Merline die Nixe Das Grauen vom Wildsee - Manfred G. Bauer - E-Book

Merline die Nixe Das Grauen vom Wildsee E-Book

Manfred G. Bauer

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Beschreibung

Und ewig lockt die Nixe ... … ist der erste Teil der Trilogie um Merline, der bösen Nixe vom Wildsee. Was haben die folgenden Begriffe gemeinsam? Schwarzwaldsage, Mummelseegeist, Flößer, Pechsieder, Wassermenschen, der Schwarze Tod, Wildsee, Merline die Nixe, Elfen, Hirtenjunge, Ritter, Burgfräulein, Silberschatz, Schlossberg, Burgstall, Schönmünz, Schwarzenberg, Huzenbach, Huzenbachsee: Hier die Antwort: Alle diese Begriffe sind verwoben zu einer einmalig spannenden Romanreihe in deren Mittelpunkt eine sagenhafte Nixe steht. Man sagt, dass sie angeblich viele Jahrhunderte lang im Wildsee ihr Unwesen getrieben und zahlreiche verirrte Wanderer und Hirtenjungen im See ertränkt hat. Keiner weiß, weshalb der Pechsieder Hannes, der direkt am See seinem Gewerbe nachgeht, nicht auch zu ihrem Opfer wird, denn sie lässt ihn viele Jahrzehnte lang unbehelligt. Sie sucht sogar seine Freundschaft, doch das duldet er nicht, denn er verabscheut ihr mörderisches Treiben zutiefst. Dennoch wagt er es nicht, sie völlig zurückzuweisen, denn wenn er ihren Zorn herausfordert, könnte das sein Ende bedeuten. Dann kommt aber der Hirtenjunge Karl mit seiner Herde an den See, weil sein Vater die Pacht für die Weide sparen will. Hannes weiß, dass der Junge in großer Gefahr schwebt. Er will mit aller Macht verhindern, dass Karl Merlines nächstes Opfer wird. Doch wie soll ein schwacher, sterblicher Mensch gegen die Verführungskunst der berückend schönen Nixe ankommen? Wird Karl rechtzeitig erkennen, dass sich hinter der Fassade der schönen Nixe das hässliche Gesicht des Todes verbirgt? - Wir werden sehen.

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Seitenzahl: 144

Veröffentlichungsjahr: 2017

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Merline die Nixe Das Grauen vom Wildsee Buch 1 Und ewig lockt die Nixe

PrologEine schreckliche UntatHartmann der KüblerMerline die NixeDer schwarze TodDer Findling und die QuelleHannes und ElseTodesgefahrDer HirtenjungeEin überraschender BesuchGutes oder BösesLesen sie weiter in:Anhang

Prolog

Der kleine Junge bekam ganz große Augen, halb vor Neugier, halb vor Angst, als er den wilden Mann dort am Ufer des Mummelsees entdeckte und gleich suchte er die Hand seines Vaters. Sein zwanzig Monate älterer Bruder tat auf der anderen Seite dasselbe. Die Kleidung die der Wilde trug schien aus Wasserpflanzen zu bestehen, denn sie war dunkelgrün und hing in Fetzen an ihm herab. Er hatte weiße lange Haare, die nie einen Kamm gesehen hatten und einen verfilzten, ebenso langen Bart, so dass vom Gesicht nur die Augen zu sehen waren. Groß war er auch noch und sogar noch größer als der Vater und der war für den Jungen normalerweise der Größte. Mit dem spitzen Dreizack in seinen Händen sah der wilde Mann sehr gefährlich aus.

„Papa, ist er das? - Ist der echt?” fragte der Junge und ließ kein Auge von dem grün-gewandeten, unheimlichen Kerl. Er drängte sich näher an den Vater, als der sich um einige Schritte näherte.

„Hm jooh!” antworte der Vater gedehnt und grinste dabei in sich hinein. „Das ist ein Wassermann und der König des Mummelsees!”

Man hätte diese Szene für den Anfang einer Gruselgeschichte halten können, doch sie ist mir selbst passiert, denn ich war der Junge, der die Frage stellte. Es muss einer unserer Wochenendausflüge gewesen sein, die uns irgendwann die Ufer des Mummelsees geführt hatten. Doch wie und warum wir an den See gelangt waren, weiß ich nicht mehr, aber an den Wassermann erinnere ich mich noch ganz genau. Doch zu einer echten Gruselgeschichte hätten vielleicht auch noch Nebelfetzen über den dunklen Wassern gehört und völlige Einsamkeit. Doch die Touristenbuden welche Souvenirs verkauften, die überfüllten Parkplätze rundum, sowie das Hotel am Seeufer wollten nicht so recht dazu passen. Es wimmelte von Menschen, die genau wie wir einen Ausflug zu dem See gemacht hatten. Später war mir schon klar, dass es nur ein Schauspieler gewesen sein konnte, der für all die Touristen den sagenhaften König vom Mummelsee gespielt hatte. Damals aber habe ich mich nicht näher an den Mann herangetraut und überließ das gerne einigen viel älteren und mutigeren Kindern, die sich gegen Bezahlung einer Gebühr sogar mit dem Wassermann fotografieren lassen konnten. Das aber war meine erste Berührung mit den Sagen um die Wassergeister der Karseen, welche rund um meinen Wohnort im Schwarzwald sehr häufig vorkamen.

Als Kind habe ich deshalb lange geglaubt, ein See sei eine fast kreisrunde Wasserfläche, mit tief dunklem Wasser, die von hohen, sehr steilen und felsigen, aber immer noch bewaldeten Abhängen eingerahmt ist, bis auf die Stelle, wo ein Bach dem See entspringt. Dort ist oft ein hoher Wall, eine Art Geröllhalde, in welche sich der Abfluss Bahn gebrochen hat. Dass es auch noch andere Arten von Seen gibt, die größer sind, anders in die Landschaft eingebettet und eine andere Form haben, das wusste ich lange nicht. Woher hätte ich wissen sollen, dass die Seen meiner Schwarzwälder Heimat zu einer besonderen, woanders seltenen Art gehören, den Karseen, die nur in Gebirgen vorkommen, die von Eiszeitgletschern geformt wurden. Immer, wenn mein Vater ein Wanderziel absteckte, welches zu einem See führte, sei es der Ellbachsee, der Huzenbachsee oder der Schurmsee, dann erreichten wir nach einer mehr oder weniger anstrengenden Tour durch die dichten Nadelwälder, eben genau so einen See und keinen anderen. Jedes Mal, wenn wir entweder von einem Seeblick hinunter in den Kessel stiegen, oder vom See hinauf, dann führte der Weg an der steilen Flanke des Kars entlang über Steine und Wurzelstöcke und manchmal konnten wir nur weiter, weil eine Holzbrücke eine Schlucht überspannte. Aber für mich war gerade in den Karen zu spüren, dass wir in einem Gebirge lebten.

Meine sonstigen Vorstellungen über Gebirge waren von Heimatkundebüchern aus der Schule geprägt, Gebirge mit scharfen Felsspitzen, natürlich viel höher und imposanter und ganz oben lag das ganze Jahr Schnee. Die sanft abgerundeten, bewaldeten Kuppen meiner Heimat mit ihren grünen Almen unterhalb der Wälder und den an den Hang geklebten, verstreut stehenden Häusern, betrachtete ich eher als Hügellandschaft. Dass wir dabei in Hochtälern lebten, deren Talgrund schon über 500 m über NN lag, war mir lange nicht klar. Von solch einem Tal aber wirkten die Kuppen rundum gar nicht mehr so hoch, obwohl viele eine Höhe von 800 bis 900 Metern erreichten.

Wenn mich dann jemand fragt, was denn außer den Nadelwäldern mit seinen hohen und mächtigen Weißtannen und schlanken Fichten und Kiefern noch prägend ist für mein Zuhause im östlichen Nordschwarzwald, dann fällt mir sofort das Wasser ein. Zahlreich sind die Bäche, die aus den Wäldern heraus in die Täler fließen, die sie sich selbst über Jahrmillionen gegraben haben, mit etwas Hilfe durch die gelegentliche Vergletscherung. Zahlreicher sind noch die klaren Quellen überall, deren Rinnsale sich zu den Bächen vereinen und diese bilden dann wieder die Murg und führen ihr mehr und mehr Wasser zu. Zu den Gewässern gehören nun aber auch die Karseen, welche oft die Quelltöpfe für die wasserreicheren der Bäche sind wie der Huzenbach, der Ellbach oder die Schönmünz. Schon früh habe ich Sagen und Mythen über Wassermenschen gehört, die in diesen dunklen Wassern leben sollen, sonst hätte mich die offensichtliche Anwesenheit eines „echten” Wassermannes dort am Mummelsee gewiss nicht so erschreckt. Von einem See insbesondere und von einer der schönsten, aber auch grausigsten Sage soll nun im Folgenden die Rede sein. Doch betrachten wir erst einmal den See, den Wildsee:

Wer heute von der im mittleren Schwarzwald gelegenen Passhöhe Ruhestein aus über den vom Schwarzwaldverein eingerichteten Westweg zur Darmstädter Hütte wandert, der kommt unweigerlich am Wildseeblick vorbei. Ein jeder verweilt an dieser Stelle wenigstens einen Augenblick um die Aussicht über die weiten, schier endlosen Wälder hinter dem See und hinunter zur Wasserfläche zu genießen. So manche mag es ein wenig schaudern an dem steilen Abhang, denn der Wasserspiegel liegt mehr als einhundert Meter tiefer.

Der Grund des Kessels mit dem Wildsee wird weit weniger besucht als die Kuppe darüber, denn nicht viele von den Wanderern machen sich die Mühe in das Kar hinunter zu steigen. Doch herrscht an diesem Gewässer heute, gegenüber den früheren Zeiten geradezu Hochbetrieb. In jenen alten Tagen, mag es zweihundert Jahre her sein oder dreihundert, verirrte sich nur selten jemand in diese einsame Gegend, denn was hätte er hier auch zu suchen gehabt.

Es gab das Wandern, wie es heute üblich ist, noch nicht. Wenn die Leute damals zu Fuß im Hochschwarzwald unterwegs waren, dann hatten sie einen triftigeren Grund, als sich die Beine zu vertreten und in der Darmstädter Hütte Kaffee zu trinken. Natürlich war diese bewirtschaftete Wanderhütte auch noch nicht vorhanden. Die dunklen Wälder hatten für die Menschen früher eher etwas Abweisendes, ja Unheimliches, und immer waren sie froh, wenn sie ihnen den Rücken kehren konnten, ohne Schaden genommen zu haben. Das mag man nicht verstehen, wenn man die Schönheit der Landschaft vom Wildseeblick aus betrachtet. Doch sollte man sich etwa auf dem anstrengenden und holprigen Weg hinab zum See heute den Fuß verstauchen und nicht mehr gehen können, dann wird man genug Hilfe finden, durch andere Wanderer oder vielleicht auch mit Hilfe seines Mobil-Telefons. Doch früher konnte es Tage oder Wochen dauern, bis einem zufällig wieder jemand begegnete, der sich wohl auch nur verirrt hatte. So konnte eine kleine Verstauchung sogar tödlich für den unglücklichen Reisenden sein. Aber es hat auch noch einen anderen Grund gegeben, weshalb die Menschen lange den Wildsee mieden und keinen Sinn für die Schönheit der Natur hatten, sondern nur in Furcht von ihm sprachen, denn in ihm lebte der Sage nach die Nixe Merline. Dabei wird erzählt, dass die Nixe über einen langen Zeitraum, wohl Jahrhunderte, immer wieder Männer an ihren See gelockt hat, um sie dann in das Wasser zu zerren und zu ertränken. Speziell wird auch von einem alten Pechsieder berichtet, der verzweifelt versucht einen Hirtenjungen vor diesem Schicksal zu bewahren. Dies also ist die Sage, um die sich alles dreht.

Also nehmen wir einmal an die Nixe Merline vom Wildsee gab es wirklich. Wie hätten die Menschen mit ihr gelebt? Wie war der Alltag zu jener Zeit inmitten solcher Geister? Wie wurde ihr Leben dadurch bestimmt und ihr Handeln gelenkt? Wo ist schon der Unterschied, ob man sich vor einer realen, oder eingebildeten Gefahr droben am Wildsee fürchtete? Man blieb ihm in jedem Fall fern. Nehmen wir also die Sage auf und stellen sie hinein in die Welt der Menschen jener Tage und geben wir diesen Menschen und der Nixe ein Gesicht.

Eine schreckliche Untat

(Nördlicher Schwarzwald, Ufer des Mummelsees am 2. Juli 1304)

Die Morgensonne hatte eben erst mit ihren Strahlen das Ufer des Karsees erreicht und die fast spiegelglatte Wasserfläche glitzerte in ihrem Licht. Doch es war geradezu unheimlich still, denn an diesem Morgen wollten die Vögel in den dichten Wäldern, welche den See umgaben, den Tag nicht begrüßen. Es war als verharre der Wald und das Wild in gespannter Erwartung. Nur diese Stille am See erinnerte daran, was vor wenigen Augenblicken geschehen war an seinem Ufer. Doch was waren das für Lichtkugeln, welche wie ein kleiner Schwarm von Stechfliegen über den Wassern und am östlichen Ufer hin und her schwebten? Sie waren nicht viel größer als ein Daumennagel und doch so hell, dass sie blendeten. Jede von ihnen hatte eine andere Farbe.

Plötzlich bäumten sich die Wogen des Sees wohl zwei Fuß hoch auf und es wurde etwas herauf und ans Ufer gespült, genau dorthin, wo der bunte Lichterschwarm seine Kreise zog. Das Wasser floss sogleich in den See zurück und ein lebloser Mann blieb auf dem Rücken am flachen Ufer liegen, mit den Beinen noch im Wasser. Jetzt ordneten sich die Lichter und zogen ihre Bahnen dicht über diesem Mann immer hin und her. Abermals entstand eine Bewegung im Wasser und diesmal stiegen zwei Gestalten an Land und traten zu dem Liegenden. Es waren ein Mann und eine Frau, welche goldene Kronen auf ihren mit Wasserpflanzen verfilzten Haaren trugen. Ihre Kleider schienen aus Stofffetzen und Wasserpflanzen zu bestehen. Beide beugten sich nun über den Mann am Boden. Die Leuchtkugeln dagegen waren nun hochgestiegen und zogen ihre Kreise über den Köpfen der beiden. Die gekrönten Gestalten hielten nun jeweils eine Hand über den leblosen Körper. Wer genau hin sah, konnte erkennen, dass ein blaues Leuchten von diesen Händen ausging, welches in winzigen Funken herab rieselte und den Mann am Boden schließlich umgab wie eine Aura. Im selben Moment rieselte auch aus den Kugeln ein vielfarbiger Funkenregen herab und vereinte sich mit dem blauen Leuchten. Am Boden aber regte sich nichts und der leblose Körper blieb still liegen und atmete dabei nicht einmal.

Schier endlose Minuten behielten die beiden Gekrönten und die Lichtkugeln den farbigen Funkenregen bei, ohne dass sich etwas änderte. Doch dann hörten sie alle schlagartig und zugleich damit auf.

„Es ist zu spät!” sagte der Mann mit verbitterter Stimme und einem verzweifelten Kopfschütteln und richtete sich auf. „Er ist tot. - Das wird sie uns büßen! - Bitte, liebe Frau! Geh und alarmiere unser Seevolk! Ihr müsst den See durchsuchen und sie finden. Doch wenn ihr sie findet, dann seid vorsichtig! Es darf nicht noch mehr Opfer geben. - Ich komme gleich nach.”

„Keine Sorge, wir passen schon auf!” sprach die Frau.

Eine rosafarbene Leuchtkugel war direkt vor den beiden auf Augenhöhe stehen geblieben. Dieser warf die Frau nun einen Blick zu und sprach dann zu dem Mann, der kein anderer war als der König des Mummelsees: „Sei bitte diplomatisch, Liebster! Sie wollten nur helfen.”

Jetzt kehrte sie in das Wasser zurück. Dabei stieg sie allerdings nicht hinein, sondern sie zerfloss förmlich im Wasser und wurde selbst zu einem Teil dieses Elements.

„Königin Roslinge, Euer Besuch ehrt uns!” sprach der König nun zu der rosa Lichtkugel. „Habt Dank für eure Unterstützung bei dem Versuch ihn zu retten. Aber Ihr wurdet nicht eingeladen und somit verstoßt Ihr gegen eine gültige Abmachung. Dies ist unser Gebiet und diese Angelegenheit betrifft nur uns Wassermenschen! Ich bitte Euch, um des Friedens willen zwischen unseren Elementen: Verlasst das Kar und zieht Euch hinter die Grenzen, in das Gebiet der Elfen zurück!”

„Das soll uns nichts angehen, eine solche Untat?” erklang es plötzlich in einer hellen Frauenstimme und aus der kleinen rosa Lichtkugel, war im selben Moment eine junge Frau herausgefallen, die nun dem Mummelseekönig gegenüberstand und ihn wütend anstarrte. Jetzt fielen auch aus den anderen Kugeln menschenähnliche Gestalten heraus und gruppierten sich nun um den Toten und den König. Die Neuankömmlinge trugen Kleider aus Blütenblättern oder Laub, welche dieselben Farben hatten wie die Lichtkugeln, aus denen sie entsprungen waren. Sie waren hochgewachsen, schlank und sie hatten spitz zulaufende Ohren. Es waren etwa fünfzehn Männer und Frauen und viele starrten den Toten nun voll Mitleid an, während andere dem Beispiel ihrer Königin folgten und wütende Gesichter machten. Roslinges Gewand bestand aus lauter rosa Blütenblättern. Auch sie trug eine goldene Krone auf ihrem kurzen, rosafarbenen Haar. Dicht neben der Königin hielt sich ein Mann in einem Brennnessel-Gewand, aber nicht wie ein Gleichgestellter, sondern in einer Körperhaltung, welche Unterwürfigkeit andeutete.

„Wir haben diesen Mann zwei Tage lang geleitet und beschützt!” sprach der im Brennnessel-Gewand jetzt vorwurfsvoll. „Deshalb geht uns das sehr wohl etwas an. Hier am See glaubten wir ihn nun in Sicherheit. Das war eine Täuschung, denn ihr scheint hier alle zu Nixen geworden zu sein.”

„Still Heinling!” schnauzte Roslinge den Sprecher an. Der verbeugte sich und trat sogleich einige Schritte zurück.

„Verzeiht meinem Herold, König des Mummelsees!” bat die Frau in dem rosa Gewand nun in einem höflichen Tonfall. „Doch das Entsetzten unter uns Elfen ist groß! Ich bin mir sicher, dass hier nicht Nixen regieren, sondern dass dies ein einmaliges Ereignis an eurem See bleibt. Dennoch fordern wir die strenge Bestrafung der Mörderin. Dieser unglückliche Mann hat eine Tochter mit einem unglaublichen Potential, welches uns eines Tages gewiss noch unserem Kampf gegen das Ewig Böse zugutekommen könnte. Doch damit ist es wohl vorbei. Der Verlust des Vaters bedeutet bei den Menschen meist auch den Tod der Kinder, denn oft müssen sie dann jämmerlich verhungern. Somit kann das Mädchen nicht mehr ihre verborgenen Kräfte an ihre älteste Tochter weitergeben und eine lange Ahnenreihe ist auf ewig unterbrochen und ausgelöscht.”

„Ich sage es noch einmal!” sprach der König kühl. „Verlasst unser Gebiet auf der Stelle. Das ist alleine die Sache von uns Wassermenschen. Auch die Bestrafung der Nixe ist nicht Eure Sache. Seid versichert! Sie wird sehr hart ausfallen.”

„Ihr seid noch ein sehr junger König! Ihr solltet meinen Rat annehmen und ...”

Der König fiel ihr ins Wort: „Ich berate mich in dieser Angelegenheit nur mit Wasserleuten. Sie gehört zu uns und nur wir werden über sie richten!”

Die Königin schaute den Wassermannkönig zornig an und sie öffnete den Mund um irgendetwas zu erwidern. Doch dann besann sie sich und wurde im nächsten Moment wieder zu einer leuchtenden rosa Kugel. Die anderen Elfen folgten ihrem Beispiel und bald schwebte der Schwarm aus Leuchtkugeln erst quer über den See hinweg und dann über dem Wald zur Hornisgrinde hinauf.

„Elfen!” stieß der König des Mummelsees verächtlich aus. „Was erlauben diese arroganten Erdgeister sich noch alles? Als wenn wir nicht selbst wüssten, was Merline da angerichtet hat ...” Er warf noch einmal einen langen Blick auf den Ertrunkenen zu seinen Füßen. „Dein Tod soll nicht ungesühnt bleiben, das schwöre ich!” sprach er dann.

Unweit der Stelle lag ein verwaistes Bündel aus grobem Leinenstoff und Leder, das fleckig war von angetrocknetem Blut. Darin war ein Korb mit Kirschen eingepackt, ein Ballen eines feiner gewebten Stoffes, zwei hölzerne Puppen mit wollenen Haaren und einige Werkzeuge.

Hartmann der Kübler

(Nördlicher Schwarzwald, ein Tag zuvor, am 1. Juli 1304)

Hartmann der Kübler konnte zufrieden sein. Drüben in Straßburg hatte er seine Waren besser verkauft, als dies in seinem Heimatdorf im Ostschwarzwald möglich gewesen wäre. Nun führte er den Esel am Zügel der Heimat zu. Dazu stieg er vom Rheintal auf, in den Schwarzwald hinein und hinauf zu den Passhöhen, die auf seinem Wege lagen. Das Tier trug dabei nur noch eine leichte Last. In dem Bündel auf seinen Rücken war ein feines Tuch für Gerda, Hartmanns Frau, aus dem diese sich gewiss ein schönes Kleid schneidern konnte. Auch zwei hölzerne Puppen mit Haaren aus Wolle, die Hartmann einem Drechsler abgeschwatzt hatte waren dabei. Sie würden den beiden Mädchen gewiss gefallen. Der Junge hatte sich schon lange Schuhe gewünscht und diesmal sollte er sie bekommen. Das Leder, welches er günstig eingekauft hatte in Straßburg, würde gewiss auch dafür reichen. Selbst neue Werkzeuge für seine Küblerei hatte er dort viel günstiger bekommen als Zuhause. Auch sie steckten wohlverwahrt in dem Bündel. Der größte Schatz aber, den er mit nach Hause bringen wollte war ein Korb mit süßen Kirschen. Die gab es dort nicht, wohin es Hartmann zog, denn das Klima im Ostschwarzwald war zu rau dafür. Wahrscheinlich würden seine Kinder gar nicht glauben, dass man diese roten Früchte wirklich essen konnte.

Hartmann lächelte in Vorfreude und vergaß dabei fast, wie gefährlich die Wanderung war, die er unternahm. Am Anfang des vierzehnten Jahrhunderts gab es noch zahlreiche Gefahren auf den Wegen, die vom Oberrhein hinüber in den Ostschwarzwald führten. Noch streiften Wölfe, Luchse und Bären umher. Die Wege waren steil ansteigende Trampelpfade inmitten dichter Wälder mit hohen Bäumen und zwischen undurchdringlichem Unterholz hindurch. Sie waren oft nicht mehr zu erkennen, wenn der Abend nahte und sich die Dunkelheit herabsenkte. Jemand im Rheintal unten hatte ihm gar geraten den Schwarzwald zu umgehen und von Norden her in des Murgtal einzusteigen. Das sei der sicherste Weg. Er war genau diesen Weg nach Straßburg gegangen, und dies war ein Umweg von vielen Tagen gewesen. Doch da hatte er ja auch noch geglaubt, seine Ware gleich verkaufen zu können, kaum dass er die kleineren Städte am Rhein erreicht hatte und nicht bis in die große Stadt zu müssen. Doch wollte man ihm in den Kleinstädten oft weniger zahlen, als die Leute in seinem eigenen Dorf. Also war er schließlich mit seiner großen Ladung aus Kübeln aller Größen nach Straßburg gelangt. Nun aber drängte es ihn nach Hause, denn dort machte man sich gewiss bereits Sorgen. Er war gut zwei Wochen länger unterwegs, als er erwartet hatte.

„So nehmt wenigstens die Straße über den Kniebis!” hatte man ihm noch geraten. „Sie ist belebt und das Raubgetier hält sich meist von ihr fern.”