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Josef Bierbichler

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Beschreibung

Im Ersten Weltkrieg zerschlägt eine feindliche Kugel zuerst den Stahlhelm und dann den Schädel des ältesten Sohnes vom Seewirt. Also muß sein jüngerer Bruder Pankraz das väterliche Erbe antreten. Der überlebt zwar den zweiten großen Krieg, wäre aber trotzdem lieber Künstler als Bauer und Gastwirt geworden. Da braucht es schon einen Jahrhundertsturm, der droht, Haus und Hof in den See zu blasen, damit aus Pankraz doch noch ein brauchbarer Unternehmer und Familienvater wird. Aber als der eigene Sohn ihn später anfleht, ihm die Erziehung im katholischen Internat zu ersparen, versteht er ihn nicht. Zu sehr ist man in diesen Zeiten mit anderem beschäftigt: das Vergangene vergangen sein zu lassen und die Geschäftsbedingungen der neuen Gegenwart zu studieren. Eine Seewirtschaft in Bayern, bizarre Gäste und eine Familie über drei Generationen, heillos verstrickt ins ungeliebte Erbe. Josef Bierbichler, der große Menschendarsteller des deutschen Theaters und Films, erzählt hundert Jahre Deutschland. Ein Epos über Krieg und Zerstörung, alte Macht und neuen Wohlstand, über die vermeintlich fetten Jahre.

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Seitenzahl: 552

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Im ErstenWeltkrieg zerschlägt eine feindliche Kugel zuerst den Stahlhelm und dann den Schädel des ältesten Sohnes vom Seewirt. Also muss sein jüngerer Bruder Pankraz das väterliche Erbe antreten. Der überlebt zwar den zweiten großen Krieg, wäre aber trotzdem lieber Künstler als Bauer undGastwirt geworden. Da braucht es schon einen Jahrhundertsturm, der droht, Haus und Hof in den See zu blasen, damit aus Pankraz doch noch ein brauchbarer Unternehmer und Familienvater wird.

Josef Bierbichler wurde 1948 am Starnberger See geboren. Seit Anfang der siebziger Jahre ist er als Theaterschauspieler auf allen großen Bühnen in Deutschland, Österreich und der Schweiz präsent. Für den Film arbeitete ermit Regisseuren wie Werner Herzog (Herz aus Glas), Herbert Achternbusch (Servus Bayern, Heilt Hitler!), Tom Tykwer (Die tödliche Maria) und Michael Haneke (Das weiße Band) zusammen. Er lebt am Starnberger See.

Josef Bierbichler

MITTELREICH

Roman

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Suhrkamp

Umschlagfoto: Markus Tedeskino

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

eBook Suhrkamp Verlag Berlin 2013

© Suhrkamp Verlag Berlin 2011

Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das der Übersetzung, des öffentlichen Vortrags sowie der Übertragung durch Rundfunk und Fernsehen, auch einzelner Teile.

Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotografie, Mikrofilm oder andere Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Umschlag: Göllner, Michels

 

eISBN 978-3-518-76030-7

www.suhrkamp.de

MITTELREICH

Nu lass du den doch auch mal ran, murmelt der alte Mann und schlägt mit seiner Linken nach dem flatterhaften Vogel. Is nich alles für dich! Hier kriegt jeder was ab, nich nur von die Großen. Auf dem Rücken seiner rechten Hand wippt fett ein Spatz und sticht mit seinem Schnabel nach dem Krümel Brot in seiner linken. Von seinen Knien aus streckt sich ein anderer und hüpft und flattert wild nach oben. Auf seiner Schulter sitzt ein dritter da, wie unbeteiligt oder satt. Auch auf der krummen Fassung von dem alten Drahtkorb voller ausgetriebener Kartoffeln trippeln welche, und um die Schüssel mit den schon gezupften picken sie und flattern. Von Zeit zu Zeit segeln andere vom Dach herunter, um gleich furchtsam wieder abzudrehen. In drückender Hitze steht die Luft unbeweglich in der Auffahrt zwischen dem Haupthaus und den Nebengebäuden.

Verfluchter Krüppel, schimpft der Mann. Ein Spatz hat sich im Sturzflug von der Regenrinne aus auf seine linke Hand geworfen und fliegt nun mit dem Krümel Brot in seinem Schnabel wieder weg. Verfluchter Krüppel! – und es klingt anerkennend. Ein Schatten jagt zwischen den seitlich stehenden Mülltonnen heraus und landet wie ein Wurfgeschoss auf dem Schoß des alten Mannes. Und wie nach einem Windstoß im Herbst das dürre Laub, so wirbelt jetzt das Spatzenvolk davon. Der Schatten ist Mandi, der Kater. Der Mann seufzt müde und fängt an, ihm mit der einen Hand den Kopf zu kraulen. Mit der anderen krault er ihm den Nacken. No! Nu sind se alle weg!, sagt er, und es ist ein Einvernehmen zwischen Mann und Tier, als sprächen beide ..., und dann liegt der gerade noch wild durchflatterte Hofschacht zwischen Straße und Hinterhof wieder in stiller vorläufiger Ruhe.

Der Kater flegelt sich schnurrend mit geschlossenen Augen auf Viktors Schoß. Die Krallen der Vorderpfoten vergraben und öffnen sich rhythmisch im Gewebe der fettigen Cordhose. Über den Körper des Katers hinweg hat Viktor seine Arbeit wieder aufgenommen und zupft den Kartoffeln die Triebe aus. Unterm Schild der alten Wehrmachtsmütze glänzt der Schweiß auf seiner Stirn. In der Dachrinne dösen die verjagten Spatzen hinter halb geschlossenen Augenlidern vor sich hin. Die Auffahrt herunter tanzt ein junges Huhn in einem Mückenschwarm. Die feuchte heiße Luft scheint fast zu schmatzen. Sonst ist es still. Der heiße Juninachmittag verdaut den kühlen Morgen.

Viktor hebt den Kopf leicht an und dreht ihn ein wenig nach rechts – dann lauscht er. Unterm Dachgiebel der Remise hört er es leise kratzen und scharren, rutschen und schaben, dazwischen unterdrücktes Kichern und verhaltenes Flüstern von Kinderstimmen. Dann wieder Stille. Im großen Haus rauscht eine Toilettenspülung, und zischelnd füllt sich der Spülkasten. Auch danach ist es still.

Hitze. Stille. Schweiß.

Wie aus dem Nichts durchschlägt ein Kampfflugzeug den Schall, den Himmel, die Luft und den Mittag, die Ohren, das Gemüt, die Geduld und die Liebe, die Hoffnung, die Zukunft, alles ..., und verschwindet wieder mit einem minutenlang verebbenden, nicht mehr enden wollenden Maschinendonnergrollen am Himmel.

Der Kater ist mit einem Satz von Viktors Schoß herunter direkt gegen den Drahtkorb geprallt und duckt sich nun mit weit aufgerissenen Augen unter die Remisenbank. Ins Laub der umstehenden Holundersträucher haben sich die Spatzen geflüchtet und flattern und stürzen im dichten Blattwerk hilflos durcheinander. Ein orientierungslos gewordener Eichelhäher, der sich im Sturzflug auf die Stahlbetondecke der Jauchegrube geworfen hat, bleibt tot in einem kleinen Blutfleck liegen.

 

Es ist Ende Juni 1984. Der kalte Krieg scheint sich erwärmen zu wollen für einen heißen. Die Weltfriedensplaner rüsten für ein Nachrüsten. Industrie und amtierende Politik durchleben fette Jahre.

 

Unterm Dachgiebel der Remise hält der Schreck den Atem gepresst in den jungen Lungen gefangen. Am Himmel verliert sich nach und nach der tödliche Lärm. Mit einem kurz herausgestoßenen: Ohh! Das war ein Düsenjäger! Wahnsinn! nehmen auch wieder das Atmen und die Lebenserkundungen im Kinderversteck ihren Fortgang, als wäre nichts gewesen. Nichts.

Unten auf der Straße fahren ein paar Radler vorbei, junge Leute mit Badesachen auf den Gepäckträgern. Jetzt kommen sie wieder, die Titten, murmelt Viktor, und mit ihnen die Gefühle. Eine Grimasse verzieht sein Gesicht. Ich hätte müssen für meine sexuellen Bedürfnisse vorsorgen, nicht für die Rente. Geld hab ich genug. Aber fürs Sexuelle gibt’s keine gesellschaftliche Solidarität. Man denkt nich an so was, solang da sind noch keine Probleme. Und niemand hat es einem beigebracht.

So dachte Viktor.

Er öffnet leise die angelehnte Tür zur Remise. Drinnen horcht er. Keuchendes Schnaufen ist von oben zu hören, hin und wieder ein Stöhnen. Sonst ist es ruhig. Aus dem herumliegenden Gerümpel von Kutschen und Holzfässern und Holzachsen mit Holzrädern und gebogenen Kufen von Langholzschlitten zieht er unter einer alten Heuhäckselmaschine eine zwei Meter lange Holzleiter heraus. Ich hätte das früher vorbereiten müssen, jetzt ist es zu spät, murmelt er und richtet die Leiter in einer Ecke des Schuppens auf, wo oben zwei lose nebeneinanderliegende Bretter, die mit anderen zusammen die Decke des Raumes bilden, ein wenig übereinandergeschoben sind und einen Spalt freigeben, so dass leicht ein Kopf hindurchgeschoben werden kann. Nur gut, dass ich mir nix mach aus Kindern, sonst möchte ich da womöglich noch kommen in eine Bredouille.

Dann steigt er Sprosse für Sprosse bedächtig hinauf.

In der Dorfkapelle beginnen die Glocken das Mittagsgeläute. Verfluchte Nonnen!, entfährt es Viktor, und durch das Loch im Bretterboden sieht er gerade noch drei Buben ihre Hosen hochziehen und geduckt unterm Dachgiebel über seinen Kopf hinweg davonlaufen. Laut scheppern die sich durchbiegenden und wieder aufschlagenden Bretter. Wie die große Trommel am Kriegerjahrtag, denkt er, und auch danach ist es wieder still.

Warum ist es immer wieder so still?

Die Glocken haben aufgehört zu läuten, von den Buben ist nichts mehr zu hören, Viktor steht immer noch unter die Holzdecke gebückt auf der Leiter. Immer so still!

Er ist 82 und sieht und hört noch alles. Zum Lesen benutzt er seit 20 Jahren eine Brille, und immer noch dieselbe, und sonst hat er keine Gebrechen. Warum ist es nur so still? Wenn wenigstens der Flieger noch mal käme. Plötzlich hat er Höhenangst. Komm nur, kleines Mäuschen, lass dich nicht so gehen, blubbert es in seinem Hirn, so dass er sich ein bisschen schämt. Er steigt die Leiter wieder hinunter, ertastet sich die Sprossen und verlässt den Schuppen.

Wie er durch das Haupthaus geht – eigentlich schlurft er ja, wie er so durchs Haupthaus geht – ist es da alles andere als still. Da ist eine Geschäftigkeit, ein lautes Reden und ein Werkeln wie in jeder anderen Saisonwirtschaft, wenn an heißen Tagen, kurz bevor die Gäste kommen, die letzten Vorbereitungen getroffen werden. Viktor durchquert die Küche und geht durch den Hausgang weiter und vorbei an der Schänke einer hoch aufgedrehten Gastwirtschaft. Und da ist nichts von einer Stille oder Ruhe, nichts von dem für ihn so Eigentümlichen und doch eigentlich Normalen, das ihn vorher so in Angst versetzt zu haben schien. Er tritt durch die Haustür hinaus auf die seeseitige Aufgangsveranda und sieht, dass der Dampfer schon angelegt hat. Fest krampfen seine Hände sich um das Geländer, lang starrt er auf das Schiff, das keine fünfzig Schritt vom Ufer weg am großen Steg verankert liegt, fast unwirklich in seiner Größe, bedrohlich nah, auf bewegtem Grund das Gegenbild der Gastwirtschaft, vor deren Eingangstüre er auf festem Boden steht – und dann entfährt es ihm ein zweites Mal: Verfluchte Nonnen!

Diesmal kommt es aus der Tiefe, es ist nicht mehr nur spontan und nur Reflex, kommt nicht mehr nur aus dem Gefühl, es kommt jetzt aus dem Boden, kommt durchs Grundwasser, kommt hervor aus alter Zeit: Verfluchte Nonnen!, dass es nur so brodelt.

Es ist mehr als nur Verwünschung. Es ist eine Lossagung von allem: Vom Pünktlichkeitsgebot, vom aufgezwungenen nachbarschaftlichen Zusammengehörigkeitsgefühl, von dorfgesellschaftlichen Tabus, von den Fesseln des Anstandes, der Höflichkeit und der Rücksichtnahme. Es ist das Ende der Konvention.

Semi tritt aus dem Haus und stellt sich neben Viktor.

Hast du das Schiff versäumt?

No! Was versäumt, antwortet er, nix hab ich versäumt. Die Nonnen haben nicht geläutet. Er ist erregt und spricht jetzt Schlesisch, die Sprache der Landschaft, aus der er einst kam.

Doch, die haben geläutet, widerspricht Semi, ich hab es doch gehört.

Nu ja, natürlich, geleitet ham se schon. Drum haste was gehört. Aber sie haben nicht pünktlich geleitet. Nicht um zwelfe, dass ich mich könnte drauf verlassen. Um zwelfe ist Mittag, nich um halb eins.

Semi schaut ihn nicht mal an.

Du musst ihnen die Leviten lesen, sagt er, und geht wieder hinein.

 

Trotz der Hektik, die mittlerweile vor dem Haus und auf der Straße eingesetzt hat, hört Viktor die Stille. Autos fahren dröhnend vor und suchen einen Parkplatz; Radfahrer klingeln sich schreiend den Weg frei; quietschende Kinder laufen zum Wasser; Bekannte begrüßen sich scheppernd und laut; der Dampfer brüllt mit bleiernem Trompetenstoß seine bevorstehende Abfahrt herbei, ohne Viktors Stegwartdienste in Anspruch genommen zu haben. Der hört alles aus der Ferne und ganz unnatürlich, wie durch Watte. Sein Bauch furzt, seine Haut juckt, sein ganzer Körper ist ihm unbequem. Aus der Haut kann er nicht heraus, also geht er.

Er schaut niemand an, als er geht, er grüßt nicht, er geht an allen vorbei, bis er sie hinter sich hat.

Semi schaut ihm hinterher. Er kennt Viktor von Geburt an. Viktor saß am selben Tisch wie er und aß die gleichen Speisen, er betete dasselbe Tischgebet, er setzte sich aufs selbe Klo und langweilte sich in derselben Kirche, er feierte Weihnachten unter demselben Christbaum. Viktor ist zwar weder Onkel noch Tante, weder Vetter noch Cousine, er ist nicht verwandt und nicht verschwägert. Absolut nicht. Aber er ist Teil der großen Seewirtsfamilie. Das Einzige, was ihm verwehrt bleibt, ist der Einblick in die Finanzen und, wenn es so weit sein wird, der Platz im Familiengrab. Semi kennt ihn also gut. Deshalb fällt ihm auf, dass Viktor heute anders ist.

Viktor ist im rückwärtigen Hausgang angelangt und schaut in den viereckigen Spiegel über dem Ausguss vor seinem Zimmer. Die silberne Folie unterm Glas ist von den Rändern her zerschlissen, so dass nur in der Mitte noch ein kleines rundes Loch frei ist, in dem er sein Gesicht gerade noch zur Hälfte spiegeln kann. Was er sieht, befördert seine Sorge: Das Gesicht ist rot über der Stirn, die nach hinten gekämmten grauen Haare sind aufgebraucht, die Augen sind fremd! Er schaut in fremde Augen. Fremde Augen schauen ihn an. Er setzt seine Brille auf, und der Eindruck wird stärker: Er hat Angst vor seinen Augen. Er hört nichts mehr. Er sieht nur noch seine fremde Angst.

Was ist das?, fragt sich Semi, der Viktor bis zum Hausgangeck gefolgt ist und ihn von da aus ungesehen überprüft. Wie kann es sein, dass so ein Teichmolch seine Spuren zieht, ohne eine Spur zu hinterlassen? Es wird Zeit, sich zu erinnern!

 

 

Im letzten Quartal des vorletzten Jahrhunderts waren die kriegerischen Kräfte des Landes erlahmt und hatten sich zurückgezogen, um sich zu erholen und zu sammeln für neue, viel mächtigere und zerstörerischere Vorhaben in der Zukunft. Das Land konzentrierte sich wieder auf sich selbst und seine inneren Widersprüche. Aus alten Manufakturen waren neue Fabriken herausgewachsen und hatten den einen Arbeit und den anderen immer mehr Wohlstand und Macht gebracht. Neue Berufe wurden gebraucht, um Wohlstand und Macht zu verwalten im Auftrag derer, die darüber verfügten. Und so war eine neue Mittelschicht herangewachsen, die für ihre strikte Loyalität gegenüber ihren Brotherren und eine klare und strenge Abgrenzung gegenüber den immer zahlreicher benötigten Arbeitskräften in den Industriezentren gut entlohnt wurde. Handlanger und Equilibristen der neuen, ganz besonderen Art wurden das, im Dienste eines neuen Reichtums, der sich, grenzenlos im Sinn des Wortes, zu entwickeln trachtete und dementsprechend einen Weg in grenzenlose Welten suchte. In diesem Reichtum war der neue Mittelstand aus Beamtenschaft und Akademikern gediehen, und es hatten sich Bedürfnisse herausgebildet, die in früheren Zeiten nur dem Adel und seiner Entourage vorbehalten waren. Freizeit wurde ein neues Wort und bekam Flügel. Wochenendvilla, Sommerurlaub, Baden, Rudern, Dampfschifffahren wurden Füllwörter, die sich zu Bedürfnissen auswuchsen in großstädtischen Etagenwohnungen, um nach und nach in die Tat umgesetzt zu werden. Dieser Mittelstand im Dienste des expandierenden Kapitals, das von immer neueren technischen Errungenschaften in einen stetig wachsenden Produktionsrausch versetzt wurde, war auch zur Quelle eines neuen Reichtums in kleinen Seegemeinden geworden. Die bis dahin brachliegende und als feindlich angesehene Naturlandschaft südlich der Großstadt bis hin zu den Alpen war von diesem neuen Mittelstand entdeckt und erobert worden. Das Land hatte auf nicht gekannte Art zu blühen begonnen. Der Boden rund um die Ausflugs- und Urlaubsorte gab nun mehr her als nur Brot und Milch, der See mehr als nur Fisch. Bares Geld kam jetzt auf die Tische der noch nur vereinzelt an den Seeuferrand hingebauten Häuser in den kleinen Bauern- und Fischerdörfern, und nur Dienstbereitschaft, sonst nichts, wurde verlangt dafür. Kleine, landwirtschaftlich nur schwer zu bearbeitende Hanggrundstücke waren für beinahe unverschämt anmutend viel Geld an vermögende Herrschaften aus der Stadt verkauft worden, und bald ragten Erkertürmchen und steil aufragende Dachgiebel neu gebauter Villen aus den dicht stehenden Laubwäldern nördlich des Mühlbachs und beherbergten ein neues Käuferpotential für die einheimischen land- und seewirtschaftlichen Produkte. Mit dem baren Geld waren die alten, oft schon baufälligen Wohn- und Stallgebäude erneuert worden, und ein bis zwei Fremdenzimmer wurden erstmalig in die meist leer stehenden Speicherräume gezwängt: oben, unters Dach, nach Westen hin, mit Blick hinaus auf den See und über diesen hinweg ins Gebirge hinein. Und gleichzeitig mit dem neu errichteten Anlegesteg direkt vorm Haus war auf das eh schon bedeutend und protzig dastehende Seewirtshaus in voller Länge und Breite noch ein ganzes Stockwerk aufgezogen worden: Ein gelbes Bauernrenaissanceschlösschen war entstanden, direkt am Seeufer, weithin leuchtend sein Beschaut-Werden fordernd und zur Einkehr ladend, ein gastronomischer Fehdehandschuh, eine wirtschaftliche Provokation, in deren Folge alle bestehenden Verhältnisse verdampften. Es gab keinen Zweifel mehr: Zur Jahrhundertwende war der Reichtum eingekehrt ins kleine Dorf und lag gut verankert am Seeuferrand und im Selbstbewusstsein seiner Bewohner.

Mit den Gästen kam ein wenig Weltblick. Sie kamen in den kleinwinkligen Häusern so nahe heran, dass man ihnen nicht mehr auskommen konnte. Man machte ihnen Platz, wo es ging. Wo es nicht ging, saß man mit ihnen zusammen und hörte zu. Und langsam sickerte die Welt hinein, wo vorher Dunst und Erde war. Unter neuen Hierarchien fand man zu neuem Auskommen. Man diente gerne und passte sich den fremden Gepflogenheiten an, den Gepflogenheiten der Gäste, der Herrschaften. Und die dankten es mit der Weitergabe ihrer Kenntnisse und Anschauungen. Bald kamen immer dieselben. Dünkel bildete sich. Man war was Besseres. Das Leben wurde sicherer. Aber die Verunsicherung wuchs.

Nur das Wetter blieb.

Der Süden begann, sich mit dem Norden zu versöhnen. Der Preuße als Schimpfwort verschwand aus dem Sprachgebrauch und wurde höchstens im Herbst und Winter aus der Versenkung geholt, wenn man unter sich war und lustige Geschichten erzählte. Die Landeshauptstadt, der Norden bis dahin schlechthin, wurde Durchgangsstation für Reisende, die noch von viel weiter her kamen und ihre Ferien am See und in den Bergen verbringen wollten. Aus großer Entfernung, bis dahin als unüberwindlich geltend, kamen sie nun und bildeten jeweils für die Sommermonate das Sein. Der Schrei verebbte, den das Dorf noch hatte, der Schrei der Freiheit und Unabhängigkeit im Kargen. Reichtum, bis dahin, war nur an Arbeit.

Trotzdem: In Milch und Honig gedieh eine Unzufriedenheit, die nur schwer zu fassen war. Nicht wenige waren davon befallen wie von einer Krankheit des Gemüts. Die kurzen Tage im Jahr vergingen freudloser als ehedem. Die langen Abende wurden länger und immer länger. Gewiss: Man saß zusammen wie immer. Aber die Freude des langen Feierabends, das Beisammensitzen und Reden wärmten nicht mehr so wie früher. Man trug einen dunklen Überdruss mit sich herum, der sich gegeneinander und gegen einen selbst richtete. Es fehlte was, was nicht benennbar war. Man wartete auf etwas, wusste aber nicht auf was. Alles war leer und langweilig. Alles war so langweilig, langweilig. Man wartete, irgendwie. Auf den Sommer. Auf die Leute. Seit man sie kannte, wartete man. Das Warten hatte mit den Leuten begonnen. Man genügte sich nicht mehr. Ohne die fremden Leute, die den Sommer füllten, war man sich selbst ganz fremd geworden für den Winter. Es war eine große Unzufriedenheit. Wahrlich. Wenn nur etwas geschähe!

 

 

Am Nachmittag des 15. August 1914 war von den Allgäuer Alpen her eine Gewitterfront heraufgestiegen, die sich bis zum Abend aber wieder verzogen hatte, ohne sich zu entladen. Der See lag ruhig da wie ein Spiegel. Beinahe widerstandslos glitten die Boote auf dem Wasser dahin. Ein Marienlied nach dem anderen wurde gesungen und dazwischen das Ave-Maria gebetet. Und wenn das Repertoire verbraucht war, wurde von vorne angefangen.

Den andern ein wenig voraus pflügte mit kräftigen Ruderschlägen der starke Dinewitzer das größte der Boote, das Postboot, durchs ruhige Wasser. Er war das Rudern gewohnt. Dreimal die Woche mindestens ruderte er zwischen Seedorf und Klosterried auf der anderen Seite des Sees hin und her, bei jedem Wetter, und brachte die Post vom Klosterrieder Bahnhof in die südlich gelegenen Ostufergemeinden herüber. Aber nicht Briefe oder Pakete beschwerten sein Boot so sehr, dass der Schiffsrand manchmal einzutauchen drohte, so nahe, wie er oft der Wasseroberfläche kam, sondern es waren 30 und 50 Liter Bierfässer für den Seewirt und andere Wirtshäuser oder anderes sperriges Frachtgut für einen Villenbesitzer, das mit der Bahn drüben angeliefert worden war, um nun herüben an den Empfänger ausgeliefert zu werden, und das der Dinewitzer quasi nebenher transportierte – denn Seedorf hatte keine Zuganbindung. Und wenn er sich gerade aufmachen und leer hinüberrudern wollte, ans andere Ufer, um sein Transportgut in Empfang zu nehmen, dann konnte es vorkommen, dass ihn der eine oder andere Kirchgruber Bauer, der seinen 20 Zentner Stier an den Münchner Schlachthof losgeschlagen hatte, weil er da ein paar Pfennig mehr dafür bekam als beim Metzger in Seetal, dass der ihn zurückhielt und mit dem Versprechen einer fleischhaltigen Brotzeit und einer Maß Bier zu überreden suchte, das Stück Vieh mitzunehmen, denn weit sei es ja wirklich nicht bis nach Klosterried hinüber und er selber, der Bauer, habe gerade sehr dahinter her zu sein, dass das Heu eingefahren werde, solang das Wetter noch halte. Sonst würde er ja selber den alten Max nach Seestadt hinuntergetrieben und ihn dort in den Viehwaggon gestellt haben. Es sei also nur ausnahmsweise, ein kleiner Gefallen, weil man sich kennt.

Ja, ja, pflegte der Dinewitzer zu antworten, ich kenn euch, um dann wortlos den nervös tänzelnden Stier beim Nasenring zu nehmen und ihn von der Seestraße weg hinunter zum Ufer zu führen. Dort band er ihn an einem Stegpfosten fest und brachte den Kahn seitwärts daneben. Aus der Bootshütte vom Seewirt, wo er für solche Fälle vorausschauend schon einen kleinen Vorrat angelegt hatte, holte er einen Kübel voll Gerstenschrot und stellte den in die Mitte des Kahns, wo der Stier sich sofort gierig über das Kraftfutter hermachte und um sich herum nichts mehr wahrnahm. Dann fesselte der Dinewitzer mit ein paar Kälberstricken dem Stier zuerst die vorderen und danach die hinteren Haxen jeweils nur so nahe aneinander, dass der, durchs Fressen abgelenkt, es noch nicht als Störung wahrnehmen konnte. Zuletzt verknotete er das eine Ende eines Zugseils mit der Fesselung der Hinterbeine und führte den langen Seilrest durch den Kälberstrick an den Vorderbeinen – und ohne Vorwarnung, mitten in die ruhigen Bewegungen der Vorbereitung hinein, duckte er sich mit einem Mal unter den schweren Leib des Bullen und wuchtete ihn mit der rechten Schulter ins leere Boot, auf dessen Boden der Stier mit dem Rücken zu liegen kam, so dass dem überheblich daneben stehenden Bauern der nackte Schreck ins blöd schauende Gesicht fuhr. Und noch ehe das Tier sich besonnen hatte und ihm die ersten Verteidigungsreflexe kamen, hatte der Postbote das lange Zugseil schon so kräftig angezogen und verknotet, dass die gefesselten Vorderhaxen des Stiers nun auch noch an die gefesselten Hinterhaxen gefesselt waren. Jetzt erst fiel dem Bauern der Unterkiefer herunter, bis ihm der Mund weit offen stand, so schnell war alles gegangen. Der Stier zuckte und ruckte während der ganzen halbstündigen Überfahrt. Aber er konnte nicht mehr aufstehen. Des Postboten Stricke hatten ihn seiner letzten Freiheit beraubt: der Bewegungsfreiheit.

Ahoi, Dinewitzer! Dich hätt ich gerne noch kennengelernt. Andere eher lieber nicht.

 

Und während er jetzt in den Sonnenuntergang hinein und dem lauter und lauter werdenden Glockengeläute der Klosterrieder Marienkirche entgegen seinen Kahn hinüberruderte nach Klosterried zur Lichterprozession, der Dinewitzer, darin die vier Kirchgruber Gemeinderäte mit dem Bürgermeister Müller, die kein eigenes Boot besaßen, weil sie da droben in Kirchgrub gar keines brauchten, so weit weg vom See, wie sie da oben wohnten, da beugte sich mit einem Mal der Bürgermeister Müller, der vorn allein im Bug des Bootes saß, über den ihm zugekehrten Rücken des rudernden Dinewitzer, brachte seinen Mund ganz nah an dessen Ohr heran und sagte, halblaut und für die andern unhörbar, die von Gesang und Ruderplätschern, Sonnenuntergang und Kirchenglockenläuten bis ins Hirn hinein beseelt und taub für alles andre waren – ich schaue lieber gar nicht hin, auf den Klosterrieder Kirchturm, sonst greif ich nur danach, so nah wie der zum Greifen scheint, sagte der im zweiten Boot ganz vorne stehende Pfarrer in sein lautes Vorbeten hinein und schloss die Augen ... –, sagte also der Bürgermeister zum Dinewitzer: Mobilmachung is! Schon seit vierzehn Tagen. Du kennst dich rundherum gut aus. Kommst morgen in die Kanzlei und sagst mir alle Namen von die Jungen bis fünfundzwanzig, die du weißt. Gell!

Schon recht, sagte der Dinewitzer mechanisch und ruderte weiter. Und allmählich ordneten sich ihm die Gedanken und schwellten sein Hirn. Sein Gesicht begann zu leuchten: Mobilmachung is! Endlich!

Überall im Land schwollen die Köpfe zu ungesunder Größe, und es leuchteten die Gesichter in einem irrlichternden Wahn. Wie eine Befreiung kam es ihnen vor, eine Erleichterung: Es passiert endlich was!

 

Knappe acht wog der jüngere Sohn des Seewirts an Jahren, als sein älterer Bruder von des Kaisers Befehl und unter dem Jubelgeschrei des Vaterlandes ins Feld eskortiert wurde. Noch stand das Grummet saftig auf den Wiesen, und der Schnitt würde frühestens in vier Wochen erfolgen. Auf den Hanglagen weideten jetzt tagsüber die Kühe, gehütet vom jüngeren Sohn, so dass die zwei Altknechte den Stall ganz gut allein versorgen konnten. Er fehlte noch nicht so richtig, der Bruder und Hoferbe, noch nicht, und auch die Einberufung des Jungknechts war gerade noch zu verkraften. Aber lange durfte es nicht dauern, das Zurechtstutzen des arroganten Franzosen, und die Zivilisierung des grobknochigen Russen, und die Bestrafung des hinterhältigen Serben, der den Kronprinzen auf dem Gewissen hatte. Lang nicht, nicht länger als die versprochenen sechs Wochen. Dann konnte man das alles gut verkraften. Die Schwestern hatten gerade Große Ferien vom Internat, und die dauerten genau sechs Wochen. Die konnten gut helfen, wenn Not am Mann war. So gesehen war das ganze Unternehmen Krieg doch klug berechnet von des Kaisers Generälen. So gesehen schon. Aber würde sich das Schicksal auch so fügen, wie es im Kopf und auf Papier vorausberechnet war? Aufgedreht und voller Emotionen quoll das Lied des Vaterlandes aus den Verlautbarungen und Zeitungen der Zeit. Wir sehn uns in sechs Wochen wieder!, haben sie sich zugerufen, als sie im Haufen davongegangen waren, vom Kirchgruber Brunnen aus, wo sie sich gesammelt hatten, die Achtzehn- bis Fünfundzwanzigjährigen, um gemeinsam nach der Kreisstadt zu marschieren, zur Eisenbahn, die sie an ihre Ausbildungsstätten bringen würde, wer weiß wohin, die Kriegslehrlinge, die keine Angst im Herzen trugen, sondern nur den frohen Sinn, die Hirnlähmung nämlich, die eingesetzt hatte, als man ihnen sagte, dass sie endlich einmal von zu Hause weg an einen anderen, ganz unbekannten Ort der Welt getragen würden von ihres Kaisers kühner Weitsicht. Spätestens auf Kirchweih sind wir wieder da! Ja, da ist es schon zu spät, riefen die Zurückgebliebenen ihnen nach, da ist die Ernte schon herin. Ihr Faulenzer! Tät euch so passen!

 

Faulenzen!, dachte der jüngere Sohn des Seewirts, der auf der Kante zur steil abfallenden Böschung saß, die Kühe im Augenwinkel, die er hütete, und den See in seinem Blick, der an diesem Tag weit über die Allgäuer Alpen hinausreichte, bis wer weiß wohin: Vielleicht ist der Bruder jetzt schon auf der anderen Seite der Berge. Und ich tu faulenzen!

Wie er dem großen Bruder nachgeschaut hatte, der vorausgegangen war in der ersten Reihe der abziehenden Rekruten und am lautesten gesungen hatte von dem schönen Westerwald! Eukalyptusbonbon. Er hatte den Geschmack im Kopf und ersehnte ihn sich in den Mund. Wie ihn die Wehmut gepackt hatte, als er zurückbleiben musste, an der Hand der Mutter, mit der zusammen er den Bruder nach Kirchgrub begleitet hatte, und wie ein Hassgefühl auf sie ihm durch die Brust zog, für einen kurzen Augenblick, weil sie ihn so eisern festhielt, wo er doch alleine das Daheimbleiben-Müssen bewältigt hätte. Wie ihr Griff immer fester wurde, dass er sich gar nicht erinnern konnte, dass sie ihn irgendwann ein anderes Mal je so hart festgehalten hätte und ihn gar nicht mehr loslassen wollte, bis sie daheim waren. Wie ein kleines Kind! Ungerecht ist es, dass die andern alle älter sind und alles dürfen, und müssen nicht mehr fragen! Wenn es sowieso nicht mehr als nur sechs Wochen dauert, hätte er doch gut die Ferien hindurch dem Bruder seine Sachen tragen und beim Schießen helfen können in der Zeit. Den ganzen Sommer über wohnten Kinder hier im Haus, die von zu Hause weggefahren waren und hier die Ferien verbrachten. Und er musste jedes Jahr das ganze Jahr zu Hause bleiben, durfte nie weg und hätte jetzt doch endlich einmal, wo es die Gelegenheit gerade gab – wann kommt die wieder? – Ferien machen können, Ferien im Krieg. Statt daheim bleiben und faulenzen. Die Daheimbleiber sind die Faulenzer. Drückeberger sind sie!

Könnte die Mare ihn verstehen, die jetzt mit weit ausholenden Schritten unter dem langen Leinenrock den Kalvarienbergweg heraufkommt, Freude verstrahlend mit jeder Bewegung und Glück, das pure Glück des Seins, in der einen Hand im Korb sein Mittagessen und den Krug mit kühlem, klarem Brunnenwasser, vermischt mit Apfelsaft, in ihrer anderen? Schlagartig merkt er jetzt einen brennenden Durst unterm Gaumen und im Rachen. Trotzdem tut er so, als würde er sie gar nicht sehen. Denn seine Gedanken sind ja düster, und das sollen die anderen ruhig wissen, auch wenn die anderen jetzt nur die Mare ist. Sie würde es daheim schon weitersagen. Bestimmt.

Jetzt geh weiter, iss was!, fordert sie ihn auf, als er immer noch so tut, als sähe er den Krug und das gefüllte Glas nicht und den Teller mit dem gelblich braunen Kaiserschmarrn mit fein geriebenem Puderzucker drüber, die sie auf einem weißen Tuch vor ihn hin ins Gras gestellt hat. Ich mag nicht, bockt er, und sie streicht ihm übers Haar: Heut hab ich aber noch mehr Puderzucker draufgestreut als letztes Mal. – Das letzte Mal ist lange her. – Er weiß schon gar nicht mehr: wie lang? Und wer weiß, wann das nächste Mal sein wird.

Wir werden mehr tun müssen und weniger haben, wenn der Krieg nicht bald aufhört, hat der Vater kürzlich beim Mittagessen gesagt, nachdem sie das letzte Grummet am Vormittag zum Trocknen ausgebreitet hatten, um es am Nachmittag einzufahren – mehr nicht als diesen einen Satz. Bevor er diesen Satz sprach, hatte er sich mit einem ganz ernsten und besonders strengen Gesicht Raum geschafft, als ob er eine lange Rede beginnen würde. Doch er sprach nur diesen einen Satz. Dann aß er schweigend sein Mittagessen auf, schob den leeren Teller weg und sagte in die Stille hinein, die derweil am Tisch herrschte: Ich war am Vormittag auf der Bank und habe kein Geld mehr gekriegt. Das hat was zu bedeuten! – Sagte es, als ob er beim Essen nur eine Redepause machen wollte.

Es war jetzt schon Mitte September, und die versprochenen sechs Wochen Krieg waren um, aber weder der älteste Sohn noch der Knecht waren bisher heimgekommen. Vor einer Woche waren zwei Pferde requiriert worden. Es standen jetzt nur noch zwei Pferde für die vielfältigen Arbeiten zur Verfügung – und auf der Bank gab es kein Geld mehr. Das hat was zu bedeuten! Dieser Satz blieb allen im Gedächtnis hängen, als sie vom Essen aufstanden, um wieder an die Arbeit zu gehen: Das hat was zu bedeuten.

Als die Knechte und Mägde gegangen waren, forderte der Seewirt mit einer Handbewegung die Frau und die drei Töchter zum Bleiben auf. Du gehst deine Hausaufgaben machen, sagte er zum Pankraz, und der begriff, dass jetzt was Geheimes zur Sprache kommen würde, und blieb deswegen vor der Tür stehen zum Horchen. – Unser Schlafzimmer ist ab heute abgesperrt. Den Schlüssel hab ich. Die Einnahmen bleiben jetzt im Haus. Wir können sonst nicht mehr wirtschaften. Und ich möchte, dass das unter uns bleibt. Das geht die Angestellten nichts an, dass Geld im Haus ist und wo. Haben wir uns verstanden?, fragte er streng, und alle nickten stumm. Und auch der Pankraz muss es nicht wissen. Der ist noch zu jung dafür. Der versteht das noch nicht. Der redet sonst nur rum.

Die Schwestern sind dann am Nachmittag mit dem Fahrrad nach Seetal zur herrschaftlichen Villa des pensionierten Rittmeisters Graf Schrank-Rettich gefahren. Die älteste Tochter des Grafen hatte drei Wochen nach Kriegsausbruch allen besseren Häusern ein Rundschreiben zukommen lassen, in dem sie die heranwachsenden höheren Töchter aufforderte, dem Vaterland »mit Verve« auch die weibliche Arbeitskraft zu Verfügung zu stellen und den Ruhm des kommenden Sieges nicht alleine den Männern zu überlassen. Sie stellte ihren Salon zur Verfügung, damit dort in gemeinsamer Arbeit und bei vaterländischen Gesängen für die Lazarette Bettzeug zusammengeschneidert werde. Auch Sanitätskurse wurden im Salon abgehalten, und nach und nach wechselten die Gesänge der höheren Jungfrauen von Dur nach Moll.

Iss jetzt, sagt die Mare drängender, ich muss wieder heim, die Arbeit wartet nicht. Blöder Spruch, denkt der Pankraz und sagt: Aber nur wenn du wegschaust, bis ich fertig bin. Gut, sagt sie und dreht das freundliche Gesicht weg, ich schau auf den Klosterrieder Kirchturm hinüber und zähl bis hundert, dann musst du fertig sein, ja!? Ja, sagt er, und sie sagt, vergiss aber das Beten nicht, und fängt dann, nachdem er kurz vor sich hin gemurmelt hat, zu zählen an. Und bald ist sein Teller leer, schon bei 70, und er schaut ihr strahlend zu, wie sie die letzten 30 weiterzählt, ohne herzuschauen. Am Ende packt sie alles wieder in den Korb, streicht ihm noch mal übers Haar und läuft den Feldweg wieder hinunter zum Haus, barfuß, wie sie gekommen ist.

Den Krug hat sie stehenlassen.

Der Bub steht auf und läuft einer Kuh nach, die auf das Nachbargrundstück hinübergrast, und treibt sie zurück in die Herde. Dann geht er wieder an seinen Platz und packt seine Schulsachen aus. Er ist jetzt bereit zum Lernen.

 

 

Der Seewirts Toni ist im Lazarett z’Minga drin. Kopfschuss!

Ja hat er den Helm nicht aufgehabt?

Schon. Trotzdem.

Ja Herrschaftszeiten. Gibt’s jetzt so was auch!

Er ist hautig beieinander, hat der Pfarrer gesagt. Nicht mehr ganz da, und macht dabei mit der einen Hand eine kreisende Bewegung vor seinem Kopf, der Dinewitzer.

Aha!

 

Was ist Minga, Vater?, fragt die kleine Theres den Lot und dreht dem Dinewitzer den Rücken hin. Gönnt ihm keinen Blick. Die Stadt, antwortet der Eichenkamerbauer seiner Tochter und fragt den Dinewitzer: Und wie geht’s jetzt weiter bei denen? – Wie es ausschaut, wird er es dem Jungen übergeben müssen, der Seewirt. Oder? Ja ja, sagt der Lot zum Dinewitzer und dann zum Mädchen, das immer noch steif dasteht: Was hast du denn? Nichts, sagt sie. Aber das stimmt nicht. Sie ist aufgewühlt und tief verunsichert. Der Dinewitzer hat sie im Vorbeigehen gegrüßt: Grüß dich Gott Kleine mit dem großen Kopf, hat er gesagt und ist dann einfach weiter hineingegangen in die Küche zum Vater mit seiner Neuigkeit. Sie ist die Treppe hinaufgerannt, in die Kammer, und hat sofort in den Spiegel geschaut. Tränen sind ihr in die Augen geschossen, weil er tatsächlich groß aussah der Kopf, jetzt, mit der Dinewitzerei in ihm drin, die jetzt das Sehen bestimmt bei ihr für den Moment, weil sie zu klein ist noch zum Verstehen der Bosheiten der Alten. Der Vater redet weiter mit dem energiegeladenen Dinewitzer über das angeschossene Hirn des Seewirtsohnes: Da muss der Schuss ja glatt den Helm durchschlagen ham. Und: Schau mal zur Mutter hinein, ob sie was braucht!, schickt er das zurückgekommene Mädchen gleich wieder weg und hört dann wieder auf sein Gegenüber. Der hat noch einen Haufen Neuigkeiten zu berichten. Alle aus dem Krieg. Eine Unzahl Toter und Schwerverwundeter zählt er dem Lot auf, lauter nahe und ferne Bekannte von hüben und drüber des Flusses. Armamputierte, Beinlose, Gesichtsverstümmelte, alles. Von einem, der vollkommen unversehrt an Kopf und Körper sei, aber weder Arm noch Bein mehr dran hat, hat der Dinewitzer gehört. Aber er kenne ihn nicht persönlich.

Gott sei Dank, sagt der Lot. Sei froh!

Nicht einmal mehr selber umbringen kann der sich, sagt der Dinewitzer.

Manchmal fragt der Bauer nach, wenn ihm ein Name nicht gleich geläufig ist. Oft kennt man die Leute nur vom Hörensagen. Aber es sind beinahe nur Bauernsöhne, von denen der Postbote berichtet, und die sind ihm automatisch näher als die anderen, dem Lot, die Anteilnahme ist unmittelbarer. Es könnte einen auch selbst getroffen haben. Man kennt die Schwierigkeiten, die entstehen, wenn eine familiäre Arbeitskraft für immer ausfällt, und das Leid, das daraus wächst.

Das Mädchen ist leise in die gute Stube hineingetreten, wo die Mutter mit hohem Fieber auf dem Kanapee liegt, das die große Schwester ihr zum Bett hergerichtet hat. Zwei Tage vorher war die Mutter im Stall unvorsichtig auf eine umgefallene Mistgabel getreten, und die spitzen Zinken hatten ihr eine Krampfader aufgerissen. Das Blut ist herausgeschossen wie eine Fontäne, hat die ältere Schwester dem Doktor berichtet, den der Vater gleich selber in der Kreisstadt mit der Pferdechaise abgeholt hatte, das Stallpflaster hat ausgeschaut wie nach dem Kalben. Als der Doktor wieder weg war, hat die Mutter dem Vater große Vorwürfe gemacht, dass er wegen einer solchen Kleinigkeit gleich den Doktor hat kommen lassen. So was käme doch bei der Arbeit immer wieder mal vor. Noch dazu jetzt, wo es mit dem Geld so knapp bestellt sei wie schon lang nicht mehr, könne man sich das am allerwenigsten erlauben. Den Verband hätt mir auch die Maria anlegen können, sagte die Mutter, Verbandszeug wäre genug da. Am andern Morgen ist ihr beim Melken auf einmal schlecht geworden, und sie hat sich auf das Fensterbrett aufstützen müssen. Die ganze Milch hat sie ausgeschüttet, die schon im Kübel war, mit einer fahrigen Bewegung. Schweißperlen standen auf ihrer Stirn, als sie langsam zusammensackte unterm Fensterbrett, die Wand herunter. Komisch geschaut hat sie, ganz stier. So wie jetzt, als die Theres sie fragt, ob sie wirklich einen zu großen Kopf habe. Aber die Mutter antwortet nicht. Sie schaut gradaus und rührt sich überhaupt nicht mehr, obwohl sie aufrecht da sitzt, drin im Bett, auf dem Sofa, an die zwei großen Kopfkissen hingelehnt.

Willst noch eine Spritze, Mutter?, fragt die Theres sie, soll ich dem Vater sagen, er soll den Doktor noch mal holen? Weil die Mutter weiter so stier schaut, rennt das Kind nach draußen in die Küche. Aber die ist menschenleer. Der Vater und der Dinewitzer sind schon weg. Das Mädchen rennt über den Hof und sucht, wen, ist ihr gleich. Aber jemand, der das Schuldgefühl ihr nehmen könnte, soll es sein. Der Blick der Mutter ist jetzt drin in ihr und sticht. Eine Blutvergiftung könnte es sein, hatte der Doktor Pachie gesagt, wie er das zweite Mal da war, um ihr die Spritze reinzustechen. Danach wurde der Mutter ihr Blick wieder normal. Sie wünscht sich, dass ihr der Doktor noch mal eine Spritze geben möge, der Mutter, die Theres, weil sie jetzt regelrecht Angst spürt vor diesem Blick. Dass der Doktor den Blick wegspritzt, wünscht sie sich. Vater!, schreit sie, Vater! Dann kommt wenigstens die Susi, die zweite Schwester, aus der Scheune, heustaubschwarz verschmiert im Gesicht überm Schweiß, und schimpft, weil sie so laut schreit. Die Rita schläft doch noch! Du weckst sie ja auf mit dem Geschrei. – Die Mutter schaut wieder so, sagt die Theres, und ihr ist ein wenig leichter geworden innerlich, wie die Schwester aufgetaucht ist. Obwohl sie sie geschimpft hat.

Sie sind zuerst zu zweit in die Stube hineingegangen und haben dann nach dem Vater gesucht und allmählich alle anderen Geschwister zusammengeholt. Auch die drei kleinen. Und auch den Doktor noch mal aus der Kreisstadt. Aber die Mutter war dann doch tot. Einen Wundstarrkrampf hat sie gehabt, haben sie gesagt, und an dem ist sie gestorben. Und drum habe sie auch so stier geschaut. Die Theres kann sich jetzt unter einem Wutstarrkrampf was vorstellen, weil sie ja jetzt ein Bild davon hat.

Der Lot hat mit dem Doktor Pachie nie mehr ein Wort geredet danach und seine sieben Kinder ganz alleine großgezogen, ohne jede Hilfe. Fast fünf war auch die Theres damals erst.

 

 

Es war leicht dahergeredet, wenn später gesagt wurde, schon gleich nach seiner Entlassung aus dem Lazarett hätte man es merken können, dass aus dem Anton vom Seewirt nichts mehr wird, weil der Kopfschuss nämlich den Verstand getroffen hatte. Gab es nicht bei beinah jedem, der einigermaßen unbeschadet aus dem Krieg wieder heimgekommen war, irgendeine Seltsamkeit von dieser Art, von der vorher nichts bekannt und nichts zu sehen war? Sogar bei denen, die vollkommen unversehrt zurückgekommen waren?

Nein nein: Einen Schuss hatte jeder abgekriegt von denen, die an der Front waren. Einen ein jeder! Wenn er auch nicht unbedingt aus Blei war. Jedoch irgendetwas aus dem Lot geraten war bei den meisten, irgendeinen Hau hatten sie alle. Aber es ist schon wahr: Beim Anton fiel einiges mehr auf, nicht nur sein finster fanatischer Blick, der den Menschen einen Schauer über den Rücken jagte und von dem früher nicht mal ein Schimmer zu sehen war. Mit diesem Blick hielt er seine Reden, wenn er die Leute von der Bürgerwehr in den großen Saal zum Holzwirt nach Kirchgrub zu einer Versammlung einbestellte oder auf die Eggn hinaufkommandierte, über dem Kalvarienberg droben, zu einer Übung, die Bürgerwehrler, deren Gründungsmitglied und Hauptmann er war. Mit diesem Blick marschierte er bei der Prozession an Fronleichnam oder beim Kriegerjahrtag vor den anderen her und fuchtelte mit einem funkelnden Bajonett herum, einem blank polierten, dass manche lachen mussten, ängstlich, hinter dem Rücken von anderen, und heimlich, dass niemand es sah, so komisch wirkte das und so verrückt, so schauerlich. Komisch, weil immer dieses finster fanatisch todernste Gesicht zu sehen war hinter dem blitzenden Bajonett; verrückt, weil alle wussten von dem Kopfschuss durch den Helm hindurch. Aber selbst wenn es regnete oder bewölkt war oder die Fronleichnamssonne schien, selbst wenn es kältestarrend fror, sah, wer sehen konnte, einen tödlich ernst gewordnen Witz, direkten Wegs, mit stieren Augen, der Monstranz voraus, Gebete murmelnd, geradeaus zur nächsten Wallstadt schreiten: die Bürgerwehr. Die Gläubigen samt Glauben hinter sich: die Dorfgemeinden. Weil der Bürger nichts auf die Bürgerwehren kommen ließ, die gleich nach Kriegsende gegründet worden waren, weil man ja nicht wissen konnte, wie lange der rote Spuk in der Hauptstadt drin noch dauern würde, ob er sich nicht sogar noch ausbreiten könnte aufs Land heraus, deshalb lachte man nicht öffentlich über den Seewirts Toni, sondern nur im Geheimen, mit ungutem Gefühl. Denn wenn sich das Kommunistische tatsächlich durchsetzen würde, wären ja alle Besitztümer bedroht, nicht nur die von den ganz Reichen, sondern auch die bäuerlichen. Denn Besitzer waren sie auch, die Bauern, wenn auch keine vermögenden. Reich waren sie alle nicht, höchstens vielleicht der Seewirt, und der stellte ja auch den Hauptmann der Bürgerwehr. Aber den Neid der besitzlosen Arbeiter kannten sie alle vom Stammtisch her. Wenn die zu mehreren nach ein paar halben Bier ins Reden kamen und laut redend das Unbehauene dachten und ihr neidisches Unbehagen zeigten, dann horchten die Bauern ganz unauffällig hin und fürchteten sich vor der ungezügelten Aufsässigkeit. Zumindest damals, wo alles, seit der Krieg zu Ende war, eine beängstigend undurchschaubare Entwicklung nahm. Selbst der Lot in Eichenkam, obwohl der alles andere als ein Schwarzseher war, redete nicht schlecht über den Anton oder lachte gar über ihn. Selbst er, der nach dem Tod seiner Frau, im Schmerz und in der Erregung an einem Sonntag nach der Kirche, vor den um den Maibaum versammelten Männern den Doktor Pachie aus der Kreisstadt einen hirnvernagelten militärnarrischen patriotenidiotischen Kurpfuscher genannt hatte, der seine, des Lots, Frau auf dem Gewissen habe, und der dafür vom Landrat eine Verwarnung wegen unpatriotischen Redens aufgebrummt bekam, der Lot, weil ihn der Metz, ein Kleinbauer aus Steinöd, hingehängt und der Bürgermeister sich geweigert hatte, die Verwarnung auszusprechen aus Pietät gegenüber dem Lot, wie er sagte, so kurz nach dem Tod von dessen Frau ... Selbst der Lot! Als ob sie als Mittel im Kampf gegen den Wahnsinn, der ihnen aus der Hauptstadt drohte, wie sie alle meinten, ganz auf den nächstliegenden, den dorfeigenen Wahnsinn setzten – so ließen sie den Seewirtssohn und seine Bürgerwehr gewähren. Und mit leuchtenden Augen sahen seine zwei Schwestern zu ihrem entschlossenen Bruder Anton hinauf und öffneten unter seinem hypnotisierenden Blick ihre Herzen der kommenden Zeit.

 

 

Beim Lotbauern in Eichenkam war die Katastrophe ausgeblieben. Der frühe und völlig unerwartete Tod der Bäuerin hatte in der Familie zuerst einen Schock ausgelöst. Die drei älteren Schwestern kümmerten sich anfangs vor allem um den Lot, der in den ersten Tagen nach der Beerdigung in Apathie zu versinken drohte. Er wirkte nach außen hin gleichgültig, tat seine Arbeit wie immer, aber auffällig mechanisch. Wenn ihm ein Fehler unterlief, ein viel geübter Handgriff misslang, auf eine Art, wie es im Arbeitsalltag immer wieder vorkommt und von ihm üblicherweise mit einem unterdrückten, weil gottesfürchtig gedachten Fluch quittiert wurde, so schien ihn das neuerdings nicht im Geringsten zu berühren. Sein bewegungslos wirkendes Gesicht, mit dem er jedes Fragen, jedes gute Zureden, jede Überraschung und jeden Ärger über sich ergehen ließ, verzog sich dann zu einer abfälligen Grimasse, einem Grinsen nahe, aber nie eines werdend, und es fehlten zum körperlichen und mimischen Ausdruck nur noch die dazugehörigen Worte: Was hat das alles noch für einen Sinn? Er befand sich auf dem Weg in einen tief empfundenen Nihilismus, der für ihn als Bauern und gläubigen Christen nicht begehbar war und deshalb unweigerlich in den baldigen körperlichen und seelischen Verfall führen musste. Unerfahren, wie sie in solchen Dingen waren, erkannten die älteren Schwestern trotzdem diesen bedrohlichen Umstand im Verhalten ihres Vaters und taten instinktiv das Nützliche: Sie ersetzten auf geschickte Art die tote Mutter, indem sie ohne Anweisung die gesamte anfallende Arbeit erledigten und gleichzeitig wie selbstverständlich die Versorgung der vier jüngeren Geschwister übernahmen. Und immer wieder, aber nie zu oft, fragten sie den Vater um Rat. So erinnerten sie ihn unauffällig an seine Unabkömmlichkeit und weckten in ihm gleichzeitig wieder die Instinkte für sein Verantwortungsgefühl gegenüber den Kindern und dem Leben schlechthin. Das Einzige, was wie eine unübersehbare Narbe überblieb, war eine deutlich gesteigerte Frömmigkeit beim Alten.

Ein Jahr nach dem Tod der Mutter hatten die kleineren Kinder sie schon beinahe vergessen. Die älteren Schwestern waren unter dem aufgezwungenen Verantwortungsgefühl früh zu jungen Frauen gereift, und der Lot behandelte sie dementsprechend: Er sprach zu ihnen wie zu Partnerinnen, nicht wie ein Patriarch zu seinen Kindern. Das hatten die Kleinen mitbekommen und lebten in der um die Mutter reduzierten Familie mit ihren älteren Schwestern zusammen wie mit mehreren Müttern. Eine beinah matriarchalische Struktur hatte sich aus dem Unglück herausgebildet und prägte nun auch den Vater und den einzigen Sohn unter den Kindern.

 

Im Haus des Schwarz, das der Seewirt schon im Jahr 1911 gekauft hatte, um noch mehr Platz für die immer zahlreicher aus der Stadt herausdrängenden Sommerfrischler zu schaffen und auch, weil es billig hergegangen war, hatte sich nach dem Ersten Weltkrieg die ehemalige Kammersängerin Krauss einquartiert. Sie zehrte von einer ansehnlichen Pension und gab zusätzlich noch monatlich vier- bis fünfmal Gesangsunterricht für Studenten des hauptstädtischen Konservatoriums. Die fuhren mit dem Zug bis Seestadt und dann weiter mit dem Dampfschiff nach Seedorf. Dort landeten sie nahezu direkt vor dem Haus der Kammersängerin, denn der Anlegesteg vor dem Seewirtshaus war keine hundert Meter vom Schwarzenhaus entfernt.

So einen Ausflug nahmen mancher Student und manche Studentin wegen der schönen Landschaft, durch die ihre Reise sie führte, gerne in Kauf, selbst wenn an ihrem Ziel ganz seltsam gesungen werden musste. Wer da auf der Uferstraße spazieren ging, konnte das Mimimimi und das Nononono hören, wechselnd mit einem Lalalala, alles immer wieder von vorne und die Tonleiter hinauf und danach wieder hinunter, oder das Operta operta operta, dem ein mümele memele momele mumele folgte, um dann in die Zwielaute maimele moimele maumele hineinzutaumelen. Mh. Manch einer blieb stehen und hörte mit offenem Mund zu. Und dafür zahlen die der alten Kraxen auch noch ein Geld, sagte der Eierwastlbauer von Kirchgrub, der einmal Zeuge einer Unterrichtsstunde geworden war, als er seinen schlachtreifen Stier nach Seedorf hinunterführte, um ihn dem Dinewitzer zu übergeben, dass der ihn mit seinem Kahn nach Klosterried hinüberrudere, zur Bahnstation – dafür schmeißen die ihr Geld hinaus!? Er war fassungslos, denn er hatte gehört, dass die Stunde bei der Kammersängerin acht Reichsmark kostete. Dafür musste er zwei Wochen lang seine Kühe melken.

Beim Seewirt, wie in Seedorf allgemein, wo wegen der gebildeten Gäste schon so eine Art Kultur ins Dorf und in die Häuser eingezogen war (wovon in der nur zwei Kilometer entfernten, aber gut versteckten und windgeschützten Senkgrube Kirchgrub noch nicht mal im Entferntesten die Rede sein konnte), hörte man das gestopselte Singen in der Wohnung der Kammersängerin mit ganz anderen Ohren: mit einer stummen Andacht. Die Kraus hatte den jungen Seewirt ein paar Mal im Kirchenchor singen hören und ihm angeboten, seine Stimme auf eine mögliche Begabung hin testen zu wollen, wenn er das wünsche. Noch sind Sie ein Batzist, hatte sie ihm nach einem österlichen Hochamt zugeraunt, aber vielleicht kann man ja einen Bassisten aus Ihnen machen. Kommen Sie doch mal vorbei. Sie haben’s ja nicht weit.

Der Sohn des Seewirts war ein unbefangener junger Mann und im Umgang mit den Städtern, die jeden Sommer das Haus bis unters Dach hinauf füllten, schon ziemlich geübt. Die Anwesenheit dieser Leute, die ein ganz anderes Lebensgefühl mitbrachten und verbreiteten als jenes, das im hiesigen dörflichen enthalten war, wenn sie für drei oder vier Monate auftauchten, einen ungeheuren Wind machten, ein Tempo und eine Schnelligkeit hinlegten beim Reden und Entscheiden, so dass man gar nicht so schnell zuhören konnte wie sie redeten, und die dann wieder verschwanden für das ganze restliche Jahr, das sich immer länger hinzog und immer dunkler zu werden drohte, je mehr er heranwuchs und mit diesem Rhythmus vertraut wurde, und das ihn gerade deshalb den Sommer als den einzigen Lichtblick im Jahr erscheinen ließ, als ob nur in ihm Auftrieb wäre und Leben und nur Dumpfheit, Gräue, Regen und Schlamm in den anderen Jahrszeiten – diese Vereinnahmung durch die Fremden erlebte er jedes Mal wieder wie einen Rausch.

Er war den ganzen Sommer über aufgedreht wie ein junger Hengst. Die Arbeit erledigte er, ohne die geringste Anstrengung zu spüren. Er schlief nur halb so viel wie in der übrigen Zeit des Jahres und war trotzdem immer hellwach. Seine Wachheit und Unbefangenheit machten ihn zum bevorzugten Ansprechpartner bei den Gästen, wenn sie eine Auskunft wollten oder wenn sie einer praktischen Hilfe bedurften. Nach und nach entwickelte er das Gefühl, mehr zu sein, als es ihm die eigene Existenz in diesem Dorf und in diesem Haus einüben wollte. Wenn diese gebildeten und weltgewandten Leute so auffällig seine Nähe und das Gespräch mit ihm suchten, musste etwas sein an ihm, das er selbst noch nicht so richtig kannte, etwas, das noch aufzudecken war.

Als er daheim von dem Angebot der Kammersängerin erzählte, entrang das seinem Vater nur ein abschätziges: So? Na ja! Und nach einer Pause sagte er: Wenn dir keine Flausen wachsen deswegen! Von mir aus, geh hin. Die Frau Kammersängerin zahlt eine gute Miete. Aber sofort ist Schluss, wenn die Arbeit darunter leidet. Verstanden?

Bei seinen Schwestern hingegen entfachte die Nachricht vom Interesse der Kammersängerin an der Stimme ihres Bruders eine Wirkung wie! ... wie? ... wie ein Windstoß in einem frisch angezündeten dürren Reisighaufen vielleicht. Beide waren in einem Klosterinternat erzogen worden und hatten da die Mittlere Reife erworben. Eine Schulbildung, die in ihrer bäuerlichen Umgebung ganz und gar unüblich war und als völlig überkandidelt galt und den Verdacht nährte, dass der Seewirt seine Töchter zu was Besserem herausputzen wolle. – Was haben die? Eine Mittlere Reife!, lästerte der Holzwirt von Kirchgrub beim Frühschoppen nach dem sonntäglichen Hochamt von hinter der Schänke heraus zum Stammtisch hinüber, die heiratet trotzdem keiner, glaubts mir’s, kugelrund die eine und zaundürr die andere. Die eine kugelt dir immer raus aus dem Bett, und die andere kriegst du gar nicht hinein, so katholisch wie die ist! – Wieder waren es die kultur- und bildungsarmen Kirchgruber, die sich das Maul zerrissen. – Mir wär eine Vollreife auch lieber, sagte der Bachhuber und senkte das Niveau gleich noch ein wenig. Lügenbeutel, schimpfte ihn der alte Fesen, am allermeisten täte dir doch eine Frühreife taugen, ha? Und haute mit einem brüllenden Lacher seine Faust auf den Tisch, dass das lacke Bier in den Maßkrügen noch einmal aufschäumte.

Die dabeisitzenden Seedorfer schwiegen lieber. Der eine oder andere ertappte sich sogar dabei, wie er überlegte, ob seine Tochter nicht vielleicht auch das Zeug für eine höhere Schule hätte. Alle hatten sie schon Kontakt gehabt mit den Fremden und deren Eigenarten. Fast alle vermieteten eine Kammer oder sogar das Wohnzimmer und verdrückten sich und machten sich klein in der Küche, um die Stadterer nicht zu stören – den ganzen Sommer über. Leicht angekränkelt waren sie alle schon ein bisschen, da unten in Seedorf, von dieser Kultur. Man sah es schon daran, wie herbstkatzenhaft sie dasaßen, wie ausgedünnt, am Stammtisch beim Holzwirt, mitten unter den rotgesichtigen und feisten Kirchgrubern, die keine Komplexe kannten, die noch Herr ihrer Arbeit waren und ihrer selbst, die nichts verunsichern konnte oder gar beleidigen, nicht einmal das Schweigen der Seedorfer. Die heiratet nicht trotzdem keiner, dozierte der Attenbauer, sondern die heiratet deswegen keiner, verstehst! So eine weiß doch immer alles besser. Da hättest ja du überhaupt nix mehr zum Melden ... Im eigenen Haus!

 

Von diesem Gerede erfuhren die Seewirtstöchter natürlich nichts. Es hätte sie nur gekränkt. Sie erinnerten sich, als ihr Bruder mit seiner Nachricht hereinplatzte, an die schöne Zeit im Internat bei den Poinger Benediktiner-Schwestern, wo fast jeden Tag musiziert wurde, weil viele höhere Töchter das Institut besuchten und jedes dieser Mädchen mindestens ein Instrument konnte, nämlich die Blockflöte, manche aber sogar die Geige oder das Klavier. Und jene, die aus Familien kamen, die erst vor kurzem in den Wohlstand aufgestiegen und noch nicht im Knigge geschult waren und deshalb die Tischmanieren noch nicht gänzlich und ein Instrument schon überhaupt noch nicht beherrschten, die durften das Manko mit ihrer Stimme ausgleichen. Und da waren die Töchter des Seewirts nicht die Unbegabtesten. Die eine, die dickere, die Hertha, die hatte einen tiefen Alt, und die andere, die magere, die Philomena, hatte einen hohen Sopran. Und damit sangen sie sich im Schulchor in die jeweiligen Solopartien hinein, und später, als sie wieder daheim waren und nicht wussten, was anfangen mit der erworbenen Bildung, wenn nicht gerade zufällig mal ein Engländer oder ein Franzose vorbeikam, dem man mit der erlernten Fremdsprache helfen konnte, sangen sie im Kirchenchor, ebenfalls Solo. Und das klang so schön und lieblich, so schön von fern und nah ..., vor allem von nah, in den eigenen Ohren. Und heimliche Sehnsüchte wuchsen – und das Wissen um ihre Unerfüllbarkeit. Und dahinein platzte der Bruder mit dem Angebot der Kammersängerin – und riss nieder die Resignation und fachte eine Hoffnung an. Zweimal waren die drei Geschwister schon von Sommergästen in die Oper eingeladen worden. Dieses Erlebnis hatten sie so behutsam und diebstahlsicher eingespeichert in ihre Erinnerung wie eine magere Getreideernte in den Getreidekasten. Sie bestürmten den Bruder, er möge diese Gelegenheit doch bitte ja nicht fahrenlassen!! ... und vielleicht könnte sich ja daraus auch für die Schwestern eine Gelegenheit ergeben. Was für eine Gelegenheit?, fragte der Bruder. Na ja, sagten sie, der Kammersängerin auch unsere Stimmen vorzuführen. – Wie Kinder den Christbaum, so umstanden die beiden älteren Schwestern ihren jüngeren Bruder. Und wie von älteren Schwestern der jüngere Bruder, so wurde er an normalen Tagen von ihnen geschurigelt.

 

Eines Tages im Herbst, als das Haus wieder leer war und der graue November wie das Totenland auf ihn wirkte und sich eine graue Öde in seiner Brust ausbreitete und graue Gedanken durch seinen Kopf krochen, klopfte er bei der ehemaligen Kammersängerin an. Ah, da sind Sie ja doch noch, ruft sie, als sie die Tür öffnet, und ich habe schon gedacht, ich hätte Sie beleidigt an Ostern, als ich Sie einen Batzisten genannt habe. Aber so schnell lässt sich so ein kräftiger Bursche wie Sie einer sind nicht unterkriegen, was? – Und schließt damit die Tür hinter ihm wieder zu. – Ich hab Ihnen im Sommer ein paar Mal von der Bank oben am Kalvarienberg aus zugeguckt, wie Sie mit nacktem Oberkörper diese schweren Heuhaufen auf den Wagen gestemmt haben. Donnerwetter! So eine Kraft wie Sie haben! Sie haben ja wunderbare Muskeln! Da knickt man natürlich nicht so schnell ein. Kommen Sie! Setzen Sie sich da auf den Stuhl. Ich mach uns erst mal einen kräftigen Kaffee. Bier haben Sie ja zu Hause genug. Brav setzt er sich auf den angebotenen Stuhl, der Pankraz, und wartet neugierig drauf, wie’s jetzt weitergehen wird. Nach ein paar Minuten kommt die Kammersängerin zurück. Ein Tablett trägt sie in den Händen, die Kaffeeutensilien drauf, samt einem Sandkuchen. Dann trinken sie den Kaffee und essen Kuchen, und er schaut auf ihre vollen und schön geschwungenen Lippen, während sie redet, und sieht dabei aber auch die Falten, die sich überall schon gleichmäßig auf der Gesichtshaut verteilt haben, lauter kleine Falten in großen Mengen, und die machen das Gesicht halt schon ein wenig alt, denkt er. Und so wie im Gesicht wird’s dann wohl überall ausschauen!, denkt er. Und die Kammersängerin erzählt ihm von ihrer Karriere und vom Glanz, der um sie herum war. Große Städtenamen nennt sie: Paris und Mailand, London, und sogar New York kommt vor. Und bald hat der Pankraz die Gedanken an ihren faltigen Körper vergessen und stellt sich jetzt die Welt vor, die sie in ihm wachruft mit ihrer Beschreibung von der eignen, glanzvollen Vergangenheit und von der Begabung, die vielleicht in ihm schlummert und auf die sie jetzt zu reden kommt. – Und deshalb sind Sie ja da, sagt die Krauss, und nicht, weil Sie ein Mann sind und ich eine Frau bin. Denn dafür stehen wir leider altersmäßig ein wenig zu weit voneinander entfernt. Also lassen Sie uns singen, sagt sie, und im Gesang das Begehren, das unmögliche, vergessen.

Dem Pankraz steht das Blut bis unter die Haarwurzeln, wie er sie so reden hört. Und er ist froh, wie sie ans Klavier geht und es öffnet und der Moment da ist, vor dem er sich zuvor noch am meisten gefürchtet hat: das Vorsingen-Müssen. Die Kammersängerin sieht, dass seine Hände schön geformt sind, wie er sie jetzt auf die Abdeckung des Klaviers legt. Das hat er einmal beim Kammersänger Rhode gesehen, als der in der Kreisstadt im Pfarrsaal ein Konzert gegeben hat, mit deutschem Liedgut aus der Romantik. Der hatte zuerst auch beide Hände aufs Klavier gelegt und dann, als er anfing zu singen, eine Hand gelöst und sie sich in die Seite gestemmt. Die andere ließ er auf dem Klavier liegen. Das sah ziemlich gut aus, hatte der Pankraz noch in Erinnerung, als er sich in Gedanken vorbereitet hat auf dieses Vorsingen, und wie er sich hinstellen würde. – Sie sind mir ja das reinste Rätsel, sagt die Kammersängerin, da machen Sie die schwerste Arbeit, die man sich überhaupt vorstellen kann, und dann haben Sie so wunderschöne Hände. Zeigen Sie mal her! Und nimmt die eine von seinen Händen in die ihre und hält sie fest und schaut sie an. So schaut der Metzger das Kalb an, das er holen kommt zum Schlachten, denkt er, schaut so, um den Preis abzuschätzen. So sauunwohl gefühlt hat er sich schon lang nicht mehr. Eigentlich noch nie. Denn jetzt dreht sie seine Hand in ihrer auch noch hin und her und hebt sie an – um das Gewicht zu fühlen – lehrt sie ihn. Schwer wie die Pranke eines Löwen, urteilt sie und schaut ihn so leicht schräg von unten an, die Krauss, und schaut dabei so leicht aus, diese Pranke, wie die Zügel haltende Hand des Wagenlenkers in Delphi. Sagt die Krauss. Der Pankraz versteht nur Bahnhof. Wenn er den Schwindel, der jetzt in ihm aufkommt, jetzt, in dem Moment, wenn er den nicht gleich in den Griff kriegt, dann fällt er ihr genau in die Arme, denkt er. Verflucht noch mal! Diesen Schwindel hat er sonst nur, wenn er am Abend ein bisschen mehr getrunken hat und nachts aufwacht, vom Harndrang, und schnell hochkommt vom Bett und sich in den Ausguss vor der Tür im Hausgang draußen entleert. Da ist er auch schon einmal ohnmächtig zusammengefallen dabei. Aber im Moment des Aufpralls auf dem Fichtenholzboden ist er wieder aufgewacht. Da hat er mit seinem Bruder noch ein Schlafzimmer geteilt, damals, so dass der aufgewacht war vom dumpfen Schlag, den der Aufprall verursacht hat, und, als er ihn so hilflos auf dem Boden hocken sah, nur sagte: In dieser Haltung schiffen im abendländischen Kulturkreis eigentlich nur die Frauen. Auch der Bruder hatte die Mittelschule besucht und wusste immer mal wieder ein paar gebildete Überflüssigkeiten hochtrabend loszuwerden. Kultur! Immer schon kam er sich ganz unfertig vor in solchen Momenten, der Pankraz. Und ging dann ungerührt wieder ins Bett, der Bruder. Damals.

So hilflos steht er jetzt vor der Kammersängerin, wie er damals vor seinem Bruder auf dem Boden gehockt war, denkt er, wie ein Depp. Leicht nach vorn gebeugt, die eine Hand nach unten hängend, die andere in den beiden Händen der Kammersängerin, und mit stierem Blick dem Schwindel wehrend. – Ja schaun Sie mich nicht so an! Sie sind wirklich ein sehr schöner Mann! Und damit lässt sie ihn los und lässt sich nieder auf dem Klavierhocker. Denn von einem normalen Hinsetzen kann keine Rede sein, wie sie sich da das lange Kleid unterschiebt, während sie den Hintern zwei-, dreimal über den Klavierstuhl kreisen lässt, bevor sie mit einem leichten Seufzer ihren Knien nachgibt und dann doch ziemlich ordinär hinunterplumpst, die letzten zehn Zentimeter bis zum Hocker, mit ihrer Gesäßhaftigkeit. Da aber ist dem Pankraz schon alles vergangen, was ganz am Anfang noch Ansporn zu sein versprach.