Menstruation. 100 Seiten - Jovana Reisinger - E-Book

Menstruation. 100 Seiten E-Book

Jovana Reisinger

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Beschreibung

Alles über »die Tage« Die Hälfte der Weltbevölkerung blutet monatlich und wird dabei teils von heftigen Schmerzen geplagt – trotzdem ist das Thema Periode noch immer ein Tabu. Dieses Buch beschreibt die Menstruation, wie sie eben ist: schmerzhaft, nervig, aber auch mitunter ungewollt lustig. Autorin Jovana Reisinger geht das Thema Zyklus vorbehaltlos und mit großer Leichtigkeit an. Aktuelle Debatten über die wachsende gesellschaftliche Unterstützung für Menstruierende kommen dabei nicht zu kurz. Spaniens Regierung hat sogar freie Tage bei Menstruationsbeschwerden eingeführt … 

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Jovana Reisinger

Menstruation. 100 Seiten

Reclam

Für mehr Informationen zur 100-Seiten-Reihe:

www.reclam.de/100Seiten

 

2023 Philipp Reclam jun. Verlag GmbH, Siemensstraße 32, 71254 Ditzingen

Covergestaltung: Philipp Reclam jun. Verlag GmbH nach einem Konzept von zero-media.net

Infografik: annodare GmbH, Agentur für Marketing

Bildnachweis: siehe Anhang; Autorinnenfoto: © Thomas Gothier

Gesamtherstellung: Philipp Reclam jun. Verlag GmbH, Siemensstraße 32, 71254 Ditzingen

Made in Germany 2023

RECLAM ist eine eingetragene Marke der Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG, Stuttgart

ISBN978-3-15-962186-9

ISBN der Buchausgabe 978-3-15-20707-9

www.reclam.de

Inhalt

»Die hat wohl ihre Tage«

Alle Macht dem Zyklus

Period Politics

Vom Tampon bis zur Tasse

Gesundheit und Sexismus

Menstruationsliebe

Tabus und Turniersport

Großes Kino

Schluss

Lektüretipps

Bildnachweis

Zur Autorin

Über dieses Buch

Leseprobe aus Feminismus. 100 Seiten

»Die hat wohl ihre Tage«

Einer der nachhallendsten Sätze meiner Kindheit und Jugend konnte mich wiederholt mit enormer Sprengkraft in die Schranken weisen – selbst, wenn er nicht an mich gerichtet wurde. Manche (gute) Sätze können das. Sie erschaffen auf mehreren Ebenen eine neue Realität. Sie enthalten einen Richtwert, eine Mahnung, eine Konsequenz und manchmal, wie in diesem Fall, eine Demütigung. Es handelt sich dabei um einen denkbar einfachen Satz. Viel eher eine Vermutung als eine Feststellung. Er kommt vielleicht daher wie ein Erklärungsversuch, dient aber lediglich der Abwertung. Schon lange, bevor ich selbst anfing zu menstruieren, bevor ich wusste, dass es einen Uterus gibt und die Hälfte der Weltbevölkerung so etwas in sich trägt, bevor ich zum ersten Mal diese Form der Schmerzen erlebte, wusste ich, dass Menstruieren etwas Entsetzliches sein muss. Aber das dachte ich nicht aufgrund von mangelndem medizinischem Wissen oder gar Desinteresse, diskriminierenden Arbeitsstrukturen oder einer historisch manifestierten Angst vor (giftigem) Menstruationsblut. Nein, es war ein anderer Verdacht, der in mir auf fruchtbaren Boden fiel. Denn mit dem einfachen Satz, der beinah neutralen Mitteilung: »Die hat wohl ihre Tage« war alles gesagt, was notwendig schien. Ein Situationsbericht. Auskunft und Aufspürung.

Diese Person, an die der Satz gerichtet oder über die er gesagt wurde, ist gerade nervig, laut, traurig, unzurechnungsfähig, hysterisch, unzumutbar, ruhestörend, unerfreulich, peinlich, nervenaufreibend, provozierend – und wenn nichts davon, so ist sie zumindest anders als sonst. Diese Person erlebt offenbar etwas, was aus ihr zeitweise einen anderen Menschen macht. Einen, den andere nicht mögen. Der andere belästigt, zu viel Raum einnimmt, zu viel einfordert und sich generell mal lieber zurücknehmen sollte. Also eine Variante, die man selbst nicht sein sollte, möchte man nicht weiter auffallen und nicht als ärgerlich diskreditiert werden.

Nun kommt so ein Satz (und andere damit vergleichbare) nicht unbedingt nur aus dem Mund von cis-männlichen Personen, die, sofern zusätzlich weiß und heterosexuell, am meisten von patriarchalen Strukturen profitieren – sondern auch von Menstruierenden selbst. Was freilich relativ einfach mit ihrer Sozialisierung in diesen patriarchalen Systemen (wie unserer Gesellschaft) zu erklären ist. In meinem Heranwachsen habe ich diese stetige Abwertung der Menstruation (oder der menstruierenden Person) bei den unterschiedlichsten Menschen im Umfeld erlebt – nicht zuletzt bei jenen, die es gerade selbst erlebten. Sich für einen Umstand zu entschuldigen, der wirklich nicht gut kontrollierbar, der weder selbst herbeigeführt noch verschuldet ist, entspricht exakt dem Klischee, auf dem die Demütigung fußt. Ich korrigiere: Es wird geradezu eingefordert. Die Abwertung von außen also anzunehmen, zu verinnerlichen und sich selbst kleinzuhalten – damit es andere gar nicht mehr erledigen müssen und das System sich selbst erhält. Das wird von Frauen nicht nur gefordert, sondern ihnen seit Jahrhunderten beigebracht.

Frauen, so das klassische Verständnis der binär strukturierten, patriarchalen Gesellschaft, dürfen nicht zu viel wollen, nicht zu viel fordern, geschweige denn Raum einnehmen. Vor allem nicht mit Frauenthemen. Denn die sind wie sie selbst zweitrangig, uninteressant, nebensächlich und irrelevant. Nun ist das Leben als weiblich gelesene Person in so einer Welt eh schon anstrengend genug (und je mehr Marginalisierungen sie betreffen, umso mühsamer wird’s), aber wohl auch deshalb ekstatisch widersprüchlich. Denn, so die auch befreiende Erkenntnis: Wie sie es machen – sie machen es falsch. Das lässt sich problemlos auf jeden Lebensbereich übertragen. Single oder in einer Beziehung? Mutter oder kinderlos? Schön oder hässlich? Karrierefrau oder in einem nicht angesehenen Beruf tätig? Reich oder arm? Konsumentin oder verzichtend?

 

Die Überzeugung, sich fortan die Kirschen aus jedmöglicher Sahnehaube herauszupicken und sich von tradierten Rollenverständnissen nicht beeindrucken zu lassen. Ist der Ruf erst ruiniert, lebt es sich ganz ungeniert. Schamlos. Was freilich leichter gesagt, geschrieben, gefordert ist als getan. Die Erkenntnis, dass auch ich eine hoffnungsvolle Träumerin bin, eine, die sich an guten Tagen eine andere Welt, andere Gesellschaft und andere Erfahrungen vorstellen kann. Die Erfahrung, dass auch ich nicht selten an Anforderungen, Stereotypisierungen, Klischees und nicht zuletzt an meinem Körper scheitere.

Ich tropfe. Ein undichter Körper.

Eine Frau soll also schön sein, aber nicht zu schön. Sie darf sexy sein, aber nicht sexuell. Also eine Augenweide, ein Augenschmaus, aber sich dessen nicht bewusst. Wenn sie es weiß, soll sie nicht damit arbeiten, damit spielen, damit reizen. Verstehen Sie mich nicht falsch. Eine Frau darf natürlich alles. Aber gleichzeitig auch herzlich wenig. Nicht zu provokant, zu fordernd, zu gefährlich sein. Eine Frau, die bereits durch ihr Erscheinungsbild (Look, Outfit, Pose, Attitüde) zu viel Raum einnimmt, ein Begehren artikuliert (Status, Sex, Macht usw.) wird nicht selten mangelnder Intelligenz bezichtigt (Tussi, Barbie) oder als auf den Mann fixiert beschrieben (was ein interessanter Vorwurf ist, ist das doch das Grundprinzip dieser gesellschaftlichen Struktur). Eine Frau soll lieb sein, das heißt ihrer Natur (wer hat sich das ausgedacht?) entsprechend fürsorglich, mitfühlend, empathisch, sanft und gutmütig. Eine Frau soll folglich Platz machen, sich zurücknehmen. In diesem Verständnis für den Mann. Das bitte überall – in der Gesellschaft, bei ihrer Arbeit, in ihrem Haus, in ihrer Wohnung, in ihrem Bett, in ihrem Körper, in ihrem Herzen, in ihrem Gehirn. Männer, so die lange Zeit populäre Annahme: das starke Geschlecht, verdienen all das Schöne, Gute, Prächtige (Geld, Status, Macht, Gesundheit usf.) und mögen nicht mit Frauenleiden konfrontiert werden. Dafür entschuldigen sich dann die Leidenden. Es werden Vorkehrungen getroffen. Tabus. Stigmatisierungen. Verbote. Regeln. Moralische, ethische, gesellschaftliche Konstrukte.

Es ist ein irrsinniger Widerspruch.

Denn gleichzeitig wird gemäß dieser Logik ein weiblich gelesener Körper permanent bewertet, kategorisiert; über ihn wird auf unterschiedliche Weise bestimmt und verfügt. Das geht von Bevorzugung (Schönheit), Übergriffen (Catcalling, Berührungen, Vergewaltigung), Gesetzen (Abtreibungsregelung), Benachteiligung (jegliche Form von Lücke: ob Gender Pay, Orgasm, Pension oder Care Gap) nahtlos über zu sexistischer Medizin (mangelnde Erforschung des weiblichen Körpers), fehlender Sicherheit (unzureichendem Schutz vor partnerschaftlicher, sexualisierter oder genderbasierter Gewalt, aber auch die lange Zeit ausschließliche Verwendung männlich gebauter Crash Test Dummys) bis hin zu einem niedrigeren Status.

Dieser geringere Status betrifft alles im Leben. Er betrifft die Gesundheit, den Schutz, die Literatur, Filme, Theater, die Künste an sich, die Arbeitsstrukturen, die Lebensqualität. Werden Umstände, die fünfzig Prozent der Weltbevölkerung betreffen, tabuisiert, verschwiegen, ignoriert, banalisiert und gleichzeitig pathologisiert, hat das enorme Auswirkungen auf individueller, aber auch auf gesamtgesellschaftlicher Ebene. Macht, Ignoranz, Politik.

Die Menstruation ist so ein Thema. Dieser im Zyklus auftretende, regelmäßig stattfindende, Hormone verändernde Vorgang betrifft die Hälfte der Menschheit – und dennoch schaffte es die andere Hälfte, die, deren Körper es eben nicht direkt betrifft, dieses Thema jahrtausendelang zu einem minderwertigen und nichtigen zu machen. Nicht der Rede wert. Das bedeutet: keine Relevanz. Weder in der Forschung, in der Kunst, in der Staatsführung noch in der Gesellschaft. Keine Anerkennung, Teilnahme oder Fürsorge.

In diesem Monat menstruieren weltweit circa 1,8 Milliarden Menschen. Ich auch. Ich menstruiere übrigens sogar exakt in dieser Sekunde, in der ich diesen Text schreibe. Ich sitze hier an diesem Schreibtisch und weiß, dass seit drei Tagen Blut, Schleimhäute und Sekrete aus mir heraustropfen und -fließen. Dass sie es, sollte ich nicht (ungewollt) schwanger werden, in wenigen Wochen wieder tun. Immer wieder, bis es irgendwann aufhört und ein anderer Lebensabschnitt, die Menopause, beginnt. Tropf, tropf.

Ich weiß, dass ich mich schon in wenigen Tagen anders fühlen werde: besser, gelöster, schöner, schneller, schlauer, begehrenswerter und leistungsfähiger. Ich weiß, dass ich heute mehr Schlaf brauche, eine Wärmflasche, Medikamente und besonders erdig schmeckende Speisen, manchmal auch blutiges Fleisch. Ich weiß, dass ich die Trauer, die Ängste, die Emotionalität, die ich heute Morgen verspürte, auch auf die Tage zurückführen kann. Ich weiß, dass sie wieder weggehen, weniger und leiser werden. Tropf, tropf, tropf.

Wo befinde ich mich? Ein menstruierender Körper an seinem Arbeitsplatz, in einem Büro, das er mit fünf anderen menstruierenden Körpern teilt. Hauptberuflich Schriftstellerin, Filmemacherin, bildende Künstlerin, bald auch im Theater, sowohl als Autorin als auch Regisseurin, erste Schritte im Hörspielsektor. Ein kreatives, offenes, sich als progressiv verstehendes Umfeld.

Glück gehabt. Das sind andere Voraussetzungen, wenn in einem Umfeld gelebt und gearbeitet werden kann, in dem über die Menstruation gesprochen wird. In dem sich niemand für ihre oder seine Blutung schämen muss. In dem die Hemmschwelle niedrig ist. Keine Selbstverständlichkeit.

Es ist eine andere Situation, wenn darüber geschwiegen, sich geschämt, sich versteckt wird. Eine Gegenidee: Period Positivity ist eine Haltung, eine politische Forderung und eine Einladung. Ein Versuch, die Stigmatisierung aufzulösen. Etwas, das so fest verankert zu sein scheint, aufzubrechen.

Das bedeutet nicht, alles von der positiven Seite zu sehen, aus jedem Schmerz eine Chance und aus jeder Niederlage eine Erkenntnis zu machen. Es geht um etwas anderes. Weniger Ängste. Mehr Handlungsspielraum. Aufklärung.

Period Positivity wird insbesondere in den sozialen Medien immer wichtiger.

Während ich hier also sitze, das Blut, die Sekrete, die Schleimhäute aus mir ausscheide, kann ich zwar an all die anderen soeben Blutenden denken, aber ich fühle es doch nur für mich. Wie es tropft, wie es krampft, wie es zieht. Manchmal tut es das aber auch nicht. Zeitweise kommt sie ohne Ankündigung, ohne Leiden. Was bleibt mir anderes übrig, als sie möglichst neutral zu betrachten, als einen Teil von mir, eine Körperfunktion, einen automatischen Mechanismus?

Es ist das 21. Jahrhundert und wir sprechen über die Menstruation, als wäre sie eine Neuheit. Ein verwegener Flüssigkeitsverlust. Informationslücken, Ahnungslosigkeit. Das hier ist ein Versuch der Verschriftlichung. Sie ist ungenau, unvollständig, kurz und durch Anekdoten bereichert. Ein Schreiben in Kreisbewegungen, so passend. Selbst dieser Einstieg, nein, nicht einmal die Themenwahl ist eine geniale Eingebung. Beide stehen in einer zu häufig verschmähten Tradition. Ich reihe mich ein. Andere haben den Weg bereitet. Einige von ihnen bluteten ebenfalls, sicherlich auch während ihrer Arbeits- und Geschäftszeiten. Einmal sagte ich im Scherz, ich würde diesen Text nur blutend schreiben. Die Frage, ob meine literarische Arbeit dann eine andere sei? Ich kann diese Frage nicht beantworten. Nun ist es tatsächlich so gekommen. Ein hervorragender Moment, um Frieden zu schließen. Aber ein noch brillanterer Moment, um die, die es nicht am eigenen Leib betrifft oder je betroffen hat, in eine noch ungeahnte Verantwortungsposition zu ziehen.

Wenn ich menstruiere, menstruieren vier meiner Freundinnen mit. Wir fühlen uns manchmal dadurch verbunden (geteiltes Leid). Scherzen über die Synchronisation, obwohl wir Hunderte Kilometer voneinander entfernt leben und schon deshalb diese Theorie bei uns nicht stimmen kann. Wir pflegen einander, wenn wir uns am gleichen Ort befinden. Wenn ich menstruiere, sage ich meiner Freundin K. Bescheid, weil die kurz nach mir kommt. C. wiederum ist kurz vor mir dran. Wie ein Warnsystem, eine Abfolge, ein Staffellauf. Manchmal kommt es zu Unregelmäßigkeiten. H. arbeitet zu viel. T. ist immer pünktlich, die kann nichts aus der Fassung bringen. Wenn ich an den Tagen kurz vor dem Start der Blutung meine Arbeit, meine Entscheidungen, meinen Körper als minderwertig, mangelhaft und hässlich bewerte und/oder empfinde, erinnere ich mich an die kommende Blutung. Distanz, Einordnung. Nehme dadurch den Druck aus der harschen Kritik heraus und vor allem von mir. Hormonell bedingte Wahrnehmungsveränderung. Selbstzersetzung. PMS. Manchmal kann ich mich dann selbst auslachen. Warum passiert mir das gerade? Schnell den Menstruationskalender kontrollieren. Erkenntnisgewinn durch Protokollierung. Diese Regelmäßigkeit zu begreifen, hat Jahre gedauert. Ein entspannterer Umgang. Hilfe einfordern, wenn sie benötigt wird. Das Gefühl überwinden, zu viel zu sein. Kommunizieren.

Es gibt eine ähnliche Bewertungslogik für Menschen, die menstruieren, und jene, die sich dieses Themas annehmen. Nicht nur die Tätigkeit an sich wird als irrelevant bezeichnet, sondern auch die entsprechenden Werke belächelt man. Natürlich nicht ausschließlich. Nein, ganz und gar nicht. Es ist eine Wechselbeziehung: Anerkennung – Abwertung. Je nachdem, auf welchen Resonanzraum man trifft. Es geht letzten Endes immer um die Vergleichsgruppe, die Zuordnung und die Kategorisierung. Den Kontext. Denn andernorts gilt es als mutig, die Menstruation zum Thema zu machen. Als kämpferisch, aktivistisch. Die Rückführung auf den Körper. Wo befinde ich mich? Wo befinden Sie sich? Welcher sozioökonomischen Klasse gehöre ich, gehören Sie an? Wie lautet Ihre politische Agenda? Ihre Moralvorstellungen? Sind Sie einer Religion zugehörig? Wie wurden Sie erzogen? Wie gehe ich, wie gehen Sie durch die Welt, und wo treffen wir uns?

Es handelt sich um eine Welt, die soziale Stigmata und Scham rund um Körperflüssigkeiten, Körperfunktionen, sexuelle Gesundheit, Begehrensstrukturen und Geschlechter aufrechterhält. Diese Tabus beeinflussen nicht nur unser Wohlbefinden, sondern auch unseren Alltag. Unsere künstlerischen Werke. Was gilt als wertvoll, erzählenswert, kritikwürdig, schlichtweg als richtige, herausragende, wichtige Literatur, Film, Theater – als echte Kunst?

Seit 2020 schreibe ich eine Kolumne für Vogue Deutschland, die sich der Periode widmet. Sie heißt Bleeding Love und erscheint unregelmäßig regelmäßig (so wie häufig die Blutung selbst). Dieses Engagement habe ich Alexandra Bondi de Antoni zu verdanken, die mich als Kolumnistin anfragte und betreute. Als sie die Vogue verließ, übernahm Maria Hunstig als Features Director die Betreuung. 2022 wechselte die Chefredaktion von Christiane Arp zu Kerstin Weng. Das mag nun nicht besonders wichtig für diesen Text erscheinen, eher wie ödes Namedropping, ist es aber durchaus. Alexa und ich kennen uns schon lange, aber Maria und ich haben uns nicht zuletzt durch die gemeinsame Arbeit bei und für Vogue Deutschland angefreundet. Was auf persönlicher Ebene ein unbestritten schöner Umstand ist, kommt auf beruflicher Ebene einer Schwesternschaft gleich.

Frauen in Führungspositionen haben beschlossen, einem tabuisierten Thema Raum zu geben – und eine große Reichweite. Sie haben sich in eine Position gebracht, in der sie nicht nur etwas ausprobiert haben (und mich etwas ausprobieren ließen), sondern auch dafür kritisiert wurden und noch immer werden. Die internen Wechsel sind dahingehend interessant, dass die Kolumne bestehen blieb und ich von Vogue nicht nur alle Freiheiten, sondern auch Unterstützung erhalte. Wenn etwa auf dem Vogue-Deutschland