Mit jedem Kuss will ich dich mehr - Robyn Grady - E-Book

Mit jedem Kuss will ich dich mehr E-Book

Robyn Grady

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Beschreibung

Darf ein Mann so sexy sein? Regen rinnt über Wynn Hunters markantes Gesicht, und als er sie küsst, schnellt Graces Puls in die Höhe. In einer Häusernische haben sie Schutz vor dem Unwetter gefunden - aber wer schützt Grace vor dem Wechselbad der Gefühle, in das jedes Date mit Wynn sie stürzt? Nur eine leidenschaftliche Nacht hatte sie mit ihm verbringen wollen. Dann entdeckt sie, dass sie sich aus Kindertagen kennen - und dass sie beide eine Liebe tragisch verloren haben. Doch gerade als Grace ein neues Glück wagen will, reißt ein Skandal alte Wunden wieder auf …

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Seitenzahl: 204

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IMPRESSUM

BACCARA erscheint in der HarperCollins Germany GmbH

Redaktion und Verlag: Postfach 301161, 20304 Hamburg Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0 Fax: +49(0) 711/72 52-399 E-Mail: [email protected]
Geschäftsführung:Thomas BeckmannRedaktionsleitung:Claudia Wuttke (v. i. S. d. P.)Produktion:Jennifer GalkaGrafik:Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto)

© 2014 by Robyn Grady Originaltitel: „One Night, Second Chance“ erschienen bei: Harlequin Books, Toronto in der Reihe: DESIRE Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe BACCARABand 1899 - 2015 by HarperCollins Germany GmbH, Hamburg Übersetzung: Anja Weiligmann

Abbildungen: Harlequin Books S.A., alle Rechte vorbehalten

Veröffentlicht im ePub Format in 11/2015 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783733721534

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BIANCA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL, TIFFANY

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PROLOG

Grace Munroe stand mit dem Rücken zum deckenhohen Badezimmerspiegel und schlüpfte aus ihrem Kleid. Sie streifte BH und Slip ab und kickte die High Heels von den Füßen, ehe sie sich in ein weiches Badetuch wickelte. Als sie die Tür zum Schlafzimmer erreichte, schreckte sie allerdings zurück.

Stockend atmete sie tief ein.

Du bist erwachsen, du willst das.

Entspann dich.

Einen Augenblick später betrat sie einen Raum, der nur von einer großen Stehlampe beleuchtet wurde. Sie ging zum Bett, ließ das Badetuch zu Boden sinken und streckte sich auf der weichen Matratze aus, als jemand im Türrahmen erschien. Nie zuvor war sie in einer solchen Situation gewesen – und würde es wohl auch nie wieder sein. Aber jetzt und hier wollte sie es. Und wie.

Sie wollte ihn.

Während er auf sie zukam, zog er sich das Hemd über den Kopf und öffnete seinen Gürtel. Als er sich über sie beugte und ihr über eine Brustwarze leckte, wurde ihr schwindelig.

„Ich würde gerne deinen Namen wissen“, murmelte er.

Sie zuckte nicht zusammen, sondern lächelte nur. „Und ich würde dich gern ein bisschen intensiver spüren.“

Ihr Abend hatte mit einem Spaziergang begonnen, um den Kopf freizubekommen. Seit ihrer Rückkehr nach New York wurde sie von Erinnerungen und Zweifeln geplagt. Als sie an einer Pianobar vorbeigegangen war, hatte sie angenehme Klaviermusik gehört. Kurz entschlossen war sie hineingegangen und hatte sich einen Tisch gesucht.

Ein gut aussehender Mann in einem maßgeschneiderten Jackett war neben ihr stehen geblieben, die Art Mann, nach der Frauen sich umdrehen. Ihr war aber nicht nach Gesellschaft zumute gewesen, deshalb wollte sie ihn eigentlich abblitzen lassen.

Zu ihrer Überraschung machte er nur einen beiläufigen Kommentar zur Musik, nippte an seinem Drink und ging dann weiter. Etwas an seinem Lächeln ging ihr nicht mehr aus dem Kopf und sorgte für ein Kribbeln in ihrem Bauch.

Sie rief ihm hinterher, ob er sich nicht zu ihr setzen wollte. Zehn Minuten nur, länger wollte sie gar nicht bleiben. Er sah sie an und begann sich vorzustellen, doch sie unterbrach ihn mit einer Handbewegung. Sie hatte keine Lust auf die Geschichten anderer Leute. Er runzelte kaum merklich die Stirn, dann prostete er ihr zu.

Zwanzig Minuten lang lauschten sie schweigend der Musik. Als der Pianist eine Pause machte, beschloss sie zu gehen. Aber als sie aufstand und sich verabschiedete, sagte der Fremde, er wolle auch gehen.

Sie verließen die Bar und gingen wie selbstverständlich zusammen weiter, während sie über Musik und Sport, Essen und das Theater sprachen. Es ließ sich gut mit ihm reden – und lachen. Sein Lächeln und seine Stimme hatten etwas Vertrautes. Als sie vor dem Haus ankamen, in dem er wohnte, fragte er sie, ob sie noch mit hereinkommen wolle. Grace fühlte sich weder verpflichtet noch unsicher. Sie ging mit ihm.

Jetzt, da sie in seinem Bett lag und er sie küsste, bereute sie nichts. Dennoch entsprach dieses Verhalten so gar nicht ihrer Persönlichkeit. Aber war es nun ein Fortschritt oder eher eine Flucht?

Vor einem Jahr hatte sie noch in einer Beziehung gelebt. Sam war ein Feuerwehrmann mit vielen Auszeichnungen, der seine Eltern liebte und viel für die Nachbarschaft tat. Kein Aufwand war ihm für seine Familie oder seine Freunde zu groß. Er hatte sie aufrichtig geliebt und ihr eines Nachts einen Antrag gemacht. Auch jetzt noch, zwölf Monate später, durchlebte sie diesen Augenblick immer wieder.

Aber nicht in diesem Moment.

Als die Zunge des Fremden in ihren Mund eindrang, spürte sie ein Verlangen erwachen, das viel zu lange geschlummert hatte. Sie fühlte sich zu diesem Mann hingezogen, sexuell, intellektuell und auf noch einer Ebene, die sie nicht ganz greifen konnte. Gerne hätte sie ihn wiedergesehen, aber das war unmöglich. Hier ging es nur um die explosive Mischung aus Instinkten und sexueller Anziehung.

Ein One-Night-Stand.

Und das musste es auch bleiben.

1. KAPITEL

„Ist sie nicht wunderschön?“

Wynn Hunter warf dem älteren Mann neben sich ein anzügliches Grinsen zu. „Ich sag’s ja nur ungern, aber diese Brautjungfer ist ein bisschen zu jung für dich.“

„Das hoffe ich doch wohl.“ Brock Munroe straffte die Schultern. „Sie ist schließlich meine Tochter.“

Wynn erstarrte. Sein Verstand brauchte etwas, um die Information zu verarbeiten, dann dämmerte ihm, welche von Brocks drei Töchtern sie war. „Das ist Grace?“

„Sie ist erwachsen geworden, nicht wahr?“

Brock brauchte nicht zu erfahren, wie erwachsen sie tatsächlich war.

Hätte Wynn vor drei Nächten gewusst, dass die schöne Fremde Brocks Tochter war, hätte er sie nie in sein Apartment an der Upper East Side mitgenommen. Nicht aus Respekt vor Brock, sondern weil er Grace Munroe schon als Kind gekannt hatte. Und er hatte sie nicht ausstehen können.

Brock war ein langjähriger Freund seines Vaters Guthrie Hunter, dem australischen Medienmogul und Oberhaupt von Hunter Enterprises, und die kleine Grace hatte Wynn in seiner Kindheit regelmäßig zur Weißglut getrieben.

Wie konnte es sein, dass er den besten Sex seines Lebens ausgerechnet mit dieser Göre – oder besser gesagt: mit dieser Frau – erlebt hatte?

„Das Aussehen hat Grace von ihrer Mutter, so wie meine beiden anderen Töchter auch“, fuhr Brock fort, während die Musik und das weiche Licht geschickt gesetzter Strahler den hochzeitlich dekorierten Ballsaal an der Park Avenue durchfluteten. „Erinnerst du dich an unseren gemeinsamen Familienurlaub damals in Colorado? Das waren tolle Weihnachten.“

Brock und Guthrie Hunter hatten sich bei einem Ski-Urlaub der Absolventen der Sydney University kennengelernt und waren im Laufe der Jahre immer in Kontakt geblieben. Als die Munroes und die Hunters zwei Jahrzehnte später zusammen Ferien machten, war Wynn gerade acht geworden.

Jedes Mal, wenn er mit seinen beiden älteren Brüdern draußen vor dem gemeinsamen Chalet der Familien einen Schneemann bauen wollte, hatten Grace und seine jüngere Schwester Teagan sich zusammengetan, um ihn wieder kaputtzumachen. Damals hatte seine wunderbare Mutter noch gelebt und ihm erklärt, dass die sechsjährigen Mädchen es nur getan hatten, um mitzuspielen. Um dazuzugehören.

Inzwischen leitete Wynn Hunter Publishing, den New Yorker Zweig von Hunter Enterprises. Bis vor Kurzem war er noch stolz darauf gewesen, in jeder Situation umgänglich und locker zu bleiben. Es war selten vorgekommen, dass er, wie an jenem lange zurückliegenden Weihnachtstag, die Beherrschung verlor. Damals, in den gemeinsamen Ferien, hatte Grace ihm ein Bein gestellt und sich dann vor Lachen nicht mehr eingekriegt, als er kopfüber im Schnee gelandet war – und mit der Stirn gegen einen Stein unter dem Schnee geprallt war. Er hatte rot gesehen. Während Grace immer noch lachend und mit wehenden Zöpfen ins Chalet lief, hatte sein Bruder Cole ihn mit aller Gewalt festhalten müssen.

So viele Jahre waren seitdem vergangen, und dennoch konnte sich Wynn nicht erinnern, dass ihn jemals wieder jemand so aufgebracht hatte wie dieses mopsgesichtige Gör.

Graces dünne Zöpfe hatten sich inzwischen allerdings zu einer weizenblonden Mähne ausgewachsen, und ihre dürren Streichholzbeine hatten sich zu äußerst wohlgeformten Fesseln – und Schenkeln – entwickelt. Er rief sich die Nervensäge von damals in Erinnerung, die ihn ohne Unterlass geärgert hatte, und dachte dann daran, wie weich ihr Mund gewesen war, als sie sich in dieser magischen Nacht geliebt hatten. Als sie in der Pianobar an der Upper East Side ein Gespräch begonnen hatten, hatte Grace unmöglich wissen können, wer er war.

Oder doch?

„Wie geht’s deinem Vater, wie stehen die Dinge in Australien?“, fragte Brock, während Grace mit dem Trauzeugen zwischen anderen Paaren der Hochzeitsgesellschaft tanzte. „Wir haben vor ein paar Monaten telefoniert. Diese Sache mit den Morddrohungen ist ja unglaublich.“ Brock verschränkte die Arme vor der Brust und schüttelte den Kopf. „Hat die Polizei inzwischen einen Verdacht, wer dahinterstecken könnte?“

Während Wynn die Augen nicht von Graces wohlgeformtem Hintern in ihrem sexy roten Cocktailkleid abwenden konnte, brachte er Brock auf den aktuellen Stand der Dinge.

„Ein paar Wochen, nachdem Dads Wagen von der Straße gedrängt worden war, hat jemand versucht, ihn zu erschießen. Glücklicherweise hat er ihn verfehlt. Als Dads Bodyguards den Schützen zu Fuß verfolgten, ist das Schwein vor ein Auto gelaufen. Er hat es nicht überlebt.“

„Aber gab es kurz danach nicht noch ein Attentat?“

„Ja.“ Als Wynn sich an das Telefonat mit seinem aufgebrachten Bruder Cole erinnerte, spürte er einen Stich in der Brust. „Die Polizei ist an dem Fall dran, aber mein Bruder hat zusätzlich noch einen Privatdetektiv engagiert.“

Brandon Powell, ein Freund von Cole aus den Zeiten der Offiziersschule der Marine, führte eine Privatdetektei in Sydney. Er hatte eine gute Spürnase, war gründlich und der absolut Richtige für diese Aufgabe.

Während die Musik zu einer schnelleren Nummer überging und das Licht gedimmt wurde, schien Grace Munroe auf der Tanzfläche gerade erst warmzulaufen. Ihre Bewegungen waren nicht direkt aufreizend, aber so, wie sie die Hüften schwang, stach sie eindeutig aus der Menge hervor. Und das fiel nicht nur ihm auf – ihr erster Tanzpartner war durch einen Kerl ersetzt worden, der kaum die Finger bei sich behalten konnte.

Wynn kippte den Rest seines Drinks herunter.

Er glaubte nicht, dass Grace ihn unter den dreihundert Gästen entdeckt hatte, und da er jetzt wusste, wer sie in Wirklichkeit war, verspürte er nicht die geringste Lust zu bleiben, bis sie ihn erkannte. Das wäre allzu peinlich geworden.

Wynn deutete auf den Ausgang und verabschiedete sich von Brock. „Ich muss leider gehen. Meeting morgen in aller Frühe.“

Der ältere Mann sah ihn verwundert an. „An einem Sonntag? Andererseits hast du sicher allerhand um die Ohren, seit Hunter Publishing vor zwei Jahren La Trobes aufgekauft hat. Ein Riesengeschäft.“

Brock wollte ihm offenbar schmeicheln. „Wir haben im gleichen Zeitraum allerdings auch vier Publikationen eingestampft.“ Und die Bestände an nationalen und internationalen Verkaufsstellen reduziert.

„Die Zeiten sind schwierig“, warf Brock ein. „Man passt sich an, oder man macht dicht. Die Werbebranche ist auch im Keller.“

Brock war Gründer und Vorsitzender von Munroe Select Advertising, einem Unternehmen mit Zweigstellen in Florida, Kalifornien und New York. Ob Mitglieder der Munroe-Familie bei der Leitung der Firma halfen, wusste Wynn nicht. In seiner gemeinsamen Nacht mit Grace hatten sie keinerlei persönliche Informationen ausgetauscht … weder Telefonnummern noch berufliche Details. Und natürlich auch keine Namen. Doch die Neugier siegte jetzt.

„Arbeitet Grace in deinem Unternehmen?“, fragte Wynn.

„Das kann sie dir selbst beantworten, sie kommt gerade auf uns zu.“

Wynn schaute rasch wieder zur Tanzfläche. Als Grace ihn erkannte, verschwand ihr Lächeln. Sie wechselte zwar nicht die Richtung, aber straffte sichtlich die Schultern, während sie zielstrebig durch die Menge auf ihn und ihren Vater zukam.

Einen Augenblick später legte sie Brock ihre zierliche Hand auf den Arm und gab ihm einen flüchtigen Kuss auf die Wange. Dann wandte sie ihre Aufmerksamkeit Wynn zu. Ihre Mähne floss ihr wie Gold über eine Schulter, und Wynn erinnerte sich, wie sich das weizenblonde Haar unter seinen Fingern angefühlt hatte, wie weich ihre Haut unter seiner gewesen war.

„Wie ich sehe, hast du einen neuen Freund gefunden“, sagte sie zu ihrem Vater.

Brock zwinkerte ihr zu. „Nicht neu, ihr kennt euch von früher.“

Sie sah Wynn jetzt mit einer leicht besorgten Miene an. „Tatsächlich?“

„Das ist Wynn“, erklärte ihr Vater. „Guthrie Hunters dritter Sohn.“

Sie blinzelte. Ihre hinreißenden Augen leuchteten in einem etwas dunkleren Goldton als ihr Haar.

„Wynn?“, stammelte sie. „Wynn Hunter?“

„Wir schwelgten gerade in Erinnerungen“, sagte Brock und stellte sein Champagnerglas auf das Tablett eines vorbeigehenden Kellners. „Erinnerst du dich an das Weihnachten, das wir gemeinsam in Colorado verbracht haben?“

„Das ist ganz schön lange her“, erwiderte Grace und verlagerte ihr Gewicht, sodass eines ihrer schlanken Beine durch den langen Schlitz in ihrem Kleid blitzte. „Ich schätze, du baust heute keine Schneemänner mehr?“

„Viel zu gefährlich“, gab Wynn trocken zurück.

„Gefährlich …“ Sie sah einen Augenblick ratlos aus, dann dämmerte es ihr. „Oh, jetzt erinnere ich mich. Du warst damals mit deinen Brüdern draußen im Schnee. Und du hast dir den Kopf angeschlagen.“

Er rieb über die Narbe an seiner Schläfe. „Dafür habe ich mich nie bei dir bedankt.“

„Warum auch?“

„Du hast mir ein Bein gestellt.“

„Ich glaube eher, du bist über deine Schnürsenkel gestolpert. Das ist dir ständig passiert.“

Als Wynn zu einer Antwort ansetzte, denn die sechsjährige Grace hatte damals schlicht und einfach ihr Bein ausgestreckt, schritt Brock ein.

„Grace und die Braut sind schon seit der Grundschule befreundet“, erklärte der ältere Mann.

„Jason und ich haben in Sydney zusammen studiert“, sagte Wynn, immer noch erpicht darauf, den Zwischenfall aus ihrer Kindheit zu klären.

„Linley und Jason sind seit drei Jahren ein Paar“, warf Grace ein. „Ich kann mich nicht erinnern, dass sie dich jemals erwähnt haben.“

„Wir haben uns aus den Augen verloren, die Einladung hat mich auch überrascht.“

„Das Leben ist doch voller Überraschungen.“

Während Wynn Graces ironischem Blick standhielt, schnitt Brock ein weniger brisantes Thema an.

„Wynn leitet heute die Verlagstochter von Hunter Enterprises hier in New York.“ Zu Wynn gewandt fragte er: „Ist Cole immer noch Direktor eures TV-Senders in Australien?“

Wynn nickte. „Er tritt allerdings zurzeit ein bisschen kürzer. Er wird bald heiraten.“

„Cole hat für die Firma gelebt. Ein Workaholic wie sein Vater.“ Brock lächelte freundlich. „Ich bin froh, dass er ruhiger wird. Es gibt für jeden Topf einen Deckel.“

Brock warf seiner Tochter einen vorsichtigen Blick zu. Grace sah augenblicklich zu Boden, woraufhin Brock sich ein bisschen zu auffällig umschaute, ein paar Meter weiter offensichtlich Bekannte entdeckte und sie freundlich grüßte.

„Die Dilshans sind auch da. Ich gehe mal schnell Hallo sagen.“ Der ältere Mann küsste seine Tochter auf die Wange. „Dann habt ihr zwei Zeit, euch wieder aneinander zu gewöhnen.“

Sobald Brock weg war, entschied Wynn, das Schweigen zu brechen. So unangenehm dieses Zusammentreffen jetzt auch war, ihre gemeinsame Nacht hatte sich einfach zu gut angefühlt. Und richtig. Die Details waren jedoch allzu intim, und was ihn anging, sollten sie es auch bleiben.

„Keine Sorge“, sagte er und ging einen Schritt auf Grace zu. „Ich werde niemandem erzählen, dass wir unsere Bekanntschaft inzwischen längst wieder aufgefrischt haben.“

Sie sah ihn amüsiert an. „Ich hatte auch nicht erwartet, dass du damit hausieren gehst, wie wir einander in einer Bar aufgegabelt haben.“

Sie ließ wirklich keine Gelegenheit für einen Seitenhieb aus.

„Das heißt, du bist nicht daran interessiert, dass wir uns etwas besser kennenlernen?“, fragte er.

„Wie es aussieht, kennen wir uns bereits. Schon vergessen?“

„Ich spreche von jetzt, nicht von damals.“

Ihr Lächeln gefror. „Kein Interesse.“

Der Kommentar ihres Vaters fiel ihm wieder ein, dass es zu jedem Topf einen Deckel gebe, und auch Graces Reaktion darauf. Er erinnerte sich, wie sie die Gespräche in jener Nacht oberflächlich gehalten hatte. In ihm stieg der Verdacht auf, dass Grace Munroe Geheimnisse hütete.

Aber das ging ihn nichts an, schließlich hatte er mit seinem eigenen Leben mehr als genug zu tun. Dennoch wollte er etwas klarstellen, bevor sie wieder getrennte Wege gingen. „Eines würde ich gerne noch wissen“, sagte er. „Wusstest du in dieser Nacht, wer ich bin?“

Sie lachte. „Sieh an, du hast ja doch Humor.“

Sie drehte sich um und wollte ihn stehen lassen, doch er hielt sie am Handgelenk fest. Als sie abrupt den Kopf herumwarf und ihn wieder ansah, hatte er fast den Eindruck, Angst in ihren Augen zu sehen. Das hatte er nicht beabsichtigt.

„Tanz mit mir“, sagte er.

Ihre honigfarbenen Augen weiteten sich, dann streckte sie wieder trotzig das Kinn vor. „Sicher nicht.“

„Du willst dir die Chance entgehen lassen, mir noch einmal ein Bein zu stellen?“

Sie lächelte spitzbübisch. „Gib’s endlich zu, du warst einfach nur ein Tollpatsch.“

„Und du warst ein verzogenes Gör.“

„Warum lässt du mich dann nicht los?“ Sie sah auf die Finger, die ihr Handgelenk festhielten.

„Du willst doch nicht etwa allein tanzen, oder?“ Er zog sie auf die Tanzfläche. Einen Augenblick später gestand er sich ein, dass er die kleine Gracie zwar abgrundtief gehasst hatte, ihre ältere Version sich in seinen Armen jedoch ausgesprochen gut anfühlte. Er musterte ihr bildhübsches, aber undurchschaubares Gesicht und legte dann seine Hand auf ihren Rücken.

Während er sie über die Tanzfläche führte, immer mit Abstand zu den anderen Paaren, fragte er: „Wie fühlst du dich?“

„Noch ist mir nicht schlecht … Noch nicht.“

„Du verspürst nicht das unbändige Verlangen, mich zu Fall zu bringen?“

„Ich halte dich auf dem Laufenden.“

Darauf würde ich wetten, dachte er. „Ist deine Mutter heute Abend gar nicht hier?“

Ihr Lächeln verschwand. „Nein, sie ist bei meiner Grandma. Es geht ihr nicht sehr gut.“

„Nichts Ernstes, hoffe ich?“

„Sie trauert. Mein Grandpa ist vor Kurzem gestorben. Er war ihr Halt.“ Graces Blick wurde weicher. „Deine Mutter ist vor ein paar Jahren gestorben, oder? Ich erinnere mich, dass meine Eltern auf der Beerdigung waren.“

Wynn musste schlucken. Seine Mutter war eine wahre Heilige gewesen, sie fehlte ihm auch heute noch jeden Tag.

Aber das Leben war dennoch weitergegangen. „Mein Vater hat wieder geheiratet.“

Als sie nickte, fiel ihm wieder ein, dass Graces Eltern bei der Hochzeit gewesen waren.

„Ist er glücklich?“, fragte sie.

„Das nehme ich an.“

Sie runzelte die Stirn, während sie ihm in die Augen sah. „Du klingst nicht sehr überzeugt.“

„Meine Stiefmutter ist die Tochter einer der besten Freundinnen meiner Mutter.“

„Wow, das hört sich kompliziert an.“

So konnte man es auch ausdrücken.

Cole und Dex, sein mittlerer Bruder, hatten die zweite Frau ihres Vaters als Mitgiftjägerin bezeichnet – und das war noch einer der netteren Ausdrücke. Doch Eloise Hunter war auch die Mutter von Wynns jüngstem Bruder Tate, und solange noch immer jemand nach Guthries Leben trachtete, musste der Kleine nicht auch noch mit bösartigen Gerüchten über seine Mutter konfrontiert werden.

Von all seinen Geschwistern war ihm Tate am meisten ans Herz gewachsen. Manchmal hatte er sich vorgestellt, eines Tages einen Sohn wie ihn zu haben.

Doch das war vorbei.

Jemand tippte Wynn auf die Schulter. Als er sich umdrehte, stand ein kleinerer Mann vor ihm, der seine Fliege zurechtrückte und ihn dümmlich angrinste.

„Dürfte ich abklatschen?“, fragte der Mann.

Wynn lächelte ihn kurz an. „Nein.“

„Das war aber nicht sehr nett“, ermahnte Grace ihn, während er sie weiter über die in weiches Licht getauchte Tanzfläche führte.

Wynn lächelte und schwieg.

„Das war ein Freund von mir“, erklärte sie.

Was sollte er darauf sagen?

Pech für ihn.

Grace musterte ihn neugierig. „Nach allem, was ich gehört habe, ist Cole der Workaholic der Familie und Dex der Playboy. Müsstest du dann nicht der nette Hunter-Bruder sein? Der mit einem Gewissen?“

„Ich bin erwachsen geworden.“

„Und härter.“

„Und dennoch bist du von meinem Charme bezaubert.“

Ihre Lippen zuckten. „So würde ich es nicht sagen.“

„Dann habe ich nur geträumt, dass du vor drei Nächten mit zu mir nach Hause gekommen bist?“

Sie errötete nicht. „Ich fühlte mich hemmungslos. Das hat uns wohl verbunden.“

„Falls es dir noch nicht aufgefallen ist“, flüsterte er ihr ins Ohr. „Es verbindet uns noch immer.“

Der Druck ihrer Hand auf seiner Schulter verstärkte sich, obwohl sie seinem Blick auswich. „Ich war noch nie in einer solchen Situation.“

„Ich auch nicht“, gab er zu.

„Ich bereue diese Nacht nicht.“ Sie atmete hörbar aus. „Aber ich habe kein Interesse daran, sie zu wiederholen oder darauf aufzubauen … Der Zeitpunkt ist einfach schlecht.“

Sein Lächeln gefror einen Augenblick, dann aber besann er sich und setzte es wieder auf. „Ich erinnere mich nicht, dich danach gefragt zu haben.“

„Dann habe ich deine Hand auf meinem Hintern, die mich gegen die Beule in deiner Hose drückt, wohl falsch interpretiert?“ Sie lächelte dünn. „Ich will im Moment keine Beziehung, Wynn. Nicht jetzt. Überhaupt keine Art von Beziehung.“

Er hatte sie zum Tanzen aufgefordert, um … Na ja, um etwas zu beweisen. Jetzt war er sich nicht mehr sicher, was er beweisen wollte. Vor drei Nächten hatte ihn ihr Aussehen angezogen, ihr Verstand fasziniert, ihre Berührung verführt. Wenn er ehrlich zu sich war, hatte sie recht. Was er in diesem Moment fühlte, unterschied sich nicht allzu sehr davon, was er in jener Nacht gefühlt hatte.

Grace Munroe hatte jedoch klargemacht, dass sie die Sache anders sah. Am Rande der Tanzfläche ließ er sie los und trat einen Schritt zurück. „Dann lasse ich dich mal wieder zu deinen Leuten gehen.“

Sie sah ihn mit einem Blick an, den er nicht deuten konnte. Respektvoll vielleicht? „Grüß Teagan und deine Brüder von mir.“

„Werde ich machen.“

Die Hunter-Geschwister sahen sich nur noch selten. Coles Hochzeit mit der australischen Fernsehproduzentin stand jedoch kurz bevor, und das bedeutete, dass ein Familientreffen anstand – inklusive seiner verschlagenen Stiefmutter, seinem von einem Irren bedrohten Vater und den unweigerlichen Fragen nach seinem Liebesleben.

Bis vor Kurzem war er es gewesen, und nicht Cole oder Dex, der unmittelbar davor stand, zu heiraten. Das war bevor Heather Matthews, die Liebe seines Lebens, die Welt darüber informiert hatte, dass sie andere Pläne hatte.

Nachdem Heather die Bombe hatte platzen lassen, war er zuerst in eine Weltschmerz-Phase versunken, dann hatte er sich der wütenden Phase hingegeben. Im Moment war er damit zufrieden, einfach vor sich hinzuleben. Er hatte nicht das Bedürfnis, sich noch einmal einer anderen Frau zu öffnen, Grace Munroe eingeschlossen.

Er suchte nach Braut und Bräutigam, fand sie und wünschte ihnen alles Gute für die Zukunft. Auf dem Weg zum Ausgang des Ballsaals, der jetzt von pumpenden Beats erfüllt war, traf er auf Brock. Wynn beschlich das Gefühl, dass das kein Zufall war.

„Ich habe gesehen, dass du mit meiner Tochter getanzt hast“, sagte Brock.

„Ja, um der alten Zeiten willen.“

„Sicher hat Grace dir erzählt, dass sie New York vor einem Jahr verlassen hat. Sie ist nur für ein paar Tage in Manhattan, um sich mit Freunden zu treffen.“ Er erwähnte den Namen des prestigeträchtigen Hotels, in dem sie wohnte. „Wenn du sie anrufen möchtest … Na ja, ich wäre dir sehr dankbar. Vielleicht würde ihr das über ein paar schlimme Erinnerungen hinweghelfen.“ Brock senkte die Stimme. „Sie hat erst kürzlich jemanden verloren, der ihr nahestand.“

„Sie erwähnte ihren Großvater …“

„Ich meine nicht ihren Großvater.“ Der ältere Mann verzog den Mund. „Er war Feuerwehrmann. Ein guter Mann. Sie wollten gerade ihre Verlobung bekanntgeben, da passierte der Unfall.“

Der Boden wankte unter Wynns Füßen. Er rieb sich über die Narbe an seiner Schläfe. „Grace war verlobt?“

„So gut wie. Der Unfall jährte sich letzte Woche hier in New York.“

Wynn hatte Grace geglaubt, dass ihre gemeinsame Nacht eine Premiere für sie gewesen war, dass sie nie zuvor aus einer Laune heraus mit zu einem Mann gegangen war. Jetzt fügten sich die Puzzleteile zusammen. An diesem traurigen Jahrestag hatte Grace die Erinnerungen in seinen Armen ausmerzen wollen. Er war nicht wütend darüber, verstand er sie doch besser als manch anderer. Hatte er nicht auch Trost bei anderen Frauen gesucht?

„Sie lässt sich nichts anmerken.“ Brock warf einen müden Blick zu den ausgelassenen Gästen hin. „Aber hier zu sein, auf der Hochzeit einer ihrer besten Freundinnen, im Kreis von so vielen, die wissen … dass sie inzwischen eigentlich selbst verheiratet sein sollte.“ Brock straffte die breiten Schultern. „Niemand wird gerne bemitleidet, und niemand ist gern allein.“

Brock wünschte Wynn für sein vorgeschobenes Meeting am nächsten Morgen alles Gute. Wynn hatte die Tür fast erreicht, als die Musik aufhörte und der DJ eine Ansage machte: „Alle ledigen Damen im heiratsfähigen Alter bitte zusammenkommen, die Braut wirft gleich ihren Brautstrauß!“

Wynn schaute zurück in den Saal. Grace hatte sich nicht zu den anderen Frauen gestellt, sondern Abstand von der Menge genommen.