Miteinander reden 1 - Friedemann Schulz von Thun - E-Book
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Miteinander reden 1 E-Book

Friedemann Schulz von Thun

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Beschreibung

Kommunikationspsychologie für alle – das Standardwerk Beruf, Beziehung, Alltag: Ständig müssen wir mit anderen kommunizieren. Und immer wieder entstehen dabei Probleme; selbst scheinbar einfache Situationen bergen Tücken. Oft gelingt es nicht, uns verständlich zu machen, geschweige denn, uns durchzusetzen. Und ebenso oft begreifen wir unser Gegenüber nicht. Gespräche werden zum Streit, ohne dass uns so recht klar ist, warum. Friedemann Schulz von Thun zeigt, welche Erkenntnisse die Kommunikationspsychologie bietet, damit wir persönlich und sachlich besser miteinander klarkommen. Miteinander reden 1 erklärt, wie zwischenmenschliche Kommunikation abläuft. Was sind die typischen Probleme? Und wie können wir sie beheben? Band 2 stellt die unterschiedlichen Kommunikationsstile vor, die Menschen haben. Wie gehen wir damit jeweils am besten um? Und wie können wir das Wissen um unseren eigenen Kommunikationsstil für unsere Persönlichkeitsentwicklung nutzen? Band 3 schließlich stellt das Modell des «Inneren Teams» vor. Die Erkenntnis dahinter: Wer sich selbst versteht, kommuniziert besser. Alles, was man wissen muss, um stimmig zu kommunizieren! «Wenn es um Kommunikation oder Rhetorik geht, kommt man um den Namen Schulz von Thun nicht herum.» Psychologie heute

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Ähnliche


Friedemann Schulz von Thun

Miteinander reden 1

Störungen und Klärungen. Allgemeine Psychologie der Kommunikation

Rowohlt E-Book

Inhaltsübersicht

Einführung und persönlicher HintergrundTeil A: GrundlagenI. Die Anatomie einer Nachricht1. Sachinhalt2. Selbstoffenbarung3. Beziehung4. Appell5. Die Nachricht als Gegenstand der KommunikationsdiagnoseII. Mit vier Ohren empfangen1. «Freie Auswahl» des Empfängers2. Einseitige Empfangsgewohnheiten3. Die ankommende Nachricht: Ein «Machwerk» des EmpfängersIII. Die Begegnung mit dem Empfangsresultat (Feedback)1. «Psycho-chemische Reaktionen»2. Drei Empfangsvorgänge auseinanderhalten3. Realitätsüberprüfung von Phantasien4. Die Verantwortung des Empfängers für seine ReaktionIV. Interaktion1. Individuelle Eigentümlichkeiten als Interaktionsresultat2. Interpunktion3. 1 + 1 = 3V. Metakommunikation – die Gewohnheit der nächsten Generation?Teil B Ausgewählte Probleme der zwischenmenschlichen KommunikationI. Die Selbstoffenbarungsseite der Nachricht1. Selbstoffenbarungsangst2. Selbstdarstellung und Selbstverbergung3. Auswirkungen der Selbstdarstellungstechniken4. Wegweiser der Psychologie5. Lernziel Authentizität?II. Die Sachseite der Nachricht1. Sachlichkeit2. VerständlichkeitIII. Die Beziehungsseite der Nachricht1. Überblick («Wie redet der eigentlich mit mir?»)2. Instrumente zur Erfassung des Beziehungsgeschehens3. Das Bild vom anderen4. Das Ringen um die Beziehungsdefinition5. Längerfristige Auswirkungen von Beziehungsbotschaften: das Selbstkonzept6. Zum Umgang mit Beziehungsstörungen7. Funktionalisierung der BeziehungsebeneIV. Die Appellseite der Nachricht1. Ausdruck und Wirkung – zwei Funktionen der Kommunikation2. Von der Erfolglosigkeit mancher Appelle3. Verdeckte Appelle (Appelle «auf leisen Sohlen»)4. Paradoxe Appelle5. Offene AppelleNachwort für Psychologen1. Chancen und Gefahren einer «psychologischen» Kommunikation2. «Bleiben Se Mensch, Herr Psychologe!» – Eine Satire3. Eine «déformation professionelle»?4. Psycho-Jargon5. Therapeutisches Verhalten als Manipulations- und Kampfmittel6. Der Doppelcharakter psychologischer Verhaltensweisen7. Die «gemachte» UrsprünglichkeitLiteratur
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Einführung und persönlicher Hintergrund

Den Psychologen sagt man nach, sie würden das, was jeder weiß, in einer Sprache sagen, die niemand versteht. Diese Gefahr besteht vor allem dann, wenn man über etwas schreibt, was jedermann aus eigenem Erleben kennt. Trotzdem möchte ich es in diesem Buch umgekehrt versuchen.

Zwar handelt das Buch von Vorgängen, an denen jeder täglich teilnimmt: von zwischenmenschlicher Kommunikation, von der Art, sich zu verständigen und miteinander umzugehen. Und so werden Sie durch dieses Buch kaum etwas wirklich «Neues» erfahren. Vielmehr werden Sie dem «Alten», dem Altbekannten, dem tagtäglich Erlebten neue Seiten abgewinnen; Dinge in einem Licht sehen, die bisher im Halbdunkel verborgen waren. – Aber hat die Psychologie etwas anzubieten, um die zwischenmenschliche Kommunikation nicht nur wissenschaftlich zu erhellen, sondern auch «besser» zu machen? Sie hat. Zwar hat sich wohl bisher kaum jemand durch das Studium psychologischer Lehrmeinungen und experimenteller Befunde in seiner Kommunikationsfähigkeit verbessert. Aber einiges Rüstzeug und einige Wegweiser stehen bereit für den, der lernen (und umlernen) will.

Ich hätte keine Lust gehabt, dieses Buch zu schreiben, wenn nicht sein Inhalt für mein persönliches Leben Bedeutung hätte. Als ich zum Abschluss meiner Schulzeit das «Zeugnis der Reife» erhielt, bestand meine Kommunikationsfähigkeit vor allem darin, in einer raffinierten, gelehrsamen Sprache über Sachverhalte zu reden, zu denen mir jede Erlebnisgrundlage fehlte. Statt das Erlebte zu verstehen und auszudrücken, lernten wir, das Nicht-Erlebte altklug zu kommentieren. Ich will darüber nicht nur schimpfen, vielleicht hat diese Fähigkeit meine Hochschulkarriere begünstigt; aber dies wäre kein Grund, die Rituale der Selbstentfremdung in der Universität zu verewigen. Das Reifezeugnis in der Hand, fühlte ich mich «ungebildet» in Fragen des zwischenmenschlichen Umgangs. Für das Thema «Wie gehe ich mit mir selbst und anderen um?» war kaum eine Schulstunde reserviert gewesen. Und bei dem Entschluss, Psychologie zu studieren, hat bestimmt die innere Unruhe darüber mitgespielt, dass ich unsicher war und im Dunklen tappte, was sich zwischen mir und anderen Menschen abspielte. Zwar stellte sich das Ziel, das ich mir mit dem Studium wohl insgeheim gesetzt hatte – immer Herr der Lage zu sein und überlegen die Übersicht zu behalten – als irrtümlich heraus. Ich lernte, dass ich gerade in der Verfolgung dieses Zieles in Schwierigkeiten geriet. Dennoch (und gerade dadurch) hat mir die psychologische Grundausrüstung, die in diesem Buch enthalten ist, selber geholfen, in zwischenmenschlicher Hinsicht besser klarzukommen. Die verstandesmäßigen Einsichten öffnen zwar noch nicht die Pforten zum Himmelreich; im Gegenteil erlebe ich oft schmerzlich, wie ich gefühlsmäßig «nachhinke»: Während sich der Fortschritt der gedanklichen Einsichten in Siebenmeilenstiefeln vollzieht, folgen die Gefühle und das Verhalten noch dem alten Trott und kommen nur im Schneckentempo, Millimeter für Millimeter, hinterher. Und so sind viele Lernziele, die in diesem Buch umrissen werden, im Wesentlichen nur durch Selbsterfahrung und Verhaltenstraining erreichbar. Dennoch bin ich der Überzeugung, dass rationale Einsichten die Persönlichkeitsbildung einleiten und abstützen können. Auch habe ich die Erfahrung gemacht, dass Leute (wie ich), deren «Heimspiel» im intellektuellen Bereich liegt, sich eher durch kognitive Wegweiser auf ein emotionales Gelände verführen lassen. Als ein solcher Wegweiser versteht sich dieses Buch.

Nun zum Vorwurf der unverständlichen Sprache. Zwei Erfahrungen haben mich dazu veranlasst, mir eine gelehrsame, wissenschaftliche Sprache weitgehend «abzuschminken». 1969 rief mein Lehrer, Professor Reinhard Tausch, in Hamburg ein Forschungsprojekt ins Leben mit der Frage: Wie können Informationen verständlich vermittelt werden? Nach einigen Jahren hatten wir heraus, dass Verständlichkeit auf vier Säulen steht: Einfachheit (in der sprachlichen Formulierung); Gliederung-Ordnung (im Aufbau des Textes); Kürze-Prägnanz (statt weitschweifiger Ausführlichkeit) und Zusätzliche Stimulanz (anregende Stilmittel). Wichtiger als diese «Entdeckung» war, dass es gelang, die vier «Verständlichmacher» messbar und trainierbar zu machen. Die Grundzüge des Hamburger Verständlichkeitskonzeptes sind im Kap. B II, 2, S. 160ff. mit einigen Beispielen zusammengefasst – für eine ausführliche Darstellung (mit Trainingsprogramm) sei auf Langer, Schulz von Thun und Tausch (1981) verwiesen. – Dieses Forschungsprojekt hatte einen nachhaltigen Einfluss auf meinen eigenen Stil, Vorlesungen zu halten und wissenschaftliche Veröffentlichungen zu schreiben.

Als Zweites kam hinzu, dass ich in zahlreichen Trainingskursen für Eltern, Lehrer und Berufspraktiker aller Art bald merkte, dass wissenschaftlich-gelehrsame Ausführungen nicht ankamen. Überhaupt haben diese Kursusteilnehmer großen Einfluss auf dieses Buch genommen. Das Modell der zwischenmenschlichen Kommunikation, das ich vorstellen werde, ist aus der Begegnung von Wissenschaft und Praxis allmählich entstanden.

Im Jahre 1970 trat ein Hamburger Industrieunternehmen an die Gruppe um Reinhard Tausch heran mit der Anfrage, ob wir einen psychologischen Beitrag zur Kommunikationsfähigkeit der Mitarbeiter leisten können. Zunächst waren wir uns im Unklaren: Galt die Anfrage dem damals noch in den Kinderschuhen steckenden Hamburger Verständlichkeitskonzept? Oder galt die Anfrage den Erkenntnissen von Reinhard und Anne-Marie Tausch zu einem partnerschaftlichen Umgangsstil? Es stellte sich heraus, dass beides gemeint war. Menschliche Kommunikation hat eben mehrere Seiten; Paul Watzlawick formulierte diesen Sachverhalt damals als ein «Axiom»: «Jede Kommunikation hat einen Inhalts- und einen Beziehungs-Aspekt …» (Watzlawick u.a. 1969).

Für meine Kollegen Bernd Fittkau, Inghard Langer und für mich stellte sich damals die Frage: Wie können wir die verschiedenen Ansätze der Psychologie, die Beiträge etwa von Carl Rogers, Alfred Adler, Ruth Cohn, Fritz Perls und Paul Watzlawick so «unter einen Hut» bringen, dass sie für die praktischen Kommunikationsprobleme in einer Zusammenschau dienlich würden? Mit der Zeit schälten sich vier Problemgruppen heraus, die den Vorgang der zwischenmenschlichen Kommunikation gleichsam von vier Seiten her beleuchten:

 

1. Sachaspekt. Wie kann ich Sachverhalte klar und verständlich mitteilen? Für diesen Aspekt der Kommunikation hatten wir unser Hamburger Verständlichkeitskonzept zu bieten.

 

2. Beziehungsaspekt. Wie behandle ich meinen Mitmenschen durch die Art meiner Kommunikation? Je nachdem, wie ich ihn anspreche, bringe ich zum Ausdruck, was ich von ihm halte; entsprechend fühlt sich der andere entweder akzeptiert und vollwertig behandelt oder aber herabgesetzt, bevormundet, nicht ernst genommen. Reinhard und Anne-Marie Tausch hatten in ihrer «Erziehungspsychologie» (1977) das Geschehen in der Schule daraufhin untersucht – und zwar deshalb, weil sie die Persönlichkeitsentwicklung des Schülers vorrangig durch diesen Beziehungsaspekt beeinflusst sahen.

 

3. Selbstoffenbarungsaspekt. Wenn einer etwas von sich gibt, gibt er auch etwas von sich – dieser Umstand macht jede Nachricht zu einer kleinen Kostprobe der Persönlichkeit, was dem Sender nicht nur in Prüfungen und in der Begegnung mit Psychologen einige Besorgnis verursacht. Mit dem zunehmenden Einfluss der Humanistischen Psychologie in Deutschland wurde uns klar, dass ein «Leben hinter Fassaden» zwar die Selbstoffenbarungsangst eindämmen kann, aber mit großen Kosten für die seelische Gesundheit und für die zwischenmenschliche Verständigung verbunden ist. – Mit diesem Aspekt ist das Thema der Echtheit (Authentizität) angesprochen.

 

4. Appellaspekt. Wenn einer etwas von sich gibt, will er in der Regel auch etwas bewirken. Das Problem von Einfluss und Manipulation stellt sich nicht nur in der Werbung und Propaganda, nicht nur in Erziehung und Unterricht, sondern auch bei allerlei menschlichen Eigenarten bis hin zu neurotischen Symptomen, von denen man spätestens seit Alfred Adler weiß, dass sie nachhaltige Wirkungen auf die menschliche Umgebung des Patienten ausüben und dass in dieser heimlichen Zielstrebigkeit vielleicht ihr Wesen begründet liegt.

All diese Probleme im Kopf und eine ferne Erinnerung daran, dass Karl Bühler «drei Aspekte der Sprache» (1934) unterschieden hatte (Symbol, Symptom, Appell), kam ich schließlich auf den Gedanken, den Teilnehmern unserer Trainingskurse die «Nachricht» als quadratisches Gebilde darzustellen, wobei ich die Sichtweisen von Watzlawick und Bühler kombinierte:

Abb. 1:

Vier Seiten der Nachricht – ein Modellstück der zwischenmenschlichen Kommunikation.

Ich muss gestehen, dass ich über die «Geburt» dieses Quadrates sehr zufrieden gewesen bin (Schulz von Thun 1977). Es eignet sich sowohl zur Analyse konkreter Mitteilungen und zur Aufdeckung einer Vielzahl von Kommunikationsstörungen als auch zur Gliederung des gesamten Problemfeldes. Als psychologisches Handwerkszeug bildet es das Herzstück des vorliegenden Buches.

Drei Dinge sind beim Anblick des Quadrates sofort ersichtlich:

Erstens, dass «Klarheit» der Kommunikation eine vier-dimensionale Angelegenheit ist. Wenn jemand zu einem anderen sagt: «Ich habe fünfmal bei dir angerufen!» – so ist der Sachverhalt klar und verständlich. Weniger klar mag dem Empfänger sein, was der Sender von sich selbst mitteilen will (Enttäuschung? Hinweis auf den eigenen Eifer?) – unklar auch, was der Sender vom Empfänger hält (vielleicht der Vorwurf: «Wo treibst du dich bloß immer herum?» – Oder: «Du bist mir sehr wichtig!») und was er erreichen will (vielleicht: «Ruf doch mal von dir aus an!»). So mag beim Empfänger das Gefühl entstehen: «Ich verstehe zwar jedes Wort – aber was will er mir damit eigentlich sagen?» – Und vielfach haben die Empfänger die Tendenz, in die unklaren Seiten einer Nachricht etwas hineinzuhören, was aus dem reichen Schatz ihrer Phantasien, Erwartungen und Befürchtungen stammt – so empfangen sie gleichsam sich selbst und füllen ihre Seele mit dem eigenen Material.

Zweitens, dass in ein und derselben Nachricht viele Botschaften gleichzeitig enthalten sind, die sich um das Quadrat herumgruppieren. Dies ist ein folgenschwerer Tatbestand, denn der arme Empfänger hat auf alle (innerlich) zu reagieren und kommt dabei leicht durcheinander. Eindrucksvoll und verwirrend war für mich als kleiner Junge ein Erlebnis in der Straßenbahn. Ich saß neben meinem Großvater, einige Erwachsene hatten keinen Sitzplatz. Wütend fuhr ein Herr meinen Großvater an: Es sei unerhört, dass kleine Kinder den älteren Leuten den Sitzplatz wegnähmen. Mein Großvater ging mit ebenso lauter Stimme zum Gegenangriff über: «Wollen Sie hier meckern?» So ging es noch hin und her, und dann sagte mein Großvater mit einem Male zu meiner großen Verblüffung: «Sie haben ja recht!», ließ mich aufstehen und fügte hinzu: «Aber deswegen brauchen Sie nicht so zu meckern!» – Hier erlebte ich zum ersten Mal, dass man offenbar gleichzeitig im Unrecht sein und recht haben kann – Nachrichten sind eben vierseitig, und mein Großvater stimmte dem Mann auf der Sach- und Appellseite zu, nicht hingegen auf der Beziehungsseite. – Wenn der Empfänger es verfehlt, seine unterschiedlichen inneren Reaktionen für sich selbst klarzukriegen, wird er auch nicht klar nach außen reagieren können, und dann kommen Sender und Empfänger in ein heilloses Durcheinander. Da ist es dann bei schwierigen Auseinandersetzungen, von denen viel abhängt, keine Schande, einen Kommunikationspsychologen als Entflechtungshelfer und als Hebamme klarer Botschaften hinzuzuziehen. Vor allem von Paaren, Familien und Arbeitsgruppen wird dies zunehmend in Anspruch genommen.

Drittens ist zu sehen, dass die Seiten des Quadrates gleich lang sind. Damit ist die These verbunden, dass die vier Aspekte als prinzipiell gleichrangig anzusehen sind (wenn auch in jeder einzelnen Situation der eine oder andere Aspekt im Vordergrund stehen mag). Dieser Auffassung entgegen steht die Überbetonung des Sachaspektes in der Schule und im Arbeitsleben. Dass die heutige Schule zu «kopflastig» ist, auf die Wissensvermittlung zu viel und auf das soziale Lernen zu wenig Gewicht legt, hat sich herumgesprochen. Auch im Arbeitsleben zählt offiziell nur die Sache. Zwar sind die Probleme der Selbstdarstellung und der Beziehungsgestaltung damit nicht aus der Welt – im Gegenteil, die seelische Energie ist zu einem guten Teil von diesen Problemen absorbiert. Da aber diese menschlichen Angelegenheiten als «unsachlich» verpönt sind, gehen sie in den Untergrund, führen ein unterschwelliges, heimliches Leben, indem sie sich im Leib des trojanischen Pferdes der Sachlichkeit verstecken. Anliegen der Kommunikationspsychologie ist es, diese Verpönung aufzuheben und aus der eindimensionalen Sach-Kommunikation eine lebendig-blutvolle vierseitige Kommunikation zu machen. Allerdings sind viele von uns wegen des langjährigen einseitigen Sach-Trainings im Umgang mit den anderen drei Seiten der Nachricht wenig geübt. Dies wird in Trainings-, Selbsterfahrungs- und Therapiegruppen nachgeholt, in denen die rückständigen Persönlichkeitsbereiche aufholen können.

 

Verbesserung der zwischenmenschlichen Kommunikation durch Psychologie? Kommunikationspsychologie erhebt nicht nur den Anspruch, die Vorgänge zwischen Sender und Empfänger wissenschaftlich zu erhellen, sondern auch Rüstzeug und Wegweiser für eine Verbesserung der zwischenmenschlichen Kommunikation bereitzustellen. Wann aber ist eine Kommunikation besser oder schlechter? Als wir vor zehn Jahren mit unseren Trainingskursen begannen, waren wir – ohne uns das deutlich bewusst zu machen – der Auffassung, dass gute Kommunikation eine Sache der «ansprechenden Verpackung» sei. So hielten wir es für ungünstig, wenn jemand zu einem anderen sagte: «Nun reden Sie doch nicht so ein dummes Zeug!» Wir hielten es für günstiger, wenn er stattdessen etwa sagen würde: «Ich bin nicht ganz sicher, ob ich Ihnen in allen Punkten zustimmen kann» (s. Abb. 2).

Abb. 2:

Geheime Leitvorstellungen für eine Verbesserung der Kommunikation (unsere Auffassung vor zehn Jahren – heute überholt).

Wir dachten: Wenn wir die Teilnehmer für die gefühlsmäßigen Unterschiede dieser beiden Versionen empfindsam machen und den wünschenswerten Stil in geeigneten Übungen trainieren würden, dann hätten wir zur Verbesserung der Kommunikation und der seelischen Hygiene einen wichtigen Beitrag geleistet.

Aus heutiger Sicht sieht die Sache etwas schwieriger aus. Der emotionale Unmut, der in der ersten Version zum Ausdruck kommt, ist eine seelische Realität. Wie kann ich mit dieser Realität umgehen? Wie kann ich meinen Unmut wahrnehmen (also merken, was mit mir los ist), wie kann ich auseinanderhalten, was er mit mir und was er mit dir zu tun hat? Wie kann ich dich einweihen, ohne dir damit gleich die Schuld aufzubürden? Die Version «Richtig» in Abb. 2 verleugnet etwas von der emotionalen Realität. Dies mag geeignet sein für manchen reibungslosen Schnellverkehr, ist jedoch kaum tauglich als Modell für einen seelisch günstigen Umgang mit mir selber und mit anderen. Im Gegenteil: Ich muss befürchten, dass der unausgedrückte Unmut im seelischen Untergrund weiter wuchert und das Zusammensein aus dem Verborgenen belastet. Diese «Tiefendimension» der zwischenmenschlichen Kommunikation hatten wir damals wenig im Auge. Und so waren wir den Teilnehmern weniger in der gefühlsmäßigen Auseinandersetzung mit sich selber behilflich als vielmehr im Einüben konzeptgemäßer Formulierungen. Als Trainer waren wir selber Vorbild für einen solchen Kommunikationsstil: Die Wahrnehmung und die Auseinandersetzung mit unseren eigenen Gefühlen haben wir teilweise vermieden, erst recht die Bekanntgabe unserer Innenwelt. Stattdessen waren wir darauf aus, das Training «mit Anstand über die Bühne» zu bringen, und das hieß für uns: eine souveräne, einfühlsame und gleichbleibend freundliche Art zur Schau zu stellen (ich hoffe, ich übertreibe etwas!).

Der Weg über «ansprechende Verpackungen» war ein Irrweg, stattdessen werden «Klarheit» und «Stimmigkeit» zu neuen Maßstäben, an der sich eine sinnvolle Kommunikation zu messen hat. Mit «Stimmigkeit» ist nicht nur die Übereinstimmung meiner Kommunikation mit meiner inneren Verfassung, meinen Zielen und Werten gemeint, sondern auch mit der Verfassung meines Gegenübers und mit der «Wahrheit der Situation» (s. S. 139). – Als aussichtsreiches Heilmittel gegen eine gestörte Kommunikation hat sich die Metakommunikation herausgestellt, d.h. die Kommunikation über die Kommunikation, über die Art, wie wir miteinander umgehen. Die Kommunikationstherapeuten Mandel und Mandel schrieben 1971: «Explizite Metakommunikation ist völlig unüblich, man schämt sich ihrer. Es würde geradezu einer Evolution gleichkommen, gelänge es, sie in der nächsten Generation zur Gewohnheit zu machen.» (S. 62)

Das vorliegende Buch vermittelt Werkzeuge zur Förderung von innerer und äußerer Klarheit und ist eine Einführung in die Kunst der Metakommunikation. Es richtet sich zwar zunächst an Psychologen und angehende Psychologen, zu deren Beruf es gehört, Gruppen zu leiten, Kommunikationstrainings durchzuführen, Paare, Familien und Arbeitsgruppen in der Art ihres Miteinanders zu fördern. Jedoch sind Zaungäste aller Art erwünscht. Sie können Einblick nehmen, mit welcher «Brille» wir Kommunikationspsychologen und -therapeuten zwischenmenschliche Vorgänge betrachten, wie wir Störungen und Pannen ausmachen und mit welchem Hintergrundwissen wir Änderungen vorschlagen. Vieles von diesem Handwerkszeug gehört in die Hand von jedermann, und einige Lehrer haben angefangen, etwas davon an ihre Schüler weiterzugeben. Mir liegt sehr daran, Psychologie aus der Hand zu geben, anstatt sie (wie Ruth Cohn das nennt) «im Geheimkabinett einzuschließen». Ich bin mir der Gefahr bewusst, dass Psychologie zuweilen «in die falschen Hände» gerät, in den Dienst der Manipulation und inhumaner Tendenzen gestellt wird – und sich stellen lässt. Ich sehe auch die Gefahr, dass die wissenschaftliche Beschäftigung mit zwischenmenschlichen Vorgängen zu einer Verwissenschaftlichung der Mitmenschlichkeit führen kann und zu neuen Imponiersprachen der Eingeweihten. Einen Vorgeschmack auf solche möglichen Fehlentwicklungen gibt die Satire auf S.298. Genauso bin ich aber überzeugt, dass die Chancen überwiegen, dass das Erlernen von Klarheit und besserer Verständigung der Persönlichkeitsbildung und der mitmenschlichen Beziehung dient.

Noch ein Wort zur Reichweite der nachfolgenden Kapitel. Wer zwischenmenschliche Kommunikation verbessern will, kann an drei verschiedenen Stellen ansetzen:

 

1. Ansatz am Individuum. Das heißt: Ich fange bei mir selber an bzw. berate und trainiere einzelne Menschen. Hier besteht einerseits die Chance, unterentwickelte Persönlichkeitsbereiche zu vervollkommnen und den einzelnen mehr und mehr zu befähigen, Herr und Meister seiner selbst zu werden (Anliegen der Humanistischen Psychologie), andererseits die Gefahr, die Ursachen gestörter Kommunikation nur beim Individuum zu suchen. So werden zuweilen Schüler als «gestört» dem Psychologen überwiesen und erhalten dadurch – neben der Hilfe – auch den Prägestempel der Pathologie (vgl. Kap. B III, 5, S. 222). Unbeachtet bleibt dabei, dass der störende Schüler vielleicht nur das auffälligste Symptom einer gestörten Beziehung zwischen Lehrer und Schüler oder der Schüler untereinander ist. Diese Blickfelderweiterung führt zum

 

2. Ansatz an der Art des Miteinanders. Der «Patient» ist hier nicht ein einzelnes «schwarzes Schaf», sondern der Umgangsstil einer ganzen Gruppe (vgl. «Patient Familie», Richter 1970). Das hier charakteristische «Denken in Systemen» ist grundlegend für Paar- und Familientherapie (Bandler u.a. 1978) und für die moderne Schulberatung (Brunner u.a. 1978; Redlich und Schley 1979).

Auch bei dieser Kommunikationstherapie ist im Blick zu behalten, dass bestimmte Umgangsformen möglicherweise gar nicht so sehr der (prinzipiell) freien Gestaltung der Kommunikationspartner unterliegen, sondern sozusagen «von oben» vorprogrammiert sind. Diese abermalige Blickfelderweiterung führt zum

 

3. Ansatz an den institutionellen/gesellschaftlichen Bedingungen. Veränderungswürdig erscheinen hier weder der Einzelne noch die Interaktion zwischen mehreren, sondern die Zustände, unter denen die Menschen zusammenkommen und die ihnen bestimmte Umgangsformen aufzwingen oder zumindest nahelegen. So mag eine hierarchisch gegliederte Arbeitswelt, die einigen wenigen den Aufstieg ermöglicht, die aber gleichzeitig auf Kooperation angewiesen ist, eine Kommunikation mit «doppeltem Boden» nahelegen: vorgeblich kooperativ, aber heimlich rivalitätsorientiert (vgl. Schulz von Thun 1978).

Auch für die Institution Schule lässt sich zeigen, dass sie «heimliche Lehrpläne» vorsieht, die die Lehrer-Schüler-Beziehung und die Beziehung der Schüler untereinander von vornherein belastet und «gestörte Kommunikation» vorprogrammiert (vgl. Tillmann 1976; Brunner u.a. 1978). – Von diesem Standpunkt aus lässt sich begründet argumentieren, dass die oben erwähnten Heilmittel (psychologische Schülerhilfe, Kommunikationstrainings für Lehrer, Interaktionstherapie für Lehrer-Schüler-Beziehungen) zu kurz greifen und das wahre Übel nicht bei der Wurzel packen. Notwendig wären stattdessen institutionelle Reformmaßnahmen oder – wenn sich herausstellt, dass die Institution der zwangsläufigen Logik des Gesellschaftssystems entspricht – grundlegende gesellschaftspolitische Umorientierungen, die auf politischer Ebene zu erstreiten sind.

Für einige meiner Studenten ist das Buch bereits an dieser Stelle «gestorben», wenn ich erkläre, dass es vor allem für die Ansätze 1 und 2 Rüstzeug bietet. Sie sehen darin eine (für die bürgerliche Psychologie typische) «Psychologisierung» der Probleme, die an Symptomen kuriert, den Blick für die eigentlichen Ursachen des Übels verstellt und dadurch ein krankmachendes System am Leben erhält. Ich sehe diese Gefahr auch, wenn die psychologischen Ansätze mit einer Blindheit für die im 3. Ansatz betonten Faktoren und Zusammenhänge verbunden sind. Als genauso gefährlich sehe ich es an, wenn der 3. Ansatz mit einer Blindheit für die Faktoren und Zusammenhänge der beiden ersten Ansätze verbunden ist (Schulz von Thun 1980). Kann man glaubwürdig und vertrauenserweckend für eine Veränderung der Gesellschaft eintreten, ohne bei sich selbst und im kleinen Kreis der unmittelbaren Reichweite anzufangen?

Wer «ganze Arbeit» leisten will, wird die drei Ansätze miteinander verbinden müssen. Ich halte es für vertretbar, wenn ein psychologischer Beitrag die Ansätze 1 und 2 ausarbeitet, im Bewusstsein, dass damit noch nicht die ganze Arbeit getan ist.

[zur Inhaltsübersicht]

Teil A:Grundlagen

I.Die Anatomie einer Nachricht

(oder: Wenn einer etwas von sich gibt …)

Der Grundvorgang der zwischenmenschlichen Kommunikation ist schnell beschrieben. Da ist ein Sender, der etwas mitteilen möchte. Er verschlüsselt sein Anliegen in erkennbare Zeichen – wir nennen das, was er von sich gibt, seine Nachricht. Dem Empfänger obliegt es, dieses wahrnehmbare Gebilde zu entschlüsseln. In der Regel stimmen gesendete und empfangene Nachricht leidlich überein, so dass eine Verständigung stattgefunden hat. Häufig machen Sender und Empfänger von der Möglichkeit Gebrauch, die Güte der Verständigung zu überprüfen: Dadurch, dass der Empfänger zurückmeldet, wie er die Nachricht entschlüsselt hat, wie sie bei ihm angekommen ist und was sie bei ihm angerichtet hat, kann der Sender halbwegs überprüfen, ob seine Sende-Absicht mit dem Empfangsresultat übereinstimmt. Eine solche Rückmeldung heißt auch Feedback.

Schauen wir uns die «Nachricht» genauer an. Für mich selbst war es eine faszinierende «Entdeckung», die ich in ihrer Tragweite erst nach und nach erkannt habe, dass ein und dieselbe Nachricht stets viele Botschaften gleichzeitig enthält. Dies ist eine Grundtatsache des Lebens, um die wir als Sender und Empfänger nicht herumkommen. Dass jede Nachricht ein ganzes Paket mit vielen Botschaften ist, macht den Vorgang der zwischenmenschlichen Kommunikation so kompliziert und störanfällig, aber auch so aufregend und spannend.

Um die Vielfalt der Botschaften, die in einer Nachricht stecken, ordnen zu können, möchte ich vier seelisch bedeutsame Seiten an ihr unterscheiden. Ein Alltagsbeispiel (s. Abb. 3).

Abb. 3:

Beispiel für eine Nachricht aus dem Alltag: Die Frau sitzt am Steuer, der Mann (Beifahrer) ist Sender der Nachricht.

Der Mann (= Sender) sagt zu seiner am Steuer sitzenden Frau (= Empfänger): «Du, da vorne ist grün!» – Was steckt alles drin in dieser Nachricht, was hat der Sender (bewusst oder unbewusst) hineingesteckt, und was kann der Empfänger ihr entnehmen?

1.Sachinhalt

(oder: Worüber ich informiere)

Zunächst enthält die Nachricht eine Sachinformation. Im Beispiel erfahren wir etwas über den Zustand der Ampel – sie steht auf Grün. Immer wenn es «um die Sache» geht, steht diese Seite der Nachricht im Vordergrund – oder sollte es zumindest.

Auch im Augenblick übermittle ich in diesem Kapitel an den Leser zahlreiche Sachinformationen. Sie erfahren hier Grundlagen der Kommunikationspsychologie. – Dies ist jedoch nur ein Teil von dem, was sich gegenwärtig zwischen mir (dem Sender) und Ihnen (den Empfängern) abspielt. Wenden wir uns daher dem zweiten Aspekt der Nachricht zu:

2.Selbstoffenbarung

(oder: Was ich von mir selbst kundgebe)

In jeder Nachricht stecken nicht nur Informationen über die mitgeteilten Sachinhalte, sondern auch Informationen über die Person des Senders. Dem Beispiel können wir entnehmen, dass der Sender offenbar deutschsprachig und vermutlich farbtüchtig ist, überhaupt, dass er wach und innerlich dabei ist. Ferner: dass er es vielleicht eilig hat usw. Allgemein gesagt: In jeder Nachricht steckt ein Stück Selbstoffenbarung des Senders. Ich wähle den Begriff der Selbstoffenbarung, um damit sowohl die gewollte Selbstdarstellung als auch die unfreiwillige Selbstenthüllung einzuschließen. Diese Seite der Nachricht ist psychologisch hochbrisant, wie wir sehen werden.

Auch während Sie dieses jetzt lesen, erfahren Sie nicht nur Sachinformationen, sondern auch allerhand über mich, Schulz von Thun, den Autor. Über meine Art, Gedanken zu entwickeln, bestimmte Dinge wichtig zu finden. Würde ich Ihnen dieses mündlich vortragen, könnten Sie aus der Art, wie ich mich gäbe, vielleicht Informationen über meine Fähigkeiten und meine innere Befindlichkeit entnehmen. Der Umstand, dass ich – ob ich will oder nicht – ständig auch Selbstoffenbarungsbotschaften von mir gebe, ist mir als Sender wohl bewusst und bringt mich in Unruhe und in Bewegung. Wie werde ich dastehen als Autor? Ich möchte Sachinformationen vermitteln, jawohl, aber ich möchte auch einen guten Eindruck machen, möchte mich als eine Person präsentieren, die etwas anzubieten hat, die weiß, wovon sie schreibt, und die gedanklich und sprachlich «auf der Höhe» ist.

Mit dieser Seite der Nachricht verbinden sich viele Probleme der zwischenmenschlichen Kommunikation. In einem späteren Kapitel (S. 118ff.) werde ich darstellen, wie der Sender versucht, mit dieser Problematik fertigzuwerden. Wie er, in dem Bemühen, sich von der besten Seite zu zeigen, allerlei Techniken der Selbsterhöhung und Selbstverbergung anwendet – nicht immer zu seinem eigenen Besten.

3.Beziehung

(oder: Was ich von dir halte und wie wir zueinander stehen)

Aus der Nachricht geht ferner hervor, wie der Sender zum Empfänger steht, was er von ihm hält. Oft zeigt sich dies in der gewählten Formulierung, im Tonfall und anderen nichtsprachlichen Begleitsignalen. Für diese Seite der Nachricht hat der Empfänger ein besonders empfindliches Ohr; denn hier fühlt er sich als Person in bestimmter Weise behandelt (oder misshandelt). In unserem Beispiel gibt der Mann durch seinen Hinweis zu erkennen, dass er seiner Frau nicht recht zutraut, ohne seine Hilfe den Wagen optimal zu fahren.

Möglicherweise wehrt sich die Frau gegen diese «Bevormundung» und antwortet barsch: «Fährst du oder fahre ich?» – wohlgemerkt: ihre Ablehnung richtet sich in diesem Fall nicht gegen den Sachinhalt (dem wird sie zustimmen!). Sondern ihre Ablehnung richtet sich gegen die empfangene Beziehungsbotschaft.

Allgemein gesprochen: Eine Nachricht senden heißt auch immer, zu dem Angesprochenen eine bestimmte Art von Beziehung auszudrücken. Streng genommen ist dies natürlich ein spezieller Teil der Selbstoffenbarung. Jedoch wollen wir diesen Beziehungsaspekt als davon unterschiedlich behandeln, weil die psychologische Situation des Empfängers verschieden ist: Beim Empfang der Selbstoffenbarung ist er ein nicht selbst betroffener Diagnostiker («Was sagt mir deine Äußerung über dich aus?»), beim Empfang der Beziehungsseite ist er selbst «betroffen» (oft im doppelten Sinn dieses Wortes).

Genau genommen sind auf der Beziehungsseite der Nachricht zwei Arten von Botschaften versammelt. Zum einen solche, aus denen hervorgeht, was der Sender vom Empfänger hält, wie er ihn sieht. In dem Beispiel gibt der Mann zu erkennen, dass er seine Frau für hilfsbedürftig hält. – Zum anderen enthält die Beziehungsseite aber auch eine Botschaft darüber, wie der Sender die Beziehung zwischen sich und dem Empfänger sieht («so stehen wir zueinander»). Wenn jemand einen anderen fragt: «Na, und wie geht es in der Ehe?» – dann enthält diese Sach-Frage implizit auch die Beziehungsbotschaft: «Wir stehen so zueinander, dass solche (intimen) Fragen durchaus möglich sind.» – Freilich kann es sein, dass der Empfänger mit dieser Beziehungsdefinition nicht einverstanden ist, die Frage für deplatziert und zudringlich hält. Und so können wir nicht selten erleben, dass zwei Gesprächspartner ein kräftezehrendes Tauziehen um die Definition ihrer Beziehung veranstalten (s. Kap. B III, 4, S. 206ff.).

Während also die Selbstoffenbarungsseite (vom Sender aus betrachtet) Ich-Botschaften enthält, enthält die Beziehungsseite einerseits Du-Botschaften und andererseits Wir-Botschaften.

Was spielt sich jetzt, während Sie diesen Text lesen, auf der Beziehungsseite der Nachricht ab? Indem ich überhaupt diesen Beitrag geschrieben und veröffentlicht habe, gebe ich zu erkennen, dass ich Sie hinsichtlich unseres Themas für informationsbedürftig halte. Ich weise Ihnen die Rolle des Schülers zu. Indem Sie lesen (und weiterlesen), geben Sie zu erkennen, dass Sie eine solche Beziehung für den Augenblick akzeptieren. Es könnte aber auch sein, dass Sie sich durch meine Art der Entwicklung von Gedanken «geschulmeistert» fühlen. Dass Sie bei sich denken: «Mag ja ganz richtig sein, was der da schreibt (Sachseite der Nachricht), aber die dozierende Art fällt mir auf den Wecker!» Ich habe selbst erlebt, dass manche Empfänger allergisch reagieren, wenn ich die Sachinformation übertrieben verständlich darstelle; das Gefühl mag sein: «Er muss mich für dumm halten, dass er die Informationen so einfach, gleichsam ‹idiotensicher› darstellt.» Sie sehen, wie selbst bei sachorientierten Darstellungen die Beziehungsseite der Nachricht das Geschehen mitbestimmen kann.

4.Appell

(oder: Wozu ich dich veranlassen möchte)

Kaum etwas wird «nur so» gesagt – fast alle Nachrichten haben die Funktion, auf den Empfänger Einfluss zu nehmen. In unserem Beispiel lautet der Appell vielleicht: «Gib ein bisschen Gas, dann schaffen wir es noch bei grün!»

Die Nachricht dient also (auch) dazu, den Empfänger zu veranlassen, bestimmte Dinge zu tun oder zu unterlassen, zu denken oder zu fühlen. Dieser Versuch, Einfluss zu nehmen, kann mehr oder minder offen oder versteckt sein – im letzteren Falle sprechen wir von Manipulation. Der manipulierende Sender scheut sich nicht, auch die anderen drei Seiten der Nachricht in den Dienst der Appellwirkung zu stellen. Die Berichterstattung auf der Sachseite ist dann einseitig und tendenziös, die Selbstdarstellung ist darauf ausgerichtet, beim Empfänger bestimmte Wirkung zu erzielen (z.B. Gefühle der Bewunderung oder Hilfsbereitschaft); und auch die Botschaften auf der Beziehungsseite mögen von dem heimlichen Ziel bestimmt sein, den anderen «bei Laune zu halten» (etwa durch unterwürfiges Verhalten oder durch Komplimente). Wenn Sach-, Selbstoffenbarungs- und Beziehungsseite auf die Wirkungsverbesserung der Appellseite ausgerichtet werden, werden sie funktionalisiert, d.h. spiegeln nicht wider, was ist, sondern werden zum Mittel der Zielerreichung. Darüber ausführlich in Kap. B IV, 1, S. 243ff.

Der Appellaspekt ist vom Beziehungsaspekt zu unterscheiden, denn mit dem gleichen Appell können sich ganz unterschiedliche Beziehungsbotschaften verbinden. In unserem Beispiel mag die Frau den Appell an sich vernünftig finden, aber empfindlich auf die Bevormundung reagieren. Oder umgekehrt könnte sie den Appell für unvernünftig halten («ich sollte nicht mehr als 60 fahren»), aber es ganz in Ordnung finden, dass der Mann ihr in dieser Weise Vorschläge zur Fahrweise macht.

Natürlich enthält auch dieses Buch etliche Appelle. Sie werden in den folgenden Kapiteln noch deutlicher werden. Ein wesentlicher Appell lautet zum Beispiel: Versuche, in kritischen (Kommunikations-)Situationen, die «leisen» Selbstoffenbarungs-, Beziehungs- und Appellbotschaften direkt anzusprechen bzw. zu erfragen, um auf diese Weise «quadratische Klarheit» zu erreichen!

Die nun hinlänglich beschriebenen vier Seiten einer Nachricht sind im folgenden Schema zusammengefasst:

Abb. 4:

Die vier Seiten (Aspekte) einer Nachricht – ein psychologisches Modell der zwischenmenschlichen Kommunikation.

Dieses Modell ist angeregt durch Bühler (1934) und Watzlawick u.a. (1969). Bühler unterscheidet «drei Aspekte der Sprache»: Darstellung (= Sachinhalt), Ausdruck (= Selbstoffenbarung) und Appell. Watzlawick unterscheidet zwischen dem Inhalts- und dem Beziehungsaspekt von Nachrichten. Der «Inhaltsaspekt» ist gleichbedeutend mit dem «Sachinhalt» des vorliegenden Modells. Der «Beziehungsaspekt» ist dagegen bei ihm weiter definiert und umfasst im Grunde alles drei: «Selbstoffenbarung», «Beziehung» (im engeren Sinne) und «Appell», und damit auch den «metakommunikatorischen» Anteil an der Nachricht, der Hinweise darauf gibt, wie sie aufzufassen ist. Den Vorteil des hier vorgestellten Modells sehe ich darin, dass es die Vielfalt möglicher Kommunikationsstörungen und -probleme besser einzuordnen gestattet und den Blick öffnet für verschiedene Trainingsziele zur Verbesserung der Kommunikationsfähigkeit.

5.Die Nachricht als Gegenstand der Kommunikationsdiagnose

Halten wir fest: Ein und dieselbe Nachricht enthält viele Botschaften; ob er will oder nicht – der Sender sendet immer gleichzeitig auf allen vier Seiten. Die Vielfalt der Botschaften lässt sich mit Hilfe des Quadrates ordnen. Dieses «Drumherum» der Botschaften bestimmt die psychologische Qualität einer Nachricht. Zur Verdeutlichung dieser kommunikationspsychologischen Arbeitsweise nehmen wir noch einmal die Nachricht des Beifahrers: «Du, da vorne ist grün!» unter die kommunikationspsychologische Lupe:

Abb. 5:

Das Botschaftsgeflecht einer Nachricht, wie es unter der kommunikationspsychologischen Lupe sichtbar wird.

Bisher habe ich so getan, als ob das Drumherum von Botschaften immer eindeutig wäre. Das Gegenteil ist der Fall. Wie wir sehen werden, kann das gesendete und das empfangene Botschaftsgeflecht erheblich verschieden sein (s. Kap. A II, 3, S. 67ff.).

Übungen

Legen Sie die folgenden Nachrichten unter die kommunikationspsychologische Lupe:

Ehepaar sitzt abends beim Fernsehen. Sagt der Mann: «Erna, das Bier ist alle!»

Lehrer geht den Flur entlang, um in seiner Klasse Unterricht zu halten. Da kommt ihm die zehnjährige Astrid entgegen und sagt aufgebracht: «Herr Meier, die Resi hat ihren Atlas einfach in die Ecke gepfeffert!»

Welches Gespräch, das Sie kürzlich mit jemandem geführt haben, kommt Ihnen in den Sinn? Besinnen Sie sich auf je eine Äußerung, die Ihr Gesprächspartner und Sie selbst getan haben, und analysieren Sie sie kommunikationspsychologisch!

Der folgende Ausschnitt stammt aus einem telefonischen Beratungsgespräch.[1] Die Ratsuchende, ein 26-jähriges Mannequin, unverheiratet, schwanger im dritten Monat, hat ihren Konflikt vorgetragen: Soll oder darf sie das Kind abtreiben? Betrachten Sie die Reaktion des Ratgebers unter kommunikationspsychologischen Gesichtspunkten:

Ratgeber: «Ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen: Nicht dass ich prinzipiell was gegen Abtreibung hätte, es gibt Situationen, wo man sie also mehr als befürworten sollte, nicht? Aber zum Gesamtmenschenbild gehört das Kind mit hinzu, und Sie sagten mir vorhin, wenn ich Sie recht verstanden habe, Sie lieben zwar diesen Kindesvater, aber würden ihn nicht heiraten …»

Ratsuchende: «Nein, ich möchte eigentlich überhaupt nicht heiraten, ich fühle mich sehr wohl, so wie ich lebe.»

Ratgeber: «Ja, wissen Sie, Sie genießen zwar jetzt ’ne gewisse Freiheit, aber ’ne gewisse Freiheit verleitet auch sehr schnell dazu, dass man – ich möchte jetzt nicht sagen: völlig verantwortungslos wird – das stimmt nicht. Dass man, äh – man fühlt sich doch nur dann recht wohl in diesem Leben – ich weiß nicht, vielleicht ist das bei Ihnen noch nicht so ganz durchgekommen, wenn man für eine ganz bestimmte Sache auch mal verantwortlich zeichnet, dass man für etwas da ist – ich meine, Sie haben jetzt Ihren Beruf, nicht? Aber wie gesagt, der Beruf – ich weiß nicht recht, in welchem Alter man da so nicht mehr gefragt ist, aber ich könnte mir doch in etwa denken, so in vier, fünf Jahren wäre das so weit, dass Sie dann eben nicht mehr so schön lächeln können, wie Sie jetzt müssen …»

5.1Nachrichten und Botschaften

Ich benütze beide Begriffe in der folgenden Weise: Die «Nachricht» ist das ganze vielseitige Paket mit seinen sprachlichen und nicht-sprachlichen Anteilen. Eine Nachricht enthält viele Botschaften gleichzeitig. Sie ist Gegenstand der Kommunikationsdiagnose, indem wir das Drumherum der Botschaften unter die Lupe nehmen. – Was aber ist die Analyseeinheit? Handelt es sich bei der Nachricht um einen einzigen Satz, oder können es zwei oder mehrere Sätze sein? Antwort: Dies ist nicht festgelegt, hängt ab von der praktischen Zielsetzung. Es kann sich um ein einziges Wort (z.B. «Raus!!») oder um einen einzigen «vielsagenden» Blick handeln, man kann aber auch eine ganze Rede oder einen Brief zugrunde legen.

 

Explizite und implizite Botschaften. Botschaften können in der Nachricht explizit oder implizit enthalten sein. Explizit heißt: ausdrücklich formuliert. Implizit heißt: ohne dass es direkt gesagt wird, steckt es doch drin oder kann zumindest «hineingelegt» werden.

Die Unterteilung explizit/implizit ist unabhängig von der quadratischen Unterteilung: Auf allen vier Seiten der Nachricht sind explizite wie implizite Botschaften möglich. So kann ich (explizit) sagen: «Ich bin aus Hamburg» – oder aber (implizit) durch meinen sprachlichen Dialekt den Hamburger verraten. Genauso kann ich (explizit) jemandem sagen, was ich von ihm halte, oder aber (implizit) in Tonfall und Formulierungen so «von oben herab» reden und auf diese Weise nicht minder eindrucksvoll zu erkennen geben, wie ich zu ihm stehe. Genauso kann ich einen Appell explizit («Erna, hol Bier!») oder implizit senden («Erna, das Bier ist alle»).

Man könnte geneigt sein anzunehmen, dass die expliziten Botschaften die eigentlichen Hauptbotschaften sind, während die impliziten Botschaften etwas weniger wichtig am Rande mitlaufen. Dies ist keineswegs der Fall. Im Gegenteil – die «eigentliche» Hauptbotschaft wird oft implizit gesendet. Manche Sender haben geradezu eine Meisterschaft darin entwickelt, ihre Aussage durch implizite Botschaften an den Mann zu bringen, um sie notfalls dementieren zu können («Das habe ich nicht gesagt!»).

 

Nonverbale Nachrichtenanteile. Für implizite Botschaften wird oft der nichtsprachliche Kanal bemüht: Über die Stimme, über Betonung und Aussprache, über begleitende Mimik und Gestik werden teils eigenständige und teils «qualifizierende» Botschaften vermittelt. Mit «qualifizierend» ist gemeint: Die Botschaften geben Hinweise darauf, wie die sprachlichen Anteile der Nachricht «gemeint» sind. Ein Satz wie «Das sollst du mir büßen!» hängt in seiner Bedeutung entscheidend davon ab, wie die nichtsprachlichen Begleitsignale aussehen bzw. sich anhören (s. auch S. 41). «Nonverbale Kommunikation» hat sich in letzter Zeit zu einem bedeutsamen Forschungsgebiet und zu einem (besonders für die therapeutische Kommunikation) wichtigen Beobachtungsfeld entwickelt.

Lässt sich das Modell auch auf rein nicht-sprachliche Nachrichten anwenden? Ja. Hier ist allerdings meist die Sach-Seite leer. Angenommen, jemand weint. Alle restlichen drei Seiten dieser Nachricht können wichtige Botschaften enthalten. Selbstoffenbarung: vielleicht Traurigkeit, seelisches Elend, vielleicht Freude – jedenfalls emotionale Bewegtheit. Beziehung: vielleicht eine Bestrafung des Empfängers («Da siehst du, was du angerichtet hast, du gemeiner Kerl!»). Appell: Vielleicht handelt es sich bei dem Weinen auch um eine (bewusste) Strategie, um Zuwendung oder Schonung zu erhalten (s. Abb. 6).

Abb. 6:

Drei Seiten einer nicht-verbalen Nachricht.

«Man kann nicht nicht kommunizieren.» Dieses «Grundgesetz» der Kommunikation (Watzlawick 1969) ruft uns in Erinnerung, dass jedes Verhalten Mitteilungscharakter hat. Ich muss gar nicht etwas sagen, um zu kommunizieren. Jedes Schweigen ist «beredt» und stellt eine Nachricht mit mindestens drei Seiten dar. Angenommen, ich betrete ein Zugabteil. Jemand sitzt darin, und ich begrüße ihn mit einer freundlichen Bemerkung. Er reagiert nicht und liest weiter in seiner Zeitung. Die Nachricht, die ich «höre», liegt in Abb. 7 unter der kommunikationspsychologischen Lupe:

Abb. 7:

Jedes Verhalten hat Mitteilungscharakter, hier: Das Schweigen im Zugabteil.

Jedes in einem zwischenmenschlichen Kontext gezeigte Verhalten hat einen quadratischen Charakter und wird als solches aufgenommen.

5.2Kongruente und inkongruente Nachrichten

Das gleichzeitige Enthaltensein von sprachlichen und nichtsprachlichen Anteilen an der Nachricht eröffnet einerseits die Möglichkeit, dass sich diese Anteile gegenseitig ergänzen und unterstützen, andererseits aber auch die verwirrende Möglichkeit, dass sie einander widersprechen.

Eine Nachricht heißt kongruent, wenn alle Signale in die gleiche Richtung weisen, wenn sie in sich stimmig ist. So passt ein wütender Blick und eine laute Stimme zu dem Satz «Ich will dich nicht mehr sehen, du Schuft!»

Besondere Beachtung dagegen haben in der kommunikationspsychologischen Literatur der letzten Zeit Nachrichten erfahren, die inkongruent sind, wo also die sprachlichen und nichtsprachlichen Signale nicht zueinander passen, in Widerspruch zueinander stehen. So mag jemand auf die Frage «Ist irgendwas los mit Ihnen?» antworten: «Es ist alles in Ordnung!», aber durch Tonfall und Mimik deutlich ausdrücken, dass doch etwas nicht in Ordnung ist (s. Abb. 8 a). – Auch der umgekehrte Fall ist vorstellbar und häufig anzutreffen (Abb. 8 b).

Abb. 8:

Beispiele für inkongruente Nachrichten.

In Anlehnung an Haley (1978) soll dieser Sachverhalt nun noch einmal etwas theoretischer und systematisch betrachtet werden. Wir haben zwischenmenschliche Kommunikation bisher deshalb als so verwickelt erfahren, weil jede gesendete Nachricht ein ganzes Geflecht von Botschaften darstellt. Jetzt wird die Sache noch einmal um eine Stufe komplizierter: Der Sender kommuniziert – ob er will oder nicht – immer auch auf zwei Ebenen gleichzeitig: Auf der Mitteilungsebene und auf der Metaebene. Die Botschaften dieser beiden Ebenen «qualifizieren» einander, d.h. geben wechselseitig Interpretationshilfen darüber, wie die Botschaft der anderen Ebene gemeint ist. Die Menschen sagen nicht nur etwas, sondern qualifizieren das Gesagte auch.

Die Botschaften können einander in kongruenter oder in inkongruenter Weise qualifizieren. Auf welche Weise werden Mitteilungen qualifiziert? Haley unterscheidet vier Möglichkeiten:

 

Qualifikation durch den Kontext: Wenn ein Ehemann angesichts einer angebrannten Kohlroulade sagt: «Ich bewundere deine Kochkünste!», dann qualifiziert der Kontext das Gesagte in inkongruenter Weise. Hier ist es also nicht ein Bestandteil der Nachricht selbst, der zu anderen Bestandteilen unstimmig ist, sondern sind es offenkundige Sachverhalte in der Situation.

 

Qualifikation durch die Art der Formulierung. Die Art, wie jemand einen Sachverhalt formuliert, qualifiziert das Gesagte. Zum Beispiel wird jemand nach einer Magenverstimmung gefragt, wie es ihm gehe. Die Antwort lautet: «Ich bin todkrank!» Die übertreibende Formulierung qualifiziert den Inhalt der Aussage in inkongruenter Weise. Oder in einer Diskussion um die Frage, ob man den Strafvollzug humaner gestalten sollte, sagt jemand: «Ich wäre dafür, aus den Gefängnissen Sanatorien zu machen, weil doch kriminelle Taten einen Beweis dafür darstellen, dass der arme Täter krank ist und nichts dafür kann. Also muss er doch geheilt und gepflegt werden.» – Wenn wir als Empfänger diese Aussage hören, werden wir unsicher: Ist das so seine Meinung, oder karikiert und ironisiert er einen Standpunkt, den er sich selbst gerade nicht zu eigen machen möchte? Die überspannte Formulierung («Sanatorium») stellt eine wahrscheinlich inkongruente Qualifizierung dar.

 

Qualifizierung durch Körperbewegungen (Mimik und Gestik). Etwa kann eine positive Beziehungsaussage («ich mag dich») von einer ablehnenden Körperbewegung begleitet sein. (Weitere Beispiele s. Abb. 8.)

 

Qualifizierung durch den Tonfall.