Miranda - Kira Moser - E-Book

Miranda E-Book

Kira Moser

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Beschreibung

Schnell schnappte er sich eine kleine Tasche aus dem Flur und schloss hinter ihnen ab. Erst dann drehte er sich zu mir um. Ich war in meinem Leben schon vielen Magiern begegnet und selbst mit meinen bescheidenen Fähigkeiten merkte ich, dass dieser hier etwas Besonderes war. Miranda, das Wechselbalg, hat in ihrem Leben schon viele schwere Zeiten durchgemacht, aber als sie Daniel und Helen Callahan zu einer Trauerfeier fahren soll, beginnt für sie eine Abfolge wahrer Albträume: Sie wird bezichtigt, das Kind der schwangeren Helen entführen zu wollen und wird dafür sogar vor Gericht gestellt. Ein unfairer Prozess beginnt und eine abwechslungsreiche Geschichte nimmt ihren Lauf: Zu ihren Gegnern zählen nicht nur ein hochintelligenter Krake, eine uralte Gottheit und ein riesiges hundertarmiges Ungeheuer, sondern auch die Vollstrecker versuchen plötzlich sie zu töten ... und anscheinend tauchen sie immer genau dort auf, wo sich Miranda gerade befindet.

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Seitenzahl: 382

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Kira Moser

Miranda

Government of Dimensions

Titel

 

 

 

 

 

 

Miranda

 

Government of Dimensions

 

 

 

 

 

Kira Moser

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Impressum

 

Copyright: Chiara-Verlag im vss-verlag Hermann Schladt

Jahr: 2021

 

 

Lektorat/ Korrektorat: Annemarie Werner

Covergestaltung: Hermann Schladt unter Verwendung von Pixabay

 

Verlagsportal: www.vss-verlag.de

Gedruckt in Deutschland

 

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie

 

Das Werk, einschließlich aller seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verfassers unzulässig

 

 

 

 

 

Für Mama,

die mehr für mich getan hat, als ich es je aufzählen könnte und die die stärkste Frau ist, die ich kenne. Bleib wie Du bist. Du bist toll.

 

 

r

 

 

 

Kapitel 1:

In dem Daniel Callahan jemanden aus dem Fenster stößt

 

Es begann alles mit einem ganz normalen Auftrag. Frank, mein Chef, hatte mir morgens die Schlüssel zu unserer besten schwarzen Limousine gegeben und mir eine Adresse in Kensington genannt, bei der ich ein paar junger Trauergäste abholen sollte. Meine Laune besserte sich schlagartig, denn ich konnte nichts weniger ausstehen als Kunden, die darauf bestanden, mit ihrer Fahrerin per Du zu werden. Trauernde waren in dieser Hinsicht eher zurückhaltend.

Zehn Minuten später fuhr ich summend bei einem stattlichen Altbau vor und stieg ehrfürchtig aus dem Wagen. Ich liebe alte Gebäude und dieses war ein besonders schönes. Gut gelaunt ging ich durch die Blumenbeete zur Eingangstür und drückte auf den alten Eisenknopf der Klingel. Ein melodischer Laut schallte durch den Flur und ich hörte wie jemand die Treppe hinunter polterte. Sofort strich ich meinen Anzug glatt und setzte eine professionelle Miene auf. Keiner will mit einer Fahrerin zu einer Trauerfeier fahren, die strahlt wie ein Honigkuchenpferd. Kurz vorm Eingang hielt die Person schlitternd an, richtete sich in dem kleinen Fenster der Tür die Haare und öffnete sie dann schwungvoll. Eine junge Frau mit dunklen Haaren, funkelnden Augen und einem deutlichen Babybauch stand im Eingang und strahlte mir ins Gesicht:

“Willkommen Miranda. Frank hat dich schon angemeldet.” Verdutzt ergriff ich ihre Hand und schüttelte sie. Das war mal wieder typisch. Frank, der grummeligste und unsozialste Mensch, den ich kannte, versuchte mich aus meiner “Komfortzone” raus in die Welt der “fröhlichen” Menschen zu zerren.

Die junge Frau drehte sich um und rief etwas in den Flur, woraufhin ein ebenso junger Mann die Treppe herunterkam. Im Gegensatz zu der Frau war er groß und hatte eine absolut tadellose Haltung. Seine Züge konnte man am besten als aristokratisch beschreiben und sein Anzug war offensichtlich maßgeschneidert. Ich hätte ihn wohl als etwas langweilig bezeichnet, wäre er nicht sofort zu seiner Frau gegangen und hätte ihr rau lachend einen Kuss in die Halsbeuge geschmatzt. Sie fing augenblicklich an zu kichern und versuchte, sich aus seinem Arm zu winden, während er sie einfach noch fester an sich zog.

“Nicht doch Daniel, du ruiniert noch meine Frisur”, lachte sie und schaffte es sich aus seiner Umarmung zu befreien. “außerdem haben wir Besuch. Miss Gallman hier ist extra zu uns gekommen, um uns zu George zu fahren. Du weißt doch, dass wir auf der Trauerfeier nicht zu spät sein dürfen.”

Daniel nickte. “Du hast recht.” Er gab ihr noch einen kurzen Kuss. “Einen Termin bei dem du es für nötig hältst, pünktlich zu sein, sollten wir nicht verpassen.” Schnell schnappte er sich eine kleine Tasche aus dem Flur und schloss hinter ihnen ab.

Erst dann drehte er sich zu mir um.

 

Ich war in meinem Leben schon vielen Magiern begegnet und sogar mit meinen bescheidenen Fähigkeiten merkte ich, dass dieser hier etwas Besonderes war. Der Blick, mit dem er mich bedachte, pulsierte nur so vor alter, distinguierter Macht und sein Gesicht machte deutlich, dass er es definitiv nicht witzig fand, einen Wechselbalg vor seinem Haus anzutreffen. Ich konnte es ihm nicht einmal verübeln. Wenn ich bemerken würde, dass ein Wesen, das dafür bekannt war, Säuglinge zu klauen und innerhalb von Sekunden den Körper zu wechseln, vor meiner Tür stand, wäre ich auch nicht sonderlich begeistert. Er reagierte auf die Erkenntnis dann aber doch etwas grob, packte mich am Kragen und schleifte mich, ohne die Tür zu benutzen, in sein Haus.

Ich war noch so perplex davon, körperlos durch eine massive Eichentür gezerrt worden zu sein, dass ich mich nicht wehrte, als er mich in einen Sessel stieß und einer Gardinenkordel befahl, mich dort festzuhalten. Ich hätte ihm gerne erklärt, dass ich nicht gekommen war, um ihm oder seiner Frau etwas anzutun, aber die verfluchte Kordel saß so fest, dass ich keinen Ton herausbekam. Daniel tigerte währenddessen nervös auf und ab und murmelte mystische Wörter, um mich daran zu hindern, in seinen Körper einzudringen. Meine Handflächen wurden nass und auch wenn ich absolut keinen Drang verspürte, den Rest meines Lebens als schlacksiger Mittezwanziger rumzulaufen, merkte ich, wie sich gefährlich viel Bauchkribbeln aufbaute und ich den Sog einer Wandlung verspürte. Wenn ich nervös bin, kann ich einen Wechsel nicht immer verhindern und im Moment fühlte es sich so an, als würde ich versuchen, einen Dammbruch mit einem Löffel aufzuhalten. Verbissen klammerte ich mich an die Lehnen des Sessels und versuchte meinen Geist in meinem Körper zu behalten.

 

In diese traute Zweisamkeit von zwei Wesen, die ihr Bestes gaben um einen Wechsel zu verhindern, platzte eine aufgeregte Helen. Sie hatte es geschafft, ihre Frisur innerhalb von dreißig Sekunden zu zerstören und aus ihrem Blick sprach blanke Panik.

“Daniel!”, kreischte sie und packte ihn am Arm. “Was machst du denn mit dem armen Mädchen? Hör sofort auf damit!” Daniel schüttelte sie ab und eilte weiter hin und her, während die Kordeln sich immer enger um meinen Brustkorb legten. Langsam hatte ich das Gefühl, dass er ernsthaft versuchte, mich zu erdrosseln. Keuchend wollte ich ihm erklären, dass mein Geist überhaupt nur deshalb versuchte, zu wechseln, weil er mir mit seinem Verhalten Angst einjagte, aber wie immer in solchen Situationen, machte der Magier sich nicht die Mühe, mir zuzuhören und sprach stattdessen weiter seine Litanei.

Helen dagegen, die bemerkte, dass ich Schwierigkeiten hatte zu atmen, stürzte an meine Seite und versuchte mir die Kordeln vom Leib zu reißen. Leider hatte sie dabei genauso wenig Erfolg wie eine Maus, die versuchte ein Auto zu bewegen. Der Sog wurde stärker und mittlerweile glühte mein Körper, während meine Gliedmaßen unkontrolliert zitterten. Der Wechsel stand jetzt kurz bevor und es gab nichts mehr, was ich dagegen tun konnte. Fluchend schloss ich die Augen und wartete auf die Schmerzen. Es ging schneller und reibungsloser als ich erwartet hatte und keine Sekunde später blickte ich in die angstgeweiteten Augen Helens, die mich aus meinem Körper heraus anstarrten. Anscheinend war ich in Helens statt in Daniels Körper gewechselt und der Vorteil, dass ich nun nicht mehr gefesselt war, wurde von der Tatsache aufgewogen, dass Daniel drauf und dran war seine Frau zu ersticken. Panisch watschelte ich mit dem Babybauch auf ihn zu und versuchte ihn in seinem Lauf zu stoppen. Genervt wehrte er mich ab und dachte offensichtlich, ich sei immer noch Helen. Da Magier lieber mit Sprüchen um sich werfen als zuzuhören und mir die Zeit davonlief, griff ich zu radikaleren Mitteln. Ich schnappte mir einen Regenschirm aus dem Schirmständer neben der Tür und briet ihm eins über.

Im ersten Moment starrte er mich nur verwirrt an „Helen warum…?“, doch dann begriff er was passiert war und fegte mich mit einem Spruch durch den Flur gegen die Eingangstür. Schreiend krachte ich in das Holz und war froh, dass ich daran gedacht hatte das Baby zu schützen. Helen, die beim Anblick meines Sturzes einen spitzen Schrei ausgestoßen hatte, war nun von ihren Fesseln befreit und stolperte auf mich zu. Daniel, der noch immer von einem irrationalem Beschützerinstinkt geleitet wurde, stieß sie zur Seite und hieb mit dem fallengelassenen Regenschirm nach meinem Kopf. Kreischend rollte ich mich zur Seite und kam auf die Füße, um ihm die Situation zu erklären. Doch Daniel schien zu keinem klaren Gedanken mehr fähig und hieb mit dem Schirm erneut nach meinem Kopf. Helen warf sich auf seinen Arm und lenkte den Schlag soweit ab, dass ich an ihm vorbei zur Treppe sprinten konnte.

„Daniel, hör auf nach unserem Baby zu schlagen!“, brüllte Helen, als er sie abschüttelte und mir nachsetzte.

Er drehte sich nicht einmal um, als er sich einen zweiten Schirm schnappte und schrie ich solle ihm seine Frau zurückgeben. Ich wich einem visuellen Fluch aus.

„Wenn du mir Zeit lassen würdest, könnte ich das vielleicht sogar! Aber mit einem irren Ehemann auf den Fersen fällt es mir leider schwer mich zu konzentrieren.“

Er hieb mit einem seiner Schirme nach meiner Brust und bohrte die eiserne Spitze dabei so tief in die Wand des Flurs, dass er stecken blieb. „Ich glaub dir kein Wort, verlogener Dämon. Du versuchst nur, meine Sinne zu täuschen.“

Ich hechtete in eine wunderschön eingerichtete Bibliothek mit hoher Decke und breiten Sesseln und versteckte mich hinter einem der Lesetische. Meine Spezies war das, was man gemeinhin als böse bezeichnete, weswegen ich es Daniel nicht mal verdenken konnte, dass er mit spitzen Dingen auf mich einstach, aber Himmel! Ich steckte im Körper seiner schwangeren Frau! Da sollte man doch meinen, dass ich zumindest eine kleine Verhandlungsbasis hatte. Aber statt mir zuzuhören, gefährdete Daniel lieber das Leben seines ungeborenen Kindes, indem er einen Feuerball durchs Zimmer jagte und die Möbel zu Asche verbrannte. Fluchend sprang ich aus der Schusslinie und sah Helen, die mit offenem Mund ihren Mann und das Inferno anstarrte. Ohne darauf zu achten, dass der Boden von glühender Kohlen übersät war, rannte Daniel auf mich zu und stieß mich aus dem Fenster.

 

Ich spürte wie das Glas in meinem Rücken barst, dann zog der Wind an meinen Haaren und die Welt drehte sich auf den Kopf. Gerade als ich dachte, ich würde auf den Boden treffen, sprang mein Geist zurück in meinen Körper und ich sah wie Helen auf dem Pflaster zerplatze. Ohne einen Gedanken an das Geschehene zu verschwenden, konzentrierte ich mich, bündelte meine Energien und ließ die Aktionen rückwärts laufen. Wie im Kino setzte sich Helens Körper wieder zusammen, flog nach oben ins Zimmer und landete hinter dem sich wieder zusammensetzenden Fenster auf dem Boden. Im Schnelldurchlauf rannte Daniel rückwärts, das Inferno raste zurück in seine Hand und Helen kauerte wieder hinter dem Lesetisch.

Im Gegensatz zu Hexen und Wicca schaffte ich es nicht, die Zeit tatsächlich rückwärts laufen zu lassen, weswegen sich auch alle Beteiligten noch an das Geschehene erinnern konnten und ich immer noch in meinem echten Körper steckte, als Daniel erneut zum Feuerball ausholte. Ich verlor keine Zeit und warf mich auf ihn, wodurch das Feuer harmlos an der Decke zerplatzte. Die arme Helen, der das Ganze allmählich zu viel wurde, brach in Tränen aus und brach fast zusammen, als Daniel mit Todesmiene auf sie zu stapfte. Ich klammerte mich an seinen Arm und versuchte ihn durch mein Gewicht zu stoppen. „Daniel bleib stehen!

„Ich bin es, die du suchst. Helen ist wieder ganz die Alte. Wenn du stehen bleibst und mir zuhörst, können wir alles wieder in Ordnung bringen.“ Als er mich nicht beachtete, fing ich doch tatsächlich an zu betteln. „Bitte, Daniel. Hör auf, dich wie ein sturer Esel zu benehmen. Du siehst doch, dass deine Frau vor Angst fast umkommt.“

Unwirsch versuchte er sich zu befreien und giftete mich wütend an. „Sei nicht dumm Helen, dieses Monster versucht dich zu manipulieren. Unser Kind ist bereits verloren. Sie hat es sich bestimmt schon vor Minuten einverleibt.“ So ein Mist. Er dachte, ich sei immer noch Helen, die versuchte, ihn mit einer Finte zu stoppen. Verzweifelt stemmte ich die Hacken in den Boden, doch Daniel war einen halben Meter größer als ich und schleppte mich mühelos in Helens Richtung. Die arme Frau zitterte jetzt am ganzen Leib und umschlang weinend ihren Bauch, während sie wimmernd nach hinten wich. Daniel, der immer noch davon überzeugt war, einen bösartigen Dämon vor sich zu haben, hob den verbliebenen Schirm und hätte Helen ohne viel Federlesen aufgespießt, wenn ich mich nicht vor sie gestellt hätte, um den Schlag abzufangen.

In Wirklichkeit war es weit weniger heroisch als es sich anhört, aber die Wunde blutete stark und Daniel, der dachte, er habe seine Frau verletzt, stürzte neben mir zu Boden, ohne darauf zu achten dass Helen ins Wohnzimmer flüchtete. „Oh mein Gott. Oh mein Gott. Helen geht es dir gut?“ Ich stöhnte.

„Ja mir gehts gut“, presste ich hervor und fing seinen Blick ein. „Du musst mir jetzt unbedingt zuhören. Als ich aus dem Fenster gefallen bin, haben Helen und ich wieder die Körper getauscht und ihr Geist ist jetzt wieder in ihren ursprünglichen Körper zurückgekehrt. Sie ist verwirrt und hat Angst. Du solltest zu ihr gehen und dich um sie kümmern.“

Sein Gesichtsausdruck wurde hart und alle Zärtlichkeit wich aus seinen Augen. „Hör auf mit der Farce, Helen. Ich weiß dass du mir was vormachst. Aber in einem Punkt hast du Recht …“ Er stand auf. „… ich sollte mich tatsächlich um meine Frau kümmern, während sie noch verwirrt ist.“

Fassungslos starrte ich ihn an und hilflose Wut überkam mich. „Hörst du mir überhaupt zu?!? Ich. Bin. Das. Monster. Helen ist wieder vollkommen normal.“ Daniel schnaubte und drehte sich auf dem Absatz um. „Erzähl dass jemand anderem.“ Mit einem Wink seiner Hand befahl er mehrere Brieföffner und drei Messer an seine Seite.

Solchermaßen bewaffnet machte er sich auf den Weg, seine Frau zu ermorden.

 

Helen, die glücklicherweise verstört genug war, um sich an einem sicheren Ort zu verkriechen, hatte sich nach nebenan geflüchtet und versteckte sich in ihrem winzigen Nähzimmer, während sie mit bebenden Fingern den Notruf wählte. Daniel durchsuchte währenddessen das Wohnzimmer, das angrenzende Schlafzimmer und ging schließlich nach unten, um mit Honigstimme nach dem „Dämon“ zu rufen.

Ich wartete, bis ich sicher war, dass er unten beschäftigt war, dann schlich ich durchs Wohnzimmer und schlüpfte zu Helen in die Kammer. Die verängstigte Frau zuckte stark zusammen, als die Tür sich öffnete, aber als sie mich erkannte, wurde sie etwas ruhiger und drückte sich nicht mehr ganz so stark in die gegenüberliegende Ecke. Schniefend zog sie die Nase hoch.

„Tut mir leid, die Hormone spielen manchmal verrückt und dann werde ich ein bisschen emotional.“

Ich lächelte ihr beruhigend zu. „Wenn ich zweimal den Körper wechseln und mein Mann versuchen würde, mich umzubringen, würde ich auch „ein bisschen emotional“ werden.“

Helen lachte leise. „Stimmt, ich hab wohl gute Gründe ein paar Tränen zu vergießen.“ Sie wischte sich über die Wangen und ihre alte Stärke kehrte zurück. „Wir sollten uns überlegen, was wir mit meinem Mann machen. Er scheint mir grade etwas mordlüstern.“

Ich grinste. „Stimmt, aber ich habe da vielleicht einen Plan …“ In diesem Moment wurde die Tür aufgerissen und ein wütender Daniel stand im Eingang.

„Helen, geh sofort weg von dem Dämon“, brüllte er und zerrte mich unsanft aus dem Raum. „Du musst besser aufpassen, sonst erwischt sie dich noch“ zeterte er und mit Entsetzen sah ich ein großes Hackebeil in seiner Hand.

Helen nutzte die Gelegenheit und sah sich nach einem Fluchtweg um, doch Daniel blockierte die einzige Tür und Fenster gab es nicht. Panisch flog ihr Blick durch den Raum. Daniel grinste.

„Tja jetzt sitzt du wohl in der Klemme, Scheusal.“ Er machte einen Schritt in Helens Richtung. „Ich mach es auch ganz kurz und schmerzlos.“

Beherzt packte ich ihn an der Schulter und rammte ihm das Knie in die Weichteile. Ungläubig erstarrte er, dann griff er sich in den Schritt und krümmte sich stöhnend zusammen. Ich war oft genug im Körper eines Mannes gewesen, um zu wissen, welche Schmerzen er gerade hatte, aber im Moment hatte ich keine Zeit, um Mitleid mit ihm zu haben. Schnell nahm ich Helen bei der Hand und zog sie an ihm vorbei aus dem Raum. Unschlüssig blickte sie zurück. „Hoffentlich hast du nicht zu fest zugetreten. Was ist, wenn er jetzt keine Kinder mehr bekommen kann?“ Grimmig schleppte ich sie hinter mir her. „Kümmere dich erstmal um euer erstes Kind“, riet ich ihr. „Wenn er sich wieder beruhigt hat, könnt ihr ja untersuchen lassen, ob er in der Lage ist nochmal Vater zu werden.“ Helen schluckte. “Ja, vermutlich hast du recht.”

Wir hatten das helle Wohnzimmer erst zur Hälfte durchquert, als drei von Daniels Brieföffnern in der Wand neben uns einschlugen. Reflexartig packte ich Helen im Nacken und zwang sie dazu, gebückt zum Ausgang zu laufen. Gerade als wir schlitternd um die Ecke bogen, barst hinter uns der Türrahmen in tausend Stücke und Helen stieß einen kurzen Angstlaut aus. Sofort legte ich ihr die Hand über den Mund und begann gleichzeitig einen einfachen Stillezauber zu weben. Nachdem ich das Netz einigermaßen undurchlässig gemacht hatte, platzierte ich Helen neben mir auf dem Sofa und sprach drei kurze Worte.

Die Welt wurde grau.

Verdutzt starrte Helen in die Bibliothek und als Daniel schließlich um die Ecke kam, schien er uns weder hören, noch sehen zu können. Fasziniert streckte Helen die Hand aus, aber ich zog sie zurück bevor sie die Blase durchbrechen konnte.

„Es wäre nicht unmöglich rauszugreifen, aber alles was aus der Barriere schaut wird vom Zauber nicht mehr geschützt”, erklärte ich ihr. Helen nickte und flüsterte: “Ok. Ich versuche es nicht wieder.”

Ich ließ ihre Hand los und lächelte sie mitfühlend an. “Du kannst dich entspannen. Was wir hier drinnen besprechen wird so stark verzerrt, dass es von draußen nicht mehr wahrnehmbar ist. Und sehen kann er uns auch nicht. Solange wir also in der Blase bleiben, sind wir sicher.”

Helen schluckte. „Ich weiß, er ist mein Ehemann aber im Moment … im Moment …“ Verloren sah sie mich an. „Wir wollten in zwei Tagen unseren Hochzeitstag feiern … Ich … Oh Gott, was mache ich nur?“ Verzweifelt schlug sie die Hände vors Gesicht. „Ich habe einen Mann geheiratet, den ich gar nicht kenne. Von dem ich nicht mal weiß, was er ist.“

Dicke Tränen quollen unter ihren Händen hervor und verzweifelt versuchte ich mich daran zu erinnern, was man in solchen Situationen machen sollte. Helen nahm mir die Entscheidung ab, indem sie sich weinend an meine Brust warf.

Etwas überfordert hob ich die Hand und tätschelte ihr den Rücken, während sie sich, Rotz und Wasser heulend, in meinem Jacket vergrub.

„Wenn es dir hilft, kann ich dir ja ein wenig von Magiern erzählen. Vielleicht verstehst du dann, was dein Mann für ein Wesen ist.“

Ihr Körper bebte noch ein paar Sekunden, dann löste sie sich aus der Umarmung und sah mich mit feuchten Augen an. „Das würdest du tun?“

Ich nickte und sie zog schniefend die Nase hoch. „Aber bekommst du dann nicht Ärger?“, fragte sie ehrlich besorgt. „Wegen Zauberräten und Magiegesetzen und so?“

Ich dachte an die grimmigen Todesmagier, die Helen sich gerade zweifellos vorstellte und lächelte.

„Ich sitze eh schon viel zu tief in der Tinte, als dass das jetzt noch eine Rolle spielen würde.“

Helens Augen wurden groß. „Es gibt also tatsächlichen einen Rat der Magier?“

Ich nickte.

„Mit echten, alten Magiern?“

Ich nickte erneut. „Ja, aber sie sind nicht ganz so wie du sie aus dem Kino kennst. Die Mitglieder sind irgendwie … durchgedrehter.“

Verblüfft blinzelte Helen. „Sie sind nicht wie Gandalf oder Dumbledore?“

Ich seufzte. „Nein. Aber ich sollte von vorne beginnen, dann klärt sich das Ganze vielleicht.“

Helen sah mich erwartungsvoll an. „Dann schiess los, ich bin auf alles vorbereitet.“

„Na gut. Also, wie du bemerkt hast, gibt es in unserer Welt mehr als nur Menschen. Das meiste ist relativ harmlos und unterscheidet sich nur in der Gestalt. Wie zum Beispiel Trolle oder Zwerge.“

Helens Arm schoss in die Höhe und ich musste sie bremsen bevor sie ihn bis zum Ellenbogen aus der Blase streckte.

„Ja, Helen?“, fragte ich und kam mir vor wie einer meiner ehemaligen Hauslehrer.

„Dann sind die Geschichten also alle wahr?“, brabbelte Helen sofort drauf los. „Die von David und Goliath und Zwergen in Höhlen und Trollen unter Brücken?“

Ich zuckte mit den Achseln. „Die meisten wahrscheinlich schon, obwohl Geschichten über Riesen selbst bei uns zu den Legenden zählen. Historiker gehen davon aus, dass die Riesen schon vor etwa zweitausend Jahren ausgestorben sind.“

„Ihr habt eigene Historiker.“, hauchte Helen. „Das ist ja cool.“

Ich lächelte gequält. „Jedenfalls gibt es dann auch noch die Wesen, die sich durch ihre Fähigkeiten von den Menschen unterscheiden. Dazu gehören märchenartige, wie beispielsweise Nixen oder Feen, aber auch menschenähnliche wie Magier oder Wicca.“

Helen stockte. „Warte mal. Du meinst Daniel ist gar kein Mensch?“

Ich gab mir innerlich eine Ohrfeige. „Naja, nicht wirklich, aber er ist auch kein richtiges magisches Wesen. Kein Magier ist das.“

Helen legte eine Hand auf ihren Bauch und ich sah die Angst in ihren Augen. „Aber wenn Daniel kein Mensch ist, was ist dann unser Baby?“

Ich zuckte mit den Schultern. „Es gibt nicht besonders viele Ehen zwischen magischen und nichtmagischen Personen, aber ich würde sagen, es kommt darauf an, wie stark Daniel ist. Sein Können und das Haus lassen darauf schließen, dass er aus einer alten Magierfamilie kommt und dementsprechend mächtig ist. Wenn das der Fall ist, ist euer Kind höchstwahrscheinlich magisch. Sollte ich mich irren, ist es entweder ein Mensch mit schwach ausgeprägten magischen Talenten oder ein vollkommen normales menschliches Baby.“

Helen atmete erleichtert auf. „Es steht also zwei zu eins, dass es ein Mensch wird.“

Ich schüttelte den Kopf. „Eher eins zu einer Millionen.“ Helen strahlte.

„Es wird also normal werden?“

Ich sah sie traurig an. „Nein Helen. Nach dem, was ich gesehen habe, ist es fast sicher, dass es ein Magier wird.“

Alle Energie wich aus Helens Körper. „Aber… Aber was mach ich dann nur? Ich kann Daniel schließlich nicht verlassen, wenn ich dann allein mit einem magischen Baby dastehe.“

Ich strich ihr mit der Hand über die Schulter. „Ich glaube nicht, dass Daniel böse ist. Im Moment hat er Angst und ist verwirrt. Für ein Wesen, dessen Art sich seit Ewigkeiten versteckt, würde ich sogar sagen, dass er bemerkenswert ruhig geblieben ist.“

„Ruhig?“, Helen kicherte leicht durchgedreht. „Sieh dir mal unser Wohnzimmer an! Es besteht ja fast nur noch aus Trümmern.“

Ich nickte. „Stimmt, aber wenn ich Daniel richtig eingeschätzt habe, hätte er in einem Panikanfall ohne weiteres London zerstören oder ganz England in einen Tiefschlaf fallen lassen können.“

Helen starrte mich an. „Was? Du meinst das Daniel…“ Sie lachte. „Nein. Niemals.“

„Was glaubst du denn wie Tsunamis und Hurricanes entstehen? Durch Unterwasserbeben und Luftgefälle?“

Helen sah mich trotzig an. „Ja, das glaube ich tatsächlich.“

„Tja, dass ist leider falsch. Jedes dieser Phänomene ist das Werk eines starken Magiers. Kaum eine menschliche Population würde es überleben, wenn einer der Alten Angst bekommt.“

Helen schnaubte abfällig. „Ach ja? Selbst wenn es stimmt und Daniel so mächtig ist wie du sagst, warum sollte er bei deinem Anblick dann überhaupt in Panik geraten? Er könnte dich dann doch einfach implodieren lassen.“

Ich zuckte mit den Schultern. „Ich bin ein Wechselbalg und als magisches Wesen gegen die meisten Angriffe immun, aber ausschlaggebend war wohl meine Aura. Die ist in unserer Welt eine Art Fingerabdruck und zeigt in meinem Fall, dass ich in einer ziemlich mächtigen Magierfamilie aufgewachsen bin. Wechselbälger werden im Säuglingsalter mit einem menschlichen oder in meinem Fall einem magischen Baby vertauscht und dementsprechend schlecht ist meine Ziehfamilie auf mich zu sprechen. Sie wären sehr beleidigt, wenn mich jemand umbringen würde, bevor sie die Gelegenheit hatten es selbst zu tun.“

„Dann solltest du vielleicht…“ Helen kam nicht mehr dazu, den Satz zu beenden, denn Daniel hatte sich genau diesen Moment ausgesucht, um eine Art Kampfschrei auszustoßen und riesige Dampfschwaden in den Raum zu pusten. Ich bemerkte entsetzt, dass wir klar erkennbar als einzige rauchfreie Stelle mitten im Raum saßen und versuchte, meinen Zauber abzuändern. Leider war ich nicht schnell genug und bevor ich den Spruch beenden konnte, hatte Daniel schon erkannt, wo wir saßen und rannte auf uns zu. Der Glanz in seinen Augen verhieß nichts Gutes, also tat ich das einzig Sinnvolle: Ich brachte meinen Finger zum Glühen und hielt ihn Helen an die Kehle.

Dieses Manöver hätte wohl das Ende jeder Freundschaft bedeutet, aber Helens Reaktion überraschte sogar mich. Sie fing weder an zu weinen noch fiel sie in Ohnmacht, stattdessen biss sie mir wütend ins Handgelenk. Ich fing an zu schreien und versuchte sie von mir wegzustoßen, aber Helen hatte anscheinend beschlossen mich nie wieder loszulassen und verbiss sich nur noch heftiger in meinem Arm.

Daniel war jetzt vollends verwirrt und versuchte zu erkennen, ob seine Frau eine Magiern war oder ob sie gerade versuchte, jemandem den Arm abzubeißen. Ihm schienen wohl beide Möglichkeiten nicht besonders zu gefallen und so stand er nur unschlüssig im Raum und starrte uns fassungslos an.

Da ich gerade große Schmerzen hatte und Daniel uns direkt fixierte, war der Tarnschleier so gut wie wirkungslos geworden und ich löste ihn ganz auf. Die ungetrübte Sicht auf seine Frau, ob real oder von einem Wechselbalg besessen war dabei wohl egal, schien zu viel für ihn zu sein und er fiel augenrollend in Ohnmacht.

Solchermaßen davon befreit, meinen Finger als Druckmittel gegen Helen benutzen zu müssen, ließ ich das Feuer erlöschen und nutzte meine Magie lieber dazu, Helen von mir wegzustoßen. Sie flog zwei Meter durch den Raum und landete ausgerechnet auf Daniel.

Dieser wurde von ihrem Schwung mitgerissen und gemeinsam krachten sie in eins der Bücherregale. Der Koloss aus Holz, Staub und Büchern knarrte und begann sich ächzend in Richtung Erde zu neigen. Ich war noch nie gut darin gewesen, tonnenschwere Regale aufzufangen, deswegen entschied ich mich für die leichtere Variante und verursachte eine kleine Explosion, die die beiden in meine Richtung schleuderte. Dabei ging mir leider die Puste aus und ich hatte keine Kraft mehr Daniel zu fesseln als er wach wurde. Da ich keine Lust hatte, von ihm gebrutzelt zu werden, schnappte ich mir Helen und positionierte sie wieder neben mir auf dem Sofa.

Sie starrte mich hasserfüllt an.

Ich starrte trotzig zurück.

„Jetzt hab dich nicht so. Geiselnahmen stärken den Charakter und machen sich außerdem gut als Dinnergeschichten.“

Helen spuckte auf den Boden. Mit so einer undamenhaften Reaktion hatte ich nicht gerechnet. „Ich bin im East End aufgewachsen. Dinnergeschichten habe ich genug. Lass mich jetzt los oder ich sag Daniel, er kann uns gerne beiden den Kopf wegschießen.“

Ich hob eine Augenbraue. „Ach, auf einmal seit ihr wieder ein Herz und eine Seele. Was ist aus dem mordlüsternen, unmenschlichen Ehemann geworden?“

Helen warf Daniel einen kurzen Blick zu und wandte sich dann wieder an mich. „Weißt du… langsam glaub ich, dass er mit dem Monster vielleicht gar nicht so unrecht hat. Du verhältst dich gerade wie eine durchgeknallte Psychopathin und im Moment würde ich dir sogar zutrauen mich kaltzumachen.“

Ich seufzte genervt. „Um dass ein für alle mal klarzustellen: Ich bin nicht gekommen, um hier irgendwen ´kaltzumachen`. Ich wollte nur meinen Job machen und euch zu dieser dummen Trauerfeier fahren.“

Daniel lachte ungläubig auf. „Und warum hältst du meiner Frau dann einen Finger an den Hals?“

Genervt warf ich meine freie Hand in die Luft. „Damit du mir nicht das Hirn wegpustest! Und sag jetzt nicht, du hättest dafür gute Gründe, denn in den zehn Minuten die wir uns kennen, hast du mir nicht ein Mal zugehört, mich aber mindestens fünfmal fast umgebracht.“

„Du bist ja auch ein verdammtes Wechselbalg“, brüllte Daniel.

„Na und?“, brüllte ich zurück. „Du tötest ja auch keinen Afroamerikaner, weil er anders aussieht als du.“

Das Zimmer verdunkelte sich und Daniel wirkte auf einmal größer als zuvor.

„Das ist etwas vollkommen anderes. Wie kannst du es wagen, die Gesetze des Rates mit rassistisch motivierten Verbrechen zu vergleichen?“

Ich schnaubte. „Und was machst du, bitteschön, anderes als mich aufgrund meiner Abstammung zu töten?“

„Du gehörst einer nicht menschlichen, durch und durch heimtückischen Spezies an und wurdest von einer Familie aufgezogen, die in unseren Kreisen als Inkarnation des Bösen gilt. Was soll ich denn da bitte denken? Dass du zum Tee vorbeigekommen bist?“

Ich sah ihm fest in die Augen. „Ja, verdammt nochmal! Ich bin es leid, von Leuten gejagt zu werden, die ich nicht kenne, die sich aber freuen, wenn sie mich umbringen können. Ich bin es leid, dass Kinder schreiend weglaufen, wenn sie mich sehen oder dass Hexen die Straßenseite wechseln. Ich bin es einfach leid, dass jeder denkt, ich wäre ein Monster!“ Für einen kurzen Moment war es still.

Dann seufzte Daniel. „Tut mir leid, dass es dir noch keiner gesagt hat, aber du bist ein Monster.“

Es gab einen Blitz, einen Knall und dann war es dunkel.

 

 

Kapitel 2:

Wo ich ausnahmsweise mal die Klappe halte

 

Ich weiß nicht, wie es anderen geht, aber ich finde es nicht sehr angenehm, aufzuwachen und als erstes in Aldwyn Morgens Gesicht zu sehen.

Das Oberhaupt des Ordens ist generell kein schöner Anblick, aber beim Aufwachen ist es noch dreimal schlimmer und mir entfuhr bei seinem Anblick ein kleiner Entsetzensschrei.

Als ich ihn erkannte, hörte ich natürlich sofort wieder auf, aber Aldwyn sah trotzdem ein wenig verstimmt aus.

Es dauerte ein bisschen, bis der alte Magier wieder hinter den Bannkreis getreten war und daher ärgerte ich mich umso mehr, dass ich die Chance, seinen Körper zu übernehmen nicht genutzt hatte. Es hätte wahrscheinlich nicht geklappt, aber wenn sie mich jetzt zum Tode verurteilten, hätte ich wenigstens sagen können alles versucht zu haben.

Im Gegensatz zu Daniels dilettantischer Arbeit hatten die Ratsmitglieder keine physischen und sondern psychische Fesseln benutzt, so dass ich weder fliehen noch außerhalb des Bannkreises den Körper wechseln konnte. Aldwyns Körper zu übernehmen war also wahrscheinlich meine einzige Chance gewesen, um zu fliehen.

Ein wenig schlechter gelaunt als zuvor blickte ich in die Runde und konnte durch die Wände meines Käfigs fünf weitere Ratsmitglieder und sechzehn Mitglieder des Ordens erkennen.

Diese Anzahl war selbst für eine geplante Versammlung groß und langsam bekam ich bei der Sache ein mulmiges Gefühl.

Die Tatsache, dass ich ein Wechselbalg war, würde zwar nicht ausreichen, um mich hinrichten zu lassen, aber das Misstrauen der Ratsmitglieder war mir damit schon Mal sicher und die Zeitumkehrung und die Explosion würden da vielleicht schon ausreichen, um mich einen Kopf kürzer zu machen. Hinzu kommt, dass ich noch vor meinem magischen Abschluss von Zuhause weggelaufen bin, weswegen ich eigentlich keine Berechtigung habe Magie zu benutzen.

In diesem Fall würde sich vielleicht das erste Mal in meinem Leben auszahlen, dass ich keine wirkliche Magierin bin. Magische Wesen sind von diesem Gesetz nämlich ausgeschlossen, weil Magie bei ihnen als natürliche Körperfunktion gilt.

Es war also eine reine Auslegungssache und die Stimmung der Ratsmitglieder war dabei nicht gerade unerheblich.

Nervös blickte ich in die Runde und wartete, bis das Getuschel sich gelegt hatte, damit Aldwyn die Sitzung eröffnen konnte.

Bis zur Eröffnung durfte sich nämlich niemand zu dem Vorfall äußern und ich hatte nicht vor, ohne Verteidigung verurteilt zu werden. Anscheinend wollte Aldwyn die ganze Sache ebenfalls schnell hinter sich bringen, denn er drehte sich nur dreimal im Kreis, stieß ein kurzes Quaken aus und erklärte die Versammlung damit für eröffnet.

Aldwys Verhalten war etwas, dass mich als Kind sehr verwirrt hatte, aber Heather, mein Kindermädchen, hatte mir erklärt, dass man nicht dreihundert Jahre alt wurde, ohne nicht auch ein wenig verrückt zu werden.

Mit der Eröffnung und ein wenig aufsehenerregendem Brimborium war der Auftritt des Rates auch schon wieder vorbei und der Orden übernahm das Ruder. Als Stimme der Moderne war der Orden für so ziemlich alles zuständig was das tägliche Geschäft der Magiergesellschaft betraf und darunter fiel leider auch die Rechtsprechung. Beim Rat wäre das Urteil wenigstens vollkommen unvorhersehbar gewesen. Beim Orden zeigte sich leider schon eine deutliche Tendenz zum Schuldspruch.

Wie es Vorschrift war, erhob sich zuerst der militärische Sprecher des Ordens und trat zur Erläuterung des Falls ans Rednerpult. Ich kannte Barclay Carmody schon von meiner ersten Verhandlung. Er war sogar noch furchteinflößender als ich ihn in Erinnerung gehabt hatte. Sein mächtiger Schnäuzer kräuselte sich missbilligend, während er von den Geschehnissen im Haus der Callahans berichtete und ich wusste auf Anhieb, dass ich mit ihm eine Gegenstimme sicher hatte. Bis auf die Unterstellung, dass ich bei meiner Ankunft in Kensington kriminelle Absichten gehabt hätte, war seine Darstellung sehr sachlich und leider vollkommen zutreffend. Glücklicherweise ging es aber nicht nur darum was ich getan hatte, sondern auch darum, warum ich so gehandelt hatte und diesen Teil übernahm der politische Vertreter Edmund Patton.

Seine Rede über das Wesen von Wechselbälger war kurz und endete mit den Worten: „… da sie durch und durch bösartig sind, gehören sie zu den schlimmsten Kreaturen unserer Zeit und stehen daher nicht umsonst auf der Liste der zu tötenden Wesen.“ Der Satz war zwar flammend vorgetragen, entsprach aber in etwa den Gesetzen von 1820. Patton hatte seine Rede noch nicht ganz beendet, als Barclay schon aufgesprungen war und lauthals seinen Rücktritt forderte.

„Wie kann es nur sein, dass ein Schwachkopf wie Sie die Vertretung für humanoide Politik leitet?“, dröhnte er und die Wände des Atriums erzitterten unter seiner Stimme. „Sie können ja nicht mal das Briefing ihres Assistenten lesen, geschweige denn die Gesetzbücher des Ordens studieren. Jemand wie Sie sollte nicht mal befugt sein das Toilettenpapier zu wechseln.“

Edmund, der in so ziemlich allem das Gegenteil von Barclay war (klein, nervös und unattraktiv), lief dunkelrot an und versuchte durch das Podest des Rednerpults größer zu wirken als er eigentlich war. Es klappte nicht sonderlich gut. „Von einem tollwütigen Irren wie Ihnen lass ich mir gar nichts sagen, Carmody. Sie haben ja nicht mal genug Selbstbeherrschung, um ihre Kräfte zu kontrollieren.“

Jetzt war es an Barclay, rot anzulaufen und seine Fäuste ballten sich zu tödlichen Waffen. „Ach halten sie den Mund, Eddie. Ich habe ihren Vorgänger mit voller Absicht verbrannt. Das hatte nichts mit seinem Schwachmaten von Sohn zu tun.“

Edmund schnaubte und in seinen Augen stand diebische Freude. „Falsch, mein Lieber. Der junge Edgecomb hatte was mit deiner kleinen Annora und da hast du die Fassung verloren und seinen alten Herrn zu Asche verbrannt.“

Barclays Gesicht verfinsterte sich „Sieeeee…“, knurrte er.

Aldwyn hob einen Finger.

Alle verstummten.

Der Rat mischte sich nur sehr selten ein, aber wenn er es tat, dann mit großem Einfluss.

„Beendet den Prozess. Wir haben besseres zu tun als euch bei euren kleinlichen Streitereien zuzusehen.“, mit diesen Worten versank er wieder in nachdenkliches Schweigen und Edmund verneigte sich in seine Richtung.

„Ihr habt den Rat gehört. Holt die Zeugen und bereitet euch auf eine Entscheidung vor. Wir sollen das Ganze schnell hinter uns bringen.“

Barclay sah zwar immer noch wütend aus, aber auch er fügte sich und setze sich ohne Wiederworte wieder hin. Drei Ordensmitglieder verließen das Atrium und kamen wenig später mit Daniel und Helen wieder zurück. Im Anbetracht der Lage wirkte Daniel erstaunlich gefasst, während Helen einen sehr schüchternen Eindruck machte und auffällig nah an Daniels Seite ging. Bis jetzt hatten sie mich noch nicht bemerkt, aber der Käfig machte es auch schwer etwas zu erkennen und ich wirkte von außen wahrscheinlich eher wie ein verschwommener Schatten, als wie eine reale Person.

Anders herum funktionierte das Sehen sehr viel besser und ich bemerkte erleichtert, dass Helen immer noch hochschwanger und augenscheinlich gesund war. Daniel hatte einen roten Kratzer auf der Wange, der, wie ich fand, noch eindeutig zu wenig Bestrafung für sein Verhalten war.

Edmund Patton machte eine schleimige Verbeugung und küsste Helen die Hand. „Mr. und Mrs. Callahan, wie schön sie in unseren Hallen begrüßen zu dürfen.“

Helen wischte sich unauffällig den Handrücken ab und deutete einen Knicks an. „Es ist mir eine Freude sie kennenzulernen Mr…“

Edmund lachte gezwungen und Barclay verdrehte die Augen. „Patton, Madam. Ich bin der politische Vertreter des Ordens.“

Helen lächelte erfreut. „Tatsächlich? Ich hätte nicht gedacht, heute jemanden von solch hohem Rang zu treffen. Ich freue mich schon darauf, mich beim Abendessen mit ihnen zu unterhalten. Ich nehme doch an, dass sie kommen werden?“

Edmund wurde nervös und lief leicht rosa an. „Leider habe ich heute Abend schon andere Pläne, aber ich werde sehen, was ich tun kann.“

Barclay kam Helen zuvor und stellte Daniel kurzerhand ans Rednerpult. „Wir müssen uns ein wenig beeilen und brauchen für die Verhandlung noch ihre Aussagen über den heutigen Vorfall.“

Daniel nickte. „Das verstehe ich und je schneller wir hier fertig sind umso besser. Meine Frau braucht Ruhe und Entspannung. Kein Gerichtsverfahren.“ Barclay nickte zustimmend und bedeutete ihm anzufangen.

Daniel räusperte sich.

„Nun, alles begann als Helen und ich uns auf den Weg machten, um die Trauerfeier eines Bekannten zu besuchen. Wir hatten uns gerade angekleidet und das Nötigste gepackt, als dieses Scheusal auftauchte und meine schwangere Frau bedrohte. Ich dachte natürlich sofort an unser Baby und daran, was man über Wechselbälger sagt…“ Daniel schauderte und ich muss zugeben, dass er bemerkenswert gut schauspielerte. „Ich zwang das Monster also in unser Haus und fesselte es, damit ich es ohne gesehen zu werden eliminieren konnte…“

In diesem Stil ging es weiter und von Minute zu Minute wurde ich grausamer und rücksichtsloser, bis ich am Ende der Geschichte, Helen an der Kehle gepackt hatte, während er heldenhaft versuchte sie zu befreien.

Zu meinem Entsetzen hingen alle Anwesenden, inklusive des Rates, an seinen Lippen und selbst Helen sah nicht so aus als wolle sie ihm widersprechen. Hilflos schwebte ich in meiner Blase und überlegte, was ich sagen könnte, um zu beweisen, dass Daniel sich irrte. Die Geschichte an sich hatte er ziemlich genau wiedergegeben, nur kam ich in seiner Beschreibung wie eine seelenlose Kriminelle rüber.

Daniel hatte inzwischen seine Geschichte beendet und das Rednerpult verlassen. Laut den Vorschriften müsste ich jetzt Zeit bekommen, um mich zu verteidigen, aber Patton versuchte die Ratsmitglieder davon zu überzeugen, dass meine Aussage nicht relevant und darüber hinaus auch noch gefährlich wäre.

Aldwyn brauchte ganze fünf Minuten, um zu antworten, aber seine Entscheidung war endgültig: „Ich denke, dass jeder eine Chance bekommen sollte sich zu verteidigen, aber in diesem Fall sehe ich ein, dass eine Aussage der Angeklagten zu riskant wäre. Ich schlage daher vor, dass sie im magischen Bannkreis gefangen bleibt, während wir Mr Callahans Erinnerungen anzapfen, um uns ein Bild der Lage zu machen.“ Er blickte zu Daniel. „Ich hoffe, dass ist für Sie in Ordnung?“ Daniel nickte. „Natürlich, Ratsoberhaupt Morgan.“ Ich atmete erleichtert auf. Meine Aussage hätten sie ignorieren, manipulieren oder als Lüge bezeichnen können, aber die Erinnerungen eines Magiers konnte niemand verändern. Nicht einmal der Rat.

Gespannt wartete ich, bis Aldwyn alle nötigen Vorbereitungen getroffen hatte und Daniels Erinnerungen in den Raum projiziert werden konnten. Kaum berührten Aldwyns Fingerspitzen Daniels Schläfe, sah man auch schon wie Daniel nach der Tasche griff und sich zu mir umdrehte. Ich erstarrte.

Das Bild, das ich bot, war alles andere als unschuldig. Meine Haare standen kraus in alle Himmelsrichtungen ab und mein Gesicht war zu einer Fratze des Entsetzens verzogen. Ich musste mich wohl genauso erschreckt haben wie Daniel, denn anders konnte ich mir den Ausdruck einfach nicht erklären.

Es folgte die Szene auf dem Stuhl und der Wechsel in Helens Körper. Dann griff ich Daniel an, um Helen zu retten, aber es sah so aus, als wolle ich ihn einfach aus dem Weg räumen. Ich flüchtete nach oben, fiel aus dem Fenster und leider bemerkte keiner, wie ich erneut die Gestalt wechselte, denn jetzt wirkte es als hätte ich zugelassen, dass Helen sich vor mich warf und den Schlag abfing. Spätestens in der Nähkammer wurde wieder klar, dass wir erneut die Körper gewechselt hatten, denn ich griff Daniel an und entführte Helen.

Zumindest wirkte es so, denn das nächste Mal, als Daniel mich sah, saß ich auf der Couch und bedrohte seine Frau. Sie schaffte es zu entkommen und ich jagte sie mit einer Explosion durch den Raum. Das abschließende Gespräch ist das Einzige, das in seinen Erinnerungen klar abgespeichert wurde und gerade in dem bekam ich einen Wutanfall und brüllte ihn an.

Ich schloss die Augen.

Was für ein Desaster.

Kein einziges der Bilder, die mich entlastet hätten waren in Daniels Erinnerungen gespeichert. Nur Helen und ich wussten, was wirklich in der Nähkammer und auf dem Sofa passiert war und anscheinend hatte Daniel sie überzeugt, sich bei der Verhandlung nicht zu äußern.

„Diese Bilder beweisen endgültig, dass Mildred Broderick schuldig ist.“

Ich öffnete die Augen und blickte in Edmund Pattons feixendes Gesicht. Die Tatsache, dass er meinen Geburtsnamen benutzte, verriet, dass es ihn nicht mehr kümmerte, ob er mich beleidigte oder nicht. Ich war nun offiziell so gut wie tot.

 

Der Rest der Verhandlung ging relativ schnell über die Bühne. Barclay verstärkte den Bannkreis, Aldwyn schlief ein, ich schrie, dass ich es nicht war, Edmund bereitete die Papiere vor, die Ratsmitglieder unterschrieben, ich schrie noch immer, der Orden bezeugte die Legalität der Verhandlung, Edmund verlas den Schuldspruch und ich wurde aus meiner Blase in eine magische Zwangsjacke befördert. Langsam brannte mir vom Schreien die Kehle und ich schnappte kurz nach Luft, bevor ich mir selbst in die Lippe biss. Der Schmerz brachte mich zur Vernunft und ich konnte wieder klar denken. Noch war es nicht endgültig vorbei! Ich musste nur einen Weg finden, um mit ihnen zu reden. Dann würde ich alles erklären können. Panisch blickte ich mich um und kurz bevor der Rat Hrodwyn rufen konnte, fand ich eine Lösung: Helen. Das erste Mal seit Beginn der Verhandlung konnte sie mich ungehindert sehen und in ihrem Blick stand das blanke Entsetzen.

Ich weiß nicht was Daniel ihr erzählt hat, aber meine Hinrichtung hatte es wohl nicht beinhaltet.

Ich starrte ihr in die Augen und flehte sie mit Blicken an, mir zu helfen. Doch Daniel bemerkte meine Bemühungen und bugsierte Helen aus meinem Sichtfeld.

Ich begann zu weinen.

Dass konnte doch nicht das Ende sein.

Nicht jetzt, nicht hier, nicht so.

Meine Tränen zerplatzen auf den kalten Dielen. Edmund öffnete die Tür um Hrodwyn reinzulassen. Der alte Henker hatte das Gesicht eines freundlichen Großvaters und mit seinen treudoofen Augen und der Knollennase hätte ihm jeder Fußgänger seind Gewldbörse geliehen. Ich hielt es momentan für das abstoßendste Gesicht des Universums.

Hrodwyn schlurfte die zwei Meter von der Tür bis zu mir und hob seine Axt.

„Wie hätten sie´s denn gern? Mid da Axt, am Schdrigg oda mid meena Magie?“ Edmund wedelte ungeduldig mit der Hand und band sich seinen Schal um.

„Vollkommen egal. Bring es nur schnell zu Ende. Ich habe heute noch andere Pläne und würde lieber nicht zu spät kommen.“ Barclay trat einen Schritt vor.

„Es spielt sehr wohl eine Rolle wie wir sie exekutieren. Im Glauben der Märchenartigen ist der Tod durch Magie quasi der direkte Weg in die Hölle.“

Edmund verdrehte die Augen. „Dann köpft sie halt. Ist ja nicht so als würde das hier jemanden interessieren.“

Barclay nickte zustimmend. „Gut, dann die Axt.“ Hrodwyn trat gerade auf mich zu, als Helen vortrat.

„Also ich…“ Sie knetete ihre Handschuhe.

„Wos is´n jetz scho wieda? Soi i no a Liedchn singn?“

„Nein… es ist nur…“ Helen stockte wieder und ich feuerte sie gedanklich an zum Punkt zu kommen. „Ich wollte da noch etwas sagen.“

Hrodwyn war nun endgültig genervt: „I hob au no andere Termine. Dauat´s denn lang?“

Helen wurde tiefrot. „Äh… ja irgendwie schon.“

Hrodwyn nickte. „Ok, dann mach i´s uns allen a bissal einfacha.“

Er hob die Axt und schlug mir den Kopf ab.

 

 

Kapitel 3:

Ein Vogel und ich, ich und ein Vogel

 

Ich weiß nicht wie sterben ist. Nicht wirklich, denn als ich aufwachte war ich schon in der Hölle. Zumindest nahm ich an, dass es die Hölle war, denn neben mir tickte und klapperte es und weiter weg konnte ich sogar Schreie hören. Mir lief es kalt den Rücken runter und ich versuchte die Augen zu öffnen, aber da, wo sie sich mal befunden hatten war nur Schwärze. Ich geriet in Panik.

Hatte ich meinen Kopf verloren und lebte noch? Konnte ich deshalb meine Augen nicht öffnen? Ich versuchte mich zu beruhigen, aber mein Atem war ungewöhnlich schnell und mein Herz pumpte in Rekordgeschwindigkeit.

Panisch schlug ich mit den Flügeln und krächzte leise.

Moment mal.

Ich schlug mit den Flügeln?!? Hatten sie mich in einen Vogel verwandelt? Gerade als ich kurz davor war panisch im Kreis zu hüpfen, erinnerte ich mich daran, dass ich ein Wechselbalg war und daran gewöhnt sein sollte, in ungewohnten Körpern aufzuwachen. Ich atmete ein paar mal tief durch und versuchte einen klaren Kopf zu bekommen.

So schlimm würde es schon nicht sein. Ich sollte erst einmal herausbekommen in was für einem Körper ich steckte, bevor ich in Panik ausbrach. Ich konzentrierte mich auf meinen Körper, schlug versuchsweise mit den Flügeln und bewegte die Beine. Na also, es war nicht so schlimm wie ich befürchtete hatte. Es funktionierte alles einwandfrei.

Langsam beruhigte ich mich wieder.

Jetzt, wo ich wusste, dass ich in einem fremden Körper steckte, bemerkte ich auch, dass es nicht vollkommen schwarz war. Eher Grau. Das bedeutete, dass Licht durch meine Lieder fiel und ich wahrscheinlich gar nicht blind war, sondern vermutlich einfach nur die falschen Muskeln bewegte. Nach einigem Herumprobieren schaffte ich es schließlich die Augen zu öffnen und blinzelte ins Licht. Im ersten Moment war ich beinahe blind, doch dann gewöhnten sich meine Augen an das Licht und ich erblickte meine Leiche.

Aus der Sicht eines Vogels sah ich nicht besonders attraktiv aus.

Die krausen Haare standen in alle Richtungen und meine mokkafarbene Haut wirkte blass und ungesund lila. Meine Empörung darüber, dass ich vollkommen nackt war, wurde nur durch die Tatsache übertroffen, dass mein Kopf in einer Schüssel lag, die verdächtig nach Tupperware aussah. Angeekelt schüttelte ich mich und verspürte den irrationalen Drang mich zu Putzen.