Mensch-Roboter-Interaktion - Christoph Bartneck - E-Book

Mensch-Roboter-Interaktion E-Book

Christoph Bartneck

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Beschreibung

Die Rolle der Roboter in der Gesellschaft wächst und diversifiziert sich ständig und bringt eine Vielzahl von Fragen mit sich, die die Beziehung zwischen Robotern und Menschen betreffen. Dieses Lehrbuch zur Mensch-Roboter-Interaktion bietet einen umfassenden Überblick über die interdisziplinären Themen, die für die moderne Forschung von zentraler Bedeutung sind. Studenten und Forscher aus den Bereichen Robotik, künstliche Intelligenz, Informatik, Elektrotechnik sowie Psychologie, Soziologie und Design finden darin einen prägnanten und verständlichen Leitfaden zum aktuellen Stand des Fachgebiets:

- Funktion, Design und Leistungsbewertung von Robotern
- Kommunikationsmodalitäten wie Sprache, nonverbale Kommunikation und die Verarbeitung von Emotionen
- ethische Fragen rund um den Einsatz von Robotern heute und im Kontext unserer künftigen Gesellschaft.

Zahlreiche Beispiele und farbige Abbildungen veranschaulichen die verschiedenen Themenfelder. Diskussionsfragen und relevante Literatur am Ende des Kapitels tragen zur Vertiefung bei.

Aus dem Inhalt:
- Was ist Mensch-Roboter-Interaktion?
- Wie ein Roboter funktioniert
- Design
- Interaktion im Raum
- Nonverbale Interaktion
- Verbale Interaktion
- Wie Menschen Roboter wahrnehmen
- Emotionen
- Forschungsmethoden
- Anwendungen
- Roboter in der Gesellschaft
- Die Zukunft

Neu in der 2. Auflage: Abschnitte zu kollaborativen Robotern, Roboterteams, Roboterschnittstellen; Maschinelles Lernen; Roboter in der Gesellschaft, in denen neue technische Entwicklungen sowie gesellschaftliche Veränderungen berücksichtigt werden.

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Christoph BartneckTony BelpaemeFriederike EysselTakayuki KandaMerel KeijsersSelma ŠabanoviĆ

Mensch-Roboter-Interaktion

Eine Einführung

2., vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage

Über die Autor:innen:Christoph Bartneck, University of Canterbury (Neuseeland)Tony Belpaeme, Universität Gent (Belgien), University of Plymouth (Großbritannien)Friederike Eyssel, Universität Bielefeld (Deutschland)Takayuki Kanda, Universität Kyoto (Japan)Merel Keijsers, John Cabot University in Rom (Italien)Selma Šabanović, Indiana University (Vereinigte Staaten)

Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird auf die gleichzeitige Verwendung der Sprachformen männlich, weiblich und divers (m/w/d) verzichtet. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten gleichermaßen für alle Geschlechter.

Print-ISBN:        978-3-446-47768-1E-Book-ISBN:   978-3-446-47859-6Epub-ISBN:       978-3-446-48132-9

Alle in diesem Werk enthaltenen Informationen, Verfahren und Darstellungen wurden zum Zeitpunkt der Ver­öffentlichung nach bestem Wissen zusammengestellt. Dennoch sind Fehler nicht ganz auszuschließen. Aus diesem Grund sind die im vorliegenden Werk enthaltenen Informationen für Autor:innen, Herausgeber:innen und Verlag mit keiner Verpflichtung oder Garantie irgendeiner Art verbunden. Autor:innen, Herausgeber:innen und Verlag übernehmen infolgedessen keine Verantwortung und werden keine daraus folgende oder sonstige Haftung übernehmen, die auf irgendeine Weise aus der Benutzung dieser Informationen – oder Teilen davon – entsteht. Ebenso wenig übernehmen Autor:innen, Herausgeber:innen und Verlag die Gewähr dafür, dass die beschriebenen Verfahren usw. frei von Schutzrechten Dritter sind. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt also auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benützt werden dürften.

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© 2024 Carl Hanser Verlag GmbH & Co. KG, Münchenwww.hanser-fachbuch.deLektorat: Dipl.-Ing. Natalia Silakova-HerzbergHerstellung: le-tex publishing services GmbH, LeipzigCoverkonzept: Marc Müller-Bremer, www.rebranding.de, MünchenTitelmotiv: © shutterstock.com/ZenzenSatz: Eberl & Koesel Studio, Kempten

Vorwort

Die Rolle von Robotern in der Gesellschaft erweitert und verändert sich ständig und bringt eine Reihe von Fragen zu der Beziehung zwischen Roboter und Mensch mit sich. Diese Einführung in die Mensch-Roboter-Interaktion (Human-Robot Interaction, HRI), die von führenden Forschern auf diesem sich entwickelnden Gebiet verfasst wurde, ist die erste, die einen breiten Überblick über die multidisziplinären Themen bietet, die für die moderne HRI-Forschung von zentraler Bedeutung sind. Studenten und Forscher aus den Bereichen Robotik, künstliche Intelligenz, Psychologie, Soziologie und Design finden darin einen prägnanten und zugänglichen Leitfaden zum aktuellen Stand des Fachgebiets.

Das vorliegende Buch wurde für Studierende mit unterschiedlichem Vorwissen geschrieben. Es stellt relevante Hintergrundkonzepte vor, beschreibt, wie Roboter funktionieren, wie sie entworfen werden und wie ihre Leistung bewertet werden kann. In eigenständigen Kapiteln wird ein breites Spektrum von Themen diskutiert, darunter die verschiedenen Kommunikationsmodalitäten wie Sprache und Sprechen, nonverbale Kommunikation und die Verarbeitung von Emotionen sowie ethische Fragen rund um den Einsatz von Robotern heute und im Kontext unserer zukünftigen Gesellschaft.

Anmerkungen zur zweiten Auflage

Wie viele andere Bereiche mit Bezug zu neuen Technologien, verändert und entwickelt sich HRI weiter, während neue technologische Möglichkeiten für das Design und die Implementierung von Robotern und die Untersuchung von Menschen, die mit ihnen interagieren, verfügbar werden. Damit dieses Buch auch weiterhin relevant bleibt, haben wir es 2023 überarbeitet, um neue technische Möglichkeiten sowie neue theoretische und methodische Entwicklungen auf diesem Gebiet zu berücksichtigen. Zudem wollten wir mehr Diskussionen über Inklusion, gesellschaftliche Relevanz und Auswirkungen und ethische Überlegungen zu HRI in den ursprünglichen Text aufnehmen. Unsere erste Ausgabe konzentrierte sich weitgehend auf die soziale Robotik als Hauptbereich der HRI. Dabei vernachlässigten wir die Interaktionen zwischen Menschen und Robotern in Kontexten wie Fabriken, in denen Menschen und Roboter bei der Erledigung verschiedener Aufgaben zusammenarbeiten, der Katastrophenhilfe, bei der Menschen mit mobilen und fliegenden Robotern interagieren, um Brände zu löschen oder Menschenleben zu retten, und sogar den Bereich autonomes Fahren. In dieser Version des Buches fassen wir unser Verständnis des sozialen Charakters der Mensch-Roboter-Interaktion neu, um die Mensch-Roboter-Interaktion und -Zusammenarbeit einzubeziehen, deren sozialer Charakter breiter gefasst ist: In gewissem Sinne können alle Roboter, die an der Seite von und mit Menschen arbeiten, als sozial verstanden werden, und alle Mensch-Roboter-Interaktionen können in den Anwendungsbereich der HRI-Forschung fallen. Ende 2022 bzw. Anfang 2023 arbeiteten wir sowohl bei persönlichen Treffen als auch aus der Ferne an der Aktualisierung des Textes und der im Buch bereitgestellten Lernübungen. Wir wünschen Ihnen viel Spaß mit den neuen Inhalten!

Christoph Bartneck

Tony Belpaeme

Friederike Eyssel

Takayuki Kanda

Merel Keijsers

Selma Šabanović

Inhalt

Titelei

Impressum

Inhalt

Vorwort

1 Einleitung

1.1 Über dieses Buch

1.2 Die Autor:innen

1.2.1 Christoph Bartneck

1.2.2 Tony Belpaeme

1.2.3 Friederike Eyssel

1.2.4 Takayuki Kanda

1.2.5 Merel Keijsers

1.2.6 Selma Šabanović

2 Was ist Mensch-Roboter-Interaktion?

2.1 Der Schwerpunkt dieses Buches

2.2 HRI als interdisziplinäres Unterfangen

2.3 Die Entwicklung von sozialen Robotern und HRI

2.4 Übungen

3 Wie ein Roboter funktioniert

3.1 Die Entstehung eines Roboters

3.2 Robotertypen

3.3 Systemarchitektur

3.3.1 Hardware-Ebenen

3.3.2 Software-Ebenen

3.4 Sensoren

3.4.1 Vision

3.4.2 Audio

3.4.3 Berührungssensoren

3.4.4 Andere Sensoren

3.5 Stellantriebe

3.5.1 Motoren

3.5.2 Pneumatische Antriebe

3.5.3 Lautsprecher

3.6 Middleware

3.6.1 Was ist eine Middleware?

3.6.2 Betriebssystem

3.7 Anwendungen

3.7.1 Verhaltensprogrammierung

3.7.2 Animationseditoren

3.8 Künstliche Intelligenz und maschinelles Lernen

3.8.1 Überwachtes Lernen

3.8.2 Computerbasiertes Sehen

3.8.3 Reinforcement Learning

3.8.4 Anpassung

3.9 Beschränkungen der Robotik für HRI

3.10 Schlussfolgerung

3.11 Übungen

4 Design

4.1 Gestaltung

4.1.1 Morphologie und Form des Roboters

4.1.2 Aktionspotenziale

4.1.3 Entwurfsmuster

4.1.4 Gestaltungsprinzipien für die Mensch-Roboter-Interaktion

4.2 Anthropomorphisierung

4.2.1 Zuschreibung menschenähnlicher Eigenschaften an Roboter

4.2.2 Design eines menschenähnlichen Erscheinungsbildes

4.3 Entwurfsmethoden

4.3.1 Technischer Designprozess

4.3.2 Nutzerzentrierter Entwurfsprozess

4.3.3 Partizipatives Design

4.4 Prototyping-Werkzeuge

4.5 Kultur im HRI-Design

4.6 Von Maschinen zu Menschen und dazwischen

4.7 Schlussfolgerung

4.8 Übungen

5 Interaktion im Raum

5.1 Nutzung des Raums in der menschlichen Interaktion

5.1.1 Proxemik

5.1.2 Dynamik der räumlichen Interaktion in der Gruppe

5.2 Räumliche Interaktion bei Robotern

5.2.1 Soziale Navigation

5.2.2 Sozialverträgliche Positionierung

5.2.3 Räumliche Dynamik der initiierenden HRI

5.2.4 Informieren der Nutzer über die Absicht eines Roboters

5.3 Schlussfolgerung

5.4 Übungen

6 Nonverbale Interaktion

6.1 Funktionen von nonverbalen Hinweisen in der Interaktion

6.2 Arten der nonverbalen Interaktion

6.2.1 Blick und Augenbewegung

6.2.2 Gestik

6.2.3 Mimikry und Imitation

6.2.4 Berührung

6.2.5 Körperhaltung und Bewegung

6.2.6 Rhythmus und Zeitplanung der Interaktion

6.3 Nonverbale Interaktion bei Robotern

6.3.1 Verarbeitung von nonverbalen Hinweisreizen

6.3.2 Generieren von nonverbalen Hinweisen bei Robotern

6.4 Schlussfolgerung

6.5 Übungen

7 Verbale Interaktion

7.1 Verbale Interaktion von Mensch zu Mensch

7.1.1 Komponenten der Sprache

7.1.2 Geschriebener Text versus gesprochene Sprache

7.2 Spracherkennung

7.2.1 Grundlegende Prinzipien der Spracherkennung

7.2.2 Einschränkungen

7.2.3 Praktische Umsetzung

7.2.4 Erkennung der Sprechaktivität

7.3 Dialogmanagement

7.3.1 Den Sinn eines Textes herauslesen

7.3.2 Large Language Models

7.3.3 Dialogmanager

7.3.4 Chatbots

7.3.5 Praktische Umsetzung

7.4 Sprecherwechsel in der HRI

7.5 Sprachproduktion

7.5.1 Praktische Umsetzung

7.6 Schlussfolgerung

7.7 Übungen

8 Wie Menschen Roboter wahrnehmen

8.1 Eindrucksbildung

8.2 Anthropomorphismus

8.3 Messen von Anthropomorphisierung

8.3.1 Explizite Messungen

8.3.2 Implizite Maße

8.4 Auswirkungen von Anthropomorphismus

8.4.1 Vertrauen in Technologie

8.4.2 Akzeptanz von Robotern

8.4.3 (Un-)Wohlsein gegenüber Robotern

8.5 Schlussfolgerung

8.6 Übungen

9 Emotionen

9.1 Was sind Emotion, Stimmung und Affekt?

9.1.1 Emotion und Interaktion

9.1.2 Konzeptualisierung menschlicher Emotionen

9.2 Probleme der emotionalen Reaktionsfähigkeit

9.3 Emotionen und Roboter

9.3.1 Interaktionsstrategien

9.3.2 Wahrnehmung von Emotionen

9.3.3 Ausdruck von Emotionen

9.3.4 Emotionsmodelle

9.4 Herausforderungen bei affektiver HRI

9.5 Schlussfolgerung

9.6 Übungen

10 Forschungsmethoden

10.1 Definieren einer Forschungsfrage und eines Forschungsansatzes

10.1.1 Ist Ihre Forschung explorativ oder bestätigend?

10.1.2 Stellen Sie eine Korrelation oder eine Kausalität her?

10.2 Auswahl zwischen qualitativen, quantitativen und gemischten ­Methoden

10.2.1 Anwenderstudien

10.2.2 Umfrage-Studien

10.2.3 Systemevaluation

10.2.4 Beobachtungsstudien

10.2.5 Ethnografische Studien

10.2.6 Konversationsanalyse

10.2.7 Nutzerstudien mittels Crowdsourcing

10.2.8 Fallstudien

10.3 Auswahl von Forschungsteilnehmern und Studiendesigns

10.3.1 Die Repräsentativität Ihrer Stichprobe

10.3.2 Größe der Stichprobe

10.4 Den Kontext der Interaktion definieren

10.4.1 Setting der Studie

10.4.2 Zeitlicher Kontext der HRI

10.4.3 Soziale Ebenen der Interaktion in der HRI

10.5 Auswahl eines Roboters für Ihre Studie

10.6 Einrichten des Interaktionsmodus

10.6.1 Wizard-of-Oz-Technik

10.6.2 Reale versus simulierte Interaktion

10.7 Auswahl geeigneter Messinstrumente

10.8 Standards der statistischen Analyse

10.8.1 Statistiken sinnvoll nutzen

10.8.2 Bewährte Verfahrensweisen zur Problembewältigung bei klassischen statistischen Tests

10.9 Ethische Überlegungen bei HRI-Studien

10.10 Schlussfolgerung

10.11 Übungen

11 Anwendungen

11.1 Roboter im Kundenservice

11.1.1 Roboter als Ausstellungsführer

11.1.2 Roboter als Rezeptionisten

11.1.3 Roboter für Werbeaktionen

11.2 Roboter zum Lernen

11.3 Roboter zur Unterhaltung

11.3.1 Haustier- und Spielzeugroboter

11.3.2 Roboter für Ausstellungen

11.3.3 Roboter in der darstellenden Kunst

11.3.4 Sexroboter

11.4 Roboter im Gesundheitswesen und in der Therapie

11.4.1 Roboter für Senioren

11.4.2 Roboter für Menschen mit Autismus-Spektrum-Störungen

11.4.3 Roboter für die Rehabilitation

11.4.4 Roboter zur Unterstützung der psychischen Gesundheit

11.5 Roboter als persönliche Assistenten

11.6 Serviceroboter

11.6.1 Reinigungsroboter

11.6.2 Lieferroboter

11.7 Sicherheitsroboter

11.8 Kollaborative Roboter

11.9 Selbstfahrende Autos

11.10 Ferngesteuerte Roboter

11.10.1 Anwendungen von ferngesteuerten Robotern

11.10.2 Mensch-Roboter-Teams

11.10.3 Telepräsenzroboter und Avatar-Roboter

11.11 Zukünftige Anwendungen

11.12 Probleme der Roboteranwendung

11.12.1 Öffentlichkeitsarbeit

11.12.2 Berücksichtigung der Nutzererwartungen

11.12.3 Abhängigkeit

11.12.4 Stehlen der Aufmerksamkeit

11.12.5 Verlust des Interesses durch den Nutzer

11.12.6 Ausnutzung und Missbrauch von Robotern

11.13 Schlussfolgerung

11.14 Übungen

12 Roboter in der Gesellschaft

12.1 Roboter in populären Medien

12.1.1 Roboter wollen Menschen sein

12.1.2 Roboter als Bedrohung für die Menschheit

12.1.3 Überlegene Roboter sind gut

12.1.4 Ähnlichkeit zwischen Menschen und Roboter

12.1.5 Narrative der Roboterwissenschaft

12.2 Ethik in der HRI

12.2.1 Roboter in der Forschung

12.2.2 Roboter zur Erfüllung emotionaler Bedürfnisse

12.2.3 Roboter am Arbeitsplatz

12.2.4 Ambivalente Einstellungen gegenüber Robotern

12.2.5 Eine vielfältigere und integrativere HRI

12.3 Schlussfolgerung

12.4 Übungen

13 Die Zukunft

13.1 Das Wesen der Mensch-Roboter-Beziehungen

13.2 Fortschritt in der HRI

13.3 Ausblick

13.4 Übungen

14 Antworten

15 Literaturverzeichnis

1Einleitung
1.1Über dieses Buch

Seit den 1950er-Jahren lag die Vorstellung von einem alltäglichen Zusammenleben von Mensch und Roboter immer etwa 10–20 Jahre in der Zukunft. Wahrscheinlich besteht diese Prognose auch zu dem Zeitpunkt, an dem Sie dieses Buch lesen. In den frühen 2020er-Jahren, in denen wir uns während des Verfassens dieses Buches befinden, sind Roboter in den Nachrichten, auf der Kinoleinwand und natürlich in der Science-Fiction-Literatur ein sehr präsentes Thema. Inzwischen sind Roboter sogar in unserem täglichen Leben, auf den Straßen der Städte, in Klassenzimmern, Cafés und Restaurants oder in Hotels anzutreffen. Haben Sie schon einmal mit einem Roboter zu tun gehabt? Etwa mit einem Staubsaugerroboter? Einem Roboterspielzeug, -haustier oder -gefährten? Wenn nicht, werden Sie dies höchstwahrscheinlich bald tun. Technologieunternehmen haben das Potenzial von persönlichen Robotern bereits im Blick, und sowohl Start-ups als auch große multinationale Unternehmen bereiten sich auf die Entwicklung heiß begehrterer Roboter vor. Allerdings wird es wohl noch eine ganze Weile dauern, bis Ihr treuer Roboter-Butler Ihnen das Frühstück ans Bett bringen wird. Einer der Gründe dafür ist, dass sich die Entwicklung von Robotern, die über einen längeren Zeitraum hinweg dynamisch mit unterschiedlichen Nutzern interagieren können, als schwieriger als ursprünglich angenommen erwiesen hat. Robuste Mensch-Roboter-Interaktion (Human-Robot Interaction, HRI) ist schwierig zu entwerfen und umzusetzen.

Wie wird sich dieser Forschungsbereich weiterentwickeln? Wie wird – und wie sollte – unsere Zukunft mit Robotern aussehen? Wie werden sich Roboter künftig in unser Leben einfügen? All diese Fragen sind noch offen. Es gibt eine Reihe noch unbekannter, aber spannender Zukunftsszenarien, in denen Roboter uns unterstützen, mit uns zusammenarbeiten, uns transportieren oder uns unterhalten. Da Sie dieses Buch in die Hand genommen haben, sollten Sie neugierig darauf sein, was diese Zukunft mit sich bringen könnte. Vielleicht möchten Sie sogar selbst einen Beitrag an der Gestaltung von zukünftigen Interaktionen mit Robotern leisten.

Dafür kommt es zunächst einmal auf Sie selbst an: Was für einen Bildungshintergrund haben Sie? Rührt Ihre Neugierde für Roboter aus einem Interesse an Technik, Psychologie, Kunst oder Design? Oder haben Sie dieses Buch aufgeschlagen, weil es Ihre kindliche Faszination für Roboter neu entfacht hat? HRI ist das Be­streben, Ideen aus einer Vielzahl von Disziplinen zusammenzubringen. Einflüsse aus Technik, Informatik, Robotik, Psychologie, Linguistik, Soziologie und Design tragen ein Stück dazu bei, wie wir mit Robotern interagieren. Somit liegt HRI am Schnittpunkt dieser Disziplinen. So zahlt es sich als Informatiker aus, sich auch in Sozialpsychologie auszukennen; als Designer, profitiert man durch Kenntnisse in Soziologie.

Falls Sie einen technischen Hintergrund haben, glauben Sie, einen Roboter bauen zu können, der mit Menschen interagieren kann, indem Sie dafür nur mit anderen Ingenieuren zusammenarbeiten? Wir sind leider der Meinung, dass Sie dazu nicht in der Lage sein werden. Um Roboter zu entwerfen, mit denen Menschen interagieren wollen, benötigt man ein gutes Verständnis menschlicher sozialen Interaktionen. Um dieses Verständnis zu erlangen, braucht man Einblicke von Menschen, die in den Sozial- und Geisteswissenschaften ausgebildet wurden.

Sind Sie Designer? Denken Sie, dass Sie einen sozial interaktiven Roboter entwerfen können, ohne mit Ingenieuren und Psychologen zusammenzuarbeiten? Die Erwartungen der Menschen an Roboter und ihre Rolle im Alltag sind nicht nur hoch, sondern auch von Mensch zu Mensch sehr unterschiedlich. Manche Menschen wünschen sich einen Roboter, der für sie kocht, andere wünschen sich einen Roboter, der ihre Hausaufgaben macht und im Anschluss eine intellektuelle Unterhaltung über den neuesten Star Wars-Film führt. Die Fähigkeiten von Robotern als Assistenten sind jedoch immer noch recht begrenzt. Moravecs Paradoxon gilt auch Jahrzehnte nach seiner ersten Äußerung noch: Alles, was Menschen schwerfällt, ist für Maschinen relativ einfach, und alles, was ein kleines Kind kann, ist für eine Maschine fast unmöglich. Als Designer braucht man also ein gutes Verständnis der technischen Möglichkeiten, von der menschlichen Psychologie und von Soziologie, um einen Entwurf eines Roboters auszuarbeiten, der praktisch umsetzbar ist.

Und nicht zuletzt, diejenigen von Ihnen, die in Psychologie und Soziologie geschult sind, wollen Sie einfach nur darauf warten, dass eben beschriebene Arten von Robotern in unserer Gesellschaft auftauchen? Wäre es nicht bereits zu spät, sich erst dann mit Robotertechnologien zu befassen, wenn diese schon Teil unseres Alltags sind? Wollen Sie nicht Einfluss darauf nehmen, wie die Roboter aussehen und interagieren? Was Sie schon jetzt tun können, ist mit befreundeten Ingenieuren und Informatikern zu sprechen oder mit einem Designer Mittagessen zu gehen. Dadurch können Ihre sozialwissenschaftlichen Ideen auf dem, was technisch möglich ist, aufgebaut werden und Ihnen dabei helfen, die Bereiche zu finden, in denen Ihr Wissen den größten Einfluss haben kann.

Genau wie wir sechs Autoren dieses Buches, werden auch Sie alle zusammenarbeiten müssen. Um dabei effektiv zu sein, müssen Sie die Perspektiven von HRI-Fachleuten aus verschiedenen Disziplinen verstehen und sich des unterschiedlichen Fachwissens bewusst sein, das es für die Entwicklung erfolgreicher HRI-Projekte braucht. In diesem Buch möchten wir Ihnen einen breiten Überblick über zentrale HRI-Themen geben und Sie dazu anregen, darüber nachzudenken, wie Sie zu diesen Themen beitragen können. Wir möchten, dass Sie gemeinsam mit uns die Grenzen des Bekannten und Möglichen erweitern. Die Technologie ist inzwischen so weit fortgeschritten, dass es möglich ist, mit geringem Kostenaufwand seinen eigenen Roboter zu bauen und zu programmieren. Roboter werden Teil unserer Zukunft sein, also nutzen Sie Ihre Chance, sie zu gestalten.

Das Autorenteam besteht aus einer Gruppe von weltweit führenden Experten aus dem breiten Spektrum der Disziplinen, die zur HRI beitragen. Unser aller Herz schlägt für die Verbesserung der Interaktion zwischen Menschen und Robotern. Darüber hinaus wollen wir sicherstellen, dass Roboter auf eine der Gesellschaft und den Menschen, die sie nutzen und durch sie beeinflusst werden, dienliche Art eingesetzt werden.

Bild 1.1Die Autoren dieses Buches trafen sich im Januar 2018 in Westport, Neuseeland, um das Manuskript während eines einwöchigen „Buchsprints“ zu beginnen. Das Schreiben und Redigieren wurde in den folgenden anderthalb Jahren durch Zusammenarbeit aus der Ferne fortgesetzt mit vielen langen Videokonferenzen und zahlreichen E-Mails.

1.2Die Autor:innen1.2.1Christoph Bartneck

Christoph Bartneck ist Professor im Fachbereich Informatik und Softwaretechnik an der Universität Canterbury, Neuseeland. Er hat einen Werdegang in Industriedesign und Mensch-Computer-Interaktion. Seine Projekte und Studien werden in führenden Zeitschriften, Zeitungen und Konferenzen veröffentlicht. Seine Interessen liegen in den Bereichen Mensch-Computer Interaktion, Naturwissenschaft und Technologie, sowie visuelles Design. Insbesondere beschäftigt Christoph sich mit den Auswirkungen von Anthropomorphismus auf HRI. Als sekundäres Forschungsinteresse arbeitet er an Projekten im Bereich der Sporttechnologie und der kritischen Untersuchung von Prozessen und Richtlinien in der Wissenschaft. Im Bereich Design beschäftigt sich Christoph mit der Geschichte des Produktdesigns, Mosaiken und Fotografie.

1.2.2Tony Belpaeme

Tony Belpaeme ist Professor an der Universität Gent, Belgien, und war zuvor Professor für Robotik und kognitive Systeme an der Universität Plymouth, Großbritannien. Er promovierte in künstlicher Intelligenz an der Vrije Universiteit Brussel (VUB). Ausgehend von der Prämisse, dass Intelligenz in sozialer Interaktion verwurzelt ist, versuchen Tony und sein Forschungsteam, die künstliche Intelligenz sozialer Roboter zu fördern. Dieser Ansatz führt zu einer Reihe an Ergebnissen, die von theoretischen Erkenntnissen bis zu praktischen Anwendungen reicht. Er ist an groß angelegten Projekten beteiligt, in denen untersucht wird, wie Roboter zur Unterstützung von Kindern in der Bildung eingesetzt werden können. Er untersucht, wie kurze Interaktionen mit Robotern zu langfristigen werden können und wie Roboter in der Therapie eingesetzt werden können.

1.2.3Friederike Eyssel

Friederike Eyssel ist Professorin für Angewandte Sozialpsychologie und Geschlechterforschung am Zentrum für Kognitive Interaktionstechnologie der Universität Bielefeld. Friederike interessiert sich für verschiedene Forschungsthemen, die von sozialer Robotik, sozialen Agenten und Ambient Intelligenz bis hin zu Einstellungsänderungen, Vorurteilsabbau und der sexuellen Objektivierung von Frauen reichen. Friederike hat zahlreiche Publikationen in den Bereichen Sozialpsychologie, Human-Agent Interaction (HAI) und soziale Robotik veröffentlicht.

1.2.4Takayuki Kanda

Takayuki Kanda ist Professor für Informatik an der Universität Kyoto, Japan. Außerdem ist er Gastgruppenleiter bei Advanced Telecommunications Research (ATR), Interaction Science Laboratories, Kyoto, Japan. Er erhielt seinen Bachelor in Ingenieurwesen, seinen Master in Ingenieurwesen und seinen Doktortitel in Informatik von der Universität Kyoto, in den Jahren 1998, 2000 bzw. 2003. Er ist eines der Gründungsmitglieder des Kommunikationsroboter-Projekts am Advanced Telecommunications Research (ATR) in Kyoto. Er hat den Kommunikationsroboter Robovie entwickelt und ihn in alltäglichen Situationen eingesetzt, z.B. als Nachhilfelehrer in einer Grundschule und Ausstellungsführer in einem Museum. Zu seinen Forschungsinteressen gehören Human Agent Interaction, interaktive humanoide Roboter und Feldversuche.

1.2.5Merel Keijsers

Merel Keijsers ist Assistenzprofessorin für Psychologie an der John Cabot University in Rom. Sie hat einen Abschluss in Sozialpsychologie und Statistik und promovierte an der Universität Canterbury, über das Thema „Roboter-Mobbing“. In ihrer Doktorarbeit untersuchte sie, welche bewussten und unbewussten psychologischen Prozesse Menschen dazu veranlassen, Roboter zu missbrauchen und zu schikanieren. In jüngster Zeit interessiert sie sich dafür, wie Roboter beeinflussen, auf welche Art Menschen sich selbst sehen. Da sie aus dem Bereich der Sozialpsychologie kommt, interessiert sie sich vor allem für die Gemeinsamkeiten und Unterschiede im Umgang von Menschen mit Robotern im Vergleich zu anderen Menschen.

1.2.6Selma Šabanović

Selma Šabanović ist Professorin für Informatik und Kognitionswissenschaften an der Indiana University, Bloomington, USA, wo sie als Gründerin das R-House Human-Robot Interaction Lab leitet. Ihre Forschungsarbeit umfasst Studien zu Design, Nutzung und Folgen von sozial interaktiven und assistierenden Robotern in verschiedenen sozialen und kulturellen Kontexten, darunter Gesundheitseinrichtungen, Haushalten und verschiedene Länder. Sie befasst sich auch mit der kritischen Untersuchung der gesellschaftlichen Bedeutung und der potenziellen Auswirkungen der Entwicklung und des Einsatzes von Robotern in Kontext auf den Alltag. Sie promovierte 2007 in Wissenschafts- und Technologiestudien am Rensselaer Polytechnic Institute mit einer Dissertation über die kulturübergreifende Untersuchung der sozialen Robotik in Japan und den Vereinigten Staaten. Von 2017 bis 2023 war sie Chefredakteurin der Zeitschrift ACM Transactions on Human-Robot Interaction.

2Was ist Mensch-Roboter-Interaktion?

Was in diesem Kapitel behandelt wird

       Akademische Disziplinen, die auf dem Gebiet der Mensch-Roboter-Interaktion (HRI) zusammenkommen.

       Barrieren, die durch die unterschiedlichen Paradigmen der Disziplinen entstehen, und wie man sie umgehen kann.

       Geschichte und Entwicklung der HRI als Wissenschaft.

       Wegweisende Roboter in der Geschichte der HRI.

Die Interaktion zwischen Mensch und Roboter (Human-Robot Interaction, HRI) wird allgemein als ein neues und aufstrebendes Gebiet bezeichnet, die Idee der menschlichen Interaktion mit Robotern ist aber schon so alt wie die Idee der Roboter selbst. Isaac Asimov, der in den 1940er-Jahren den Begriff der „Robotik“ prägte, schrieb seine Geschichten um Fragen, welche die Beziehung zwischen Menschen und Robotern als Hauptteil der Analyse betrachten: „Wie sehr werden die Menschen Robotern vertrauen?“; „Welche Art von Beziehung kann ein Mensch zu einem Roboter haben?“; „Wie verändern sich unsere Vorstellungen davon, was menschlich ist, wenn wir Maschinen haben, die menschenähnliche Dinge in unserer Mitte tun?“ (siehe S. 315 für mehr über Asimov). Vor Jahrzehnten waren diese Ideen noch Science-Fiction, aber heute sind viele dieser Fragen real, in der heutigen Gesellschaft präsent und zu zentralen Forschungsfragen im Bereich der HRI geworden.

Dieses Kapitel soll den Rahmen für das vorliegende Buch abstecken. Da die HRI ein überaus vielfältiges Gebiet ist, werden in Abschnitt 2.1 die Hauptthemen dieses Buches hervorgehoben und erläutert. Abschnitt 2.2 befasst sich mit dem interdisziplinären Charakter dieses Fachgebiets und dessen Konsequenzen für die Forschung und das Roboterdesign. Schließlich bietet Abschnitt 2.3 einen zeitlichen Ablauf der Entwicklung von (sozialen) Robotern und liefert einen Überblick über die in der HRI am häufigsten eingesetzten Roboter.

Unterscheidung zwischen physischer und sozialer Interaktion

Die Robotik im Allgemeinen befasst sich traditionell mit der Entwicklung von physischen Robotern und der Art und Weise, wie diese Roboter die physische Welt beeinflussen. HRI ergänzt die Robotik und befasst sich mit der Vorgehensweise, wie Roboter mit Menschen als Teil ihrer sozialen Welt interagieren, und wie Menschen auf die Anwesenheit von Robotern reagieren. Wenn ein Roboter zum Beispiel eine Kiste in einem leeren Lagerhaus aufhebt oder ein Bürogebäude nach Feierabend reinigt, nimmt er die physische Welt wahr und handelt allein aufgrund der physikalischen Gegebenheiten seines eigenen Körpers und seiner Umgebung. Wenn der Roboter jedoch die Kiste zu einem Lagerarbeiter bringt, der sie mit den entsprechenden Materialien befüllen muss, oder einem Kunden in einem Café einen Kaffee serviert, oder mit Kindern in einem Innenhof Fangen spielt, muss er sich nicht nur mit den für diese Aktionen erforderlichen physischen Bewegungen auseinandersetzen, sondern auch mit den sozialen Aspekten seiner Umgebung. So muss er beispielsweise berücksichtigen, wo sich die Kinder, Kunden oder Büroangestellten aufhalten, wie er sich ihnen in einer Weise nähern kann, die sicher ist und die sie für angemessen halten, und wie er die entsprechenden sozialen Regeln der Interaktion befolgen kann. Solche sozialen Regeln, wie z.B. die Anwesenheit anderer anzuerkennen, oder zu wissen, wer bei einem Fangenspiel „dran“ ist, und mit „Gern geschehen“ zu antworten, wenn jemand „Danke“ sagt, mögen für Menschen selbstverständlich sein. Für einen Roboter sind all diese sozialen Regeln und Normen jedoch unbekannt und erfordern die Aufmerksamkeit des Roboterentwicklers. Dadurch werden in der HRI andere Fragen gestellt als in der Robotik.

Als Disziplin ist die HRI mit der Mensch-Computer-Interaktion (HCI), der Robotik, der künstlichen Intelligenz, der Technikphilosophie, der Psychologie und dem Design verbunden. Die in diesen Disziplinen sachkundigen Wissenschaftler haben gemeinsam an der Entwicklung von HRI gearbeitet und dabei Methoden und Strukturen aus ihren Heimatdisziplinen mitgebracht. Zudem haben sie neue Konzepte, Forschungsfragen und HRI-spezifische Wege zur Untersuchung und Entwicklung von Robotern, die mit Menschen interagieren, entwickelt.

Was macht HRI einzigartig? Im Mittelpunkt dieses Forschungsgebiets steht eindeutig die Interaktion von Menschen mit Robotern. Diese Interaktionen beinhalten in der Regel physisch verkörperte Roboter, und ihre Verkörperung unterscheidet sie von anderen Computertechnologien. Darüber hinaus werden soziale Roboter oft als soziale Akteure wahrgenommen, die eine kulturelle Bedeutung haben und einen starken Einfluss auf die heutige und zukünftige Gesellschaft ausüben. Wenn wir sagen, ein Roboter ist verkörpert, ist er kein Computer, der einfach auf Beinen oder Rädern steht. Stattdessen müssen wir verstehen, wie diese Verkörperung zu gestalten ist, sowohl in Bezug auf Software und Hardware, wie es in der Robotik üblich ist, als auch in Bezug auf ihre Auswirkung auf die Menschen und die Art von Interaktion, die sie mit einem solchen Roboter haben können.

Die Verkörperung eines Roboters setzt zwar physische Beschränkungen für die Art und Weise, wie er die Welt wahrnehmen und in ihr agieren kann, aber sie schafft auch Möglichkeiten für die Interaktion mit Menschen. Die physische Beschaffenheit des Roboters veranlasst Menschen dazu, auf ähnliche Weise auf den Roboter zu reagieren, wie sie mit Menschen interagieren. Wenn ein Roboter Augen hat, gehen die Menschen davon aus, dass der Roboter sie sehen kann. Wenn der Roboter einen Mund hat, wird davon ausgegangen, dass er sprechen kann. Menschen können durch Ähnlichkeit des Roboters zu ihnen, ihre Erfahrungen von zwischenmenschlicher Interaktion nutzen, um die Interaktion zwischen Mensch und Roboter zu verstehen und daran teilzunehmen. Diese Erfahrungen können sehr nützlich sein, um eine Interaktion zu gestalten, aber sie können auch zu Frustration führen, wenn der Roboter den Erwartungen der Nutzer nicht gerecht werden kann (dies wird in Kapitel 8 näher erläutert).

HRI konzentriert sich auf die Entwicklung von Robotern, die mit Menschen in verschiedenen Alltagsumgebungen interagieren können. Dies führt zu technischen Herausforderungen, die sich aus der Dynamik und Komplexität des Menschen und des sozialen Umfelds ergeben. Dadurch entstehen auch neue Herausforderungen für die Gestaltung des Aussehens, Verhaltens und der Wahrnehmungsfähigkeiten von Robotern, um die Interaktion anzuregen und zu steuern. Aus psychologischer Sicht bietet HRI die einzigartige Möglichkeit, menschliches Wirken, Wahrnehmungen und Verhalten zu untersuchen, wenn sie mit anderen sozialen Agenten als Menschen in Kontakt kommen. Soziale Roboter können in diesem Zusammenhang als Forschungsinstrumente für die Untersuchung psychologischer Mechanismen und Theorien dienen.

Schon bei der ersten Erwähnung des Begriffs „Roboter“ in Karel Čapeks Stück Rossums Universal Robots konzentrierte sich unsere Vision des idealen Roboters auf die Nachahmung menschenähnlicher Fähigkeiten, die oft durch eine humanoide Form repräsentiert werden, entweder als ganzer Körper wie bei Hondas Asimo (siehe Bild 2.1) oder in Teilen, wie bei den Roboterarmen oder ihrer eher anthropomorphen Darstellung bei den Sawyer-Robotern. Wenn wir uns den aktuellen Stand der Technik im Bereich der Mensch-Roboter-Interaktion ansehen, erkennen wir jedoch, dass die Verkörperungen von Robotern deutlich vielfältiger sind: Kugelförmige Roboter können herumrollen und mit Kindern interagieren (z.B. Sphero, Roball), Roboter können in der Luft fliegen (z.B. Drohnen), oder unter Wasser gehen (z.B. OceanOneK), Roboter, die Tiere imitieren und so tierähnliche Interaktionen mit Menschen fördern (z.B. Paro), oder sogar mit ihren biologischen Gegenstücken in der Natur interagieren können (z.B. Eichhörnchen-Roboter) und Roboter, die wie Gegenstände (z.B. Koffer, Mülleimer, Kisten) oder alltägliche Geräte wie Busse und Autos sowie viele andere Formen aussehen. Das Spannende an der HRI ist, dass sie unsere Vorstellungen davon, wie Roboter und unsere Interaktionen mit ihnen aussehen könnten, über die bekannten anthropomorphen Vorstellungen hinaus erweitern kann.

Bild 2.1Honda hat den Roboter Asimo von 2000 bis 2018 entwickelt (Quelle: Honda)

Wenn Roboter nicht nur Werkzeuge, sondern auch Co-Worker, Begleiter, Tutoren und andere Arten von sozialen Interaktionspartnern sind, wirft ihre Untersuchung und Gestaltung als Teil der HRI viele verschiedene Fragen über zwischenmenschliche Beziehungen und gesellschaftliche Entwicklung sowohl in der Gegenwart als auch in der Zukunft auf. Die HRI-Forschung befasst sich mit Fragen der sozialen und physischen Gestaltung von Technologien sowie mit der gesellschaftlichen und organisatorischen Umsetzung und der kulturellen Sinngebung auf eine Art, die sich von verwandten Disziplinen unterscheidet.

2.1Der Schwerpunkt dieses Buches

HRI ist ein großes, multidisziplinäres Gebiet, und dieses Buch liefert einen ersten Einstieg in die damit verbundenen Probleme, Prozesse und Lösungen. Dieses Buch ermöglicht es dem Leser, sich einen Überblick über das Gebiet zu verschaffen, ohne von der Komplexität all der Herausforderungen, mit denen wir konfrontiert sind, überwältigt zu werden, auch wenn wir Hinweise auf einschlägige Literatur geben, die der interessierte Leser in Ruhe recherchieren kann. Dieses Buch bietet eine dringend benötigte Einführung in das Gebiet, mit dem Ziel, dass sich Studenten, Wissenschaftler, Praktiker und politische Entscheidungsträger mit der Zukunft der Interaktion zwischen Mensch und Technik vertraut machen können. Als Einführung setzt dieses Buch keine weitreichenden Kenntnisse in einem der verwandten Bereiche voraus. Es erfordert lediglich die Neugier des Lesers, wie Menschen und Roboter miteinander interagieren können und sollten.

Nach einer Einführung in den Bereich der HRI und in die prinzipielle Funktionsweise eines Roboters konzentrieren wir uns auf das Design von Robotern. Als Nächstes befassen wir uns mit den verschiedenen Interaktionsmodalitäten, über die Menschen mit Robotern interagieren können, wie z.B. durch Sprache oder Gesten. Wir überlegen auch, wie wir verstehen und untersuchen können, wie Menschen Roboter wahrnehmen. Die Verarbeitung und Kommunikation von Emotionen ist die nächste Herausforderung, bevor wir uns mit der Rolle von Robotern in den Medien beschäftigen. Das Kapitel über Forschungsmethoden führt in die speziellen Probleme ein, mit denen Forscher bei der Durchführung empirischer Studien über die Interaktion von Menschen mit Robotern konfrontiert sind. Anschließend werden die Anwendungsbereiche sozialer Roboter und ihre spezifischen Herausforderungen behandelt, bevor weitergehende gesellschaftliche und ethische Fragen im Zusammenhang mit dem Einsatz sozialer Roboter erörtert werden. Das Buch schließt mit einem Blick in die Zukunft der HRI.

2.2HRI als interdisziplinäres Unterfangen

HRI ist von Natur aus und zwangsläufig ein multidisziplinäres und problembezogenes Gebiet. HRI bringt Wissenschaftler und Praktiker aus verschiedenen Bereichen zusammen: Ingenieure, Psychologen, Designer, Anthropologen, Soziologen und Philosophen, gemeinsam mit Wissenschaftlern aus weiteren Anwendungs- und Forschungsbereichen. Die Entwicklung einer erfolgreichen Mensch-Roboter-Interaktion erfordert die Zusammenarbeit verschiedener Fachrichtungen, etwa um die Robotik-Hardware und -Software zu entwickeln, das Verhalten von Menschen bei der Interaktion mit Robotern in verschiedenen sozialen Kontexten zu analysieren und um die Ästhetik der Verkörperung und Verhaltens des Roboters sowie das erforderliche Fachwissen für bestimmte Anwendungen zu schaffen. Diese Zusammenarbeit kann sich aufgrund der unterschiedlichen Fachjargons und der verschiedenen Forschungspraktiken und Arbeitsweisen schwierig gestalten. Was alle Akteure jedoch verbindet, ist die ausgeprägte Motivation, sich mit den verschiedenen Arten des Wissenserwerbs vertraut zu machen und diese zu respektieren. In diesem multidisziplinären Sinne ähnelt HRI dem Bereich der Mensch-Computer-Interaktion (HCI), wobei sich HRI durch Beschäftigung mit verkörperten Interaktionen mit intelligenten Agenten in verschiedenen sozialen Kontexten von HCI unterscheidet.

Bild 2.2HRI bedient sich mehrerer Disziplinen, zwischen denen es oft Barrieren gibt

Die verschiedenen Disziplinen, die einen Beitrag zur HRI leisten, unterscheiden sich voneinander in Bezug auf ihre gemeinsamen Überzeugungen, Werte, Modelle und Vorbilder (Bartneck und Rauterberg, 2007). Diese Aspekte bilden ein „Paradigma“, welches die Gemeinschaft der Theoretiker und Praktiker leitet (Kuhn, 1970). Forscher innerhalb eines Paradigmas haben gemeinsame Überzeugungen, Werte und Vorbilder. Eine Möglichkeit, die Schwierigkeiten bei der Zusammenarbeit an einem gemeinsamen Projekt zu verstehen, besteht in drei Barrieren (siehe Bild 2.2), die zwischen Designern [D], Ingenieuren [I] und Wissenschaftlern (insbesondere Sozialwissenschaftlern) [W] auftreten können:

1.      Wissensdarstellung (explizit [W, I] versus implizit [D]),

2.      Sicht auf die Realität (Verstehen [W] versus Umgestaltung der Realität [D, I]),

3.      Schwerpunkt (Technologie [I] versus Mensch [D, W]).

Barriere 1: Ingenieure [I] und Wissenschaftler [W] machen ihre Ergebnisse explizit, indem sie den aktuellen Wissensstand in Fachzeitschriften, Büchern und Konferenzberichten veröffentlichen und beschreiben oder Patente anmelden. Durch Diskussionen und Austausch unter Fachleuten wird diese Forschung optimiert und weiter vorangetrieben. Die Ergebnisse der Designer [D] hingegen werden hauptsächlich durch ihre konkreten Entwürfe dargestellt. Das für die Erstellung dieser Entwürfe erforderliche Designwissen liegt beim einzelnen Designer vor allem als implizites Wissen vor, das oft als Intuition bezeichnet und der Gemeinschaft in Form allgemeiner Grundsätze beschrieben wird.

Barriere 2: Ingenieure [I] und Designer [D] formen die Welt in bevorzugte Zustände um (Simon, 1996; Vincenti, 1990). Sie überlegen zunächst, wie ein bestimmter Zustand der Welt erreicht werden kann, beispielsweise wie man zwei Ufer eines Flusses verbinden könnte. Anschließend setzen sie eine Veränderung um, etwa durch den Bau einer Brücke. Wissenschaftler [W] versuchen in erster Linie, die Welt durch das Streben nach Wissen über allgemeine Wahrheiten oder die Funktionsweise allgemeiner Gesetze zu verstehen. Vorschläge für Eingriffe und Veränderungen können zwar aus der wissenschaftlichen Arbeit abgeleitet werden, liegen aber oft außerhalb der Zuständigkeit der wissenschaftlichen Arbeit selbst.

Barriere 3: Wissenschaftler [W] und Designer [D] interessieren sich in erster Linie für den Menschen in seiner Rolle als möglicher Nutzer. Designer interessieren sich für die Werte, die für potenzielle Endnutzer von Robotern bedeutsam sein könnten. Diese werden dann als Anforderungen an den Roboter definiert und in eine technische Lösung überführt. Wissenschaftler in der HCI-Community werden typischerweise mit den Sozial- oder Kognitionswissenschaften in Verbindung gebracht. Sie interessieren sich für die Fähigkeiten und Verhaltensweisen der Nutzer wie Wahrnehmung, Kognition und Handlung sowie für die Art und Weise, wie diese Faktoren durch die verschiedenen Kontexte, in denen sie auftreten, beeinflusst werden. Ingenieure [I] interessieren sich hauptsächlich für Technik, einschließlich Software für interaktive Systeme. Sie untersuchen die Struktur und die Funktionsprinzipien dieser technischen Systeme, um bestimmte Probleme zu lösen.

Ist man sich dieser disziplinären Unterschiede bewusst, bevor man ein HRI-Projekt in Angriff nimmt, kann dies zu einer fruchtbaren Zusammenarbeit beitragen, bei der die verschiedenen Arten von Wissen und Praktiken der verschiedenen Disziplinen berücksichtigt werden. Es ist klar, dass ein HRI-Projekt Fachwissen aus verschiedensten Disziplinen erfordern kann, aber nicht jedes HRI-Projekt kann es sich leisten, Spezialisten aus all diesen Disziplinen zu beschäftigen. Viele Projekte werden auch Personen aus anderen Disziplinen, wie z.B. Ethiker oder Bildungsforscher, und aus Anwendungsbereichen, wie z.B. Mediziner oder Pädagogen, einbeziehen müssen. HRI-Forscher müssen bereit sein, sich Fachwissen in einer Vielzahl von Bereichen anzueignen. So müssen zwar keine Brücken zu Kollegen anderer Disziplinen geschlagen und ein gemeinsamer Nenner gefunden werden, jedoch ist dieses Vorgehen auch recht einschränkend. Dies liegt daran, dass wir oft eben nicht wissen, was wir nicht wissen. Daher ist es wichtig, sich entweder mit allen oder vielen der beteiligten Disziplinen direkt zu befassen oder sich zumindest mit Fachleuten aus den jeweiligen Bereichen auszutauschen. In dem Maße, in dem das Feld der HRI wächst und reift, erweitert es sich auch um immer mehr unterschiedliche Disziplinen (z.B. Geschichte oder Kunst), Rahmen und Methoden, was einen noch umfangreicheren Wissensbedarf zur Folge haben kann. In diesem Fall sollten Sie sich angewöhnen, nicht nur in Ihrer eigenen Disziplin oder Ihrem Teilbereich der HRI, sondern auch in verwandten Bereichen Literatur zu lesen, um zu verstehen, wie Ihre eigene Arbeit in das Gesamtbild bestehender Forschung passt. Bei der Entwicklung spezifischer HRI-Anwendungen ist es außerdem von entscheidender Bedeutung, von Beginn des Projekts an mit Fachleuten aus dem Bereich, einschließlich potenziellen Nutzern und Interessenvertretern, zusammenzuarbeiten, um sicherzustellen, dass relevante Fragen gestellt werden, geeignete Methoden verwendet werden und man sich der potenziellen weiterreichenden Folgen der Forschung für den Anwendungsbereich bewusst ist.

Bild 2.3Der Roboter Mirokai von Enchanted Tools, Frankreich. Er kombiniert omnidirektionale Navigation mit zwei Roboterarmen und einem rückprojizierten Gesicht (Quelle: Enchanted Robots)

2.3Die Entwicklung von sozialen Robotern und HRI

Das Konzept des „Roboters“ hat eine lange und reiche Geschichte in der kulturellen Vorstellungskraft vieler verschiedener Gesellschaften, die Tausende von Jahren zurückreicht, bis hin zu Erzählungen über menschenähnliche Maschinen, der späteren Entwicklung von Automaten, die bestimmte menschliche Fähigkeiten nachahmen, und neueren Science-Fiction-Erzählungen über Roboter in der Gesellschaft. Auch wenn diese kulturellen Vorstellungen von Robotern nicht immer technisch realistisch sind, prägen sie jedoch die Vorstellungen der Menschen von und ihre Reaktionen auf Roboter.

Seit dem Auftauchen des Begriffs „Roboter“, zunächst in der Literatur und später als reale Maschinen, haben wir über die Beziehung zwischen Robotern und Menschen nachgedacht und darüber, wie sie miteinander interagieren könnten. Jede neue technologische oder konzeptionelle Entwicklung in der Robotik hat uns gezwungen, unsere Beziehung zu Robotern und unsere Wahrnehmung von ihnen zu überdenken.

Der Begriff „Sozialroboter“ wurde 1935 zum ersten Mal in der Literatur erwähnt und als abwertende Bezeichnung für eine Person verwendet, die eine kalte und distanzierte Persönlichkeit hat.

Durch Kriecherei und Schleimerei seinen autokratischen Vorgesetzten gegenüber wird er befördert. Er ist ein Erfolg fürs Unternehmen. Aber dafür hat er alles geopfert, was individuell war. Er ist ein sozialer Roboter geworden, ein Rädchen im Getriebe.

(Sargent, 2013)

Im Jahr 1978 wurde der Begriff „sozialer Roboter“ zum ersten Mal im Zusammenhang mit der Robotik erwähnt. In einem Artikel der Zeitschrift Interface Age wurde beschrieben, wie ein Serviceroboter neben Fähigkeiten wie Hindernisvermeidung, Balancieren und Gehen auch soziale Fähigkeiten benötigt, um in einer häuslichen Umgebung zu funktionieren. Der Artikel nennt diesen Roboter einen „sozialen Roboter“.

Als 1961 der erste Industrieroboter, der Unimate, im Inland Fisher Guide Plant von General Motors in Ewing Township, New Jersey, installiert wurde, überlegten die Menschen zwar, wie sie mit dem Roboter interagieren würden, aber sie waren eher besorgt darüber, welche Rolle der Roboter unter den menschlichen Arbeitern einnehmen würde. Menschen, die zum ersten Mal verhaltensbasierte Roboter sahen, konnten nicht anders, als über die Lebensnähe des Roboters zu staunen. Einfache reaktive Verhaltensweisen (Braitenberg, 1986), die auf kleinen mobilen Robotern implementiert wurden, brachten Maschinen hervor, die lebendige Wesen zu sein schienen. Die in den Forschungslabors der 1990er-Jahre umherwuselnden und zappelnden Roboter erweckten menschenähnliche Charaktereigenschaften und veränderten unsere Vorstellung davon, wie Intelligenz oder zumindest der Anschein von Intelligenz erzeugt werden kann, grundlegend (Brooks, 1991; Steels, 1993). Dies führte zur Entwicklung von Robotern, die durch schnelles, reaktives Verhalten ein Gefühl von sozialer Präsenz vermitteln.

Ein frühes Beispiel für einen sozialen Roboter ist Kismet (siehe Bild 2.4). Kismet wurde 1997 am Massachusetts Institute of Technology entwickelt und war eine Kombination aus Kopf und Hals eines Roboters, die auf einer Tischplatte montiert war. Kismet konnte seine Augen, Augenbrauen, Lippen und seinen Hals bewegen, sodass er seinen Kopf schwenken, neigen und kippen konnte. Auf der Grundlage visueller und akustischer Eingaben reagierte er auf Objekte und Personen, die in seinem Gesichtsfeld auftauchten. Er extrahierte Informationen über visuelle Be­wegung, visuelles Erscheinen, Tonlautstärken und Emotionen aus der Prosodie der Sprache und reagierte, indem er seine Mimik, die Ohren und den Hals animierte und in einer nichtmenschlichen Sprache plapperte (Breazeal, 2003). Auch wenn Kismets Steuerungssoftware relativ rudimentär war, gelang es dennoch mit wenigen Mitteln die Idee der sozialen Präsenz zu vermitteln. Dies geschah nicht nur durch seine Hardware- und Software-Architekturen, sondern auch durch das Ausnutzen von psychologischen Mechanismen, einschließlich des sogenannten „Kindchenschema“, einer Veranlagung, Dinge mit großen Augen und übertriebenen Merkmalen auf soziale Weise zu begegnen, obwohl sie keine voll funktionsfähigen sozialen Fähigkeiten haben (Jia et al., 2015).

Bild 2.4Kismet (1997 – 2004), ein frühes Beispiel für soziale Mensch-Roboter-Interaktionsforschung des Massachusetts Institute of Technology (Quelle: Daderot)

Wie viele Roboter in den Anfängen der sozialen Robotik und der HRI war Kismet ein maßgeschneiderter Roboter, der den Forschern nur in einem Labor zur Verfügung stand und ständige Weiterentwicklung durch Studenten, Postdocs und andere Forscher erforderte, um die Fähigkeiten des Roboters aufrechtzuerhalten und auszubauen. Diese Einschränkungen begrenzten verständlicherweise die Anzahl der Personen und das Spektrum der Fachgebiete, die anfangs an der HRI-Forschung teilnehmen konnten. In jüngster Zeit wurde die HRI-Forschung durch die Verfügbarkeit preisgünstiger kommerzieller Plattformen unterstützt, die von Labors leicht erworben werden können. Diese erweiterten sowohl die Reproduzierbarkeit und Vergleichbarkeit der HRI-Forschung in verschiedenen Labors als auch den Kreis der Personen, die sich mit dieser Disziplin beschäftigen können.

Eine Reihe von kommerziell erhältlichen Robotern hat einen erheblichen Einfluss auf das Feld gehabt. Im Folgenden werden einige der am häufigsten verwendeten Roboter vorgestellt. Diese Liste erhebt jedoch keinen Anspruch auf Vollständigkeit, da immer wieder neue Roboter auf den Markt kommen, etablierte Roboter aus dem Programm genommen werden und bestehende Roboter, die bisher nicht in der HRI eingesetzt wurden, für die Forschung im Bereich der sozialen Robotik übernommen und angepasst werden. Die im Folgenden besprochenen Roboter haben jedoch alle ihren Stempel auf dem Gebiet hinterlassen und werden im Laufe dieses Buches wieder auftauchen.

Der vielleicht einflussreichste Roboter auf dem Gebiet der sozialen Robotik ist der Nao (siehe Bild 2.5). Nao wurde ursprünglich von dem französischen Unternehmen Aldebaran Robotics entwickelt, das 2015 von Softbank Robotics übernommen wurde und zu Softbank Robotics Europe wurde, bis es 2022 an die deutsche United Robotics Group verkauft wurde, die es wieder in Aldebaran Robotics umbenannte.

Bild 2.5Nao (2006 – heute), ein 58 cm großer humanoider Roboter, eine der beliebtesten Forschungsplattformen im Bereich der sozialen Robotik

Nao wurde erstmals 2006 verkauft und da er erschwinglich (ein Nao kostet weniger als 10 000 US-Dollar), robust und einfach programmiert ist, wurde er zu einer weit verbreiteten Roboterplattform für die Untersuchung von HRI. Aufgrund seiner Größe ist er auch sehr mobil, sodass Studien auch außerhalb des Labors durchgeführt werden können. Ein weiterer kleiner humanoider Roboter, der später auf den Markt kam, ist QT von LuxAI, der für den Einsatz in Forschungs- und Bildungskontexten gedacht ist.

Aldebaran Robotics hat auch Pepper entwickelt, einen Humanoiden mit der Größe eines Kindes, der ein Tablet in die Brust eingebaut hat (siehe Bild 2.6). Einige Geschäfte nutzen Pepper, um Besucher anzulocken und Produkte oder Dienstleistungen zu vermarkten. Die Produktion von Pepper-Robotern wurde Berichten zufolge im Jahr 2020 eingestellt, obwohl der Roboter zum Zeitpunkt der Überarbeitung dieses Buches noch zum Verkauf angeboten wurde.

Bild 2.6Roboter Pepper (2014 – heute) und seine Sensoren (Quelle: Softbank Robotics und Philippe Dureuiltoma)

Der von Hideki Kozima entwickelte Keepon-Roboter (siehe Bild 2.7) ist relativ klein und wenig komplex, er besteht nur aus zwei weichen gelben Kugeln, die mit einer Nase und zwei Augen versehen wurden. Der Roboter kann sich mithilfe von Motoren, in die Basis des Roboters eingearbeitet sind, drehen, biegen und wippen (Kozima et al., 2009). Keepon wurde später als erschwingliches Spielzeug zum Preis von etwa 40 USD vermarktet und kann mit einigen moderaten Eingriffen als Forschungsinstrument für HRI verwendet werden. Studien mit dem Keepon-Roboter haben überzeugend gezeigt, dass ein sozialer Roboter nicht menschenähnlich erscheinen muss. Die einfache Form des Roboters reicht aus, um Interaktionsergebnisse zu erzielen, für die man die Notwendigkeit von komplexeren und menschenähnlicheren Roboter vermutet hatte.

Ein weiterer Roboter mit einfachem Design, ist der Begleit- und Therapieroboter Paro (siehe Bild 2.8) mit der Gestalt eines Robbenbabys. Er ist besonders beliebt bei der Untersuchung sozialer Assistenzroboter in der Altenpflege und anderen Szenarien. Paro ist seit 2006 in Japan und seit 2009 in den Vereinigten Staaten und Europa kommerziell erhältlich (Preis: ca. 7500 USD) und ist eine robuste Plattform, die fast keine technischen Kenntnisse für den Betrieb erfordert. Paro wurde daher von verschiedenen Psychologen, Anthropologen und Gesundheitsforschern eingesetzt, um zum einen die potenziellen psychologischen und physiologischen Auswirkungen auf den Menschen zu untersuchen und zum anderen zu erforschen, wie Roboter in Gesundheitseinrichtungen eingesetzt werden könnten. Die Einfachheit der Bedienung und die Robustheit des Roboters ermöglichen seinen Einsatz in vielen verschiedenen Kontexten, auch in Langzeit- und wissenschaftlichen Studien. Gleichzeitig stellt die Tatsache, dass es sich um eine geschlossene Plattform handelt, die es nicht erlaubt, Roboterprotokolle oder Sensordaten vom Roboter zu extrahieren oder das Verhalten des Roboters zu ändern, einige Einschränkungen für die HRI-Forschung dar.

Bild 2.7Keepon (2003–heute), ein minimaler sozialer Roboter, entwickelt von Hideki Kozima (Quelle: Hideki Kozima, Tohoku Universität)

Bild 2.8Paro (2003–heute), ein sozialer Roboter, der einem Sattelrobbenbaby ähnelt. Paro ist als sozialer Begleitroboter vorgesehen (Quelle: National Institute of Advanced Industrial Science and Technology)

Der Baxter-Roboter, der bis 2018 von Rethink Robotics verkauft wurde, ist sowohl ein Industrieroboter als auch eine Plattform für HRI-Forschung (Bild 2.9). Die beiden Arme des Roboters sind aktiv nachgiebig: Im Gegensatz zu den starren Roboterarmen typischer Industrieroboter bewegen sich die Arme von Baxter als Reaktion auf eine von außen einwirkende Kraft. In Kombination mit anderen Sicherheitsmerkmalen ist der Baxter-Roboter sicher, wodurch er sich für die Zusammenarbeit mit anderen Menschen eignet.

Bild 2.9Baxter (2011 – 2018) und Sawyer (2015 – 2018), Industrieroboter mit nachgiebigen Armen von Rethink Robotics. Baxter war der erste Industrieroboter, der Funktionen zur sozialen Interaktion in einen industriellen Manipulator integrierte (Quelle: Rethink Robotics, Inc.)

Darüber hinaus verfügt Baxter über einen in Kopfhöhe angebrachten Bildschirm, auf dem die Steuerungssoftware Gesichtsanimationen anzeigen kann. Baxters Gesicht kann genutzt werden, um seinen inneren Zustand mitzuteilen, und seine Augenfixierungen vermitteln dem menschlichen Mitarbeiter ein Gefühl der Aufmerksamkeit.

2017 brachte Anki den Cozmo-Roboter auf den Markt (Bild 9.4), dem 2018 der Vector-Roboter folgte. Im Jahr 2020 wurde Anki von Digital Dream Labs übernommen, das 2021 eine zweite Version des Roboters herausbrachte. Während beide Roboter vom Design her vergleichbar sind, wurde Cozmo in erster Linie als Lern- oder Forschungswerkzeug konzipiert, wobei sein Verhalten über eine App oder direkt durch Programmierung mit Python angepasst werden kann. Vector hingegen ist autonomer und reagiert auf Sprachbefehle und enthält vordefinierte Verhaltensweisen. Cozmo und Vector kosten etwa 500 USD und werden beide in der HRI-Forschung eingesetzt.

Auch Roboter, die nicht explizit für die HRI konzipiert wurden, können für HRI-Studien verwendet oder sogar modifiziert werden. Der kommerziell erfolgreichste Heimroboter ist nach wie vor der Staubsaugerroboter iRobot Roomba (versionsabhängiger Preis zwischen 500 und 3000 USD), von dem weltweit mehrere Millionen verkauft wurden. Roombas sind nicht nur ein interessantes Mittel, um die Beziehung der Öffentlichkeit zu Robotern zu untersuchen (Forlizzi und DiSalvo, 2006), sondern wurden auch für die HRI-Forschung modifiziert und gehackt. iRobot stellt auch Lernroboter her, den Root (250 USD) und den Create (300 USD), denen die Staubsaugerkomponente fehlt und für Forschungs- und Bildungsprogramme über Robotern verwendet werden können.

Ein weiterer Verbraucherroboter, der in der HRI-Forschung verwendet wurde, ist der von Sony entwickelte Aibo, ein Beispiel für einen tierähnlichen Roboter (siehe Bild 2.10). Der mechanische Hund kann sehen, hören, Berührungen wahrnehmen, Laute von sich geben, mit den Ohren und dem Schwanz wedeln und sich auf seinen vier Beinen fortbewegen. Die ersten Aibo-Modelle wurden 1999 verkauft, und der Verkauf wurde 2006 eingestellt. Elf Jahre später begann der Verkauf neuer Modelle zu einem Preis von etwa 3000 USD erneut.

Bild 2.10Aibo Roboter ERS-1000 (2018–heute) (Quelle: Sony)

Schließlich brachte Amazon im Jahr 2022 seinen Haushaltsroboter Astro auf den Markt (Bild 2.11). Dieser Hausüberwachungsroboter integriert die KI-Assistentin Alexa mit einem kniehohen Tablet, das auf einem dreirädrigen Fahrzeug montiert ist. Er kann für die Haussicherheit (als ferngesteuerte Kamera auf Rädern), die Zustellung von Nachrichten und kleinen Gegenständen im Haus sowie für alle Aufgaben eingesetzt werden, die üblicherweise mit Tablets verbunden sind: Videoanrufe, Streaming von Sendungen und Filmen, Nachschlagen von Informationen im Internet.

Bild 2.11Das Astro (2022 – heute) integriert Amazons Alexa in eine Roboterplattform und kann als Hausüberwachungssystem verwendet werden (Quelle: Amazon)

Obwohl die Verfügbarkeit von erschwinglichen kommerziellen Robotern mit offenen Anwendungsschnittstellen zu einem Anstieg an HRI-Studien führte, hat eine zweite Entwicklung den Bau von selbst gebauten sozialen Robotern ermöglicht. Neue Entwicklungen im mechatronischen Prototyping bedeuten, dass Roboter modifiziert, gehackt oder von Grund auf neu gebaut werden können. Dreidimensionaler Druck (3D), Laser und die Verfügbarkeit kostengünstiger Einplatinencomputer haben es den Forschern ermöglicht, Roboter in kurzer Zeit und zu minimalen Kosten zu bauen und zu modifizieren. Das reicht von kleinen Robotern wie Blossom (siehe Bild 2.12) (Suguitan und Hoffman, 2019) oder Ono (Vandevelde et al., 2016) bis hin zu ausgewachsenen Humanoiden wie InMoov (Bild 2.13).

Bild 2.12Blossom (2019 – heute) ist ein Open-Hardware- und Open-Source-Roboter, den du selbst basteln und mit Accessoires ausstatten kannst. Hier trägt er eine gehäkelte Hülle (Quelle: Michael Suguitan)

Bild 2.13InMoov (2012 – heute) kann mithilfe von Rapid-Prototyping-Technologie und leicht erhältlicher Komponenten gebaut werden. Der InMoov-Roboter ist ein sozialer Open-Source-Roboter

Wie Sie sehen können, eröffnet die Vielfalt der Roboterhardware endlose Forschungsfragen, die aus einer multidisziplinären Perspektive heraus behandelt werden können. Abschnitt 3.2 geht näher auf die verschiedenen Arten von Robotern. Einen Überblick über die vielen verfügbaren Roboter finden Sie in den Datenbanken, zusammengestellt von ABOT1 und IEEE2.

Im Gegensatz zu anderen Disziplinen legt die HRI einen besonderen Schwerpunkt auf die Untersuchung der sozialen Interaktionen zwischen Menschen und Robotern, nicht nur in Zweiergruppen, sondern auch in Gruppen, Institutionen und früher oder später auch in unserer Gesellschaft. Wie in diesem Buch deutlich wird, sind technologische Fortschritte das Ergebnis gemeinsamer interdisziplinärer Anstrengungen, die wichtige gesellschaftliche und ethische Implikationen haben. Die Berücksichtigung dieser Aspekte im Rahmen einer auf den Menschen ausgerichteten Forschung wird hoffentlich zur Entwicklung von Robotern führen, die allgemein akzeptiert werden und den Menschen zum Wohl der Allgemeinheit dienen.

Diskussionsfragen

       Die HRI bezieht Erkenntnisse aus vielen anderen Forschungsbereichen und -disziplinen. Welche anderen Bereiche können von der HRI-Forschung profitieren?

       Sind Sie Designer, Ingenieur oder Sozialwissenschaftler? Versuchen Sie sich eine Situation vorzustellen, in der Sie mit anderen zusammenarbeiten, um einen Roboter zu konstruieren (wenn Sie z.B. Ingenieur sind, arbeiten Sie jetzt mit einem Designer und einem Sozialwissenschaftler an diesem Projekt). Inwiefern unterscheidet sich Ihre Arbeitsweise von den Ansätzen, die die anderen Teamkollegen verwenden könnten?

       Was ist der Hauptunterschied zwischen den Disziplinen HRI und HCI, und was macht HRI als neues Feld einzigartig?

2.4Übungen

Die richtigen Antworten auf diese Fragen finden Sie in Kapitel 14.

Übung 1 Disziplinen

Was ist der Hauptunterschied zwischen den Disziplinen der Mensch-Roboter-Interaktion (HRI) und der Mensch-Computer-Interaktion? Wählen Sie eine Option aus der folgenden Liste aus:

1.      HRI verwendet nur einen Computer, HCI hingegen viele.

2.      HRI konzentriert sich auf verkörperte soziale Agenten, während HCI sich auf Interaktionen mit Computern fokussiert.

3.      HCI konzentriert sich auf Computer, während HRI sich auf den Menschen konzentriert.

4.      Roboter benutzen keine Computer.

5.      HRI befasst sich mit der Interaktion zwischen Maschinen, während sich HCI auf die Interaktion zwischen Menschen konzentriert.

Übung 2 Ihr Hintergrund

Was ist Ihr schulischer/beruflicher Hintergrund? (Diese Übung kann Ihnen helfen, sich bewusster zu machen, aus welchem Blickwinkel Sie sich der HRI am ehesten nähern werden). Auch wenn Sie vielleicht mehr als einen Hintergrund haben, wählen Sie unten Ihren Hauptwerdegang aus:

1.      Sozialwissenschaften (Psychologie, Soziologie, Anthropologie, usw.)

2.      Ingenieurwesen (Informatik, Maschinenbau, Elektrotechnik, Mechatronik, usw.)

3.      Design (Interaktionsdesign, Produktdesign, User-Experience-Design (UX))

Übung 3 Was macht Roboter sozial und gut?

Schauen Sie sich diese beiden Videos an und beantworten Sie dann die beiden folgenden Fragen.

       Cynthia Breazeal, „Entwicklung einer sozialen und empathischen KI“, siehe https://youtu.be/T52g7dCxJ4A

       Henry Evans und Chad Jenkins, „Robots for Humanity“, siehe https://youtu.be/aCIukWXmlV4

1.      Laut Cynthia Breazeal ist Kismet der „erste soziale Roboter“. Was macht Kismet (und die anderen im vorangegangenen Kapitel besprochenen Roboter) sozial? Würden Sie sagen, dass Roboter auf eine andere Weise sozial sind als Menschen, und wenn ja, wie?

2.      Breazeal legt dar, wie KI so gestaltet werden kann, dass sie dem Menschen mehr hilft, und Evans und Jenkins zeigen einige Möglichkeiten auf, wie die Verkörperung von Robotern die menschlichen Fähigkeiten erweitern kann. Was hat Sie an diesen Möglichkeiten für den Einsatz von Robotern „zum Wohle der Gesellschaft“ gereizt? Fallen Ihnen soziale Probleme ein, mit denen wir in der Gesellschaft konfrontiert sind und bei denen die von Breazeal, Evans und Jenkins vorgestellten Arten von Roboterfähigkeiten hilfreich sein könnten?

1www. abotdatabase.info

2https://robots.ieee.org/robots/

3Wie ein Roboter funktioniert

Was in diesem Kapitel behandelt wird

       Die grundlegenden Hardware- und Softwarekomponenten, aus denen ein Roboter besteht.

       Die Techniken, die wir anwenden können, um einen Roboter für die Interaktion mit Menschen fit zu machen.

Um die Funktionsweise eines Roboters zu verstehen, spielen wir ein Rollenspiel: Dafür stellen wir uns vor, ein Roboter zu sein. Wir denken vielleicht, dass wir eine Menge Dinge tun können, finden aber bald heraus, dass unsere Fähigkeiten stark eingeschränkt sind. Wenn wir ein neu gebauter Roboter ohne entsprechende Software sind, sind unsere Gehirne völlig leer. Wir können nichts tun – weder uns bewegen, haben keine Orientierung, noch können wir verstehen, was um uns herum geschieht, oder um Hilfe bitten. Wir finden die Erfahrung, ein Roboter zu sein, ziemlich seltsam und schwer vorstellbar. Die Hauptursache für diese Befremdlichkeit ist, dass das Gehirn des neuen Roboters einem menschlichen Gehirn nicht ähnelt, nicht einmal dem eines Kleinkindes. Der Roboter hat keine grundlegenden Instinkte, keine Ziele, kein Gedächtnis, keine Bedürfnisse, keine Lernfähigkeit und keine Fähigkeit, zu fühlen oder zu handeln. Um ein Robotersystem zu bauen, müssen wir Hardware und Software integrieren und zumindest teilweise gemeinsam entwickeln, damit der Roboter die Welt wahrnehmen und in ihr handeln kann.

Dieses Kapitel richtet sich an Leser, die nur über ein begrenztes technisches Hintergrundwissen im Bereich der intelligenten interaktiven Robotik verfügen. Es beschreibt die üblichen Komponenten eines Roboters und wie sie miteinander verbunden sind, um die Teilnahme an der Interaktion zu ermöglichen. Abschnitt 3.1 erläutert die grundlegenden Ideen zu den Komponenten, die für den Bau eines Roboters benötigt werden. Abschnitt 3.2 erklärt die Arten von Hardware. Abschnitt 3.3 befasst sich mit der Integration von Hardware und Software und beschreibt die Wahrnehmung (z.B. Computer Vision), Planung und Handlungssteuerung des Roboters. In Abschnitt 3.4 werden Sensoren wie Kameras, Entfernungsmesser und Mikrofone und in Abschnitt 3.5 die Aktoren vorgestellt. Abschnitt 3.6 befasst sich mit Software, die speziell dafür entwickelt wurde, andere Software zu einem kohärenten Programm zu verbinden. Abschnitt 3.7 behandelt die Modellierung der Interaktion zwischen dem Roboterprogramm und der Umgebung, während Abschnitt 3.8 speziell auf künstliche Intelligenz (KI) und maschinelles Lernen. In Abschnitt 3.9 werden schließlich die größten Einschränkungen der Robotik erörtert.

3.1Die Entstehung eines Roboters

Beim Bau eines Roboters besteht einer der ersten Schritte darin, Verbindungen zwischen den Sensoren, dem Computer und den Motoren des Roboters herzustellen, damit der Roboter im übertragenen Sinne in der Lage ist, seine Sinne zu schärfen, Eindrücke zu interpretieren, Aktionen zu planen und diese dann auszuführen. Sobald der Roboter z.B. mit einer Kamera verbunden ist, kann sein Computer die von der Kamera gelieferten Daten lesen. Das Kamerabild ist jedoch nichts anderes als eine große Zahlentabelle, ähnlich der folgenden Tabelle:

9

15

10

89

76

81

25

34

29

Kannst du anhand dieser Zahlen erraten, was der Roboter sieht? Vielleicht einen Ball, einen Apfel oder eine Gabel? Wenn wir davon ausgehen, dass jeder Wert in der Tabelle den Helligkeitswert eines Sensorelementes in der Kamera darstellt, können wir diese Zahlen in eine Grafik übersetzen, die für den Menschen aussagekräftiger ist (siehe Bild 3.1), aber für den Roboter bleibt die Grafik bedeutungslos.

Bild 3.1Die Kameradaten werden in ein Raster aus Graustufenpixel übersetzt

In Bild 3.1 ist vielleicht eine Linie zu sehen, aber ein Roboter hat keine Vorstellung davon, was eine Linie ist. Diese Linie könnte der Rand einer Klippe sein, von der der Roboter herunterfallen und beschädigt werden könnte. Jedoch hat der Roboter kein Konzept von Höhe oder Schwerkraft. Er würde nicht begreifen, dass er fallen könnte, wenn er diese Linie überschreitet. Er weiß nicht, dass er nach einem Sturz wahrscheinlich auf dem Kopf stehen würde. Ohne die entsprechenden Sensoren würde er weder registrieren, dass er fällt, noch, dass er beim Aufprallen auf den Boden abrupt zum Stehen kommt. Er würde nicht einmal erkennen, dass sein Arm gebrochen wäre. Mit anderen Worten: Selbst Konzepte, die für die Interaktion mit der Welt um uns herum und für unser Überleben entscheidend und dem Menschen angeboren sind, müssen explizit in einem Roboter programmiert werden.

Ein Roboter ist im Grunde genommen ein Computer mit einem Körper. Jede Funktionalität muss in den Roboter programmiert werden. Ein Problem, mit dem alle Roboter zu kämpfen haben, ist, dass ihre Sensoren und Motoren zwar für den Betrieb in dieser Welt ausreichen, nicht aber ihre Intelligenz. Jedes Konzept, das für Robotiker von Interesse ist, muss in den Roboter programmiert werden. Dies erfordert viel Zeit und Mühe und beinhaltet oft viele Zyklen aus Versuch und Irrtum. Die analoge Welt da draußen wird in eine digitale Welt umgewandelt, und die Übersetzung von Zahlentabellen in aussagekräftige Informationen und sinnvolle Antworten ist eines der Kernziele der künstlichen Intelligenz. In der Lage zu sein, ein Gesicht aus einer großen Wertetabelle zu identifizieren, zu erkennen, ob man einer Person zuvor begegnet ist, und den Namen dieser Person zu kennen, sind alles Fähigkeiten, die Programmierung oder Lernen erfordern. Der Fortschritt der Mensch-Roboter-Interaktion wird also durch die Fortschritte im Bereich der künstlichen Intelligenz eingeschränkt. Robotikingenieure integrieren Sensoren, Software und Aktoren, damit der Roboter seine physische und soziale Umgebung wahrnehmen und mit ihr interagieren kann. Ein Ingenieur könnte zum Beispiel Beschleunigungssensoren verwenden, die die Beschleunigung und die Erdanziehungskraft erfassen, um die Ausrichtung des Roboters zu messen und festzustellen, ob er gefallen ist. Ein Klippensensor, der aus einer kleinen, nach unten gerichteten Infrarot-Lichtquelle und einem Lichtsensor besteht, kann vom Roboter verwendet werden, um zu verhindern, dass er eine Treppe hinunterfällt.

Zu den typischen Problemen, die Roboteringenieure für den Roboter lösen müssen, gehören die folgenden:

       Welche Art von Körper hat der Roboter? Hat er Räder? Hat er Arme?

       Woher soll der Roboter wissen, wo er sich im Raum befindet?

       Wie steuert und positioniert der Roboter seine Körperteile – zum Beispiel Arme, Beine, Räder?

       Wie sieht der Raum um den Roboter herum aus? Gibt es Hindernisse, Klippen, Türen? Was muss der Roboter über diese Umgebung wahrnehmen können, um sich sicher zu bewegen?

       Was sind die Ziele des Roboters? Wie weiß er, wann er sie erreicht hat?

       Gibt es Menschen in der Nähe? Wenn ja, wo sind sie, und wer sind sie? Woher soll der Roboter das wissen?

       Sieht eine Person den Roboter an? Spricht jemand mit ihm? Wenn ja, was versteht der Roboter von diesen Hinweisen?

       Was versucht der Mensch zu tun? Was möchte der Mensch, dass der Roboter tut? Wie können wir sicherstellen, dass der Roboter dies versteht?

       Was sollte der Roboter tun, und wie sollte er reagieren?

       Hat der Roboter noch genug Batterie?

Um diese Fragen zu beantworten, müssen HRI-Forscher eine geeignete Hardware und Morphologie für den Roboter bauen oder auswählen und dann entsprechende Programme – die Software – entwickeln, die dem Roboter sagen können, was er mit seinem Körper tun soll.

3.2Robotertypen

Zum Zeitpunkt des Verfassens dieses Buch wurden bereits eine Reihe von Robotern für den Verbrauchermarkt produziert. In Abschnitt 2.3 wurden einige der bekanntesten Roboter vorgestellt, wobei diese Liste bei Weitem nicht vollständig ist. Für einen umfassenderen Überblick verweisen wir auf die Datenbanken von ABOT1 und IEEE2. Auch wenn nicht alle Verbraucherroboter in die Haushalte einziehen, sind diese kommerziellen Roboter oft geeignete Plattformen für die HRI-Forschung. Kommerziell erhältliche Roboter können auf verschiedene Weise kategorisiert werden, darunter: soziale Roboter und Drohnen, Humanoide, Androiden, zoomorphe Roboter, virtuelle Agenten, Telepräsenz- und Teleoperationsroboter, Projektionsroboter und Industrieroboter. Wir werden diese Typen im Folgenden erörtern.

Wie in Kapitel 1 beschrieben, sind soziale Roboter für die Interaktion mit Menschen konzipiert (Hegel et al., 2009). Dies bedeutet nicht zwangsläufig, dass ein Roboter eine menschenähnliche Form hat; wie im Folgenden erläutert wird.

Wie in Abschnitt 4.2 und Kapitel 8 beschrieben wird, nehmen Menschen ohne Weiteres menschenähnliche Züge bei anderen Agenten wahr, wenn diese bestimmte soziale Signale aussenden oder sich auf bestimmte Weise verhalten. So kann selbst ein so einfacher Roboter wie der Keepon (Bild 2.7) als sozialer Roboter betrachtet werden, da sein Verhalten den Eindruck einer sozialen Präsenz vermittelt. Es liegt auf der Hand, dass verschiedene soziale Roboter in ihrer Interaktion unterschiedlich komplex sind. Paro, das Robbenbaby (siehe Bild 2.8), kann seinen Schwanz bewegen und seine Augen auf der Grundlage haptischer Rückmeldungen öffnen und schließen, kommuniziert aber nicht darüber hinaus. Im Gegensatz dazu ist der iCub wie ein Kind geformt (siehe Bild 3.8) und kann einige verschiedene Gesichtsausdrücke zeigen, was eine Vielzahl von Möglichkeiten zur sozialen Interaktion bietet.

Drohnen, insbesondere soziale Drohnen, sind Flugroboter, die sich den Raum mit Menschen teilen (Obaid et al., 2020; Baytas et al., 2019; Johal et al., 2022) und unter anderem im Haushalt oder im Bildungsbereich eingesetzt werden können. Im Gegensatz zu den humanoiden Robotertypen, die anschließend behandelt werden, haben soziale Drohnen in der Regel kein menschenähnliches Aussehen.

Humanoide Roboter folgen in ihrer Hardware einem allgemein menschenähnlichen Aussehen. Das bedeutet, dass der Roboter generell zweibeinig ist (obwohl die Beine manchmal zu einem Schaft auf Rädern verschmolzen sind, wie es bei Wakamaru und Pepper der Fall ist; siehe Bild 2.7 und Bild 6.4), einen Torso mit zwei Armen und einen Kopf mit zumindest einigen Gesichtsmerkmalen wie Augen und einem Mund hat. Bekannte Beispiele für humanoide Roboter sind Nao, Pepper, Asimo, Robovie und iCub.

Einen Schritt weiter in Richtung menschliches Aussehen gehen die Androidenroboter, die versuchen, das menschliche Aussehen so gut wie möglich nachzuahmen. Die exakte Nachbildung eines menschlichen Gesichts und Körpers aus Silikon mag zwar machbar sein, aber ihn so zu animieren, dass er sich natürlich und menschenähnlich bewegt, birgt eine Reihe von Herausforderungen und Problemen, die in Abschnitt 4.2.1 ausführlicher behandelt werden. Zu den bekanntesten Androiden gehören Kokoro und der Roboter Geminoid HI 4 (Bild 4.8; siehe auch Bild 4.6).

Zoomorphe Roboter sehen nicht menschenähnlich aus, sondern ihr Äußeres ist einer Tiergestalt nachempfunden. Dabei kann es sich um ein bereits existierendes Tier handeln: Der Aibo ist beispielsweise einem Hund nachempfunden (Bild 2.10 und Bild 11.1), der Paro einem Robbenbaby (Bild 2.8) und der Pleo einem Sauropodenbaby (Bild 11.5). Der Konstrukteur des Roboters kann sich aber auch kreativ ausleben und sein eigenes Fantasietier erfinden, wie es bei der Entwicklung des Furby der Fall war (siehe Bild 3.2).

Bild 3.2Furby (1998 – 2016) ist ein kommerzieller zoomorpher Roboter, der in den späten 90er-Jahren besonders beliebt war

Eine interessante Zwischenform zwischen virtuellen Assistenten und verkörperten Robotern sind die Projektionsroboter. Diese Roboter bestehen aus einem Hardware-Körper, auf den Merkmale des Roboters, z.B. Gesicht oder Haare, projiziert werden (siehe Bild 3.3