Meine verrückte Hochzeit - Zora Gienger - E-Book
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Meine verrückte Hochzeit E-Book

Zora Gienger

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Beschreibung

Sie will »ja« sagen – aber dann kommt alles anders: Die spritzige Komödie »Meine verrückte Hochzeit« von Zora Gienger als eBook bei dotbooks. Schon lange hat Elisabeth von diesem Moment geträumt: Wie sie den Gang zum Traualtar entlangschreitet, in ein wunderschönes weißes Kleid gehüllt, und endlich mit ihrem Liebsten den Bund fürs Leben schließt. Nun ist der Tag da – und überhaupt kein bisschen so, wie sie es sich vorgestellt hat! Die Verwandtschaft macht ihr das Leben zur Hölle und verwandelt ihre Hochzeit in einen Albtraum … Im allerletzten Moment flieht sie und landet in der WG ihrer erfolgreichen Freundin Betty. Von der lernt Elisabeth, dass sie nicht immer allen nach der Nase tanzen muss. Voller Bewunderung für die selbstbewusste Freundin beginnt sie, von einem Leben zu träumen, das ihr mehr zu bieten hat, als nur die Frau eines erfolgreichen Mannes zu sein … Aber kann Elisabeth wirklich völlig auf Romantik verzichten? Jetzt als eBook kaufen und genießen: Der humorvolle Liebesroman »Meine verrückte Hochzeit« von Zora Gienger. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.

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Seitenzahl: 328

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Über dieses Buch:

Schon lange hat Elisabeth von diesem Moment geträumt: Wie sie den Gang zum Traualtar entlangschreitet, in ein wunderschönes weißes Kleid gehüllt, und endlich mit ihrem Liebsten den Bund fürs Leben schließt. Nun ist der Tag da – und überhaupt kein bisschen so, wie sie es sich vorgestellt hat! Die Verwandtschaft macht ihr das Leben zur Hölle und verwandelt ihre Hochzeit in einen Albtraum … Im allerletzten Moment flieht sie und landet in der WG ihrer erfolgreichen Freundin Betty. Von der lernt Elisabeth, dass sie nicht immer allen nach der Nase tanzen muss. Voller Bewunderung für die selbstbewusste Freundin beginnt sie, von einem Leben zu träumen, das ihr mehr zu bieten hat, als nur die Frau eines erfolgreichen Mannes zu sein … Aber kann Elisabeth wirklich völlig auf Romantik verzichten?

Über die Autorin:

Zora Gienger arbeitet hauptberuflich als Autorin: Sie veröffentlichte bereits über 70 Bücher im Bereich Belletristik, Ratgeber, Gesundheit und Spiritualität. Daneben hat sie fünf Kinder großgezogen, viele Jahre lang Yoga unterrichtet und Frauen in der Schwangerschaft betreut. Wenn sie nicht gerade ihrer größten Leidenschaft, dem Schreiben, nachgeht, sitzt sie gerne mit ihren Enkeln in ihrem wunderschönen Rosengarten.

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eBook-Neuausgabe Juni 2021

Dieses Buch erschien bereits 1997 unter dem Titel »Zwei Hochzeiten und ein Mann« und unter dem Autorennamen Zora Storm bei Rowohlt.

Copyright © der Originalausgabe 1997 Rowohlt Taschenbuch Verlag GmbH, Reinbek bei Hamburg

Copyright © der Neuausgabe 2021 dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Nele Schütz Design unter Verwendung von shutterstock/yegorovnick, Pixel-Shot

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (ae)

ISBN 978-3-96655-394-0

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Liebe Leserin, lieber Leser, wir freuen uns, dass Sie sich für dieses eBook entschieden haben. Bitte beachten Sie, dass Sie damit ausschließlich ein Leserecht erworben haben: Sie dürfen dieses eBook – anders als ein gedrucktes Buch – nicht verleihen, verkaufen, in anderer Form weitergeben oder Dritten zugänglich machen. Die unerlaubte Verbreitung von eBooks ist – wie der illegale Download von Musikdateien und Videos – untersagt und kein Freundschaftsdienst oder Bagatelldelikt, sondern Diebstahl geistigen Eigentums, mit dem Sie sich strafbar machen und der Autorin oder dem Autor finanziellen Schaden zufügen. Bei Fragen können Sie sich jederzeit direkt an uns wenden: [email protected]. Mit herzlichem Gruß: das Team des dotbooks-Verlags

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Zora Gienger

Meine verrückte Hochzeit

Roman

dotbooks.

Kapitel 1

Ich hatte alles versaut, restlos alles.

Da saß ich nun in meinen hellrosa Spitzendessous, dem taillierten rosa Kostüm aus reiner Wolle, den roséglänzenden Stoffstöckeln und einem glattgeleckten Pagenkopf à la Doris Day.

Alle hatten es ja so gut mit mir gemeint, sogar die Friseuse mit ihren eifrigen Bemühungen, mein störrisches Strohhaar in eine stilvolle, festliche Komposition zu trimmen. Dabei hatte sie die Augen verdreht und »wie entzükkend« geheuchelt, als mein Haar endlich den Kampf gegen lästige Lockenwickler, böse Bürsten und fauchende Fönluft aufgegeben hatte. Mein Anblick ließ mich völlig kalt. Ich sah aus wie eine Fünfziger-Jahre-Unschuld, die auf den Erweckungsstoß des Göttergatten vorbereitet wurde, und genauso fühlte ich mich auch: naiv, hilflos und blauäugig. Auf die liebreizende Lächelkombination aus Demut, Erwartungsfreude und Hingabe war ich noch vor ein paar Tagen richtig stolz gewesen. Dieses Lächeln war Kunst. Es sollte mein glückliches Hochzeitslächeln werden, und Mutti hatte ohne Unterlaß mit mir geübt, bis es zu dieser genialen Schöpfung gekommen war.

»Kind, du mußt die Lippen spitzen«, hatte Mutti mir geraten, und ich hatte süffisant gegrinst, da ich an meine kürzlich verlorene Unschuld denken mußte. Ein reizvoller Gedanke. »Nein, nicht grinsen«, schimpfte sie daraufhin, und ich machte mich insgeheim noch lustig über den feierlichen Ernst ihrer Hochzeitsvorbereitungen. Zu dieser Zeit war irgendwie alles noch ein Spiel für mich gewesen, auch wenn ich Muttis und Schwiegermuttis viktorianische Bemühungen um Rainer und mich nur lächerlich fand.

»Hörst du mir überhaupt zu, Kind?« schalt Mutti weiter, und ich nickte heftig mit dem Kopf.

»Also. Du spitzt die Lippen zu einem staunenden ‹Oh›. Und dann ziehst du die Mundwinkel minimal nach oben.« Muttis Mundaerobic war erstaunlich geschickt, doch wirkte sie dabei wie eine verunglückte Mischung aus alternder Ulknudel und Guru auf dem Weg zur Erleuchtung. Ich kringelte mich vor Lachen, was Mutti veranlaßte, nach dem Jüngsten Gericht zu rufen.

»Oh, diese Kinder!« hatte sie pathetisch ausgerufen. »Dabei solltest du froh sein, daß du Rainer bekommen hast. Es ist eine wahre Ehre, mit den noblen Hausers verwandt zu sein. Und du, Elisabeth, wirst nicht wie ein Wildfang vor dich hin grinsen, wenn du vor dem Standesbeamten stehst!« Mit diesen Worten hatte sie mich nochmals vor den Spiegel bugsiert.

»Warum heiratest du nicht irgendeinen Hauser, wenn sie dir so wichtig sind. Trottelige Onkel gibt es in dieser Familie wohl genug.«

»Du undankbares Kind! Ich will doch nur dein Bestes! Das hat man davon, wenn man sich um das Glück des einzigen Kindes sorgt«, jammerte sie und schlug theatralisch die Hände über dem Kopf zusammen.

»Ach, Mutti, mir steht dieses alberne Lächeln nicht!« sagte ich resignierend mit verzogenen Lippen und völlig entstellten Gesichtszügen, als ich die Pose vor dem Spiegel eingenommen hatte. Mein grotesker Gesichtsausdruck ließ Mutti zögern.

»Nun ja, ich gebe zu ... es sieht bei dir so anders aus ... sagen wir, nicht so elegant.«

»Da hast du es, Mutti. Können wir nicht ein ganz normales Lächeln einsetzen?«

Aber Mutti hatte nicht so schnell aufgegeben. Sie wollte unbedingt ihren Kopf durchsetzen. Ein würdiges Lächeln mußte her, egal wie. Und deshalb zog sie aus ihrem großen Grimassenrepertoire eine ganz besondere Nummer: die der niedlichen Unschuld mit einem Hauch von Intelligenz.

»Dein zukünftiger Mann ist schließlich ein Doktor. Da muß sich dein Wissensstand immerhin im Lächeln bemerkbar machen. Mach mir also keine Schande, Kind.« Ich nickte wiederum brav, weil ich das Ganze satt hatte und meine Ruhe wollte. So studierten wir in einer dreistündigen Marathonsitzung vor dem Spiegel das ideale Hochzeitslächeln ein. »Denk an die Fotografen, an die Leute von der Presse, die laufenden Videokameras ...« Mutti steigerte sich in einen abnormen Promiwahn und schwelgte in großartigen Schlagzeilen: Doktor der Philosophie heiratet Studentin der Geschichtswissenschaft!

Mutti hatte in die Hände geklatscht und frohlockend ausgerufen: »Das schaffen wir, Elisabeth!«, als müßte sie selbst die Schlacht gewinnen. Aber so war Mutti eben. Und dann war da noch die liebe Verwandtschaft, die mich nur noch als zukünftige Frau Hauser betrachtete und die nächsten neun Monate nicht mehr abwarten konnte, bis der ersehnte Stammhalter der Hausers wohl planmäßig auf die Welt kommen würde.

Mutti konnte es nicht schnell genug gehen, bis sie mich in Rainers sicheren Doktorhafen wußte, und sie hatte mich von Anfang an gequält mit ihren »Aber-Kind-sei-doch-vernünftig«-Sprüchen, als das Thema Hochzeit als bürgerliches Schreckgespenst am heiteren Studentenhimmel aufgetaucht war. Aber ich war schließlich Muttis Kind und hatte zu meinem Leidwesen einen ungehörigen Anteil gutbürgerlicher Anlagen geerbt: Ich war nicht nur ziemlich prüde, sondern auch relativ lieb und brav, machte immer fleißig Männchen und lernte ordentlich, statt im Gammel-Outfit das typische studentische Lotterleben zu führen. Mutti war es auch, so stellte ich mir vor, die genauestens die Laken untersuchen würde nach Beweisen der Keuschheit. Was für ein Drama, als ob Rainer und ich nicht schon längst ... So keusch waren wir nun auch wieder nicht.

Und dann war da natürlich Rainer selbst: Er war der Traum aller Schwiegermuttis mit dem schimmernden Haar eines Weizenfeldes, seiner hohen, schlanken, stattlichen Gestalt, seinem glanzvollen Doktortitel.

»Kind, du mußt dich glücklich schätzen, daß dieser Mann dich auch nur eines Blickes würdigt«, hatte Mutti gemeint und hätte ihn am liebsten selbst genommen.

Mein Gott, in letzter Sekunde war ich erwacht. Plötzlich mußte mich jemand geschüttelt haben wie einen alten Bettvorleger, aus dem die Flusen nur so herabfallen. Warum war ich so betäubt gewesen? Warum hatte ich es nicht schon früher bemerkt? Warum habe ich da einfach mitgemacht?

Wütend fuhr ich durch den aalglatten Doris-Day-Verschnitt und schüttelte mein Haar, bis es wild und glanzlos in alle Richtungen strebte.

Jetzt, genau in dieser Sekunde würden sie alle vor dem großen Portal stehen, hinter dem das Unvermeidbare seinen Lauf nehmen sollte. Polierte Videokameras würden fragende, nervöse, dann wütende Gesichter aufzeichnen und sich schließlich den blühenden Maibäumen zuwenden. Spiegelreflektierende Fotoapparate würden die Pleite für immer festhalten und sich schließlich den blühenden Maibäumen zuwenden. Und die Presseleute – die würden sich die Hände reiben, ohne sich den blühenden Maibäumen zuzuwenden.

Denn ich würde nicht kommen. Mutti und Schwiegermutti würden einen gemeinsamen Weinkrampf bekommen, wobei jede die andere überschreien würde.

Sollten sie nur. Es tat mir nicht leid.

Nur Rainer, o liebster Rainer, du würdest gedemütigt zurückbleiben und innerlich weinen und schreien. Doch nach außen hin würdest du dich unter Mühen aufrichten und die Zähne zusammenbeißen. Du würdest kämpfen, den eigenen Weinkrampf zu überwinden und die Wut in philosophische Seins- oder Nichtseins-Fragen zu lenken. Du würdest über das Schicksal nachsinnen und zu dem Schluß kommen, daß im konkreten Sein das Dasein liegt und daß es gar nicht sein kann, daß ich nicht dasein kann. Im Nichtsein würdest du die Wahrheit suchen und erfahren, daß es wahr ist, weil es falsch ist, und daß das Falsche jetzt gerade wahr ist und daß das Nichtsein eigentlich nicht wahr sein kann und daß es wahrhaftig falsch ist.

Es tut mir so leid, Liebling, es tut mir unendlich leid. Aber ich kann nicht, ich kann nicht deine Frau werden, nur weil die Sippe es so haben will.

Ich war erst einmal in die Kirche geflohen, in der am nächsten Tag der kirchliche Segen den staatlichen Akt vollends besiegeln würde. Hier hätte die familiäre Daumenschraube endgültig ansetzen sollen, um uns für immer in den Hauserkerker zu werfen, bis daß der Tod uns scheidet. Mir schauderte.

Der Standesbeamte würde den Kopf schütteln und mit den Achseln zucken, und dann würde er sie alle mit ein paar tröstenden Floskeln in den Maienduft der frisch Verliebten scheuchen und nach den nächsten schielen.

Ich war in Sicherheit.

Die stille, kleine Kirche mit dem einfachen Kreuz ließ mich endlich verschnaufen, so daß ich den fauligen Atem des Familienclans nicht mehr im Rücken spüren mußte.

Kein Mensch war um diese Zeit in der Kirche. Warum auch? Es war Freitag vormittag 10.30 Uhr, und das Volk tätigte gerade seinen Wochenendeinkauf. Sonntagsbraten mit Kartoffeln und brauner Pilzsoße, eine Menge Wurst und Käse, ein Kopfsalat und so andere Normale-Leute-Kost verschwand in einem metallblinkenden Einkaufswägelchen. Alle rannten mit ihren Einkaufskörben vom Bäkker zum Metzger, vom Supermarkt zum Reformkosthäuschen, und alle liebten es inbrünstig, Punkt 10.30 Uhr die Läden gleichzeitig zu stürmen. Nur ein paar Verrückte standen vor dem Rathaus und warteten auf den Richterspruch, der die Normalität erst garantierte, und das für alle Ewigkeit. Meine Augen hefteten sich magisch auf das einfache Holzkreuz, so als ob es mir eine Antwort geben könnte auf all die Fragen, die mein Herz bewegten.

Ich tat dann etwas, was ich niemals sonst in einer Kirche tun würde, schon allein deshalb, weil es sich nicht gehört und weil Mutti immer von Anstand gepredigt hatte. »Verzeih mir, Jesus«, stammelte ich, und dann packte ich diese schimmernden Satinschuhe und warf sie wütend in den Gang. Ich hob meinen rosafarbenen Rock und rollte mir die satinglänzende Feinstrumpfhose herunter, die wie eine eklige Schlangenhaut an mir klebte. Mit spitzen Fingern schleuderte ich sie weit von mir, und sie schwebte ganz leicht und langsam zu Boden, wo sie wie eine tote Puppe mit verrenkten Beinen liegenblieb.

Ich fühlte den kalten Boden unter meinen nackten Füßen und hatte zum erstenmal seit langem das Bedürfnis, befreiend aufzustampfen.

»Verzeih mir«, murmelte ich und ließ meine Füße auf den Boden treten wie ein rhythmisches Uhrwerk. Tak, tak, tak, tak. Der Schweiß meiner Füße hinterließ kleine Spuren auf dem Stein.

»He! Das ist ja großartig!«

Ich fuhr zusammen. War da jemand? O Gott, wie peinlich!

Ich erstarrte in meinen Bewegungen und blickte mich um.

»Mach doch weiter. Es ist schon okay. Laß dich nicht stören.«

Eine furchtbar burschikose Frau stakste in Nietencowboystiefeln an mir vorbei und setzte sich in eine Bankreihe.

Ich stieß mein Erstaunen wie den Qualm einer Zigarette von mir und versuchte, meine Schuhe zu finden, die irgendwo vorne unter dem Jesuskind liegengeblieben waren. Das Jesuskind lächelte hold. Mach dir nichts draus, so schien es mich mild zu trösten. Die wüste junge Frau drehte sich zu mir um und sagte: »Mach dir nichts draus.«

Erschöpft fiel ich auf die harte, kalte Bank, zwei Reihen vor der Frau, und fuhr verzweifelt in meine zerstörte Haarpracht. Ich war jetzt mindestens so unansehnlich wie sie mit ihren schwarzen Zotteln, die an ein Wildpferd erinnerten. Mein blonder Strubbelkopf paßte gut zu ihrem Teufelshaar. Wir beide sahen richtig mies aus.

Und jetzt?

Die Frau erhob sich und setzte sich neben mich. Es war mir gar nicht mehr peinlich. Sie wirkte hier genauso fehl am Platz wie ich. Normalerweise findet man in Kirchen zum Gottesdienst ehrbare Frauen und Männer, leicht konservativ und konserviert. Oder lauter bucklige Mütterchen in grauen Popelinmänteln mit streng zurückgekämmten Haaren und eisernen Blicken. Gläubige Familien mit hübschen Kindern, von denen die Frauen in blauen Faltenröcken erschienen und die Männer in cordbraunen Uropajacken.

Aber eine widerspenstige Braut, die ihre rosa Stöckelschuhe durch das Gotteshaus schleuderte und eine Nietenstiefelfrau im Teufelslook mit Fransenlederjacke und engsten Lederjeans, die würde man hier nicht vermuten. Niemals.

Was macht sie bloß hier? dachte ich, denn ich hatte es in meinen fünfundzwanzig Lebensjahren noch kein einziges Mal erlebt, daß sich Nietenstiefel und schwarzgefärbte Pferdemähnen in die Kirche wagen.

»Du bist das also!« sagte sie wie selbstverständlich und nickte, so daß die Zotteln ihr Gesicht bedeckten.

»Wieso?«

»Na, das sieht man doch. Und wenn du am Rathaus vorbeigehst, wirst du eine aufgeputzte Mannschaft sehen, die sich wie im Affenhaus gebärdet. Dabei schreien sie so laut, daß selbst die letzte Mülltonne weiß, daß die Braut verschwunden ist. Und so, wie du aussiehst ... das kannst ja nur du sein. Bei denen wär ich auch davongelaufen, tröste dich.«

Ich war verblüfft. Diese Frau hatte mit einem Blick erkannt, was ich in Monaten nicht bemerkt hatte. Und sie hatte meine Gedanken genau zusammengefaßt.

»Und Rainer?« platzte ich heraus. »Der Bräutigam?«

»Wie versteinert, zur Salzsäule erstarrt, das habe ich gleich gesehen.«

»O nein!« Ich schluchzte wild. Das hatte ich nicht gewollt, so nicht. Aber es hatte keine andere Möglichkeit gegeben, es ihm je begreiflich zu machen. Er hätte es nie verstanden, nie, nie. Er war ein typischer Hauser. Geradlinig und familientreu. Mit Leib und Seele künftiger Ehemann und werdender Vater. Und jetzt hatte ich ihn schon vor der Hochzeit sitzenlassen. Kein Wunder, daß der Schreck ihm in die Glieder gefahren war.

Diese Frau hatte es gesehen, und ich glaubte ihr jedes Wort.

»Heul ruhig. Der Regen wäscht die Seele ab, du spülst gut durch, der Lack ist ab. Doch hinterher, da glänzt du neu. Der Lack war falsch, jetzt bist du frei.«

»Ich verstehe nicht. Sprichst du immer in Reimen?«

»Ist doch egal. Du weinst dich einfach aus. Dann kommt die Sonne wieder raus. Das ist alles.«

»Ach so.«

»Das Leben ist wie Sahnetorte, die zu lange gestanden ist. Außen sieht sie prima aus, aber wenn du reinbeißt, bleibt dir die Spucke weg. Ist mir auch schon oft passiert.«

»Was tust du eigentlich hier? Bist du gläubig?«

Ich mußte diese Frage einfach stellen, und wir waren uns irgendwie so nah, daß alles so selbstverständlich wirkte, selbst hier in dieser Kirche, die uns wie eine Käseglocke vor Hausers, Bergers und metallwagenschiebenden Hausmütterchen abschirmte.

Sie blickte zu Boden und dachte eine Weile nach. Dabei zwirbelte sie eine stumpfe Strähne nach der anderen zu einer stilechten Rokokolocke.

»Ach«, murmelte sie wegwerfend, »das tut nichts zur Sache.«

Ich schwieg. Was konnte man schon von Nietenstiefeln erwarten? Ein eifriges Plädoyer für Gemeinde und Gottesdienst? Das hier war viel besser, kurz und bündig.

»Komm doch mit zu mir, bis du dich erholt und deinen eigenen Weg gefunden hast. Bei mir finden die dich garantiert nie!«

»Wieso tust du das? Du kennst mich doch gar nicht.«

»So halt. Ich hab ein Herz für Gestrauchelte. Außerdem siehst du kinderlieb aus. Kommst du jetzt oder nicht? Du kannst es auch lassen. Ganz wie du willst.«

Kinderlieb? In diesem Moment haßte ich mein rosa Wollkostüm und mein Unschuldslächeln glühend. Der werde ich es zeigen, so wie ich es Hausers und Bergers gezeigt habe. Was fällt der stumpfen Rockerlady überhaupt ein? In mir tobte ein kindlicher Trotz. Ich war tatsächlich ein liebes Kind, und das hatte ich natürlich Mutti zu verdanken. Sie hatte es immer verstanden, mich von allerhand antiautoritär erzogenen Schmuddelkindern fernzuhalten, die jetzt an der Uni saßen und Sozialpädagogik studierten. Was machte es da schon aus, so spät noch eine besonders antiautoritäre Schmuddelfrau kennenzulernen. Mutti würde Magenkrämpfe bekommen und nach einem hochprozentigen Magenbitter verlangen. Aber da sie mir diese pädagogisch wichtige Erfahrung in meiner Erziehung vorenthalten hatte, konnte ich mich jetzt sehr schön an ihr rächen und lebenswichtige Eindrücke der fremden Art auf mich wirken lassen. Dieser Tag war schon schlimm genug. Es war doch ganz gleichgültig, ob ich zu dieser Frau ging, obwohl sie aussah wie eine Mischung aus Vogelscheuche und Rockerbraut.

Ja, genau, das war es: Die widerspenstige Braut und die Rockerbraut machten gemeinsame Sache.

Und plötzlich wußte ich, daß es richtig war, dem Gefühl zu folgen und sich aus einer Sache zu befreien, die nicht die meine war. Ich wünschte mir einen Mann, der mir drei Gänseblümchen aus dem Park mitbrachte und mich in einer winzigen Dachwohnung auf einer alten Matratze leidenschaftlich liebte. Wahre Romantik. Also wünschte ich mir keinen überaus korrekten Gatten, der mich mit Treibhausorchideen überschütten würde, um einen überaus nüchtern terminierten Sex im Himmelbett der Luxusvilla zu betreiben. Eigentlich wünschte ich mir Rainer.

»Also los!« rief ich und spürte in mir plötzlich eine ungeahnte Kraft. Ich war frei!

»Wie heißt du eigentlich, du Doris-Day-Imitation?«

»Elisabeth Berger«, antwortete ich und mußte fast würgen, weil dieser Name so schrecklich klang.

»Also, ich werde Lizzy zu dir sagen, okay? Und ich bin Bettina Marlos. Betty, okay?«

Und plötzlich fingen wir beide an zu lachen. Doch das Jesuskind in der Holzkrippe lächelte nur milde.

Macht euch nichts draus, schien es zu sagen.

»Wir machen uns nichts draus«, riefen wir beide, blickten einander kurz erstaunt an und lachten dann noch lauter als vorher.

Die monströsen Nietenstiefel klapperten laut auf dem kalten Steinboden und meine schuh- und strumpflosen Schweißfüße hinterließen runde, nasse Stellen, als wir so durch das Kirchenschiff dem Ausgang entgegengingen wie zwei Bräute, mannlos zwar, aber glücklich.

Kapitel 2

»Männer! Männer und Mütter! Nicht auszuhalten diese Kombination!«

Von meinen Lippen kamen diese vernichtenden Worte, und meine hellblauen Augen blitzten böse dabei.

»Ich habe so die Nase voll!«

»Frau, ärgere dich nicht«, antwortete Betty und goß mir einen Schluck heißen Kaffee ein. Ich hustete und schnaubte wild, weil ich mir die Zunge an dem seltsamen Wundergebräu verbrannt hatte.

»Um Gottes willen, was ist das für ein Getränk?« würgte ich atemlos und japste nach Luft.

»Das ist meine Spezialmischung«, lächelte sie breit und schlürfte ohrenbetäubend, so daß ich leicht zusammenzuckte. Noch einmal nippte ich an Bettys Spezialmischung, bevor ich mich in ihrer Wohnung ein wenig gründlicher umsah. Zunächst hatte ich mich nämlich ohne Umschweife auf diesen abgewetzten Schemel in Bettys Küche fallen lassen. Da hing ich nun wie eine verschrumpelte Paprikaschote, die den Weg zum Kompost noch nicht gefunden hat, und dümpelte vor mich hin. Nach Bettys Wundertrank rappelte ich mich langsam auf und versuchte aus meinen tranigen Maulwurfsäuglein schimmernde Scheinwerfer zu machen. Doch das, was Bettys Behausung mir offenbarte, war zuviel für meinen momentan verwirrten Geist.

Entsetzt sprang ich auf und klammerte mich an Bettys lederbesetzten Arm.

»Mein Gott, Betty! Bei dir ist eingebrochen worden! Die Schubladen ... sieh nur die Schubladen!« keuchte ich und war kurz vor einem Nervenzusammenbruch.

Betty starrte mich entrüstet an und brach dann in Gelächter aus. Sie ließ sich auf ein undefinierbares Gerät fallen, das vage an einen Stuhl erinnerte, und schlug sich auf die Oberschenkel, daß die Lederhose schallte und knallte. Dabei schwang sie das Zottelhaar vor und zurück. Sie schüttelte sich vor Lachen.

»Lizzy, Lizzy, du bist zu komisch!« krächzte sie immer wieder, bis sie beinahe blau anlief und ich Angst bekam, sie würde sich demnächst übergeben, wenn nicht den Geist aufgeben. Allmählich beruhigte ich mich, nicht so Betty. Sie spuckte und prustete vor sich hin und gab unerhörte Töne von sich, einer defekten Klospülung nicht unähnlich.

Ich wandte den Blick ab und wartete geduldig auf das tragische Ende. Doch plötzlich war der Lachanfall vorbei, und sie atmete noch einmal tief durch.

»Einbrecher waren also hier, meinst du.«

»Na ja, ich ... es sieht doch so aus, oder etwa nicht?«

Ihre Wohnung sah aus, als hätte eine Bombe eingeschlagen. Die Schubladen standen offen, zerrissene Zeitungsteile zierten den Boden und Berge von muffigen Kleidungsstücken säumten die Gänge und Räume. Es schien so, als hätten Wilderer oder Einbrecher gewütet, die grobe Stricksocken und zarte Satinwäsche in der Eile vermengt hatten. Dieser ungewohnte Anblick faszinierte und entsetzte mich gleichzeitig. Und sofort wurde ich an Muttis Ordnungsliebe erinnert. Ihre leiernde Stimme schlich sich in meine malträtierten Gehirnwindungen und predigte von Haushaltspflichten, glorreichen Putzorgien und strahlender Sauberkeit. Äußerst penible und korrekte Pflichterfüllung ist für Mutti oberstes Gebot und einziger Lebensinhalt. War Muttis Saat etwa aufgegangen? Hatte sie mich schon so weit, daß ich mich von einer harmlosen Wäscheschneise im Flur und einem Berg alter Zeitungen verunsichern ließ? War ich mit meinen fünfundzwanzig Jahren etwa schon der Vergreisung nahe?

»Die vermeintlichen Einbrecher, liebe Lizzy, heißen Tilli und Willi und sind meine siebenjährigen Zwillinge«, klärte mich Betty schließlich grinsend auf.

»Ich glaube, jetzt brauche ich einen Magenbitter.«

Kapitel 3

»Du hast also Kinder«, versuchte ich nach ein paar Tropfen Schwedenkräuter zusammenzufassen.

»So kann man es auch nennen«, antwortete Betty ruhig.

»Aber ich dachte ... also, ich glaubte tatsächlich ...« Mein Blick fiel staunend auf die wuchtigen Nietenstiefel. Dann stieg mir die Röte ins Gesicht. Ich trat von einem Fettnäpfchen ins andere.

»Weißt du was, Betty. Zeig mir doch bitte gleich alle Fettnäpfchen, damit ich die seidenen Schühlein hineintauchen kann und wir es dann hinter uns haben«, fuhr ich fort und probierte meinen zerknirschten Augenaufschlag, der in Kombination mit dem Wollkostüm und dem struppigen Pagenkopf zum treudoofen Dackelblick mutierte. Ärgerlich schnitt ich eine Grimasse und wartete stumm. Betty ließ sich Zeit. Sie schlüpfte aus den glänzenden Nietenstiefeln und schleuderte sie quer durch die Küche, bis sie vor dem brummenden Kühlschrank liegenblieben. Dann grub sie die beringten Finger in das Zottelhaar und stützte den Ellenbogen auf den Küchentisch. Eine Lederfranse streifte gefährlich nahe an der offenen Butter vorbei, und meine geübten Hände zogen schnell die Butterschale weg.

Bettys scharfen Augen entging nichts, und sie lachte hämisch.

»Schneewittchen, Schneewittchen, ich überlege gerade, ob ich dich nicht zu Rainer zurückbringen sollte. Du paßt zu dem ganzen Clan, leugne es nicht.«

»Ach, Betty, sag das nicht. Ich bin so verwirrt und weiß nicht, was ich jetzt machen soll. Du weißt, daß ich nicht zurückgehen kann. Niemals.«

»Diese Sippe würde ich meinem ärgsten Feind nicht wünschen, Lizzy. Natürlich kannst du bleiben, aber«, sie zögerte und neigte ihren Kopf an mein Ohr heran, »du wirst mich noch rasend machen mit deinen antiquierten Ansichten. Treib es nur nicht zu toll. Das mag ich nicht.«

Ich nickte nur und überlegte, wie ich ihre Gastfreundschaft nicht über Gebühr strapazieren würde.

»Lerne, hinter die Fassade zu blicken, Lizzy, und zwar rechtzeitig, damit du nicht immer davonlaufen mußt«, flüsterte sie geheimnisvoll, schlug dann mit der Hand auf den Tisch und verkündete laut: »Genug gepredigt. Ich will dich nicht länger auf die Folter spannen. Ja, ich habe zwei Kinder und auch einen Mann dazu. Aber ich halte nichts von Teigresten unter den Nägeln, einer biederen Pudeldauerwelle, zwanzig Pfund Übergewicht und dem üblichen Bastelwahnsinn, den Mütter anzetteln, kaum, daß die Brut sich selbständig rühren kann. Wie du siehst, trage ich auch keine losen Schürzenkleider oder dunkelbraune Cordhosen mit praktischen Rollkragenpullovern. Und vom Aufräumen halte ich gar nichts.«

»Oh.«

»Da staunst du, was?«

»Ist das nicht wahnsinnig anstrengend für dich, immer gegen den Strom zu schwimmen? Lynchen sie dich nicht, die anderen Mütter?«

»Natürlich tun sie das, vor allem, wenn ihre Männer dabei sind und mir anerkennende Blicke zuwerfen. Dann werden sie bleich vor Neid. Aber das ist mir egal, denn schließlich muß jeder selber wissen, was er mit seinem Leben anfängt. Es ist schon erstaunlich, wie sich Männer verrenken, wenn sie sich mal wieder in der Balzzeit befinden. Kaum ist etwas Knackiges in Sicht, setzt die Balzzeit automatisch ein, biologisch-genetisch, wenn du verstehst, was ich meine.«

Mit kugelrunden Augen hing ich an ihren Lippen und übte biologisch-genetisch den Basedowblick. Meinte sie sich selbst, als sie von den »Knackigen« sprach? Aber doch wohl nicht mit dem Zottelhaar!

»Und sonst?« stieß ich aufgeregt hervor, begierig, mehr zu erfahren.

»Ach, sonst gibt es gar nicht so viel zu berichten, außer daß ich Inhaberin und Geschäftsführerin eines Saft-und-Kräuter-Ladens bin, eine Rockband habe, die ‹Longdrinks› heißt, bei denen ich auch Leadsängerin bin, und außerdem noch komponiere.«

»Für die Rockband?«

»Für die Rockband und für Oboe.«

»Ich glaube, ich brauche noch einen Magenbitter«, stammelte ich ein zweites Mal innerhalb einer Stunde.

Wahrscheinlich war ich in einem Irrenhaus oder womöglich in einem Geisterhaus gelandet. Irgend etwas schien nicht mit rechten Dingen zuzugehen. Aber es sollte noch schlimmer kommen. Irren- oder Geisterhaus war noch weit untertrieben für das, was dann noch alles geschah. So langsam zweifelte ich an meinem Verstand. War ich jetzt verrückt geworden oder Betty? Wahrscheinlich waren wir es beide.

Ich erinnerte mich an die gedruckten Einladungskarten für das Hochzeitsfest. Das Papier hatte Mutti ausgesucht. Es war ein wunderschöner Bogen in Rosé und Hellblau, auf dem ein paar goldene Ringe schimmerten und im Hintergrund eine verschwommene, weiße Kutsche mit vier Schimmeln auf das ideale Brautpaar wartete. Darunter standen in goldener Schrift unsere Initialen. »Familie Hauser und Familie Berger geben sich die Ehre, die Hochzeit ihrer geliebten Kinder Rainer und Elisabeth bekanntzugeben, bla, bla, bla ...«

Bei der gesamten Hochzeitsplanung hatte ich nicht ein Wort zu sagen gehabt. Und Rainer, verdammt, hatte immer nur über meinen Unmut gelacht. Sei doch froh, daß sie uns die ganze Arbeit abnehmen, hatte er gesagt. Ich hätte ihn erwürgen können. Aber das ganze Hochzeitstrauma, wie er es nannte, war sowieso unter seiner Würde. Er hatte stets weit existentiellere Probleme zu lösen.

Meine werdende Schwiegermutti hatte im edelsten Viersternehotel mit noch edlerem Viersternerestaurant, in dem es die erlesensten Speisen und eine königliche Hochzeitssuite gab, gleich den Präsidentenkonferenzsaal für dreihundert Personen gemietet. Ein echt barockes Ensemble sollte im Rondo-Veneziano-Stil für elegante Unterhaltung sorgen und das tanzscheue Volk aufs feine Parkett locken. Natürlich war nur sittliche Musik erlaubt, bei der die alten Herrschaften aus der aristokratisch-eingebildeten Hauserdynastie und der eingebildet-aristokratischen Bergerdynastie die morschen Knöchelchen schwingen konnten. Am liebsten hätte Schwiegermami höfisches Menuett spielen lassen, doch dann besann sie sich eines Besseren. Die Tatsache nämlich, daß kaum einer die schwierigen Schrittkombinationen beherrschte, bewog sie, einfache Walzer- und Foxtrottvariationen anzuordnen, die niemanden überfordern würden. Das Hochzeitsmenü selber sollte aus exquisiten Ungeheuerlichkeiten bestehen, von einem schwulen, schwarzäugigen Franzosen, der sich Chef de Gourmets nannte, serviert werden und zum magen- und darmschädigenden Dauerschlemmen einladen. Und natürlich war die Hochzeitstorte ein Rokoko-Wolkenkratzer aus reiner Sahne und purer Creme. Die französischen Namen der ausgefallenen Speisen waren mir genauso fremd wie das überladene Brautkleid, das Mutti in einem tränenreichen Anfall von Romantik für mich erwählt hatte. Es war eine schwere, ausladende Prachtrobe aus kostbaren Stoffen, Unmengen von Seide, Taft und Spitzengewühl. Schleifen, Turnüren, Bordüren und Rosetten. All das lastete wuchtig auf mir, so daß ich mich wie ein sperriger, altmodischer Schrank fühlte.

Mutti und ich waren in das weitaus teuerste und luxuriöseste Geschäft für Brautkleider gegangen. Es nannte sich stolz »Boutique la princess« und beherbergte in einem kleinen Salon mit glitzernden, Kristalleuchtern, vergoldeten Spiegeln und flauschigen Teppichen lauter atemberaubende, unbezahlbare Kreationen. »Oh«, hatten Mutti und ich ehrfürchtig wie aus einem Mund gehaucht, als wir mit vorsichtigen Schritten die königlichen Räume betraten und die edelsteinbesetzten Prunkkleider entdeckten. Protzige Roben hingen neben filigranen Ensembles aus Tüll und Organza. Schmale Kleidchen für flachbrüstige Jungfern teilten sich die silberne Stange mit riesigen Kleidern für gewichtigere Semester. Hinreißende, farbige Kostüme für die reifere Dame mit Erfahrung hingen friedlich neben den blütenweißen Träumen für taufrische Bräute. Mutti entschied, daß ich zu den Taufrischen mittleren Gewichts gehörte und suchte sogleich nach einem passenden Modell, das zu Schwiegermuttis Barockfaible paßte. Doch mein Herz hatte schon längst ein Lieblingsmodell entdeckt und strebte ihm frohlockend entgegen. Es war ein entzückendes, luftiges Tüllkleid aus mehreren schwingenden Lagen, mit einer schmalen Taille und flatternden Ärmeln. Für mich war es ein Festkleid, ein Libellenkleid, ein Schmetterlingskleid.

Mutti hatte meinen verträumten Blick mit steiler Stirnfalte bemerkt und eilte sogleich auf mich zu. Sie hielt mich energisch am Arm fest, gerade, als meine flehenden Arme sich auf das Feenkleid stürzen wollten, um es nie mehr herzugeben.

»Aber Elisabeth«, schalt sie mich und schüttelte den Kopf, »so etwas ist doch unter deiner Würde, nicht wahr?«

»Schau nur, wie luftig, leicht und beschwingt es ist. Es gefällt mir. O bitte, Mama.«

»Das kannst du den Hausers nicht zumuten, Kindchen. Und Rainer schon gar nicht. Er wäre entsetzt, dich in so einem billigen Fummel zu sehen.«

»Billig nennst du das? Es kostet schließlich weit über tausend Mark. Und Rainer interessiert die Hochzeit nicht, ganz bestimmt nicht.«

»Ach, Kindchen, sei nicht dumm. Ich mein es nur gut mit dir. Die Hausers sind so angesehene Leute. Da kannst du nicht in einem Kleid erscheinen, das sich jedes Barmädchen leisten könnte. Und vor allem in einem Tüllkleid«, sie schnaubte verächtlich und rümpfte die Nase, »Tüll macht nichts her!«

»Mama! Ich laß mir nicht auch noch vorschreiben, in welchem Brautkleid ich heiraten soll!« begehrte ich laut auf, so daß die gestrenge Verkäuferin mit blitzblanker Goldrahmenbrille warnend die Augenbrauen hob und uns mißtrauisch musterte, als erwarte sie zwei wilde Krähen, die sich gegenseitig die Federn herausrupfen würden.

»Jetzt mach nicht so ein Theater, du undankbares Kind!« zischte Mutti gefährlich leise und sah aus wie eine giftige Natter. »Eine andere wäre froh, in diese distinguierte Familie einheiraten zu dürfen. So einen wie Rainer gibt es nicht noch mal, hörst du!«

Ich schmollte beleidigt, und Mutti jammerte etwas von verzogenen Gören, undankbaren Töchtern und jugendlicher Unvernunft. Dann schob sie mich kurzerhand in die teuerste Ecke der nostalgischen Spiegelpracht und ließ sich von der lauernden Verkäuferin im klassischen beigefarbenen Kostüm das scheußliche Gebilde zeigen, das mein Brautkleid werden sollte.

»Vergiß das armselige, banale Tüllkleid!« befahl sie noch einmal und zeigte entschlossen auf das kostspielige Schrankmodell. Wie eine Katze schnurrte sie, als ich in das Kleid schlüpfte. So häßlich war es gar nicht, nur sehr imposant. Für meinen Geschmack überladen, zu wuchtig, zu prächtig und vor allem zu barock! Ich mochte es von Anfang an nicht tragen.

Sogleich wurde mir meine unmögliche Situation wieder bewußt, und ich fing fürchterlich zu schluchzen an. Sturzbäche, Flüsse und sogar ganze Ozeane brachen aus meinen blauen Veilchenaugen und überschwemmten Bettys chaotische Küche. »Na, na, Lizzy«, tröstete mich Betty und legte ihre zahlreich beringten Finger auf meinen Nakken. Die zwanzig Armreifen schepperten lustig unter ihrer Lederjacke und glitten eiskalt auf meine nackte Nackenhaut, so daß mir zu meinem Kummer auch noch die Haare zu Berge standen.

»Uuaaahhh!« brüllte ich unbeirrt weiter, und Betty schloß vorsorglich die Fenster, so daß man mein Geschrei nicht auch noch auf der Straße hören mußte. Dafür war ich ihr sehr dankbar.

»Paß auf, Lizzy, setz dich sofort hin und schreibe dem Clan einen Brief, sonst kann es sein, daß sie noch die Polizei einschalten. Sie werden wohl eher annehmen, du wärst entführt worden, als daß du ihrem hochgelobten Rainer samt Sippschaft einen Korb gegeben hast.«

Ich brüllte weiter und nickte gleichzeitig.

»Wie lange gedenkst du noch zu schreien?« fragte Betty.

»Solange es mir paßt!« gluckste ich unter Tränen.

»Nun gut, aber könntest du im Wohnzimmer, im Bad oder im Flur weiterheulen? Weißt du, gleich kommen die Kinder von der Schule nach Hause, und ich würde gern das Essen in aller Ruhe vorbereiten. Sei so gut, Lizzy.«

Augenblicklich verstummte ich.

»Ich bin schon wieder in Ordnung«, murmelte ich und schneuzte unappetitlich.

Geschickt hantierte Betty mit den Messern, die sie unter einem Berg schmutzigen Geschirrs aufgetrieben hatte. Sie langte nach dem Besen in der Ecke und schob die Zeitungsreste einfach beiseite. Dann trug sie die Kleidungsstücke, die in der Küche lagen, kurzerhand in den Flur und kippte den Müll vom Küchentisch. »Ich mach nachher sauber. Das muß für heute mittag reichen«, sagte sie bestimmt und schnippelte Gemüse. Als das Raspeln und Schneiden nicht enden wollte, fragte ich schließlich zaghaft: »Äh ... kann ich dir helfen? Äh ... was gibt es denn?«

»Rohkost!« antwortete sie prompt und stellte die fertige Riesenschüssel demonstrativ in die Mitte des Tisches.

Ich war tatsächlich im Irrenhaus!

Kapitel 4

Plötzlich hörte ich im Treppenhaus Kindergeschrei. Zwei Sekunden später stürmten Bettys Zwillinge zur Tür herein und warfen die Schulranzen in den Flur. Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm, dachte ich seufzend und dachte an meine gepflegte Ledertasche, die ich immer brav in mein Kinderzimmer getragen und immer an den gleichen Platz zwischen Schreibtisch und Heizkörper gestellt hatte. Ach, das waren noch Zeiten ... Gut, daß sie vorbei waren.

»Hallo, Mams«, brüllten die Zwillinge wie im Chor und warfen sich auf die kaputten Stühle, die bedrohlich wackelten. »Hallo, Kinder!« rief Betty mit einer Stimme, die ich noch nicht kannte. Sie war weich und zärtlich. Doch dann änderte sie den Tonfall und die Lautstärke und befahl mit einer Stimme, die ich ebensowenig kannte: »Zuerst Händewaschen!«

Die Zwillinge standen auf und rannten gleichzeitig ins Bad. Dabei schubsten und stießen sie sich vorwärts, quäkten und blökten lautstark.

»Ich zuerst ... das ist meine Seife ... bäh ... Mams, der haut mich ... du doofe Kuh ...« All die Nettigkeiten, die Kinder sich gegenseitig an den Kopf zu werfen pflegen, drangen an mein Ohr. Ich war fasziniert, hatte ich doch noch nie mit der nachwachsenden Generation zu tun gehabt. Das Vergnügen war ganz auf meiner Seite. Natürlich schielte ich auf die Stühle, die so bedenklich unter Tillis und Willis Geschaukele geächzt hatten.

Betty schien meinen ungläubigen Blick bemerkt zu haben und fuhr sich verlegen durch das schwarze Zottelhaar.

»Die Stühle ... sie sind schon sehr ramponiert. Aber ich hatte noch keine Lust, neue zu kaufen. Erst wenn die Kinder sie wieder kurz und klein bekommen haben, dann lohnt es sich wirklich. Es liegt nicht am Geld, es ... es lohnt sich einfach noch nicht.«

Mehreres ging mir bei diesem Satz durch den Kopf. Erstens: Wieso war sie jetzt wegen der Stühle verlegen, wenn sie mir die ganze Zeit ihren Saustall ohne mit der Wimper zu zucken präsentiert hatte? Zweitens: Wenn sie einen eigenen Laden hatte, konnte sie sich doch tausend Stühle leisten. Warum lebte sie dann in dieser miesen Bude? Drittens: Was meinte sie nur damit, daß die Kinder alles kurz und klein bekamen?

Betty und ihre Brut waren mir ein Rätsel. Oder vielleicht war ich die Rätselhafte. Vielleicht hatte ich bis jetzt zu sehr im Hauser-Berger-Luftschloß gelebt.

»Kommt jetzt essen, Kinder!« brüllte Betty, denn die Zwillinge hatten sich stracks ins Kinderzimmer begeben. Dort tobte dann sogleich ein höllischer Kampf, der erste von vielen, die ich noch miterleben sollte. Betty rannte ins Kinderzimmer und zerrte Tilli und Willi an den Haaren zum Küchentisch.

»Das ist Lizzy«, stellte Betty mich vor, »sie bleibt eine Weile bei uns. Seid also lieb.«

»Hast du Männerprobleme?« fragte mich Tilli und schob sich schmatzend rohe Gurkenscheiben in den verschmierten Mund. Hübsch angerichtet lag das Rohkostmittagessen in der Schüssel und wartete auf hungrige Gaumen und kräftige Zähne.

»Das fragt man nicht, Tilli!« schimpfte Betty und entschuldigte sich bei mir mit einem Achselzucken.

»Aber Mona bleibt auch immer da, wenn sie Männerprobleme hat«, beschwerte sich Tilli, kräftig am Rettich kauend.

»Das ist nicht das gleiche.«

»Hätte ja sein können.« Damit war für sie das Thema erledigt. Nicht so für ihren Bruder Willi. Altklug klärte er mich schließlich auf: »Mona ist Mamas Angestellte. Sie ist jetzt im Laden«, meinte er angeberisch, »doch ihr Mann kümmert sich nicht genug um sie, sagt Mama. Dann darf sie ein paar Tage hier übernachten. Egon kommt und holt sie wieder. Sie streiten fürchterlich, und er sagt immer, er wird es nie wieder tun. Und daß er nur sie liebt. Dann geht Mona wieder.«

Ich wußte Bescheid. In diesem Haus wunderte mich gar nichts mehr. Mona hatte also einen untreuen Gatten, der Egon hieß.

»Willi, erzähl nicht immer so wilde Geschichten vor unseren Gästen!«

»Laß ihn nur«, murmelte ich und knackte eine Karottenscheibe mit meinen Amalgamfüllungen, »er sagt nur das, was er zu sehen und zu hören bekommt. Die traurige Wahrheit.«

»Genau«, sagte Betty und biß in eine Tomate.

Wir aßen frisches Brot mit weicher Butter und knabberten an roten Rüben, saftigen Radieschen und sonstiger Hartkost, die wir mühsam zermalmen mußten.

»Charlie wird gleich kommen«, begann Betty und setzte das Wasserglas an die Lippen.

»Wer ist Charlie?«

»Na, mein Mann, wer sonst.«

»Aha.« Das war mein einziger Kommentar. Gleich also würde ich Bettys Göttergatten kennenlernen. Wahrscheinlich war er ein alternder Hippie mit Stirnband, langen fettigen Haaren und Schlabberhosen. Oder er war wohl eher ein echter Rocker in schwarzer Lederkluft und nietenbesetzten Stiefeln. Vielleicht gehörte er auch zur härteren Fraktion: klobige Springerstiefel und graugrüne Bundeswehrklamotten, raspelkurzes Stoppelhaar und ein widerlicher Specknacken. Mir wurde übel. Meine lebhafte Phantasie gaukelte mir viele verschiedene Charlie-Versionen vor, die von Mal zu Mal schlimmer aussahen, grobschlächtiger wirkten und eine Mischung aus albernem Gemüsesoftie, machomäßigem Motorradrocker, gemeingefährlichem Neonazi und ökologisch-chauvinistischem Linkspolitproletarier waren. Schon allein der Name »Charlie« ließ mich das Ärgste befürchten. Ich hatte jetzt schon Angst vor ihm. Frauen sind immer umgänglicher, dachte ich, als ich mir »Charlie« zentimetergenau vorstellte. Männer sind hart und egoistisch, solche wie Charlie jedenfalls. Er würde starke Muskeln haben, vielleicht sogar tätowierte Arme, verfärbte Zähne, einen schlechten Atem, dreckige Fingernägel, sauren Männerschweiß unter den Armen und einen harten, aufgerichteten ...

Ach nein, daran wollte ich lieber nicht denken. Charlie lag mir im Magen. Egal, als was er sich entpuppen würde, eins war er gewiß: ein Rohkostfresser.

Plötzlich sprang Betty auf, blickte auf die Uhr, gab mir ein Zeichen, ruhig sitzen zu bleiben, und verschwand im Schlafzimmer. Die Kinder sprangen ebenfalls vom Tisch auf und verschwanden im Kinderzimmer. Nun war ich ganz allein und fühlte mich völlig verloren und hilflos. Hoffentlich kam Charlie nicht gerade jetzt herein. Diese schreckliche Konfrontation konnte ich nicht ertragen. Nervös rutschte ich auf meinem klapprigen Stuhl hin und her und spürte ein allzu bekanntes Kribbeln im Bauch. Nach dieser Hasenfutterorgie war es auch kein Wunder, daß mein Darm sich meldete. Nun gut, ich erhob mich, um klammheimlich die Toilette aufzusuchen und so lange drin zu bleiben, bis Charlie wieder verschwunden war. Gerade als ich mich in Bewegung setzte, riß Betty die Schlafzimmertür auf und trat mit federnden Schritten in die Küche.

Mir blieb die Spucke weg, ich hätte schon wieder einen Magenbitter vertragen können. Ein Schockzustand jagte den nächsten.

Betty hatte sich vollkommen verwandelt.