Mine to Rescue – Riskante Leidenschaft - Jay Crownover - E-Book
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Mine to Rescue – Riskante Leidenschaft E-Book

Jay Crownover

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Beschreibung

Sutton Warner und ich haben zusammen etwas erlebt, das selbst die stärksten Menschen verändert. Er ist der einzige, der weiß, was ich durchgemacht habe. Und ich bin die einzige, die weiß, dass er fast gestorben wäre, um mich zu retten. Es hätte uns zusammenschweißen sollen - doch als er im Krankenhaus wieder zu sich gekommen ist, hat er mich weggeschickt.

Jetzt, sechs Monate später, bin ich auf die Ranch der Warner-Brüder zurückgekehrt. Und der Mann, der mich fortgeschickt hat, war ein Märchenprinz im Vergleich zu dem mürrischen, unberechenbaren Wrack, zu dem Sutton geworden ist. Das ist in Ordnung für mich - auch ich bin nicht mehr dieselbe Frau.

Meine Freundin Leo hatte mich gewarnt, dass ich lieber nicht kommen sollte.

Ich hätte besser auf sie hören sollen.

"Mine to Rescue - Riskante Leidenschaft" ist der zweite Band der Cowboy-Romantic-Suspense-Reihe um die heißen Warner-Brüder von Jay Crownover.

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Inhalt

Cover

Weitere Titel der Autorin

Über dieses Buch

Über die Autorin

Titel

Widmung

Prolog

Kapitel 1: Irgendwo südlich des absoluten Tiefpunkts

Kapitel 2: Irgendwo in der Nähe des Chaos

Kapitel 3: Irgendwo, wo ich nicht sein sollte

Kapitel 4: Jemand Besonderes

Kapitel 5: Etwas Unerwartetes

Kapitel 6: Zu Hause ist da, wo das Herz ist

Kapitel 7: Manche Tage sind härter als andere

Kapitel 8: Es liegt etwas in der Luft

Kapitel 9: Jemand an meiner Seite

Kapitel 10: Genau da, wo ich sein will

Kapitel 11: Irgendjemand weiß irgendetwas

Kapitel 12: An einem Ort, an dem niemand suchen würde

Kapitel 13: Der beste Ort, an dem ich jemals war

Kapitel 14: Irgendwo mitten in der Vergebung

Kapitel 15: Ein nahendes Lebewohl

Kapitel 16: Die Katastrophe naht

Kapitel 17: Jemand hat es auf uns abgesehen

Kapitel 18: Ich gehe nirgendwohin

Kapitel 19: Sie muss doch irgendwo sein

Kapitel 20: Das haben wir schon einmal erlebt

Kapitel 21: Kein Ort, um dortzubleiben

Kapitel 22: Mit dir werde ich überall hingehen

Kapitel 23: Wohin wir gehen, um Lebewohl zu sagen

Epilog: Ein Platz für die Familie

Nachwort der Autorin

Danksagung

Impressum

Weitere Titel der Autorin:

Marked Men: In seinen Augen

Marked Men: In seiner Stimme

Marked Men: In seinem Herzen

Marked Men: In seinen Armen

Marked Men: In seiner Nähe

Marked Men: In seinem Lächeln

Mine to Save – Gefährliche Hingabe

Über dieses Buch

Sutton Warner und ich haben zusammen etwas erlebt, das selbst die stärksten Menschen verändert. Er ist der einzige, der weiß, was ich durchgemacht habe. Und ich bin die einzige, die weiß, dass er fast gestorben wäre, um mich zu retten. Es hätte uns zusammenschweißen sollen – doch als er im Krankenhaus wieder zu sich gekommen ist, hat er mich weggeschickt.

Jetzt, sechs Monate später, bin ich auf die Ranch der Warner-Brüder zurückgekehrt. Und der Mann, der mich fortgeschickt hat, war ein Märchenprinz im Vergleich zu dem mürrischen, unberechenbaren Wrack, zu dem Sutton geworden ist. Das ist in Ordnung für mich – auch ich bin nicht mehr dieselbe Frau.

Meine Freundin Leo hatte mich gewarnt, dass ich lieber nicht kommen sollte.

Ich hätte besser auf sie hören sollen.

Über die Autorin

Jay Crownover lebt zusammen mit ihren Hunden in Colorado. Ihre Leidenschaft galt schon immer dem Lesen und Schreiben, und mit dem Erfolg ihrer Serie Marked Men ist ein Traum für sie wahr geworden. Die New-York-Times-Bestseller-Autorin ist immer auf der Suche nach dem nächsten Abenteuer – zwischen den Seiten und auch in der Realität. Mehr Informationen unter: www.jaycrownover.com

Aus dem Amerikanischen von Michaela Link

Gewidmet allen verwandten Geistern, die ihren ersten Liebesroman ebenfalls ihrer Mom stibitzt haben

Prolog

Sechs Monate vorher ...

Emrys

Es wäre allein meine Schuld, wenn uns die bewaffneten Männer aufspürten. Mir war bewusst, dass sie uns angreifen wollten. Mir war bewusst, dass sie auf ihren Geländemotorrädern und Allrad-Quads schneller waren als wir. Und mir war klar, dass sie nicht zögern würden, uns zu töten.

Sie warfen Leichen in den Fluss, als wären sie Abfall, und ich wusste, wenn sie uns einholten, würden sie das Gleiche mit uns machen. Sie waren bereit, bis zum Äußersten zu gehen, um unzählige Hektar illegaler Marihuanafelder zu sichern, die tief in den staatlichen Wäldern Wyomings versteckt lagen. Sie konnten es sich nicht leisten, uns lebend davonkommen zu lassen. Es gab einige Geheimnisse, für die es sich lohnte zu töten ... Und das hier war eines davon.

Ich wusste all das, aber ich zwang Sutton Warner trotzdem haltzumachen. Ich fühlte mich im Sattel meines Pferdes nicht so wohl wie er, erst recht nicht bei dem mörderischen Tempo, das er vorgegeben hatte, um mich sicher zur Ranch seiner Familie zu bringen. Der Rest der Gruppe, mit der ich meinen Urlaub verbrachte, war in unterschiedliche Richtungen geritten, um den bewaffneten Männern zu entkommen, die die Felder tief in der Wildnis Wyomings schützten. Sutton und ich waren die kleinste Einheit: nur wir beide, die in halsbrecherischem Tempo durch den Wald preschten.

Wir hofften, dass wir die Ranch erreichen und Hilfe holen konnten, bevor noch jemand verletzt wurde. Wir sollten schneller vorankommen als jede der anderen Gruppen, aber es war unmöglich abzuschätzen, ob das auch wirklich der Fall war. Suttons älterer Bruder und ein weiterer Gast, der genau wie ich einen harmlosen Urlaub hatte verbringen wollen, waren bereits schwer verletzt worden, als die Männer vom Drogenkartell einen Kugelhagel in unser Lager gesandt hatten. Binnen eines Wimpernschlags war unsere friedliche, heitere Woche in den Bergen, die ich mit meiner besten Freundin geplant hatte, Geschichte gewesen. Jetzt erlebten wir stattdessen einen Wettlauf auf Leben und Tod gegen ein paar wirklich üble Kerle, die ein paar wirklich große Waffen bei sich trugen.

Sutton wollte weiterreiten; ich war völlig außer Atem und hatte Mühe, mich aufrecht zu halten. Seit wir uns aufgeteilt hatten, waren wir unaufhörlich in Bewegung. Wir hatten keine Zeit, eine Rast zu machen, keine Zeit zu essen, keine Zeit, darüber nachzudenken, wie gefährlich unsere Situation war. Das Pferd, auf dem ich mich nur noch mit Mühe hielt, zeigte außerdem ebenfalls Spuren von Ermüdung. Das arme überbeanspruchte Tier stolperte immer wieder und kämpfte gegen jeden Ruck an den Zügeln und jedes Klopfen meiner Fersen gegen seine wogenden Flanken. Mir tat alles weh, vom Kopf bis zu den Zehen, und ich konnte den großen blonden Mann kaum ansehen, der vor mir auf seinem Pferd saß.

Hölle, er war schon nicht gerade gesprächig gewesen, bevor wir aufgebrochen waren. Er machte keinen Hehl aus der Tatsache, dass meine Anwesenheit bei seinem mörderischen Ritt hinderlich war. Mehr als einmal hatte er erwähnt, dass er doppelt so schnell vorankommen würde, wenn er sich nicht um mich zu sorgen bräuchte.

Er war nicht besonders freundlich oder nett. Er hatte seit dem Beginn unseres Ritts kein einziges ermutigendes Wort für mich übrig gehabt. Aber er hielt jedes Mal an, wenn ich ihm sagte, dass ich eine Pause brauchte. Und ich war fest davon überzeugt, dass er sein absolut Bestes gab, um zu garantieren, dass mir nichts zustieß. Er war wachsam und nahm alles wahr, was um uns herum geschah – mit allen Sinnen konzentriert auf die vor uns liegende Aufgabe. Er sorgte sich genauso um seine beiden Brüder, die Männer, die bei dem Trip als Führer gedient und den Rest unserer bunt zusammengewürfelten Truppe durch die Wälder geleitet hatten. Im Laufe der vergangenen Woche war viel passiert, und diese wilde Flucht vor den Killern war nur die Spitze des Eisbergs.

Meine beste Freundin war irgendwo dort in der Wildnis, zusammen mit Suttons älterem Bruder, und auch sie ritten um ihr Leben. Zum Glück für Leo schien dieser spezielle Warner sie zu mögen und behandelte sie nicht so, als sei sie nur eine Last – im Gegensatz zu meinem gegenwärtigen Gefährten.

Ich konnte sehen, dass Sutton sich über mich ärgerte, als ich ihm sagte, dass wir abermals anhalten müssten. Ich wusste, dass er sich gern mit mir gestritten hätte, dass er die Idee nicht gut fand, aber ich konnte mich buchstäblich nicht mehr im Sattel halten. Mein Hintern war vor einer Stunde taub geworden. Das Pferd stolperte und neigte sich zur Seite. Ich war zu müde und zu steif, um richtig zu reagieren, und glitt bei den ruckartigen Bewegungen des Tieres seitlich herab. Mit einem spitzen Schrei landete ich auf dem Boden und hörte den blonden Mann leise fluchen. Er wendete den gefleckten Appaloosa und schwang sich mit einer einzigen fließenden Bewegung aus dem Sattel. Wenn ich einer Ohnmacht nicht so nah gewesen wäre, hätte ich bei dem Anblick weiche Knie bekommen.

Bevor wir zu dieser Reise aufgebrochen waren, hatte ich eine Menge Liebesromane gelesen, in denen sexy Cowboys vorkamen und raue Rancher. Ein heißer Typ in engen Jeans und Cowboystiefeln war immer eine heimliche Fantasie von mir gewesen. Es gefiel mir, dass die Brüder mich an meine früheren Vorstellungen von echten Kerlen erinnerten. Ein Mann, der sein eigenes Abendessen töten und einen Reifen wechseln konnte. Ein Mann, der wusste, wie man sich um eine Frau kümmerte – im Schlafzimmer und außerhalb.

In den gesellschaftlichen Kreisen, in denen ich mich in San Francisco bewegte, hingen nicht viele solcher Männer herum. Ich kannte jede Menge Künstler und Dichter. Ich zog Schauspieler und Musiker an. Ich landete bei kreativen Typen, die nie ein festes Einkommen zu haben schienen und die meine Wohnung mehr wollten als mich. Mir war schwindlig geworden, als wir die Ranch der Warners betreten hatten und direkt am Tor von drei verschiedenen Varianten leibhaftiger Cowboys begrüßt worden waren.

Cyrus Warner, der älteste der drei Brüder, war das, was meine beste Freundin Leo einen »nicht ganz echten Cowboy« nannte. Er sah eher aus wie ein Biker, den man mit einem CEO gekreuzt hatte. Er war groß und barsch ... zweifellos ein knallharter Typ. Er wirkte fast ein wenig gefährlich. Er hatte Stil und Flair, was beides erstaunlich war, so weit entfernt von der zivilisierten Welt. Es fiel einem genauso leicht, ihn sich in einem Vorstandsbüro vorzustellen wie in einem Kuhstall. Er war der Managertyp unter den drei Jungs. Er war derjenige, der aus der sterbenden Ranch ein profitables Feriendomizil gemacht hatte.

Lane, der jüngste Bruder, war ein so typischer Cowboy, wie man ihn sich nur wünschen konnte. Er hatte strahlend blaue Augen, gewelltes dunkles Haar und tief gebräunte Haut. Seine langen Beine steckten in engen Wranglers, und sein allzu hübsches Gesicht zeigte stets ein charmantes Grinsen, das darauf hindeutete, dass er genau wusste, was er mit all seinen Eigenschaften anzufangen hatte. Er war derjenige, den man ohne Weiteres in einem Kalender finden würde – ohne Hemd und mit einem schlaksigen Hengstfohlen an einem Strick. Die ultimative zum Leben erwachte Cowboyfantasie. Ganz eindeutig derjenige, bei dem Frauen aus der Stadt weiche Knie bekamen und über ihre eigenen Füße stolperten, wenn er sein Lächeln aufblitzen ließ.

Sutton war eine seltsame Mischung aus seinen beiden Brüdern. Er war derjenige, dessen Attraktivität am ursprünglichsten war, mit seinem zotteligen blonden Haar und den dunkelgrünen Augen. Er war etwas kleiner als Cy, aber größer als Lane – nicht dass irgendeiner von ihnen in puncto Körpergröße etwas vermissen ließ. Das fiel mir immer auf, weil ich selbst relativ groß war. Er trug die passenden Stiefel und Jeans, in denen er sich offensichtlich wohlfühlte, aber er machte nicht den Eindruck, als gefalle ihm das Leben auf der Ranch, zumindest nicht so wie seinen Brüdern. Er war nicht so streng und wortkarg wie sein älterer Bruder, und wenn er sprach, tat er es mit einem sarkastischen Unterton und einer beißenden Unhöflichkeit, die schärfer und verletzender war als der Humor seines umgänglichen jüngeren Bruders. Er bewegte sich sicher auf der Ranch, aber in jedem seiner Schritte lag ein Hauch Zorn. Der widerborstige Cowboy. Der Mann, der nichts anderes als ein Cowboy sein konnte, der die Rolle aber ganz offensichtlich beengend fand. Natürlich war er derjenige, der meine Aufmerksamkeit erregte und ein Interesse in mir entfachte, das ich seit ziemlich langer Zeit nicht mehr empfunden hatte.

Es waren immer die gebrochenen Jungs, die mich reizten. Ich wünschte mir nichts sehnlicher, als sie zu heilen. Ich opferte gewohnheitsmäßig mein eigenes Glück, um jedem verwundeten Vogel zu helfen, der in meiner Nähe auf dem Boden aufkam.

Sutton streckte eine Hand aus und zog mich auf die Füße. Am Ende lagen meine Hände auf seiner harten Brust, und ich musste den Kopf heben, um ihm in die Augen zu sehen. Sein Mund war zu einer schmalen Linie verzogen, aber in diesen grünen Augen stand eine Hitze, die er nicht verbergen konnte, während ich mich an ihn presste.

»Ist alles in Ordnung mit Ihnen, Em?« Seine Stimme war schroff, und ich war naiv genug zu denken, es läge allein an seiner kaum verschleierten Ungeduld.

Ich senkte das Kinn und stieß einen langen Atemzug aus. »Das wird schon wieder. Ich brauche nur ein paar Minuten Zeit. Ich bin nicht an eine solche Anstrengung und Aufregung gewöhnt. Ich habe das Gefühl, dass mir mein Herz gleich aus der Brust springt.« Und meine Oberschenkel brannten, weil ich mich damit an das Pferd geklammert hatte, als wäre mein Leben in Gefahr.

Ich fühlte mit der Hand das Hämmern in meiner Brust und beobachtete, wie sein Blick der Geste folgte. Er blinzelte einige Male, und dann schob er mich von sich, als sei meine Haut glutheiß.

»Ich werde die Pferde zum Fluss hinunterführen und dafür sorgen, dass sie etwas trinken. Suchen Sie sich einen geschützten Platz, wo Sie sich verstecken können, bis ich zurückkomme. Versuchen Sie, Ihre Muskeln zu dehnen. Bis zur Ranch liegt noch ein weiterer harter Tagesritt vor uns. Sobald wir dort sind, können Sie sich ausruhen, solange sie es brauchen. Bezwingen Sie den Schmerz, Em. Leo zählt auf Sie.«

Er musste natürlich meine beste Freundin ins Spiel bringen, die ebenfalls auf der Suche nach Sicherheit durch den Wald preschte. Ich selbst war der einzige Grund, warum wir uns überhaupt in dieser schlimmen Lage befanden. Ich hatte entschieden, dass ein Urlaub in der Wildnis die perfekte Methode für Leo sein würde, ihr gebrochenes Herz zu heilen. Und ganz ehrlich: Ich hätte nicht gedacht, dass es der älteste der Warner Brüder sein würde, der dieses Ziel erreichte.

Ich wollte Sutton gerade sagen, dass ich hinter eine riesige Kiefer kriechen und mich hinhauen würde, bis er zurückkam, als der erste Schuss fiel. Er traf die Flanke von Suttons Pferd, und das gewaltige Tier ging durch. Die Schreie, die das verletzte Pferd ausstieß, brachen mir das Herz. Sutton bewegte sich vollkommen lautlos, warf sich über mich und riss uns beide zu Boden. Das Röhren von Motoren folgte sofort und ließ mein Pferd nervös davontänzeln.

Wir waren nicht schnell genug gewesen, waren nicht weit genug gekommen. Es war zu gefährlich gewesen, eine Pause zu machen, aber ich hatte ihn trotzdem dazu genötigt.

Die Geländemotorräder umkreisten uns, und obwohl ich das Gesicht in Suttons Halsbeuge begrub, sah ich nicht weniger als vier Gewehre auf uns gerichtet. Einer der Männer stieg von seinem Motorrad, kam auf uns zu und trat Sutton so hart in die Rippen, dass ich hätte schwören können, Knochen brechen zu hören. Sutton drückte mich schnell an sich, um mir zu sagen, dass ich Ruhe bewahren sollte, und er stieß bei dem Angriff nur ein leises Ächzen aus. Ich bemerkte nicht einmal, dass ich aus Leibeskräften schrie, als sie ihn von mir wegzerrten und ihm die Mündung einer Pistole unter sein trotzig vorgerecktes Kinn drückten. Der Mann, der ihn getreten hatte, bückte sich und packte mich an meinem Pferdeschwanz. Er riss mich schmerzhaft auf die Füße und zog mich viel zu nah an sich heran. Dann sah er mir in die Augen, und ich konnte darin jede verkommene, hässliche Tat lesen, die er plante.

»Der Rest eurer Gruppe wird euch suchen kommen, wenn sie bemerken, dass ihr verschwunden seid. Sie werden das verletzte Pferd finden und wissen, dass ihr bei uns seid. Bis sie auftauchen, können wir ein wenig Spaß miteinander haben. Wir sitzen seit langer, langer Zeit in diesen Bergen fest. Die Männer brennen auf ein wenig leichte Unterhaltung.« Dann drehte er sich zu seinen Spießgesellen um, hielt meinen Arm hoch und sagte: »Jungs, darf ich euch eure Unterhaltung vorstellen.« Er grinste mich an, und mein Magen verkrampfte sich wie die Faust eines Meisterboxers.

»Fasst sie nicht an!«

Es spielte keine Rolle, dass sie in der Überzahl waren und mehr Waffen hatten als wir. Sutton stürzte sich auf den Mann, der mich als Geisel hielt, woraufhin der ihm mit dem Knauf eines Gewehrs auf den Hinterkopf schlug. Sofort sackte er in die Knie. Dunkles Blut strömte aus einer offenen Wunde und färbte sein helles Haar rot. Er schüttelte den Kopf, fiel nach vorn und fing sich mit beiden Händen ab. Der Kerl, der ihn verletzt hatte, schlug noch einmal zu, und ich schrie auf und zwang meine Füße unwillkürlich in seine Richtung.

Der Mann, der mein Haar festhielt, packte mein Gesicht mit unbarmherziger Kraft und knurrte: »Wenn du dich gegen mich wehrst, wenn du mir den Rückweg in unser Lager schwermachst, werde ich ihm eine Kugel zwischen die Augen jagen. Schließlich brauchen sie nur nach einem von euch zu suchen, um zu uns zu kommen, nicht wahr?«

Hilflos betrachtete ich den bewusstlosen Mann auf dem Boden, während mir stumm die Tränen über die Wangen rannen. Er hatte mir gesagt, dass wir keine Pause machen sollten, dass uns nur noch ein einziger weiterer Tag von der Sicherheit trennte. Das hier war meine Schuld ... wieder einmal. Alles bis zu diesem Moment fiel in meine Verantwortung, und wenn Sutton etwas zustieß, würde das allein auf mein Konto gehen. Ich nickte steif und hob beide Hände, um mir mein feuchtes Gesicht abzuwischen.

Zwei der Männer warfen den schlaffen, blutenden Sutton über den Rücken des Pferdes, das sie nicht hatten entkommen lassen. Einer von ihnen fesselte meine Hände vor meinem Bauch mit einem Kabelbinder und setzte mich auf den Beifahrersitz eines Allrad-Quads, dann zielte er mit einer Waffe auf meine Seite, während wir durch den Wald fuhren. Ich weinte während des ganzen Weges. Ich wollte mich zu Boden werfen, wollte verzweifelt versuchen zu entkommen, aber ich konnte nicht riskieren, dass sie Sutton erschossen. Er sollte nicht leiden oder gar sterben wegen meiner Unfähigkeit, auf einem Pferd sitzen zu bleiben.

Als wir ihr primitives Lager erreichten, verschwendete der Mann, der mich festhielt, keine Zeit und zerrte mich in eins der weißen Zelte. Ein anderer Kerl schubste Sutton brutal zu Boden, und ich wurde auf eine dreckige, stinkende Luftmatratze gestoßen. Binnen eines Wimpernschlags zerschnitt mir jemand meine Bluse mitsamt meinem BH, sodass ich mit nacktem Oberkörper dalag.

Ich konnte nicht anders, als mich zu wehren. Ich trat dem Mann in die Brust. Ich schlug mit gefesselten Händen auf ihn ein. Ich drehte mich weg, selbst als das Messer, mit dem er meine Kleider zerschnitten hatte, sich in meine Haut bohrte – und Blut floss, als sie aufplatzte. Ich schrie derart laut, dass er mir meine zerfetzte Bluse in den Mund stopfte, damit ich still war. Dann biss er so fest in meine entblößte Brustwarze, dass ich würgen musste. Er drückte mich mit einer Hand auf meinem Gesicht in die Luftmatratze, sodass mir das Atmen schwerfiel, während er mir den Rest meiner Kleider auszog. Ich wollte nur weg von hier. Er war nicht der einzige bewaffnete Mann im Zelt. Es waren noch zwei weitere Männer zugegen, die förmlich sabberten, je mehr von mir entblößt wurde. Sie schienen es umso mehr zu genießen, je heftiger ich mich wehrte.

Es gelang mir, dem Mann, der mich begrapschte, mit meinen gefesselten Händen auf den Kopf zu schlagen. Ein wilder Tritt brachte meinen Fuß in unmittelbare Nähe seiner Eier, aber meine Stimme erstarb, als sich das schmutzige Messer, das bereits von meinem Blut glänzte, in meine Wange bohrte. Ich spürte, wie die Klinge sich in meine weiche Haut grub.

Der Kerl lächelte mich erneut an. »Du denkst, du wärst besser als ich, besser als das hier? Alle Miststücke sind gleich. Wir werden sehen, ob du dich auch dann noch für etwas Besonderes hältst, wenn dein Gesicht in Fetzen herabhängt. Du wirst Männer wie mich anbetteln, dich zu nehmen, sich um dich zu kümmern. Niemand wird dich mehr wollen, wenn ich damit fertig bin, meine Initialen in deine Haut zu schneiden.« Das Messer glitt erneut über mein Gesicht, und ich hatte das Gefühl, als würde ich in meinem eigenen Blut ertrinken. Ich spürte, wie es an meinem Hals hinab und in mein Ohr rann, wie es meinen Mundwinkel erreichte. Und der Geschmack nach Eisen ließ mich erneut würgen.

Das Messer glitt über meine Brust hinweg und zerschnitt meinen Bauch. Als ich die Klinge zwischen meinen Beinen spürte, schloss ich die Augen und betete, dass ich sie nie wieder öffnen musste. Ich wollte sterben. Zähne gruben sich in meine Haut, brennend und scharf. Noch nie hatte mich jemand gegen meinen Willen berührt, noch nie hatte ich mich derart hilflos gefühlt. Ich hatte keine Ahnung, wie ich das überleben sollte ... falls ich es überhaupt überlebte. Ich spürte die Klinge, die sich in das fleischige Innere meines Oberschenkels versenkte, und grobe Finger ertasteten die Stelle zwischen meinen Schenkeln. Ich schluchzte hinter dem Knebel und versuchte, noch einmal zurückzuweichen, aber der Mann gestattete mir nicht, mich zu bewegen. Ich stand am Abgrund. Das, was nun passieren würde, würde mich bis in alle Ewigkeit verändern, und ich konnte nichts dagegen tun.

Plötzlich herrschte Aufruhr dort, wo die anderen beiden Männer im Zelt ungeduldig darauf gewartet hatten, mir ebenfalls Gewalt antun zu dürfen.

Sutton war nicht mehr bewusstlos.

Er war hellwach und kämpfte wie ein Löwe. Irgendwie hatte er eins der Gewehre der Männer zu fassen bekommen. Diese Typen waren wohl zu abgelenkt davon gewesen, was mit mir geschah. Sutton feuerte eine Runde und schoss einen der Männer nieder, bevor der andere sich auf ihn stürzte. Sie rangen auf dem Boden um die Waffe, während der Mann über mir aufstand. Er riss seine Hose hoch und griff nach seiner eigenen Waffe, als ein weiterer Schuss erklang. Plötzlich fiel der Mann, der mit Sutton kämpfte, zu Boden. Sutton erhob sich taumelnd, die hässliche schwarze Waffe fest in seinen Händen, obwohl er immer noch stark aus seiner Kopfverletzung blutete.

»Lasst sie gehen.«

Die beiden Männer standen sich gegenüber, und keiner von beiden machte den Eindruck, als wäre er bereit nachzugeben.

»Warum sollte ich? Ich habe gerade angefangen, mich zu amüsieren.«

Ich war voller Blut und Bissspuren. Meine Haut war zerfetzt und wund von den Schnitten. Ich würde körperlich nicht noch mehr Spaß seiner Art überleben.

»Ich werde nicht zulassen, dass du sie noch einmal anfasst.« Suttons Stimme war rau und der Blick in seinen Augen todernst.

Ich mühte mich, meine Hose wieder anzuziehen und so viel von meiner zerfetzten Bluse überzustreifen, wie ich konnte. Es war nicht leicht mit gefesselten Händen und bedeckt von glitschigem Blut. Es gelang mir, meinen Oberkörper zu bedecken, aber der Stoff färbte sich sofort scharlachrot. Ich rappelte mich hoch und ging auf Sutton zu, als ein weiterer Mann das Zelt betrat.

Dieser verströmte eine Aura, die mir einen kalten Schauer über den Rücken jagte. Er warf einen Blick auf die am Boden liegenden Männer – beide mit Einschusswunden – und zog eine Pistole. Er schoss Sutton zweimal in die Brust, ohne dabei auch nur ein einziges Wort zu sagen. Keine Vorwarnung, keine Reue auf seinem Gesicht, als er beobachtete, wie der blonde Mann nach vorn kippte. Ich schrie abermals und lief zu ihm hinüber. Wie zuvor hatte er sich auf beiden Händen abgefangen. Ich legte ihm eine Hand auf den Rücken, aber ich hörte seinen rauen Atem und sah, wie er blass wurde. Seine Augen rollten in seinem Kopf zurück, und er fiel zu Boden, sein Gesicht auf meinem Schoß.

»Wie konntet ihr das zulassen?« Der Mann mit der Pistole deutete auf die beiden Toten auf dem Boden.

Der Kerl, der drauf und dran gewesen war, mich zu vergewaltigen, zuckte die Achseln. »Ich war abgelenkt, und der Cowboy war entschlossener, als ich dachte.«

Der Neuankömmling richtete die Pistole auf den anderen Mann und drückte genauso kalt und gelassen ab, wie er es bei seinem Schuss auf Sutton getan hatte. »Wir haben keine Zeit für Ablenkungen.«

Der Mann brach zusammen, und sein Henker drehte sich zu mir um. Ich redete leise mit Sutton und versuchte, ihn dazu zu bringen, mir zu antworten. Ich spürte, dass sein Puls langsam und schwach war. Er würde es nicht schaffen. Beinahe so, als könnte er meine Gedanken lesen, sagte der Neuankömmling zu mir: »Er ist ein toter Mann. Keiner von euch wird diesen Berg lebend verlassen.«

Er irrte sich in beiden Punkten.

Sutton wäre beinahe gestorben ...

Ich beobachtete, wie das Licht in ihm erlosch, seine Augen dunkel wurden und seine Brust aufhörte, sich zu heben. Aber diese Drogendealer hatten keine Ahnung, wie halsstarrig die Warner-Brüder waren oder wie groß ihre Entschlossenheit war, einander zu beschützen.

Weniger als eine Minute später tauchte Cy mitsamt der Kavallerie aus dem Nichts auf und schaffte es, uns beide zu retten. Sutton überstand es nur mit knapper Not. Niemand konnte später sagen, wie er die Flucht nach Billings, Montana, so wie die intensive und sehr lange Notoperation, die folgte, überlebt hatte ... aber er überlebte.

Ich schuldete ihm mein Leben und noch so viel mehr als das.

Ich wollte an seiner Seite bleiben, ihn im Arm halten und mich immer wieder bei ihm bedanken. Ich wollte mich so um ihn kümmern, wie er sich um mich gekümmert hatte. Ich wollte ihn heilen.

Ich wollte die Chance haben, mich in ihn zu verlieben, denn ich war mir sicher, dass ich das könnte. Niemand hatte je auf mich aufgepasst, geschweige denn eine Kugel für mich abgefangen. Niemand wäre fast für mich gestorben.

Aber sobald er die Augen öffnete, schickte er mich weg. Er konnte nicht sprechen, da er einen Atemschlauch in der Kehle hatte. Aber er war so erregt, so aufgewühlt bei meinem Anblick, dass er seine Brüder dazu brachte, ihm Stift und Papier zu geben, um mitzuteilen, dass er mich nicht um sich haben wolle.

Er wollte nichts mehr mit mir zu tun haben. Nach einer Weile begriff ich, dass ich ihm keinen Vorwurf daraus machen konnte, mich weggeschickt zu haben. Schließlich war ich der Grund, warum er in dieser Verfassung war. Meinetwegen wäre er beinahe getötet worden. Er hatte sich selbst geopfert, um mich zu retten, und bereute es offensichtlich. Der Mann hatte eine Familie und eine Tochter, die er großziehen musste. Ich hätte ihn ihnen um ein Haar weggenommen.

Er wollte mich aus seinem Leben löschen ... also ging ich fort, gab meinen Job auf, verließ meine Freunde, meine Familie. Ich verließ alle, die versuchten, mir zu helfen und mich zu heilen.

Die Sache war die: Ganz gleich, wo ich hinging oder wer ich gerade war, ich konnte das Gefühl nicht abschütteln, dass Dinge zwischen Sutton Warner und mir unausgesprochen geblieben waren. Er spukte durch jeden meiner Gedanken; er war gefangen in jedem Gefühl. Er folgte mir, wo immer ich hinging.

Ich hatte ein Stück von mir selbst, einen Brocken meines Herzens, bei dem Cowboy zurückgelassen, der mir das Leben gerettet hatte. Und wenn ich jemals nach vorn schauen wollte, wenn ich jemals wieder ganz sein wollte, musste ich es mir zurückholen.

Kapitel 1:Irgendwo südlich des absoluten Tiefpunkts

Sutton

»Du hast mit meiner Frau geschlafen, Warner.« Es war mehr eine Feststellung als eine Frage, und der Mann, der sprach, sah aus, als würde er die Antwort bereits kennen.

Ich blinzelte den Typ unter dem Schirm meiner abgetragenen Baseballkappe hinweg an. Es war dunkel in der Bar, aber nicht die miese Beleuchtung war der Grund, warum ich die Augen zusammenkneifen musste. Ich hatte mehr als die Hälfte einer Flasche billigen Bourbons intus und sah den hochgewachsenen Cowboy doppelt vor mir. Ich musste mich wirklich konzentrieren, um herauszufinden, welche der verschwommenen Gestalten die tatsächliche Bedrohung darstellte und nicht eine Ausgeburt des Alkohols war, den ich im Blut hatte. Es stand außer Frage, dass der Mann sauer und auf eine Prügelei aus war.

Ich hob eine zittrige Hand und rieb mir damit den hellen Bart. Es war einige Tage her oder vielleicht eine Woche ... vielleicht auch mehrere, seit ich mich das letzte Mal rasiert hatte. Es war mir scheißegal, wie es mit meinem Äußeren sowie mit dem Rest meines Lebens bergab gegangen war. Wenn dieser Cowboy sich die Mühe gemacht hätte, über seinen Zorn hinwegzuschauen, wäre ihm aufgefallen, dass ich nicht gerade die gute Partie von früher war.

Es war kein Geheimnis, dass ich nichts hatte anbrennen lassen. Sowohl mein jüngerer Bruder Lane als auch ich hatten uns stetig durch die ledigen Frauen gearbeitet und durch die nicht ganz so ledigen Frauen, die Sheridan in Wyoming ihr Zuhause nannten. Im Lauf der Jahre und während der Tourismus zugenommen hatte, hatte es auch immer mehr Gelegenheiten für Spaß ohne Reue gegeben, und keiner von uns rechtfertigte sich dafür. Ich hatte fast ein Jahrzehnt lang in einer Beziehung festgesessen, die das ganze Gegenteil von Spaß gewesen war, daher hatte ich verlorene Zeit wettgemacht. Zumindest hatte ich das getan, bis zwei Kugeln und eine wunderschöne Brünette mich jäh hatten innehalten lassen.

Wenn ich wirklich mit der Frau dieses Kerls geschlafen hatte, dann war das wohl gewesen, bevor sich alles geändert hatte. Es musste passiert sein, bevor ich beinahe gestorben war und mir jede wache Stunde des Tages gewünscht hatte, es wäre genau so gekommen – damit ich nicht den Ausdruck auf ihrem Gesicht hätte sehen müssen, als dieses Arschloch sie begrapscht und sie mit jedem Wimpernschlag weiter aufgeschlitzt hatte.

Es musste gewesen sein, lange bevor ich angefangen hatte zu trinken, sobald ich die Augen öffnete, und nicht mehr aufhörte, bis ich das Bewusstsein verlor.

Es musste passiert sein, bevor alles zu schmerzen begonnen hatte. Und ich meine alles. Meine Brust schmerzte, wo diese Kugeln mich durchbohrt und mein Inneres zerfetzt hatten. Mein Herz schmerzte, weil meine Tochter mich so ansah, als würde sie mich nicht einmal mehr erkennen. Meine Seele fühlte sich an, als würde sie jedes einzelne Mal verbrennen, wenn mein älterer Bruder Cy mich betrachtete – Enttäuschung und Tadel unübersehbar in seinen Augen. Und was den Rest meines Körpers betraf ... Nun, da war nichts so ganz in Ordnung, seit ich aus dem Krankenhaus gekommen war. Ich war schwach. Ich war mager und fast zerbrechlich, unkoordiniert und nachlässig. Aber schlimmer als all das war: Ich hätte die Ehefrau dieses Mannes nicht vögeln können, selbst wenn sie nackt gewesen wäre und darum gebettelt hätte, denn das Ding unterhalb meines Gürtels funktionierte auch nicht mehr richtig, seit mein Leben in die Tonne getreten worden war. Es war, als sei mir alles, was mich zum Mann gemacht hatte, in der Minute gestohlen worden, in der dieser Mann ihr wehgetan hatte.

Ich schob es auf den Bourbon, wann immer ich dumm genug war, mich mit meiner Hose um die Knöchel in einer enttäuschten Frau wiederzufinden, die mich ansah, als hätte ich etwas falsch gemacht.

Ich trank genug, dass es leicht war, das herunterzuspielen. Doch wenn ich nüchtern war, konnte ich dem Albtraum nicht entkommen, in dem ich ihren Schrei hörte, konnte vor dem Bild dieses Mannes nicht weglaufen, der über sie kroch und sie mit seinem Messer wieder und wieder aufschlitzte. Ich wusste, dass meine jüngst erworbenen Fehlfunktionen nichts mit dem Alkohol zu tun hatten, sondern alles mit ihr und der Art und Weise, wie ich sie im Stich gelassen hatte. Was für ein Mann lässt zu, dass eine Frau so etwas durchmacht? Ich wette, sie wünschte, ich wäre auf diesem OP-Tisch gestorben. Ich wette, sie wünschte es sich fast so sehr wie ich selbst.

Ich griff blind nach dem Rest meines Drinks und kippte ihn herunter. Er brannte sich durch mich hindurch bis in meinen Magen. Als der Rest des Alkohols dort eintraf, standen drei schwankende Cowboys vor mir, statt nur der beiden von vorhin, und sie alle verloren zunehmend die Geduld und wurden von Minute zu Minute zorniger.

Ich drückte mit einem Finger den Schirm meiner Kappe hoch und kniff die Augen noch fester zusammen. Ich erkannte den Mann nicht, aber das bedeutete nichts. Sheridan wuchs und wuchs, weil Leute aus dem Rest des Landes sich ein Bein ausrissen, um das ruhige, ländliche und friedliche Leben zu finden, um dessen Erhalt meine Brüder und ich seit dem Augenblick unserer Geburt kämpften.

Die meisten der Ranches, die an unsere Ländereien grenzten, waren in den letzten fünf Jahren exponentiell gewachsen, was auf lange Sicht gut fürs Geschäft war, aber schlecht, um dieses Kleinstadtfeeling aufrechtzuerhalten, bei dem jeder jeden kannte.

»Sind Sie sich sicher, dass Sie mit dem richtigen Warner sprechen, Kumpel?« Meine Worte waren leise und bedächtig, damit ich sie nicht nuschelte. Es kostete mich viel mehr Anstrengung, den Satz herauszubringen, als ich zugeben mochte. Ich hatte Mühe mit dem Atmen, und kalter Schweiß stand auf meiner Stirn. Ich fühlte mich irgendwie nicht wohl, aber das war nichts Neues.

Der Cowboy wippte auf seinen Stiefeln zurück, und die verschwommene Umgebung links und rechts neben ihm tat seltsamerweise das Gleiche. Von der Bewegung schlingerte mein Magen, und der Versuch, meine Augen zu fokussieren, bescherte mir Kopfschmerzen. Ich klopfte mit dem Finger gegen den Rand meines leeren Glases, und der Barkeeper sah mich bedauernd an, bevor er den Kopf schüttelte. Burke Bolton hatte im selben Jahr wie mein älterer Bruder seinen Abschluss gemacht. Er war für einige Jahre weggezogen, und ganz wie Cy war es ihm schwergefallen zurückzukehren. Das Big Horn war im Besitz seiner Familie, seit ich denken konnte. Er war derjenige, der in unserer Teenagerzeit eine Flasche wirklich miesen Tequilas geklaut hatte, damit wir uns alle zum ersten Mal betrinken konnten. Er war ein stiller Typ mit wachsamen Augen, und es fiel einem immer unglaublich leicht, mit ihm zu reden. Ich würde ihn nicht als Freund bezeichnen, aber er kam dem schon ziemlich nah. Er war außerdem der erste Mensch, der es jemals gewagt hatte, mir eine Bitte abzuschlagen. Das passierte in letzter Zeit immer häufiger. Andere Leute sagten mir, wann ich genug hatte. Andere Leute versuchten, mich zu zügeln und vor mir selbst zu schützen. Die gleiche Scheiße – egal an welchem Abend!

Sie hörten nicht bei jedem Herzschlag ihre Schreie.

Sie sahen sie nicht blutend und gebrochen, wie sie versuchte, um ihr Leben zu kämpfen, während dieses Monstrum sie verstümmelte, sie schlug ... sie bezwang.

Keiner hatte eine Ahnung davon, dass es niemals genug Alkohol geben würde, um das auszublenden, um den Schmerz zu betäuben, der ständig unter meiner Haut pulsierte.

»Nur einer von euch Arschlöchern ist blond, und das bist du, Sutton. Jetzt beantworte meine verdammte Frage. Hast du meine Frau gevögelt?«

Das bisschen Geduld, mit dem er in die Bar gekommen war, hatte sich inzwischen in Luft aufgelöst. Als er die Frage stellte, stach er mir in die Brust, wo mein Hemd schief zugeknöpft war und das T-Shirt darunter seit einer Woche eine Wäsche dringend nötig hatte.

Er hatte außerdem recht damit, dass ich der Einzige von uns mit blondem Haar war. Meine beiden Brüder kamen nach unserem alten Herrn und hatten dunkles Haar und helle Augen. Ich ähnelte als Einziger unserem Miststück von einer Mutter, sowohl im Äußeren als auch in meiner Persönlichkeit. Cy bekam bereits graue Haare, sodass er älter aussah, als er tatsächlich war. Lane war gutmütig, mit Grübchen in den Wangen und einem aufblitzenden Humor, sodass er immer jünger als ich zu sein schien. Dann war da ich, das blonde schwarze Schaf der Familie. Auf ewig gefangen in der Mitte, weder so ernst wie Cyrus noch so entspannt wie Lane. Ich hatte immer das Gefühl, ich müsse die beiden anderen ausbalancieren. Als sei es meine Aufgabe, Cy gelegentlich den Stock aus dem Arsch zu ziehen und Lane ins Gedächtnis zu rufen, dass es im Leben nicht nur um Spaß und Spiel ging.

Ich war das Arschloch, derjenige, der unbeständig war und ewig versuchte, seinen Platz zu finden. Ich war unsicher auf der heimatlichen Erde, die lange Zeit mit meiner Seele selbst verbunden gewesen war – der Boden uneben und steinig unter meinen Stiefeln.

Was Emrys zugestoßen war, ließ alles ungewiss erscheinen, und der Ort, den ich immer mein Zuhause genannt hatte, fühlte sich nicht mehr einladend und stabil an.

Ich schlug den piksenden Finger beiseite und versuchte aufzustehen. Sobald mein Hintern nicht mehr auf dem Barhocker saß, drehte sich die Welt um mich herum, und jetzt hatte ich erheblich mehr als drei verschwommene Bilder vor mir. Alles wirbelte umher in einem Übelkeit verursachenden Kaleidoskop, und ich musste eine zitternde Hand auf den Tresen legen, um mich aufrecht zu halten. Ich riss mir die Baseballkappe vom Kopf und stopfte sie in die Gesäßtasche meiner Jeans. Dann fuhr ich mir mit meiner freien Hand durch mein schmutziges, fettiges Haar.

Ich zuckte zusammen und schwankte leicht. Wie konnte dieser Kerl denken, ich würde in meiner gegenwärtigen Verfassung irgendjemanden bumsen? Ich war mehr als ekelhaft und rutschte schon eine ganze Weile in Richtung Abscheulichkeit ab. Ich erinnerte mich nicht einmal daran, wann meine Tochter mich das letzte Mal umarmt hatte, und sie war eins der zärtlichsten kleinen Mädchen auf der Welt.

Schlimmer als das, ich erinnerte mich nicht daran, wann ich das letzte Mal versucht hatte, sie zu umarmen. Ich war mehr als ekelhaft. Ich war der letzte Dreck. Ich hatte mir monatelang Vorwürfe gemacht, aber diese Selbstmitleidsspirale war neu. Ich spürte, wie sie mich hinuntersaugte, und normalerweise hatte ich Kraft genug, mich freizukämpfen, aber nicht heute Abend.

»Ein Nachbar hat mich vor einigen Tagen angerufen und mir erzählt, er hätte ein hochgewachsenes blondes Arschloch in mein Haus gehen sehen, während ich tagsüber bei der Arbeit war. Ein blondes Arschloch, das einen brandneuen Truck gefahren hat. Mein Nachbar hat gesagt, es habe so ausgesehen, als bekäme Cyndi mehr als ihr Mittagessen geliefert. Alle in der Stadt wissen, dass du und deine beschissenen Brüder kein Problem damit haben, einen Ehering zu ignorieren, wenn es euch in den Kram passt.« Er verschränkte die Arme vor der Brust, und in diesem Moment bemerkte ich, dass alle drei Gestalten vor mir größer und in erheblich besserer Verfassung waren, als ich das gegenwärtig von mir behaupten konnte.

Früher hätte ich ihn verscheucht wie eine summende Fliege. Jetzt erwog ich ernsthaft, zur Tür zu taumeln, um meinen Arsch zu retten. Ich hatte mich von den Schusswunden körperlich noch nicht ganz erholt. Es würde mir nicht guttun, wenn mir jemand die Rippen eintrat und mein Gesicht zu Brei schlug, weil ich nicht gerade in der Verfassung war zu kämpfen.

»Scheiße, Joel, beruhig dich!« Burkes scharfe Warnung riss die Aufmerksamkeit des sich aufplusternden Cowboys von mir los. Burke lehnte sich über die Bar und funkelte meinen Ankläger an. »Das hier ist Wyoming. Jeder Mann und seine kleine Schwester fahren Trucks, und Sutton ist nicht das einzige blonde Arschloch in dieser Stadt. Mir scheint, wenn du wissen willst, mit wem deine Frau es treibt, wenn du nicht in der Nähe bist, solltest du das mit ihr klären.«

Burke hätte dem Cowboy geradeso gut sagen können, dass ich seit gestern Vormittag auf genau diesem Hocker gesessen hatte, ebenso wie vorgestern und vorvorgestern. Ich war nicht eher gegangen, bis Burke mich hinausgeworfen hatte. Lane tauchte jedes, aber auch jedes Mal auf, um meinen traurigen Arsch nach Hause zu schaffen. Burke hatte aufgehört, Cy anzurufen, denn wenn mein älterer Bruder aufkreuzte – Zorn und Frustration überdeutlich in jeder Linie seines massigen Körpers, wenn er mich zur Tür hinausstieß –, ließ er die Stimmung in der ganzen Bar in den Keller gehen. Er verschreckte Burkes Gäste ... und Burke selbst.

Es war unmöglich, das Getuschel zu ignorieren, wann immer man mich vor mir selbst retten musste. Obwohl Sheridan weiter wuchs und Wyoming bei Weitem kein Ödland war, mischte sich immer noch jeder in die Angelegenheiten aller anderen ein, und ich war mehr als einmal das heiße Thema eines Gesprächs gewesen. Mein Niedergang fütterte täglich die gierige Gerüchteküche.

»Ich hatte nichts mit Ihrer Frau.« Diesmal stolperten die Worte übereinander, und ich machte mir nicht die Mühe, etwas gegen das Schwanken zu tun. »Ich hätte nichts mit Ihrer Frau haben können.«

Es war die Wahrheit, aber es klang auch schlimmer als beabsichtigt. Der Cowboy war ohnehin bereits sauer, und er würde das, was ich gesagt hatte, nicht so verstehen, wie ich es meinte. Er würde nicht glauben, dass irgendein Mann – und erst recht nicht ein in Wyoming geborener und aufgewachsener Mann –, jemals sein Versagen eingestehen würde, wenn es um seine Männlichkeit ging. Kerle wie wir gaben Schwächen niemals zu.

Er schlug mir auf die Brust, und ich taumelte rückwärts an den Tresen. Mein Ellbogen prallte gegen mein leeres Glas, sodass es zu Boden segelte. Burke brüllte, und mehrere Gäste riefen durcheinander, als sie sich von der aufkommenden Rauferei entfernten. Der zornige Cowboy stieß mich mit einem Unterarm an meinem Hals an den Tresenrand. Das Holz bohrte sich schmerzhaft in meinen Rücken. Mein Herz schlug träge in meiner Brust und hämmerte gegen Rippen und Knochen, die sich immer noch zerbrechlich anfühlten. Dann krallte er die Fäuste in mein Hemd, und sein Atem strich heiß über mein Gesicht, als er sich vorbeugte.

»Wie meinst du das, du konntest nicht mit Cyndi schlafen? Was stimmt nicht mit ihr? Ist sie nicht gut genug für dich, Warner? Jetzt, da dein Bruder diese großmäulige Stadtfrau ergattert hat, denkt ihr alle, es gibt da irgendwo jemand Besseres? Es gibt nichts Besseres als eine Frau, die weiß, was notwendig ist, um es hier draußen zu schaffen. Cyndi kann es dreimal mit dieser rothaarigen Bitch aufnehmen, im Bett und ansonsten auch.«

Die Worte des Mannes ergaben keinen Sinn. Der Kerl war anfangs sauer gewesen, dass seine Frau ihm Hörner aufgesetzt hatte, und am Ende war er sauer, weil er dachte, ich hätte sie beleidigt. Ein solches emotionales Schleudertrauma ergab sich vermutlich, wenn ein Mann so dumm war, sein Herz an eine Frau zu verschenken, die es gar nicht besitzen wollte. Kam mir irgendwie bekannt vor. Aber Schwamm drüber.

Ich schlang die Finger um seine Handgelenke und versuchte, mich loszureißen, als Burke den wütenden Cowboy anbrüllte: »Ich habe dir doch schon gesagt, dass du den Falschen erwischt hast, Joel. Fang nichts mit Sutton an, ohne damit zu rechnen, dass seine Brüder auftauchen und helfen, die Sache zu beenden. Und«, fügte der Barkeeper hinzu, stützte sich auf den Tresen und wanderte warnend mit einem Finger zwischen uns beiden hin und her, »ich würde mir ein gutes Plätzchen suchen, um mich zu verstecken, denn sobald Cy hört, wie du über seine Frau redest, bist du ein toter Mann.«

Eine neue Stimme erklang irgendwo hinter mir. »Verdammt richtig. Wir mögen Leo, also denk nicht, dass irgendeiner von uns einschreiten und ihn stoppen wird, wenn er dir die Arme ausreißt und dich damit verprügelt.« Ein Raunen der Zustimmung lief durch die Menge.

Alle mochten Leo. Sie war klug und frech, und sie war nicht schüchtern, wenn es darum ging, ihre Gefühle zu zeigen. Sie war außerdem superhübsch, aber der Grund, warum die Leute hier nicht dulden würden, dass jemand schlecht über die Frau meines Bruders redete, war der, dass sie die Frau meines Bruders war.

Cy war ein wichtiger Mann in dieser Stadt, genau wie mein Vater vor ihm. Als er nach Hause zurückgekehrt war, war es so gewesen, als hätte die Stadt ein Stück ihrer selbst wiedergefunden, das seit seinem Fortgang gefehlt hatte. Er brachte dringend benötigte Umsätze in die Gegend, als er unsere Ranch in ein Luxusferienziel verwandelte, das eine eher betuchte Kundschaft ansprach. Cy hatte ein gutes Händchen fürs Geschäft, und solange Leo hier glücklich war, würde mein Bruder bleiben.

Alle rissen sich ein Bein aus, um sicherzustellen, dass die neue Frau meines Bruders überall willkommen geheißen wurde. Schließlich war sie diejenige, die es vielleicht endlich schaffte, das jämmerliche Vermächtnis der Warners zu durchbrechen: den falschen Frauen ihre Liebe zu schenken.

Als Leora Connor aufgetaucht war, hatte man das Gefühl gehabt, Cy hätte endlich einen Grund zum Lächeln gefunden. Sie war durch und durch Städterin, und die Leute warteten darauf, dass sie ihre Koffer packte und wegrannte, bis sie sahen, wie sie sich meinem Bruder gegenüber benahm. Ein einziger Blick war notwendig, um zu wissen, dass der einzige Platz, an dem Leo sein wollte, der an Cyrus’ Seite war. Und das bedeutete: Mein Bruder würde nirgendwohin gehen. Leo war diejenige, die bleiben würde. Sie war diejenige, die meinen strengen, ernsten Bruder zum Lächeln brachte und ihn genügend entspannte, dass ich mir keine Sorgen mehr machte, er könnte einen Herzinfarkt erleiden, bevor er fünfzig wurde. Also, verdammt noch mal, alle mochten sie, aber mein Bruder liebte sie, daher würde niemand zulassen, dass ein angekotzter Cowboy schlecht über sie redete, nur weil seine eigene Frauenwahl sich als ein wenig anstrengend herausstellte.

Der Cowboy, der mich festhielt, schüttelte mich so durch, dass mir die Zähne klapperten, und er zwang mich noch tiefer über den Tresen. Aus dem Augenwinkel sah ich Burke am Telefon und wusste, dass er auf der Ranch oder beim Sheriff anrief – oder beides.

»Du wirst allein nicht mit mir fertig? Du musst dich hinter deinen Brüdern verstecken?« Er verhöhnte mich, und zum ersten Mal seit langer Zeit drang etwas anderes als Grauen und Selbstabscheu durch den Nebel, in dem ich mich gesuhlt hatte. Ich stand meinen Brüdern sehr nah. So war es immer gewesen ... bis vor Kurzem. Aber ich hatte sie nie gebraucht, um meine Kämpfe auszutragen. Unser Dad hatte dafür gesorgt, dass jeder von uns sich hier draußen zur Wehr zu setzen wusste, und das beinhaltete die Fähigkeit, einen Boxhieb zu platzieren und in jeder Art von Rauferei unseren Mann zu stehen.

Es gelang mir unbeholfen, die Hände in das Flanellhemd des Mannes zu krallen und ihn zurückzustoßen. Überrascht stolperte er nach hinten, während ich mich an den Tresen lehnte. Mir war schwindlig und übel. Das Hämmern in meinem Kopf war schlimmer geworden, und das Hemd klebte mir an der feuchten Haut. »Ich verstecke mich hinter niemandem. Wie gesagt, ich habe Ihre Frau nicht gevögelt.«

Endlich nahm der Mann sich eine Minute Zeit, um mich wirklich anzusehen. Sein Blick wanderte über mein verfilztes und viel zu langes Haar, betrachtete mein aschfahles bärtiges Gesicht. Er besah sich mein zerknittertes Hemd und die schmutzige Jeans und hielt inne bei meinen abgetragenen Stiefeln. Ich sah aus, als sei ich gerade aus einem Schmutzwäschekorb gekrochen, und roch wie der Boden in der Kneipe nach der Happy Hour.

In diesem Moment begriff er es endlich.

Der Cowboy lachte spöttisch und zog voller Hohn die Brauen hoch. »Weißt du was, Warner? Du hast recht. Cyndi könnte weiß Gott etwas Besseres haben als deinen traurigen Arsch, wenn sie jemanden vögeln wollte, der nicht ich bin.«

Es stimmte. Sie würde sich außerdem einen Mann aussuchen, der seinen Schwanz hochkriegte und ihn länger als eine Minute oben halten konnte. Und dieser Mann war ich schon lange nicht mehr.

»Genug.« Burke blaffte das eine Wort, und alle anderen um uns herum traten unbehaglich von einem Fuß auf den anderen. »Joel, ich weiß mit Bestimmtheit, dass die Person, mit der Cyndi dich betrügt, nicht Sutton ist, also lass es gut sein! Wenn du nicht in den nächsten fünf Minuten verschwindest, wird Rodie dir zeigen, wo die Tür ist. Wenn du das nächste Mal in meine Bar kommst und versuchst, einen Streit vom Zaun zu brechen, musst du deine Fakten auf der Reihe haben. Rede mit deiner verdammten Ehefrau!«

Rodie Collins war der Sheriff der Stadt und während meiner ganzen Highschool-Zeit einer meiner besten Freunde gewesen. Er hatte eine Menge Anrufe von Burke entgegengenommen, um meinen Arsch nach Hause zu schleppen, wenn meine Brüder nicht wegkonnten, um das zu erledigen. Aber in letzter Zeit hatte sich etwas zwischen uns verändert. Es fühlte sich so an, als sei es schlecht fürs Geschäft, mit mir in Verbindung gebracht zu werden. In Sheridan wurden Sheriffs gewählt, und ich bildete es mir nicht nur ein, dass Rodie sich langsam, aber sicher von mir zurückzog, seit ich aus der Spur geraten war.

»Sutton, ich habe auf der Ranch angerufen, und es wird in Kürze jemand hier sein, um dich nach Hause zu holen.« Er gab mir ein neues Glas, ein ziemlich hohes, dessen Inhalt wie Wasser aussah. »Trink das und versuch, dich ordentlich zu benehmen ... oder tu wenigstens so als ob.«

Ich nickte unbeholfen und wollte mich gerade wieder auf meinen Hocker hieven, als alles um mich herum kreischend zum Stehen zu kommen schien. Mein Atem stockte. Mein Herz hörte auf zu schlagen. Meine Muskeln erstarrten und wurden steif. Alle Geräusche um mich herum verschwanden, und alles, was ich sehen konnte, war mein lebendiger, atmender Albtraum, der durch die Tür des letzten Ortes auf Erden trat, wo diese Person jemals sein sollte.

In einer Kleinstadt waren alle neugierig. Ein neues Gesicht war leicht zu entdecken, daher hätten die Leute sie so oder so angestarrt, aber weil sie möglicherweise die schönste Frau auf der Welt war, zumindest in meinen Augen, wurden alle totenstill und gafften sie nur unverhohlen an. Mir war jedoch kaum bewusst, dass sie sie beobachteten, denn ich konnte selbst den Blick nicht von ihr abwenden. Im Gegensatz zu dem Cowboy vorhin gab es sie nicht doppelt. Jeder einzelne Zentimeter war verdammt noch mal perfekt.

Sie sah nicht aus wie ein Albtraum. Sie sah aus wie ein wahr gewordener ... Traum.

Ohne auch nur im Geringsten nachzudenken, schnappte ich mir das Glas mit der geschmacklosen Plempe von der Theke und schleuderte es nach dem Rücken des Cowboys. Er hatte mitten im Schritt innegehalten, um die Frau anzugaffen, die unsicher an der Tür stehen geblieben war, daher war er ein regloses Ziel. Es war billig, aber das kümmerte mich nicht. Er vögelte praktisch mit den Augen die einzige Frau, an die ich seit Monaten dachte.

Burke fluchte und brüllte meinen Namen, als er über den Tresen sprang. Der Cowboy wirbelte herum, und sein siedender Zorn war jetzt ein flammendes Inferno. Das Wasser, das an seinem Rücken hinabtropfte und sich zu seinen Füßen in einer Lache sammelte, trug nichts dazu bei, die zornige Hitze abzukühlen, die er verströmte.

Als er sich auf mich stürzte, machte ich mir nicht die Mühe, mich zu bewegen. Als seine Faust mein Gesicht traf, zuckte ich mit keiner Wimper. Erst als er mir ein Knie in die Eier rammte, krümmte ich mich atemlos und stöhnend zusammen. Der Schmerz war so stechend, dass ich mit einer ernsthaften Welle von Übelkeit zu kämpfen hatte.

Burke tat sein Bestes, den Cowboy festzuhalten, während ich ein leises, ersticktes Lachen ausstieß. Ich sah zu meinem Angreifer auf, darauf bedacht, meinen Blick von der Frau in der Tür fernzuhalten. Als ich das letzte Mal diese unvergesslichen goldenen Augen gesehen hatte, hatten Tränen darin geglitzert, denn ich hatte es nicht ertragen können, in ihrer Nähe zu sein ... oder in meiner eigenen. Es hatte zu wehgetan. Ich hatte sie weggeschickt, ihr befohlen, nie mehr zurückzukommen. Ich hatte ihr gesagt, sie solle sich so weit wie möglich von diesem Ort fernhalten und von den Erinnerungen, die mich langsam umbrachten. Wenn einer von uns es verdiente, diesen Moment hinter sich zu lassen, der uns zusammengeführt hatte, dann war es sie.

Aber ganz offensichtlich hatte sie sich nicht fernhalten wollen.

»Hey, Cowboy.« Die Worte taumelten von meinen Lippen, beinahe so, wie ich selbst taumelte, als ich mich aufrichtete. Ich fuhr mir mit einer Hand über den Mund und bemühte mich, ihn anzugrinsen. »Ich habe Ihre Frau nicht gevögelt, aber jetzt ...«, ich wackelte mit den Augenbrauen, obwohl mein Kopf bei der Geste aufschrie, »jetzt, da ich weiß, dass sie leicht zu haben ist, werde ich ihr sicher bei nächster Gelegenheit einen Besuch abstatten.«

Er stieß ein Brüllen aus, das die Wände des Big Horn erschüttert hätte, wären sie nicht aus handgesägten Balken gebaut worden, die Jahrhunderten der Geschichte standgehalten hatten und ebenso vielen harten Wintern in Wyoming. Auf keinen Fall konnte Burke den Mann ganz allein festhalten, und alle, die meine spöttische Bemerkung gehört hatten, würden nicht abstreiten, dass ich verdient hatte, dass er sich an mir austobte.

Ich hörte eine Frau aufkeuchen und wusste, ohne hinzuschauen, dass sie es war. Ich hörte ihr geflüstertes »Nein« und erinnerte mich daran, wie sie geklungen hatte, als sie wieder und wieder geschrien und um ihre Freiheit und ihr Leben gekämpft hatte.

Es wäre in Ordnung gewesen, wenn der Cowboy sich erneut auf mein Gesicht gestürzt hätte. Mein Kopf hämmerte bereits, und meine Nase war ein oder zweimal gebrochen. Die Leute mussten inzwischen auch dahintergekommen sein, dass der Hurensohn schmutzig kämpfte und mir erneut in die Eier treten würde. Echte Männer traten anderen Männern nicht in die Eier, es sei denn, es blieb überhaupt keine andere Option, daher hatte dieser Cowboy bereits die unausgesprochenen Regeln gebrochen.

Vielleicht wusste er von meiner Verletzung und all dem, was mich runtergezogen hatte. Obwohl der größte Teil meiner Genesung in einem Krankenhaus in Montana stattgefunden hatte, wussten die Menschen, dass ich lange fort gewesen war. Sie wussten auch, dass ich bei meiner Heimkehr nurmehr einen Schatten des Mannes dargestellt hatte, der ich gewesen war, bevor diese Kugeln mich getroffen hatten.

Oder vielleicht wusste er nichts und hatte einfach einen Glückstreffer gelandet.

Sobald seine Hände die Mitte meiner Brust trafen, ging ich zu Boden. Es tat schlimmer weh als der Tritt in die Eier. Mir wurde schwarz vor Augen, und ich konnte mich nicht auf den Füßen halten.

Der Boden schoss auf mein Gesicht zu, und ich hörte jemanden erschrocken meinen Namen kreischen, genau wie es an jenem Tag geklungen hatte. Erinnerungen schlugen über mir zusammen und übertönten alles andere.

Der Druck in meiner Brust fühlte sich an, als würde er mir das Herz zerquetschen.

Ich konnte nicht atmen.

Ich konnte nicht sehen.

Ich konnte mich nicht bewegen.

Aber ich konnte sie schreien hören – und dieser Laut folgte mir in die Dunkelheit, genau wie er es schon einmal getan hatte.

Kapitel 2:Irgendwo in der Nähe des Chaos

Emrys

Es ergab keinen Sinn, dass in dieser Kleinstadt, die gefühlt eine Million Meilen entfernt von jedem Flughafen und Einkaufszentrum lag, ein solcher Aufruhr herrschte. Menschen machten hier Urlaub, liefen vor dem eigenen Leben davon und landeten an diesem Ort, um dem Lärm, der Verwirrung und dem Stress zu entfliehen. Sie hätten sich sicher weit von hier ferngehalten, wenn sie gewusst hätten, dass sich dieser friedliche Ort von einer Sekunde auf die andere in einen Schauplatz der Gewalt und Unordnung verwandeln könnte. Und das genauso mühelos wie die Plätze auf der Welt, die selten die Sonne sahen, außer sie spähte zwischen Wolkenkratzern hindurch.

Ich hatte mich einmal von dem Versprechen auf ruhige Nächte und heitere Tage im Sonnenschein täuschen lassen. Ich hatte der Broschüre geglaubt, die damit warb, ich könnte meine Sorgen daheim lassen und in ein schlichteres, stilleres Leben entfliehen. Ich hatte mir gestattet, mich von der malerischen Landschaft und den atemberaubenden Bergen ködern zu lassen. Törichterweise war ich der Versuchung erlegen, meine damaligen Sorgen in San Francisco zurücklassen zu können, während ich mich mitten im Nirgendwo von Wyoming versteckte.

Ich wusste aus erster Hand, dass die Hochglanzbroschüre, die mich nach Wyoming geführt hatte, nicht mehr war als ein Haufen hübsch verpackter Lügen. Ich wusste, dass die Kneipenschlägerei vor mir kaum das Schlimmste war, das je geschehen konnte. Tatsächlich war das Ausmaß von Blutvergießen und Gewalt ein Kinderspiel im Vergleich zu dem, was ich erlebt hatte, als ich das letzte Mal einen Fuß in diese kleine, drollige Stadt gesetzt hatte. Nun, bei meinem letzten Besuch hier war ich nicht wirklich in Sheridan gewesen. Ich hatte den größten Teil meiner Zeit im Hinterland verbracht, rund um die Ranch der Warner-Brüder, die immerhin gute fünfundvierzig Autominuten von dieser winzigen Stadt entfernt lag. Die Ranch war der Ort, an dem ich mich gegenwärtig aufhielt, damit ich meine beste Freundin Leo sehen konnte.

Bei meinem Weggang aus Wyoming hatte ich mir geschworen, nie wieder zurückzukehren. Niemals.

Ich sagte mir, dass es hier nichts für mich gab außer schlimmen Erinnerungen und einem gebrochenen Herzen. Ich war ein Profi darin, mich selbst zu belügen, mir genau das einzureden, was ich hören musste, um mein Tun zu rechtfertigen. Ich konnte mir so ziemlich alles einreden, zum Beispiel, dass es okay war, dass mein letzter fester Freund das Silber meiner Großmutter gestohlen hatte, als ich ihn hinausgeworfen hatte, denn er brauchte es schließlich mehr als ich. Ich hatte kein Problem damit zu glauben, dass Leos gebrochenes Herz nur heilen würde, wenn ich sie aus der Stadt fortschaffte, obwohl sie damals gar nicht einverstanden war. Es hat sich leichter angefühlt, sie abzulenken, als zuzusehen, wie sie sich in ihrem Elend suhlte. Ich habe mir eingeredet, dass ich, um zu heilen, Raum und Einsamkeit bräuchte. Ich habe mich daran festgeklammert, bis einige Zeit verstrichen war und ich immer noch einem Wrack glich. Ich habe meine eigene Gesellschaft sattgehabt, habe es sattgehabt, mich vor allem zu verstecken, was ich fühlte. Ich war diejenige, die sich immer ein Bein ausriss, alle anderen um mich herum auf die Spur zu bringen, und es war nicht gerade überraschend, dass ich es nicht hinbekam, mich selbst zu kurieren. Ich hatte meine Tage damit verbracht, anderen zu helfen, sich auf ihre Ziele zu konzentrieren, es besser zu machen und mehr zu erreichen, damit ich nicht über den Mangel an eigenen Ambitionen nachzudenken brauchte.

Am Jahresende würde ich dreißig werden, und ich versuchte immer noch herauszufinden, was und wer ich sein wollte, wenn ich erwachsen war. Ich hatte lange Zeit kein Ziel gehabt; das Einzige, was ich gewusst hatte, war, dass ich nach Wyoming zurückkehren und die Sache mit Sutton Warner klären wollte.

Ich redete mir ein, dass Leo es verstand, dass sie keine Fragen nach meinem plötzlichen Gesinnungswechsel stellen würde. Leora Connor war für mich mehr eine Schwester als eine Freundin. Sie und ich hatten immer gegen den Rest der Welt zusammengestanden, bis ich sie weggestoßen hatte. Zu meinem Glück hatte sie mich nicht sehr weit kommen lassen und mir gerade so viel Seil gelassen, dass ich daran baumeln konnte, ohne zu fallen. Als ich sie angerufen und ihr gesagt hatte, ich wolle sie besuchen, hatte sie nicht gezögert, mir ihr Zuhause zu öffnen, obwohl ihre Beziehung zu Cy immer noch ziemlich frisch war. Ich hatte ihr nicht zur Last fallen wollen, und Leo hatte mich schnell daran erinnert, dass ich oft genug das andere Ende ihres Seils gehalten hätte, wenn sie im Begriff gewesen war abzustürzen.

Keine von uns erwähnte den wahren Grund, warum es vielleicht nicht das Einfachste und Bequemste auf der Welt für mich sein würde, auf der Ranch der Warners zu wohnen. Unausgesprochen blieb die Erinnerung, dass Sutton mich weggeschickt hatte. Der mittlere Warner-Bruder und ich hatten etwas zusammen erlebt, das selbst die stärksten Menschen verändern würde. Es hätte uns zusammenschweißen sollen. Wir hätten Verbündete werden und unser beider zerbrochene Teile gemeinsam kitten sollen. Er war die einzige Person auf der Welt, die wusste, was ich durchgemacht hatte, und ich war die einzige Person auf der Welt, die wusste, wie hart er gekämpft hatte, um mich zu retten. Ich hatte beobachtet, wie er fast für mich gestorben war, und als er wieder zum Leben erwacht war, hatte ich gedacht, ich würde die Erste sein, die er sehen wollte. Ich hatte gehofft, er würde verstehen, dass sein Opfer alles für mich bedeutete. Noch nie hatte jemand etwas Ähnliches für mich getan. Ich war sonst immer diejenige, die –bildlich gesehen – die Kugel kassierte, und er hatte echtes Blei abbekommen ... für mich.

Es hatte wehgetan, als er klarstellte, dass ich die Letzte sei, mit der er irgendetwas zu tun haben wollte.

Er hatte mir klipp und klar gesagt, dass ich ihm aus den Augen gehen solle, aus seinem Leben, aus seinem Staat verschwinden solle. Er hatte sich dabei so aufgeregt, dass seine Ärzte mir befohlen hatten, sein Krankenhauszimmer zu verlassen. Sie hatten ihn sedieren müssen.

Ich konnte noch immer seine Brüder vor mir sehen, wie sie mit sich rangen; einerseits wollten sie sicherstellen, dass es mir gut ging, andererseits wollten sie tun, was das Beste für ihren Bruder war. Die Warners waren gute Kerle, aber Familie kam an erster Stelle.