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Privatdetektiv Max Storm steckt in der Klemme: Nach fingierten Beweisen gegen ihn landet er als mutmaßlicher Mörder unschuldig und machtlos in Polizeigewahrsam. Sein Patenkind wurde von brutalen Menschenhändlern entführt und der korrupte Kriminalkommissar, der hinter dem Komplott gegen ihn steckt und seinen guten Ruf samt Leben nachhaltig vernichten will, hat es auf Storms Freundin Lena Grimm abgesehen! Zudem verbreitet ein neuer, mysteriöser Serienkiller als 'Künstler' Angst und Schrecken. Um die Wahrheit aufzudecken und um seine Liebsten zu retten, muss Storm so schnell wie möglich aus der Haft fliehen. Dabei scheint ausgerechnet sein einstiger Erzfeind seine einzige Chance… Ein wahres, fesselndes Thriller-Meisterwerk!
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Seitenzahl: 371
Veröffentlichungsjahr: 2024
Martin Wendel
Meisterwerk eines Mörders
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Inhaltsverzeichnis
Titel
Vorwort
Ouvertüre
(1) Der letzte Teil des Trios
(2) Wer ist hier der Schnüffler?
(3) (un)gelegener Besuch
(4) Zweifel?
(5) Ernstfall
(6) Notfall
(7) Todesfall
(8) Zufall?
(9) Klarer Fall!
(10) Härtefall
(11) Killer, Killer…
(12) Erklärung
(13) Warten…
(14) Café 24/7
(15) Krisensitzung
(16) Kinderparadies
(17) Überraschung
(18) Anrufe
(19) Wortbruch
(20) Gejagt und eingesperrt
(21) Bei Hades
(22) Abgefangen
(23) Deal
(24) Alles nach Plan
(25) Zwei Häschen in der Falle
(26) Ins Hornissennest
(27) Ehrenwerter Bürger
(28) Verarztet
(29) Er ist frei – und unterwegs!
(30) Zurück
(31) Auf der Spur
(32) Retter in der Not
(33) Auf der Jagd
(34) Der Rückhalt bröckelt
(35) Seelische Unterstützung
(36) Showdown
(37) Auf der anderen Seite
(38) Erlösung
(39) Noch lange nicht vorbei
(40) Erklärungen
(41) Wie geht’s weiter?
(42) Neuigkeiten
(43) Von Frau zu Frau
(44) Zeugenbefragung
(45) Kontaktsuche
(46) Rekapitulation
(47) Alles gut
(48) Weiter geht’s
(49) Angst in der Kulturszene
(50) Bestie(s)
(51) Joggingtour
(52) Post
(53) Große Vorfreude
(54) In der Höhle des Löwen
(55) Verspätung
(56) Keine Ruhe
(57) Reue im Krankenbett
(58) Zeit für Gemütlichkeit?
(59) Untergetaucht
(60) Wochenende
(61) Deal?
(62) Überraschung
(63) Der Weg ist geebnet
(64) Sie ist weg
(65) Er ist weg
(66) Mehr zu erzählen
(67) Nachtausflug
(68) Böses Erwachen
(69) Der Künstler
Epilog
Quo vadis, Mensch?
Figuren zum Nachschlagen
Impressum neobooks
Martin Wendel
Max Storm – Meisterwerk eines Mörders
Drehbuch- und Buchautor Martin Wendel wurde im späten 20. Jahrhundert auf dem Planeten Erde geboren. Er studierte Germanistik und Anglistik und nutzt seine Kreativität und Fantasie, um unterhaltsame Geschichten zu schreiben, welche Menschen begeistern und Denkanstöße liefern. Seit Jahren versucht er, so nachhaltig und ressourcenschonend wie möglich zu leben.
Martin Wendel
MAX STORM
-
MEISTERWERK
EINES
MÖRDERS
Thriller
Impressum
Texte: © 2024 Copyright by Martin Wendel
Umschlag: © 2024 Copyright by Martin Wendel
Verantwortlich
für den Inhalt: Martin Wendel
www.martinwendel71.de
Druck: neobooks – ein Service der Neopubli GmbH, Berlin
Ein herzliches Hallo und vielen Dank, dass du dich für dieses Buch entschieden hast. Die Handlung schließt dem Ende von Max Storm – Stormwarnung an. Um in den vollen Lesegenuss zu kommen, empfiehlt es sich daher, das erste Abenteuer von Max Storm gelesen zu haben, aus dem sich eine gewisse Figurenkonstellation ergibt. Dies erleichtert zu verstehen, wie die einzelnen Charaktere zueinander stehen und welche Historie sie miteinander teilen. Dadurch offenbart sich die eine oder andere Pointe noch besser. Zudem findest du weitere Hintergrundinfos in meinen anderen Werken, die allesamt mehr oder weniger miteinander verflochten sind. Ein einzigartiges Story-Universum!
Auf der allerletzten Seite findest du eine Übersicht der wichtigsten Figuren, die du dort jederzeit nachschlagen kannst, falls es nötig ist.
Ich bin dein Erzähler und da die folgende Geschichte auf dem Drehbuch des Autors beruht, ist sie überwiegend im Präsens geschrieben. Du erlebst also das, was du liest in Jetztzeit – so, als würdest du dir einen Film anschauen. Die Wörter hier auf dem Papier werden mit Hilfe deiner Vorstellungskraft zur Kinoleinwand oder zum TV-Bildschirm in deinem Kopf.
So, das war’s mit dem Vorgeplänkel – oder besser – dem Vorspann.
Bitte mach’s dir gemütlich und genieße die spannende Unterhaltung. Film ab!
Ein wahres Meisterwerk. Das neue, sonderbare Kunstobjekt hängt über dem Eingang der fast gänzlich gläsernen Fassade der modernen Museumsgalerie inmitten des jahrhundertealten, weitläufigen Schlossplatzes in der Innenstadt.
Im Morgengrauen versammeln sich bereits die ersten Frühaufsteher-Menschengruppen, ehe sie vom stetig ansteigenden Polizeiaufgebot zurückgedrängt werden – unmittelbar hinter die provisorisch errichtete Absperrung aus Flatterbändern. Dafür die Smartphones als Kameras im Anschlag.
Es gibt nichts zu sehen – von wegen!
Noch vor Sonnenaufgang erscheint die gesamte Politprominenz in Form des brandneuen Bürgermeisters – sein Vorgänger verabschiedete sich in Stormwarnung nicht ganz freiwillig mit einem lauten Knall – samt Vertretern und Parteikollegen und der Museums- und Galerieleiterin. Sie müssen vor Ort sein – auch ohne Zeit für eine presse- und fernsehtaugliche Maske gehabt zu haben, die ihre dunklen Augenringe verdecken könnte.
Denn es ist offensichtlich, dass hier gerade etwas prangt, das das Potential hat, die Stadt und das gesamte Land noch weiter in Aufruhr zu versetzen.
An alle, die das erste blutrünstige Abenteuer von Max Storm gelesen haben: Nein, hier baumeln keine vor Lebenssaft triefenden, zerstückelten Leichenteile in drei Metern Höhe.
Es ist etwas subtiler: Ein unscheinbares, etwa 1,20 Meter mal 2 Meter großes, gespanntes Leintuch weht leicht in der frischen Morgenbrise.
Beunruhigend für alle Beteiligten hingegen ist der Umstand, wie es dort hingelangen konnte.
Denn erste eingeleitete Sichtungen des Videomaterials der vielen Überwachungskameras am und um den Schlossplatz herum ergaben nämlich dasselbe Bild: Keins!
Videotechniker und IT-Spezialisten haben bereits mit den ersten Analysen begonnen, um herauszufinden, wie dies möglich war.
Und auch der Versuch, vor Ort Zeugen aus der Nacht ausfindig zu machen, erweist sich bislang als erfolglos und wenig erfolgversprechend.
Aber auch hier scheint eines gewiss: Es war kein Banksy, der seine faszinierende Kunst anonym zur Schau stellt, sondern jemand oder etwas anderes. Mysteriöses.
In der Menge der Schaulustigen befindet sich auch DORIAN JUNGMANN (32), ein Fotojournalist, der flüstert und ausspricht, was sich alle Anwesenden hier fragen: „Mit wessen Blut es wohl getränkt ist?“
Er erntet leise Zustimmung aus der Masse der Gaffer.
Nachdem vor zwei Tagen der entstellte Leichnam der Kultusministerin ohne Augäpfel in der Stadtkirche ans Kreuz genagelt aufgefunden worden war, weil sie öffentlich gefordert hatte, dass die friedliche Form und Ausübung der Religion wieder mehr Platz im Leben der Menschen einnehmen sollte, um Demut und Werte zu vermitteln, war klar: Der Killer ist anderer Meinung. Und das hier ist seine neue Botschaft, seine Demonstration der Macht über Politik und Pöbel. Von der Presse und den Medien hat er auch schon einen Namen bekommen:
‚Der Künstler‘ oder ‚The Artist‘, wie er im Ausland bezeichnet wird.
Das Kunstwerk an sich sollte noch viele Überraschungen für die Ermittler parat halten und tatsächlich immer mehr Angst und Schrecken in der Bevölkerung verbreiten.
Das Buchcover ist eine ziemlich genaue Abbildung davon…
Bei strömendem Regen sitzt Privatdetektiv MAX STORM (30) hinterm Lenkrad seines geparkten, mattgrauen Audi RS 5. Sein Kopf in der Handinnenfläche und sein Ellbogen auf der Türinnenkante abgestützt. Fette Wassertropfen prasseln dumpf auf die Windschutzscheibe und perlen dann ohne eingeschalteten Scheibenwischer ab. Gemeinsam mit seinem Beifahrer und Undercover-Cop LEIF WINTER (30) hat er somit freie, wenn auch leicht getrübte Sicht auf den Audimax – das größte Lehrgebäude auf dem Universitätscampus.
Beide haben ihren Blick auf die zahlreichen gläsernen Haupteingangstüren des quadratischen Komplexes gerichtet. Jederzeit könnte ihr Ziel unter den ein- und ausströmenden Studenten sein. Geduld. Warten.
„Und sonst so?“, fragt Leif, ohne sich Max zuzuwenden. „Hast du derzeit einen Fall, einen Auftrag am Laufen?“
Max nickt bloß, schaut kurz auf seine Smartwatch.
„Danke, dass du trotzdem heute Zeit für mich hast.“
„Sagen wir, der Fall ist – speziell. Erledigt sich quasi von selbst“, teilt Max ihm mit.
Leif zieht die Augenbrauen zusammen, versteht nicht recht.
„Hab heute Nachmittag ein Gespräch in meinem Büro. Nicht wichtig“, winkt Max ab. Er ahnt, dass es gleich soweit sein würde und setzt sich auf.
Der Regen lässt spürbar nach, die Sonne brennt die Wolken nieder und lässt das Wasser auf dem Asphalt verdampfen. Und genau in diesem Moment fliegt eine der 20 Vordertüren des Unigebäudes auf.
MARTIN WAGNER (30), mit dunkler Radlerhose, T-Shirt und Fahrradhelm auf dem Kopf, eilt heraus und macht an einer Laterne halt. Er zieht seinen Rucksack aus, verstaut darin sein Fahrradschloss, das er im Handumdrehen entsperrt hatte. Als hätte er den Wetterumschwung vorhergesehen, zückt er eine schwarze Sonnenbrille, setzt diese auf, springt auf sein Mountainbike und tritt kräftig in die Pedale.
Im Auto sehen Max und Leif einander an und wissen, ohne Worte: Er ist es. Er ist derjenige, auf den sie gewartet haben.
Max startet den Motor und sie nehmen die Verfolgung von Wagner auf.
Nicht nur, weil der Verfolgte auf Max, wegen seiner Vorliebe für sportliche Auftritte, sympathisch wirkt. Für seine beruflichen Aufträge und Missionen trägt der Privatdetektiv natürlich adäquate Verkleidungen, während er selbst privat zu jedem Anlass bequeme und umweltschonende Joggingklamotten aus Baumwolle favorisiert – so auch heute. Er schert sich nicht um seine Außenwirkung auf andere und ihm ist damit egal, was andere über ihn denken. Er ist mit sich im Reinen, verurteilt auch andere nicht oberflächlich und legt Wert auf die inneren Werte.
Max und Leif folgen Wagner unbemerkt über den Campus.
„Hast du das neueste Meisterstück von diesem ‚Künstler‘ mitgekriegt?“, fragt Leif.
„Das blutverschmierte Bettlaken? Wieso? Hat Wagner was damit zu tun?“
„Nein, denke nicht. Das ist ja ein richtig kranker Psychopath. Und alle tappen im Dunkeln. Weißt du was?“
Max schüttelt den Kopf. „Aber es ist an der Zeit, was zu unternehmen. Der Kerl macht sogar mir Angst.“
Nach knapp einem halben Kilometer und keiner vergossenen Schweißperle an dem Mensagebäude angelangt, stellt Wagner sein Bike an den zahlreichen Fahrradständern ab und befestigt es dort mit dem Spiralschloss aus seinem Rucksack.
In der Distanz eines weiten Steinwurfs halten Max und Leif auf einem Autoparkplatz an, der vor dem weiten Eingangsbereich der Mensa durch Poller abgegrenzt liegt. Im Schatten anderer Fahrzeuge und einzelner junger Birken beobachten sie Wagner.
Dieser schaut sich um. Nicht nervös, sondern cool und lässig, um nicht aufzufallen, während er auf einem der vielen rechteckigen Pflanzenkübeln aus Beton vor dem Mensa-Eingang Platz nimmt und seine Wade stretcht.
„Er scheint auf jemanden zu warten“, kommentiert Leif im Wagen und nippt von einer Wasserflasche.
Max schaut ihn beinahe despektierlich an. „Starke Auffassungsgabe, Herr Kommissar.“
„Brauchst du noch einen Gehilfen?“
„Nein, danke. Bin lieber auf Solo-Mission“, lehnt Max gütig ab und gönnt sich seinerseits einen kräftigen Schluck aus seiner Glasflasche. „Und außerdem nicht noch’n Cop“, fügt er hinzu.
Leif schmunzelt, nickt sein Verständnis. „Apropos, wie läuft’s mit Lena?“
Max platziert seine Flasche im Fußraum hinter seinem Sitz. „Bestens, danke der Nachfra–“ Er stoppt den Smalltalk abrupt, als er jemanden erkennt, der sich dem Eingang der Mensa und somit auch Wagner nähert.
Die Person trägt einen schicken schwarzen Anzug und ein weißes Hemd.
„Scheiße. Was macht der denn hier?!“, fährt es aus Max unverblümt heraus.
Kriminalkommissar VINCENT HAMMER (33) taucht auf. Im Kontrast zum sportiven Max trägt er einen feinsten dunklen Designeranzug und blank polierte schwarze Kunstlederschuhe. Vincent ist beinahe immer schick gekleidet. Da er weiß, dass 99 Prozent der Menschen sich vom äußerlichen Erscheinungsbild täuschen lassen. Sie verfallen der Oberflächlichkeit, und selbst wenn sie diese leugnen, läuft es unterbewusst ab. Kleider machen Leute. Das bekannte Sprichwort und dessen Aussage, schon vom römischen Rhetorik-Lehrer Quintilian im ersten Jahrhundert geprägt und in der Novelle von Gottfried Keller aufgegriffen, ziehen sich seit jeher durch die Menschheitsgeschichte. Es gilt, den Schein zu wahren. Für Vincent eine der obersten Maxime – aus einem ganz bestimmten Grund, wie es sich im Laufe der Geschichte herausstellen wird.
Er bleibt bei Wagner stehen, der sich aufrichtet und ihn begrüßt. Die beiden beginnen ein Gespräch, bei dem sie ihre jeweiligen Sonnenbrillen auf die Stirn schieben.
„Wundert’s dich, dass der hier ist?“, fragt Leif ironisch.
„Sollte mich nicht“, antwortet Max. „Jetzt glaub ich dir 100 Pro, dass der Kerl ein Killer ist.“
„Was ist deine Backgroundstory mit Vincent und warum kannst du ihn nicht leiden?“
Max schaut zu Leif rüber, als ob er sich verhört habe. „Weil er ein arroganter Arsch ist.“ Er wendet sich ab und nimmt den arroganten Arsch bei Wagner wieder in den Blick. „Es ist wohl leichter jemanden zu hassen als zu lieben, wenn man weiß, dass er einem ebenbürtig ist“, gesteht Max sich ein. „Eigentlich könnten wir Zwillinge sein. Er hat’s schon drauf.“
„Ja, auf ihn kann man eifersüchtig sein“, bestätigt Leif.
Im Fokus der beiden Beobachter wirken Martin Wagner und Vincent Hammer einander sehr vertraut, obwohl sie hinsichtlich des Kleidungsstils nicht unterschiedlicher sein könnten: Sportlich vs. très chic. Aber nun genug mit dem Kleiderthema.
„Du bist schon länger an ihm dran. Wusstest du, dass die sich kennen?“, will Max wissen.
Leif schüttelt den Kopf. „Näh“, Er lässt das Fenster halb herunter. „Was die wohl besprechen?“, fragt er sich.
Wenn er bloß Lippen lesen könnte…
„Sieh dich nicht um und lass dir nix anmerken. Du wirst beschattet“, spricht Vincent gespielt gähnend durch seine Hand und kaut auf seinem zuckerfreien Kaugummi.
Wagner, ihm gegenüber, hält sich an die Anweisung und nickt lediglich, ohne emotionale Regung.
„Kann sein, dass du bald Besuch kriegst“, fährt Vincent fort.
„Mach mir keine Angst. Von wem?“, fragt Wagner.
„Das findest du dann selbst raus. Ich will nur, dass du dich die nächste Zeit etwas zurückhältst, ja?“
„Klar. Im Moment hab ich nur eine Mission“, verspricht Martin und lehnt seinen Oberkörper zur Seite, um an Vincent vorbeizuschauen und hinzunicken. „Und dahinten ist sie.“
Vincent wartet einen Augenblick, ehe er sich unauffällig umdreht. Er erkennt eine fünfköpfige Gruppe aus Studentinnen, die sich ihnen gut gelaunt nähern.
Vincent wendet sich wieder Martin zu. „Dann mal viel Erfolg, Casanova – oder besser – Lance Armstrong“, wünscht er und tippt ihm auf den Helm mit einem leicht abschätzigen Lächeln wegen des Radler-Outfits. Er schiebt seine Sonnenbrille herunter und verschwindet durch die Tür im dunklen Schatten des Bauwerks.
„Danke, Karl Lagerfeld.“ Martin schmunzelt Vincent bei seinem Abmarsch kopfschüttelnd hinterher und konzentriert sich sofort wieder auf seine ‚Mission‘.
Die Mädelsgruppe flaniert auf ihn zu, tratschend und lachend. Und plötzlich ist seine innere Ruhe vollends vorbei und Nervosität macht sich breit. Sein Herz rast und sein Puls ballert wie ein Presslufthammer gegen seine Halsschlagader. Er weiß, jetzt ist es soweit. Jetzt ist der Moment. Jetzt muss er es tun.
LAURA (21), umringt von den anderen vier Studentinnen, kommt ihm entgegen.
Ihrer bezaubernden Aura ist Martin vor ein paar Tagen gnadenlos verfallen, als er sie zum ersten Mal auf dem Campus sah. Sie war rein vom Äußeren seine Traumfrau. Sportlich, schlank, langes zu einem Zopf geflochtenes dunkles Haar und ein makelloses Engelsgesicht, aus dem solch’ eine pure Lebensfreude, Sanftheit und Verletzlichkeit strahlt.
Martin tippelt von einem Fuß auf den anderen in seinen asics-Tretern und nimmt Blickkontakt zu ihr auf.
Obwohl Lauras Studi-Freundin zu ihrer linken einen Kalauer raushaut und die gesamte Gruppe zum Lachen bringt, erwidert sie Martins Blick.
Kurz davor, sie zum ersten Mal anzusprechen, entscheidet er sich dagegen und wendet sich von ihr ab und seinem Smartphone in der Hand zu.
Loser! Verdammter Loser!
Okay, es war einfach nicht der richtige Moment. Aber beim nächsten Mal frage ich sie. Wenn sie allein ist, ohne ihre gackernden Freundinnen, dann werde ich in Ruhe mit ihr reden. Das ist 100 Prozent sicher! Aber wenigstens weiß ich jetzt, dass sie immer um diese Zeit hier essen geht. Hoffe ich.
Nachdem ihn seine Schüchternheit wieder übermannt hat, tröstet er sich und redet sich sein Versagen schön. Das war’s dann für heute mit seiner ‚Mission‘. Gnadenlos gescheitert.
Aus dem Auto beobachtet Max das Geschehen am Eingang der Mensa noch aufmerksamer als zuvor und richtet seinen Oberkörper nach vorn, um an den vor ihm geparkten Fahrzeugen vorbeizuspitzen. „Moment, das gibt’s ja nicht.“
Leif schaut kurz zu ihm rüber, ehe auch er sich den Hals verrenkt. „Was ist?“
„Ich kenn das eine Mädel“, antwortet Max und sinkt wieder in den Fahrersitz, nachdem Laura mit ihren Kommilitonen im Gebäude verschwunden ist.
„Wie? Von der Girlsgroup da? Welche?“, will Leif wissen und lässt sich ebenfalls ins Lederpolster nach hinten sacken.
„Sie heißt Laura. Vor kurzem hat sie noch als Aushilfe im Café 24/7 gearbeitet. Oder sie arbeitet immer noch dort.“
„Wo der Terroranschlag stattgefunden hat?“
„Ja, sie war sogar vor Ort. Ich war auch da und hab mich kurz um sie gekümmert, als das Geballer losging.“
„Du, alias Johannes May, hast sie gerettet, hat sie ausgesagt“, korrigiert Leif.
Daraufhin blickt Max ihn irritiert an. „Da hat sich wohl jemand informiert. Dann kennst du sie ja auch?“
„Nicht vom Sehen her, hab mir nur ein paar Zeugenberichte durchgelesen, um mir ein Bild zu machen.“
Während die beiden plaudern, rafft sich Martin Wagner auf und verstaut auf dem Weg zu seinem Mountainbike sein Smartphone im Rucksack.
„Ich hab befürchtet, dass sie sich wegen der Ausnahmesituation und aus Dankbarkeit in ihren äußerst charmanten Retter und Helden verliebt“, führt Max nicht ganz ernst gemeint aus.
„Und?“
„Zum Glück nicht. Sie hat das Attentat gut weggesteckt und es gibt keine Probleme – hoffe ich.“
„Außer, dass unsere Zielperson womöglich ein Auge auf sie geworfen hat“, kommentiert Leif in Max’ zynischer Manier.
Martin entsperrt das Fahrradschloss, das er umsonst ums Bike gekettet hatte und macht sich mit seinen Fahrradhandschuhen aus dem Rucksack abfahrbereit.
Im Auto tut es ihm Max gleich und betätigt den Knopf für die Zündung des Motors. „Sollen wir ihn weiter verfolgen? Hat er was geplant?“
Leif schüttelt den Kopf. „Nein, glaub nicht. Wollte nur, dass du ihn schon mal siehst. Ich werde mich demnächst hochoffiziell um ihn kümmern.“
Martin schiebt sein Rad ein kleines Stück, vorbei an den ein- und ausströmenden Studierenden und schwingt sich dann auf den Sattel. Er radelt direkt auf seine beiden Beschatter zu.
„Scheiße, er wird uns sehen“, mutmaßt Leif auf dem Beifahrersitz und vergräbt schon mal sein gesenktes Haupt in der rechten Handinnenfläche.
„Bleib cool“, beruhigt Max und sieht, wie Martin auf sie zu steuert. „Er muss drauf achten, niemanden umzufahren. Er schaut nicht zu uns in den Wagen.“
„Weil deine Protzkarre ja auch so bescheiden daherkommt“, äußert Leif seine Besorgnis.
Martin, nur noch wenige Meter entfernt, rollt auf sie zu und – Zack – blickt genau durch die Scheibe zum Beifahrersitz und scheinbar direkt in Leifs Augen und fährt dann weiter, als sei ihm nichts aufgefallen. Ist ihm auch nicht, da sich zuvor im Bruchteil einer Sekunde die Scheiben des RS 5 per Knopfdruck verdunkelt haben.
„Verdammt, hat er uns wirklich nicht erkannt?“, will Leif wissen und dreht sich hektisch nach hinten um.
„Keine Sorge. Alles im Griff“, versichert Max.
Leif sieht sich erstaunt die innenliegenden Scheiben an. „Da wird ja selbst Bond neidisch.“ Dann wendet er sich wieder ernst Max zu: „Und was hast du für einen ersten Eindruck von ihm? Rein von seinem Auftritt? Dein Gefühl?“
„Er wirkt sympathisch. Nicht unbedingt wie ein eiskalter Killer“, urteilt der Privatermittler.
„Tun das nicht alle?“, fragt Leif ironisch.
„Nicht alle“, kontert Max und zwinkert ihm zu, während er den Wagen aus der Parklücke pilotiert.
Plötzlich wird mit einem Ruck die linke hintere Fahrzeugtür aufgerissen und jemand springt auf den Rücksitz mit einem lauten „Hallo!“ Gefolgt von: „Könnt ihr mich ein Stück mitnehmen?“, fragt der ungebetene Neuankömmling.
Max und Leif, noch mit einem Schrecken in den Gliedern, drehen ihre Köpfe mit finsterem Blick nach hinten und sind wenig begeistert: Es ist Vincent.
Max Storm und Vincent Hammer pflegen nicht gerade das beste Verhältnis zueinander. Bis vor kurzem – nach notgedrungener Zusammenarbeit – waren sie noch Erzfeinde. Und Feinde sind sie immer noch.
„Was machst du hier?!“, blafft Max, gereizt.
„Hey, nicht so beleidigt und empfindlich, nur weil ich hier so reinplatze. Was macht ihr hier? Gibt’s hier ’n neues Bullen- oder Stalker-Studium, oder was hab ich verpasst?“
Keine Antwort von den beiden Frontsitzlern.
Vincent schiebt sich nach vorne und streckt seinen Schädel zwischen die Sitze. „Wegen Wagner, stimmt’s?“
„Was hast du mit ihm zu tun?“, fragt sein Berufskollege Leif.
„Keine Sorge“, winkt Vincent ab. „Lasst ihn in Ruhe. Er ist harmlos.“
„Er tötet Menschen“, gibt Leif zu bedenken.
„Oh, genau wie ihr“, entgegnet Vincent mit übertriebener Laienspiel-Theatertheatralik. „Ihr sucht ihn für euer Team. Ja, er passt perfekt zu euch.“
„Deswegen sind wir hier, du Schlaumeier“, rechtfertigt sich Max und schiebt Vincents aufdringliche Grinse-Visage mit seinem rechten Ellbogen zurück nach hinten.
„Soll ich euch einander vorstellen oder schnüffelt ihr ihm gerne völlig auffällig hinterher? Ich müsste runter ins Parkhaus. Wenn das auf eurem Weg liegt, dann–“
„Nein!“, lautet die Antwort im Zweierchor.
Vincent hebt seine Hände zur Ergebung. „Is ja gut.“ Er öffnet die Wagentür. „Vielen Dank auch.“ Nachdem er bereits seinen linken Fuß auf den Asphalt gesetzt hat, harrt er aus „Ich bin da an was dran und denke, dass wir bald zusammenarbeiten sollten. Dann könnt ihr auch Martin Wagner persönlich kennenlernen und müsst nicht mehr hier rumlungern.“ Er klopft Max auf die Schulter: „Sag Diana und Lena nen schönen Gruß. Wie lange hat sie noch Urlaub?“
„Auf Wiedersehen, Vincent Hammer“, schnaubt Max genervt.
„Auf jeden Fall, Max Storm“, erwidert Vincent, entsteigt nun in Gänze des Wagens, wirft die Tür zu, schlägt zum Abschied aufs Autodach und zieht mit einer Gruppe Studenten von dannen.
„Unmöglich, der Typ“, konstatiert Max.
„Unheimlich trifft’s noch eher“, korrigiert Leif. „Aber ja, wie geht’s eigentlich Lena?“
„Gut.“ Max steuert den Audi RS 5 vom Parkplatz in eine der Nebenstraßen des Unigeländes. „Wir sind gerade dabei zusammenzuziehen.“
„Du zu ihr oder sie zu dir – in dein Schloss, deine Burgfestung?“, fragt Leif mit einem Lächeln.
„Du, mal ohne Witz. Ich wäre auch zu ihr gezogen, aber die Entscheidung hat sie getroffen.“
„Keine schlechte. Aber geht das nicht ein bisschen schnell? Wie lange kennt ihr euch jetzt?“
Max biegt auf die Hauptstraße in Richtung Ausfahrt des Universitätskomplexes ein. Er schaut seinen Sitznachbarn ernst an und pure Gewissheit schwebt von seinen Lippen: „Wir gehören einfach zusammen. Isso.“
Leif nickt. „Das freut mich. Wirklich. Das ist selten heute.“
Zufriedenes Schweigen.
„Und sie hat kein Problem damit, dass du–“
„Ich hab niemanden mehr umgebracht, seit wir zusammen sind“, stellt Max klar. „Unsere Beziehung tut mir offensichtlich gut.“
„Das ist schön, aber vermisst du es? Der Nervenkitzel?“
„Nein, komischerweise bis jetzt nicht.“
„Und die bösen Jungs? Kommst du damit klar, dass die weiter draußen rumlaufen?“, hakt Leif nach.
„Das ist es ja. Ich helfe Lena dabei, die Mistkerle zu finden und zu schnappen. Und das hilft ihr bei ihrer Polizei-Karriere“, erklärt Max. „Aber sei beruhigt: Wenn sich im Laufe der Gerichtsprozesse und Verfahren abzeichnet, dass die Bastarde wieder rauskommen, freue ich mich auf mein Comeback.“ Er zwinkert seinem Passagier zu.
Und auch Leif ist beruhigt: „Dachte schon, du wärst weich geworden.“
Max Storm, zurück in seiner Detektei, schiebt seinem Klienten gegenüber eine prallgefüllte Mappe über den Schreibtisch zu.
Der besorgte Mann, Mitte 40, schlägt sie gierig auf, während Max sich zurücklehnt und den Kerl beäugt, wie dieser sich nach und nach die Fotos in der Mappe ansieht:
Eine junge Frau, 20, mit schwarzem Zopf, leger an der Bar zusammen im Plausch mit einem duften Typen, um die 30, mit zwei Pfund zu viel Haargel in seiner glänzenden Dauerwellenfrisur.
Die erste Augenbraue des Mannes zuckt bereits hoch.
Max lässt seinen geschulten Observationsblick nicht von ihm ab.
Dieselbe junge Frau beim Verlassen der Bar. Händchenhaltend mit dem Typen. Sichtlich erheitert und angesäuselt.
Die zweite Augenbraue lässt nicht lange auf sich warten. Doch gemeinsam ziehen sie sich zur Mitte zusammen und bilden eine praktische Rinne für die Schweißtropfen, die sich nun auf seiner Runzelstirn bilden. Oh ja, er wird sauer.
Doch da sind ja noch ein paar Bilder...
Er schmeißt die Mappe vor sich auf den Tisch und rauft sich durch sein schütteres, schwarzgraues Haar.
„Wenn Sie sich beim Händchenhalten schon so aufregen, blättern sie besser nicht weiter“, bietet Max ihm lässig an, während er mit seinen Fingerspitzen sanft auf dem Schreibtisch trommelt.
Und schon hält der Mann die nächsten Fotos vor nicht auszuhaltender Neugierde in seinen Händen:
Das Pärchen küsst sich vor der Haustür.
Entsetzen in den glasig werdenden Augen des Mannes. Mit schweißnassen, zittrigen Händen das nächste Foto:
Die beiden Turteltauben liegen im Bett. Splitterfasernackt. Es ist zwar nur ein Foto, doch die nicht ganz jugendfreie Pose zeigt, dass sie wohl noch nicht eingeschlafen sind...
„Verdammt! Wie zur Hölle haben Sie bloß die Fotos gemacht?!“, schreit der inzwischen hummerrotköpfige Mann gegenüber von Max.
Der Privatdetektiv antwortet nicht, sondern beobachtet, wie sein Klient die Augen kneift, um genauere Details auf dem Schlafzimmerfoto zu erkennen.
„Aber das ist doch–“ Seine Glubscher berühren beinahe das qualitativ hochwertige Hochglanzfoto. „Ja, genau. Das ist doch MEIN Schlafzimmer!“, stellt er gewiss fest.
„Sie wollten den Besten. Sie haben den Besten“, brüstet sich Max, der sich selbst nach nur wenigen Jahren Dienstzeit für einen ganz besonderen Privatdetektiv hält.
Der zuvor in die Höhe katapultierte Herzschlag seines Klienten fällt. So auch die Fotos aus der Mappe, die gen Boden schweben. Mit leerem Blick und eingefallenen Schultern sitzt er da. Ein Häufchen Elend. Bestürzt. Verraten. Betrogen.
Max erhebt sich, sammelt die Bilder vom Boden auf und macht ihm Mut: „Naja, er ist aber auch ein attraktiver Sunnyboy. Sie hat Geschmack, das muss man ihr wirklich lass–“
„Verdammte Scheiße!“, fährt der Klient dazwischen. „Das is’n scheiß Schmierlappen mit dem die da rummacht! Mit seiner ekligen Pomadenfrise, bäah!“ Er schnappt sich eines der Fotos, die Max gerade aufklaubt und wirft sie nach kurzer Visite umgehend wieder angewidert weg. „Was soll ich nur tun?“, schluchzt er mit verzweifelter, vibrierender Stimme.
Max legt die Bilder auf den Schreibtisch und setzt sich auf seinen knarrenden Bürostuhl. „Anstatt Geld für’n Schnüffler auszugeben…“, er zeigt dabei auf sich, „…sollten Sie zuerst mal mit ihr…“, er tippt auf die Frau auf den Fotos, „…reden. In aller Ruhe. Von Angesicht zu Angesicht.“
Der Klient stöhnt jedoch bloß auf und kramt in seiner Hosentasche – in der Hoffnung auf ein Taschentuch für seinen Schweiß und seine Tränen?
„Es ist ja schließlich Ihre Tochter“, spricht Max es aus.
Kein Taschentuch. Der Mann nimmt einen kräftigen Schluck aus seinem silbernen Flachmann, den er ebenso schnell verschwinden lässt wie er ihn hergezaubert hatte. Er steht in seinem grauen Anzug auf, greift sich die Mappe mit den Fotos vom Schreibtisch und schlurft zur Tür, wo er sich noch einmal umdreht. „Ich bin ein guter Vater“, sieht er sich dazu gezwungen, sich zu entschuldigen. „Ich will nur, dass Sie mich nicht falsch verstehen, dass ich Sie damit beauftragt habe, Herr Storm. Und ich will vor allem nicht, dass ihr was passiert, verstehen Sie?“
Max nickt mit vollstem Verständnis, professionell wie eh und je – wenngleich er ein Schmunzeln unterdrücken muss.
Der Mann geht hinaus und schließt die Tür mit einem Knall, sodass einige von Max’ Unterlagen vom Tisch fliegen.
Wie erwartet die übliche Reaktion
denkt sich Max und als er sich zum zweiten Mal für heute bücken muss, öffnet sich die Tür hinter seinem Rücken.
„Haben Sie Kinder?“, hakt der Klient nach.
Max schüttelt den Kopf, während er seine Blätter auf dem Schreibtisch platziert.
„Dann können Sie das nicht verstehen.“
„Doch, ich war selbst mal ’n Kind“, entgegnet Max und erntet eine verwirrte Gegenfrage:
„Was hat das damit zu tun? Sie verstehen mich falsch.“
„Nein. Ich weiß schon. Meine Eltern wollten auch immer nur das Beste für mich. Haben mich beschützt. In einer intakten Familie ist das normal. Ihre Tochter wird Sie verstehen. Reden Sie mit ihr. Vertrauen Sie ihr.“
Der Mann wird nach Max’ Freudschem Pseudo-Psychogefasel nachdenklich. Mit einem kurzen Nicken verschwindet er wieder zur Tür hinaus. Diesmal ohne Knall und viel Wind.
Da haben sich die paar Tage Psychologiestudium ja doch noch ausgezahlt
ist sich Max sicher, entledigt sich seiner Joggingschuhe und legt erst mal seine Füße auf den Tisch.
Dann streckt sich ein Kopf durch die Tür. Nicht mehr so rot wie vor drei Minuten, doch es ist wieder der des Klienten. Er weist auf die Fotos unter seinem Arm. „Okay, danke. Ich red’ mit ihr. Und Sie, Sie brauchen ihr nicht mehr nachzuspionieren, ja?“
Max, dessen Füße sich der Seriosität wegen nun wieder unter seinem Schreibtisch befinden, fragt skeptisch nach: „Es geht um Ihr Schlafzimmer, hab ich recht?“
Ja, das hat er.
„Wie kommen Sie nur so nah ran?“, will der Mann wissen und sieht sich das brisante Foto in seiner Hand erneut an. „Das ist, als ob sie ja direkt im Zimmer dabei sind und–“
„Berufsgeheimnis“, entgegnet Max verschmitzt.
Der Klient verharrt an der Tür.
Er ist wirklich der Beste.
„Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen. Ich war nicht im Haus. Aber es gibt immer Wege“, bekräftigt Max.
Nachdem der Klient sich ein weiteres Foto aus der Mappe angeschaut hat, kommt er zum Entschluss: „Vergessen Sie’s. Ich denke, ich brauche Sie nicht mehr. Ich werde Ihnen natürlich die restliche Summe zukommen lassen.“
„Nein, ist schon okay“, winkt der Detektiv gütig ab.
Der Mann senkt seinen Kopf und blickt auf seine Mappe. „Waren das alle Fotos?“
Max sieht sich auf seinem Schreibtisch und auf dem Boden um und nickt.
„Gut, auf Wiedersehen.“ Der Klient geht ein drittes und hoffentlich letztes Mal.
Die abebbenden Geräusche der Schritte im Treppenhaus. Und dann herrscht Stille im beschaulichen Büro.
Max langt in die Schublade und zieht ein weiteres Bild von der jungen Frau – der Tochter seines Klienten – heraus, an dem eine Telefonnummer geheftet ist. Er schnappt sein mobiles Diensttelefon und wählt.
Nach ein paar Sekunden antwortet die jung klingende Frauenstimme am anderen Ende der Leitung: „Ja, was gibt’s?“
„Dein Vater war grad bei mir“, murmelt Max in den Hörer.
Die junge Frau steht im Flur vor einem Hörsaal, als sie mit Max via Smartphone spricht. Sie wirkt verunsichert.
Sie weiß seit einem Monat, dass ihr Vater hinter ihr her spionieren lässt. Beim Plündern von Papas Brieftasche fand sie die Visitenkarte von Privatdetektiv Max Storm. Nicht nur wegen ihres Mathematik-Studiums konnte sie eins und eins zusammenzählen: Ihr Vater steckte seit Jahrmillionen in keiner festen Beziehung mehr. Und wieso erwischte sie ihn so oft in ihrem Zimmer, als sie nach der Uni nach Hause kam? Seine Ausreden, er wollte gerade nachsehen, ob sie noch dreckige Wäsche habe oder, dass er ein komisches Geräusch oder Stimmen in ihrem Zimmer gehört habe, waren irgendwie nicht plausibel. Würde er denn jemals Wäsche waschen oder paranormale Geister-Aktivitäten nicht immer als Schwachsinn abtun, hätte sie es ihm vielleicht abgekauft. Nein, auch dann nicht. So suchte sie damals Max in dessen Büro auf und wollte wissen, ob ihre Vermutung richtig war. Sie war sich bewusst, dass Max aus Datenschutzgründen und aufgrund seiner Geschäftsbeziehung zu ihrem Vater nicht mit ihr darüber reden dürfte und er seine Lizenz verlieren könnte. Lizenz? Max hatte jedoch Verständnis und ist sowieso von Grund auf ein ehrlicher Typ, der ihr die Situation schließlich schilderte und eine Lösung fand.
Jetzt, vier Wochen später, ist er zum Entschluss gekommen, den er ihr am Telefon erklärt: „Er wird mit dir reden. Ich denke, er wird verstehen, dass du mittlerweile alt genug bist und auf dich selbst aufpassen kannst. Er sorgt sich sehr um dich und hatte Angst, dass du dich mit Falschen Leuten abgibst. Und, dass du dich nicht mehr mit der aalglatten Flitzpiepe triffst, wird ihm auch gefallen.“
Die aalglatte Flitzpiepe steht inzwischen neben der jungen Frau und empfängt sie mit einem Küsschen auf die Wange. Sie lächelt, schiebt ihn ein wenig von sich und fragt bei Max nach: „Okay. Haben Sie ihm die Bilder gezeigt?“
„Ja, er fand sie stilvoll und sehr ästhetisch.“
„Alles klar“, erwidert sie und verkneift sich ein Lachen.
„Brauchst du das Geld, das dein Vater mir gegeben hat? Oder soll ich es anonym für einen guten Zweck spenden?“
„Er soll daraus seine Lektion lernen. Spenden Sie es bitte.“
Die beiden beenden das Telefonat.
Max schreibt in seinen Notizblock vor sich:
Auftrag erledigt. Kinderspiel.
Sein nächster Fall sollte ernster sein.
Aber erst mal wählt er eine Nummer auf seinem Smartphone, als es an der Tür klopft und eine junge Frau eintritt…
LENA GRIMM (26) packt in ihrem Schlafzimmer Klamotten in einen der vielen Umzugskartons auf dem Bett. Ihr Blick in den Kleiderschrank friert ein, als sie ihr legendäres, sexy Polizei-Kostüm auf dem Bügel entdeckt. Zwiespältige Erinnerungen kommen bei ihr hoch. Nachdem sie ihren Verlobten vergeblich damit zu betören versuchte, verdrehte sie stattdessen die Köpfe zweier Nachtclubbesitzer. Aber das ist ein anderes Kapitel – pardon – steht in einem anderen Buch.
Das Läuten ihres Smartphones hinter ihr auf dem Nachttisch reißt sie aus ihrem Tagtraum und lässt sie kurz zusammenzucken. Sie schnappt es, schaut kurz aufs Display, was ihre Miene aufhellt. „Hey!“, und lässt sich rücklings aufs Bett fallen.
„Hi Lena-lein! Eifrig am Packen?“ Max selbst beginnt seinerseits seinen Schreibtisch aufzuräumen und bietet der eintretenden attraktiven Frau in seinem Büro lächelnd einen Sitzplatz an. Die beiden scheinen sehr vertraut.
„Ja klar. Und du?“
„Ich mach jetzt Schluss, komm vorbei und helfe dir.“
„Super. Bis gleich.“
„Heute Nacht muss ich wieder kurz raus.“ Er tauscht mit der nun sitzenden Dame einen Blick aus, der das beidseits bestätigt.
Lena wird hellhörig. „Muss ich mir Sorgen machen?“
Max klappt seinen Laptop zu. „Näh, reine Routine.“
„Du weißt, es wird nix verheimlicht“, stellt sie unmissverständlich klar und fügt hinzu: „Kann ich dir dabei helfen?“
„Danke, mein Schatz. Aber das ist eher so ne One-Man-Mission. Hatte heut’ schon nen Cop neben mir sitzen.“
Jemand klingelt an Lenas Haustür.
Sie schwingt ihren Oberkörper nach vorne und steht auf. „Solange du dich benimmst – du, da ist jemand an der Tür.“
„Ah, dein heimlicher Verehrer“, scherzt Max und zwinkert der Frau gegenüber zu.
„Ja genau. Also lass dir ruhig Zeit“, witzelt Lena zurück. „Bis gleich, lieb dich.“
„Mach ich.“
Die beiden Schwerverliebten legen auf.
„Sie zieht bei dir ein?“, fragt die junge Frau namens MIRABRENNER (21), steht auf und breitet ihre Arme aus, um Max zu knuddeln, der um den Schreibtisch zu ihr läuft.
„Ja. Sie ist – die Eine“, haucht er in ihr Ohr.
„Das freut mich so für dich“, sagt Mira, als die beiden ihre sportlichen Körper wieder voneinander lösen. „Ihr passt perfekt.“
Max nickt, ist glücklich. „Für heute Nacht läuft alles so wie geplant?“, wechselt er das Thema.
Mira nickt ihrerseits. „Heute wird’s passieren.“
„Denkst du, ich hätte Lena davon erzählen sollen?“
Zur gleichen Zeit trottet Lena – die Eine, durch den Flur, als es erneut schellt. Dann sieht sie ihn bereits durch das Glas der Haustür. „Oh nein, verdammt“, kommt ihr leise über die Lippen. Sie will gerade wieder um die Ecke in Deckung hinter der Korridortür verschwinden.
Er hat sie jedoch bereits erspäht. „Hey Lena!“, ruft er, schiebt seinen Kopf ans Glas und drückt sich seinen Riecher an der Scheibe platt.
„Verdammt“, wiederholt sie sich gedämpft und ersetzt ihren schockierten Gesichtsausdruck blitzartig durch einen überraschten und macht die letzten Schritte zur Haustür, die sie öffnet und sich dabei am Griff festklammert. „Ben? Du bist wieder zurück im Lande?“
BEN HARMS (27) steht strahlend vor ihr. Gutaussehend und ebenso gutgekleidet, beinahe eine 1 zu 1 Kopie von Vincent Hammer. Seine Hände hinterm Rücken versteckt. Er spürt, dass sie sich unbehaglich fühlt und ihn nicht mit offenen Armen empfangen will. „Lena, mein Beileid – was mit deinem Verlobten passiert ist.“ Er zaubert einen imposanten Strauß roter Rosen hervor und streckt ihn ihr entgegen.
Vielleicht empfängt sie den ja wenigstens herzlich.
Doch Lena ist irritiert, zögert, lässt nicht vom Türgriff als Stütze ab, um nicht agieren und ihn annehmen zu müssen.
„Ich war schon auf der Dienststelle. Die haben mich auf den neuesten Stand gebracht“, lautet seine Erklärung.
Lenas athletischen Beine werden wackliger, sie selbst zunehmend unsicherer.
„Darf ich?“, fragt Ben und zeigt dabei an Lena vorbei in den Hausgang.
Sie zaudert. „Ähm, es ist im Moment unpassend.“
„Warum?“
Erstens, weil mein Freund bald vorbeikommt und es womöglich unnötiger Erklärungen bedarf. Und zweitens, weil mein Bauchgefühl, meine weibliche Intuition mir deutlich mitteilt, dass ich dich nicht in meiner Wohnung haben möchte.
Die beiden verbindet eine gemeinsame Vorgeschichte.
Ben, noch immer mit den Blumen in der Hand, wartet und fordert sie mit fragendem Gesichtsausdruck gewissermaßen zu einer Begründung auf.
„Ich bin grad am Räumen. Ziehe bald um.“
Lässt mich stehen wie ein scheiß Staubsaugervertreter.
„Dann wenigstens–“ Er breitet seine Arme für eine kleine und freundschaftliche Umarmung aus.
Lena täuscht professionell vor, gerne an seine breite Brust zu fallen – allerdings nicht allzu fest.
„Meine Lieblingspartnerin.“ Er drückt sie und wiegt sie sanft hin und her.
„Und wie war dein halbes Sabbatical?“, fragt Lena aus Höflichkeit nach und um sich so schnell wie möglich wieder aus der Umklammerung zu befreien. Ihr Plan geht auf.
„Die Auszeit war nötig. Aber es geht hier um dich.“
Und nun sieht sich Lena wieder dem Rosenstrauß in Bens ausgestreckter Hand konfrontiert. „Du weißt doch, dass ich keine toten Pflanzen mag“, sträubt sie sich und lehnt ab. „Aber trotzdem danke.“ Sie selbst spürt ihre Unhöflichkeit und fühlt sich dabei sichtlich unwohl. Und dennoch bleibt sie sich und ihrer inneren Stimme treu.
Schlimmer als jeder scheiß Staubsaugervertreter!
Doch Ben bremst sich und reagiert enttäuscht: „Ich dachte, es wäre eine nette Geste und im Geschäft waren sie ja auch schon tot.“ Die Blumen sinken in seiner Hand. „Na, das ist ja mal ein Empfang“, nuschelt er wehleidig und ein wenig vorwurfsvoll.
„Tut mir leid, es kommt grad alles wieder hoch“, entschuldigt sie sich und senkt demütig ihren Blick.
„Schon okay. Kann nachvollziehen, dass du von hier ausziehst, nachdem du hier lange zusammen mit Jan gewohnt hast. Und er jetzt–“, zeigt er scheinbar Verständnis, streicht ihren Oberarm, um dann nachzulegen: „Wo geht’s hin, wenn man fragen darf?“
Eigentlich darfst du nicht fragen und es geht dich einen Scheißdreck an! Du weißt es ja eh schon, wenn du auf dem Revier voller Tratschtanten warst.
„Zu einem Bekannten“, zügelt sie ihre Gedanken.
Bens Augenbrauen fliegen automatisch hoch und er spielt weiter den Unwissenden, ehe er seinen Kopf schief legt und die Chose abkürzt: „Zu diesem Privatermittler? Wie heißt er nochmal–“ Er grübelt und will Lena den Namen und die unangenehme Situation aussprechen lassen.
Lena bleibt jedoch eisern, spielt das Spiel mit und schweigt.
Du weißt es doch. Du wirst es sagen.
„Ist es dieser sagenumwobene Max Storm?“, fragt Schauspielschüler Ben Harms. Fast schon Seifenoper-Niveau.
Ich wusste es! Bin schon ein wenig stolz, dass ich dich durchschaue und nicht mehr so leicht auf dich hereinfalle.
Sie unterdrückt ihre innere Freude und nickt bloß ihre Zustimmung. Dabei versucht sie weiter in Ben zu lesen. Wie nimmt er es auf?
Schließlich hatte Ben, seitdem er vor Jahren gemeinsam mit Lena das Polizeistudium begonnen hatte, ein Auge auf sie geworfen. Doch zuerst war da der sensationsgeile Journalist Jan Pastor an ihrer Seite und jetzt ist es dieser Schwiegermutter-Liebling Storm – wenn man sein Faible für brutale Serienmorde mal großzügig ignoriert. Aber über dieses düstere Geheimnis weiß zu Max’ Glück kaum jemand Bescheid, auch Ben nicht.
Und so schlimm der Tod ihres Verlobten auch war, brodelt es in Ben vor Ärger, weil er nicht im richtigen Moment für sie da war, um sich als mitfühlender Seelentröster zu profilieren und sie für sich zu gewinnen. Echt blöd gelaufen.
„Aber was kann so ein Privatdetektiv dir schon bieten?“, versucht er Lena zu verunsichern.
Na ja, ne riesen Luxusvilla in einem idyllischen Erholungsgebiet eines Privatwaldes und vor allem: ein großes Herz mit bedingungsloser Liebe und Ehrlichkeit, du Arschgesicht!
Lena lächelt und winkt ab. „Mach dir um mich keine Sorgen.“
„Geht das nicht ein bisschen schnell“, streut er Bedenken. „Es muss schwer für dich sein–“
„Ben! Es ist okay“, unterbricht sie ihn harsch. „Danke für dein Mitgefühl.“ Sie weicht einen Schritt zurück und langt wieder nach dem Türgriff. „Wir sehen uns spätestens in einer Woche, wenn ich wieder zur Arbeit komme“, leitet sie den Abschied ein – ein wenig zu rigoros für Ben.
Der versteht jedoch, nickt einsichtig und macht zwei Schritte rücklings. „Schön, Hauptsache dir geht’s gut und du bist glücklich“, schmalzt er daher.
„Danke. Sag den Kollegen bitte nen schönen Gruß“, verabschiedet sich Lena und tritt in den Flur.
Ben nickt mit einem gequälten und falschen Lächeln, dreht sich um und geht unverrichteter Dinge mit den Blumen in der Hand zurück zu seinem Wagen.
Lena schließt die Haustür hinter sich, sackt mit dem Rücken dagegen und atmet erst mal tief durch.
Derweil hält Max mit seinem Audi in der Innenstadt an einer roten Ampel.
„Okay, ich spring hier schon raus“, teilt ihm seine Beifahrerin Mira mit und schnallt sich ab. „Ich treffe mich nachher noch mit jemandem.“ Sie küsst Max auf die Wange und steigt aus.
„Hast du einen Freund?“
Miras ehrliches Lächeln an der Beifahrertür sagt alles.
„Du weißt, ich bin ein guter Schnüffler. Stell ihn mir mal vor.“
„Ja, du wirst ihn mögen – obwohl, vielleicht auch nicht.“ Sie erntet einen fragenden, kritischen Blick.
Sie grinst, winkt (ab) und schlägt die Tür zu.
Max winkt zurück und spricht zu sich selbst. „Bis später, meine Liebe.“ Er schaut ihr hinterher.
Nachdem er vor etwa fünf Jahren Mira als Teenager vor einem brutalen sexuellen Missbrauch bewahrt und gerettet hatte, nahm er sie eine Zeitlang bei sich auf und ist seitdem für sie eine Art Ersatz-Vater und Ersatz-großer Bruder und bester Freund in einem.
Die Ampel springt auf Grün und Max fährt weiter und macht sich auf den Weg zu Lena.
Am Abend hält Max mit seinem RS 5 hinter dem gemieteten Umzugstransporter vor Lenas einstöckigem Haus in dem kleinen Vorort an. Im Joggingdress entsteigt er der Sportkarosse und läuft zum Hauseingang. Dort macht er bereits den Blumenstrauß aus – er steckt blütenkopfüber im Briefkasten!
„Da ist ja der mysteriöse Max Storm“, spricht Ben zu sich selbst, einige Autoreihen entfernt aus der Deckung in seinem Wagen.
Diesmal ist es der Beschatter selbst, der beobachtet wird.
Max klingelt an Lenas Haustür und nimmt die Rosen aus dem Briefkasten heraus.
Die Tür öffnet sich und Lena erscheint.
Max fokussiert genau ihr Gesicht, um ihre Reaktion zu sehen, die sich darauf abspielt.
Überraschung lässt sich nicht verbergen. Für keine Millisekunde.
„Heimlicher Verehrer war als Witz gemeint“, sagt Max staubtrocken. „Aber eher unheimlich, wenn er die Rosen lieblos im Briefkasten versenkt“, fügt er mit einem gewinnenden Lächeln an, welches Lena trotz des peinlichen Gefühls ansteckt.
„Die sind von – lange, uninteressante Geschichte“, wiegelt sie ab. „Komm rein.“ Sie tritt einen Schritt zurück.
Max steckt seine Nase in den Rosenstrauß. „Oh, das riecht sowas von nach Ärger, Schätzchen“, konstatiert er neckisch.
Lena reißt ihm die toten Pflanzen aus der Hand und zerrt ihn am Kragen seines Shirts ins Haus.
Ben, der alles aus sicherer Distanz visuell mitverfolgte, setzt ein dämonisches Grinsen auf und wählt eine Nummer auf seinem Mobiltelefon. Während er auf seinen Gesprächspartner wartet, schnallt er sich an und startet den Wagen.
Lena führt Max durch den Flur ins Wohnzimmer, wo bereits ein halbes Dutzend an Umzugskartons steht.
„Und wer ist der gestörte Rosenkavalier?“, bohrt Max weiter und mit voller Absicht nach.
„Jetzt hör doch auf. Ist doch egal“, meckert Lena und schmeißt die Blumen aufs Sideboard, wobei einige davon auf dem Boden landen.
„Auf jeden Fall stößt’s bei dir nicht auf Gegenliebe“, kommentiert Max ihr Verhalten.
Lena bleibt bei den Kartons stehen und sieht ihn mit einer Mischung aus Kopfnicken und Kopfschütteln an. „Wie du das so haarscharf feststellst. Könnt glatt meinen, du wärst ’n guter Privatdetektiv und Menschenkenner“, foppt sie ihn auf die gleiche Weise. „Hier die sechs Boxen sind alle fertig, im Schlafzimmer sind noch vier, hauptsächlich Kleider.“
„Da muss ich wohl noch anbauen, typisch Frau.“
Zack, fängt er sich eine auf den Oberarm.
„Ben Harms“, stöhnt er, ohne seine Miene zu verziehen.
„Ihr kennt euch?“, wieder kann Lena ihre Überraschung nicht vor ihm verbergen.
„Ich kenne IHN. Flüchtig vom Sehen und von Erzählungen. Hat einen gewissen Ruf, auch was Frauen angeht. War dein Partner und er ist ein Zögling von Vincent.“
Lena starrt ihn ohne Worte an, beeindruckt.
„Könnt meinen, ich wär ’n guter Menschenkenner“, äfft er sie nach, lächelt und spannt seinen Oberarm an, bereit zum Empfang der nächsten donnernden Damenfaust. Vergebens.
Lena lächelt ebenso und zieht Max zu sich.
Sie küssen einander. Sie haben sich gefunden. Zwei Seelenverwandte. Es gibt sie: Die große, wahre Liebe.
„Worum geht’s heute Nacht? Wann musst du weg und muss ich mir Sorgen machen?“, unterbricht Lena die innige Situation, nachdem sich ihre Lippen voneinander gelöst haben, und schaut ihn dabei bekümmert mit ihren Rehaugen an.
„Fragenkatalog abgearbeitet?“, entgegnet Max und küsst sie erneut flüchtig. „Nein. Du weißt, dass ich dich da raushalten will und du jetzt im Urlaub bist und wir gemeinsam hier–“
„Nur eins!“, fällt sie ihm hart ins Wort. „Kein Killerjob! Und du hältst dein Wort.“
Max nimmt ihre Hände in die seinen. „Hast du Zweifel? Ich hab dir versprochen, meine Aktivität fürs Erste einzustellen. Und, dass ich offen mit dir darüber rede, wenn ich den Drang nach Gerechtigkeit verspüre und dem Trieb nachgehen muss. Und so schwöre ich auch jetzt: Ich bringe niemanden um. Kein Killerjob. Reine Routine. Öde Detektivarbeit“, verspricht er und drückt ihre Hände vor ihrem Bauch. „Mira wird nachher auch da sein. Es geht bloß um Informationen, Hinweise und Beweise, um einen Drogendeal aufzudecken. Sobald ich mehr habe, weihe ich dich gerne ein, damit du mehr Anerkennung auf dem Revier erfährst – aber zuerst…“
Lena löst ihre Hände und zeigt auf die Kartons zu ihren Füßen.
„…helfe ich dir natürlich die Sachen zu tragen“, beendet er den Vortrag und schnappt sich den ersten Karton.
Lena hievt ebenfalls einen. „Wie geht’s Mira eigentlich?“
Sie tragen die Kisten aus dem Zimmer durch den Flur.