Miles & Niles - Jetzt wird's wild - Jory John - E-Book

Miles & Niles - Jetzt wird's wild E-Book

Jory John

0,0
7,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Gerissen, überraschend und unschlagbar witzig - das sind Miles & Niles!

Miles und Niles, die unangefochtenen Meister im Streichespielen, haben Sommerferien! Befreit von allen Schulpflichten, genießen die zwei Trickser nun in vollen Zügen das süße wilde Leben, erobern die Wälder außerhalb von Yawnee Valley, klettern auf Bäume, entdecken Höhlen und – ja – denken sich höchst kreative neue Streiche aus.

Solange jedenfalls, bis Barry Barkins Sohn Josh sie aufspürt. Josh verbringt erneut seine Ferien in dem supersportlichen Drill-Camp, in dem er schon letztes Jahr aufgeblüht ist wie eine Primel. Und dieses Jahr hat er ein paar Bewunderer gefunden. Als Josh und seine Angeber-Kadetten beschließen, Miles und Niles zu schikanieren, muss sich zeigen, was am Ende des Tages stärker ist: die Macht der geballten Fäuste – oder die Geistesblitze eines entfesselten Trickser-Duos?

Die Dein Spiegel-Bestellerreihe ist herrlich albernern und frecher Lesespaß für Jungs & Mädchen.

Alle Bände der Miles & Niles-Reihe:
Hirnzellen im Hinterhalt (Band 1)
Schlimmer geht immer (Band 2)
Jetzt wird's wild (Band 3)
Einer geht noch (Band 4)

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 142

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Jory John · Mac Barnett

Aus dem Amerikanischen von Alexandra ErnstIllustriert von Kevin Cornell

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.Sollte diese Publikation Links auf Webseiten Dritter enthalten, so übernehmen wir für deren Inhalte keine Haftung, da wir uns diese nicht zu eigen machen, sondern lediglich auf deren Stand zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung verweisen.

1. Auflage 2017© 2017 by Jory John/Mac Barnett/Kevin CornellDie Originalausgabe erscheint 2018 unter demTitel »The Terrible Two Go Wild« beiAmulet Books, an imprint of Abrams Books, New York© 2017 für die deutschsprachige Ausgabe by cbt Verlag, München, in der Verlagsgruppe Random House GmbH,Neumarkter Str. 28, 81673 MünchenDieses Werk wurde vermittelt durch die Literarische Agentur Thomas Schlück GmbH, 30827 GarbsenAlle deutschsprachigen Rechte vorbehaltenAus dem Amerikanischen von Alexandra ErnstUmschlagillustration: Kevin CornellUmschlaggestaltung: init | Kommunikationsdesign, Bad OeynhausenSK · Herstellung: kwSatz: Uhl + Massopust, AalenISBN: 978-3-641-19709-4V001www.cbt-buecher.de

Für Susan

Prolog

Im Sommer ist alles anders. Im Sommer ist alles merkwürdig. Die Zeit vergeht langsamer, schlendert dahin. Bienen schweben träge über Blumen, die Bäuche golden bestäubt. Keine Schule. Lange Tage. Die Sonne verharrt im Himmel, und wenn sie untergeht, glüht der Himmel stundenlang. Es ist eine Dazwischen-Zeit. Man ist nicht länger in der Klasse, in der man im letzten Schuljahr war, und auch noch nicht in der Klasse, in der man nach den Ferien sein wird. Es gibt keine Schultage und keine Wochenenden. Der Montag hat keine Bedeutung. Ein Tag gleitet friedlich in den nächsten. Man verliert die Zeit aus dem Blick.

Tage drinnen. Tage draußen. Tage im Keller des besten Freundes, auf der Suche nach der siebten geheimen Münze in der Wüstenwelt eines Computerspiels. Rasensprengertage. Wasserbombentage. Tage, an denen man die neuesten Dance Moves aus dem Internet lernt. Tage, an denen man alle dreiundvierzig Sorten in der Eisdiele durchprobiert und dabei die perfekte Geschmackskombination sucht (Sorte, Soße, Waffel, mit oder ohne Schokoladenstückchen). Schwimmtage. Tage, an denen man nach den Cheatcodes für Computerspiele sucht, die man schon gespielt hat. Tage, an denen der beste Freund in die Ferien fährt und man nur noch Fernsehsendungen guckt, die man schon kennt, weil man nichts Neues machen will, bis er zurückkommt. Tage, an denen man aus Zutaten in der Speisekammer geheime Tränke zubereitet. Tage, an denen man mit seinem Dad Golf spielen geht. Tage, an denen man einen Wasserspielplatz für Ameisen baut. Tage im Kino (klimatisiert, versteht sich), wo man Cola durch einen Lakritz-Strohhalm trinkt, während auf der Leinwand alles Mögliche explodiert. Im Herbst, wenn es dunkel und kühl ist, wird man zurückschauen und sich an fünfzig verschiedene Arten von Tagen erinnern, und es wird einem so vorkommen, als ob man fünfzig verschiedene Sommer erlebt hätte. Dieses Buch handelt von einem Sommer im Wald.

Kapitel 1

Ah, Sommer in Yawnee Valley! Willkommen, willkommen. Riecht ihr die wilden Blumen im Wald? Riecht ihr die Kühe, die mit hungrigen Mäulern ihre Köpfe senken, um die wilden Blumen abzurupfen, zu zerkauen, zu schlucken und zweimal zu verdauen, hoch und runter, hin und her, vom Maul in den Magen und wieder ins Maul, stundenlang, bis die Blüten, Stempel und Stängel sich in einen wiedergekäuten Brei verwandelt haben, der nun endlich verdaut wird.

’Tschuldigung. Das war eklig.

Aber hey, immerhin haben die Blumen hübsche Namen! Narzisse und Distel, Ginster und Schnittlauch, Schlüsselblume, Salbei, Weinrose. Und natürlich das Wilde Stiefmütterchen, auch bekannt als Muttergottesschuh, Schöngesicht oder Ackerveilchen.

Wenn ihr die ersten beiden Bücher dieser Serie gelesen habt, Hirnzellen im Hinterhalt und Schlimmer geht immer, dann wisst ihr, dass das Ackerveilchen eine ganz besondere Blume ist. Das Ackerveilchen ist die Blume des Bundesstaats. Und wenn ihr das wisst, dann wisst ihr vermutlich auch, dass man sie nicht pflücken darf. Es ist nicht so, dass man dafür ins Gefängnis kommt. Aber man wird schief angeguckt. Man kriegt Ärger.

Natürlich lassen sich diese beiden durch Ärger niemals aufhalten. Niemals!

Das sind ganz schön viele Ackerveilchen!

»Einer von uns riecht wie ein Truthahn«, sagte Miles. (Er steht rechts.)

»Was?«, sagte Niles. (Er ist andere, der links steht.)

»Wie ein Truthahn«, sagte Miles. »Ein Festbraten. Einer von uns riecht so, wie es an Thanksgiving riecht.«

»Oh«, sagte Niles. »Ja. Das bist du.«

»Was?«, sagte Miles. »Woher willst du wissen, dass ich das bin?«

Niles deutete auf Miles’ Outfit. »Du hast Salbei an dir. Und Schnittlauch. Damit würzt man den Truthahn.«

»Du hättest mich warnen können!«, sagte Miles.

Niles guckte ihn streng an. »Ich hab doch gesagt: nur Ackerveilchen.«

Das stimmte. Das hatte Niles gesagt. Aber heute früh, als sie im Wald Blumen für ihre Tarnung gepflückt hatten, fand Miles, es wäre doch cool, ein bisschen Abwechslung in die Sache zu bringen. Ein bisschen Weiß. Ein paar Tupfer Lila. Also hatte er Schnittlauchblüten und etwas Salbei gepflückt, und sogar Bärlauch. Als er jetzt bäuchlings in einem Veilchenfeld lag, schwer atmend und schwitzend in der Mittagshitze, bereute er seine Entscheidung.

Wenn Miles etwas bereute, dann tat er so, als bereue er rein gar nichts.

»Also ich finde immer noch, dass es gut aussieht«, sagte Miles.

»Ich finde sogar, dass es gut riecht«, sagte Niles. »Ich mag Truthahn.«

»Und warum streiten wir dann?«

»Ich wusste nicht, dass wir uns streiten.«

»Du hast gesagt, ich rieche nach Truthahn!«

»Du hast gesagt, du riechst nach Truthahn«, sagte Niles. »Ich hab gar nichts gesagt!«

»Wie kannst du sagen, dass du gar nichts gesagt hast, wenn du es doch gerade gesagt hast!«

Sie stritten noch eine Weile darüber, ob sie sich stritten oder nicht.

In der Nähe zerbrach knackend ein Ast.

Ein Junge fluchte. Ein anderer lachte.

Miles und Niles verstummten.

Sie duckten ihre Köpfe zwischen die Blumen, sodass sie mit dem Feld verschmolzen, das auf einem kleinen Hügel oberhalb von ein paar Bäumen lag. Miles und Niles robbten sich vor und bezogen hinter einem Granitfelsen Posten. Von hier aus konnten sie das kleine Tal überblicken.

Dort unten lag alles voller Müll – verbeulte Dosen und zerrissene Zeitschriften, ein altes Sweatshirt, das in einer Schlammpfütze versank. Ein Messer, das aus einem Baumstumpf ragte. An die Stämme waren selbst gemalte Schilder genagelt.

Die Stimmen im Wald wurden lauter. Jemand erzählte einen schlechten Witz. Ein schlechtes Lied wurde noch schlechter gesungen. Und dann kamen drei Jungen kichernd und drängelnd auf die Lichtung gestapft.

Die Mike-Kompanie.

Zwei der Jungen konnte man kaum auseinanderhalten. Sie trugen identische khakifarbene Hosen und Hemden und identische Khaki-Kappen auf ihren identischen Köpfen. (Es waren identisch aussehende Zwillinge.)

Miles und Niles ließen den dritten Jungen nicht aus den Augen. Er war der größte von ihnen und mit seinem rechten Arm schwenkte er einen rostigen Käfig herum. Dieser Junge trug einen ganzen Haufen Orden an seinem T-Shirt. Das viele Metall zog seinen Ausschnitt nach vorn, sodass die Vorderseite des Shirts nach unten sackte. Er sah lächerlich aus, was der Rest der Mike-Kompanie (und zwar alle beide) aber nicht fand. Seine Orden verlangten Respekt. Sie waren Symbole der Macht. (Sie stammten aus einem Second-Hand-Laden in Yawnee Valley, fünf Stück zu drei Dollar.)

Der Anführer der Mike-Kompanie hängte den Käfig an einen niedrigen Ast am Rand der Lichtung. Der Käfig schaukelte und klapperte. Er war nicht leer.

In dem Käfig kreischte es.

Oberhalb der Lichtung lehnte sich Miles über den Felsen. Er wollte sehen, was in dem Käfig war.

Ein dunkles Etwas sauste darin herum und schlug gegen die Gitterstäbe. Die Mitglieder der Mike-Kompanie scharten sich um den Käfig und lachten. Einer stocherte mit einem Stock zwischen die Stäbe. Wieder kreischte und schnatterte es hektisch.

Niles legte seinem Freund die Hand auf die Schulter. »Was ist das?«

»Ich glaube«, flüsterte Miles, »es ist ein Eichhörnchen.«

»Blödes Eichhörnchen«, sagte ein Junge unten auf der Lichtung.

»Es ist ein Eichhörnchen«, sagte Miles.

Der Anführer der Mike-Kompanie verlor das Interesse an dem Eichhörnchen. Er ging über die Lichtung, zog das Messer aus dem Baumstumpf und warf es dann wieder hinein.

Das war eine Art Signal.

Die anderen beiden Jungen wurden still.

Der Anführer deutete auf einen von ihnen. »Zieh die Fahne hoch, Bunker.«

»Ja, Sir, Major Barkin, Sir«, sagte Bunker, der in Wahrheit Daniel hieß.

»Gut«, sagte Major Barkin, der in Wahrheit Josh Barkin hieß. (Wenn ihr die ersten beiden Bücher über Miles und Niles gelesen habt, habt ihr euch das wahrscheinlich schon gedacht.)

Bunker holte eine zusammengefaltete Fahne aus seinem Rucksack. Die Mike-Kompanie schaute mit ernsten Mienen zu, als er eine große Eiche hinaufkletterte, die Fahne auseinanderfaltete und über einen Ast legte. Auf der Fahne prangte das weiße Skelett einer Klapperschlange auf schwarzem Grund.

Hoch oben in ihrem Versteck aus Veilchen grinste Miles Niles an und hob zwei Finger.

Niles erwiderte das Grinsen und berührte mit seinen Fingerspitzen die seines Freundes.

Also, wenn ihr die ersten beiden Bücher kennt, dann wisst ihr, was jetzt passieren wird. Und wenn nicht – nun, die Sache ist die: Josh Barkin und seine Bande werden gleich mächtig aufs Kreuz gelegt.

Kapitel 2

»ANTRETEN!«, befahl Josh.

»BUNKER!«

»Sir!«

»PANZER!«

»Sir!«

(Panzers richtiger Name war Tommy.)

Das war die Mike-Kompanie.

Die Mitglieder der Mike-Kompanie waren Kadetten im Yawnee-Valley-Drillen-und-Ducken-Camp, einem »Sommercamp für Jugendliche mit Verhaltensauffälligkeiten«, das hier im Wald aufgeschlagen worden war, nur ein paar Klicks weit entfernt.

(Im Yawnee-Valley-Drillen-und-Ducken-Camp wurde die Entfernung in Klicks gemessen. Ein Klick entspricht einem Kilometer oder 0,62 Meilen. Oder 7900 Teelöffeln, die man hintereinanderlegt.)

Josh war bereits letztes Jahr zur Strafe in das Camp geschickt worden. Nach vier Wochen Lagerdienst waren die meisten Kinder bekehrt. In ihren Briefen flehten sie darum, nach Hause kommen zu dürfen, und versprachen, immer lieb und brav zu sein. Aber Josh Barkin war nicht wie die anderen Kinder. (Er war viel schlimmer.) Nach vier Wochen im Camp hatte er seine Eltern gefragt, ob er den ganzen Sommer lang bleiben dürfe. Und dieses Jahr war er wieder da. Als der einzige Jugendliche in der YVDUDC-Geschichte, der jemals wiedergekehrt war, wurde Josh zum Junior-Ausbilder ernannt und bekam einen besonderen Hut.

Das Yawnee-Valley-Drillen-und-Ducken-Camp war ein schrecklicher Ort, laut und brutal. Aber es war Josh Barkins feste Überzeugung, dass man selbst die schrecklichsten Bedingungen noch verbessern konnte – also alles noch lauter und brutaler machen konnte –, und deshalb hatte er zwei Gefolgsleute rekrutiert und ihnen coole militärische Spitznamen gegeben, im Austausch gegen ihre bedingungslose Loyalität. So wurde Josh der Hauptmann der Mike-Kompanie, einer geheimen Zelle innerhalb des Lagers. »Mike« stand für den Buchstaben M. »Mike« war eins der sechsundzwanzig Code-Wörter für die sechsundzwanzig Buchstaben im Internationalen Funk-Alphabet, das mit Alpha für A, Bravo für B und Charlie für C anfängt und mit Zero für Z aufhört. Und das M steht für Macht, und darum ging es in der Mike-Kompanie. Außerdem klang »Mike-Kompanie« so schön militärisch und männlich, viel besser als »Macht-Kompanie«.

Fast jeden Tag schlich sich die Mike-Kompanie zu dem kleinen Tal, wo Josh mit den Zwillingen den »echten Drill« trainierte. Heute stand – wie üblich – »fortgeschrittene Waffenkunde« auf dem Lehrplan.

Josh spuckte seinen Kaugummi aus, aus dem er den ganzen Geschmack herausgekaut hatte.

»Sir, darf ich den Kaugummi für Sie aufheben und einwickeln, Sir?«, fragte Panzer.

»Nö, lass ihn für die Käfer und Waschbären liegen. Sollen die doch darauf rumkauen«, sagte Josh.

»Oh, okay, ja, das ist vernünftig, Sir«, sagte Panzer.

Josh schaute den Kaugummibatzen an, der im Dreck lag, und stellte sich vor, wie ihn ein Käfer den ganzen weiten Weg zu seinem Zuhause rollen würde, vielleicht einen langen Hügel hinauf. Dann würde er ihn durch das Loch quetschen, das zu seinem Bau führt. Seine Käferfamilie würde sich um das Festmahl versammeln und aufgeregt kleine Stücke mit ihren Beißzangen abbrechen. Und dann würden sie merken, dass der Kaugummi keinen Geschmack mehr hatte. He-he-he. Blöde Käfer.

Josh grinste.

Dann wurde er wieder ernst.

»ACHTUNG, IHRBROTGEHIRNE!«

»Achtung« bedeutet Strammstehen. Was Brotgehirn bedeutet, weiß keiner.

Die Zwillinge standen stramm.

»RÜHRTEUCH, BROTGEHIRNE.«

Die Zwillinge entspannten sich leicht.

»Und jetzt …« Josh rieb sich das Kinn. »WIEDERACHTUNG!«

Die Zwillinge standen stocksteif da.

Josh liebte es, den beiden zitternden Kadetten dabei zuzusehen, wie sie alles taten, was er sagte. Im Befehle-Schreien war Josh ein Meister. Wenn ihr mir nicht glaubt, dann schaut euch das Yawnee-Valley-Drillen-und-Ducken-Handbuch an, von dem Josh stolz behauptete, es sei das einzige Buch, das er je gelesen hatte. Es war eigentlich kein Buch, sondern ein Ringordner. (Und er hatte es auch nicht fertig gelesen.) In dem Handbuch gab es ein Kapitel mit dem Titel SCHREIEN!, in dem es um die Eigenschaften einer guten Befehlsstimme ging, PLAN abgekürzt. (Im Camp gab es jede Menge Abkürzungen.)

Das P stand für »Power«. Und Josh hatte Power. Seine Familie hatte Power. Seine Familie war mächtig: Sein Vater war Schulleiter, genauso wie sein Großvater, sein Urgroßvater und sein Ur-Urgroßvater und sein Ur-Ur-Urgroßvater. Sein Ur-Ur-Ur-Urgroßvater war ein Trapper gewesen, aber ihr könnt mir glauben, dass er ein sehr mächtiger Trapper war. Eines Tages würde Josh in die Fußstapfen seiner Vorfahren treten und selbst Schulleiter werden. Oder etwas noch viel Mächtigeres, vielleicht Landrat.

Sein Großvater behauptete, Josh besäße Führungsqualitäten. »Du erinnerst mich an mich«, sagte er. »Du bist stark. Du hast Autorität. Du bist mächtig. Erstaunlich, wie das eine Generation überspringt.« Das P in PLAN war Josh also sozusagen in die Wiege gelegt worden.

Das L stand für »Lautstärke«. Und Josh war laut. Er hatte das »Barkin-Bellen«, wie seine Mutter so gern sagte. Sie sagte auch gern: »Bitte sei leiser, Josh, ich möchte die Nachrichten hören.«

Das A stand für »Autorität«, denn Lautstärke allein reichte nicht aus. Der Ton machte die Musik.

Und das N stand für »Nase«. Wieso das? Ganz einfach: Power und Autorität musste man den Leuten direkt ins Gesicht brüllen. Auf die Nase.

»AUGENGERADEAUS!«, befahl Josh ganz nach PLAN.

Die beiden Jungen wandten ihrem Anführer die Rücken zu.

Ja, kein Zweifel, Josh war der geborene PLANer. Er stellte sich vor, wie sein Vater dem Drill zuschauen würde, und lächelte stolz. Dann stellte er sich anstelle des Gesichts seines Vaters das Gesicht seines Großvaters vor, denn Josh war wütend auf seinen Vater, und das schon seit über einem Jahr. Aber auch dieses Gesicht war nicht ganz das richtige, und so stellte er sich vor, wie er sich selbst zuschaute, und das gefiel ihm.

»Rechts UM!«

Die Kadetten drehten sich nach rechts.

»Links UM!«

Die Kadetten drehten sich nach links.

»Rechts UM links UM rechts UM links UMAUGENGERADEAUS.«

Die Kadetten wirbelten hin und her.

»Gut. Das war wirklich gut«, sagte Josh. »Und jetzt – GRÜSSEN!«

Beide salutierten.

»AUFHÖREN zu grüßen!«

Sie salutierten immer noch.

»AUFHÖRENZUGRÜSSEN!«

Sie salutierten weiter.

»AUFHÖREN, IHRBROTGEHIRNE!«

Die Kadetten wurden leicht nervös, behielten aber die Hände an der Stirn.

Josh wurde helllila im Gesicht.

Die Kadetten schwitzten, als hätte man ihnen befohlen, eine Tretmine zu entschärfen.

Endlich traute sich einer zu sprechen.

»Ähm … Sir?«

»Was ist, Bunker?«

»Sir, das ist, na ja, nicht das richtige Kommando, um mit dem Grüßen aufzuhören, Sir.«

Joshs Gesicht bekam die Farbe einer Pflaume.

»ICHWEISS, DASSESNICHTDASRICHTIGEKOMMANDOIST, DUBROTGEHIRN.«

»Sir, natürlich, Sir.«

»BUNKER, GEHUNDSTELLDICHMITDEMGESICHTZUMBAUM.«

»Welchen Baum, Sir?«

»Den da.«

Josh deutete zu einem Baum.

»Ja, Sir.«

»NÄHER, BUNKER, ALSOBDUDENBAUMKÜSSENWOLLTEST.«

Bunker drückte die Nase an die Rinde.

»HEH!«, sagte ihr Anführer. (Er lachte nicht, sondern sagte tatsächlich »HEH«.) »Sieht aus, als wärst du in den Baum verliebt, Bunker.«

Panzer kicherte. »Er muss aufpassen, dass er sich keine Splitter in die Lippen pikst.«

»Guter Witz, Panzer!«, sagte Josh.

(Es war kein guter Witz.)

»He, Bunker!«, rief Josh. »Das ist jetzt dein neuer Name: Splitter!«

»Ich mag aber Bunker«, sagte Splitter, was schwer zu verstehen war, weil er es gegen den Baumstamm sagte. Außerdem traute er sich kaum die Lippen zu bewegen, aus Angst vor den Splittern.

Josh grinste bloß. »Pech gehabt, Splitter.«

Es war wichtig, jedes Zeichen von Schwäche sofort zu überspielen, wie zum Beispiel, wenn man das korrekte Kommando vergessen hatte, und jede Form von Gehorsamsverweigerung im Keim zu ersticken, wie zum Beispiel, wenn jemand anderes sich an das korrekte Kommando erinnerte. Ansonsten steckte man ruck, zuck in einer Meuterei.

»Vergesst das blöde Salutier-Kommando. Das ist ein Befehl. Rührt euch, ihr Brotgehirne.«

Panzer hörte auf zu salutieren und setzte sich im Schneidersitz auf den Boden. Splitter trat vom Baum zurück.

»Du nicht, Splitter. Du bleibst beim Baum.«

Splitter ging wieder zu seinem Baum.

Josh hob einen krummen Stock vom Boden auf. »Waffenlektion für heute: der Wurfstock.«

Ein ehrfürchtiges Murmeln ging durch die Mike-Kompanie.