Saints of Denver – Quaid - Jay Crownover - E-Book

Saints of Denver – Quaid E-Book

Jay Crownover

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Beschreibung

Avett Walker und Quaid Jackson könnten nicht unterschiedlicher sein. Während er sich als erfolgreicher Strafverteidiger stets an die Regeln hält, stolpert sie als Unruhestifterin durch ihr Leben.

Als Avett plötzlich wegen eines folgenschweren Fehlers in der Klemme steckt, kann nur noch einer helfen: der wahnsinnig heiße Anwalt Quaid Jackson. Alles in ihr sträubt sich dagegen, sich auf ihn zu verlassen, denn obwohl er ihr Schicksal in seinen Händen hält, scheint er nicht gerade viel von ihr zu halten.

Während er strikt an einer professionellen Beziehung festhält, lässt sie sich aber nicht davon abbringen, seine Krawatte Stück für Stück zu lockern. Und je länger sie Seite an Seite arbeiten, desto schwerer fällt es ihm weiter an seinen Regeln festzuhalten. Und Avett hat schon immer gerne Regeln gebrochen ...

Ein heißes Spin-Off der Romance-Bestsellerreihe "Marked Men" von Erfolgsautorin Jay Crownover.

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Inhalt

Cover

Grußwort des Verlags

Über dieses Buch

Titel

Widmung

Vorwort

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 17.5

Kapitel 18

Kapitel 19

Epilog

Anmerkung der Autorin

Avett und Quaids Playlist

Danksagung

Über die Autorin

Weitere Titel der Autorin

Impressum

 

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Über dieses Buch

Avett Walker und Quaid Jackson könnten nicht unterschiedlicher sein. Während er sich als erfolgreicher Strafverteidiger stets an die Regeln hält, stolpert sie als Unruhestifterin durch ihr Leben.

Als Avett plötzlich wegen eines folgenschweren Fehlers in der Klemme steckt, kann nur noch einer helfen: der wahnsinnig heiße Anwalt Quaid Jackson. Alles in ihr sträubt sich dagegen, sich auf ihn zu verlassen, denn obwohl er ihr Schicksal in seinen Händen hält, scheint er nicht gerade viel von ihr zu halten.

Während er strikt an einer professionellen Beziehung festhält, lässt sie sich aber nicht davon abbringen, seine Krawatte Stück für Stück zu lockern. Und je länger sie Seite an Seite arbeiten, desto schwerer fällt es ihm weiter an seinen Regeln festzuhalten. Und Avett hat schon immer gerne Regeln gebrochen …

Jay Crownover

Quaid

Aus dem Amerikanischen von Nina Bellem

Widmung

Gewidmet der einen Person, die mir bei all meinen schlimmsten Entscheidungen die Hand gehalten und mich bei all meinen besten Entscheidungen angefeuert hat. Dieses Buch und diese Geschichte über schlechte Entscheidungen, die zu den besten Dingen im Leben führen, ist für dich, Mama.

Du bist einfach die Beste, und bei jedem Fehler, den ich je gemacht, bei jeder schlechten Entscheidung, die ich blindlings getroffen habe, warst du da, um alles wieder zu kitten.

Glücklicherweise habe ich, nachdem die Stürme jetzt vorbeigezogen sind und alles vorbei ist, ein paar ziemlich tolle Geschichten zu erzählen. Aber nichts macht mich glücklicher als die Gewissheit, dass keine dieser wunderbaren und unglaublichen Geschichten ein glückliches Ende genommen hätte, wenn ich sie nicht mit dir hätte teilen können.

Vorwort

Sie ist unreif.

Sie ist eine Göre.

Sie ist nervig und nicht sehr nett.

Warum bekommt sie eine Geschichte?

Immer wenn ich eine Figur habe, die nicht wirkt, als hätte sie eine Geschichte oder irgendeine Art von Glück verdient, ist das unweigerlich jemand, für den ich am liebsten alles ändern möchte. Ich will ihre Geschichte unbedingt kennenlernen und herausfinden, warum mehr in ihr steckt, als wir zunächst sehen. So war es bei Asa, und so war es bei Avett, kaum dass sie das erste Mal an meiner Seite aufgetaucht war.

Ich wusste immer, dass ich der Tochter von Brite eine Geschichte geben wollte, aber ich hatte keine Ahnung, wie vielschichtig, komplex und schwierig diese Geschichte sein würde. Sie ist ein echter Wirbelsturm, und zu sehen, wie sich der Sturm an der Küste bricht, hat mir die bisher die schönsten Schreibstunden beschert.

Wenn ich anfange, eine Figur zu entwickeln, dann nie mit dem Gedanken im Hinterkopf, dass die Leser sie mögen sollen. Aber ich hoffe, dass der Leser die Figur am Ende der Reise versteht und vielleicht sogar ein bisschen Sympathie für sie empfindet. Und hey, wenn du die Figur, von der du so sicher warst, dass du sie hassen würdest, am Ende doch magst, ist das ein Punkt für mich. <3 (Ich schaue dich an, Melissa Shank!)

Ich glaube, Avett ist die Figur, die mir am ähnlichsten ist; ich war an demselben Punkt in meinem Leben. Als ich ihre Geschichte schrieb, bin ich immer wieder zusammengezuckt und habe gedacht: Ja, das habe ich auch schon gemacht … und jetzt habe ich definitiv eine Geschichte über diese Entscheidungen und die Konsequenzen, die sie nach sich zogen, zu erzählen. Manchmal ist die Geschichte der beste Teil des Versagens. Egal, wer wir sind oder wo wir im Leben waren, wir haben alle eine Geschichte zu erzählen. Das trifft auf alle meine Figuren zu, aber aus irgendeinem Grund bei Avett und Quaid besonders.

Als ich zweiundzwanzig war, traf ich viele fragwürdige Entscheidungen: über Männer, Geld, meine Ausbildung und meine Zukunft im Allgemeinen. Ich musste gerettet werden – von meiner Familie, leider nicht von einem gut aussehenden Mann –, und man sollte meinen, ich hätte meine Lektion gelernt, denn ich war mir sicher, dass ich nie wieder so tief fallen würde.

Dann war ich Anfang dreißig, als mein Leben aufgrund meiner schlechten Entscheidungen und meiner blöden Sturheit wieder einmal aus den Fugen geriet. Ich musste zum zweiten Mal in meinem Leben gerettet werden und hatte noch mehr Geschichten zu erzählen und harte Lektionen gelernt. Doch dann wurde Rule veröffentlicht, und mein ganzes Leben veränderte sich, und obwohl sie mit Herzschmerz beginnt, endet die Geschichte mit einem wahr gewordenen Traum.

Also geh raus, und bau Mist. Mache Erfahrungen, damit du Geschichten erzählen kannst, und mach das, ohne dich dafür zu entschuldigen.

Erinnerungen und Fehler sind beide auf ihre eigene Weise schön und wichtig.

Liebe und Tinte,

Jay

Alle wirklich bösen Dinge beginnen mit der Unschuld.

Ernest Hemingway

Kapitel 1

Avett

Keine Sorge, Sprite, schlechte Entscheidungen sorgen immer für gute Geschichten …

Ich hatte die schroffe, humorvolle Stimme meines Dads förmlich im Ohr. Diese Worte hatte er immer zu mir gesagt, wenn ich bei etwas erwischt wurde, was ich als Heranwachsender nicht hätte tun sollen. Ich tat immer etwas, was ich nicht tun sollte, damals wie heute, und so hörte ich diese Worte oft von ihm.

Leider hatten meine Fehlentscheidungen als Erwachsene weitaus schlimmere Folgen als ein aufgeschürftes Knie oder ein gebrochenes Handgelenk, weil ich vom Baum im Garten gefallen war, vor dem er mich wiederholt gewarnt hatte, da er nicht stabil genug zum Klettern sei. Und leider würde es mir in meiner aktuellen Situation auch nicht helfen, wenn mein Dad mich auf seine strenge, aber sanfte Art beruhigte, mich seine kleine Sprite nannte, und mein Wehwehchen küsste.

Dieses Wehwehchen war ein großes Problem.

Dieses Wehwehchen war lebensverändernd.

Dieses Wehwehchen war alles andere als eine gute Geschichte, die nur darauf wartete, erzählt zu werden. Dieses Wehwehchen konnte mein Ende sein, das Ende des Geduldsfadens meiner verständnisvollen Eltern, und es konnte das Ende meiner Zukunft bedeuten, was für eine Zukunft das auch immer sein mochte. Eine Zukunft, die nun auf dem besten Weg war, durch die bisherigen schlechten Entscheidungen und schlimmen Wege, die ich eingeschlagen hatte, versaut zu werden.

Mit kaum zweiundzwanzig Jahren waren schlechte Entscheidungen so etwas wie mein Markenzeichen geworden und mir so vertraut wie mein eigenes Gesicht. Zu diesem Zeitpunkt war ich fast schon berühmt dafür, dass ich mein ganzes Vertrauen in die absolut schlechtesten Leute setzte. Wenn es eine falsche Abzweigung zu beschreiten gab, dann ging ich diesen Weg mit Freude und ohne zurückzuschauen, bis ich genau in so einer Situation landete, in der ich mich gerade befand.

Es war nicht so, dass das hier eine neue Sackgasse war; es war dieselbe, in die ich immer wieder geriet. Egal wie sehr ich mich bemühte, ich konnte nicht umkehren, und je länger ich in dieser Sackgasse steckte, desto dunkler und gefährlicher wurde sie.

Ich wusste es besser. Das wusste ich wirklich, auch wenn es eine Unmenge von Beweisen gab, die dem widersprachen.

Ich war nicht dumm, naiv, unreif oder handelte kopflos. Von außen mochte ich so wirken, aber ich hatte meine Gründe dafür, ein vollkommener Versager und lebenslanger Verlierer zu sein. All diese Gründe hatten nichts damit zu tun, dass ich es nicht besser wusste, sondern damit, dass ich genau wusste, was ich verdiente.

Ich hatte die Kontrolle schon vor langer Zeit verloren, war immer tiefer in einen Strudel von wirklich schrecklichen Handlungen und Konsequenzen geraten, eine offensichtlich schlimmer und schmerzhafter als die andere. Ich hatte auch keinerlei Anstrengungen unternommen, um mich aus dem Strudel herauszuziehen, wusste also logischerweise, dass ich nur hier landen konnte, genau an der tiefsten Stelle des Abgrunds. Ich hätte nie gedacht, dass die Landung so holprig sein würde.

Ich hatte schon lange Rettung nötig, und jetzt brauchte ich sie unbedingt, denn mir stand eine sehr reale Gefängnisstrafe bevor, während ich zitternd in Handschellen vor einem sehr realen Anwalt in einem makellosen Anzug saß und förmlich an meiner Angst erstickte. Ich hätte mir in einer Million Jahren nicht vorstellen können, dass ein Mann wie der, der mir gegenübersaß, die Rettung brachte. Er sah nach Versuchung und Verderben aus, nicht nach Rettung und Erlösung.

Ich war nicht schuldig an dem, was man mir vorwarf, aber ich war auch nicht ganz unschuldig an alldem. Traurigerweise lief es immer so in meinem Leben. Ich war immer das Mädchen, das nicht ganz brav war, diejenige, die gerade böse genug war, um Ärger zu machen. Und der Mann, der mir gegenübersaß, sah aus, als hätte er weder die Toleranz noch die Geduld, um sich mit dem Chaos auseinanderzusetzen, in dem ich immer zu versinken schien.

Ich verschränkte meine angespannten Finger ineinander und versuchte, nicht zusammenzuzucken oder, noch schlimmer, loszuschluchzen, als die Handschellen um meine Handgelenke schnappten und laut auf den Metalltisch schlugen, der mich von dem Mann trennte, der angeblich hier war, um mich zu retten. Er nannte mir seinen Namen, aber ich konnte ihn mir nicht merken. Ich war nervös und verwirrt, und er trug nicht dazu bei, meine Ängste zu lindern. Außerdem litt ich unter Schlafmangel und hatte große Angst vor dem, was mich nach diesem Treffen erwartete.

Meine Zukunft war schon immer ungewiss gewesen und stand auch an guten Tagen auf wackeligem und instabilem Grund. Im Moment sehnte ich mich nach diesem wackeligen Fundament und hatte totale Angst davor, dass meine letzte Fehlentscheidung mich schließlich in eine Lage gebracht hatte, aus der ich mich nicht durch Lügen, Betrügen, Stehlen oder Manipulationen befreien konnte.

Der stoische und erstaunlich gut aussehende Anwalt, der mir gegenübersaß, wirkte nicht wie der typische strahlende Ritter. Dafür war er zu glatt, viel zu berechnend in der Art, wie er mich ansah, während er mich schweigend verurteilte. Nein, dieser Typ war nicht der gute Mann, der anrückt, um die Jungfrau zu retten und sich als Held zu erweisen. Das war der Typ, dem die Schurken viel Geld zahlten, damit er sie vor dem Gefängnis bewahrte.

Bei allem, was ich getan hatte, hatte ich mich nie als Bösewicht betrachtet. Ich wusste, dass ich ein Bösewicht — oder ein böses Mädchen — war, aber ich war keine korrupte, amoralische Kriminelle, die vorgehabt hatte, jemandem zu schaden. Nur mir selbst.

Doch unter dem ungewöhnlich stahlblauen Blick dieses Mannes, in dem sich kein bisschen Wärme oder Trost fand, begann ich meine Haltung zu überdenken. Er gab mir das Gefühl, dass ich auf dem besten Weg war, wirklich kriminell und ein schlechter Mensch zu werden, und dabei hatte er noch kein einziges Wort gesagt. Ich hatte noch nie etwas getan, was so schlimm oder dumm war, dass ich einen Profi brauchte, um mich zu verteidigen, und es fiel mir schwer zu glauben, dass es diesen Kerl auch nur ansatzweise interessierte, ob ich unschuldig war oder nicht.

Ich wollte mich nur noch vor ihm verstecken und so tun, als wäre ich irgendwo anders auf der Welt als in diesem winzigen Raum mit einem Metalltisch, der zwischen uns am Boden festgeschraubt war. Ich bewegte meine Hände wieder und konnte ein Zusammenzucken und ein Zittern nicht unterdrücken, als Metall über Metall schabte.

Dieser Tiefpunkt würde mehr als nur blaue Flecken hinterlassen, falls ich es schaffen würde, ihn zu überwinden. Er würde Narben hinterlassen, tief und brennend, und ich hasste es, dass ich jede einzelne verdient hatte.

»Ihre Geschichte interessiert mich nicht.« Seine Worte waren scharf und auf den Punkt. Ich blinzelte angesichts des rauen Klangs seiner Stimme, die in dem sterilen Raum widerhallte. »Ich will nicht wissen, ob Sie eine Ahnung hatten, was Ihr Freund vorhatte oder nicht. Es ist mir völlig egal. Ich will nur wissen, ob Ihnen bewusst ist, was Ihnen vorgeworfen wird und wie schwerwiegend diese Vorwürfe sind. Wenn die Antwort ja lautet, muss ich nur wissen, ob Sie bereit sind, alles zu tun, was ich Ihnen sage.«

Ob ich verstanden hatte, wie schwerwiegend die Anschuldigungen waren?

Meinte der Typ das ernst?

Ich war mit Handschellen gefesselt. Ich trug einen orangefarbenen Overall und hatte Gummischuhe an, die beim Gehen auf dem Boden quietschten. Ich hatte zwei Tage lang nicht geschlafen, denn nachdem in der Nacht, in der ich verhaftet und eingebuchtet wurde, alles schiefgegangen war, sperrte man mich in eine Zelle.

Dort war auch eine Frau, die so auf Drogen war, dass sie kleine Kobolde aus dem Boden kriechen sah und deshalb immer wieder auf die an die Betonwand der Zelle geschraubten Stockbetten sprang und mich dabei nur knapp verfehlte.

Die andere Frau in der Arrestzelle war dort, weil sie versucht hatte, ihren untreuen Ehemann mit dem Kleinbus der Familie zu überfahren, nachdem sie ihn mit der Nachbarin im Bett erwischt hatte. Er hatte sich zu diesem Zeitpunkt im Esszimmer der Familie aufgehalten, und die Frau war nicht nur wütend wegen der Affäre, sondern schimpfte bis in die frühen Morgenstunden darüber, dass ihr untreuer Ehemann besser mit der Versicherung telefonieren sollte, damit die für den Schaden aufkam, den sie verursacht hatte. Sie war völlig durchgeknallt, und je mehr ich versuchte, sie zu ignorieren, desto entschlossener schien sie, mir ihre ganze Lebensgeschichte zu erzählen.

Ja, du Adleranwalt, ich hatte eine gute Vorstellung davon, wie ernst die Anschuldigungen waren, und ich hatte verdammte Angst davor, was mit mir passierte, wenn ich für schuldig befunden werden würde.

Ich hob meine gefesselten Hände und ließ sie auf den Tisch zurückfallen, um meine Haltung deutlich zu machen. Der Mann zuckte bei dieser Bewegung nicht mit einer einzigen seiner unfassbar langen Wimpern, aber sein Mund verzog sich ein wenig. Es war ein hübscher Mund. Alles an ihm war auf die eine oder andere Weise hübsch, und ich fragte mich, ob er sich beim Verlassen dieses sterilen Sitzungssaals wie ein nasser Hund schüttelte, um sich von dem Makel des Verbrechens, des Schmutzes und der schlechten Entscheidungen zu befreien.

Er sah aus wie jemand, der noch nie einen falschen Schritt gemacht hatte. Er strotzte vor Selbstvertrauen und Arroganz, als wäre es ein teures Parfüm, das nur für ihn hergestellt und abgefüllt wurde. Es sollte mich beruhigen, sollte mir das Gefühl geben, dass er alles im Griff hatte, dass ich in null Komma nichts sicher und geborgen in meinem eigenen Bett sein würde, aber stattdessen machte es mich stutzig, und ich fühlte mich noch schlechter, als ich es ohnehin schon tat.

Ich war ein Wrack, und das war schlimm … aber einen Zeugen für meinen Tiefpunkt zu haben, einen Zeugen, der so gefestigt und unerschütterlich war wie dieser Mann … Na ja, das ließ die Folgen meines letzten Fehltritts noch hundertmal schlimmer erscheinen.

Dieser Mann war nicht der Typ, der eine schlechte Entscheidung nach der anderen traf. Tatsächlich verdiente er seinen Lebensunterhalt damit, uns armen Verlierern zu helfen. Einen sehr guten Lebensunterhalt, wenn die Rolex an seinem Handgelenk und der Mont-Blanc-Kugelschreiber, mit dem er auf die Akte vor ihm klopfte, ein Hinweis darauf waren.

»Ich verstehe, wie ernst die Situation ist.« Meine Stimme klang in dem leeren Raum leise und dünn. Ich neigte meinen Kopf zur Seite, während wir uns weiter gegenseitig musterten. »Hat mein Dad Sie beauftragt?«

Ich wollte die Luft anhalten, während er antwortete, aber ich konnte meine Lungen nicht dazu bringen, zu funktionieren. Ich konnte nichts zum Funktionieren bringen.

Ich war eine Versagerin. Ich war eine Verliererin. Ich war ein verdammtes Chaos, und meine Eltern, meistens mein Dad, waren immer da, um die Scherben aufzusammeln. Er vergab mir. Er entschuldigte sich für mich. Er klopfte mir den Schmutz ab und reichte mir immer wieder eine helfende Hand. Er liebte mich, wenn ich nicht geliebt werden wollte. Er war immer da, aber dieses Mal nicht.

Schlechte Entscheidungen sorgen für gute Geschichten, Sprite.

Dads Worte rannten in meinem Kopf in wilden Kreisen umher, während ich spürte, wie ich immer weiter abrutschte, immer tiefer fiel und mir klar wurde, dass dies hier mein Tiefpunkt war.

Der Mann, der behauptete, mein Verteidiger zu sein, schüttelte seinen braunen Haarschopf. »Nein. Tatsächlich hat mich ein ehemaliger Mandant kontaktiert und mich gebeten, Sie zu vertreten. Er hat meinen Vorschuss vollständig bezahlt und hat mir gesagt, dass alle Rechnungen, die bei der Bearbeitung Ihres Falles anfallen, an ihn zu übergeben sind. Ich wurde eingestellt, bevor die Polizei Sie verhaftet und ins Gefängnis gebracht hat.«

Mein Dad war dieses Mal nicht hier, um mir das Wehwechen wegzuküssen. Er stand nicht in den Startlöchern, um mir zu sagen, dass alles in Ordnung käme. Diesmal nicht. Diesmal war ich zu weit gegangen.

Die eiskalte Angst, die Wirbel für Wirbel mein Rückgrat hinaufkletterte hatte nicht mit der elenden, ungemütlichen Nacht zu tun, die ich mit einer zugedröhnten Verrückten und einer psychopathischen Vorstadtmama hatte verbringen müssen. Sie erwuchs aus dem Gedanken, dass ich etwas getan hatte, was Brite Walker endgültig nicht verzeihen konnte.

Ich hatte gewusst, dass es so kommen würde. Ich hatte gewusst, dass sogar mein großer, knallharter Harley fahrender Vater, der ein Marine gewesen war, eine Grenze hatte. Ich hatte mein ganzes Leben lang darauf hingearbeitet, diesen Punkt zu erreichen. Ich dachte immer, dass er mit einem riesigen Knall kommen würde. Ich hatte eine Explosion erwartet, die Denver auslöschen würde.

Die Tatsache, dass es kaum ein Wimmern war, ein flüsterndes Geräusch, das anzeigte, dass das Herz eines guten Mannes brach, ließ mich noch schlechter fühlen, als ich es ohnehin schon tat. Ich hatte keine Ahnung, wie das möglich war, aber ich war noch tiefer gesunken, als ich bisher für möglich gehalten hatte. So fühlte sich ein Sturzbach aus Elend und Verzweiflung an.

Ich blinzelte die Tränen zurück und reckte dem Anwalt mein Kinn entgegen. »Wer bezahlt Sie für Ihren Besuch hier?«

Meine Mutter liebte mich. Sie hatte ein riesiges Herz, aber sie hatte den Punkt, ab dem es kein Zurück mehr gab, sehr viel früher erreicht als mein Dad.

Meine Eltern ließen sich scheiden, als ich noch in der Highschool war, und zwar genau nach einem der prägendsten Momente meiner Jugend. Mein Dad nahm sich zurück, wie er es immer tat, und versuchte, mir die Trennung so leicht wie möglich zu machen.

Meine Mutter verhielt sich mir gegenüber von dort an nicht mehr nur distanziert und verwirrend, sondern sie stieß mich ganz bewusst von sich weg. Ich war mir nie sicher, ob sie den Abstand zwischen uns erzwungen hatte, weil alles zwischen meinem Vater und mir so einfach war oder weil es zwischen ihr und mir so schwierig war. So oder so, unsere angespannte Beziehung war auch keine Hilfe, als es mit mir rapide bergab ging, als ich erkannte, was für ein Mensch ich war.

Eine schädlicher Mensch.

Ein schuldiger Mensch.

Ein egoistischer Mensch.

Wenn man die richtigen Leute fragte, war ich sogar ein gefährlicher Mensch, und sie hatten nicht unbedingt unrecht. Es war erstaunlich, wie gefährlich es sein konnte, nichts zu tun. Es hatte sogar noch verheerendere Folgen als das Falsche zu tun … zumindest war es so bis jetzt gewesen.

Die kultivierte und sanfte Stimme des Anwalts ließ mich aus meinen trüben Gedanken aufschrecken. »Asa Cross. Er war eines der Opfer des bewaffneten Raubüberfalls, den Ihr Freund verübt hat. Das andere war eine Polizistin, die nicht im Dienst war. Es ist also keine Überraschung, dass sie Sie fast sofort verhaftet und eingesperrt haben. Die Polizei in Denver schützt ihre eigenen Leute, also ist niemand darauf aus, Ihnen oder Ihrem Freund einen Gefallen zu tun.«

Ich zuckte zusammen, als er Jared erwähnte.

Jared, der Mann, der mich davon überzeugt hatte, dass er mich liebt. Der Mann, der mir versicherte, dass wir uns so ähnlich waren und darum nicht scheitern konnten. Er war genauso verkorkst und unglücklich wie ich, also würden wir auf jeden Fall für immer zusammenbleiben.

Jared, der Mann, der mir verheimlicht hatte, dass er nicht nur drogenabhängig war, sondern auch tief in den Drogenhandel der Stadt verwickelt war. Durch das, was ich für Liebe zu ihm hielt, versank ich so tief darin, dass ich mich nicht mehr herausziehen konnte.

Jared war die perfekte Strafe für eine Frau, die sich nicht zusammenreißen konnte. Sie verdiente nichts anderes als genau die Art von Mann, die er wirklich war.

Jared war auch der Mann, der mit den Drogen und dem Geld seines Lieferanten abgehauen war. Er hatte mich zurückgelassen, um den Preis für seine Unehrlichkeit zu zahlen, und ich erhielt die Nachricht, dass seine Verbindungen nicht glücklich mit ihm waren.

Er war auch der Mann, der mich davon überzeugen konnte, dass die einzige Möglichkeit, ihm zu helfen, uns zu helfen, darin bestand, von dem einen Ort zu stehlen, der immer mein Zuhause gewesen war, egal was passierte. Er überzeugte mich davon, dass ein kleiner Diebstahl keinen Unterschied machen würde, dass es Geld war, das mir sowieso zustand, da mein Vater seine Bar, seinen Lebensunterhalt, übergeben hatte, ohne daran zu denken, was das für mich bedeutete.

Jared wusste gut mit Worten umzugehen, wenn er nicht high war, und wie immer konnte ich kaum erwarten, das Falsche zu tun. Nur dass die Handvoll Bargeld aus der Kasse nicht einmal ansatzweise den Betrag tilgte, den er schuldig war.

Wie gesagt, ich war weder dumm noch naiv, also hätte ich wissen müssen, dass er nichts Gutes im Schilde führte, als er mir sagte, er müsse in der Bar vorbeischauen, die meinem Dad gehörte und in der ich früher gearbeitet hatte. Jared führte immer etwas Böses im Schilde, und dieses Böse hinterließ immer häufiger Spuren an meinen Armen und Beinen.

Er hatte ziemlich schnell gelernt, dass ich die Menschen, die mich liebten, zwar ständig enttäuschte und im Stich ließ, dass sie sich aber trotzdem immer um mich sorgten und dass sie es nicht schätzten, wenn ich mit blau geschlagenen Augen und geschwollenen Wangen herumlief.

Er hatte mich nicht mehr geohrfeigt, seitdem Church, der neue Türsteher der Bar, uns eines Abends zum Auto gefolgt war und ein paar glasklare Andeutungen darüber gemacht hatte, was mit Jared passieren würde, wenn ich noch einmal so zugerichtet auftauchte. Drogenabhängige waren unberechenbar, aber sie wussten, wie sie die Dinge, die sie falsch machten, verbergen konnten, die Dinge, von denen sie nicht wollten, dass andere Leute sie erfuhren.

Jared tat mir also immer noch schlimme Dinge an; er wurde nur immer geschickter darin, die Beweise zu verbergen, und ich schob die Menschen, die sich um mich sorgten, weiter von mir, um mich nicht mehr rechtfertigen zu müssen.

Ich konnte ihnen nie erklären, warum ich bei ihm blieb oder warum ich dachte, dass ein Typ wie Jared die Art von Mann war, mit der ich zusammen sein sollte. Ich wusste, warum, aber das bedeutete nicht, dass meine Gründe bei ihnen gut angekommen wären, denn trotz allem sorgten sie sich um mich, auch wenn ich wusste, dass ich es nicht verdiente.

Der Anwalt wollte meine Geschichte nicht hören … Das war in Ordnung, denn es fühlte sich an, als würde ich jedes Mal, wenn ich gezwungen war, sie zu erzählen, in zwei Hälften gerissen werden.

»Warum sollte Asa Sie beauftragen, mich zu vertreten? Er hasst mich.« Und das zu Recht. Ich hatte dem umwerfenden Südstaaten–Charmeur in der kurzen Zeit, in der wir uns kannten, tausend wirklich gute Gründe gegeben, mich zu hassen. Ich konnte mir nicht vorstellen, warum er sich die Mühe machen sollte, mir zu helfen. Er war nicht gerade der warmherzige Typ, nicht einmal an einem guten Tag.

Der Anwalt zog eine goldfarbene Augenbraue hoch und lehnte sich zurück. Er legte seinen teuren Stift auf die vor ihm liegende Akte und betrachtete mich mit zusammengekniffenen Augen. Dieser Mann beherrschte die Kunst des stillen Verhörs und der Einschüchterung perfekt. Ich hatte das Gefühl, dass er mir genau sagen konnte, wie ich tickte und warum ich die Dinge machte, die ich machte, indem er mich einfach nur ansah. Diese Art der Wahrnehmung war ich nicht gewohnt, schon gar nicht von einem Kerl, der eindeutig aus einer anderen Welt kam, als ich sie kannte.

»Sollten Sie in Anbetracht Ihrer derzeitigen Situation nicht einfach dankbar sein, dass er es getan hat?«

Sein tadelnder Tonfall machte mich ein wenig stutzig. »Ich bin nur verwirrt.«

»Gut. Ich möchte, dass Sie das jedem erzählen, der Sie fragt, was in dieser Nacht passiert ist. Sie waren verwirrt. Sie haben nicht verstanden, was passiert ist. Ihr Freund hat Sie gedrängt und Sie angelogen. Sie hatten keine Ahnung, was er an diesem Abend vorhatte.«

Ich rutschte auf dem steinharten Stuhl hin und her, und die Ketten, die an mir befestigt waren, rasselten wieder. »Das ist auch alles wahr. Ich wusste nicht, was er in dieser Nacht geplant hatte. Ich wäre nie zu ihm ins Auto gestiegen, wenn er mir gesagt hätte, dass er die Bar ausrauben will.« Aber ich wusste, sobald ich erkannte, wohin wir fuhren, dass etwas Schlimmes passieren würde, und ich tat nichts, um es zu verhindern … wieder einmal.

Ich hätte mich auf den Fahrersitz setzen und wegfahren können. Es wäre so einfach gewesen. Ich hätte den Wagen auf »Drive« stellen und immer weiterfahren können, bis mir das Benzin ausging und ich irgendwo, weit weg von dem Albtraum gelandet wäre, in dem ich jetzt feststeckte.

Ich hätte aus dem Auto klettern, in die Bar gehen und Jared anflehen können, aufzuhören. Ich hätte mein Handy nehmen, selbst die Polizei anrufen und ihnen sagen können, dass mein Junkiefreund zugedröhnt war, ein paar üblen Leuten eine Menge Geld schuldete und gerade versuchte, die Bar zu überfallen, die meinem Dad das Leben gerettet hatte und die immer ein sicherer Ort gewesen war.

So viele gute Entscheidungen, so viele richtige Dinge, die ich hätte tun können, und doch hatte ich nur im Auto gesessen und gewartet. Ich wusste, dass es schiefgehen würde. Ich wusste, dass jemand verletzt werden würde, und ich hatte nichts getan. Nichts zu tun war die schlechteste Entscheidung von allen, also war es natürlich diejenige, die sich wie eine Bleidecke um mich gelegt hatte. Ich erstickte förmlich an all den Dingen, die ich hätte tun können, tun sollen, aber das Nichts hatte gewonnen.

Es war das Nichts, das mich definierte. Es war das Nichts, das mich besaß, das mich beherrschte. Es war das Nichts, das mich heimsuchte, mich verfolgte. Es war das Nichts, für das ich mein ganzes Leben lang versucht hatte, Buße zu tun und es hinter mir zu lassen, aber das Nichts hat immer gewonnen.

Einige Momente später, während ich immer noch mit dem Nichts der Vergangenheit und dem lähmenden Nichts des gegenwärtigen Augenblicks kämpfte, hatte ich mich mit dem Gesicht nach unten auf dem Asphalt des Parkplatzes vor dem Erbe meines Vaters wiedergefunden, wo ich wegen Beihilfe zum bewaffneten Raubüberfall verhaftet wurde. Und nach Aussage des sehr wütenden Polizisten, der mich auf den Rücksitz seines Streifenwagens schob, drohten mir im Falle einer Verurteilung drei bis fünf Jahre Gefängnis.

»Ich habe Ihnen gesagt, dass mich Ihre Geschichte nicht interessiert. Ihr Freund liegt mit einer Schusswunde im Krankenhaus, aber er singt bereits ein hübsches Liedchen, in dem er Sie als Drahtzieherin hinter dem Raubüberfall hinstellt. Er stellt Sie als rachsüchtige Tochter dar, die wütend ist, dass das Familienunternehmen an jemand anderen als Sie weitergegeben wurde. Er behauptet, Sie hätten Ihre Beziehung dazu benutzt, um ihn zu dem Überfall zu bewegen, um Ihrem Vater eine Lektion zu erteilen. Wenn man bedenkt, dass er ein fünf Meilen langes Vorstrafenregister und eine Vorgeschichte mit Drogenvergehen hat, ist seine Aussage nicht gerade glaubwürdig, aber das sind Sie ja auch nicht.«

Er tippte mit dem Zeigefinger auf die Akte vor ihm, und ich konnte nur seufzen. Diese Akte enthielt alle meine schlechten Entscheidungen, die ich in meinem Leben getroffen hatte. Alles lag schwarz auf weiß vor mir, jeder Fehler, jeder Schrecken, jeder Irrtum … direkt vor diesem viel zu schönen Mann und seinem kühlen, unerschütterlichen Blick.

Ich glaube nicht, dass ich jemals vor jemandem so entblößt, so ungeschützt und nackt gewesen war. Das war kein angenehmes Gefühl, und es kostete mich das letzte bisschen Selbstbeherrschung, um mich nicht schuldbewusst vor ihm zu winden.

»Ich hatte hier und da ein paar Probleme, aber ich war noch nie im Gefängnis.« Ich klang abwehrend und kindisch. Ich verstand nicht, warum er nicht aufstand und aus dem Raum ging, ohne sich noch einmal umzudrehen. Das war es, was ich wahrscheinlich gemacht hätte, wenn ich in seinen Schuhen gesteckt hätte … nicht, dass ich mir seine Schuhe jemals hätte leisten können.

Der Kerl war das komplette Gegenteil von allem, was ich je gekannt hatte. Ich glaube nicht, dass mein Dad überhaupt einen Anzug besaß, und ich sah ihn nur mit einer Krawatte und Schuhen, die keine Stiefel waren, wenn jemand heiratete oder beerdigt wurde.

Die goldenen Augenbrauen wanderten wieder nach oben, und seine Mundwinkel zogen sich nach unten, was auf einem weniger außergewöhnlichen Gesicht wie ein missbilligender Ausdruck gewirkt hätte, aber bei ihm sah es eher wie ein geübter Ausdruck des Missfallens aus.

Ich hätte mich am liebsten selbst dafür getreten, weil mir in Anbetracht der Umstände noch so viel anderes an ihm auffiel als nur seine Qualifikation. Er sah so gut aus, dass es mich ablenkte, und das war ärgerlich, denn ich musste mich auf mein bevorstehendes Unheil konzentrieren, nicht auf seine perfekt geraden Zähne und seine entwaffnend klaren blauen Augen.

»Mehrere Strafzettel wegen Alkoholkonsums als Minderjährige, Trunkenheit in der Öffentlichkeit, eine kürzliche Fahrt unter Alkoholeinfluss, eine Vorladung wegen Ladendiebstahls, eine Vorladung wegen Hausfriedensbruchs, mehr als eine Anklage wegen einfacher Körperverletzung … Soll ich weitermachen?«

Ich schüttelte den Kopf. »Nein. Ich verstehe, dass mein Wort nicht gegen das von Jared stehen kann, denn wir sind beide nicht vertrauenswürdig. Keiner von uns beiden läuft mit Engelsflügeln auf dem Rücken herum.«

Das ließ seine eisige Miene so weit auftauen, dass sich seine Mundwinkel nach oben bewegten. Ich spürte, wie mein Atem stockte und meine Augen sich weiteten, als ich sah, wie der leichte Gesichtsausdruck ihn von einem unverschämt gut aussehenden Mann in etwas so Außerirdisch–Attraktives verwandelte, dass mein einfacher menschlicher Verstand es nicht begreifen konnte.

Ich fragte mich, ob er alle seine Fälle gewann, weil die weiblichen Geschworenen vor lauter Lust zu blind waren, um sich die Beweise anzusehen, die er vorlegte. Das konnte sich wirklich zu meinen Gunsten auswirken, also hoffte ich, dass das zu seinem Plan gehörte, mit dem er mich vor dem Knast bewahren wollte.

»Sie brauchen keine Engelsflügel oder einen Heiligenschein, um einen Richter oder eine Jury davon zu überzeugen, dass Sie unschuldig sind. Sie müssen auf mich hören und glaubwürdiger sein als er. Ich denke, es ist ziemlich offensichtlich, dass er versucht, Sie den Wölfen zum Fraß vorzuwerfen. Ich habe das Überwachungsvideo gesehen, das die Polizei in der Bar aufgenommen hat, und wir haben es hier nicht mit einem ehrbaren Menschen zu tun.«

Wenn er das Band gesehen hatte, bedeutete das, dass er auch gesehen hatte, wie Jared meinen Hinterkopf packte und mein Gesicht auf das Armaturenbrett des Autos schlug, nachdem ich ihm gesagt hatte, dass ich bei dem, was er mit der Bar vorhatte, nicht mitmachen würde.

Abwesend hob ich meine zusammengebundenen Hände und rieb mir über die Schwellung, die sich immer noch zwischen meinen Augen abzeichnete. Ich hatte keinen Spiegel, in den ich schauen konnte, um die Beule zu begutachten, aber die Sanitäter am Unfallort hatten sie als leichte Verletzung eingestuft. Allerdings waren die Kopfschmerzen, die sich durch den Schlag eingestellt hatten, ziemlich stark.

»Nein, er ist überhaupt nicht anständig. Er ist ein Junkie.«

»Es ist furchtbar, das zu sagen, aber das ist unser Vorteil.« Er nahm den schicken Stift wieder in die Hand und klappte die Akte vor sich zu.

Mit einer geschmeidigen Bewegung erhob er sich, und ich rutschte auf meinem Stuhl zurück, um mich so klein wie möglich zu machen. Er hatte bereits auf seiner Seite des Tisches gesessen, als die Polizisten mich in den Raum brachten. Deswegen hatte ich nicht erwartet, dass er so groß war, wie er war, oder so gut gebaut.

»Ihre Kautionsanhörung ist morgen früh, was leider eine weitere Nacht im Gefängnis für Sie bedeutet. Ich bin jedoch zuversichtlich, dass ich Sie morgen freibekommen kann, aber es wird nicht billig sein, und ich muss dem Richter auch beweisen, dass Sie, falls Ihnen tatsächlich eine Kaution gewährt wird, einen Ort haben, wo Sie hinkönnen.«

Er sah mich erwartungsvoll an, und ich konnte nur mit den Schultern zucken. Mein Dad war nicht hier, und das drückte mehr aus als alle Worte, die er je zu mir gesagt hatte.

»Ich habe bei Jared gewohnt, aber da kann ich jetzt natürlich nicht mehr hin. Was die Kaution angeht …« Ich zuckte wieder mit den Schultern. »Ich habe kein Geld, und ich bezweifle, dass meine Eltern bereit sind, die Rechnung zu bezahlen. Ich weiß auch nicht, ob ich sie um einen solchen Gefallen bitten will.«

Seine Augen verengten sich ein wenig, als er nach dem Papierkram auf dem Tisch griff und ihn in seine Ledertasche schob. Selbst seine Tasche sah teuer und edel aus.

»Wenn der Richter eine Kaution festsetzt und diese nicht bezahlt wird, bleiben Sie im Gefängnis, bis die erste Anhörung stattfindet. Das kann Wochen, vielleicht sogar Monate dauern.«

Ich atmete aus und spürte, wie sich der Abgrund, in den ich hineingeraten war, noch weiter auftat. »Es ist, wie es ist. Ich habe meine beiden Eltern in den letzten Jahren oft im Stich gelassen, aber sich mit einem Kerl einzulassen, der die Bar ausrauben wollte, einem Kerl, der die Leute meines Vaters bedroht hat …« Ich schüttelte den Kopf. »Ich verdiene es, im Knast zu verrotten.«

Ich war übermäßig dramatisch, aber so fühlte ich mich. Ich hätte es verdient, im Gefängnis zu sitzen, und noch viel Schlimmeres als das. Selbstmitleid war hier unten am Tiefpunkt eine gute Gesellschaft, und ich war noch nicht bereit, die Wärme, die sie bot, loszulassen.

Er warf mir einen Blick zu, den ich nicht deuten konnte, und ging zur Tür. »Ich werde Ihre Eltern für Sie anrufen und sehen, ob wir bis morgen etwas arrangieren können. Die Arbeit an Ihrem Fall wird für uns beide viel einfacher sein, wenn Sie nicht inhaftiert sind. Denken Sie daran, dass Sie auf mich hören müssen, Ms Walker. Das ist die oberste Regel in dieser Sache.«

Panik überkam mich, traf mich wie ein Lastwagen. Was, wenn er meinen Dad anrief und der ihm sagte, dass er genug von seiner problematischen Tochter und ihrem endlosen Unsinn hätte? Was, wenn er mich nicht mehr lieben konnte? Das Gefängnis konnte ich überleben, aber meinen Vater für immer zu verlieren, das wäre mein Ende.

Ohne nachzudenken sprang ich auf, wobei die Ketten an meinen Händen und Beinen laut rasselten, und zwei uniformierte Beamte stürmten in den Raum. Ich war im Begriff, die vielleicht schlechteste Entscheidung meines Lebens zu treffen, aber ich konnte nicht verhindern, dass mir die Worte über die Lippen kamen.

»Rufen Sie nicht meinen Dad an!« Unüberlegtheit, dein Name ist Avett Walker.

Der Anwalt drehte sich um und sah mich an, als wäre mir ein zweiter Kopf gewachsen. Er sagte nichts, während die Beamten sich neben mich stellten und mir sagten, ich solle mich beruhigen.

»Sie dürfen meinen Dad nicht anrufen.« Die Worte klangen so panisch und verzweifelt, wie ich mich fühlte.

Seine breiten Schultern hoben und senkten sich in einem Achselzucken, als wäre es ihm scheißegal, dass er im Begriff war, mein Leben zu ruinieren … was in Anbetracht der Situation, in der ich mich befand, eine ganze Menge aussagte.

»Ich muss.« Er klang gelangweilt und ungeduldig angesichts meines Ausbruchs.

Ich kniff die Augen zusammen, und der Strudel des Schreckens, in dessen Zentrum ich immer zu stehen schien, begann sich immer schneller um mich zu drehen.

»Dann sind Sie gefeuert.« Ich sah, wie die beiden Polizisten einen Blick tauschten, als meine hastigen Worte den blonden Mann dazu brachten, sich vollständig umzudrehen und mich anzusehen. »Ich will Ihre Hilfe nicht. Ich will nichts von Ihnen.«

Endlich war da etwas anderes als Gleichgültigkeit in seinem Blick. Da war Überraschung, vielleicht ein Hauch von Bewunderung, die mit einem großen Spritzer Humor in den blassen Tiefen kollidierten.

»Tut mir leid, Ms Walker, aber Sie haben mich nicht eingestellt, also können Sie mich auch nicht feuern.« Sein Grinsen, das als tödliche Waffe registriert werden sollte, blitzte noch einmal auf seinem Gesicht auf, als er mich anblickte, und dann war er weg.

Ich sah den Polizisten an, der mir am nächsten war, und runzelte die Stirn. »So funktioniert das nicht, oder? Wenn ich einen neuen Anwalt will, bekomme ich einen, richtig? Der Staat wird mir doch einen geben, oder nicht?« Ich brabbelte unkontrolliert vor mich hin.

Er zuckte mit den Schultern. »Wir sind nicht hier, um Rechtsberatung zu geben, Lady, aber wenn ich an Ihrer Stelle wäre, würde ich Quaid Jackson auf keinen Fall seine Entlassungspapiere aushändigen. Man munkelt, dass der Kerl den Sensenmann von Mord freisprechen könnte, wenn er müsste.«

Quaid Jackson.

Ich war von ihm und der Situation überwältigt. Ich konnte nicht leugnen, dass sein Aussehen und sein allgemeines Auftreten mich irgendwie beeindruckt hatten. Sein Name, wie auch der Mann, dem er gehörte, war ungewöhnlich und unmöglich zu vergessen. Er schwirrte in meinem Kopf herum, zusammen mit den Millionen anderen Dingen, die ich falsch gemacht hatte, um an diesen Punkt zu gelangen.

Nachdem Quaid gegangen war und die Beamten mir die Fußfesseln abgenommen hatten, folgte ich ihnen zurück in die Zelle und fluchte leise vor mich hin, als ich bemerkte, dass die Koboldfrau weg war, aber die Psycho–Ehefrau noch da war. Sie saß zusammengekauert auf einem der Betten und schluchzte unkontrolliert hinter vorgehaltenen Händen. Sie klang wie ein leidendes Tier, und ich wusste, dass es nur ein paar Minuten dauern würde, bis die Geräusche, die sie von sich gab, meinen Kopf zum Pochen brachten. Es würde eine weitere schlaflose Nacht werden, und das nicht, weil ich mir immer wieder ausmalte, was mein Dad sagen würde, wenn Quaid ihn anrief.

Ich warf dem Polizisten zu meiner Rechten einen Blick zu, als er mir die Zellentür öffnete und mich durchließ. Er schüttelte den Kopf und murmelte so, dass nur ich ihn hören konnte: »Der Ehemann hat ihr die Scheidungspapiere zugestellt und die Rechnung für das Auto und das Haus gegeben. Das wird eine lange Nacht im Knast.«

Das war noch milde ausgedrückt.

Als sich die Gittertür hinter mir schloss, steckte ich meine Hände durch den Schlitz, damit die Handschellen abgenommen werden konnten. Es war wie in Orange is the New Black, nur weit weniger unterhaltsam. Im Stillen betete ich, dass ich nicht lange genug hier sein würde, um weitere Parallelen wie diese zu ziehen.

Ich machte mich auf den Weg zur gegenüberliegenden Wand der winzigen Zelle und stützte mich mit einer Schulter an der harten Zementwand ab. Dann schob ich mir ein paar meiner verblassten rosa Haare aus dem Gesicht und zuckte zusammen, als meine Finger über die Beule zwischen meinen Augen strichen. Ich zischte vor Schmerz auf und sah in die blutunterlaufenen und wässrigen Augen der Frau, die mir gegenübersaß.

Ich lehnte meinen Kopf an die Wand und starrte an die Betondecke, gebannt von dem Neonlicht, das über mir brummte.

»Als ich klein war, sagte mir mein Dad immer, dass schlechte Entscheidungen für gute Geschichten sorgen. Er erzählte mir das, während ich im Krankenhaus weinte, als ich eine Metallplatte in den Arm bekam. Ich war von einem Baum gefallen, nachdem er mir gesagt hatte, ich solle nicht klettern. Er sagte mir das auch, nachdem ich mein erstes Auto zu Schrott fuhr, von dem er meinte, ich sei noch nicht bereit, es im Winter zu fahren. Das hat er mir auch gesagt, als er mich beim Rauchen meiner ersten Zigarette erwischt hat und mir davon kotzübel wurde.«

Ich neigte meinen Kopf zu der Frau, die immer noch weinte, wenn auch jetzt leise, und die mich aufmerksam beobachtete. »Er hatte recht. All die dummen Dinge, die ich getan habe, obwohl er es mir verboten hat, haben im Laufe der Jahre zu einigen ziemlich guten Geschichten geführt, und ich habe die Narben immer sehr geschätzt, die mich daran erinnern, dass Daddy es tatsächlich am besten weiß.«

Die Frau schniefte laut und wischte sich mit einer Hand über ihr feuchtes Gesicht. »Warum erzählen Sie mir das? Ich glaube nicht, dass die Tatsache, dass ich ein Auto in mein eigenes Haus gesetzt habe, jemals eine gute Geschichte abgeben wird. Ich bin mir sicher, meine Kinder werden es nicht gutheißen, dass meine schlechte Entscheidung höchstwahrscheinlich dazu führen wird, dass ihre Mutter für eine lange, lange Zeit weg sein wird.«

Ich drehte meinen Kopf wieder zur Decke und konzentrierte mich sehr, bis ich Brite Walkers tiefe, grollende Stimme hörte, die mir zuflüsterte: Schlechte Entscheidungen sorgen für gute Geschichten, Sprite.

Ich hatte all das nicht zu ihr gesagt … Ich hatte es mir selbst gesagt, weil ich es hören musste … jetzt mehr denn je.

 

Wer kann Liebenden ein Gesetz vorgeben? Liebe in sich ist ein bedeutenderes Gesetz.

Boethius

Kapitel 2

Quaid

Ich zog meine bereits gelockerte Krawatte ganz auf und trat die Eingangstür meines Lofts mit dem Fuß zu. Meine Ledertasche warf ich in Richtung der großen Couch, die den größten Teil des Raumes einnahm, und fluchte, als sie das Ziel um Haaresbreite verfehlte und auf dem Boden landete. Mein Laptop klapperte und rutschte aus dem oberen Fach, wobei er die Akte des letzten Falls des Tages mit herauszog. Verärgert fuhr ich mir mit den Händen durch die Haare und stieß ein frustriertes Schnauben aus.

Ich war Stunden früher als geplant zu Hause, und ich war allein. So war das Ende meines Dates nicht geplant gewesen. Die Zurückweisung durch eine Frau, die nicht nur schön, sondern auch so klug und erfolgreich war wie ich, machte mich nervös und unruhig. Außerdem war ich aufgrund der sexuellen Frustration und des ungewohnten Gefühls, das, was ich wollte, nicht zu bekommen, mürrisch und gereizt.

Was ich im Moment wollte, war eine Chance, Sayer Cole in mein Bett zu bekommen.

Als ich der umwerfenden Anwältin für Familienrecht zum ersten Mal begegnet war, war ich noch verheiratet gewesen. Aber diese Ehe war auf bereits auf dem besten Weg, in die Brüche zu gehen. Ich war nicht mehr verheiratet, und was mich betraf, war Sayer die perfekte Frau, mit der ich mein neu gewonnenes Singledasein feiern konnte.

Sie war wunderschön, und sie brauchte mich nicht. Sie verdiente genauso viel Geld wie ich. Sie war bereits Partnerin in der Kanzlei, in der sie arbeitete, brauchte also weder meinen Namen noch meinen Ruf, um in der Anwaltsbranche voranzukommen. Sie war die ganze Zeit, die sie in Denver verbracht hatte, ungebunden gewesen, sodass ich mir keine Sorgen machen musste, dass sie zur Klette werden würde. Sie schien nicht der Typ Frau zu sein, der auf der Jagd nach einem Ehemann war.

Das war perfekt, denn ich wollte niemandes Beute sein. Ich fühlte mich viel wohler in der Rolle des Jägers als in der des Gejagten, und nichts reizte mich mehr als eine Frau, für die es absolut keinen Grund gab, mich auszunutzen. Ich wusste, dass ich sie, auch wenn sie kühl und zurückhaltend wirkte, auftauen konnte, sobald sie nur nackt unter mir lag.

Ich hätte den Wink mit dem Zaunpfahl bemerken sollen, nachdem Sayer mich zum zweiten Mal versetzt hatte. Frauen versetzten mich nie. Meistens waren die Frauen hinter mir her, und ich musste sie abblitzen lassen, weil ich beschäftigt war oder mich langweilte.

Nachdem meine Scheidung abgeschlossen war, ging ich auf eine Art sexuelle Kneipentour. Ich war verzweifelt und wegen des Betrugs meiner Ex verletzt. Es war offensichtlich, dass ich versuchte, es ihr heimzuzahlen und mein Ego mit einer endlosen Reihe von willigen Bettpartnerinnen zu besänftigen. Ich wollte vergeudete Jahre, vergeudetes Geld und ein gebrochenes Herz durch Sex vergessen. Es war von Anfang an klar, dass selbst bedeutungslose One–Night–Stands mehr wollten, als ich zu geben bereit war.

Eine Frau wollte am nächsten Morgen nicht gehen, bis ich drohte, die Polizei zu rufen. Eine benahm sich, als würde sie nach nur einer gemeinsamen Nacht einen Verlobungsring erwarten. Eine verschwand mit meiner Lieblingsuhr. Eine tauchte nach einem anstrengenden Verhandlungstag vor dem Gericht auf und wollte wissen, wann wir wieder miteinander ausgehen würden.

Und dann war da noch die, die einen Partner meiner Firma anrief, den Mann, dessen Name ganz vorn auf dem Schild stand, ihn um ein Vorstellungsgespräch bat und mich als Referenz angab. Das führte zu ein paar peinlichen Erklärungen und zu einem Fleck auf meinem fast makellosen Ruf in der Firma. Ich wollte, dass in naher Zukunft mein Name als Partner auf dem Schild stand, und ich wollte nicht zulassen, dass mein rachsüchtiger Schwanz oder meine Wut auf meine Ex das verhinderten.

Ich hörte auf, mich durch die Betten zu vögeln, nahm Sayer ins Visier und wartete darauf, dass sie bei meinem Plan mitmachte. Aber sie war nicht interessiert und schickte mich, frustriert und ratlos, wie ich war, weg. Ich hatte keinen Ausweichplan, weil ich nur selten einen brauchte.

Ich ging zur Couch hinüber und warf die Seidenkrawatte in meiner Faust über die Rückenlehne, wobei ich diesmal das Ziel traf. Ich bückte mich, um den Laptop aufzuheben, und erschrak, als ich bemerkte, dass der Wurf eine Ecke eingedrückt hatte. Das bedeutete, dass ich einen neuen kaufen musste, auch wenn dieser noch funktionierte. Es war nicht gut, einen beschädigten Computer zu haben. Es ging nicht an, dass irgendetwas beschädigt war, auch wenn das bedeutete, gutes Geld wegzuwerfen.

Ich schnappte mir die Akte über Avett Walker vom Boden und ließ mich wieder auf die Couch fallen. Dabei sah ich auf die teure Uhr an meinem Handgelenk – ein weiteres Requisit, das nichts weiter als Geldverschwendung war, wenn man bedachte, dass ich ein Handy hatte, das mir die Zeit anzeigte – und dann wieder auf die Akte.

Es war noch früh genug am Abend, um den Vater der jungen Frau anzurufen und ihm mitzuteilen, dass sie ohne einen Kautionszahler und ohne eine Wohnanschrift ziemlich lange Zeit hinter Gittern verbringen würde, bis wir einen Termin für eine vorläufige Anhörung hatten. Das System sah es nicht gern, wenn jemand aus den eigenen Reihen bedroht wurde, und da an dem Überfall eine Polizistin außer Dienst verwickelt worden war, würde es mich nicht wundern, wenn auf dem Weg zum Richter Papierkram verloren ging oder falsch abgelegt wurde.

Ich tippte mit dem Daumen auf das schwarz–weiße Fahndungsfoto und konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen.

Sie hatte versucht, mich zu feuern.

Sie war nicht viel größer als eins fünfundfünfzig, ein ganzes Leben jünger als ich, hatte buntes Haar, das schon bessere Tage gesehen hatte, wilde Augen, die sich nicht entscheiden konnten, ob sie grün, golden oder braun sein wollten, war in Sträflingsorange gekleidet und offensichtlich zu Tode verängstigt, aber sie hatte trotzdem versucht, mich zu feuern.

Wäre es einer meiner anderen Mandanten gewesen – der Polizist, der der sexuellen Nötigung beschuldigt wurde, der Verbindungsstudent, der wegen einer schiefgelaufenen Wette bei einem Fußballspiel des Totschlags beschuldigt wurde, die Mittelschullehrerin, die der Pädophilie und einer unangemessenen Beziehung zu mehreren ihrer Schüler beschuldigt wurde, oder der Profifußballer, der der häuslichen Gewalt beschuldigt wurde –, ich hätte meinen sprichwörtlichen Hut gezogen, ihr Glück gewünscht, um meine Verluste so gering wie möglich zu halten, und wäre ohne einen Blick zurückgegangen.

Menschen haben immer Verbrechen begangen. Menschen brauchten immer eine gute Verteidigung, also war es nicht so, dass ich auf der verzweifelten Suche nach Mandanten war, aber das Mädchen hatte etwas an sich. Etwas, was sich in der trotzigen Neigung ihres Kinns und der rohen Verzweiflung in ihrer Stimme zeigte, als sie mich anflehte, ihren Vater nicht anzurufen.

»Ich will Ihre Hilfe nicht. Ich will nichts von Ihnen.« Sie hatte geklungen, als ob sie es ernst meinte, aber ich dachte mir, dass sie zu jung und zu verängstigt war, um genau zu wissen, was sie wollte oder brauchte. Trotzdem war es erfrischend, das zu hören. Immer wollte jemand etwas von mir, und meine Hilfe war meist das Geringste davon.

Ich tippte erneut auf das Foto und fragte mich, warum es mir so leichtfiel zu glauben, dass sie nicht wirklich Teil des Plans ihres Freundes war, als der die Bar überfallen wollte. Sie war nicht gerade eine Musterbürgerin und besaß eine zwielichtige Vergangenheit.

Sie war zu jung und, offen gesagt, zu reizend, um eine so dicke Akte zu haben. Soweit ich sehen konnte, hatte sie auch Eltern, die immer bereit waren, ihr zu Hilfe zu eilen, wenn sie in Schwierigkeiten geriet.

Mit ihrem seltsamen Haar und ihren zarten Gesichtszügen sah sie aus wie eine farbenfrohe Waldfee aus einem Disney–Film. Nichts davon passte zusammen, aber die Aufrichtigkeit in ihrem Tonfall, als sie sagte, sie wäre nie mit ihrem Freund gegangen, wenn sie seine Absichten gekannt hätte, und die Angst in ihren Augen, als ich ihren Vater erwähnte, schienen echt zu sein.

Ich hatte vor langer Zeit gelernt, jeden so zu behandeln, als sei er schuldig an dem, wofür ich bezahlt wurde, ihn zu verteidigen. Ich wollte die Wahrheit nicht wissen. Ich wollte die Umstände nicht kennen. Ich wollte, dass meine Mandanten mir zuhörten und mich meine Arbeit machen ließen, während ich versuchte, den Rest der Welt davon zu überzeugen, dass sie unschuldig waren, egal, ob sie es waren oder nicht. Aber dieses Mädchen mit ihrem ausgeblichenen rosafarbenen Haar und ihren wilden Augen strahlte Unschuld aus, die durch die Risse ihrer sehr schuldigen Fassade hindurchschimmerte.

Da sie mich faszinierte und ich tatsächlich glaubte, dass das Mädchen unschuldig sein könnte, wollte ich nicht zulassen, dass sie mich feuerte. Ich wollte ihren Vater anrufen und hoffte, dass er mir helfen würde, sie vor dem Knast zu bewahren, während ich herausfand, wie ich die Anklage herunterhandeln oder ganz abweisen lassen konnte. Da eine Polizistin in den Raubüberfall verwickelt war und der Freund, ob Junkie oder nicht, eine ziemlich plausible Erklärung für Avetts Beteiligung an dem Verbrechen lieferte, war noch nichts sicher. Ich wollte ihr helfen, ob sie es wollte oder nicht.

Ich fand die Kontaktinformationen des Vaters in der Akte und kramte mein Handy aus der Tasche. Wenn er nicht bereit war, dem Mädchen zu helfen, wollte ich Asa anrufen und fragen, was mein ehemaliger Mandant als Nächstes tun würde. Ich nahm nicht oft Fälle an, die nur auf Empfehlungen beruhten, aber ich mochte Asa Cross wirklich. Er war ein weiterer meiner Mandanten, den ich tatsächlich für unschuldig hielt, als ich beauftragt wurde, ihm zu helfen. Wenn er bereit war, mein zugegebenermaßen saftiges Honorar zu zahlen, um dieser jungen Frau zu helfen, dann wusste ich, dass er wissen wollte, ob sie am Ende hinter Gittern landete, falls der liebe alte Vater nicht einspringen würde.

Ich tippte auf die Nummer auf dem Bildschirm, während ich weiter auf das grobkörnige Fahndungsfoto starrte, und fragte mich, warum ich den Anruf nicht meiner Assistentin oder einer der Anwaltsgehilfinnen in der Kanzlei überließ.

Eine tiefe Stimme brummte ein knappes Hallo in mein Ohr, und ich lehnte den Kopf zurück, sodass ich auf die freiliegenden Rohre blickte, die die Decke des Lofts durchzogen.

»Spreche ich mit Brighton Walker?«

Ein Räuspern und dann: »Wer will das wissen?«

Fast hätte ich gelacht. Das war so vollkommen anders, als die Art, mit der die Menschen, mit denen ich jeden Tag zu tun hatte, mit mir sprachen. Es war verblüffend erfrischend.

»Mein Name ist Quaid Jackson, und ich rufe an, weil ich derzeit damit beauftragt bin, Ihre Tochter zu vertreten.«

Es herrschte einen Moment lang Stille, gefolgt von einem schweren Seufzer, der nur von einem frustrierten Elternteil stammen konnte. »Einer meiner Jungs hat Sie angeheuert.« Das war keine Frage, sondern eine Feststellung.

»Ich weiß nicht, ob Asa Cross einer Ihrer Jungs ist oder nicht, aber wir haben in der Vergangenheit in einem Fall zusammengearbeitet, der dasselbe Unternehmen betraf. Er rief mich an, kaum dass die Polizei Ihrer Tochter ihre Rechte vorgelesen hatte, und sagte mir, Geld wäre kein Problem, solange ich den Fall nur übernehme.«

Ein leiser Fluch drang an meine Ohren, gefolgt von einem weiteren tiefen Seufzer. »Ich habe auf einen Anruf von Avett gewartet. Sie ruft immer zuerst mich an, wenn sie in Schwierigkeiten steckt. Sie wurde angeklagt?«

Ich rutschte auf der Couch hin und her und drückte das Handy gegen meine Wange. »Ja. Beihilfe zum bewaffneten Raubüberfall, Beihilfe zur Begehung einer Straftat mit einer Schusswaffe und Beihilfe nach der Tat. Einige der Anklagen bestehen nur deshalb, weil sie sie schnell verhaften und inhaftieren wollten. Die Tatsache, dass eine nicht im Dienst befindliche Polizeibeamtin an dem Verbrechen beteiligt war, wird die Dinge für die Dauer des Verfahrens erschweren.«

»Royal.« Er nannte den Namen der jungen Polizistin leise. »Ich bin so froh, dass die einzige Person, die verletzt wurde, dieser Verlierer war, mit dem meine Tochter zusammen war.«

Ich massierte mir den Nasenrücken. »Wäre die Polizistin in dieser Nacht nicht da gewesen, wäre das vielleicht nicht der Fall gewesen. Der Freund ging bewaffnet hinein und richtete eine Waffe auf Mr Cross. Diese ganze Situation hätte viel schlimmer ausgehen können.«

Der Mann am anderen Ende des Telefons verstummte wieder und murmelte dann: »Ich bin mir sehr wohl bewusst, was hätte passieren können, Mr Jackson.«

Ich fühlte mich wie ein kleines Kind, das gescholten wurde, weil es geredet hatte, bevor der Lehrer es aufrief. Das war eine beeindruckende Leistung. Ich wurde nur selten in meine Schranken gewiesen, und dieser Mann hatte das nur mit seinem Tonfall und ein paar sorgfältig gewählten Worten geschafft. Wieder fragte ich mich, wie seine Tochter so weit vom rechten Weg abkommen konnte, wenn sie doch anscheinend über ein so starkes Unterstützungssystem verfügte.

»Ich kann Ihnen nicht sagen, warum Avett Sie nicht angerufen hat, Mr Walker, aber ich kann Ihnen sagen, dass sie in ziemlich großen Schwierigkeiten steckt. Ihre Anhörung ist morgen, und obwohl ich fast sicher bin, dass ich sie auf Kaution freibekommen kann, wird das nicht billig sein, und der Richter wird sie nicht gehen lassen, wenn sie nicht ein stabiles, sicheres und dauerhaftes Zuhause hat, wo sie hinkann. Er könnte sie sogar unter Hausarrest stellen, da sie Ärger magisch anzuziehen scheint. Falls das der Fall ist, muss sie eine Adresse haben, auf die die Fußfessel registriert werden kann.«

Ich machte eine Pause, damit er all diese Informationen aufnehmen konnte. »Sie erwähnte, dass sie bei ihrem Freund wohnt. Verständlicherweise ist das nicht länger eine Option.«

Vom anderen Ende der Leitung war ein Rascheln zu hören, das klang, als würde er sich mit der Hand durch die Haare fahren, nur rauer und kratziger. »Sie verlangen also von mir, dass ich die Kaution für meine Tochter bezahle und sie mit nach Hause nehme, obwohl sie in einen bewaffneten Raubüberfall verwickelt war, bei dem Menschen, die mir sehr am Herzen liegen, hätten verletzt werden können … oder Schlimmeres?«

Wenn man es so formulierte, klang es wie eine verrückte Bitte. Jetzt war es an mir, zu seufzen. »Falls es einen Unterschied macht, Avett wollte nicht, dass ich Sie anrufe. Ich dachte, wenn es eine Möglichkeit gibt, sie davor zu bewahren, hinter Gittern zu sitzen, während wir auf die vorläufige Anhörung warten, sollten wir sie nutzen. Aus Ihrer Reaktion schließe ich, dass sie Sie nicht angerufen hat, weil sie wusste, dass es Zeitverschwendung wäre.«

Ich kannte den Mann nicht, kannte das Mädchen kaum, aber ich war seltsam enttäuscht von seiner Reaktion. Noch eine Sache, die in diesem ganzen Fall und in dieser Situation keinen Sinn ergab. Meine Reaktion darauf war völlig untypisch für mich, aber anstatt mir darüber Gedanken zu machen, gefiel mir der Nervenkitzel daran irgendwie. Gefühllos zu sein war langweilig.

Als ich mich gerade bei dem Mann für seine Zeit bedanken wollte, ertönte plötzlich ein Lachen, das wie Donnergrollen in den Bergen klang.

»Sie hat mich nicht angerufen, weil sie Angst hat und es ihr peinlich ist. Dieses Mädchen.« Auch wenn ich ihn nicht sehen konnte, wusste ich, dass der Mann reumütig den Kopf schüttelte. »Sie war schon immer schwierig, und sie hatte schon immer ein Händchen dafür, das tiefste und gefährlichste Wasserloch zu finden, in das sie mit den Füßen voran springen konnte. Manchmal frage ich mich, ob sie mich und ihre arme Mutter austestet, um zu sehen, wie viel wir aushalten können. Sie weiß nicht, dass man als Elternteil der Liebe zu seinem Kind keine Grenzen setzen kann. Ich schlucke alles, was sie mir auftischt, und komme wieder, für einen Nachschlag. Ihre Mutter ist der festen Überzeugung, dass Avett die Konsequenzen ihrer dummen Handlungen allein tragen muss – sie glaubt, dass sie nur so etwas lernt –, aber ich bin eher die Art Vater, die Seite an Seite mit ihr durchs Feuer geht. Sagen Sie mir, wann die Anhörung ist, und ich werde da sein, mit Kautionsgeld oder einem Kautionsvermittler und mit allen Beweisen, die Sie brauchen, dass meine Tochter einen festen Wohnsitz bei mir hat. Ich war immer ihr Zuhause, und egal, was sie getan hat, das wird sich nie ändern.«

Ich wollte einen Seufzer der Erleichterung ausstoßen. Ich wollte meine Faust im Siegesrausch erheben, obwohl die Schlacht noch gar nicht begonnen hatte. Vielleicht hatten mich mein Job und das kürzliche Scheitern meiner Ehe zu sehr abstumpfen lassen. Ich war so sehr daran gewöhnt, das Schlechte in den Menschen zu sehen, so sehr daran gewöhnt, standardmäßig das Schlimmste zu glauben, dass es die bedingungslose Liebe dieses Mannes zu seinem Kind brauchte, um mir einen gewissen Glauben an die Menschheit zu bewahren.

Ich ging durch, was er für die Anklageerhebung mitbringen musste, falls der Richter Beweise brauchte, und warnte ihn, dass seine Tochter ziemlich schlimm aussehen und wie ein Sträfling gekleidet sein würde. Es kann erschütternd sein, jemanden, den man liebt, so zu sehen, aber der Mann versicherte mir, dass er schon klarkommen und da sein würde, um sich um sein kleines Mädchen zu kümmern.

Ich dankte ihm für seine Zeit und wollte gerade auflegen, als er mich mit einer leisen Frage aufhielt. »Darf ich fragen, warum Sie sich die Zeit genommen haben, nach einem, wie ich annehme, langen Arbeitstag, persönlich anzurufen, Mr Jackson? Verstehen Sie mich nicht falsch, ich schätze die persönliche Note und das offensichtliche Engagement für das Wohlergehen meiner Tochter. Ich kann nicht behaupten, dass ich viel Erfahrung mit Anwälten habe, aber irgendetwas sagt mir, dass dies nicht das Standardprozedere ist.«

Das war es nicht, aber das Mädchen hatte etwas an sich, also sagte ich ihm die Wahrheit, denn ich hatte den Verdacht, dass dieser Mann eine Lüge oder ein Ausweichmanöver schon aus einer Meile Entfernung riechen würde. »Das ist es nicht, und ich bin normalerweise nicht der Typ, der einen Fall mit nach Hause nimmt. Ich versuche, das Gesetz im Büro und im Gerichtssaal zu lassen, aber Ihre Tochter hat etwas an sich.« Ich hielt inne und schüttelte den Kopf. »Sie ist nicht vollkommen unschuldig, aber sie verdient es auch nicht, mit der Art von Gewaltverbrechern in einen Topf geworfen zu werden, mit denen ich täglich zu tun habe. Sie ist noch jung genug, um eine Chance auf ein besseres Leben zu haben. Ich möchte ihr dabei helfen.«

»Avett war schon immer etwas Besonderes und vielleicht ein wenig verloren. Ihre Mutter und ich haben versucht, ihr den richtigen Weg zu zeigen, aber das Mädchen ist stur und entschlossen, den Weg zu finden, der für sie bestimmt ist, und zwar auf ihre eigene Weise. Das ist ein weiteres Hindernis, wenn auch ein großes, das sie bewältigen muss. Ich weiß Ihre Hilfe zu schätzen, mein Junge. Gleich nach unserem Gespräch werde ich mit Asa sprechen. Er meint es gut, aber das ist eine Familienangelegenheit, also kümmere ich mich von jetzt an um Ihre Bezahlung.«

Ich rieb mir mit einer Hand über das Gesicht und setzte mich auf. »Ich überlasse es Ihnen, das mit ihm zu klären. Solange ich mein Geld bekomme, ist es mir egal, wer die Rechnung bezahlt.«

Ein weiteres tiefes, grollendes Lachen ertönte. »Waren Sie beim Militär, mein Junge?«