Mit Blut bezahlt - G.F. Barner - E-Book

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G. F. Barner

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Beschreibung

Begleiten Sie die Helden bei ihrem rauen Kampf gegen Outlaws und Revolverhelden oder auf staubigen Rindertrails. G. F. Barner ist legendär wie kaum ein anderer. Seine Vita zeichnet einen imposanten Erfolgsweg, wie er nur selten beschritten wurde. Als Western-Autor wurde er eine Institution. G. F. Barner wurde als Naturtalent entdeckt und dann als Schriftsteller berühmt. Seine Leser schwärmen von Romanen wie "Torlans letzter Ritt", "Sturm über Montana" und ganz besonders "Revolver-Jane". Der Western war für ihn ein Lebenselixier, und doch besitzt er auch in anderen Genres bemerkenswerte Popularität. Bell Moore fällt das schwarze Haar lang in den Nacken. Sie wendet den Kopf und sieht zu Joe, der in der Mitte auf dem Sitz hockt und starr geradeaus blickt. Dann wandert ihr Blick weiter zu Old Faith Moore, ihrem Vater. Sie erkennt die Freude nur an den Fältchen um seine Augen, denn sein übriges Gesicht wird fast völlig von dem Bart bedeckt. Als sie ihre Hand auf Joes Unterarm legt, geht Joes Kopf sofort herum. Der Blick kommt aus weiter Ferne zurück, und Joes Mund verzieht sich. Er hat sehr helle Augen, ein Erbteil seines Vaters. Dazu ist er braungebrannt. Niemand sieht diesem großen, breitschultrigen Mann seine zweieinhalb Jahre Jail an. Es war für sie beide eine Überraschung, ihn so gesund und ruhig wiederzusehen. Manchmal hat sie ihn zornig gesehen, aber niemals so zerbrochen wie an jenem Tag, an dem das Unglück mit Patsy Baker geschah. Joe Moore, der Mörder, lächelt. »Ist fein«, sagt Old Faith mit seiner kratzenden Stimme, »wenn man dich so sitzen sieht, Junge. Macht es dir wenigstens Spaß, einen Wagen zu fahren?« »Natürlich, Vater, vielleicht ist es besser so, daß du mein Pferd zu Hause gelassen hast. Was macht Tude, warum ist er nicht mitgekommen?« »Dein Bruder ist fünfzehn Jahre alt… Ich dachte, er sollte dich zu Hause begrüßen. Und dann…, jemand muß ja zu Hause bleiben, um auf das Vieh zu achten. Wie…, ich meine…, war es auszuhalten?« »Es war eine Erholung, Vater. Keine Rinder hüten, keine Arbeit auf der Ranch… Nun ja, es war auszuhalten.« Der Alte lächelt. Er kennt seinen

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G.F. Barner – 109–

Mit Blut bezahlt

… und alte Schuld getilgt

G. F. Barner

Bell Moore fällt das schwarze Haar lang in den Nacken. Sie wendet den Kopf und sieht zu Joe, der in der Mitte auf dem Sitz hockt und starr geradeaus blickt. Dann wandert ihr Blick weiter zu Old Faith Moore, ihrem Vater. Sie erkennt die Freude nur an den Fältchen um seine Augen, denn sein übriges Gesicht wird fast völlig von dem Bart bedeckt.

Als sie ihre Hand auf Joes Unterarm legt, geht Joes Kopf sofort herum. Der Blick kommt aus weiter Ferne zurück, und Joes Mund verzieht sich.

Er hat sehr helle Augen, ein Erbteil seines Vaters. Dazu ist er braungebrannt. Niemand sieht diesem großen, breitschultrigen Mann seine zweieinhalb Jahre Jail an. Es war für sie beide eine Überraschung, ihn so gesund und ruhig wiederzusehen. Manchmal hat sie ihn zornig gesehen, aber niemals so zerbrochen wie an jenem Tag, an dem das Unglück mit Patsy Baker geschah.

Joe Moore, der Mörder, lächelt.

»Ist fein«, sagt Old Faith mit seiner kratzenden Stimme, »wenn man dich so sitzen sieht, Junge. Macht es dir wenigstens Spaß, einen Wagen zu fahren?«

»Natürlich, Vater, vielleicht ist es besser so, daß du mein Pferd zu Hause gelassen hast. Was macht Tude, warum ist er nicht mitgekommen?«

»Dein Bruder ist fünfzehn Jahre alt… Ich dachte, er sollte dich zu Hause begrüßen. Und dann…, jemand muß ja zu Hause bleiben, um auf das Vieh zu achten. Wie…, ich meine…, war es auszuhalten?«

»Es war eine Erholung, Vater. Keine Rinder hüten, keine Arbeit auf der Ranch… Nun ja, es war auszuhalten.«

Der Alte lächelt. Er kennt seinen Jungen, der redet nie, wenn er etwas verschweigen muß, was hart für ihn gewesen ist.

»Was wirst du anfangen, Joe? Ich dachte, die erste Zeit bleibst du zu Haus und hilfst mir ein wenig. Es gibt eine Menge Arbeit, früher, schicktest du schon mal einen Mann von…«

Er verstummt jäh und beißt sich auf die Lippen.

»Red ruhig weiter, Vater«, murmelt Joe ruhig. »Früher war ich auch Bakers Vormann, ich konnte dir ab und zu einen Mann schicken, der dir half. Sicher, das ist vorbei, ich werde mir irgendwo eine Arbeit suchen, aber zuerst… Ich möchte Mensch sein, keine Nummer. Bell, noch immer keinen Mann?«

Ihr schwarzes Haar fliegt zurück.

»Was soll ich mit einem Mann? Sie sind alle gleich schlecht, trinken und fluchen.«

»Ich trinke nicht mehr.«

Der Alte verliert seine Pfeife aus dem Mund, Bell dreht sich ihm ruckhaft zu.

»Du machst was…?«

»Ich trinke nicht mehr. Das Jail war der richtige Aufenthalt für einen Mann, der jeden Tag seine Flasche Whisky haben mußte, Bell.«

»Gott sei Dank!«

Bell senkt den Kopf, und nun ist es doch da, was sie alle zu umgehen versuchten und nicht anschnitten.

Jeder denkt an den Tag, an dem Patsy Baker gestorben ist, ihr zerschmetterter Körper leblos unter dem Baum gelegen hat.

»Junge, du hast ja zweieinhalb Jahre für etwas bezahlt… Ach, reden wir gleich und richtig darüber. Was sagst du, Joe?«

»Gibt es darüber noch etwas zu reden, Vater? Ich habe jemanden umgebracht und…«

»Du nicht!« sagt der Alte zornig. »Du konntest nie ein halbes Kind umbringen, ausgerechnet ein Mädchen. Es war der verflixte Baum, der verkehrt gefallen ist. Und eigentlich…, ich habe nachgedacht… es ist Noels Schuld.«

»Wie kommst du darauf, Vater?«

»Na, er wollte den Kahlschlag noch kahler haben. Keiner war mehr da, nur du allein mit ihm. Warum sagt er dir denn auch, daß du den Baum umlegen sollst? Ein Mann allein an einem großen Baum, das ist doch Irrsinn. Aber Befehle konnte er ja immer schon geben, was?«

»Vater, es war allein meine Schuld. Jeder weiß, daß ich ihn mit dem Seil anders spannen mußte, damit er nicht auf den Weg fiel. Ich hatte getrunken. Laß das alte Thema fallen.«

»Ich bin dein Vater, wie? Wenn jemand stolz auf dich gewesen ist, dann ich. Ich lasse meinen Jungen keinen gemeinen Mörder nennen. Diese verdammten Narren… Solange du da warst und nichts passiert war, da waren sie um dich herum. Und jetzt…, was meinst du, was jetzt sein wird?«

»Das will ich gar nicht wissen.«

»Ich kann es dir aber sagen, Junge. Sie werden…«

»Vater«, sagt Bell angstvoll. »Nun sei doch endlich still. Joe wird es vergessen wollen und hat sicher keinen Spaß daran…«

»Ich halte ja schon den Mund.«

»Wie geht es Mrs. Baker und den anderen?« will Joe wissen.

Mit einem Schlag ist auch der letzte Rest einer freudigen Willkommensstimmung dahin. Die Verwandlung der beiden ihm am nächsten stehenden Menschen ist so deutlich, daß Joe Moore sie sofort bemerkt und die Zügel anzieht.

Er ist nun so nahe an Two Guns, daß er die Stadt und ihre Häuser deutlich ausmachen kann. Keine Meile mehr, dann sind sie da und werden hinter der Stadt den Seitenweg zum Anderson Canyon nehmen, in dem die Moores ihr Anwesen haben.

Der Wagen hält, und Joe blickt erst seinen Vater und dann Bell an.

»Was ist bei den Bakers passiert, während ich im Jail saß?«

»Sie ist tot.«

»Tot? Aber…, sie war doch eine kräftige und gesunde Frau. Woran ist sie gestorben?«

Der alte Faith schluckt schwer.

»Du wirst es ja doch erfahren«, sagt er. »Junge, sie hat sich das Leben genommen.«

Jeder Blutstropfen weicht aus Joe Moores Gesicht.

»Sich umgebracht? Mein Gott, warum läßt du das…«

»Sie… sie hat an Patsy eben zu sehr gehangen«, stammelt der alte Mann neben ihm. »Es war ja auch so ein blondes, freundliches Mädel und… Junge, was kannst du denn dafür?«

»Nichts, wahrscheinlich nichts«, erwidert Joe, und die Farbe kehrt wieder in sein Gesicht zurück. »Es ist nur der Schreck, weiter nichts. Jetzt verstehe ich, warum mich diese Stadt wie einen Aussätzigen behandeln wird. Wann ist es geschehen?«

»Drei Monate; nachdem sie dich eingesperrt hatten, Junge. Das war, als ich zuletzt mit Noel geredet habe. Er sagte mir, daß du es besser nicht erfahren solltest, daran habe ich mich gehalten. Nimm mir das nicht übel, es ist sicher zu deinem Besten gewesen, Junge.«

»Wie ist es gekommen?«

»Es hatte geregnet, die Bäche waren voll von Wasser. Das Wetter schwül, Gewitter lag in der Luft. Sie hat immer seit Patsys Tod vor ihrem Bett gesessen und hielt sich die meiste Zeit in ihrem Zimmer auf. Als dann das Gewitter kam, da ist sie hinausgegangen. Vielleicht hat es am Wetter gelegen, ich weiß es nicht. Sie ging bis zum Anderson Creek. Du weißt ja, wo die Felsen über den sonst meist trockenen Bachlauf ragen… Etwa vierhundert Schritte hinter der Ranch. Nun ja, und dort oben hat man ihre Schuhe gefunden. Sie muß sie ausgezogen haben und ist dann nach unten… Sie fanden sie im Gewirr einiger umgestürzter und in den Bach gefallener Bäume. Das reißende Wasser hatte sie dort angespült.«

»Und…, ich meine, wie haben es die anderen aufgenommen, Vater?«

»Die Mannschaft…, du weißt es ja selber, daß jeder Mann an ihr gehangen hat, sie war eine vernünftige und herzensgute Frau, das Gegenteil von Noel, sage ich. Die Mannschaft ist ziemlich wild geworden. Sie wollten mir das Haus…«

»Vater, es ist doch nichts passiert, wozu soll Joe es wissen?« mischt sich Bell ein. »Das war doch nichts, Vater.«

»Ich will alles wissen, ich glaube, ich habe ein Recht darauf«, sagt Joe hart. »Vater, was wollten die Männer?«

»Sie wollten mir das Haus anstekken, das gehört ja uns, aber sie waren noch nicht ganz mit mir fertig, als Sid kam.«

»Mit dir fertig? Was soll das heißen, Vater?«

»Sie…, nun, sie waren ziemlich wild und hatten alle getrunken. Und dann hatten sie mich, und ich bin ja ein alter Mann, die Burschen brauchten nicht lange, um mich auf den Boden zu werfen. Sid kam mit einer Schrotflinte und schlug drei der Männer nieder. Er hat sie davongejagt, dann ist er hereingekommen, hat mich aufgehoben und sich aus dem Faß zwei Becher Whisky abgefüllt. Er sagte kein Wort, Joe, es war schrecklich. Er trank die beiden Becher Whisky wie Wasser aus. Dann hat er gelacht, daß ich glaubte, jetzt würde er auch verrückt, Junge. Lachend hat er sich auf sein Pferd gesetzt und ist weggeritten. Und niemals wiedergekommen.«

Joel blickt Bell an, die ihr Taschentuch vor den Mund preßt und deren große Augen ihn entsetzt ansehen.

»Er ist fortgegangen, fort von der Ranch, fort von seinem Zuhause. Sie… Sie haben ihn in der Navajo-Reservation gesehen. Er soll dort…«

»Vater, was macht er in der Navajo-Reservation?«

»Er soll drüben in Utah in den Kampf mit den verrückten Mormonen verwickelt gewesen sein. Die Leute sagen, er sei verrückt und trage seine Revolver nur noch, damit er Leute umbringen kann. Er soll ein halbes Dutzend Männer getötet haben. In der Indianer-Reservation ist er so was wie Ordnungshüter, sagt man. Er soll sich um die Banditen kümmern, die manchmal in die Reservation kommen und dort die Indianer bestehlen. Früher war es mal umgekehrt, da bestahlen die Indianer uns. Na schön, die Zeiten ändern sich. Mit ’ner Indianerin soll er so gut wie verheiratet sein.«

»Hm, so ist das also.«

»Er war doch mal dein Freund, was?« fragt der alte Faith. »Stell dir vor, Noel hat Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt, um seinen Jungen wiederzubekommen, Sid soll ihn ausgelacht haben. Bell, was hast du denn?«

»Was soll sie schon haben, schließlich sind wir alle zusammen in eine Schule ein paar Jahre gegangen«, sagt Joe knapp. »Sid…, er war ein feiner Bursche, wirklich. Bell, nimm dich zusammen!«

»Ja, Bruder, ja.«

»Gut, fahren wir weiter, ich will nichts mehr über die Bakers hören, Vater, nichts mehr.«

Er nimmt die Zügel wieder hoch und fährt scharf an. Diesmal benutzt er die Peitsche.

Vor einigen Jahren haben sie ihn einen halben Indianer genannt. Er war der beste Rindermann im ganzen County und hatte eine Zukunft als Noel Bakers Vormann.

Er ist hart, vielleicht ist er manchmal stoisch hart im Ertragen von Dingen. Wahrscheinlich macht das das Blut seiner Großmutter, die eine echte Navajo-Indianerin gewesen ist. Er hat sie nie gekannt, auch seinen Großvater nicht.

Er lenkt den Wagen mit harten Händen auf die Stadt zu, sieht gleich darauf die ersten Häuser und will durchfahren, als der alte Faith sagt:

»Sohn, ich brauche noch ein paar Kleinigkeiten aus Johns Store. Willst du vor ihm halten?«

»Ja«, sagt Joe. »Ich sehe eine Menge Klapperschlangen. Ich wußte nicht, daß es so viel Verwandtschaft zwischen Schlangen und Menschen geben kann.«

Er hält auf den Vorbau rechts zu.

Links liegt der Saloon von Esmeldo, einem Mischling. Dort starren Gesichter aus den Fenstern, blicken Augen über die Schwingtüren hinweg. Im anderen Saloon links ist es nicht anders. Hinter den Fenstern der Häuser stehen Menschen, und die Straße ist wie tot. Nur ein Wagen steht links vor dem Haus des Doc.

In dem Wagen liegt eine Schrotflinte, er kann die Läufe über den Kasten ragen sehen. Den Wagen kennt er auch und den Brand an den Pferden.

Das Pinp-Pinp des Hammers, das von der Schmiede her gerade noch erklungen ist, schweigt jetzt. Also blickt auch der Schmied zu ihm hin. Es ist heiß ins Arizona.

Heute haben sich die Menschen in Schlangen verwandelt. Und ich bin beinahe sicher, daß sie genügend Gift aufgespeichert haben, um mich mit ihm umzubringen, denkt Joe.

Sein Vater steht auf, als er den Wagen anhält und sich vorbeugt, um die Leinen festzubinden. Sie halten genau vor dem Store von John Liehrs neben dem gleich der Saloon liegt.

Dort sehen auch einige Männer auf den Wagen, aber keiner sagt etwas. Bevor er hier gewesen ist, sind sie sich alle einig gewesen.

Old Faith steigt ächzend ab. Er sieht diese Leute und denkt:

Joe sagt, daß sie Schlangen sind. Er hat sicher recht. Sie könnten herauskommen und zischeln, aber sie werden sich hüten. Solange sie ihn nicht sehen konnten, da war ihr Mut so viel wert wie ein ganzes Hundert wilder Löwen. Jetzt kläffen sie nicht einmal wie Hunde, wie kleine Pinscher mit Stummelschwänzen und abstehenden Ohren. Sie haben ihn gesehen und die Hosen wieder voll, genau wie früher. Es kommt keiner, wetten?

»Ich bin gleich wieder da«, sagt er. »Es dauert gewiß nicht lange, Junge.«

»Ich komme mit, ich brauche auch einige Kleinigkeiten«, sagt Joe und springt ab.

»Bleib nur da oben, Schwester!«

Sie gehen beide nebeneinander auf die Tür des Stores zu, die immer offen ist. Store und Saloon bilden eine Einheit, nur getrennt durch eine Tür. Und da John Liehrs die meiste Zeit in seinem Saloon zu tun hat, so hat er über der Tür eine richtige Glocke angebracht, an deren Klöppel eine Lederschnur befestigt ist. Tritt nun jemand in den Store ein, so braucht er nur zu bimmeln, und John wird gleich darauf seine Dienste als Storehalter mit einer Saloonbesitzerschürze vor dem Bauch anbieten.

Old Faith greift nach dem Leder und bimmelt.

Joe geht zum Tresen, lehnt sich an.

»Ich brauche ein neues Handtuch, Seife, Rasierzeug und etwas Tabak«, murmelt Joe. »Willst du einige Zigarren, Vater?«

»Hast du denn überhaupt Geld, Junge?«

»Genug, Vater. Na, wo bleibt John denn? Läute noch einmal, Dad!«

Der Alte stiefelt auf die Schnur zu, schlenkert sie und kommt wieder zurück.

»Ich sehe nach, Vater. Wenn es wirklich so ist, dann ist es jetzt genau die Zeit, um einige Dinge gleich zu klären. Warte hier, ich gehe schon.«

»Aber, Junge, das gibt Ärger.«

»Dann ist es mein Ärger. Ich will sehen, wer von den Burschen das Maul aufreißt und mich anspucken will. Bleib du nur schön hier, dies ist meine Sache, wir haben lange genug gewartet. Ich werde feststellen, warum John nicht kommen will.«

Der alte Mann seufzt und nickt.

*

Die Tür geht auf. Und weil Donovan mit dem Rücken zur Storetür steht, kann er nur raten. Allerdings ist das Rätsel leicht zu lösen, denn auf einmal blicken alle Männer entweder durch die Decke zum Mond, den sie doch nie sehen werden, jedenfalls nicht an diesem Tag, oder sie blicken in ihre Gläser, als wenn sie einige darin schwimmende Fliegen suchen.

Donovan fühlt, daß ihm jemand in den Nacken sieht, er hat ein Messer in der Hand und wendet langsam den Kopf.

An der Tür zum Store steht Joe Moore und sieht kühl über die Männer hinweg.

»Hallo«, sagt Joe schleppend. »Was tust du denn mit einem Revolver, John? Hallo, Jim!«

Jim Donovan brummt vor sich hin.

John Liehrs legt den Revolver auf die Platte und lächelt.

»’n Tag, Joe«, sagt er. »Freut mich, daß du wieder hier bist. Ich hatte eine kleine Meinungsverschiedenheit mit Donovan, sie ist aber schon vorbei. Jim, erinner dich, daß ich etwas gesagt hatte. Du kannst mir keine Vorschriften machen.«

Jim Donovan kocht vor Wut. John Liehrs macht keine Anstalten, Joe Moore hinauszuweisen.

»John«, sagt Joe, »ich brauche einige Dinge, mein Vater auch. Kannst du mitkommen?«

»Ja, wenn ich dir einen Drink spendiert habe. Nimmst du einen?«

Joe Moore blickt sich um. Donovan geht an den Tresen und sieht John fürchterlich an. John grinst nur höhnisch.

»Nur einen, nicht mehr, ich trinke wenig«, sagt Joe. »Wer hat denn das schöne Loch in der Wand gemacht?«

»Wenn du nichts dagegen hast, ich«, meldet sich Donovan grollend und rammt sein Messer in die Scheide am Gurt. »Willst du wissen, warum?«

Joe Moore lächelt.

»Das brauchst du nicht zu sagen, ich weiß es schon. Du hast John ein wenig daran hindern wollen, mir etwas zu verkaufen, wie? Dein Messer fliegt ja immer ziemlich schnell durch die Gegend.«

»Na und? Ich bin der Meinung, daß du hier bei anständigen Menschen nichts verloren hast und er dir nichts ausschenken und nichts verkaufen darf. Hast du gehört, du Baum­absägernarr?«

»Dich würde ich im Schlaf noch hören, Jim«, erwidert Joe trocken. »Du bist wieder mal mächtig wütend, wie? Nun, ich will keinen Streit haben. John, schütt uns zwei Gläser ein. Ist sonst noch jemand da, der mich nicht sehen will?«

Keiner rührt sich. Es bleibt still.

Donovan fühlt siedend heiße Wut in sich aufsteigen. Diese Kriecher, diese Speichellecker, denkt er, da schreien sie vorher, daß sie ihn nicht sehen wollen. Jetzt ist er da, und was machen sie? Sie kriechen vor ihm.

Liehrs schüttet zwei Gläser ein. Und dies aus einer Flasche, von der Donovan nur zu träumen wagt, so alt ist der Whisky.

»John«, sagte er schnaufend. »Du gibst diesem Mörder keinen Whisky. Was ist das für ein Stoff?«

»Einer, den du nie von mir bekommen wirst, Dicker«, erwidert John Liehrs. »Wenn du mir noch einmal drohst, dann erlebst du was. Raus aus dem Saloon, Jim!«

»Ich… ich werde dir was. Du wirst nicht mit diesem Mörder trinken, du wirst nicht…«

»Dann wollen wir«, sagt Joe

Moore. »Eine gute Idee von dir, John. Meine alte Sorte Whisky, die ich mir nur einmal im Jahr zu Weihnachten leisten konnte. Nun?«

Er hebt sein Glas an und trinkt John zu, der gemächlich sein Glas leert und dabei Donovan spöttisch angrinst.

»Du Baumzapfen, du verfaulter«, faucht Donovan. »Einen Mörder, der im Zuchthaus gesessen hat, der dieses Girl absichtlich umbrachte, weil sie zuviel über ihn und ihre Schwester…«

Im nächsten Augenblick rammt Joe Moores krachende Rechte Donovans Kinn. Donovan fällt der Länge hintenüber und kracht dann unter einem donnernden Geräusch zu Boden.

Ganz ruhig blickt Moore hoch, hat die rechte Faust ein wenig erhoben und starrt über sie hinweg die Männer an. Jetzt haben sie keine Schlangenaugen mehr, sie gleichen mehr toten Heringen,

»Er redet zuviel«, gibt Joe von sich. »Jetzt kannst du mir noch einen Drink geben, John.«

»Ba… Batavia und Jericho«, stottert der brave John. »Mit einem Donner ist er umgefallen. Wie hast du das gemacht, Joe?«

»Ich wollte mal sehen, wie schön er umfallen kann, John. Gib mir jetzt noch einen Drink, dann komm mit nach drüben.«