Misfits - Garrett Leigh - E-Book

Misfits E-Book

Garrett Leigh

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Beschreibung

Der Restaurantbesitzer Tom Fearnes liebt seinen Partner Cass, solange er denken kann, aber ihre Arbeit trennt sie oft voneinander. Als er in den lebhaften Straßen von Camden Town einen auffälligen jungen Mann namens Jake kennenlernt, nimmt ihre berauschende erste Begegnung eine unerwartete Wendung. Jake Thompson kann sein Glück kaum fassen, als er in Toms Bett aufwacht. Tom ist umwerfend, freundlich und … vergeben. Toms Erklärung für seine offene Beziehung lässt Jake kalt, aber Tom ist zu verlockend, und als harte Zeiten Jake zwingen, Toms helfende Hand anzunehmen, findet er sich zwischen zwei Männern wieder, die ihren Weg verloren haben. Cass Pearson ist eine geplagte Seele. Er liebt Tom mit allem, was er hat, aber an manchen Tagen hat er das Gefühl, dass er nicht viel zu geben hat. Jake scheint die perfekte Lösung zu sein. Cass riskiert alles, um Jake und Tom zusammenzubringen, aber Jake wehrt sich misstrauisch, bis die Dunkelheit von Cass' entbehrungsreicher Kindheit ihn einholt. Auf einmal ist Jake, der mit seinem Tourette eigentlich ausreichend zu tun hat, für sie der rettende Anker und es wird Zeit, tief zu graben, um den Männern, die er liebt, ein Licht zu bringen.

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Seitenzahl: 391

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MISFITS

URBAN SOUL

von GARRETT LEIGH

Impressum

© dead soft verlag, Mettingen 2022

http://www.deadsoft.de

© the author

Titel der Originalausgabe: Misfits (2018)

Original Edits: Carole-Ann Galloway & Alex Whitehall

Additional Proofing: Eli Easton

Übersetzung: Lena Seidel

Cover:

Cover Art: Garrett Leigh c Black Jazz Design

Coverbearbeitung: Irene Repp

http://www.daylinart.webnode.com

1. Auflage

ISBN 978-3-96089-552-7

INHALT

Der Restaurantbesitzer Tom Fearnes liebt seinen Partner  Cass, solange er denken kann, aber ihre Arbeit trennt sie oft voneinander. Als er in den lebhaften Straßen von Camden Town einen auffälligen jungen Mann namens Jake kennenlernt, nimmt ihre berauschende erste Begegnung eine unerwartete Wendung.

Jake Thompson kann sein Glück kaum fassen, als er in Toms Bett aufwacht. Tom ist umwerfend, freundlich und … vergeben. Toms Erklärung für seine offene Beziehung lässt Jake kalt, aber Tom ist zu verlockend, und als harte Zeiten Jake zwingen, Toms helfende Hand anzunehmen, findet er sich zwischen zwei Männern wieder, die ihren Weg verloren haben.

Cass Pearson ist eine geplagte Seele. Er liebt Tom mit allem, was er hat, aber an manchen Tagen hat er das Gefühl, dass er nicht viel zu geben hat. Jake scheint die perfekte Lösung zu sein. Cass riskiert alles, um Jake und Tom zusammenzubringen, aber Jake wehrt sich misstrauisch, bis die Dunkelheit von Cass' entbehrungsreicher Kindheit ihn einholt.

VORWORT

Es wird mir nie möglich sein, alles über das Tourette-Syndrom zu wissen, was es zu wissen gibt, und als ich mich hinsetzte, um dieses Buch zu schreiben, wollte ich keine Figur erschaffen, die auf einer flüchtigen Google-Suche basiert.

Ich lernte Rico kennen, einen wunderbaren jungen Mann, der mir auf meiner Suche nach Wissen half. Rico öffnete sein Leben für mich, führte und lehrte mich. Er brachte mich zum Lachen und zum Weinen, und vor allem lehrte er mich, dass obwohl TS ein Zustand ist, vor dem sich ein Mann nicht verstecken kann, das Leben mit der richtigen Unterstützung und einer Menge Liebe doch zu etwas Wunderbarem werden kann.

Die Terminologie, die ich in diesem Buch verwendet habe, ist vielleicht nicht lehrbuchmäßig korrekt. Rico erzählte mir, dass er jeden Tic nach Gefühl definiert.

Brummen. Ploppen. Plätschern. Er hat auch ein paar gröbere Begriffe, aber die nehme ich mit ins Grab.

Niemand kann die Liebe zurückweisen. Sie war da, noch ehe wir es wussten

TOM

EINS

Tom Fearnes schüttelte der Maklerin die Hand und beobachtete abwesend, wie sie in den belebten Straßen von Camden Town verschwand. Um ihn herum drängelten sich die geschäftigen Londoner um Platz, und keiner von ihnen nahm Notiz von ihm, obwohl er den Bürgersteig blockierte. Er blendete sie aus und musterte das leerstehende Gebäude vor ihm und runzelte die Stirn. Der stillgelegte Gitarrenladen war nicht ganz das, was er sich erhofft hatte, weder innen noch außen.

Aber, aber, aber …

Tom ließ die vernagelte Ladenfront hinter sich und betrachtete Camdens beliebte Läden und Musikbars. Das vertraute Summen eines neuen Unternehmens kitzelte in seinen Adern. Er war am richtigen Ort, das spürte er, aber die einzigen leeren Räume auf der pulsierenden Camden High Street waren alle falsch. Zu klein und überteuert, jeder war ein definitives No-Go, was seine Pläne für eine Restauranteröffnung im Frühjahr in weite Ferne rücken ließ.

Tief in Gedanken versunken riss sich Tom von dem unpassenden Laden los und ließ sich in Richtung U-Bahn-Station treiben. Er wich ein paar Menschen aus und fluchte unterdrückt wie ein mürrischer Einheimischer. Camden war nicht sein übliches Revier, aber er war durch und durch ein Wahllondoner und trödelnde Touristen gingen ihm auf die Nerven, vor allem wenn – großartig – ihre schiere Anzahl die Camden Town Station verstopfte.

Tom starrte auf die Metallfensterläden und fing den Blick einer in der Nähe befindlichen U-Bahn-Mitarbeiterin auf. „Ist Chalk Farm offen?“

Die Frau schüttelte den Kopf. „Geschlossen wegen Überlastung. Versuchen Sie Mornington.“

Tom seufzte. Die Mornington-Station war ein zehnminütiger Spaziergang in die falsche Richtung von seiner Wohnung in Hampstead. Er würde den ganzen Weg zurück nach Euston gehen und dort in eine andere Linie steigen. Entweder das, oder er verkroch sich irgendwo und wartete, bis sich die Menschenmassen auflösten.

Er wandte sich nach Süden in Richtung Mornington und ging seine Optionen durch. Er war fix und fertig und hatte keine Zeit, und nachdem der Gitarrenladen ein Reinfall gewesen war, musste er nach Hause und die Suche nach einem neuen Restaurant von vorn beginnen. Hmmm. Der Gedanke an das neueste kulinarische Projekt seiner Firma erinnerte ihn daran, dass er den ganzen Tag noch nichts gegessen hatte. Sein Magen knurrte, er sah sich nach einem Ort um, der nicht zu überfüllt war. Ein Lokal des Pub-Verbandes stach ihm ins Auge. Es war nicht die Art von Ort, die er normalerweise besuchte, aber er konnte durch das Fenster ein paar leere Tische sehen.

Er überquerte einen Zebrastreifen und stieß die Tür des Restaurants auf. Das Innere der Kneipe roch nach billigem Lagerbier und verbranntem Fleischfett. Eine mürrische Wirtin führte ihn zu einem Tisch neben der Tür, legte ihm eine klebrige Speisekarte vor die Nase und überließ ihn sich selbst. Tom sah zu, wie sie mit einem schiefen Lächeln davonstapfte. Die Konkurrenz zu beobachten und zu testen machte immer Spaß, besonders an einem Sonntagabend. Müde und erschöpft von einem langen Wochenende war es ein Zeichen für ein solides Küchenteam, wenn das Restaurant noch immer gutes Essen herausgab.

Tom setzte sich auf seinen Platz, legte seinen Mantel ab und ließ seinen Blick über die Speisekarte schweifen. Für das ungeschulte Auge wirkte sie beeindruckend – umfangreich und vielfältig, aber Tom wusste es besser. Jedes Restaurant, das Steak, Pizza, Curry und ein marokkanisches Tagine anbot, war ernsthaft durcheinander. Und faul. Er kannte den Entwicklungsleiter für diese besondere Marke und hatte gehört, dass die meisten ihrer Lebensmittel in einer Fabrik in Shefield produziert wurden.

Gekochter Schwachsinn aus der Tüte.

„Kann ich Ihnen einen Drink anbieten?“

Tom blickte auf und blinzelte, einen Moment lang dachte er, dass die Worte in einem ganz anderen Zusammenhang gesprochen worden waren. Wow.

Es gab keinen anderen Ausdruck für den Anblick der männlichen Schönheit, die mit einem Notizblock an seinem Tisch wartete. Lange Finger, die auf das Papier klopften, elegante Hände und zerbrechlich wirkende Handgelenke. Schlanke Arme, schmale Schultern und ein herrlicher, blasser Hals. Und sein Gesicht, verdammt, sein Gesicht. Hohe Wangenknochen und makellose Haut wurden von einem silbernen Ring unterstrichen, der sich aus seiner perfekten Nase wölbte.

„Kann … kann ich Ihnen einen Drink bringen?“

„Äh …“ Tom fummelte an der Getränkekarte herum. „Einen Pint Becks, danke.“

Der Kellner verschwand. In Anbetracht der Haltung der Wirtin erwartete Tom nicht, dass er bald zurückkam, deshalb war er überrascht, als ein paar Minuten später ein schaumiges Pint Lager vor ihm abgestellt wurde.

„Haben Sie schon gewählt?“

Nicht einmal annähernd. Tom saugte den melodischen Akzent des jungen Kellners in sich auf und überflog erneut die Speisekarte. „Was können Sie empfehlen? Etwas Besonderes?“

„Kommt darauf an, was Sie mögen.“

„Ja?“ Tom hörte den Unwillen des Kellners laut und deutlich, aber die dunkle Schönheit des jungen Mannes überspielte alle Bedenken, die er vielleicht haben könnte. „Was ist mit den Pasteten?“

„Wir haben kein Beef und Ale mehr.“

„Ist das Hühnchen gut?“

Schweigen. Der Kellner rümpfte die Nase. Tom warf einen Blick auf sein Namensschild. Jake. Mitarbeiter wie Vieh zu kennzeichnen irritierte Tom, doch er mochte den Namen des Jungen; er passte zu ihm. „Wie ist der Steak-Burger?“

Jake zuckte mit den Schultern. „Er ist … okay.“

Die Pause sagte alles. „Ganz okay, hm? Woher kommt das Fleisch? Ist es britisch?“

„Es kommt aus Uruguay.“

„Schön. Du hast mich davon überzeugt, dass es hier nichts gibt, was es wert ist, gegessen zu werden. Woher willst du wissen, dass ich kein Restauranttester bin?“

Der Junge grinste mit kaum unterdrücktem Spott und schüttelte den Kopf. „Die haben wir nicht mehr; sie sind nicht kosteneffizient. Wir haben stattdessen anonyme Online-Umfragen. Sie scannen den QR-Code auf der Speisekarte mit Ihrem Smartphone.“

Tom verschluckte ein Glucksen. Er war mit dem Konzept der Online-Umfragen zur Gästezufriedenheit vertraut – er war an einer Firma, die sie veranstaltete, beteiligt. Die Sache mit dem QR-Code war neu in der Branche. Noch nicht viele Unternehmen boten so etwas an. „Ich nehme Fish and Chips.“

Jake gab ein merkwürdiges Geräusch von sich und wedelte mit der Hand. „Wollen Sie nicht wissen, woher der Fisch kommt?“

Macht er sich über mich lustig? „Nein, danke. Ich lebe lieber in Unwissenheit.“

Jake schnappte sich die Speisekarte und verschwand. Tom zwang sich, ihm nicht hinterherzusehen und holte sein Handy aus der Tasche. Er war in eine Website für Gewerbeimmobilien vertieft, als Jake mit seinem Essen zurückkam.

„Wollen … wollen Sie irgendwelche Soßen?“

Tom stocherte in dem blassen Stück Fisch auf seinem Teller herum, aber als er Jakes leichtes Stottern bemerkte, beschloss er, ein wenig nachsichtig mit ihm zu sein. „Alles bestens, vielen Dank.“

Jake schlich sich ohne weiteren Kommentar davon. Mit einer gesunden Portion Beklemmung aß Tom sein Essen, während er seinen Terminkalender prüfte und seine E-Mails bearbeitete. Als Leiter seines eigenen florierenden Restaurantbetriebes hatte er viel zu tun.

Jake schlenderte ein paar Mal vorbei. Er schaute nicht nach Tom, aber beim dritten Mal, als Tom seine wortlose Anwesenheit spürte, winkte er ihn zu sich, hielt ihm den Teller mit dem fettigen Brei hin und bat um die Rechnung.

Jake schien von Toms Appetitlosigkeit nicht überrascht zu sein. Er brachte die Rechnung mit einem beträchtlichen Nachlass und verschwand sofort wieder. Das Restaurant hatte sich gefüllt, während Tom in seine E-Mails und den pampigen Fisch vertieft gewesen war, und Jake schien der einzige Kellner hier zu sein.

Tom wartete eine Weile darauf, dass Jake zurückkam, aber als es offensichtlich wurde, dass das nicht passieren würde, packte er seine Sachen zusammen und machte sich auf den Weg zur Bar. Das unglückliche Gesicht der Wirtin empfing ihn. Sie nahm die Rechnungsmappe und steckte seine Kreditkarte in den Bezahlautomaten.

„War mit Ihrem Essen alles in Ordnung?“

„Nö“, antwortete Tom, obwohl er seinen Tonfall leicht hielt. „Es war kalt, fettig und wurde auf einem schmutzigen Teller serviert.“

Die Wirtin starrte ihn an, aber was auch immer sie hätte erwidern können, ging in einem ohrenbetäubenden Krachen unter. Tom zuckte zusammen. Er kannte das Geräusch von zerbrechenden Tellern nur zu gut. Er blickte über seine Schulter und sah Jake inmitten eines Meeres aus zertrümmertem Geschirr.

Jake sank zusammen und kniete sich auf den Boden. Er begann die zerbrochenen Teller aufzusammeln, schien sie aber nicht halten zu können. Eine zerbrochene Schüssel rutschte ihm aus der Hand. „Mist, Scheiße, fuck!“

Instinktiv machte Tom einen Schritt nach vorn, sah die Anspannung in Jakes Schultern, das wütende Zucken in seinen Muskeln, und fühlte einen plötzlichen, intensiven Drang, der jenseits von bescheidenem Mitgefühl lag, ihm zu helfen. Aber er hielt sich zurück. Es gab keine größere Demütigung als einen Fremden, der bestätigte, welches Desaster man angerichtet hatte, und die Röte, die über Jakes Nacken kroch, sagte Tom, dass es ihm weiß Gott peinlich genug war.

Ein wütend dreinblickender Manager – der bis jetzt auffällig abwesend gewesen war – erschien aus dem Nichts und schob Jake zur Seite. „Lass es. Geh hinten raus und reiß dich zusammen.“

Jakes Arm schoss in einem seltsamen Winkel nach vorn. „Wichser.“

Der Manager starrte ihn an. „Um Himmels willen, geh!“

Jake rappelte sich auf, flitzte zur Küchentür und knallte sie hinter sich zu. Tom entspannte sich ein wenig. Wer hatte nicht schon mitten in einer anstrengenden Schicht einen Arm voller Teller fallen lassen?

Aber selbst als die Gäste um das Chaos herum weiteraßen, als wäre nichts passiert, hatte Tom das deutliche Gefühl, dass er etwas vermisste. Und er mochte die Art des Managers nicht. Es gab nichts Unprofessionelleres, als in einem vollen Lokal seine Frustration zu zeigen. Einem jungen Kellner konnte man das verzeihen, aber nicht einem Manager.

„Geben Sie bitte Ihre PIN ein.“

Die gelangweilte Stimme der Wirtin schreckte Tom auf. Er war so sehr in Jakes Unglück vertieft gewesen, dass er vergessen hatte, dass sie da war. Er folgte den Aufforderungen auf dem Display.

„Sammeln Sie Ihr Trinkgeld?“

„Nein. Ihr Kellner kann es behalten.“

Tom reichte ihr einen gefalteten Geldschein. „Gut. Sagen Sie Jake, dass ich seine Offenheit zu schätzen weiß.“

Das Gesicht der Frau blieb teilnahmslos. Tom seufzte und reichte ihr das Gerät zurück. Wie fanden Orte wie dieser solche Leute? Selbst Jakes hämischer Spott war besser als gar nichts.

Tom machte sich auf den Weg zum Ausgang des Lokals und fühlte sich leicht krank durch die wenigen öligen Pommes, die er gegessen hatte. Außerdem war er müde. Er sehnte sich nach einem Bett, nachdem er ein langes, einsames Wochenende mit der Immobiliensuche verbracht hatte. Und zudem vermisste er Cass. Ihn vermisste er immer und jederzeit. Aber seine schlechte Laune verflog, als er nach draußen in die milde Septemberluft trat. Er liebte London zu jeder Zeit des Jahres, und der Herbst war seine Lieblingsjahreszeit. Sanft und warm, auch wenn die Luft kühler wurde.

Der unverwechselbare Duft des städtischen Nachtlebens hatte es ihm ebenfalls angetan.

Camden fühlte sich anders an, wenn die Sonne unterging, berauschend und aufregend. Plötzlich schienen die zwanzig unbeantworteten E-Mails, die seinen Postfacheingang verstopften, weniger wichtig zu sein. E schaute auf seine Uhr: 19:00 Uhr. Der Wochenendandrang hatte nachgelassen und wahrscheinlich sollte er nach Hause gehen, aber sein misslungenes Abendessen – und das Bier auf leeren Magen – hatte ihn ruhelos gemacht. Er hatte keine Lust, nach Hause in eine leere Wohnung zu gehen.

So schlenderte er die Camden High Street entlang. Ein Pub erregte seine Aufmerksamkeit, eine dieser ach so coolen Bars mit nacktem Mauerwerk, Graffiti und einer Million Teelichtern. Die Art von Ort, von dem Tom wusste, dass er in ein paar Jahren zu alt dafür sein würde. Er ließ sich hineintreiben. London ist eben London, niemand sah auf. Er kaufte ein überteuertes Pint Lagerbier und fand einen Tisch in einer dunklen Ecke. Die sanfte Chillstep-Musik war beruhigend, und für eine Weile widerstand er dem Ruf seines Laptops und beobachtete stattdessen die Leute … und analysierte die Klientel, die er ansprechen würde, wenn er jemals das richtige Lokal fände. Camden war ein vielfältiger Ort. Hipster, Punks, Gruftis, Yuppies, er entdeckte sie alle in der Bar. Auch draußen auf der Straße hatte er sie gesehen, dunkel und exzentrisch … zu cool für ihr eigenes Wohlergehen. Camden fühlte sich an wie ein Ort für die Jungen, Aufstrebenden, die der Welt auf eine andere Art ihren Stempel aufdrücken wollten. Um es hier zu schaffen, musste das Restaurant mehr sein als nur eine Mainstream-Marke.

Aber wie? Die jungen Leute wünschten sich Luxus, aber es fehlte ihnen das Geld, um ihn sich zu beschaffen. Und Tom hatte in den letzten Jahren bemerkt, dass seine jüngere Kundschaft immer weniger abenteuerlustig war. Sie wollten sicheres, unkompliziertes Essen … wollten, dass es überall gleich aussah, wo auch immer sie hingingen, und das ließ nicht viel Spielraum für Kreativität. Einfach, schick und billig. Es musste einen Weg geben, um das alles zu bekommen.

Tom trommelte mit den Fingern auf den Tisch und ließ sich, verloren in Gedanken, Konzepte durch den Kopf gehen. Fast hätte er das Erscheinen des schlanken, dunkelhaarigen Mannes auf dem Platz neben sich zu spät bemerkt.

Ein zuckendes Bündel von Gliedmaßen, das er mit Verspätung als den Kellner aus dem identitätslosen Restaurant die Straße runter erkannte.

„Wichser.“

Tom blinzelte. „Wie bitte?“

Jake zuckte zusammen, und es dauerte einen Moment, bis er wieder etwas sagte. „Hallo.“

Tom lächelte, unsicher, ob er gleich eine Ohrfeige bekäme. „Hallo nochmal.“

„Hallo.“ Jake zuckte zusammen, als wäre gerade ein Stromschlag durch ihn gefahren. „Du …“ Er hielt inne, begann von vorn und schob ein lederbezogenes Buch über den Tisch. „Du hast deinen Terminkalender vergessen.“

Reflexartig griff Tom nach dem Kalender, der sein ganzes Leben enthielt. Der Kalender, den er nur selten aus den Augen ließ. „Woher wusstest du, wo ich zu finden bin?“

„Ich habe dich hier reingehen sehen, als ich Pause hatte. Ich dachte mir, ich würde nach der Arbeit nachschauen, ob du noch hier bist.“

Tom schob den Terminkalender in seine Laptoptasche. Jake murmelte etwas und Tom richtete sich auf. „Wie bitte, was?“

Jake schüttelte den Kopf. „Nichts. Ich tice nur so.“

Ticen. Tom hatte den Ausdruck schon einmal gehört und ihm ging ein Licht auf. „Tourette-Syndrom?“

„Scheiße, fuck, Eier. Ja. Scheiße.“ Jake zwinkerte. „Schieß ihn auf den Mond.“

Tourette-Syndrom. Verdammte Scheiße. Das erklärte eine Menge – das Stottern, das plötzliche Zittern in Jakes Gliedmaßen und das schlecht getimte Fluchen.

„Hast du deshalb deinen Boss einen Wichser genannt?“

Jake zuckte mit den Schultern. „Manchmal haben meine Tics einen Kontext.“

Tom grinste, obwohl ihm innerlich der Kopf schwirrte. Das Tourette-Syndrom war keine Krankheit, über die er viel wusste, aber er hatte bereits aus erster Hand erfahren, wie störend es sein konnte. Selbst jetzt sah er, wie Jake darum kämpfte, still zu halten. „Kann ich dir einen Drink spendieren?“

„Nein, danke. Sie haben mir fünf Pfund Trinkgeld gegeben. Ich kann mir selbst einen kaufen.“

Jake stand so abrupt auf, wie er sich hingesetzt hatte, und ging zur Bar. Tom sah ihm nach und bewunderte die flüssige Art, mit der sich sein Körper bewegte, wenn er nicht ticte, und spekulierte, ob er zurückkommen würde.

Es schien eine Ewigkeit zu dauern, bis Jake mit zwei Pints Lagerbier am Tisch erschien. Eines stellte er vor Tom ab, dann blieb er eisern neben dem Tisch stehen, sein linker Arm senkte sich zuckend auf die Tischplatte. Tom deutete auf den Stuhl neben sich. „Setz dich, bitte. Ich könnte Gesellschaft vertragen.“

Jake ließ sich neben ihm nieder. Er hielt sein Glas in einer Hand und starrte auf seinen Arm, bis das Zucken nachließ. „Wichser. Entschuldigung. Es ist schlimmer, wenn ich neue Leute treffe.“

„Du brauchst dich nicht zu entschuldigen“, sagte Tom. „Es macht mir nichts aus.“ Das war die Wahrheit. Der junge Mann neben ihm war weit entfernt von dem vibrierenden Nervenbündel der Frustration, das er im Restaurant gewesen war, und seine Tics schienen normal zu sein. Als Jake sich entspannte, konnte Tom fast sehen, wie sie sich verlangsamten und in ihrer Intensität nachließen. „Ich bin übrigens Tom. Falls du dich fragen solltest …“

„Wie kommen Sie denn darauf?“ Jake streckte seine Hand aus. „Ich bin Jake.“

„Ich weiß.“ Tom erwiderte den Griff. Er spürte einen Funken, als ob Jakes überschüssige Energie auf ihn überging. „So stand es auf dem Namensschild.“

Jake zuckte zusammen und eine Reihe von klickenden Geräuschen entkam ihm so schnell, dass Tom sich fragte, ob er sie sich nicht nur einbildete. „Ja, tut mir leid, dass Ihr Essen so mies war. Das Essen ist immer scheiße.“

„Das ist nicht deine Schuld. Du hast versucht, mich zu warnen.“

„Nicht absichtlich. TS macht mich brutal ehrlich.“

„TS?“ Tom stockte einen Moment und ließ Jakes statisch aufgeladene Hand los. Der Kontaktverlust vernebelte sein Gehirn. „Ach, du meinst dein Tourette.“

Es war keine Frage, aber Jake warf Tom einen Blick zu, der laut und deutlich „Idiot“ besagte. Tom ließ ihn gewähren. „Ich glaube nicht, dass es dein Toure…, sorry, TS ist, das dich zu einem schrecklichen Kellner macht.“

Jake lehnte sich nach vorn. „Ach ja? Was habe ich getan, was so schrecklich war?“

So nahe war er sogar noch schöner, als sich Tom zuerst vorgestellt hatte. Dunkle, seelenvolle Augen. Wellige Haare, die ein bisschen zu lang waren. Und er roch gut, nach Zigaretten und Jugend.

Tom versteckte seine Faszination hinter einem Schluck Bier. „Es geht nicht darum, was du gemacht hast, es geht darum, wie du es gemacht hast. Als Gast sollte ich nicht wissen dürfen, dass der letzte Platz auf der Welt, wo du sein möchtest, vor mir ist.“

„Schieß ihn auf den Mond.“

„Genau.“

Jake verdrehte die Augen. „Seien Sie nicht nachsichtig mit mir. Es ist einer meiner häufigsten Tics. Wenn Sie mitspielen, vergesse ich, dass ich es mache, und dann schießt alles heraus.“

„Okay …“ Jake war es eindeutig gewöhnt, über sein TS zu sprechen. „Ist das so schlimm? Die Tics, meine ich.“ Tom deutete um sich. „Niemand scheint sich daran zu stören.“

„Das kommt daher, weil ich meinen Lautstärkeregler gefunden habe. Ich schreie nicht mehr, zumindest nicht mehr so oft. Vor ein paar Jahren habe ich kaum mein Appartement verlassen.“

„Lautstärkeregler?“

„Japp. Ich wollte nicht die ganze Zeit ein Spinner sein, der in der Ecke sitzt und schreit, also lernte ich, mich selbst leise zu stellen. Ich musste es. Entweder das, oder mit Tape zugeklebtem Mund herumrennen, was ich auch für ein paar Monate gemacht habe.“

Diese Vorstellung brachte Tom zum Lächeln, doch die Traurigkeit in Jakes dunklem Blick mäßigte es. „Was hasst du so sehr an dem Laden, in dem du arbeitest? Was hat den finsteren Blick ausgelöst, den du hattest, bevor du an meinen Tisch kamst?“

„Was geht es Sie an?“

Tom zuckte mit den Schultern. Das war eine gerechtfertigte Frage. „Nenn es Forschung. Ich komme aus der Industrie.“

„Der … Wichser … Restaurantindustrie?“

Tom nickte und Jake dachte über seine Frage nach. „Ich hasse es, dass mir gesagt wird, ich soll so sein wie jeder andere auch“, antwortete er schließlich.

„Dann ist eine Restaurantkette vermutlich nicht unbedingt der geeignetste Ort für dich. Da ist ein Laden wie jeder der andere, alles dasselbe.“

Jake schnaubte seine Zustimmung. „Die Firma, für die ich arbeite, hat fünf Pubs in der Stadt, und sie sind alle identisch. Das Essen, die Einrichtung. Sie haben sogar ein Manuskript, das uns alle wie Roboter klingen lässt. Das macht mir Angst.“

Dieses Mal konnte sich Tom das Lächeln nicht verkneifen. Jakes Gemecker löste das Rätsel, über das Tom den ganzen Tag gegrübelt hatte. „Wenn du das Restaurant, in dem du arbeitest, neu entwerfen könntest, wie würdest du das machen?“

„Würde ich nicht. Interessiert mich nicht genug. Ich arbeite da nur, weil es der einzige Job ist, den ich bekommen kann.“

„Vielleicht würde es dich interessieren, wenn es ein Konzept hätte, das dir gefällt“, entgegnete Tom. „Essen, das du magst, oder ein Ethos, an das du glaubst.“

Jake schnaubte, aber es war nicht zu erkennen, ob das nun von einem Tic stammte oder die Reaktion auf Toms Worte darstellte. Er wartete einen Moment, doch Jake sagte nichts mehr, also leerte Tom sein Glas und ging Richtung Bar, um die nächste Runde zu holen.

Jake betrachtete ihn, als er zurückkam. „Wissen Sie, Sie sehen viel zu jung aus, um sich um den ganzen Geschäftsschwachsinn zu kümmern.“

„Ich bin dreißig.“ Kurz grübelte Tom über Jakes Alter. Seine schlanke Gestalt und die weiche Haut ließen ihn wie achtzehn aussehen, aber seine Augen machten diesen Eindruck zunichte. Er hatte mehr von der Welt gesehen, als er hätte sollen. „Was ist mit dir?“

„Vierundzwanzig“, sagte Jake. „Zu jung für Sie?“

„Kommt darauf an, was ich mit dir machen werde.“

Die Worte rutschten ihm heraus, ehe Tom sie stoppen konnte, unterstützt von drei Pints starkem Lager. In seinem Kopf hörte er Cass lachen.

Durchtrieben.

Tom wartete auf einen Tadel von Jake. Darauf, perverses Arschloch genannt zu werden, oder dass er vielleicht aufstand und ging.

Doch Jake grinste lediglich und stützte seine Ellbogen auf dem Tisch ab. „Ich schätze, du solltest oben anfangen und deinen Weg nach unten fortsetzen.“

ZWEI

Jake scherzte, zumindest dachte Tom das, aber der geladene Wortwechsel änderte den Ton ihrer Unterhaltung, und während das Bier floss, lud sich die Luft zwischen ihnen auf und wurde heißer. Es war beinahe Mitternacht, als Tom begriff, dass er vergessen hatte, nach Hause zu gehen.

Mit einem reumütigen Lächeln lehnte er sich zurück, weg von Jake. Irgendwie waren sie fast Nase an Nase dagesessen. „Ich sollte jetzt gehen.“

Jake stand auf und reichte Tom den Pulli, den er während ihrer Unterhaltung ausgezogen hatte. „Ja, ich auch.“

Sie verließen den Pub und traten auf die Straße. Tom fröstelte. Die Temperatur war gefallen, während sie sich drinnen aufgehalten hatten. Jake steckte sich eine Zigarette in den Mund und zündete sie an. „Es macht dir doch nicht aus, oder?“

„Kein Ding.“ Tom wusste nicht, was er sonst sagen sollte. Es war spät, aber er war noch nicht bereit, die Nacht enden zu lassen. „Ähm, U-Bahn-Station?“

„Klar.“

Sie spazierten auf die Camden Town Station zu. Jake zuckte heftig, als sie die Straße entlangschlenderten. Tom fragte sich, warum. Im Pub waren Jakes Tics beinahe verschwunden – oder vielleicht hatte sich Tom nur daran gewöhnt – aber hier draußen, auf der Straße, war es klar, dass Jake mit irgendetwas kämpfte. Nach einer Weile nahm Tom Jakes Arm. Ob das half oder nicht, wusste er nicht.

Jake beruhigte sich ein wenig, als sie die Station erreichten. Er drehte sich zu Tom um und lächelte. „Danke. Es hilft, wenn mich jemand berührt. Das gibt mir etwas, auf das ich mich konzentrieren kann.“

Tom zog seine Prepaidkarte für die U-Bahn durch den Scanner und trat durch die Schranke. Anschließend wartete er, bis Jake das gleiche gemacht hatte und wieder neben ihm stand, dann zuckte er mit den Schultern. „Kein Problem, vorausgesetzt es macht dir nichts aus, dass ein Fremder dich anfasst.“

„Bettler dürfen nicht wählerisch sein.“

Tom starrte Jake an. Das glaubte er nicht für eine Sekunde. Jake war umwerfend, und trotz des TS, das sein Nervensystem durcheinanderbrachte, strahlte er Sexappeal aus. Wer bei klarem Verstand würde ihn nicht berühren wollen?

„Ich bin eigentlich überrascht, dass du so weit mit mir gegangen bist. Die meisten Leute verlieren die Nerven, wenn wir draußen sind.“

Tom runzelte die Stirn und ging voran Richtung Bahnsteig. „Ist es draußen schlimmer?“

„Manchmal. Kommt auf die Situation an. Meine Tics kommen jetzt verstärkt, weil ich müde bin, aber vorhin, als ich dich in der Bar gesehen habe, war ich nervös …“

„Und als du gearbeitet hast, warst du stinksauer, richtig?“

„Richtig.“ Jake lehnte sich an die schmuddelige Bahnsteigwand. „Das war allerdings extrem. Es ist schon eine Weile her, dass ich so sehr durchgedreht bin.“

Tom spiegelte Jakes Position. Kurz schloss er die Augen und war sich sicher, dass er die Wärme spüren konnte, die von Jakes Körper ausging. „Was ist passiert? Ich meine, ich weiß, du hasst deinen Job, und ich habe die Teller auf dem Boden gesehen, aber warum war es heute schlimmer als an anderen Tagen?“

„Du stellst eine Menge Fragen.“

„Du bringst mich dazu.“

Jake grinste. „Na gut. Wenn du es wissen willst, ich war sauer, weil mir der Barmann das Trinkgeld von meinem größten Tisch gestohlen hat. Der Typ ist ein Scheißkerl, und als ich ihn zur Rede stellen wollte, endete es damit, dass ich wie ein Irrer getict habe. Ich versuchte mich zu beruhigen, aber dann brachte mich eine Oma im Lokal aus dem Konzept. Mein Boss nannte mich einen Idioten, danach verlor ich die Kontrolle über das TS.“

„Es muss schwer sein, den goldenen Mittelweg zu finden, wenn so vieles deine Tics fördert.“

„Es gibt ein paar Dinge, die selbst TS nicht verderben kann.“ Jake gluckste, tief und leise. Der ernste Unterton erinnerte Tom wieder an Cass, aber bevor er den Gedanken wirklich greifen konnte, fuhr der Zug ein. Sie fanden Plätze in der Bahn. Jake murmelte vor sich hin, als er sich setzte. Eine Frau am anderen Ende des Ganges starrte ihn an, aber Jake schien es nicht zu bemerken. Tom war überrascht, dass ihn ihre Aufmerksamkeit ebenfalls nicht störte.

Der Zug ratterte durch Chalk Farm. Eine Weile saßen sie in gemeinschaftlicher Stille, abgesehen von Jakes sporadischem Gemurmel, bis Jake Tom mit dem Ellbogen anstieß. „Warum bist du heute in das Restaurant gekommen? Ich konnte sehen, dass du stinksauer warst, als du hereinkamst. Ich dachte, du würdest einer dieser Gäste sein, die mir mit ihrem Genörgel das Ohr abkauen.“

Tom gluckste. „Bei dem Mädchen an der Bar habe ich gejammert, aber ich glaube, sie hat es nicht bemerkt.“

Jake lachte ebenfalls. „Ja, Courtney bemerkt nicht viel. Sie weiß aber jede Menge über Haarverlängerungen, falls du daran mal interessiert bist.“

„Kann mir nicht vorstellen, dass das passiert.“

„Also …“ Jake pfiff und machte ein seltsames Knallgeräusch. „Warum bist du in das Lokal gekommen, wenn du wusstest, dass du es so hassen würdest?“

„Du bist ein schlaues Kerlchen“, sagte Tom. „Ich dachte immer, ich hätte ein gutes Pokerface, aber wenn du es wissen willst, es war eine spontane Sache. Die U-Bahn-Station war geschlossen und ich hatte keine Lust, zur nächsten zu laufen.“

„Oh.“ Jake schien enttäuscht. „Ich dachte, du spionierst für die Direktion oder als Restaurantkritiker für einen Artikel oder so etwas.“

„Sorry, Kumpel, so interessant bin ich nicht.“

„Doch, bist du.“

Der Zug hielt in Belsize Park. Jake hörte auf, Tom anzustarren und runzelte die Stirn. „Scheiße, ich fahre in die falsche Richtung. Ich wohne in Kentish Town.“

Er ließ den Kopf hängen und stöhnte laut. Alarmiert legte Tom die Hand auf Jakes Schulter. „Alles in Ordnung? Willst du aussteigen?“

Ein Schwall von Tics schüttelte Jake, ehe er sich aufrichtete und grinste. „Dafür ist es zu spät.“

Das war es tatsächlich. Der Zug hatte die Türen geschlossen und Belsize Park bereits hinter sich gelassen. Tom entspannte sich und nahm die Hand von Jakes Schultern, als die Tics schwächer wurden. Es schien ihm gleichgültig zu sein, dass er sich in der falschen Bahn befand, als passierte ihm das dauernd. Vielleicht war es ja auch so.

„Wo wohnst du?“

„Hampstead, zumindest unter der Woche.“

„Und wo wohnst du an den Wochenenden?“

„Berkhamsted. Dort habe ich ein Haus.“

„Du klingst, als wärst du reich.“ Jake streckte die Beine vor sich aus. „Ich glaube nicht, dass das durch die Arbeit in einem Lokal möglich ist.“

Tom zuckte mit den Schultern. Er war nicht reich, doch für sein Alter hatte er bisher alles richtig gemacht. „Ich arbeite nicht in Restaurants. Wenigstens nicht mehr. Ich besitze sie. Komm, lass uns hier aussteigen.“

Der Zug hielt rumpelnd in Hampstead. Tom nahm Jakes Arm, als er beim Verlassen der Bahn zuckte, und hielt ihn auch noch fest, als sie das Ende des Bahnsteigs erreichten.

„Du musst mich nicht beaufsichtigen wie ein kleines Kind.“

„Hmm? Oh, sorry.“ Tom lockerte den mörderischen Griff an Jakes Arm und senkte die Hand. Jake packte sie und legte sie zurück auf seinen Arm. „Du kannst mich anfassen, Tom, aber mach es, weil du es willst, und nicht, weil du Mitleid mit mir hast.“

Etwas an der Art, wie Jake seinen Namen aussprach, verursachte Wärme in Toms Brust. Er starrte Jake an, spürte dabei überdeutlich sein schmales Handgelenk in seiner Hand. „Ich habe kein Mitleid mit dir. Ich wollte nur nicht, dass du hinfällst.“

„Das ist das Gleiche.“

„Nein, ist es nicht.“

Erneut ließ Tom Jakes Handgelenk los, er war sich plötzlich bewusst, wie nahe beieinander sie sich befanden. Es war spät – nein, früh – die frühen Stunden des Montagmorgens, doch in der U-Bahn-Station herrschte bereits emsige Betriebsamkeit, wie immer. London war nicht New York, aber es war dennoch eine Stadt, die niemals schlief.

Jake bewegte sich nicht, nicht einmal um zu ticen. Das einzige Anzeichen von Leben in ihm war sein dunkler, süchtig machender Blick und das winzige Aufblitzen seiner Zunge, als er sich über die Lippen leckte. Tom starrte ihn an, völlig verloren, bis Jake unbeholfen seine Wange berührte. „Warum hast du mich denn angefasst?“

Tom antwortete nicht mit Worten. Was konnte er schon sagen? Sie hatten sich gerade erst getroffen, hatten nur einige Stunden in der Gesellschaft des jeweils anderen verbracht, und nun konnte sich Tom nicht von ihm verabschieden. Zum dritten Mal griff er nach Jakes Arm und führte ihn zum Ausgang. Draußen auf dem Gehweg zeigte er in einiger Entfernung auf eine Reihe umgebauter Häuser aus der Zeit Edward VII..

„Da drüben ist meine Wohnung. Lust auf einen weiteren Drink?“

***

Die Wohnung in Hampstead war alt und hübsch – hohe Decken, Hartholzböden und originale offene Kamine – aber sie war auch klein und teuer, eine Kombination, die Tom ständig nervte.

Allerdings nicht heute Nacht. Er schloss die Tür auf und bat Jake herein, nahm dabei den verbotenen Duft der Zigarette in sich auf, die Jake auf dem kurzen Spaziergang hierher geraucht hatte. „Möchtest du etwas zu trinken?“

Jake schielte zu der verzierten Deckenkehlung in dem kleinen Flur. „Nein, danke. Ich denke, ich hatte genug.“

Tom hängte seinen Mantel an den Haken. Er wollte ebenfalls nichts mehr zu trinken. Stattdessen wollte er Jake küssen … hart küssen, doch der Moment schien trügerisch.

„Wichser. Ich mag deinen Arsch. Scheiße.“ Jake schlug sich die Hand vor den Mund.

Tom lachte. „Nett von dir, das zu sagen.“

Ein paar Sekunden lang stand Jake stocksteif da, dann ließ er seine Hand sinken. „Tut mir leid, aber du hast wirklich einen hübschen Arsch.“

„Danke. Deiner ist auch toll. Kann ich dir den Mantel abnehmen?“

Jake schälte sich aus seinem Mantel, aber anstatt ihn Tom zu übergeben, streckte er sich vor ihm, um ihn selbst hinter die Tür zu hängen. Diese Bewegung brachte seinen Hals nur Zentimeter vor Toms Lippen. Zum ersten Mal bemerkte er ein verschlungenes Tattoo, das unter Jakes struppigen Haaren verborgen war. Das Design war schwarz und düster, mit verstörender Buchstabenform. Die Worte ließen Tom innehalten. Frag mich nicht warum.

„Was bedeutet dein Tattoo?“

„Welches?“

Tom hob den Finger zu Jakes Hals. „Dieses.“

„Es bedeutet, dass ich ein angepisster Teenager war. Ich habe die ganze Tinte verbraucht, als ich wütend war.“

„Bist du jetzt immer noch wütend?“

Jake schüttelte den Kopf. „Nein. Ich habe ein Gegenmittel gefunden.“

Tom fuhr die Schrift nach, folgte ihr, bis sie in eine komplexe Schattierung um Jakes Wirbelsäule herum überging. Jake erschauerte, allerdings nicht wie in einem abrupten Anfall eines Tics, den Tom rasch zu erkennen gelernt hatte. „Und was ist das? Das Gegenmittel, meine ich.“

„Etwas lernen. Ein Buch lesen. Etwas erkunden. Wut ist nur ein Loch, dort, wo dein Leben sein könnte.“

Etwas hatte sich verändert. Toms Puls beschleunigte sich. Er hielt seinen Finger ruhig, ließ ihn jedoch auf Jakes Haut liegen, und nahm die zunehmende Hitze zwischen ihnen in sich auf. Jake blinzelte über seine Schulter, sein Blick war ein geiler Mix aus reumütigem Verlangen, und in diesem Augenblick wusste Tom, dass Jake ihn ebenfalls wollte.

Jake lehnte sich zurück, und Tom küsste ihn, doch dieser Kuss war nicht so explosiv, wie er ihn sich im Kopf ausgemalt hatte. Er packte nicht Jakes Kinn oder biss ihn in die Lippe. Er zog ihn nicht an den Haaren oder presste ihn gegen die Mauer. Stattdessen wurde er weich bei der zarten Berührung von Jakes Lippen gegen seine, schlang seine Arme um Jakes Taille und zog ihn an sich. Hielt ihn fest, als hätten sie sich bereits mehr als tausend Mal geküsst.

Tom spürte Jake an jedem Teil seines Körpers. Seine Kopfhaut kribbelte, seine Wangen, seine Brust. Sein Schwanz wurde in der Jeans hart. Mit den Händen bedeckte er Jakes Gesicht und rieb mit den Daumen über seine Wangenknochen.

Jake zog sich zurück. „Zeigst du mir dein Schlafzimmer?“

Das ließ sich Tom nicht zweimal sagen. Er legte seinen Arm um Jake, küsste ihn noch einmal und tappte mit ihm rückwärts durch die offene Schlafzimmertür. Dann stießen sie gegen das Bett. Tom war größer als Jake, breiter, stärker, und er verhinderte, dass sie stolperten.

Jake zog an seinen Kleidern. Tom kickte sich die Schuhe von den Füßen und knöpfte sich das Hemd auf, während Jake ihm den Gürtel öffnete. Seine Jeans rutsche in die Kniekehlen. Tom wand sich aus dem Hemd und betrachtete Jake. Er trug Biker-Boots, enge Jeans und ein T-Shirt, das so dünn war wie er selbst. Sein Look war cool und lässig, doch Tom hatte genug gesehen. Jakes Klamotten sollten auf dem Boden liegen, zerknittert auf dem polierten Holz.

Er zog Jake aus – erst das T-Shirt, dann die knallenge Jeans – und schlüpfte aus dem Rest seiner eigenen Kleider. Einen Augenblick lang starrten sie sich an, nackt und still, und nahmen den Anblick des jeweils anderen in sich auf. Tom war blond und muskulös. Breite Schultern, Brust und Schenkel. Im Gegensatz dazu war Jake blass, zerbrechlich wirkend und mit düsterer Tinte bedeckt.

Tom schloss die Hand um Jakes Schwanz, fühlte sein Gewicht. „Was magst du?“

„Ich liebe es, Schwänze zu lutschen und gefickt zu werden.“

Diese Unverblümtheit überraschte Tom, obwohl er nicht sagen konnte, warum. Nicht, dass er enttäuscht gewesen wäre. Der Umfang von Jakes Schwanz war verlockend, doch Tom lag nie unten. Und er liebte es, einen geblasen zu bekommen. Wer auch nicht?

Trotzdem wollte er zuerst etwas anderes. Er wollte Jake überall spüren, damit er sich, sollten sie sich nie wieder berühren, sicher sein konnte, das meiste dieses schönen, rätselhaften jungen Mannes mit den Händen gefühlt zu haben.

Er legte sich nach hinten auf das Bett und zog Jake über sich, küsste ihn und erkundete mit den Händen den gesamten Körper.

Jake machte es ihm nach und geisterte mit den Fingern über Toms Brust. „Angezogen siehst du gar nicht derart muskulös aus.“

„Ist das schlecht?“

Jake brummte in den nächsten Kuss. „Nein. Es betont deine Augen.“

Tom schob die Hand in Jakes seidige Haare und zog daran, damit er ihn ansehen konnte. „Was soll das heißen?“

„Was ich gesagt habe.“

Das ließ er gelten. Tom beließ seine Hände in Jakes Haaren, sie waren weich und sauber, und er schien es zu genießen, wie Tom die Fingernägel in seine Kopfhaut grub.

Schließlich rollte Tom sie herum und verbarg Jakes schmale Gestalt unter seinem breiteren Körper. Er fand Jakes Schwanz und eroberte ihn mit seiner Hand, ohne den Kuss zu unterbrechen. Jake zuckte unter ihm zusammen. Ein Tic? Um sicher zu gehen, öffnete Tom die Augen und drückte seinen Schwanz erneut.

Jake bog den Rücken durch und stöhnte. „Fuck, ja.“

Ermutigt stieß Tom mit seiner Zunge in Jakes Mund vor. Er war vom ersten Blick an fasziniert gewesen, und jetzt war er sich seiner Sache sicher. Er würde Jake ficken, ihn ficken, bis er Toms Namen schrie.

Jake beendete ihren Kuss und klammerte sich an Toms Schultern. „Gib mir deinen Schwanz.“

Tom kam dieser Anweisung nach und setzte sich rittlings über Jakes Brust, die, im Gegensatz zu seinem Rücken, tintenfrei war. Er hielt seinen Schwanz vor Jakes volle Lippen. „Du wirst mich nicht beißen, oder?“

„Nein. Berührungen beruhigen mich. Wenn ich mit jemandem im Bett bin, habe ich kaum Tics.“

Das reichte Tom. Er schob seinen Schwanz in Jakes Mund und holte tief Luft. Die erregende nasse Hitze von Jakes Zunge fühlte sich aufregend an, und dass Jake seine Nägel in Toms Schenkel bohrte, machte es nur noch besser. Er schloss die Augen und ließ sich von den Empfindungen mitreißen, packte eine Handvoll von Jakes Haaren. „Ja, genau so.“

Jake reizte Toms Eier, dann zog er sich mit einem sanften, warmen Atemhauch zurück. „Sag mir, was du willst.“

Tom öffnete die Augen. „Stehst du auf Dirty Talk?“

„Ich bin neugierig. Immerhin habe ich dir erzählt, was ich mag.“

Tom grinste und drückte Jake wieder seinen Schwanz gegen die Lippen. „Vielleicht möchte ich, dass du es herausfindest.“

Jake begriff den Hinweis. Er nahm Tom noch einmal in den Mund, erst nur ganz leicht, mit sanftem Druck, dann erhöhte er die Intensität und streifte Toms Schwanz mit den Zähnen.

Tom tastete hinter sich und packte Jakes Schwanz, wobei er sich wünschte, flexibel genug zu sein, um sich zurückzulehnen und den Gefallen zu erwidern, wie Cass es so oft für ihn getan hatte. Er spürte Hitze auf seiner Haut und wusste, dass sie dieses Spiel nicht lange durchhalten konnten.

Deshalb zog er sich aus Jakes Mund zurück und berührte dessen Lippen mit der Schwanzspitze. „Bist du unten?“

„Immer, zumindest bis jetzt.“ Jake streckte die Zunge heraus und leckte so leicht über Toms Schwanz, dass er die Augen verdrehte. „Ist das okay?“

Es war mehr als okay. Tom kletterte von Jake, rutschte auf Knien über das Bett zum Nachttisch und fummelte an der Schublade herum. Er zog sich ein Kondom über, benetzte seinen Schwanz mit Gleitgel und drehte sich um, um Jake entspannt und bereit für ihn vorzufinden. Tom ging seine Möglichkeiten durch. Getreu seinem Wort hatte Jake nicht getict, seit sie sich ausgezogen hatten. Es war schwer zu glauben, dass das derselbe frustrierte Kellner war, der im Lokal seine Fassung verloren hatte. Er hielt ihm die Hand hin, während er sich zurücklegte und ausstreckte. „Komm her.“

„Soll ich dich reiten?“

Verdammt, ja. „Yeah.“

Tom stützte sich auf die Ellbogen und beobachtete, wie sich Jake auf ihn setzte. Er nahm sich die Zeit, bis sich sein Körper entspannte. Toms Schwanz war dick und lang, und Jakes kurzes Unbehagen war ersichtlich, doch schließlich verflog es und er glitt allmählich derart auf ihm hinunter, bei der sich Toms Zehen einrollten.

Jake entspannte seine Muskeln, dann hob er sich so langsam an, dass Tom ein Stöhnen nicht unterdrücken konnte.

Jake grinste boshaft. „Gefällt dir das?“

Er knurrte. „Mach es nochmal.“

Jake gehorchte, und das war der Beginn des behäbigsten Ficks, den Tom je erlebt hatte. Zuerst legte er seine Hände mit einem klaren Bild vor Augen an Jake, einem Bild, bei dem Jake halb vornübergebeugt war und er in ihn stieß, vielleicht drückte er ihn sogar nach vorn mit dem Gesicht ins Kissen. Doch das geschah nicht. Jake ließ seine Magie wirken und mit jeder langen, langsamen Bewegung seiner Hüften fiel Tom tiefer und tiefer in etwas, das er nicht ganz verstand.

Tom nahm sein Gewicht von den Ellbogen und streckte die Arme über dem Kopf aus, packte die obere Bettkante und bog den Rücken durch.

„Du siehst gerade so heiß aus.“ Jake beugte sich vor und presste seine Brust gegen Toms, sein Schwanz war zwischen ihnen gefangen. „Sogar heißer, als ich mir vorgestellt habe.“

Tom stieß sein Becken nach oben. Beide japsten. „Ja? Du siehst selbst verdammt schön aus.“

Jakes Augen weiteten sich, als hätten Toms Worte einen Stromschlag durch ihn gejagt. Oder vielleicht war es etwas anderes. Mit seinen bebenden Schenkeln und der schweißglänzenden Haut schien Jake an der Schwelle der Erlösung zu stehen.

Tom riss sich zusammen und stieß nach oben, folgte dabei dem nervenzerfetzenden Rhythmus, bewegte aber seine Hüften und suchte den Winkel, der Jake grinsende Gelassenheit vernichten würde.

Er fand ihn beim dritten Mal.

Jake sank kraftlos auf ihm zusammen und stöhnte, dunkel und klagend. Tom grinste und legte Jakes Hand um seinen Schwanz. „Sorg dafür, dass du kommst.“

Jake zögerte. „Brauche ich nicht. Du machst das schon.“

Tom stieß härter zu und Jake gab nach, wichste sich, bis sein Schwanz noch einmal anschwoll und er über Toms Brust kam. „Oh Gott … Fuck.“

„Ja?“ Tom hob das Becken an, nahm jedes Anspannen und Verkrampfen von Jake um ihn herum in sich auf. Seine Welt schmolz zusammen auf die Dunkelheit, den sich auf ihm windenden Mann, dem Gefühl von heißer Haut auf Haut und dem schweren Geruch von Sex in der Luft. Dann krampfte die Lust seinen Unterbauch zusammen, vertrieb den Atem aus seinen Lungen und erzwang ein gutturales Stöhnen, das tief aus seinem Bauch kam.

Er kam mit einem Schrei, der von Jakes wildem Kuss erstickt wurde. Er erwiderte Jakes Umarmung, sie sanken in einem Durcheinander von unbeholfenen Händen und rauen, beißenden Küssen zusammen, die Art von Küssen, die er sich vorgestellt hatte, als er Jake zum ersten Mal gesehen hatte.

Als es vorbei war, lagen sie atemlos und erschöpft da. Jake zitterte, Tom angelte mit dem Fuß nach den zerknitterten Laken und zog die Bettdecke über sie. Jake brummte anerkennend. „Dein Bett riecht gut.“

Tom lächelte in die Dunkelheit und berührte die weiche Mähne aus dunklem Haar, die er schon ewig zu kennen glaubte. „Bleib eine Weile, wenn du magst.“

„Vorsichtig. Ich schlafe wie ein Murmeltier. Du wirst ein Nebelhorn brauchen, um mich zu wecken.“

Tom rieb Jakes Schulter. Er schlief nicht viel, hatte er noch nie, aber er kannte jemanden, der wie ein Toter schlief, sobald er zur Ruhe kam, und das war eine Eigenschaft, die er liebenswert fand. Er schloss die Arme um Jake und lauschte, wie sich sein ungewohntes Atmen beruhigte. Dann spürte er die schwachen Tics, die ihn durchliefen und merkte, wie seine Zuneigung zu ihm mit jedem Zittern und Zucken zunahm.

Jake war nicht der Mann, nach dem er sich in dieser Nacht in seinem Bett gesehnt hatte, aber obwohl er Cass so sehr vermisste, dass seine Brust schmerzte, fühlten sich Jakes schlanke Gliedmaßen, die sich um ihn schlangen, verdammt perfekt an.

DREI

Es war neun Uhr morgens am nächsten Tag, als Toms Telefon klingelte. Er tastete auf einem Stapel Papierkram auf seinem Schreibtisch danach, bereit, sich mit dem nächsten Lieferanten zu streiten, doch dann sah er das Foto des Anrufers auf seinem Display und sein Herz übersprang einen warmen, erfreuten Schlag.

Cass.

Tom lächelte und drückte auf den Lautsprecherbutton. Cass war der Hauptküchenchef in ihrem Flaggschiffrestaurant, sein Geschäftspartner, Lover und Seelenverwandter in den letzten neun Jahren. „Morgen, Schöner.“

„Morgen.“

„Alles in Ordnung mit dir?“

Cass brummte kehlig und tief zur Antwort, als wäre er gerade erst aufgewacht. „Du hast etwas Hübsches in deinem Bett liegen lassen.“

Toms Grinsen wurde breit, als er auf die Uhr sah. Cass hatte die Nacht in ihrer Wohnung über dem Pippa’s verbracht, ihrem Restaurant in Shepherd’s Bush, und, wenn er nicht musste, war er nicht unbedingt ein Frühaufsteher. Was machte er also so früh in Hampstead? „Sehr lustig. Woher weißt du das? Ich dachte, du fährst heute Morgen sofort zum Haus, nachdem du die Vorräte aufgefüllt hast.“

„Ich konnte nicht schlafen. Stattdessen habe ich letzte Nacht die Vorräte erledigt. Das ist produktiver als Schafe zählen, nicht wahr?“ 

„Da rennst du bei mir offene Türen ein.“ Tom lehnte sich in seinem Stuhl zurück und streckte sich, um die Verspannungen in seiner Wirbelsäule zu lösen. Seine eigene Unfähigkeit, nach Sonnenaufgang zu schlafen, war hauptsächlich der Grund dafür, dass er Jake allein in seinem Bett schlafen ließ.

Tom stand auf und ging zum Fenster. Er fühlte sich leichter, wie immer, wenn er Cass erzählte, dass er mit einem anderen Kerl zusammen war. Ihre Beziehung war für viele mysteriös, aber für sie funktionierte sie. Sie teilten ihr Leben und fickten von Zeit zu Zeit mit anderen. Das änderte nichts an der Tatsache, dass sie sich abgöttisch liebten.

„Also, wer ist der süße Kerl, den du für mich im Bett liegenlassen hast?“

Tom antwortete nicht sofort auf Cass’ aufreizende Frage. Hübsch traf es nur zur Hälfte. Er hatte Jake stundenlang beim Schlafen beobachtet, war seine Tattoos nachgefahren, hatte seine Tics gezählt und seine fragile Schönheit bewundert. Cass war der einzige Mann, der ihn jemals so vollständig verzaubert hatte … und so schnell.

„Erde an Tom?“ Cass gluckste, und sogar durch das Telefon fühlte Tom seine Gegenwart wie eine zweite Haut. Er hatte das dreckigste Gelächter auf dem ganzen Planeten. „Klingt, als wäre er etwas Besonderes. Schade, dass er nicht hiergeblieben ist, damit ich das selbst entdecken kann.“

„Er ist weg?“