Mentaltraining für Läufer - Michele Ufer - E-Book

Mentaltraining für Läufer E-Book

Michele Ufer

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Beschreibung

Dieser Ratgeber gibt dem Leser in kompakter Form hochwirksame Übungen zum psychologisch fundierten Selbstcoaching und mentalen Training sowie Denkanstöße zur Selbstreflexion an die Hand. Die Ansätze haben sich im Rahmen von Coachings mit zahlreichen Ausdauersportlern im In- und Ausland bewährt, um signifikante, teils auch dramatische Verbesserungen in den Bereichen Motivation, Leistung und Gesundheit/Wohlbefinden zu erzielen. Das Ganze wird ergänzt um spannende Fallstudien aus der Coachingpraxis. Hier und da hilft ein kleiner Exkurs in die Wissenschaft, um die Gründe für bestimmte Vorgehensweisen zu verstehen, stets bleiben aber die Praxis und direkte Anwendung des Know-hows im Fokus. Abseits marktschreierischer Versprechungen wird der Leser angeleitet, auf der Basis einer persönlichen Standortbestimmung einen individuell zugeschnittenen mentalen Trainingsplan zu entwickeln und in den sportlichen Alltag zu integrieren. Das Buch präsentiert auf einmalige Weise die Erfahrungen und das Know-how eines sportpsychologischen Experten, der zahlreiche Läufer und andere Ausdauersportler psychologisch coacht, darüber hinaus zu psychologischen Aspekten im Laufsport forscht, regelmäßig über seine Arbeit in Vorträgen, auf wissenschaftlichen Kongressen und in Zeitschriftenartikeln berichtet und selbst wiederholt bei internationalen (Extrem-)Läufen TOP-10-Platzierungen erzielt. Zielgruppe: - Mehr als 16.000 verkaufte Exemplare - Basierend auf den Erfahrungen und dem Know-how eines sportpsychologischen Experten und Extremläufers - Die Zitate von begeisterten Läuferinnen und Läufern dokumentieren den Erfolg seiner Methode eindrucksvoll.

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EPUB

Seitenzahl: 542

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Hinweise:

Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird bei Personenbezeichnungen die männliche Sprachform verwendet. Gemeint ist sowohl die männliche als auch die weibliche und die diverse Form.

Das vorliegende Buch wurde sorgfältig erarbeitet. Dennoch erfolgen alle Angaben ohne Gewähr. Weder der Autor noch der Verlag können für eventuelle Nachteile oder Schäden, die aus den im Buch vorgestellten Informationen resultieren, Haftung übernehmen.

Sollte diese Publikation Links auf Webseiten Dritter enthalten, so übernehmen wir für deren Inhalte keine Haftung, da wir uns diese nicht zu eigen machen, sondern lediglich auf deren Stand zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung verweisen.

MICHELE UFER

MENTALTRAININGFÜRLÄUFER

WEIL LAUFEN AUCH KOPFSACHE IST

Unser Bestseller vollständig überarbeitet

Mentaltraining für Läufer

Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek

Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Details sind im Internet über <http://dnb.ddb.de> abrufbar.

Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie das Recht der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form – durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren – ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, gespeichert, vervielfältigt oder verbreitet werden.

© 2016 by Meyer & Meyer Verlag, Aachen

3. überarbeitete und ergänzte Auflage 2022

Auckland, Beirut, Dubai, Hägendorf, Hongkong, Indianapolis, Kairo, Kapstadt, Manila, Maidenhead, Neu-Delhi, Singapur, Sydney, Teheran, Wien

Member of the World Sport Publishers’ Association (WSPA)

Gesamtherstellung: Print Consult GmbH, München

eISBN 978-3-8403-3804-5

E-Mail: [email protected]

www.dersportverlag.de

INHALT

VORWORTE

Vorwort des Autors zur dritten überarbeiteten Auflage

Vorwort von Prof. Dr. Oliver Stoll, Sportspychologe

Vorwort von Jochen Schmitz, ehemaliger Chefredakteur der Zeitschrift RUNNING

1ALLES BEGINNT MIT EINER AUSSERGEWÖHNLICHEN LAUFGESCHICHTE

1.1Das Atacama-Experiment: Leistung jenseits der Vorstellungskraft

1.2Charakter und Aufbau des Buches: Wie es seine Wirkung entfaltet

2WIE VIEL KOPF STECKT IN DEN FÜSSEN?

2.1Antiquierter Trainingsalltag: Ist die Erde doch eine Scheibe?

2.2Die Kraft der Psyche

2.3Verblüffende Effekte der Psyche auf den Körper: Das „Unkontrollierbare“ steuern lernen?!

2.4Wunderwaffe Mentaltraining? Möglichkeiten und Grenzen

3STANDORTBESTIMMUNG:MEIN PERSÖNLICHES NAVIGATIONSSYSTEM STARTEN

3.1„Ich skaliere mich mal“: Wichtige Themen auf den Punkt gebracht

3.2Wo stehe ich momentan?

3.3Persönliches Performance Profiling

3.4Meine mentalen Stärken diagnostizieren

3.5Warum laufe ich? Was treibt mich an?

4MOTIVATION UND ZIELE: ERFOLGSENERGIE ENTFACHEN UND IN DIE RICHTIGE RICHTUNG LENKEN

4.1Selbstsabotage im Alltag oder: Fuck you, Problem!

4.2Nie wieder Motivationsprobleme! Schöne neue Sportlerwelt oder noch ein kluger Griff in die psychologische Trickkiste?

4.3Gehirngerechtes Zielmanagement: Das Fundament des Erfolgs

57-D-KOPFKINO: LET THE MAGIC HAPPEN

5.2Anleitung zur Gestaltung von Visualisierungen

5.3Erinnerung an eine erfolgreiche Zukunft:Unwiderstehliche (Wunsch-)Ziele, Leistungen und Ergebnisse

5.4Magische Momente: Perfekte Bewegungen, Prozesse und Abläufe

5.5Das Ganze im Blick: Visualisierung von Wettkämpfen

6RAN AN DIE RESSOURCEN

6.1Ressourcenreload: Das Schweizer Messer des Mentaltrainings

6.2Aufmerksamkeitsfokussierung: Von Großmeistern lernen

6.3Selbstgespräche:Wie wir die Stimmen in unserem Kopf konstruktiv steuern

6.4Abgucken erlaubt: Von mehr oder weniger schicken Models lernen

6.5„So tun, als ob“: Fake it until you make it

6.6Selbstvertrauen testen und tanken

6.7Entspannte Effektivität und effektive Entspannung

6.8Im Flow zum Glück (und zur persönlichen Bestzeit?)

7THE DARK SIDE OF THE MOON: SCHATTENSEITEN DES LAUFENS UND WIE WIR SIE ZU CHANCEN MACHEN

7.1Gefahr für Leib und Seele: Die negativen Effekte des positiven Denkens

7.2Shit happens: Über den Umgang mit Misserfolg

7.3Krisen, Chancen, Wendungen: Wie tickt ein Weltmeister und was sagt die Resilienzforschung?

7.4Sportverletzungen: Die Rolle unserer Psyche beim Auftreten und Heilen von Verletzungen

7.5Lauf ins Leere: Wenn die körperlichen und mentalen Akkus erschöpft sind

7.6Sportsucht: Was ist das wirklich und bin ich betroffen?

7.7Die sind doch verrückt, oder? Persönlichkeitsstruktur von Viel- und Extremläufern

7.8Und wenn Erfolg unglücklich macht …?

8.DAS MACHT MUT! ERFOLGSGESCHICHTEN VON LESERN FÜR LESER

8.1Mein Weg zum Traumlauf und Traumjob

8.2Booster für die Weltmeisterschaft

8.3Der Ton macht die Musik. Spitzenleistung auf und hinter der Bühne

8.4Wenn die Motivation stärker ist als die Krankheit

8.5Rien ne va plus. Mysteriöse Blockaden und mein Weg zum Weltrekord

8.6Stürmische Zeiten?! Immer auch eine Frage der Einstellung

8.7Wie die verstorbene Oma zu Höhenflügen anspornt und ein 100-km-Lauf zur Lektion fürs Leben wird

8.8Mentale Leistungsstärke (nicht nur) bei der Schwimm-Weltmeisterschaft

8.9Spartathlon. König Leonidas zu Füßen

8.10Grenzen erfolgreich verschieben

8.11Halbmarathon aus der Alkoholsucht

AUSBLICK

INTERVIEW: WENN MANAGER LAUFEN LERNEN

REFERENZEN

Bildnachweis

Leserstimmen zum Buch

VORWORTE

VORWORT DES AUTORS ZUR DRITTEN ÜBERARBEITETEN AUFLAGE

NEVER CHANGE A RUNNING SYSTEM…?! ODER VIELLEICHT DOCH?

Warum sollte man ein gut funktionierendes Buch überarbeiten?

Im Jahr 2016 erblickte die erste Auflage dieses Buchs das Licht der Welt. Die Resonanz war von Beginn an ausgesprochen positiv. Die Wege des Herrn sind ja manchmal unergründlich, deshalb weiß ich natürlich nicht im Detail, in wessen Hände meine Ausführungen so alles geraten sind. Aber ich freue mich sehr darüber, dass das Buch auch Kreise weit jenseits des (Lauf) Sports gezogen hat und u. a. in folgenden Settings gelesen, eingesetzt, empfohlen wird:

Quelle: Ralf Litera

in Schule, Hochschule, Mentaltrainer-Ausbildungen;

von Profi-Fußballern, Tennisspielern, Golfern, Handballern, Triathleten, Motorsportlern, Bergsteigern sowie von Athleten und deren Trainern/Betreuern in vielen weiteren Sportarten;

von Managern, Unternehmern, Profi-Musikern und anderen beruflichen High Performern.

Die Übertragung in andere Bereiche ist für mich keine große Überraschung, denn einerseits ist das Laufen quasi allgegenwärtig und gehört in vielen Sportarten irgendwie dazu. Und andererseits kann sich selbst jenseits des Sports kaum jemand der Frage entziehen: Und, wie läuft’s? Insofern stimme ich Heiko Thoms, IT-Stellenleiter in der Finanzverwaltung NRW, zu, der mal in einer Rezension schrieb, Mentaltraining für Läufer sei nicht nur ein Laufbuch, sondern ein allgemeiner Lebensratgeber. In anderen Worten bestätigt das auch eine bekannte TV-Moderatorin. Sie teilte mir mal mit, man könne das Laufen auch einfach durch Performen im Leben allgemein ersetzen und das Buch würde genauso gut funktionieren. Recht hat sie. Und dafür gibt es viele schöne Beispiele. Einige werde ich in dieser Neuauflage etwas ausführlicher vorstellen.

Immer wieder habe ich wunderschöne Rückmeldungen auch von mir bis dato unbekannten Lesern über ihre Erfahrungen und Erfolge mit dem Buch erhalten. Mal per Mail oder Social Media Post, mal per handschriftlichem Brief oder per Postkarte von einem exotischen Ort irgendwo auf der Welt. Über jede einzelne Nachricht habe ich mich sehr gefreut. Oft war ich regelrecht gerührt. Im Laufe der Zeit entstand dann die Idee, bei einer etwaigen Neuauflage auch Leser zu Wort kommen zu lassen, die einen Einblick in ihre persönliche Geschichte gewähren möchten. Denn das könnte wiederum andere motivieren und bestärken, sich wirklich intensiver mit den vorgestellten Themen auseinanderzusetzen. Nun wird aus der Idee Wirklichkeit. Ich freue mich riesig, dass uns einige Leser an ihren Erfahrungen teilhaben lassen. Vielen Dank dafür an dieser Stelle!

Die Neuauflage habe ich außerdem dazu genutzt, um neue Forschungserkenntnisse einfließen zu lassen und mich an Antworten auf Fragen zu versuchen, die mir Athleten und Medienvertreter in den letzten Jahren gestellt haben. Natürlich darf dabei auch ein kleiner Ausflug in eines meiner Spezialgebiete, Flow, nicht fehlen. Immerhin bin ich im Rahmen meiner sportpsychologischen Doktorarbeit auf vier Kontinente gereist, habe bei extremen Ultramarathons hunderte Befragungen von Athleten über ihr Flow-Erleben durchgeführt und spannende Erkenntnisse mitgebracht. Insgesamt sind gut zehn Themenbereiche zusammengekommen, die den bisherigen Content in meinen Augen hervorragend ergänzen, vernetzen und dadurch einen echten Mehrwert schaffen:

1.Die erstaunliche Wirkung von Mimik auf die Leistung

2.Selbstvertrauen. Umgang mit den zweifelnden Stimmen im Kopf

3.MOMENT mal: Mentaltraining und Mindfulness, ist das nicht das Gleiche?

4.Erfolgsfaktor Resilienz. Mit psychischer Widerstandskraft gestärkt aus der Krise

5.Die sind doch verrückt, oder? Persönlichkeitsstruktur von Viel- und Extremläufern

6.Lauf ins Leere. Wenn die körperlichen und mentalen Akkus erschöpft sind

7.Mentaltraining zur Geburtsvorbereitung: „Ich liebe Wehen!“

8.Das macht Mut! Erfolgsgeschichten von Lesern für Leser

9.Im Flow zum Glück (und zur persönlichen Bestzeit?)

10.Sowie eine Erweiterung der Referenzliste

Das Kapitel „Lauf ins Leere“ wurde übrigens deutlich umfangreicher, als ich ursprünglich geplant hatte. Und das ist aufgrund der Bedeutung und Aktualität von Übertraining, Erschöpfung, Burnout/Depression auch gut so. Schließlich lauert hier eine wichtige Antwort auf eine Frage, die mir regelmäßig gestellt wird: Woran erkenne ich, wenn ich bei all meinem Enthusiasmus und Engagement an meine Grenze komme bzw. Gefahr laufe, diese im Sinne von „Ab hier riskiere ich meine körperliche und mentale Gesundheit“ zu überschreiten? Wer hier für sich Klarheit hat, wird mit größerer Wahrscheinlichkeit statt kurzfristiger Erfolge langfristige Erfüllung finden.

Ich bin bereits freudig gespannt, wohin die nächsten fünf Jahre führen werden. Danke an alle, die mich auf dieser wahrlich erfüllenden Reise begleiten.

März 2022

Michele Ufer

VORWORT VON PROF. DR. OLIVER STOLL, SPORTPSYCHOLOGE

Mit diesem Buch halten Sie ein erstaunliches Stück Wissen, Werkzeug und eigene Erfahrung eines außergewöhnlichen Ultralangstreckenläufers und Sportpsychologen in der Hand. Michele Ufer hat mit dem vorliegenden Werk einen weiteren Meilenstein in der Laufliteratur hinzugefügt.

Was macht dieses Buch so außergewöhnlich? Es ist einerseits die grundsolide, fachliche Fundierung in einer auch für den psychologischen Laien verständlichen Sprache und andererseits der ausgesprochen offene Umgang mit sportpsychologischen Techniken, die er nicht nur beschreibt, sondern auch in wirklichen Übungsblocks im Buch anbietet. Dabei kommt auch die Selbstdiagnostik nicht zu kurz.

Ein solches Buch kann nur gelingen, wenn man neben der eigenen Ausbildung im Bereich Sportpsychologie auch ein ganzes Stück Selbsterfahrung im Langstreckenlaufen aufzuweisen hat und auch in der Lage war, während der eigenen aktiven Zeit als Athlet, ein Netzwerk aufzubauen, das hilft, die eigenen Erfahrungen zu validieren bzw. mit in einem Buch, wie es hier vorliegt, zu verarbeiten. Neben Weltklasse-Ultraläufern, wie z. B. Florian Reus, kommen auch Wissenschaftler zu Wort, die zu aktuellen Forschungsthemen arbeiten (z. B. Sportsucht). Mir ist kein Sportpsychologie-Laufbuch bekannt, das bisher in der Lage war, die Erfahrungen nicht nur des Autors, sondern auch von Kolleginnen und Kollegen bzw. anderen Läuferinnen und Läufern zu bündeln und somit der Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen.

Das vorliegende Buch ist auch nicht nur ein reines „Jubelbuch“ nach dem Motto „Mentales Training ist der einzige und ausschließliche Schlüssel zum Erfolg", sondern Michele Ufer weist auch eindrücklich auf die Grenzen von mentalem Training hin und thematisiert auch die sogenannten dunklen Seiten des Laufens. Somit beweist Michele seine Fähigkeit, seine Leidenschaft durchaus auch differenziert zu betrachten. Michele Ufer ist, neben seiner Rolle als Läufer, eben auch angewandter Sportpsychologe und Wissenschaftler.

Ich persönlich habe, obwohl selbst „erfahrener“ Sportpsychologe und Läufer, sehr von der Lektüre des Buchs profitieren können. Wie viel mehr müssen dann wohl Laufanfänger und sportpsychologisch weniger vorgebildete Athleten aus dieser Publikation lernen können! Ich wünsche Ihnen allen gewinnbringende Lesestunden, viel Spaß beim Ausprobieren der Techniken und vor allen Dingen weiterhin viel Spaß beim Laufen und beim Erreichen Ihrer persönlichen Ziele.

Univ.-Prof. Dr. Oliver Stoll

Leipzig, 8.1.2016

Quelle: privat

VORWORT VON JOCHEN SCHMITZ, EHEMALIGER CHEFREDAKTEUR DER ZEITSCHRIFT RUNNING – DAS LAUFMAGAZIN

Lieber Leser,

vor einigen Jahren erschien wie aus dem Nichts ein bis dato in dieser Szene unbekannter Sportler auf der deutschen Ultralauffläche. Die Person erregte unsere Aufmerksamkeit, als wir in der Redaktion von RUNNING – Das Laufmagazin eindrucksvolle Fotos zu Gesicht bekamen, die den Athleten bei einem 250 Kilometer langen Etappenrennen in der Atacama-Wüste zeigten, das er dann sogar als Siebtplatzierter der Gesamtwertung finishte. Der Sache musste ich natürlich nachgehen und griff zum Telefonhörer. Letztendlich bekam ich Michele Ufer an die Strippe. Er war der Neue, er war der Athlet auf den Bildern. Und er berichtete mir davon, wie er durch etwas physisches, aber mit reichlich mentalem Training, so erfolgreich an dem oben genannten Wettkampf teilnahm. An dieses Gespräch schlossen sich zahlreiche weitere an, von teilweise bemerkenswerter Dauer. Meine Neugier für Micheles Vorgehen und für die Thematik Sportpsychologie wuchs dadurch zunehmend.

Als ein Ergebnis dieser Diskussionen beschlossen wir, unseren Lesern diese Materie nicht vorzuenthalten und hoben die Artikelserie „Mentalcoaching in der Praxis“ aus der Taufe. Bis heute erfreut sich die Rubrik großer Beliebtheit in unserem Magazin. Somit schien es nur eine Frage der Zeit, bis Michele ein Buch zu seinem Fachgebiet veröffentlicht. Das Werk liegt Ihnen vor.

Während meines Studiums durfte ich einige Semester Psychologie hören, und durch meine Funktion bei RUNNING – Das Laufmagazin pflege ich tagtäglich mit Athleten unterschiedlichster Leistungsstärke Kontakt, für welche die Sportpsychologie einen wesentlichen Aspekt darstellt. Des Weiteren sammelt man selbst, insbesondere als Läufer, so seine Erfahrungen mit sich und seinem mentalen Potenzial. Aus diesem Erfahrungsschatz heraus kann ich Ihnen diese Publikation nur ans Herz legen. Sie werden viel über sich und unseren Sport lernen, denn dieses Buch ist ein aktives Buch, zahlreiche Tests sowie Beispiele laden zum Mitmachen beziehungsweise Nachahmen ein. Doch auch der wissenschaftlich, theoretisch Orientierte dürfte durch Querverweise, Quellennennung sowie die lange Referenzliste gut bedient sein. Ob Theoretiker oder Praktiker, ein Nutzen ist sicher.

Quelle: RUNNING – das Laufmagazin

Noch etwas zur Person Michele Ufer: Er ist ein Hansdampf in allen Gassen, neben den beruflichen Tätigkeiten bildet er sich stets weiter, ist zum Ausgleich natürlich regelmäßig in Laufschuhen unterwegs und organisiert darüber hinaus ein Trailevent namens Traildorado. Dabei trägt Michele meist ein Lächeln im Gesicht, ihm sitzt der Schalk im Nacken. Das werden Sie an der einen oder anderen Stelle im Buch bemerken.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen zahlreiche Erkenntnisse durch das nun Folgende.

Jochen Schmitz

Berlin, den 13.01.2016

1

ALLES BEGINNT MIT EINER AUSSERGEWÖHNLICHEN LAUFGESCHICHTE

1.1DAS ATACAMA-EXPERIMENT: LEISTUNG JENSEITS DER VORSTELLUNGSKRAFT

1.2CHARAKTER UND AUFBAU DES BUCHES: WIE ES SEINE WIRKUNG ENTFALTET

Wer neue Erdteile entdecken will, muss den Mut haben, alte Küsten aus den Augen zu verlieren.

(André Gide)

Wenn du willst, was du noch nie gehabt hast, dann tu, was du noch nie getan hast.

(Nossrat Peseschkian)

1ALLES BEGINNT MIT EINER AUSSERGEWÖHNLICHEN LAUFGESCHICHTE

Stelle dir einmal Folgendes vor: Du hast einen Freund, der in seiner Jugend ambitioniert Fußball gespielt hat, danach aber durch keine besonderen sportlichen Leistungen, schon gar keine läuferischen bzw. Ausdauerleistungen, auf sich aufmerksam gemacht hat. Dieser Freund hat bisher noch nie einen Marathon, Halbmarathon, geschweige denn einen offiziellen 10-km-Lauf absolviert. Er kennt sich im Laufsport und der Laufszene auch überhaupt nicht aus. Das hatte ihn nie wirklich interessiert. Aber eines Abends kommt ihr in eurer Stammkneipe zusammen und da verrät er dir beim Bier fröhlich, dass er sich vor ein paar Tagen für einen Ultramarathonlauf über 250 km angemeldet habe. An einem der lebensfeindlichsten Orte unseres Planeten. Sicherlich würdest du bei diesen Neuigkeiten mindestens aufhorchen und interessiert weiterlauschen.

1.1DAS ATACAMA-EXPERIMENT: LEISTUNG JENSEITS DER VORSTELLUNGSKRAFT

Schauen wir weiter, was der Kerl zu berichten hat. Bei diesem Rennen sei in sechs Etappen eine Strecke von 250 km durch die trockenste Wüste der Welt, der berühmten Atacama in Chile, zu absolvieren und man bewege sich dabei in Höhen von 2.500-3.500 m. In der südamerikanischen Wüste sei es außerdem 50 x trockener als im berüchtigten Death Valley in den USA. An manchen Landstrichen wurde seit Beginn der Wetteraufzeichnungen noch kein Niederschlag verzeichnet. Hinzu komme, dass das Rennen als Selbstversorgerlauf organisiert sei. Alle Sportler müssen während des Laufs ihr gesamtes persönliches Gepäck selbst transportieren. Der Laufrucksack mit der persönlichen (Pflicht-)Ausrüstung, wie Schlafsack, Isomatte, Wechselbekleidung, Erste-Hilfe-Utensilien, Verpflegung, Stirnlampe und sonstigem Equipment, wiege insgesamt 7-10 kg. Einzig das Frischwasser würde während des Laufs alle 10-15 km und am jeweiligen Etappenzielort zur Verfügung gestellt. Nach jeder Etappe stünden zur Übernachtung einfache Gruppenzelte für 10-15 Personen zur Verfügung. Gelaufen werde durch tiefen Sand, hügeliges Gelände, felsige Canyons, wo manchmal auch leicht gekraxelt werde. Es gehe durch ausgetrocknete Salzseen, über messerscharfes Geröll und manchmal auch durch tief in die Canyons eingeschnittene Gebirgsflüsse. Das Ganze finde umgeben von schneebedeckten, über 6.000 m hohen Vulkanen in einer völlig surreal wirkenden Landschaftsszenerie statt. Wahrscheinlich habe wohl deshalb die NASA dort ihre Astronauten auf die Mondlandung vorbereitet.

Wenn dir dein läuferisch unerfahrener Freund dann noch mit einem fröhlichen Lächeln im Gesicht beichtet, dass nicht mehr allzu viel Zeit zur Vorbereitung bleibe, weil der Lauf bereits in vier Monaten stattfinde, was würdest du denken? In etwa sowas wie

a)„Verrückt, der Typ. Unmöglich. Viel zu gefährlich. Irre. Das schafft der doch nie?“

Oder eher:

b)„Wow, genial. Was für ein Abenteuer! Welch ein Mut! Warum eigentlich nicht?! Es könnte klappen!“

Wenn du eher zur ersten Variante tendierst, dann reihst du dich ganz in das Umfeld des Sportlers ein, der so ein Projekt tatsächlich in Angriff genommen hat. Die Skepsis von Außenstehenden war groß, sehr groß sogar. Die Kommentare hatten sich gewaschen und in den ungläubigen Blicken schwang so etwas mit wie: „Oh Mann, was tut der arme Kerl sich denn da an?“ Der Sportler selbst ließ sich davon allerdings nicht beirren. Er war total fokussiert auf diese Herausforderung.

Dieser „Läufer“, du ahnst oder weißt es womöglich längst, das war ich und ich wollte im Jahr 2011 im Rahmen eines „Selbsttests der extremen Art“ am eigenen Leib erleben und aufzeigen, zu welchen Leistungssteigerungen der Mensch durch den gezielten Einsatz von mentalem Training und Sporthypnose fähig ist. Und jetzt, wo die Katze auch offiziell aus dem Sack ist, kann ich es ja auch offen zugeben. Mein tollkühnes Ziel war dabei eigentlich nur eins: trotz der wenigen Erfahrung und sehr kurzen Vorbereitung Etappe für Etappe irgendwie ankommen. Doch vor Ort entwickelte sich alles ganz anders als geplant. Besser, viel besser sogar.

Statt mich Tag für Tag durch die Wüste zu kämpfen und einfach nur heil anzukommen bzw. irgendwie die Ziellinie zu überqueren, lief ich zur Überraschung aller, inklusive meiner selbst, relativ schnell in die Top-Ten-Wertung. Und ich wurde von Tag zu Tag besser. Natürlich habe ich auch eine Reihe von Fehlern gemacht und viel irres Zeug erlebt, aber dennoch konnte ich mir schließlich einen unglaublichen siebten Platz in der Gesamtwertung sichern, wobei die beste Tageswertung ein vierter Platz war. Und damit habe ich so manchen erfahrenen (semi-)professionellen Läufer hinter mir gelassen. Ein gigantisches Erlebnis und Ergebnis. Vor Ort konnten die Organisatoren und auch viele Teilnehmer, mit denen ich mich ausgetauscht hatte, gar nicht glauben, dass ich bis dato noch nie an einem offiziellen Rennen teilgenommen und in der gerade mal viermonatigen Vorbereitungszeit nie mehr als 29 km zurückgelegt hatte. Die Sensation war perfekt. Ich war total geflasht und das psychologische Experiment ein voller Erfolg. In meinem Buch Flow-Jäger. Motivation, Erfolg und Zufriedenheit beim Laufen (2017 b) berichte ich ausführlicher darüber, was ich beim Atacama-Rennen erlebt habe.

Michele beim Atacama Crossing

Womöglich denkst du, dass da auch eine Menge Glück zugehört und ich gebe dir völlig recht. Natürlich braucht es immer auch das nötige Glück im Leben, gerade bei solch abenteuerlichen Unternehmungen. Das ist klar. Aber es ist immer auch gut zu wissen, wie man seinem Glück hier und da etwas auf die Sprünge helfen kann. Und so wurde ich im Anschluss an dieses Erlebnis oft gefragt, wie ich das denn genau angestellt habe, wie ich trainiert, und vor allem: welche mentalen Techniken ich eingesetzt habe.

MEIN MENTALER WERKZEUGKOFFER

Was habe ich angestellt? Neben vier wohldosierten Laufeinheiten pro Woche nach dem Prinzip „Train smart, not (too) hard“, habe ich im Vorfeld des Rennens intensiv an meinen Zielen gearbeitet, habe mir meine Zielerreichung so konkret und intensiv wie möglich vorgestellt. Vor allem auch die Art und Weise, wie ich sie erreichen will. Da entstanden intensive und lebendige innere Bilder. Gefühle sind hochgekommen. Ich habe mir sozusagen im Kopf eine wunderbare Erinnerung an die Zukunft gebaut, an die ich immer wieder gedacht habe, mit all den Gefühlen, die dabei auch entstehen. So etwas kann ungemein motivieren, wird aber, so meine Erfahrung, überraschend oft vernachlässigt.

Hirnforscher wissen längst, dass da neue Nervenverbindungen entstehen, die das gewünschte Ergebnis wahrscheinlicher werden lassen. Aus diesen Zielen habe ich konkrete Herausforderungen sowie Fähigkeiten und Stärken abgeleitet, die ich benötigen werde, um die Herausforderungen auf dem Weg zu meinen Zielen zu meistern. Dann habe ich mich an vergangene Situationen erinnert, in denen ich erfolgreich war und diese Stärken bereits gezeigt hatte, im Sport oder anderen Lebensbereichen. So konnte ich einen Zugang zu positiven, leistungsfördernden Gefühlen und zu unbewusstem Handlungswissen darüber gewinnen, wie ich in der Vergangenheit etwas geschafft habe. Und da man sich manche Dinge auch gezielt ein- oder ausreden kann, habe ich das Ganze mit Strategien zur Umwandlung negativer in positive Gedanken bzw. Selbstgesprächen garniert.

Zusammenfassend habe ich mir ein Set von Gefühlen, inneren Bildern, Selbstgesprächen, inneren Monologen erarbeitet, die hilfreich für meine Zielerreichung sind. Diese Sets habe ich mental und körperlich so verankert, d. h. mit Auslösern versehen, dass sie entweder gleich unbewusst oder bewusst und wie auf Knopfdruck in bestimmten Situationen aktiviert werden, um ihre positive Wirkung zu entfalten. Solche Auslöser können Bilder, Symbole, Erinnerungen an Musik, kleine Bewegungen, Wörter, aber auch Reize wie der Startschuss, das Schnüren der Schuhe, das Aufsetzen des Fußes oder was auch immer sein. Außerdem habe ich hin und wieder kleine, feine Gedankenspiele eingesetzt, um vermeintlich automatisch ablaufende Prozesse, wie z. B. das Schmerzempfinden, die Bewegungskoordination, den Stoffwechsel, die Regeneration etc., positiv zu beeinflussen. Soweit der Schnelldurchgang.

Oft fehlte die Zeit, mein Vorgehen en détail zu erläutern. Und einige Leute merkten zu Recht an, dass Dinge, die bei mir funktioniert haben, noch lange nicht bei anderen Sportlern funktionieren müssen. Auch dem stimme ich voll und ganz zu. Allerdings hatte ich die wunderbare Möglichkeit, meine Ansätze in den letzten Jahren mit zahlreichen Laufsportlern zu teilen. Im Jahr 2012 erhielt ich von Jochen Schmitz, dem Chefredakteur der Fachzeitschrift RUNNING – Das Laufmagazin eine Anfrage, ob ich einen Artikel zum Thema „Motivation und Gesundheit“ schreiben wolle. Der Umfang sollte 5.000 Zeichen betragen, was in etwa 1,5 Seiten Text bedeutet.

Nach anfänglichem Zögern habe ich abgelehnt und einen Gegenvorschlag unterbreitet. Ich wollte das Thema nicht auf so kleinem Raum abhandeln, denn das Risiko, dass nur ein weiterer, relativ oberflächlicher Artikel zum Thema Motivation entsteht, schien mir sehr hoch. Mein Vorschlag: eine Artikelserie, in der pro Ausgabe ein eng umrissenes sportpsychologisches Thema praxisnah vorgestellt wird. Der Vorschlag kam gut an. Die Artikelserie „Mentalcoaching in der Praxis“ war geboren und seitdem über viele Jahre ein fester Bestandteil jeder Ausgabe. Die Resonanz auf die bisherigen Artikel war äußerst positiv. Immer wieder berichteten mir Leser bzw. Läufer, dass die Anregungen hilfreich seien und auch gut zur Selbstreflexion anregen.

Da sich im Laufe der Jahre eine Menge Material angesammelt hat, entstand im Jahr 2015 die Idee, eine Auswahl der bisherigen Beiträge in gebündelter und erweiterter Form einem größeren Publikum vorzustellen. Bei der Gelegenheit sollten natürlich auch Praxiserfahrungen aus meinen Coachings mit Läufern sowie etwas ausführlichere Erläuterungen zu meinem Vorgehen beim Atacama-Experiment einfließen. Soweit zur Idee. Das Ergebnis hältst du gerade in Händen. Viel Spaß damit.

1.2CHARAKTER UND AUFBAU DES BUCHES: WIE ES SEINE WIRKUNG ENTFALTET

Dieses Buch ist kein Lehrbuch, bei dem eine vollumfängliche Überblicksdarstellung des Themas Sportpsychologie stattfindet. Es ist auch kein wissenschaftliches Buch. Der Einsatz von Fachvokabular ist zugunsten von Alltagssprache auf ein Minimum reduziert. Wenn du tiefer einsteigen willst, folgst du einfach den Literaturhinweisen. Hier werden dir auch keine „Geheimnisse des Erfolgs“ präsentiert oder Zauberkisten aufgemacht. Solch ein Titel würde sich womöglich besser verkaufen, wäre aber marketingtechnisches Blendwerk.

EHRLICHKEIT WÄHRT AM LÄNGSTEN: WAS DIESES BUCH LEISTEN KANN UND WAS NICHT

Ich möchte ehrlich sein. Viele Dinge, die du hier findest, setzt du womöglich bereits auf die eine oder andere Weise unbewusst im Alltag ein und das ist gut so. So erhältst du durch die Lektüre eine Begründung oder Bestätigung für all diejenigen Dinge, die sich bereits bewährt und als hilfreich erwiesen haben. Nutze sie auch zukünftig und erzähle es weiter! Andere Strategien werden bereits seit Jahrhunderten in vielen Kulturen rund um den Globus eingesetzt, sind aber womöglich hier oder da in Vergessenheit geraten. Oder finden in der Hektik deines Alltags einfach nicht die nötige Beachtung, obwohl sie sehr mächtige Werkzeuge sein können. Gut also, wieder daran erinnert zu werden. Und einige Anregungen basieren auf aktuellen Forschungserkenntnissen aus der Psychologie, Medizin und Hirnforschung. Sie geben Hinweise darauf, wie du etwas verändern könntest, um deine Ziele besser, schneller, entspannter oder zuverlässiger zu erreichen, ganz gleich, ob es um Motivation, Leistung oder um Gesundheit und allgemeines Wohlbefinden geht. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.

PURE PRAXIS AUF DEN PUNKT GEBRACHT

Das Buch kommt aus der Praxis und ist für die Praxis. Die Inhalte wurden von mir und anderen Athleten bei diversen Läufen weltweit erfolgreich im mehr oder weniger extremen Praxiseinsatz getestet. „Tested under extreme conditions!“, könnte man also selbstbewusst sagen. Sie haben sich außerdem in verschiedenen Coachingprozessen mit Freizeit- und Hochleistungssportlern bewährt, die mal nur eine intensive Stunde dauerten, um bereits zu überraschenden positiven Wendungen zu führen, mal in mehrtägiger Seminarform stattfanden und mal über einen längeren Zeitraum im Rahmen umfassenderer Persönlichkeits- und Karriereentwicklung verliefen. Die Inhalte und Methoden werden so kompakt und einfach wie möglich dargestellt, damit du so schnell wie möglich loslegen kannst, statt dich zunächst durch viele Seiten Theorie zu wühlen.

TU ES!

Du hältst ein Arbeitsbuch in Händen. Dieses kann dich effektiv dabei unterstützen, an dir zu … arbeiten. Aber nur, wenn du das wirklich willst und auch tatsächlich tust. Nur durch die Anwendung der vorgestellten Strategien erschließt sich der wahre Wert des Buches, kommst du auf den Geschmack! Es wäre mir also eine Ehre, wenn du dieses Buch so richtig rannimmst. Schnappe dir einen Stift, unterstreiche für dich wichtige Passagen, kringle Textstellen ein, mache dir Notizen und probiere die Übungen und Strategien einfach aus. Das Buch ist ein Gebrauchsgegenstand und freut sich über deine ganz persönlichen Ergänzungen. Erst dann wird es komplett, wenn es das überhaupt jemals sein kann.

FÜR WEN IST DIESES BUCH?

Dieses Buch richtet sich an Läufer aller Leistungsstufen, vom Einsteiger bis zum alten Hasen, gleichgültig, ob die persönliche Spielwiese vorrangig Trail, Straße, Berg, Wüste, Regenwald, Tartanbahn, Stadtwald oder was auch immer ist. Auch Triathleten, Skilangläufer, Biathleten, Expeditionsteilnehmer und andere Ausdauersportler werden zahlreiche Anregungen für sich finden, die über die Laufdisziplin hinausgehen. Und was Athleten hilft, könnte womöglich ja auch für diejenigen von Interesse sein, die Athleten auf ihren Wegen begleiten und unterstützen, zum Beispiel Lauftrainer, Personal Trainer, (Sport-)Psychologen, Mentaltrainer oder die Lebensgefährten. Die hier vorgestellten Strategien sind auch exzellent für Herausforderungen außerhalb des Laufsports nutzbar. Es kann also sein, dass der eine oder andere Nichtläufer ebenfalls Spaß an der Lektüre findet, wie z. B. Sportler aus ganz anderen Bereichen oder Führungskräfte und Manager aus Unternehmen. Dann könnte man das Laufen einfach als Symbol dafür nehmen, dass es „rundläuft“, im Beruf, Privatleben usw. Denn wie heißt es so schön: „Das Leben ist ein Ultramarathon.“

FINDE DEINE PERSÖNLICHEN SCHÄTZE

Da unsere Motivation, Persönlichkeit, unser Erfahrungshintergrund und unsere Ziele sehr unterschiedlich sein können, ist es wahrscheinlich, dass nicht alle Inhalte für alle Leser stets gleichermaßen relevant sind. Wähle dir deshalb einfach genau die Dinge aus, die momentan für dich von besonderem Interesse sind. Vielleicht ist es das ganze Buch, vielleicht ist es eine besondere Anregung oder Übung, die in Zukunft den Unterschied macht oder eine wichtige Veränderung initiiert. Und nimm das Buch immer wieder mal zur Hand, denn wir verändern uns, entwickeln uns weiter. Im Zuge dessen können zu einem späteren Zeitpunkt manche Dinge eine andere Wichtigkeit erlangen und von Interesse sein, obwohl sie es vorher vielleicht nicht waren.

DER PERFEKTE „SECHS-WOCHEN-PLAN ZUM GLÜCK“?

Eigentlich können wir aus dem bisher Gesagten bereits eines schließen: Wenngleich du womöglich gern einen Plan an die Hand bekommen würdest, der dir genau sagt, wann du wie oft die Woche was zu tun hast, kann ich dir diesen Gefallen nicht tun. Nein, andersherum: Ich könnte natürlich, aber ich würde dir damit wahrscheinlich nicht wirklich einen Gefallen tun.

Jeder Mensch tickt anders. Gedankenspiele, die dem einen helfen, treiben den anderen womöglich in den Wahnsinn. Ein Trainingsrhythmus, der bei dem einen ganz hervorragend funktioniert, erzeugt bei dem anderen Druck. Trainingsinhalte, die für den einen perfekt zur aktuellen Situation passen, sind für den anderen womöglich völlig unstimmig. Aus diesem Grund möchte ich dich einladen, mit den vorgestellten Inhalten deinen ganz persönlichen Plan zu entwickeln, der dann auch ganz nah dran ist an deinen tatsächlichen Bedürfnissen. Mentaltraining entfaltet seine Wirkung dann am besten, wenn es genau an deine Situation angepasst wird. Feintuning ist also angesagt: ausprobieren, experimentieren, erleben, reflektieren und ggf. wieder anpassen. Dabei kannst du dich zunächst an den Übungen entlanghangeln und, darauf aufbauend, deine eigenen Kreationen entwickeln.

AUFBAU DES BUCHES

In Kap. 2, „Wie viel Kopf steckt in den Füßen?“, werfen wir einen kritischen Blick auf den üblichen Trainingsalltag von Läufern, beleuchten anhand erstaunlicher Beispiele, welche Einflussmöglichkeiten und Effekte die Psyche auf unseren Körper hat und klären, welche Möglichkeiten uns das mentale Training bietet.

Im Anschluss folgt eine fundierte Standortbestimmung, auf deren Grundlage wir aktuelle Ist-Zustände und zukünftige Soll-Zustände definieren und, darauf aufbauend, unsere persönlichen Entwicklungsziele ableiten können. Die Standortbestimmung eignet sich darüber hinaus hervorragend, um Zielerreichungsprozesse zu evaluieren.

In Kap. 4, „Motivation und Ziele: Erfolgsenergie entfachen und in die richtige Richtung lenken“, beschäftigen wir uns mit einem Thema, das überraschenderweise oft nur oberflächlich behandelt wird und womöglich genau deshalb zu unnötigen Motivationsproblemen führen kann. Wir beantworten die Frage, wie wir Ziele gestalten und managen sollten, damit sie auch richtig wirken. Wir lernen außerdem, welche Haltungen hilfreich oder hinderlich bei der Bewältigung von Herausforderungen sind.

Ein Kernelement des mentalen Trainings ist die Arbeit mit inneren Bildern und Gedanken. Kap. 5, „7-D-Kopfkino – Let the Magic happen“, erläutert zahlreiche Möglichkeiten zum Einsatz sogenannter Visualisierungen, um Erinnerungen an eine erfolgreiche Zukunft und magische Momente zu gestalten.

In Kap. 6, „Ran an die Ressourcen“, befassen wir uns damit, wie wir unsere (teils unbewussten) Fähigkeiten, Stärken und Ressourcen aktivieren, entwickeln und in entscheidenden Momenten auch einsetzen bzw. abrufen können.

Da nicht immer alles rund im Leben läuft, werfen wir in Kap. 7, „The Dark Side of the Moon: Schattenseiten des Laufens und wie wir sie zu Chancen machen“, einen Blick darauf, wie wir konstruktiv mit Themen wie Umgang mit Verletzungen, Misserfolg, Krisen, Übertraining, Burn-out, Depression und Sportsucht umgehen können.

In Kap. 8 bieten 11 äußerst spannende Gastbeiträge unter dem Motto „Das macht Mut. Erfolgsgeschichten von Lesern für Leser“ höchst interessante Einblicke, wie die mentalen Trainingstechniken im Alltag genutzt und welche Erfolge dadurch erzielt wurden.

Immer wieder werfen wir im Rahmen von Praxisbeispielen und den Erläuterungen zum Atacama-Experiment einen Blick auf konkrete Anwendungsbeispiele der vorgestellten Strategien. Hin und wieder gesellt sich ein kurzer Blick in die Forschung dazu.

Du wirst während des Lesens bemerken, dass sich manche Themen zu wiederholen scheinen. Das ist richtig so und gewollt. Wie bei einem guten Kochbuch auch, gibt es einige Zutaten, die immer wieder zur Anwendung kommen, die wir, je nachdem, was wir zubereiten oder erreichen wollen, in unterschiedlichen Variationen und Kombinationen nutzen. Und man kann sich bestimmten Themen und Phänomenen meist auf unterschiedliche Weise nähern. Man kann sozusagen verschiedene Einflugschneisen wählen. Und genau das tun wir im Laufe des Buches ebenfalls ganz bewusst. Dabei füllen wir merklich unseren (Selbst-)Führungs-Methodenkoffer und erhöhen die situative Flexibilität.

Ich bin schon sehr gespannt, welche Anregungen für dich die wertvollsten sein werden und was sich durch deren Umsetzung bei dir für Veränderungen und Verbesserungen einstellen. 3, 2, 1, go!

Konzentration ist gefragt: Hier läuft Michele beim Atacama Crossing über messerscharfe Salzkrusten. Tritt man ungünstig auf, bohren sie sich glatt durch die Schuhsohlen.

2

WIE VIEL KOPF STECKT IN DEN FÜSSEN?

2.1ANTIQUIERTER TRAININGSALLTAG: IST DIE ERDE DOCH EINE SCHEIBE?

2.2DIE KRAFT DER PSYCHE

2.3VERBLÜFFENDE EFFEKTE DER PSYCHE AUF DEN KÖRPER: DAS „UNKONTROLLIERBARE“ STEUERN LERNEN?!

2.4WUNDERWAFFE MENTALTRAINING? MÖGLICHKEITEN UND GRENZEN

Das größte unentdeckte Gebiet der Welt liegt … zwischen unseren Ohren.

(nach William O‘Brian)

2WIE VIEL KOPF STECKT IN DEN FÜSSEN?

Kurz nach der erfolgreichen Beendigung meines Atacama-Experiments haben mich zwei Journalisten für ein Interview angerufen. Nur wenige Tage später erschienen in diversen Tageszeitungen zwei große Artikel über meine Geschichte. Es schmeichelte mir, dass Sportlergrößen wie Formel-1-Weltmeister Vettel oder Boxer Klitschko zumindest bei dieser einen Ausgabe in den Hintergrund rückten. Das wirklich Interessante war allerdings der Titel. Obwohl die Interviews mit verschiedenen Journalisten geführt und die Artikel in gänzlich unterschiedlichen Verlagen publiziert wurden, war die Hauptüberschrift identisch: So weit die Füße tragen. Als ich das gelesen hatte, musste ich schmunzeln und habe mir spontan gedacht: Die Füße tragen genau so weit, wie der Kopf das will. Einen späteren Vortrag habe ich dann auch etwas provokativ wie folgt betitelt: „Wie viel Kopf steckt in den Füßen? Mit mentaler Stärke beim 250-km-Rennen durch die trockenste Wüste der Welt“. Mir gefällt die Frage außerordentlich gut, aber heißt das nun, dass ich ein glühender Verfechter der „Mind over Matter“- bzw. „Der Geist siegt über den Körper“-Denkweise bin? Nein.

In diesem Kapitel erfährst du, wie Geist und Körper intelligent zusammenhängen, welche teils verblüffenden Auswirkungen das Mentale auf den Körper haben kann (und umgekehrt), was genau mentales Training bedeutet und in welchem Umfang mentales Training zur eleganteren Zielerreichung oder Leistungssteigerung genutzt werden kann. Oder um es direkt noch klarer auszudrücken. Kopf und Körper sind zwei Seiten einer Medaille und untrennbar miteinander verbunden. Es wäre geradezu fahrlässig, dies im (Trainings-)Alltag zu ignorieren.

2.1ANTIQUIERTER TRAININGSALLTAG: IST DIE ERDE DOCH EINE SCHEIBE?

Sperlinge werden nie verstehen, warum Adler höher fliegen, als Kirschbäume wachsen.

(russisches Sprichwort)

Im Spitzensport ist die Leistungsdichte im oberen Bereich allgemein sehr hoch. Wenn zwei Sportler aufeinandertreffen, die über das gleiche Talent, den gleichen Trainingszustand, die gleiche allgemeine Fitness und Gesundheit verfügen, dann wird im entscheidenden Moment derjenige die Nase vorn haben, der stärker im Kopf ist. Während materialtechnische, biomechanische und trainingswissenschaftliche Ansätze zunehmend ausgereizt sind, liegen die größten Entwicklungsreserven im mentalen Bereich. Und wie sieht es im Freizeit- und Breitensport aus? Eigentlich ziemlich ähnlich. Wir können noch so fleißig im Training gewesen sein, noch so viele Kilometer heruntergespult haben, aber wenn wir am Tag X mental nicht gut drauf sind, dann verfehlen wir womöglich unser Ziel oder die Dinge laufen zumindest nicht wie gewünscht von der Hand. Und so ist es kaum verwunderlich, dass sich diese Erkenntnis zunehmend auch im Freizeitsport breitmacht.

Wann immer man einen Sportler fragt, ob der Kopf auch wichtig sei für den sportlichen Erfolg, dann wird eben dieser Kopf mehr oder weniger energisch genickt und die Antwort lautet: „Ja, natürlich!“ Und zwar ganz gleich, um welche Sportart es sich handelt. Jeder Mensch weiß mittlerweile eigentlich und bestätigt, dass Erfolg, aber auch Misserfolg, irgendwie immer auch Kopfsache ist. Eine Frage der Einstellung oder des Charakters, sagen die einen. Eine Frage der Motivation oder Willenskraft, sagen die anderen. Selbst im Laufsport herrscht Einstimmigkeit darüber, dass die erzielten Ergebnisse und Erfolge auch Kopfsache sind. Dennoch bleibt oft die Frage unbeantwortet, wie man es denn eigentlich genau an- bzw. wie man seinen „Gehirnmuskel" optimal einstellt, damit man im entscheidenden Moment seine Leistung auch tatsächlich zuverlässig abrufen kann und genau die Erfolge oder Veränderungen realisiert, die man sich wünscht. Oder wie man durch den Einsatz mentaler Trainingsformen zeitgemäßer, ganzheitlicher trainieren und dadurch Ziele vielleicht eine Spur eleganter, entspannter, freudvoller oder schneller und mit weniger Aufwand erreichen kann.

Ratschläge bleiben hier meist auf sehr oberflächlichem Niveau und haben überwiegend anekdotischen Charakter. „Du musst willensstark sein, dich gut motivieren oder konzentrieren können“, usw., sind Standardsprüche, die man immer wieder zu hören bekommt. In der Praxis ist das wenig hilfreich, weil keine konkreten Informationen folgen, wie man denn genau die (Selbst-)Motivation verbessern oder Willensstärke entwickeln kann.

Ich weiß natürlich nicht, wie viele Stunden du pro Woche trainierst. Sind es im Durchschnitt 3, 5, 10 oder 20 Stunden? Und im Maximum, zu Spitzenzeiten, wie viele Stunden kommen dann noch obendrauf? Zugegeben, das hängt natürlich immer alles von den persönlichen Rahmenbedingungen, Ambitionen und Zielsetzungen ab. Aber, Hand aufs Herz, da du ja sicherlich zustimmst, dass auch der Kopf eine entscheidende Rolle spielt, wie viel deiner durchschnittlichen Trainingszeit verwendest du bisher für mentales Training? Eher weniger? Die gute Nachricht: Viele Sportler nutzen unbewusst bereits eine Reihe von Ansätzen, ohne es zu wissen. Sie stellen sich Wettkämpfe in Gedanken vor, planen die Abläufe im Vorfeld und wissen sich in schwierigen Momenten gut anzutreiben. Oder glaubst du vielleicht, dass mentale Fähigkeiten irgendwie „gottgegeben“ bzw. angeboren und somit kaum veränderbar sind? Da kann ich dich ermutigen, denn das Gegenteil ist der Fall. Man kann sie genauso lernen und trainieren, wie man physische Fähigkeiten systematisch lernen, trainieren und weiterentwickeln kann. Und das Investment zahlt sich aus, wie wir später sehen werden.

Laufsport ist ein weltweites Massenphänomen. Womöglich gibt es kaum eine Sportart, in der mehr Bücher, Serviceanbieter und Internetseiten mit mehr oder weniger detaillierten Trainingsplänen für alle möglichen Distanzen und Zielzeiten feilgeboten werden. Die Pläne werden heiß gehandelt und intensiv diskutiert, geben trainingswissenschaftliche Orientierung und sind sicherlich eine große Hilfe, wenn man eine weise Auswahl zu treffen weiß. Nur warum beinhalten diese Trainingspläne noch immer so selten Hinweise zum mentalen Training, zur Integration der Psyche in den (Leistungs-)Entwicklungsprozess? Ist die Erde im Hinblick auf den Trainings- und Wettkampfalltag vieler Läufer etwa noch immer eine Scheibe?

2.2DIE KRAFT DER PSYCHE

Während die einen Läufer davon überzeugt sind, dass irgendwie alles mental sei, halten die anderen Psychologie und mentales Training für Wischiwaschi oder irrelevanten Hokuspokus. Wagen wir einen Blick hinter die Kulissen, damit wir zu einer etwas differenzierteren und vor allem fundierten Meinung kommen, was es mit unserer Psyche und mentalem Training auf sich hat.

Mittlerweile sind die Effekte der Psyche auf den Körper wissenschaftlich ausgesprochen gut dokumentiert. Für unsere Zwecke möchte ich dir anbei zunächst einige mehr oder weniger bekannte Forschungsergebnisse mitteilen. Detaillierte Informationen und ergänzende Erläuterungen findest du in den weiteren Kapiteln.

Regelmäßig wird bestätigt, dass sich bestimmte Persönlichkeitseigenschaften, Einstellungen und Haltungen positiv auf körperliche Prozesse, das Immunsystem und die allgemeine Gesundheit sowie auf den allgemeinen Erfolg und die Zufriedenheit auswirken. Nicht nur im Sport, sondern im Leben allgemein.

Aus der eher unverdächtigen Sportmedizin kommt ein gewichtiger Hinweis, dass der leistungslimitierende Faktor bei Ausdauerleistungen vor allem eine Frage des (Achtung!) Gehirns zu sein scheint.

In der sportpsychologischen Forschung konnten vielfach positive Zusammenhänge zwischen dem Einsatz mentaler bzw. sportpsychologischer Techniken in Training und Wettkampf sowie dem allgemeinen Leistungsniveau, der situativ erbrachten sportlichen Leistung, aber auch Aspekten wie Gesundheit aufgezeigt werden.

Die Hypnoseforschung und Untersuchungen über den Einfluss von Tranceprozessen bei Extremsportlern, Fakiren, Shaolin-Mönchen liefern uns beeindruckende Einsichten. Sie geben uns Hinweise, wie wir die Kraft der Gedanken, innere Bilder, Autosuggestionen, kurz: den Einsatz von Konzentrationstechniken raffiniert einbauen können, um überwiegend automatisch ablaufende und von uns (anscheinend) willentlich nicht oder nur sehr wenig kontrollierbare körperliche Prozesse positiv zu beeinflussen, wie z. B. das Schmerz- und Müdigkeitsempfinden, Stressreaktionen, den Stoffwechsel, die Regeneration und die Heilung nach (Sport-)Verletzungen usw.

(Sport-)Hypnose führt zu umfassenden positiven, gesundheitsförderlichen physiologischen Veränderungen. Eine Untersuchung konnte kürzlich sogar eindrucksvoll aufzeigen, dass in einem Trancezustand bei objektiv identischer körperlicher Leistung/ Belastung die subjektiv empfundene Anstrengung, aber auch die tatsächliche Muskelaktivität gegenüber dem normalen Wachzustand deutlich verringert werden kann.

UNSER AUTOPILOT

Gehen wir noch einen Schritt weiter. Ein Großteil unseres Verhaltens läuft automatisiert und unbewusst ab. Experten sprechen von 90-95 %. Während du jetzt dieses Buch liest, funktionierte z. B. deine Atmung bis gerade eben sehr wahrscheinlich ziemlich unbewusst. Auch dein Muskelapparat hat bisher größtenteils, ohne dein bewusstes Zutun, dafür gesorgt, dass alles läuft, wo auch immer du dich gerade befindest und gleichgültig, ob du stehst, sitzt, liegst oder gehst, und ohne dass du permanent darüber nachdenken müsstest, welche Muskelgruppen du in welchem Verhältnis wie stark kontrahieren müsstest, um eine gewünschte Haltung oder Bewegung beim Umblättern zu realisieren. Genau dieser Autopilot macht uns lebensfähig, entlastet unser Alltagsbewusstsein. Er sorgt dafür, dass viele Dinge blitzschnell bzw. ohne Nachdenken funktionieren. Das ist gut so, solange wir die gewünschten Ergebnisse erzielen.

Aber was, wenn wir hier oder da nicht mehr ganz zufrieden sind? Wenn wir nicht die gewünschten (und möglichen) Leistungen bringen, wir demotiviert oder antriebslos sind, wenn es eingeschliffene Gewohnheiten, Ängste oder sonstige Blockaden gibt, die uns im Weg zu stehen scheinen? Wenn dieser unbewusste Autopilot ein Großteil unseres Denkens, Fühlens und Verhaltens steuert, würde es da nicht Sinn machen, genau diesen Autopiloten mit einzubeziehen in das Training, in die persönliche Entwicklung? Aber wie können wir unser Unterbewusstsein ins Boot holen und dadurch unser sportliches Training moderner und erfolgreicher gestalten, unsere persönliche Entwicklung (nicht nur) im Sport beschleunigen oder erst ermöglichen?

Macht es vor dem Hintergrund des Einflusses der Psyche auf den Körper nicht Sinn, sich im Rahmen der Trainingsgestaltung mehr mit mentalen Prozessen zu befassen, die erwiesenermaßen die Leistungsfähigkeit, die Effizienz der Leistungserbringung, die Gesundheit und das Wohlbefinden dramatisch verbessern können? Ich denke: ja, unbedingt. Auf geht’s!

Und falls du doch noch nicht so ganz überzeugt bist, empfehle ich dir dringend die aufmerksame Lektüre des folgenden Abschnitts.

2.3VERBLÜFFENDE EFFEKTE DER PSYCHE AUF DEN KÖRPER: DAS „UNKONTROLLIERBARE“ STEUERN LERNEN?!

STÄRKT ODER SCHWÄCHT LAUFEN DAS IMMUNSYSTEM? ES KOMMT DARAUF AN!

Es ist mittlerweile ja kein Geheimnis mehr, dass sich moderates Laufen positiv auf die Gesundheit auswirkt und unter anderem unser Immunsystem, d. h., unsere Abwehrkräfte, effektiv stärken kann. Allerdings gibt es auch den gegenteiligen Effekt: Nach einer anstrengenden sportlichen Belastung, wie zum Beispiel einem Marathonlauf, neigen wir zu einer erhöhten Infektanfälligkeit. Unser Immunsystem scheint aufgrund physiologischer Veränderungen temporär geschwächt zu sein, sodass wir uns schnell mal einen Schnupfen einfangen können. Im Herbst 2015 erschien in ULTRAMARATHON, der Verbandszeitschrift der Deutschen Ultramarathon Vereinigung e. V. (DUV), ein interessanter Artikel einer von mir geschätzten Laufkollegin. Die Biologin Verena Liebers berichtete unter dem Titel Nicht nur „mental“ – Ultralauf und Abwehrkräfte von einer aktuellen sportmedizinischen Studie über den Einfluss des Laufens auf entzündungsrelevante Botenstoffe (Liebers, 2015; Gill et al., 2015).

Ein Forscherteam untersuchte im Rahmen eines 24-h-Laufs in Schottland, wie sich der Wettkampf auf das Körpergewicht, die wahrgenommenen Magen-Darm-Beschwerden und weitere physiologische Parameter, wie zum Beispiel die Anzahl bestimmter Botenstoffe im Blut, die bei Entzündungen eine Rolle spielen, auswirkt. Den Probanden wurde zum Vergleich direkt vor und nach dem Rennen Blut abgenommen. Es zeigte sich, dass fast alle untersuchten Botenstoffe (Interleukin-6/-8/-10/-1-beta, Tumornekrosefaktor, Interferon-gamma, C-reaktives Protein) nach dem Rennen statistisch bedeutsam erhöht waren. Darüber hinaus klagten 75 % der Teilnehmer über Magen-Darm-Beschwerden oder Übelkeit, wobei ein Zusammenhang zwischen den Magen-Darm-Problemen und dem vermehrten Auftreten zweier Botenstoffe nachgewiesen werden konnte (Interleukin-8/-10).

In einer Folgestudie während eines mehrtägigen Ultramarathonlaufs in Spanien konnte dieser Zusammenhang zwar nicht bestätigt werden (Gill et al., 2015). Allerdings zeigten sich auch hier deutlich erhöhte Werte bei den entzündungsrelevanten Botenstoffen. Läufer reagieren also auf die sportliche Belastung, indem vermehrt Botenstoffe gebildet werden, wie sie auch bei Infekten oder Entzündungen auftreten. Es treten also körperliche Veränderungen auf, die deutlich über das Phänomen des Gewichtsverlusts hinausgehen. Der Körper sorgt zwar gleich für regulierende Maßnahmen, allerdings bleibt für eine gewisse Zeit eine erhöhe Infektanfälligkeit gegeben.

Experten sprechen vom Open-Window-Effekt. Wenngleich, laut Liebers, diese Untersuchungen noch keine konkreten Informationen für die Praxis lieferten, so wollte sie zumindest etwas provozieren und diejenigen (Ultra-)Läufer, die stets meinen, es sei doch alles mental, daran erinnern, „dass auch beim Ultraläufer nicht alles ‚nur mental‘ ist. Wer derartige Anstrengungen auf sich nimmt, muss gewahr sein, dass er seinen Körper einem Stress aussetzt“ (Liebers, 2015, S. 120).

Einerseits habe ich mich gefreut, dass in der DUV-Verbandszeitschrift ein so spannendes Thema allgemeinverständlich präsentiert wurde. Andererseits habe ich mich gefragt, ob hier nicht ein wenig zu kurz gesprungen wurde, weil in meinen Augen ein wesentlicher Aspekt keine Berücksichtigung fand, zumindest wenn man den Menschen etwas ganzheitlicher betrachtet: Welchen Einfluss unsere Psyche, unsere Persönlichkeit und der bewusste oder unbewusste Einsatz bestimmter mentaler Strategien womöglich auf die entzündungsrelevanten Blutwerte und das (Magen-Darm-)Empfinden haben könnte. Oder anders ausgedrückt: Wenn zwei Athleten über die gleichen körperlichen Voraussetzungen verfügen, gleich gut trainiert und auch gesund sind, könnte es nicht z. B. sein, dass sich die Werte unterscheiden, je nachdem, welche Einstellungen gelebt werden und welche mentalen Strategien zum Einsatz kommen?

LAUF IST NICHT GLEICH LAUF IST NICHT GLEICH LAUF: ÄUSSERE BELASTUNG VS. INNERE (PHYSIOLOGISCHE UND PSYCHISCHE) BEANSPRUCHUNG

Um zunächst beim Thema Stress und Magen-Darm-Beschwerden zu bleiben: Wahrscheinlich kennen wir alle eine der folgenden Situationen aus unserem eigenen Alltag oder dem unserer Freunde, Bekannten und Kollegen: Kurz vor einer Universitätsklausur, Fahrschulprüfung, wichtigen Firmenpräsentation, einem Bewerbungsgespräch oder einem bedeutenden Wettkampf, der für uns das Jahreshighlight darstellt, reagieren wir mit entspannter Vorfreude oder vielleicht auch mit Nervosität und Lampenfieber. Die Nacht vor dem Termin schlafen die einen tief und fest, während sich die anderen unruhig hin- und herwälzen, begleitet von einem … flauen Magen. Sie erleben in gewisser Weise Stress.

Wir alle wissen und erleben immer wieder, dass Menschen auf identische situative Anforderungen oftmals völlig unterschiedlich reagieren. Die einen sind gestresst. Die anderen nicht. Nicht nur in der Stressforschung, sondern auch in der Sportwissenschaft, hier speziell in der Trainingslehre und der Sportpsychologie, unterscheidet man deshalb zwischen Belastung und Beanspruchung bzw. innerer und äußerer Belastung.

Unter (äußerer) Belastung ist die situative Herausforderung zu verstehen, die objektiv für alle gleich ist (zum Beispiel das Absolvieren eines Halbmarathons). Unter Beanspruchung oder innerer Belastung verstehen wir die individuellen physiologischen, biochemischen und psychologischen Reaktionen eines Menschen auf eine konkrete äußere Belastung.

Die Kreislauf-, Atmungs-, Thermoregulation sowie der Muskelstoffwechsel hängen natürlich auch vom Trainings- und allgemeinen Gesundheitszustand ab. Sie können sich bei gleicher Belastung und gleichem Trainingszustand dennoch erheblich unterscheiden und zu individuell unterschiedlichen Beanspruchungen führen. Unstrittig und allseits bekannt ist außerdem, dass die physiologische Beanspruchung untrennbar mit mentalen und emotionalen Faktoren verbunden ist. Nervosität und Angst führen z. B. immer auch zu einem Anstieg der Herzfrequenz, zu verringerter Atemtiefe, zu einer vermehrten Schweißproduktion, zu verändertem Muskeltonus. Und oft auch zu einem flauen Magen. Alles sicherlich nicht förderlich für eine gute Leistung.

Bleibt die entscheidende Frage: Können wir die mentalen Faktoren so steuern, dass sie gewünschte/förderliche Auswirkungen auf die Beanspruchung haben und wenn ja, wie?

Verena Liebers formuliert ihren Titel etwas provokativ: „Nicht nur mental“. Natürlich hat sie damit recht. Was immer wir tun, hat neben einer mentalen eine körperliche Komponente. Und indem wir uns lediglich vorstellen, heute Nachmittag 10 km besonders schnell durch den Wald zu laufen, haben wir noch nicht 1 m zurückgelegt. Allerdings sind Körper und Geist, physiologische und mentale Prozesse, untrennbar miteinander verbunden. Sie ergänzen sich und üben einen gegenseitigen Einfluss aufeinander aus, im positiven, aber auch im negativen Sinne. Hierzu einige spannende und lehrreiche Beispiele.

STARKER CHARAKTER? AUSWIRKUNGEN DER PSYCHE AUF UNSERE ABWEHRKRÄFTE

Die Psychoneuroimmunologie beschäftigt sich mit den Wechselwirkungen von Psyche, Nerven- und Immunsystem und ist aktuell eines der wichtigsten Gebiete der medizinischen Forschung. Zunehmend setzt sich die Erkenntnis durch, dass zahlreiche psychische Faktoren einen bedeutsamen positiven oder negativen Einfluss auf die Immunabwehr haben (Schubert, 2011; Pressman & Cohen, 2005).

Persönlichkeitseigenschaften, wie Optimismus, Selbstwert, Selbstwirksamkeit, aber auch soziale Beziehungen zu anderen Menschen sowie die Aktivierung positiver Gefühle im Alltag wirken sich förderlich auf die Immunabwehr aus und führen nachweislich zu schnelleren Heilerfolgen nach Verletzung oder Operationen. Wenn die Psyche so massive Auswirkungen auf unsere Gesundheit und selbst auf die Heilung nach Verletzungen oder Operationen hat, sollte man da nicht auch meinen, dass sich die Psyche ebenfalls auf temporäre Entzündungseffekte und Stoffwechselprozesse während/nach sportlicher Aktivität und somit positiv auf den Grad der individuellen Beanspruchungen und Regenerationszeiten auswirken kann?!

PLACEBOS UND NOCEBOS: GLAUBE VERSETZT BERGE IM KÖRPER. MIT TEILS DRAMATISCHEN FOLGEN

Ein hoch spannendes, noch relativ neues Forschungsfeld ist die medizinische Placeboforschung. Sie geht folgender Frage nach: Welche Mechanismen wirken, wenn kranke, leidende Menschen mit Scheinpräparaten behandelt werden und dann wieder gesunden, obwohl die eingenommenen Präparate zwar wie reguläre, hochwirksame Medikamente aussehen und auch als solche präsentiert wurden, aber tatsächlich keinerlei medizinische Wirkstoffe enthalten? Die Erfolge sind im Rahmen groß angelegter, kontrollierter Studien verblüffend hoch.

Aber es geht noch verblüffender: Hast du schon mal von Placebo-Operationen gehört? Das Ganze funktioniert wie folgt. Einem Patienten z. B. mit (Knie-)Beschwerden wird eine Operation angeraten. Alles läuft identisch zu einer regulären OP. Ein umfassendes Vorgespräch findet statt, die Anästhesie wird besprochen und irgendwann landet der Patient im OP-Saal und wird betäubt. Statt das Knie jedoch regulär zu arthroskopieren, um beispielsweise einen Teil des Meniskus zu entfernen, werden lediglich zwei oberflächliche Schnitte gemacht. Das war’s. Ansonsten wird das Knie in Ruhe gelassen. Eine halbe Stunde später wacht der Patient aus der Narkose auf und alles hat für ihn den Anschein, als wäre er regulär am Knie operiert worden. Auch postoperativ nehmen die Dinge wie üblich ihren Lauf.

Normalerweise müsste man denken, dass sich ja nichts geändert haben kann, weil ja kein echter Eingriff vorgenommen und nicht wirklich etwas im Knie verändert wurde. Aber siehe da, auch bei den Placebo-OPs ist die Erfolgsrate überraschend hoch. Manche Patienten haben postoperativ weniger oder gar keine Beschwerden mehr (Siegmund-Schultze, 2008). Beiden Strategien ist eines gemeinsam: Obwohl keine medizinisch wirksame chemische oder operative Intervention stattfindet, erfolgt ein intensiver Heilungsprozess. Es geht allerdings auch in die umgekehrte Richtung, und zwar ausgesprochen dramatisch. Unter Nocebos verstehen wir den Umstand, dass wirkstofffreie Präparate aufgrund der persönlichen Erwartungshaltung nicht gesund, sondern krank machen. Im Jahr 2006 erfährt ein 26-jähriger Mann von seiner damaligen Lebensgefährtin, dass diese ihn verlassen will. Der Liebeskummer des jungen Mannes ist so groß, dass er sich das Leben nehmen möchte. Da er zuvor an einer medizinischen Studie für ein neues Medikament teilgenommen hatte, ist er im Besitz einer Dose mit 29 Tabletten eines hochwirksamen Medikaments. Er schluckt den kompletten Inhalt der Dose. Kurz darauf verschlechtert sich sein Gesundheitszustand dramatisch und er wird ins örtliche Krankenhaus eingeliefert. Die Ärzte kämpfen um sein Überleben. Der Blutdruck des Mannes ist gefährlich niedrig. Im Rahmen der Behandlung kontaktiert einer der Ärzte den Leiter der medizinischen Studie, um zu erfahren, welche Inhaltsstoffe das Medikament enthält. Der Leiter des Forschungsprojekts wirft daraufhin einen Blick in die Akten und antwortet: „Gar keine.“

Der Mann war in der Kontrollgruppe und hatte nur ein Placebo-Medikament ohne Wirkstoffe erhalten. Allein der Glaube daran, ein hochwirksames und in großer Dosis tödliches Medikament geschluckt zu haben, brachte den Mann in ernste Gefahr. In dem Moment, in dem der Mann aufgeklärt wurde, dass er lediglich Teil der Kontrollgruppe war und ein wirkungsfreies Placebo-Präparat verabreicht bekam, welches nur aus Stärke und Milchzucker bestand, verbesserte sich der dramatische Gesundheitszustand innerhalb kürzester Zeit wieder und er konnte beschwerdefrei das Krankenhaus verlassen (Merlot, 2008).

Fazit: Allein der intensive Glaube an Heilung (oder Krankheit) aktiviert massiv die eigenen Selbstheilungs- (oder Destruktions-)Kräfte und sorgt für positive oder negative physiologische Veränderungen im Körper bzw. Gehirn, ganz ohne äußeres bzw. bewusstes Zutun. Wäre es nicht interessant, diese Kräfte zukünftig etwas systematischer vor, während oder nach intensiven Belastungen zu steuern und zu lenken? Zumindest die positiven? Aber woran und wie sollten wir in solchen Momenten glauben, worauf unsere Aufmerksamkeit richten?

ÜBER TIEFTAUCHER, EISMÄNNER, FAKIRE, MÖNCHE, WUNDERLÄUFER UND MENSCHEN WIE DU UND ICH: VERÄNDERTE BEWUSSTSEINSZUSTÄNDE UND RAFFINIERTE AUFMERKSAMKEITSFOKUSSIERUNG FÜR AUSSERGEWÖHNLICHE LEISTUNGEN

Bisher haben wir wertvolle Hinweise erhalten, dass sich unsere Psyche, d. h., unsere Persönlichkeitsmerkmale, Einstellungen und Erwartungen, umfassend und immer auch auf den Körper auswirkt, ohne dass wir diese Vorgänge bewusst steuern. Doch können wir auch ganz gezielt Einfluss nehmen auf körperliche Vorgänge, die völlig autonom ablaufen und (anscheinend) willentlich nicht steuerbar sind? Um es vorwegzunehmen: Ja, wir können und womöglich liegt hier eine der größten und wertvollsten Möglichkeiten zur persönlichen Entwicklung und Verbesserung der Leistungsfähigkeit.

Ein wunderschönes Beispiel dafür, wie sich unsere bewussten Gedanken und inneren Bilder innerhalb kürzester Zeit auf unseren Körper auswirken, ist das berühmte Zitronenexperiment.

ÜBUNG: DAS ZITRONENEXPERIMENT

Stelle dir vor, dass du in deiner rechten (oder linken) Hand eine Zitrone hältst, die bereits geschält ist. Eine richtig pralle, frühreife und deshalb besonders saure Zitrone. Stelle dir vor, wie sich die Oberfläche der Zitrone anfühlt, während du sie etwas in deiner Hand hin- und herdrehst und bewegst. Und jetzt stelle dir vor, wie du deinen Arm hebst und die Zitrone an die Nase führst, um an ihr zu riechen. Du beginnst, einen angenehm frischen Zitronenduft wahrzunehmen. Je länger du die Zitrone in deiner Hand hältst, anschaust und an ihr schnupperst, desto intensiver nimmst du den ausgesprochen frischen Geruch der Zitrone wahr. Und nun stelle dir vor, wie du die Zitrone an deinen Mund heranführst, diesen öffnest, um dann richtig beherzt in die Zitrone hineinzubeißen.

Die Übung funktioniert bei vielen Menschen mit geschlossenen Augen besonders gut. Je intensiver und detailgetreuer die Fokussierung der Aufmerksamkeit auf die innere Vorstellung ist, je mehr Sinne bzw. Wahrnehmungskanäle aktiviert werden, desto stärker fällt zumeist auch die umgehende körperliche Reaktion aus. Die einen schüttelt es regelrecht bei der Vorstellung, in diese saure Zitrone zu beißen. Bei den anderen ziehen sich die Gesichtsmuskeln zusammen oder es tritt eine spontane Speichelproduktion auf.

Solche Mechanismen können wir gezielt nutzen, um uns in gewünschte positive Zustände zu versetzen. Allein die intensive Erinnerung an positive Erlebnisse, z. B. besondere Erfolge oder schöne Momente, führt immer auch zu positiven körperlichen Reaktionen. Lenken wir unsere Aufmerksamkeit hingegen auf negative Erinnerungen, so führt dies stets und unweigerlich zu mehr oder weniger wahrnehmbaren negativen Reaktionen des Körpers bzw. zu entsprechenden Stresssymptomen. Und selbst wenn diese negativen Auswirkungen nur so gering sind, dass wir sie bewusst gar nicht wahrnehmen, so können diese einen entscheidenden Einfluss darauf haben, ob wir unsere Ziele wie gewünscht erreichen oder nicht (siehe auch Kap. 6.1 Ressourcenreload).

VIRTUOSE SCHMERZKONTROLLE: SCHMERZFREI AUF DEM WEG ZUM WUNDERLÄUFER?

Es ist völlig gleich, auf welchen Distanzen du unterwegs bist. Irgendwann kommt bei ambitionierten Läufern im Training und Wettkampf der Moment, wo nicht nur die Beine anfangen, wehzutun. Mal zwicken vielleicht nur die einen oder anderen Muskeln unangenehm, mal hat man das Gefühl, dass die Beine, die Lunge und überhaupt alles zu explodieren scheint. Eine entscheidende Fähigkeit von Läufern ist es, diese Schmerzen so lang wie möglich zu tolerieren und dennoch weiterzulaufen. Das fordert eine gewisse Willensstärke und ist erfolgsentscheidend für jeden Ausdauersportler. Aber was wäre, wenn wir diesen Schmerz kontrollieren oder gar ausschalten könnten? Wäre das nicht eine große Hilfe bei der persönlichen Leistungsentwicklung?

ANÄSTHESIE? NEIN, DANKE!?

Jeder Läufer sollte hin und wieder auch mal zum Zahnarzt gehen. Zumindest zur Kontrolle. Manchmal muss auch ein bisschen was gemacht werden. Und damit das Ganze für den Patienten so angenehm wie möglich ist, erhält man in der Regel eine kleine Spritze, damit die behandelten Regionen betäubt werden. Zunehmende Verbreitung erfährt dabei in Deutschland eine Praxis, wie sie in den USA bereits ein Großteil der Zahnärzte anbietet (Schmierer, 2009). Statt auf Chemiekeulen zu setzen, wird der Patient durch den Einsatz von zahnärztlicher Hypnose dabei angeleitet bzw. unterstützt, dass er ohne den Einsatz klassischer Anästhetika, also chemischer Schmerz-/Betäubungsmittel, während des Eingriffs keinerlei Schmerzen verspürt. Zahlreiche Befunde aus der Wissenschaft zeigen, dass dieses Vorgehen als deutlich angenehmer empfunden wird und für den Patienten weniger Nebenwirkungen hat.

Da die Resultate ausgesprochen positiv sind, gibt es selbst in der klassischen Schulmedizin mittlerweile gut ausgebildete, innovative Ärzte, die bei operativen Eingriffen auf den Einsatz von Hypnoseverfahren setzen. Je nach Patient und Art der Operation kann zum Beispiel nach einer schweren Sportverletzung und selbst bei größeren offenen Wunden durch Hypnose entweder gänzlich auf eine klassische Anästhesie verzichtet werden, oder die verabreichten Dosen sind durch die kombinierte Anwendung von Hypnose und herkömmlicher Anästhesie deutlich geringer, als ohne den flankierenden Einsatz von Hypnose. Das Erstaunliche ist, dass vielfach auch die Heilungsprozesse nach Operationen mit begleitender Hypnose deutlich besser und schneller verlaufen, als beim Einsatz von herkömmlicher Anästhesie (Bejencke, 2009; Schmierer, 2009; Wicks, 2009).

KEINEN SCHMERZ MEHR ZU SPÜREN, DAS WÄRE DOCH WUNDERBAR, ODER?

Nun könnte man geneigt sein, zu denken: Keine Schmerzen mehr spüren, das wäre ja wunderbar und würde ganz neue Perspektiven ermöglichen. Ohne Schmerzempfinden auf dem Weg zum Superläufer? Vorsicht. Natürlich wissen wir alle, dass Schmerz auch eine positive Funktion haben kann, der uns vor Überlastungen und Schädigungen des Organismus schützt. Wer diesen Schutzmechanismus aushebelt, riskiert größere Folgeschäden. Dazu ein sehr eindrückliches Beispiel. Vor ein paar Jahren war ich auf einem Kongress über das Thema „Mentale Stärken“. Ein Teilnehmer hat dabei sehr offen und selbstkritisch von einem Fall mit einer deutschen Spitzensportlerin berichtet. Im Rahmen der Zusammenarbeit wurde unter anderem die Fähigkeit optimiert, das persönliche Schmerzempfinden auszuschalten oder zumindest zu reduzieren bzw. zu tolerieren. Dann zog sich die Sportlerin leider eine Muskelzerrung zu. Statt einen Gang runterzufahren, ging es weiter mit Volldampf durch einen eher unbedeutenden Wettkampf. Und du wirst wahrscheinlich schon ahnen, wie das Ganze ausgeht. Aus der relativ leichten und innerhalb kürzester Zeit zu therapierenden Muskelzerrung wurde ein ausgewachsener Muskelfaserriss, welcher die Athletin in der entscheidenden Saisonphase unweigerlich zu einer längeren Zwangspause nötigte. Nicht gut, oder?

Moral der Geschichte: Natürlich ist es gut und oft hilfreich, wenn man konstruktiv mit Schmerzen umgehen, diese in manchen Situationen regelrecht ausschalten, in anderen Situationen zumindest besser und entspannter tolerieren kann. Diese Fähigkeit kann man exzellent für sich nutzen und man sollte dies auch tun bzw. trainieren. Gleichzeitig zeigt insbesondere das letzte Beispiel, dass wir stets auch sehr aufmerksam auf unseren Körper hören sollten, um eine kurzfristige Verletzung sowie langfristige Schäden, die sich oft erst nach vielen Jahren im Laufsport bemerkbar machen, zu vermeiden. Der Kopf ist zwar sehr mächtig, der Körper aber auch. Und genauso weise und wertvoll! Wohl dem, der es schafft, ein effektives Körper-Geist-Teamwork zu etablieren, bei dem beide Bereiche gleichberechtigt miteinander kooperieren, um kurz- und langfristig eine gesunde Leistungsentwicklung zu ermöglichen.

„DIE KÖRPERBEHERRSCHER – MENSCHEN AM LIMIT DES KÖRPERLICH LEISTBAREN“: AUSNAHMEATHLETEN, IHRE STRATEGIEN UND WAS WIR VON IHNEN LERNEN KÖNNEN

Im Rahmen der Dokumentarfilmserie „Terra X“ lief Ende 2012 ein spannender Beitrag mit dem Titel Die Körperbeherrscher – Menschen am Limit des körperlich Leistbaren (Staudenmayer, 2014). Mehrere Menschen, die in ganz unterschiedlichen Bereichen außergewöhnliche Leistungen vollbringen, wurden porträtiert. Dabei wurde die Frage zu beantworten versucht, inwieweit auch in jedem von uns ähnliche Talente verborgen liegen.

APNOETAUCHER

Einer der erfolgreichsten Apnoetaucher aller Zeiten ist Herbert Nitsch. Er schaffte es zum Beispiel, ohne Sauerstoffgeräte und mit nur einem Atemzug 214 m in die Tiefe zu tauchen. Nitsch ist in der Lage, durch intensive Konzentration bzw. Meditation die Verteilung des Blutes in seinem Körper gezielt so zu steuern, dass die Außenbereiche des Körpers bzw. die Gliedmaßen nur noch so wenig wie möglich durchblutet werden, denn das führt zu einem deutlich geringeren Sauerstoffverbrauch. Außerdem ist er in der Lage, dem angeborenen Atemreflex zu widerstehen und sich trotz der extremen Tauchtiefe und den damit verbundenen hohen Risiken in einen extrem entspannt-fokussierten Körper- und Geisteszustand zu versetzen. Das führt dazu, dass der Energieverbrauch weiter auf das Wesentliche reduziert bzw. der zur Verfügung stehende Sauerstoff perfekt ausgenutzt wird. Nitsch ist so in der Lage, extrem ausdauernd eine gefühlte Ewigkeit in unglaublicher Tiefe zu tauchen.

FAKIRE UND SPORTLER MIT FAKIRQUALITÄTEN

Auch Fakire oder andere Menschen, die sich aus religiös-kulturell-sozialen Gründen im Rahmen spezieller Riten Nadeln und sonstige schmuckartige Gegenstände durch Nase, Ohren, Wangen usw. stechen, nutzen diese Fähigkeiten. Das Erstaunliche: Bei diesen Aktivitäten, die uns oftmals schaudern lassen, fließt in der Regel weder Blut noch scheinen die Akteure an Schmerzen zu leiden. Über sie wurde zwar nicht in „Terra X“ berichtet, aber auch sie sind in der Lage, die Verteilung des Blutes im Körper sehr sensibel zu steuern.

In eine ähnliche Richtung geht ein Experiment, das ein US-Sportpsychologe mit einer Reihe von Sportlern durchgeführt hat (Liggett, 2004). Nach einer kurzen Einführung zum Thema Selbsthypnose und dem Einsatz von Fokussierungstechniken wurden den Athleten mit einer feinen Nadel auf dem Handrücken im Abstand von wenigen Millimetern zwei winzige Löcher in die Haut gestochen. Was glaubst du, was nun an den Wunden passierte?

Vielleicht sollte ich noch folgende Information ergänzen: Die Testpersonen wurden zuvor in zwei Gruppen eingeteilt. Die erste Gruppe sollte sich darauf konzentrieren, dass nur aus dem rechten Loch ein Tropfen Blut austritt. Die zweite Gruppe erhielt die Aufgabe, sich darauf zu konzentrieren, dass nur aus dem linken Loch Blut fließt. Die Sportler waren sprachlos, als sie feststellten, dass die Resultate der Anweisung der jeweiligen Gruppeneinteilung entsprechend waren. Bei einem Athleten schien der Psychologe zunächst verunsichert und dachte, das Experiment sei misslungen, weil gar kein Blut austrat. Dann war er aber ebenso überrascht, nachdem die Testperson angab, dass sie sich zunächst vorstellte, dass gar kein Blut fließt und erst einige Sekunden später Blut durch das gewünschte Loch austrat.

DER EISMANN UND DIE TUMMO-MEDITATION

Ähnlich verblüffend sind die Leistungen von Wim Hof. Der sogenannte Eismann