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»Sommerferien an der See! Begriff wohl irgend jemand weit und breit, was für ein Glück das bedeutete?« Ob Ostsee oder Mittelmeer, ob Atlantik oder Pazifik – sein Leben lang zog es Thomas Mann ans Meer. »Das Meer«, schrieb er, »ist auf irgendeine Weise überall in meinen Büchern gegenwärtig.« Es steht für verheißungsvolle Weite und Glück. Für den Rhythmus der Wellen und das Vergessen der Zeit. Genauso aber auch für gefährliche Tiefe und Tod. Dieses Buch versammelt erstmals die wichtigsten und schönsten Texte Thomas Manns zum Meer. Es begleitet Hanno Buddenbrook in die Sommerferien nach Travemünde und Gustav von Aschenbach nach Venedig. Es reist ans Tyrrhenische Meer, an die Kurische Nehrung und nach Kalifornien. Und sogar der schneebedeckte Zauberberg liegt für Thomas Mann »auf irgendeine Weise« am Meer.
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Seitenzahl: 248
Veröffentlichungsjahr: 2025
Thomas Mann
Anthologie
Ob Ostsee oder Mittelmeer, ob Atlantik oder Pazifik – sein Leben lang zog es Thomas Mann ans Meer. »Das Meer«, schrieb er, »ist auf irgendeine Weise überall in meinen Büchern gegenwärtig.« Es steht für verheißungsvolle Weite und Glück. Für den Rhythmus der Wellen und das Vergessen der Zeit. Genauso aber auch für gefährliche Tiefe und Tod. Dieses Buch versammelt erstmals die wichtigsten und schönsten Texte Thomas Manns zum Meer. Es begleitet Hanno Buddenbrook in die Sommerferien nach Travemünde und Gustav von Aschenbach nach Venedig. Es reist ans Tyrrhenische Meer, an die Kurische Nehrung und nach Kalifornien. Und sogar der schneebedeckte Zauberberg liegt für Thomas Mann »auf irgendeine Weise« am Meer.
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Thomas Mann, 1875–1955, zählt zu den bedeutendsten Schriftstellern des 20. Jahrhunderts. Mit ihm erreichte der moderne deutsche Roman den Anschluss an die Weltliteratur. Manns vielschichtiges Werk hat eine weltweit kaum zu übertreffende positive Resonanz gefunden. Ab 1933 lebte er im Exil, zuerst in der Schweiz, dann in den USA. Erst 1952 kehrte Mann nach Europa zurück, wo er 1955 in Zürich verstarb.
Blicke aufs Meer
Zweimaliger Abschied.
Das Unendliche
Der Tod
Den 10. September.
Den 12. September.
Den 15. September.
Den 18. September.
Den 21. September.
Den 23. September.
Den 27. September.
Den 30. September.
Den 2. Oktober.
Den 3. Oktober.
Den 5. Oktober.
Den 7. Oktober.
Den 8. Oktober.
Den 9. Oktober.
Den 10. Oktober.
Den 11. Oktober (11 Uhr abends).
Am Strand mit Tony Buddenbrook
Breite Wellen
Ein Kind des Wassers
»Ganz reizend und fürchterlich gekränkt«
»O Meer, wir sitzen erzählend fern von dir …«
Urlaub am Meer
Hanno Buddenbrook in Travemünde
Tonio Kröger in Aalsgaard
Gustav Aschenbach in Venedig
Klassisches Wetter
Essays, Briefe, Tagebücher
Süßer Schlaf
Tagebuch, 31.7.1919
Tagebuch, 17.9.21
Brief an Ernst Bertram, 24.9.1927
Brief an Ernst Bertram, 17.7.1930
Mein Sommerhaus
Tagebuch, 7.5.1933
Brief an Hans Reisiger, 10.8.1933
Tagebuch, 19.5.1934–29.5.1934
19.5.1934. Auf dem Dampfer Volendam.
20.5.1934. D. Volendam. Im Schreibzimmer. Pfingstsonntag.
21.5.1934, Pfingstmontag. Dampfer Volendam.
22.5.1934. Dampfer Volendam.
23.5.1934. Dampfer Volendam.
24.5.1934. Dampfer Volendam.
25.5.1934. Dampfer Volendam.
26.5.1934. Dampfer Volendam.
27.5.1934. Dampfer Volendam.
28.5.1934. Dampfer Volendam.
New York, 29.5.1934. Hotel Savoy Plaza.
Tagebuch, 2.7.1939
Noordwijk, Sonntag den 2.VII.39
Noordwijk, Sonntag den 2.VII.39
Eine kleine Arbeit
Tagebuch, 23.5.1941
23.5.1941, Pacific Palisades
An Bord
»Die Ostsee!«
Mit Schiff und Gondel
Meerfahrt mit ›Don Quijote‹
Den 19. Mai 34.
Den 20. Mai.
Den 21. Mai
Den 22. Mai.
Den 23. Mai.
Den 24. Mai.
Den 25. Mai.
Den 26. Mai.
Den 27. Mai.
Den 28. Mai.
Den 29. Mai.
Quellenverzeichnis
Nachbemerkung
Kein Weg zurück
Text und Musik: Ulrich Tukur
»Das Meer ist groß, das Meer ist weit …«
Der letzte Abend war’s. Wir wanderten
am Strand des Meers, das still und schwarz und schweigend
im Unbegrenzten sich verlor. Kein Stern erglänzte
vom trüben, unbestimmten Grau des Himmels,
kein Stern der Hoffnung auf ein Wiedersehn …
Nur durch den feuchten Nebel sickerte
vom fernen Leuchtturm müdes rotes Licht, –
Das Abendglühen eines kurzen Tags,
an dem das Glück uns in den Armen hielt …
Und niemals, niemals wieder …?
Wir wanderten und schwiegen mit dem Meer.
Dein liebes Blondhaupt lag an meiner Schulter,
und Deines feuchten Haares leiser Duft
umschmeichelte bestrickend meine Nerven …
Die Zeit verrann in seligem Vergessen,
und endlich kam er unerbittlich doch,
der Augenblick des letzten Lebewohls …
Wir standen still und sahn uns an – so an
zum letzten, letzten Mal … Kein Laut ringsum.
Ein tiefes, dunkles Schweigen um uns her.
Und Deine kalte Hand fand sich mit meiner,
und Thränen tiefen Leids umschleierten
das Meeresblaugrün Deiner Augen …
Und nur ein Wort ging durch die tiefe Stille,
sprachst Du es aus? War ich’s? Ich weiß es nicht.
Es irrte durch die feuchte Sommernacht,
ganz leise, traum- und leidverlor’nen Klangs …
»Nie – niemals wieder …«
Und dann der Morgen. –
Unaufhörlich ging
ein feiner Regen nieder. In dem kleinen Bahnhof
stand schnaubend längst der Zug. – Ein Lärmen, Hasten,
ein feuchtes, schmutziggraues Durcheinander
von Koffern – Menschen – Dampf –
Ich sah auf ein Bouquet – ich trug es selbst –
Und Deine Eltern sah ich – sah auch Dich –
Dann ein paar Worte – welche schöne Blumen! –
Sehr schlechtes Reisewetter – in der That –
Dann hielt ich deine Fingerspitzen eben –
Adieu, adieu – und leben Sie recht wohl –
Auf Wiedersehn. – Jawohl, auf Wiedersehn! –
Ein letztes Winken noch; dann war es aus …
Wir logen beide. –
Jedoch die schlimmste Lüge war: »Auf Wiedersehn.«
Wir wußten’s beide, was das Meer gehört
an jenem feuchten, dunklen Sommerabend …
»Nie, – niemals wieder« …
Lübeck. Thomas Mann.
Ich gedenke oft des Tages, an dem ich das Meer zum ersten Male erblickte. Das Meer ist groß, das Meer ist weit, mein Blick schweifte vom Strande hinaus und hoffte, befreit zu sein: dort hinten aber war der Horizont. Warum habe ich einen Horizont? Ich habe vom Leben das Unendliche erwartet.
Nun ist der Herbst da, und der Sommer wird nicht zurückkehren; niemals werde ich ihn wiedersehen …
Das Meer ist grau und still, und ein feiner, trauriger Regen geht hernieder. Als ich das heute morgen sah, habe ich vom Sommer Abschied genommen und den Herbst begrüßt, meinen vierzigsten Herbst, der nun wirklich unerbittlich heraufgezogen ist. Und unerbittlich wird er jenen Tag bringen, dessen Datum ich manchmal leise vor mich hin spreche, mit einem Gefühl von Andacht und stillem Grauen …
Ich bin mit der kleinen Asuncion ein wenig spazieren gegangen. Sie ist eine gute Begleiterin, die schweigt und manchmal nur groß und liebevoll die Augen zu mir emporschlägt.
Wir sind den Strandweg nach Kronshafen gegangen, aber wir sind rechtzeitig wieder umgekehrt, bevor wir noch mehr als einen oder zwei Menschen getroffen hatten.
Während wir zurückschritten, freute ich mich über den Anblick meines Hauses. Wie gut ich es mir gewählt habe! Schlicht und grau blickt es von dem Hügel, dessen Gras nun welk und feucht und dessen Weg aufgeweicht ist, über das graue Meer hinaus. Auf der Rückseite führt die Chaussee vorbei, und dahinter sind Felder. Aber darauf achte ich nicht; ich achte nur auf das Meer.
Dieses einsame Haus auf dem Hügel am Meere unter dem grauen Himmel ist wie ein düsteres, geheimnisvolles Märchen; und so will ich es haben in meinem letzten Herbst. Heute nachmittag aber, als ich am Fenster meines Arbeitszimmers saß, war ein Wagen da, der Vorräte brachte, der alte Franz half beim Auspacken, und es gab Geräusch und verschiedene Stimmen. Ich kann nicht sagen, wie mich das störte. Ich zitterte vor Mißbilligung: Ich habe befohlen, daß dergleichen nur frühmorgens geschehen soll, wenn ich schlafe. Der alte Franz sagte nur: – Zu Befehl, Herr Graf. Aber er sah mich mit seinen entzündeten Augen ängstlich und zweifelnd an.
Wie könnte er mich verstehen? Er weiß es ja nicht. Ich will nicht, daß Alltäglichkeit und Langeweile an meine letzten Tage rühre. Ich ängstige mich davor, daß der Tod etwas Bürgerliches und Gewöhnliches an sich haben könnte. Es soll um mich her fremdartig und seltsam sein an jenem großen, ernsten, rätselhaften Tage – am zwölften Oktober …
Während der letzten Tage bin ich nicht ausgegangen, sondern habe die meiste Zeit auf der Chaiselongue zugebracht. Ich konnte auch nicht viel lesen, weil dabei alle Nerven mich quälten. Ich habe einfach stillgelegen und in den unermüdlichen, langsamen Regen hinausgeblickt.
Asuncion kam oft, und einmal brachte sie mir Blumen, ein paar dürre und nasse Pflanzen, die sie am Strande gefunden. Als ich das Kind zum Danke küßte, weinte es, weil ich »krank« sei. Wie unsäglich schmerzlich mich ihre zärtliche und wehmütige Liebe berührte!
Ich habe lange in meinem Arbeitszimmer am Fenster gesessen, und Asuncion saß auf meinen Knieen. Wir haben auf das graue und weite Meer hinausgeblickt, und hinter uns in dem großen Gemach mit der hohen, weißen Thür und den steiflehnigen Möbeln herrschte tiefe Stille. Und während ich langsam das weiche Haar des Kindes streichelte, das schwarz und schlicht auf ihre zarten Schultern hinabfließt, habe ich zurückgedacht in meinem wirren, bunten Leben; ich habe an meine Jugend gedacht, die still war und behütet, an meine Wanderungen durch die ganze Welt und an die kurze, lichte Zeit meines Glückes.
Erinnerst du dich des anmutigen und flammend zärtlichen Geschöpfes unter dem Sammethimmel von Lissabon? Es sind zwölf Jahre, daß sie dir das Kind schenkte und starb, während ihr schmaler Arm um deinen Hals lag.
Sie hat die dunklen Augen ihrer Mutter, die kleine Asuncion; nur müder sind sie und nachdenklicher. Vor allem aber hat sie ihren Mund, diesen unendlich weichen und doch ein wenig herb geschnittenen Mund, der am schönsten ist, wenn er schweigt und nur ganz leise lächelt.
Meine kleine Asuncion! wenn du wüßtest, daß ich dich werde verlassen müssen. Weintest du, weil ich »krank« sei? Ach, was hat das damit zu thun! Was hat das mit dem zwölften Oktober zu thun! …
Tage, an denen ich zurückdenken kann und in Erinnerungen mich verlieren, sind selten. Wie viele Jahre sind es, daß ich nur vorwärts zu denken vermag, nur zu warten auf diesen großen und schauerlichen Tag, auf den zwölften Oktober meines vierzigsten Lebensjahres!
Wie es sein wird, wie es nur sein wird! Ich fürchte mich nicht, aber mich dünkt, daß er qualvoll langsam herankommt, dieser zwölfte Oktober.
Der alte Doktor Gudehus kam von Kronshafen, er kam zu Wagen den Chausseeweg gefahren und nahm das zweite Frühstück mit Asuncion und mir.
»Es ist nötig«, sagte er und aß ein halbes Huhn, »daß Sie sich Bewegung machen, Herr Graf, viel Bewegung in frischer Luft. Nicht lesen! Nicht denken! Nicht grübeln! Ich halte Sie nämlich für einen Philosophen, he, he!«
Nun, ich habe die Achseln gezuckt und ihm herzlich für seine Bemühungen gedankt. Auch für die kleine Asuncion gab er Ratschläge und betrachtete sie mit seinem gezwungenen und verlegenen Lächeln. Er hat meine Brom-Dosis erhöhen müssen; vielleicht, daß ich nun ein wenig mehr schlafen kann.
Der letzte September! Nun ist es nicht lange mehr. Es ist drei Uhr nachmittags, und ich habe mir ausgerechnet, wie viele Minuten noch fehlen bis zum Beginn des zwölften Oktobers. Es sind 8460.
Ich habe nicht schlafen können heute nacht, denn es ist Wind aufgekommen, und das Meer und der Regen rauscht. Ich habe gelegen und die Zeit vorbeischwinden lassen. Denken und grübeln? Ach nein! Doktor Gudehus hält mich für einen Philosophen, aber mein Kopf ist sehr schwach, und ich kann nur denken: Der Tod, der Tod!
Ich bin tief ergriffen, und in meine Bewegung mischt sich ein Gefühl von Triumph. Manchmal, wenn ich daran dachte, und man mich zweifelnd und ängstlich ansah, habe ich gesehen, daß man mich für wahnsinnig hielt, und ich habe mich selbst mit Argwohn geprüft. Ach nein! ich bin nicht wahnsinnig.
Ich las heute die Geschichte jenes Kaisers Friedrich, dem man prophezeite, er werde »sub flore« sterben. Nun, er mied die Städte Florenz und Florentinum, einst aber kam er dennoch nach Florentinum: und er starb. – Warum starb er?
Eine Prophezeiung ist an sich unbeträchtlich; es kommt darauf an, ob sie Macht über einen gewinnt. Thut sie aber das, so ist sie schon bewiesen, und sie wird in Erfüllung gehen. – Wie? Und ist eine Prophezeiung, die in mir selbst aufsteht und stark wird, nicht wertvoller als eine, die von außen käme? Und ist die unerschütterliche Kenntnis des Zeitpunktes, an dem man sterben wird, zweifelhafter als die des Ortes?
Oh, es ist eine stete Verbindung zwischen dem Menschen und dem Tode! Du kannst mit deinem Willen und deiner Überzeugung an seiner Sphäre saugen, du kannst ihn herbeiziehen, daß er zu dir tritt, zu der Stunde, an die du glaubst …
Oftmals, wenn meine Gedanken sich wie graue Gewässer vor mir ausbreiten, die mir unendlich scheinen, weil sie umnebelt sind, sehe ich etwas wie den Zusammenhang der Dinge und glaube die Nichtigkeit der Begriffe zu erkennen.
Was ist Selbstmord? Der freiwillige Tod? Aber niemand stirbt unfreiwillig. Das Aufgeben des Lebens und die Hingabe an den Tod geschieht ohne Unterschied aus Schwäche, und diese Schwäche ist stets die Folge einer Krankheit des Körpers oder der Seele, oder beider. Man stirbt nicht, bevor man einverstanden damit ist …
Bin ich einverstanden? Ich muß es wohl sein, denn ich glaube, daß ich wahnsinnig werden könnte, wenn ich am zwölften Oktober nicht stürbe …
Ich denke unaufhörlich daran, und es beschäftigt mich ganz und gar. – Ich sinne darüber, wann und woher mein Wissen mir gekommen ist, ich vermag es nicht zu sagen! Ich wußte mit neunzehn oder zwanzig Jahren, daß ich mit vierzig sterben müßte, und irgend eines Tages, als ich mich eindringlich fragte, an welchem Tage es geschehen werde, da wußte ich auch den Tag!
Und nun ist er so nahe herangekommen, so nahe, daß ich den kalten Atem des Todes zu verspüren meine.
Der Wind hat sich verstärkt, die See braust, und der Regen trommelt auf dem Dache. Ich habe in der Nacht nicht geschlafen, sondern bin in meinem Wettermantel hinunter an den Strand gegangen und habe mich dort auf einen Stein gesetzt.
Hinter mir war in Dunkelheit und Regen der Hügel mit dem grauen Haus, in dem die kleine Asuncion schlief, meine kleine Asuncion! Und vor mir wälzte das Meer seinen trüben Schaum bis vor meine Füße.
Ich habe die ganze Nacht hinausgeblickt, und mich dünkte, so müsse der Tod sein oder das Nach dem Tode: dort drüben und draußen ein unendliches, dumpf brausendes Dunkel. Wird dort ein Gedanke, eine Ahnung von mir fortleben und -weben und ewig auf das unbegreifliche Brausen horchen?
Ich will dem Tode danken wenn er kommt, denn nun wird es zu bald erfüllt sein, als daß ich noch warten könnte. Drei kurze Herbsttage noch, und es wird geschehen. Wie gespannt ich bin auf den letzten Augenblick, den allerletzten! Sollte es nicht ein Augenblick des Entzückens und unsäglicher Süßigkeit sein? Ein Augenblick höchster Wollust?
Drei kurze Herbsttage noch, und der Tod wird hier zu mir ins Zimmer treten – wie er sich nur benehmen wird! Wird er mich behandeln wie einen Wurm? Wird er mich an der Kehle packen und mich würgen? Oder wird er mit seiner Hand in mein Gehirn greifen? – Aber ich denke ihn mir groß und schön und von einer wilden Majestät!
Ich sagte zu Asuncion, als sie auf meinen Knieen saß: »Wie, wenn ich bald von Dir ginge, auf irgend eine Weise? Würdest Du sehr traurig sein?« Da schmiegte sie ihr Köpfchen an meine Brust und weinte bitterlich. – Mein Hals ist zugeschnürt vor Schmerz.
Übrigens habe ich Fieber. Mein Kopf ist heiß, und ich zittere vor Kälte.
Er war bei mir, diese Nacht war er bei mir! Ich habe ihn nicht gesehen und nicht gehört, und dennoch habe ich mit ihm gesprochen. Es ist lächerlich, aber er benahm sich wie ein Zahnarzt! – »Es ist am besten, wenn wir es gleich abmachen«, sagte er. Aber ich wollte nicht und wehrte mich. Mit kurzen Worten habe ich ihn fortgeschickt.
»Es ist am besten, wenn wir es gleich abmachen!« Wie das klang! Es ging mir durch Mark und Bein. So nüchtern, so langweilig, so bürgerlich! Nie habe ich ein kälteres und hohnvolleres Gefühl von Enttäuschung gekannt.
Verstehe ich es? Oh! glaubt mir, daß ich es verstehe!
Vor anderthalb Stunden, als ich in meinem Zimmer saß, kam der alte Franz zu mir herein; er zitterte und schluchzte. »Das Fräulein!« rief er, »das Kind! Ach, kommen Sie schnell!« – Und ich kam schnell.
Ich habe nicht geweint, und nur ein kalter Schauer schüttelte mich. Sie lag in ihrem Bettchen, und ihr schwarzes Haar rahmte ihr blasses, schmerzliches Gesichtchen ein. Ich bin bei ihr niedergekniet und habe nichts gethan und nichts gedacht. – Doktor Gudehus kam.
»Das ist ein Herzschlag«, sagte er und nickte wie einer, der nicht überrascht ist. Dieser Stümper und Narr that, als habe er es gewußt!
Ich aber – habe ich es verstanden? Oh, als ich allein war mit ihr – draußen rauschten Regen und Meer, und der Wind heulte im Ofenrohr – da habe ich auf den Tisch geschlagen, so klar wurde es mir in einem Augenblick! Zwanzig Jahre lang habe ich den Tod auf den Tag herbeigezogen, der in einer Stunde beginnen wird, und in mir, tief unten, ist etwas gewesen, das heimlich gewußt hat, ich könne dies Kind nicht verlassen. Ich hätte nicht sterben können nach Mitternacht, und es mußte doch sein! Ich hätte ihn wieder fortgeschickt, wenn er gekommen wäre: Aber er ist zuerst zu dem Kinde gegangen, weil er meinem Wissen und Glauben gehorchen mußte. – Habe ich selbst den Tod an dein Bettchen gezogen, habe ich dich getötet, meine kleine Asuncion? Ach, das sind grobe, armselige Worte für feine und geheimnisvolle Dinge!
Lebe wohl, lebe wohl! Vielleicht, daß ich dort draußen einen Gedanken, eine Ahnung von dir wiederfinde. Denn sieh: der Zeiger rückt, und die Lampe, die dein süßes Gesichtchen erhellt, wird bald verlöschen. Ich halte deine kleine, kalte Hand und warte. Gleich wird er zu mir treten, und ich werde nur nicken und die Augen schließen, wenn ich ihn sagen höre: »Es ist am besten, wenn wir es gleich abmachen …«
Sie hatte ihren großen Strohhut aufgesetzt und ihren Sonnenschirm aufgespannt, denn es herrschte, obgleich ein kleiner Seewind ging, heftige Hitze. Der junge Schwarzkopf schritt, in seinem grauen Filzhut, sein Buch in der Hand, neben ihr her und betrachtete sie manchmal von der Seite. Sie gingen die »Vorderreihe« entlang und spazierten durch den Kurgarten, der stumm und schattenlos mit seinen Kieswegen und Rosenanlagen dalag. Der Musiktempel, zwischen Nadelbäumen versteckt, stand schweigend dem Kurhaus, der Konditorei und den beiden, durch ein langes Zwischengebäude miteinander verbundenen Schweizerhäusern gegenüber. Es war gegen halb 12 Uhr; die Badegäste mußten sich noch am Strande befinden.
Die Beiden gingen über den Kinderspielplatz mit den Bänken und der großen Schaukel; sie gingen nahe am Warmbadehause vorbei und wanderten langsam über das Leuchtenfeld. Die Sonne brütete auf dem Grase und ließ diesen heißen, würzigen Geruch von Klee und Kraut daraus aufsteigen, in dem blaue Fliegen surrend standen und umherschossen. Ein monotones, gedämpftes Rauschen kam vom Meere her, in dessen Ferne dann und wann kleine Schaumköpfe aufblitzten.
»Was lesen Sie da eigentlich?« fragte Tony.
Der junge Mann nahm das Buch in beide Hände und blätterte es schnell von hinten nach vorne durch.
»Ach, das ist nichts für Sie, Fräulein Buddenbrook! Lauter Blut und Gedärme und Elend … Sehen Sie, hier ist gerade von Lungenödem die Rede, auf deutsch: Stickfluß. Dabei sind nämlich die Lungenbläschen mit so einer wässerigen Flüssigkeit angefüllt … das ist hochgradig gefährlich und kommt bei Lungenentzündung vor. Wenn es schlimm ist, kann man nicht mehr atmen und stirbt ganz einfach. Und das alles ist ganz kühl von oben herab behandelt …«
»Ja, pfui! … Aber wenn man Doktor werden will … Ich werde dafür sorgen, daß Sie bei uns Hausarzt werden, wenn Grabow sich später einmal zur Ruhe setzt, passen Sie auf!«
»Ha! … Und was lesen Sie denn, wenn ich fragen darf, Fräulein Buddenbrook?«
»Kennen Sie Hoffmann?« fragte Tony.
»Den mit dem Kapellmeister und dem goldenen Topf? Ja, das ist sehr hübsch … Aber, wissen Sie, es ist doch wohl mehr für Damen. Männer müssen heute etwas anderes lesen.«
»Jetzt muß ich Sie Eines fragen«, sagte Tony nach ein paar Schritten und faßte einen Entschluß. »Nämlich, wie heißen Sie eigentlich mit Vornamen? Ich habe ihn noch kein einziges Mal verstanden … das macht mich förmlich nervös! Ich habe geradezu darüber gegrübelt …«
»Sie haben darüber gegrübelt?«
»Ach ja – nun erschweren Sie mir die Sache nicht! Es schickt sich wohl nicht, daß ich frage; aber ich bin natürlich neugierig … Übrigens brauche ich es ja, solange ich lebe, nicht zu erfahren.«
»Na, ich heiße Morten«, sagte er und wurde so rot wie noch niemals.
»Morten? Das ist hübsch!«
»Nun! hübsch …«
»Ja, mein Gott … es ist doch hübscher, als wenn Sie Hinz oder Kunz hießen. Es ist etwas Besonderes, etwas Ausländisches …«
»Sie sind eine Romantikerin, Mademoiselle Buddenbrook; Sie haben zu viel Hoffmann gelesen … Ja, die Sache ist ganz einfach die: Mein Großvater war ein halber Norweger und hieß Morten. Nach ihm bin ich getauft worden. Das ist alles …«
Tony stieg behutsam durch das hohe, scharfe Schilfgras, das am Rande des nackten Strandes stand. Die Reihe der hölzernen Strandpavillons mit ihren kegelförmigen Dächern lag vor ihnen und ließ den Durchblick auf die Strandkörbe frei, die näher am Wasser standen, und um die Familien im warmen Sande lagerten: Damen mit blauen Schutz-Pincenez und Leihbibliotheksbänden, Herren in hellen Anzügen, die müßig mit ihren Spazierstöcken Figuren in den Sand zeichneten, gebräunte Kinder mit großen Strohhüten auf den Köpfen, die schaufelten, sich wälzten, nach Wasser gruben, mit Holzformen Kuchen buken, Tunnels bohrten, mit bloßen Beinen in die niedrigen Wellen hineinwateten und Schiffe schwimmen ließen … Rechts ragte das Holzgebäude der Badeanstalt in die See hinaus.
»Nun marschieren wir geradeswegs auf den Möllendorpfschen Pavillon zu«, sagte Tony. »Lassen Sie uns doch etwas abbiegen!«
»Gern … aber Sie werden sich nun ja wohl den Herrschaften anschließen … Ich setze mich da hinten auf die Steine.«
»Anschließen … ja, ja, ich werde wohl guten Tag sagen müssen. Aber es ist mir recht zuwider, müssen Sie wissen. Ich bin hierher gekommen, um meinen Frieden zu haben …«
»Frieden? Vor wem?«
»Nun! Vor wem …«
»Hören Sie, Fräulein Buddenbrook, ich muß Sie auch noch Eines fragen … aber bei Gelegenheit, später, wenn Zeit dazu ist. Nun erlauben Sie, daß ich Ihnen Adieu sage. Ich setze mich dahinten auf die Steine …«
»Soll ich Sie nicht vorstellen, Herr Schwarzkopf?« fragte Tony mit Wichtigkeit.
»Nein, ach nein« … sagte Morten eilig, »ich danke sehr. Ich gehöre doch wohl kaum dazu, wissen Sie. Ich setze mich dahinten auf die Steine …«
Es war eine größere Gesellschaft, auf die Tony zuschritt, während Morten Schwarzkopf sich rechter Hand zu den großen Steinblöcken begab, die neben der Badeanstalt vom Wasser bespült wurden, – eine Gruppe, die vor dem Möllendorpfschen Pavillon lagerte und von den Familien Möllendorpf, Hagenström, Kistenmaker und Fritsche gebildet ward. Abgesehen von Konsul Fritsche aus Hamburg, dem Besitzer des Ganzen, und Peter Döhlmann, dem Suitier, bestand sie ausschließlich aus Damen und Kindern, denn es war Alltag, und die meisten Herren befanden sich in der Stadt bei ihren Geschäften. Konsul Fritsche, ein älterer Herr mit glattrasiertem, distinguiertem Gesicht, beschäftigte sich droben im offenen Pavillon mit einem Fernrohr, das er auf einen in der Ferne sichtbaren Segler richtete. Peter Döhlmann, mit einem breitkrempigen Strohhut und rundgeschnittenem Schifferbart, stand plaudernd bei den Damen, die auf Plaids im Sande lagen oder auf kleinen Sesseln aus Segeltuch saßen: Frau Senatorin Möllendorpf, geborene Langhals, die mit einer langgestilten Lorgnette hantierte, und deren Haupt von grauem Haar unordentlich umstanden war; Frau Hagenström nebst Julchen, die ziemlich klein geblieben war, aber, wie ihre Mutter, bereits Brillanten in den Ohren trug; Frau Konsul Kistenmaker nebst Töchtern und die Konsulin Fritsche, eine runzelige kleine Dame, die eine Haube trug und im Bade Wirtspflichten versah. Rot und ermattet sann sie auf nichts als Réunions, Kinderbälle, Verlosungen und Segelpartien … Ihre Vorleserin saß in einiger Entfernung. Die Kinder spielten am Wasser.
Kistenmaker & Sohn war die aufblühende Weinhandlung, die in den letzten Jahren C.F. Köppen aus der Mode zu bringen begann. Die beiden Söhne, Eduard und Stephan, arbeiteten bereits in dem väterlichen Geschäft. – Dem Konsul Döhlmann fehlten gänzlich die ausgesuchten Manieren, über die etwa Justus Kröger verfügte; er war ein biederer Suitier, ein Suitier, dessen Spezialität die gutmütige Grobheit war und der sich in der Gesellschaft außerordentlich viel herausnehmen durfte, weil er wußte, daß er besonders bei den Damen mit seinem behäbigen, dreisten und lauten Gebaren als ein Original beliebt war. Als auf einem Diner bei Buddenbrooks sich das Erscheinen eines Gerichtes lange Zeit verzögerte, die Hausfrau in Verlegenheit und die beschäftigungslose Gesellschaft in Mißstimmung geriet, stellte er die gute Laune wieder her, indem er mit seiner breiten und lärmenden Stimme über die ganze Tafel brüllte:
»Ick bün so wied, Fru Konsulin!«
Mit eben dieser schallenden und groben Stimme erzählte er augenblicklich fragwürdige Anekdoten, die er mit plattdeutschen Wendungen würzte … Die Senatorin Möllendorpf rief, erschöpft und außer sich vor Lachen, einmal über das andere:
»Mein Gott, Herr Konsul, hören Sie einen Augenblick auf!«
– Tony Buddenbrook ward von den Hagenströms kalt, von der übrigen Gesellschaft mit großer Herzlichkeit empfangen. Selbst Konsul Fritsche kam eilfertig die Stufen des Pavillons herunter, denn er hoffte, daß wenigstens im nächsten Jahre wieder die Buddenbrooks helfen würden, das Bad zu bevölkern.
»Der Ihrige, Mamsell!« sagte Konsul Döhlmann mit möglichst feiner Aussprache, denn er wußte, daß Fräulein Buddenbrook seine Manieren nicht besonders bevorzugte.
»Mademoiselle Buddenbrook!«
»Sie hier?«
»Wie reizend!«
»Und seit wann?«
»Und welch inzückende Toilette!« – Man sagte »inzückend«. –
»Und Sie wohnen?«
»Bei Schwarzkopfs?«
»Beim Lotsenkommandeur?«
»Wie originell!«
»Wie finde ich das forchtbar originell!« – Man sagte »forchtbar«. –
»Sie wohnen in der Stadt?« wiederholte Konsul Fritsche, der Besitzer des Kurhauses, ohne ahnen zu lassen, daß ihn dies peinlich berührte …
»Werden Sie uns nicht das Vergnügen machen bei der nächsten Réunion?« fragte seine Gattin …
»Oh, nur für kurze Zeit in Travemünde?« antwortete eine andere Dame …
»Finden Sie nicht, Liebe, daß die Buddenbrooks ein bißchen allzu exklusiv sind?« wandte sich Frau Hagenström ganz leise an die Senatorin Möllendorpf …
»Und Sie haben noch nicht gebadet?« fragte jemand. »Wer von den jungen Damen hat sonst heute noch nicht gebadet? Mariechen, Julchen, Luischen? Selbstredend begleiten Ihre Freundinnen Sie, Fräulein Antonie …«
Einige junge Mädchen trennten sich von der Gesellschaft, um mit Tony zu baden, und Peter Döhlmann ließ es sich nicht nehmen, die Damen den Strand entlang zu geleiten.
»Gott! erinnerst du dich noch unserer Schulgänge von damals?« fragte Tony Julchen Hagenström.
»J-ja! Sie spielten immer die Boshafte«, sagte Julchen mit mitleidigem Lächeln.
Man ging oberhalb des Strandes auf dem Steg von paarweise gelegten Brettern der Badeanstalt zu; und als man an den Steinen vorüberkam, wo Morten Schwarzkopf mit seinem Buche saß, nickte Tony ihm aus der Ferne mehrmals mit rascher Kopfbewegung zu. Jemand erkundigte sich:
»Wen grüßtest du, Tony?«
»Oh, das war der junge Schwarzkopf«, sagte Tony; »er hat mich herunterbegleitet …«
»Der Sohn des Lotsenkommandeurs?« fragte Julchen Hagenström und blickte mit ihren blanken schwarzen Augen scharf zu Morten hinüber, der seinerseits mit einer gewissen Melancholie die elegante Gesellschaft musterte. Tony aber sagte mit lauter Stimme:
»Eines bedaure ich: nämlich daß zum Beispiel August Möllendorpf nicht hier ist … Es muß doch alltags recht langweilig am Strande sein!«
Hiermit begannen schöne Sommerwochen für Tony Buddenbrook, kurzweiligere und angenehmere, als sie jemals in Travemünde erlebt hatte. Sie blühte auf, nichts lastete mehr auf ihr; in ihre Worte und Bewegungen kehrten Keckheit und Sorglosigkeit zurück. Der Konsul betrachtete sie mit Wohlgefallen, wenn er Sonntags mit Tom und Christian nach Travemünde kam. Dann speiste man an der Table d’hôte, trank bei der Kurmusik den Kaffee unter dem Zeltdach der Konditorei und sah drinnen im Saale der Roulette zu, um die lustige Leute, wie Justus Kröger und Peter Döhlmann, sich drängten: Der Konsul spielte niemals. –
Tony sonnte sich, sie badete, aß Bratwurst mit Pfeffernußsauce und machte weite Spaziergänge mit Morten: den Chausseeweg zum Nachbarort, den Strand entlang zu dem hoch gelegenen »Seetempel«, der eine weite Aussicht über See und Land beherrschte, oder in das Wäldchen hinauf, das hinterm Kurhause lag und auf dessen Höhe die große Table d’hôte-Glocke hing … Oder sie ruderten über die Trave zum »Priwal«, wo es Bernstein zu finden gab …
Morten war ein unterhaltender Begleiter, wiewohl seine Meinungen ein wenig hitzig und absprechend waren. Er führte über alle Dinge ein strenges und gerechtes Urteil mit sich, das er mit Entschiedenheit hervorbrachte, obgleich er rot dabei wurde. Tony ward betrübt und sie schalt ihn, wenn er mit etwas ungeschickter aber zorniger Geste alle Adeligen für Idioten und Elende erklärte; aber sie war sehr stolz darauf, daß er ihr gegenüber offen und zutraulich seine Anschauungen aussprach, die er den Eltern verschwieg … Einmal sagte er:
»Dies muß ich Ihnen noch erzählen: Auf meiner Bude in Göttingen habe ich ein vollkommenes Gerippe … wissen Sie, so ein Knochengerippe, notdürftig mit etwas Draht zusammengehalten. Na, diesem Gerippe habe ich eine alte Polizistenuniform angezogen … ha! Finden Sie das nicht ausgezeichnet? Aber sagen Sie es um Gottes Willen nicht meinem Vater!« –
Es konnte nicht fehlen, daß Tony oftmals mit ihrer städtischen Bekanntschaft am Strande oder im Kurgarten verkehrte, daß sie zu dieser oder jener Réunion und Segelpartie hinzugezogen wurde. Dann saß Morten »auf den Steinen«. Diese Steine waren seit dem ersten Tage zwischen den beiden zur stehenden Redewendung geworden. »Auf den Steinen sitzen« das bedeutete: »Vereinsamt sein und sich langweilen«. Kam ein Regentag, der die See weit und breit in einen grauen Schleier hüllte, daß sie völlig mit dem tiefen Himmel zusammenfloß, der den Strand durchweichte und die Wege überschwemmte, dann sagte Tony:
»Heute müssen wir beide auf den Steinen sitzen … das heißt in der Veranda oder im Wohnzimmer. Es bleibt nichts übrig, als daß Sie mir Ihre Studentenlieder vorspielen, Morten, obgleich es mich greulich langweilt.«
»Ja«, sagte Morten, »setzen wir uns … Aber, wissen Sie, wenn Sie dabei sind, so sind es keine Steine mehr!« … Übrigens sagte er dergleichen nicht, wenn sein Vater zugegen war; seine Mutter durfte es hören.
»Was nun?« fragte der Lotsenkommandeur, wenn nach dem Mittagessen Tony und Morten gleichzeitig aufstanden und sich anschickten, auf und davon zu gehen … »Wohin mit den jungen Herrschaften?«
»Ja, ich darf Fräulein Antonie ein bißchen zum Seetempel begleiten.«
»So, darfst du das? – Sage mal, mein Sohn Filius, wäre es nicht am Ende angebrachter, du setztest dich auf deine Stube und repetiertest deine Nervenstränge? Du hast alles vergessen, bis du wieder nach Göttingen kommst …«
Frau Schwarzkopf aber sprach sanft: »Diederich, mein Gott! warum soll er nicht mitgehen? Laß ihn doch mitgehen! Er hat doch Ferien! Und soll er denn gar nichts von unserem Besuche haben?« – So gingen sie.