergarten gehen; sie hatte ihr Nachthemd an und hatte sich geweigert, sich anzuziehen (zum Anziehen bekam sie natürlich Unterstützung). Also schnappte ich sie mir kurzerhand und liebevoll, stülpte ihr eine Jacke und Schuhe über und fuhr sie ausnahmsweise mit dem Auto die paar Meter in den Kindergarten. Dort angekommen war es ihr sichtlich und hörbar unangenehm, nicht in ihrer normalen Tageskleidung zu stecken. Die anderen Kinder fanden das sehr lustig und auch cool, aber für Emma war es das nicht. Sie sah die fröhlichenKinder, die sich zum Spielen versammelt hatten und gab mir daraufhin ganz schnell zu verstehen, daß sie wieder mit nach Hause kommen wollte, um sich anzuziehen. Natürlich haben wir uns dann beeilt, um ordentlich angezogen wieder bei den anderen Kindern zu erscheinen und schnell mischte sich Emma unter ihre Freundinnen und ihre Freunde. So ein Kleidungstheater habe ich nie mehr gehabt… und wissen Sie was? Das nennt man „natürliche Konsequenz“. Das hat mir später der Arzt gesagt. Ich habe es aus einem Bauchgefühl heraus richtig gemacht, daß das Kind die natürliche Konsequenz ihres etwas komischen Verhaltens gespürt hat. Es hätte nichts genützt, wenn ich gedroht hätte „Du bekommst heute keinen Nachtisch, wenn Du Dich nicht anziehst“ oder „Es darf dann heute niemand zumSpielen kommen“ oder irgendso einen Quatsch. Nein, das wäre nicht natürlich gewesen. Liebe Mütter und Väter oder Großmütter und Großväter, merkt Euch das bitte. Danke.

Dieses ADHS kann ich natürlich nicht genau erklären… warum auch… ich bin kein Arzt. Ich wäre zwar gerne einer bzw. eine Ärztin geworden, aber nach der 10. Klasse auf dem Gymnasium hatte ich keine Lust mehr auf Schule; ich wollte lieber Geld verdienen. Schade, man hätte mir in den Hintern treten müssen; vielleicht wäre dann noch mehr möglich gewesen als meine Lehre zur Arzthelferin. Naja, das sind vergangene Zeiten. Was bei mir allerdings hängen geblieben ist, an dieser Diagnose, ist, daß im Gehirn zu viel Dopamin ausgeschüttet wird (das ist ein„Botenstoff“), so daß die von außen eindringenden Reize nicht oder nur ungenügend gefiltert werden. Man riet mir in der Kinderpsychlogischen Praxis, die einen guten Ruf hatte, meine Tochter zum Schwimmen zu schicken, zum Tanzen, zum Reiten… zum Beispiel. All das habe ich bzw. mein Mann und ich getan. Emma war 8 Jahre im Schwimmverein, einige Jahre im Tanzverein und hatte später, als sie größer war, viele Jahre eine Reitbeteiligung, das heißt, sie kümmerte sich mindestens 3-4 mal in der Woche um ein Pferd, mistete den Stall aus, striegelte das Pferd so lange, bis es glänzte und durfte auch reiten. All diese Hobbies haben Emma geholfen, mit ihrem ständigen Bewegungsdrang klarzukommen. Es hat phantastisch geklappt.

Inzwischen ist sie 22 Jahre alt und immer noch temperamentvoll, aber sie hat schon längst gelernt, ihr Temperament selber zu fokussieren. Sie fährt viel mit ihrem Rennrad, geht mit Freundinnen zum Wandern, Skifahren, macht Cross-Athletik, trifft sich mit Freunden und so weiter.

09.11.2020

Ich hab mich nach Emma´s Diagnostik auch testen lassen und … siehe da, ich hatte auch ADS. Ohne H, das heißt, ohne Hyperaktivität. Ich war der verträumte Typ. Es war wie ein Schock für mich. Erstmal. Und dann, als ich die Tragweite des ganzen Dilemmas verdaut hatte, war ich