Mohammed - Hermann-Josef Frisch - E-Book

Mohammed E-Book

Hermann-Josef Frisch

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Beschreibung

Wer war Mohammed? In einer Zeit, in der der Islam kritisch betrachtet wird, trägt dieses Buch zu einem differenzierten und vorurteilslosen Blick auf dessen Propheten Mohammed bei. Hier finden sich grundlegende Informationen über Mohammed, seinen Lebensweg, seine religiösen Vorstellungen, seine Konzeption eines islamischen Staates, in dem der Glaube an den einen und einzigen Gott die Gesellschaft unmittelbar formt. Eine Würdigung Mohammeds aus abendländischer Sicht trägt zum Dialog der Religionen bei. Im Einzelnen (Auszug aus dem Inhalt): Lebensweg: Die Wurzeln Offenbarung und Berufung Prophet, Staatsmann, Kriegsherr Ein islamisches Reich Würdigung: Prophet Eine neue alte Religion Religiöser Führer Allahs Segen auf ihm Ausführliche Register erschließen die Inhalte des Korans.

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Reihe Islam:

Band 1: Koran

Band 2: Mohammed

Band 3: Muslime

Wo nicht anders angegeben, wurde aus folgenden Übersetzungen zitiert:

Koran:

vorrangig aus

• Ahmad Milad Karimi/Bernhard Uhde, Der Koran, Freiburg i. Br. 20142 zudem aus

• Muhammad Asad, Die Botschaft des Koran, Übersetzung und Kommentar, Patmos, Düsseldorf 2009 (Asad)

• Adel Theodor Khoury, Der Koran, Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh 2007 (Khoury)

Bibel:

Einheitsübersetzung, Katholische Bibelanstalt, Stuttgart 1980

Dieses Buch ist eine überarbeitete Neuausgabe des Bandes Hermann-Josef Frisch, Mohammed für Christen, Prophet und Staatsmann, Freiburg i. Br., 2018.

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Lebensweg

Die Wurzeln

Die arabische Halbinsel im 6. Jahrhundert

Die Stadt Mekka

Die Kaaba

Juden und Christen in Arabien

Die Quellenlage zu Mohammed

Geburt und Familie Mohammeds

Ziegenhirte, Karawanenführer, Kaufmann

Chadīdscha – Mohammeds erste Frau

Offenbarung und Berufung

Hanīf – spirituell Suchender

Erste Offenbarung am Berg Hirā

Sure 96 – der Beginn des Korans

Verkündigung des einen und einzigen Gottes

Weitere Offenbarungen in Mekka

Widerstand in Mekka

Die ersten Gefährten

Muslimische Auswanderung nach Äthiopien

Prophet, Staatsmann, Kriegsherr

Die Stadt Medina und ihre Stämme

Hidschra – Beginn einer neuen Zeit

Mohammed – Gründer der Umma

Offenbarungen in Medina

Verteidigung gegen Mekka

Die Juden in Medina

Ein islamisches Reich

Bündnisse mit den Stämmen

Mohammeds Frauen – dynastische Heiraten

Konzeption eines muslimischen Staates

Stellung zu den Christen

Beziehung zu Byzanz und Äthiopien

Einzug in Mekka

Tod und Begräbnis

Die Nachfolge Mohammeds

Würdigung

Prophet

Mensch, nicht Gott

Empfänger einer Offenbarung

Prophet der Araber und aller Menschen

Prophet auch für Christen?

Verkünder des einen Gottes

Gottergebenheit – Islam

Mahner zur Rechtleitung

Eine neue alte Religion

Kein Religions»stifter«

Erneuerer der alten Religion

Gesetzgeber und Staatsmann

Krieger und Feldherr

Politiker und Diplomat

Religiöser Führer

Anfang der islamischen Bewegung

Von Gott geleitet und geschützt

Leiter des gemeinsamen Gebetes

Ratgeber und Helfer

Kein Zauberer oder Wundertäter

Kein Wahrsager oder Dichter

Allahs Segen auf ihm

Nicht wie Jesus oder Buddha

Eher wie Mose oder Elija

Einer der Großen der Weltgeschichte

Anhang

Register der Personen im Umfeld Mohammed

Register der Koranstellen

Stichwortregister

Ein letzter Impuls

Bildquellen

Vorbemerkung:

Einige Daten der Biografie Mohammeds, etwa sein Geburtsjahr (569, 570 oder 571) sind nicht völlig gesichert und werden in der muslimischen und westlichen Islamwissenschaft unterschiedlich bewertet. Wir folgen in diesem Band der üblichen Tradierung, sind uns aber der Problematik von historischer und theologischer Datierung bewusst.

Vorwort

Im September 2005 erschienen in der dänischen Zeitung Jyllands Posten zwölf Karikaturen, die Mohammed in verschiedenen Situationen abbildeten; eine davon zeigt dessen Turban als gerade gezündete Bombe. Diese Karikaturen verursachten weltweit in muslimischen Ländern Unruhen, weil Muslime ihren Propheten Mohammed verunglimpft und ihre Religion angegriffen sahen – Mohammed darf nach islamischer Tradition nicht dargestellt werden.

Ein Jahr später zitierte Papst Benedikt XVI. in Regensburg den mittelalterlichen byzantinischen Kaiser Manuel II. Palaiologos, der gesagt hatte:

»Zeig mir doch, was Mohammed Neues gebracht hat, und da wirst du nur Schlechtes und Inhumanes finden wie dies, dass er vorgeschrieben hat, den Glauben, den er predigte, durch das Schwert zu verbreiten.«

Benedikt wollte damit ausdrücken, dass eine Glaubensverbreitung durch Gewalt im Widerspruch zum Wesen Gottes ist. Doch wurde seine Äußerung nicht nur als ungeschickt angesehen, sondern auch als direkten Angriff auf Moāhammed und den Islam.

Diese und andere Vorgänge zeigen, dass die Gestalt des Muhammad ibn Abdallāh ibn Abd al-Muttalib (»ibn«, arabisch »Sohn«, zeigt die im arabischen Raum wichtige genealogische Abstammung auf), der im Westen meist Mohammed genannt wird, in höchstem Maß umstritten ist.

Gewiss, man sieht den Islam als mächtige Weltreligion, die zweitgrößte nach dem Christentum. Doch das macht vielen Angst vor dem Fremden: Der Islam wird kontrovers diskutiert und oft allein von seinen Randerscheinungen bzw. von Vorurteilen her gesehen. Fundamentalistische Gewalt und inzwischen nahezu weltweiter islamistischer Terror sind vorrangig im Blick der meisten Beobachter und werden zu Recht beklagt und bekämpft. Mohammed, der am Anfang des Islams steht, wird nahtlos in diese Sichtweise integriert und deshalb abgelehnt.

Übersehen wird dabei, dass auch die anderen Religionen eine Gewaltgeschichte haben und dass die extremen und gewaltbereiten Gruppierungen, die sich auf den Islam berufen, nur wenige Prozent der Muslime weltweit ausmachen. Fundamentalisten gibt es zudem in ähnlicher Zahl in allen Religionen und Gesellschaften. Dieser Band soll in einer im Blick auf Islam und Mohammed angespannten Situation zu einem zwar kritischen, aber vorurteilslosen und differenzierten Blick auf Mohammed (und über ihn auf den Islam) beitragen. Es geht um fundamentale Informationen über Mohammed, die Gründergestalt des Islam, über seinen Lebensweg, seine religiösen Vorstellungen, seine Konzeption eines islamischen Staates, in dem der Glaube an den einen und einzigen Gott die Gesellschaft unmittelbar formt und bestimmt.

Diese Informationen sollen der Verständigung zwischen den beiden Hauptreligionen in unserem Land (Chris tentum und Islam) dienen. Nicht um Abgrenzung und Ausgrenzung darf es in einer Gesellschaft gehen, sondern um Dialog und Toleranz. Nicht Vorurteile dürfen das Zusammenleben bestimmen, sondern Respekt und gegenseitige Wertschätzung. Deshalb werden in diesem Band in einem ersten Teil grundlegende Informationen zum Lebensweg des Mohammed vorgestellt. In einem zweiten Teil folgt dann unter verschiedenen Aspekten eine Würdigung seines Lebenswerkes.

Beides geschieht aus christlicher Sicht, aber mit dem Bewusstsein, dass Islam und Christentum Schwesternreligionen sind, die aus dem Judentum als Mutterreligion hervorgegangen sind. Es geht also um die Frage: Was ist mit Mohammed – was fangen Christen mit ihm an? Wer ist Mohammed für uns? Machen wir uns auf den Weg zu einem besseren Verständnis.

Hermann-Josef Frisch

Bei dem Hadsch im Jahr 2018 umrunden muslimische Pilger die Kaaba, die sich im Zentrum der Al-Harām-Moschee in Mekka befindet. Die Kaaba selbst ist mit wertvollen Tüchern behangen.

Lebensweg

Die Wurzeln

Menschen wachsen inmitten eines familiären, sozialen und religiösen Umfelds auf, das – positiv wie negativ – ihre Entwicklung beeinflusst und nicht zu unterschätzende Auswirkungen auf den Lebensweg eines Menschen hat. Deshalb sind in einem ersten Schritt die »Wurzeln« Mohammeds in seiner Heimatstadt Mekka darzustellen, die im 6. Jahrhundert nach Christus als Handels- und Pilgerstadt auf der arabischen Halbinsel eine herausragende Bedeutung hatte. Diese Stadt und das sowohl durch arabische Traditionen wie durch Handelsbeziehungen über die arabische Halbinsel hinaus geprägte Leben in ihr sind grundlegend für den Werdegang und auch den »Lebenserfolg« des Mohammed.

Kalligrafie: arabisch »Muhammad«

Die arabische Halbinsel im 6. Jahrhundert

Die Geschichte des Islam beginnt auf der arabischen Halbinsel, ein gegenüber den Hochkulturen Ägyptens und des Zweistromlands (Mesopotamien) abgelegenes und rückständiges Gebiet. Durch die Ausbreitung der Wüsten und Steppengebiete veränderte sich die geringe Bevölkerung dieses Gebietes: Kleinbauern wurden zu Beduinen, sodass die Bevölkerung zweigeteilt war: eine sesshafte Bevölkerung in den wenigen Oasenstädten entlang der alten Handelswege und nomadisierende Beduinenstämme in den riesigen Gebieten dazwischen.

Diese Menschen nannten sich selbst Araber. Von den Griechen des Altertums wurden die Stämme im Nordwesten Arabiens sarakenoi genannt, die »unter dem Zelt (griechisch skene) lebenden« Araber. Daraus ist später der Name Sarazenen geworden; sie spielten im europäischen Mittelalter eine große Rolle und wurden als Gefahr für Europa angesehen. Der Begriff ‘arab kann vom semitischen Wort für »Westen« (westlich Mesopotamiens) abgeleitet sein oder vom Wort abara, das »umherziehen, wandern« bedeutet und damit auf die nomadische Lebensweise der arabischen Stämme hindeutet (ähnlich bei den ebenfalls semitischen Hebräern).

Es gab zwei Gemeinsamkeiten der arabischen Stämme: die arabische Sprache (eine der semitischen Sprachen), allerdings in vielen Dialekten, und eine vergleichbare Sozialstruktur mit genau festgelegten gesellschaftlichen Traditionen: Jeder Stamm wird auf einen gemeinsamen Ahnen zurückgeführt, die Blutsbande innerhalb des Stammes sind von höchster Bedeutung. Es wird meist innerhalb des Stammes geheiratet. Die unverzichtbare Bindung an den eigenen Stamm war in Wüste und Steppe eine notwendige Überlebenbedingung. Die Stämme befanden sich untereinander in einem permanenten Kriegszustand, bedingt durch Blutrache und Konkurrenz bei den Weide- und Wasserplätzen. Dass Mohammed diese Stämme geeint und zum »Volk der Araber« zusammengeführt hat, ist einer seiner großen Leistungen.

Wirtschaftlich geprägt waren die Stämme durch Viehzucht, in den Küstengebieten auch durch Ackerbau, aber vor allem durch Handel. Die Weihrauchstraße aus dem Südosten der arabischen Halbinsel bis zum Mittelmeer war unter der Kontrolle der arabischen Beduinen. Im Süden und Südosten der Halbinsel (im Gebiet des heutigen Jemen und Oman) gab es Königreiche, im Norden die Reiche Ägyptens und Mesopotamiens, später auch das Reich der Naba täer mit Petra als Hauptstadt.

In solch einer Umwelt war kein Raum für bildende Kunst, wohl aber für die Kunst der Rede: Das Wort war bei den Stammesversammlungen entscheidend; eine blumige und mit vielen Metaphern angereicherte Sprache entwickelte sich. Die Bedeutung der Dichter im späteren islamischen Bereich hat hier eine ihrer Wurzeln ebenso wie die islamische Kalligrafie.

Es gibt Juden auf der Halbinsel, einige Stämme, etwa in der Handelsstadt Medina, aber auch weiter südlich im heutigen Jemen, bekennen sich zum jüdischen Glauben. Ebenso finden sich christliche Gemeinden in einigen arabischen Handelsstädten. Der Legende nach soll bereits der Apostel Bartholomäus den Arabern gepredigt haben. Südlich von Mekka, an der heutigen Grenze zum Jemen, lag die christlich geprägte Stadt Nadschrān. Zudem hatten sich christliche Einsiedler nicht nur in die Wüste Ägyptens, sondern auch auf die arabischen Halbinsel zurückgezogen. Dies waren judenchristliche Gruppen, eine frühe Gestalt des Christentums, die nicht vom Hellenismus überlagert worden war. Hinzu kamen aus Ägypten und Äthiopien monophysitische christliche Gruppen, die Jesus nur als Gott, nicht als Mensch (nur eine [mono] physis [Natur]) ansahen.

Die religiöse Landschaft in Arabien vor und zur Zeit Mohammeds war bunt, sie wird von Muslimen als »Zeit der Unwissenheit« bezeichnet, da es noch keine Erkenntnis des einen und einzigen Gottes gab und kein muslimisches (hingebendes) Bekenntnis zu ihm.

Die Stadt Mekka

Die arabische Halbinsel lag im 6. Jahrhundert, zur Zeit der Geburt Mohammeds, im Einflussbereich der drei Kontinente Europa/Vorderer Orient, Afrika und Asien. Im Norden der arabischen Halbinsel endete der Einflussbereich des europäisch-oströmischen byzantinischen Reiches mit Konstantin opel als Hauptstadt und dem orthodoxen Christentum als Religion. Im Nordwesten gehörte auch Ägypten zu Byzanz, war aber von einer anderen Form des Christentums bestimmt. Zu dieser monophysitischen Richtung gehörte auch das afrikanische Abessinien/Äthiopien, das die südliche Westküste der arabischen Halbinsel beherrschte. Im Osten Arabiens dagegen hatte Persien Teile der Halbinsel unter seine Herrschaft gebracht – die letzten bedeutendenden Könige, Khosrow I. (531–578) und Khosrow II. (590–628), führten das sasanidische Reich zu einer letzten Blüte, bevor es durch die islamisch-arabischen Armeen im Jahr 642 zerstört wurde. In Persien selbst war zu dieser Zeit der Zoroastrismus als Religon vorherrschend; dies spielte aber in den persisch besetzten Teilen Arabiens keine Rolle.

An den Rändern der arabischen Halbinsel herrschten demnach fremde Mächte aus Europa, Asien und Afrika. Doch dies galt nicht für das Innere Arabiens, das zur Zeit Mohammeds vor allem von gewaltigen Wüstengebirgen mit nur wenigen Oasen bestimmt war. Die wenigen Karawanenwege durch die Wüste waren nur den einheimischen Nomaden bekannt, alle ausländischen Armeen scheiterten im Innern dieses ca. 2,7 Millionen km2 großen Gebietes. Im überlieferten Geburtsjahr Mohammeds, 570 n. Chr., etwa gelangte eine Armee des äthiopischen Reiches von Aksum von Süden her bis vor die Tore Mekkas, musste aber ohne Erfolg umkehren. Weil die Äthiopier dabei einen Elefanten mitführten, wurde dieses Jahr das »Jahr des Elefanten« genannt.

Der zentrale Bereich Arabiens war geprägt von kleineren Oasenstädten, die die Umschlagplätze für die Handelskarawanen waren, die über die Weihrauchstraße aus dem Süden in Richtung Mittelmeer zogen. In den riesigen Gebieten zwischen der sesshaften Bevölkerung in solchen Städten lebte eine nomadisierende Beduinenbevölkerung mit ihren Ziegen- und Kamelherden. Die Gesamtzahl der Menschen in dieser weithin unbewohnbaren Region war äußerst gering.

Die wichtigste Stadt Zentralarabiens bereits der vorislamischen Zeit war Mekka, dies aus zwei Gründen: Zum einen lag Mekka am Knotenpunkt verschiedener Handelswege, es gab dort Karawansereien für Kaufleute aus allen Ländern, Handelsmessen und dadurch einen gewissen Wohlstand. Ein Handelsweg führte vom Weihrauchland im Süden (Oman/Jemen) nach Norden (Mittelmeer, Syrien), ein anderer durch die Halbinsel von West (Rotes Meer mit Ägypten) nach Ost (Persischer Golf mit Persien). Bereits in vorislamischer Zeit wurde die Stadt durch einen Staudamm geschützt, der die bei starken Regenfällen durch Überflutung eines Waddis gefährdete Stadt schützte. Inwieweit die Stadt durch Mauern und Stadttore gesichert wurde, ist nicht genau bekannt; eine Befestigung darf aber angenommen werden.

In diesem Handelsort Mekka herrschte der Stamm der Quraisch (Kuraisch); die wichtigste Sippe darin war die der Banū Hāschim, aus der Mohammed stammte. Das Selbstbewusstsein der Mekkaner war groß, man verstand die von Bergen umgebene Stadt als »Nabel der Welt« (gleiche Bezeichnung der Stadt Cusco durch die Inkas, oder ähnlich »Reich der Mitte« für China).

Die Kaaba

Die Kaaba ist ein elf Meter hoher, aus Stein gebauter Kubus mit einem flachen Dach. Die einzige Tür in einen fenster- und schmucklosen Innenraum liegt in etwa zwei Meter Höhe und kann nur durch eine fahrbare Treppe erreicht werden. Der Innenraum ist heute leer, früher waren in ihm viele Götterfiguren, angeblich 365 für die Tage des Jahres. Mohammed vernichtete im Jahr 630 nach der Einnahme von Mekka diese Statuen (Reinigung der Kaaba), weil sie gegen das unbedingte Gebot der Verehrung allein des einen und einzigen Gottes standen. In der Südostecke der Kaaba befindet sich in die Mauer integriert ein schwarzer Stein, wahrscheinlich ein Meteorit, der von einem Silberband umgeben ist. Schon in vorislamischer Zeit umschritten Pilger diesen Stein, Verehrer der vielen Gottheiten, aber auch jüdische Pilger.

Muslimisch wird die Kaaba als Ausgangspunkt der Weltschöpfung verstanden, als »erstes Haus, errichtet für die Menschen und eine Rechtleitung für die Welten« (Sure 3,96). Die muslimischen Legenden erzählen weiter: Als 2000 Jahre später Adam nach der Vertreibung aus dem Paradies hierhin kam, war dieses Haus zerfallen, aber Adam erblickte einen leuchtenden, weißen Stein, der ihn an Gottes Nähe im Paradies erinnerte. Für diesen Stein baute Adam eine Kultstätte, die Kaaba. Die große Flut zur Zeit Noachs zerstörte den Würfelbau, Noachs Arche schwamm siebenmal um den heiligen Stein, so wie heute die Pilger der Hadsch den Stein siebenmal umkreisen. Tausende Jahre später kamen Hagar und ihr Sohn Ismael auf ihrer Flucht in die Wüste und drohten zu verdursten. Da ließ Gott die Quelle Zamzam entspringen, heute laufen die Pilger der Hadsch ebenso zu dieser Wasserstelle. Abraham besuchte seinen Sohn und baute mit ihm die Kaaba wieder auf (Sure 2,127), fügte auch den heiligen Stein ein, der allerdings durch die Sünden der Menschheit schwarz geworden war. Abraham rief bereits die Menschen zur Wallfahrt an diesen Ort auf; er wird wegen seiner Ergebung in Gott (= islām) als erster Muslim geehrt. Über Abrahams erstgeborenen und damit erbberechtigten Sohn Ismael (Isaak, der Stammvater des Judentums, war nur der zweitgeborene) gelangte der Islam dann zu den arabischen Stämmen, aus denen viel später der letzte der Propheten, Mohammed, erwuchs.

Diese alten Legenden erklären zum einen den Kult ort der Kaaba in Mekka, erläutern die Heilig keit des Ortes und auch manchen Pilgerbrauch des heutigen Hadsch . Zum anderen klingt aber in diesen Erzählungen die Mahnung an die Hörer an, sich selbst wie Adam, Noach, Abraham, Hagar und Ismael Gott zu ergeben, also den Islam als die eigene und einzig wahre Religion zu bekennen. Die Legenden im Zusammenhang mit der Kaaba sind Bestandteil der Gründungsgeschichte des Islam und seines Selbstverständnisses. Durch die Aufnahme der biblischen Gestalten in die Botschaft des Koran und des Islam wird zudem eine innere Verbindung der drei vorderorientalischen Religionen Judentum, Christentum und Islam sichtbar – eine aus muslimischer Sichtweise fortschreitende Offenbarung zeigt die Barmherzigkeit Gottes mit den Menschen.

Mekka mit der heute riesigen Al-Harām-Moschee, in deren Mitte die Kaaba liegt, ist das spirituelle Zentrum der weltweit ca. 1,7 Milliarden Muslime, Mekka ist für sie die »Mutter aller Städte«. Zur Hadsch, der muslimischen Wallfahrt, kommen innerhalb weniger Stunden über zwei Millionen Pilger in die Stadt, die heute von Hochhäusern und riesigen Pilgerherbergen geprägt ist. Dabei verstehen Muslime die Kaaba nicht als Haus und Wohnort Gottes. Vielmehr ist im Schwarzen Stein Gott symbolisiert – dies ist symbolisch die Mitte der Welt, die Mitte des Glaubens, die Mitte der religiösen Praxis der Muslime. Wer sich also bei der Pilgerfahrt siebenmal (wie Noachs Arche) um diesen Stein und die Kaaba bewegt, der macht symbolisch Gott selbst zu seiner Mitte, der ergibt sich in Gottes Willen, der ist Muslim.

Juden und Christen in Arabien

Wird bereits in den Legenden rund um die Kaaba eine innere Verflechtung mit Judentum und Christentum sichtbar, so ergeben sich unmittelbare Einflüsse von Judentum und Christentum zur Zeit Mohammeds auf den zu Beginn des 7. Jahrhunderts entstehenden Islam. In Mekka selbst hat es kaum jüdische oder christliche Einwohner gegeben, wohl aber kamen zu den jährlichen Handelsmessen (gleichzeitig Pilgerzeiten für Kaaba-Pilger) jüdische Händler in die Stadt. Doch in anderen Orten der arabischen Halbinsel gab es sehr wohl Juden und Christen, sodass deren Religionen zumindest in ihren Grundzügen durch mündliche Tradierung bekannt waren. Narrative Texte wie etwa die Erzählungen der hebräischen und christlichen Bibel über die großen Gestalten Adam, Noach, Abraham, Ismael, Mose, Jesus und andere hatten dabei sicher größere Wirkung als die in der Hebräischen Bibel enthaltene jüdische Gesetzgebung oder die auf Konzilien festgelegten Lehrsätze und Dogmen der Christen. Legendäre Texte des Neuen Testaments wie etwa die Kindheitserzählungen zur Geburt Jesu dürften bekannt gewesen sein – allerdings wohl meist in den Fassungen der apokryphen Evangelienliteratur des zweiten und dritten Jahrhunderts, die besonders im ägyptischen Raum entstanden und verbreitet war.

Es ist davon auszugehen, dass die Übernahme jüdischer und christlicher Narrative in den muslimischen Raum (Koran, Hadithe, Legenden) vor allem mündlich geschah. Papyrusbzw. Pergamenthandschriften waren zu dieser Zeit extrem teuer und deshalb selten und nur reichen Klöstern vorbehalten, die auf der arabischen Halbinsel fehlten. Die mündliche Tradierung konnte zudem leichter an lokale Gebräuche und Gegebenheiten angepasst werden.

Mohammed selbst kam als Karawanenführer im Auftrag seiner Frau Chadīdscha, einer reichen mekkanischen Händlerin, auf der Weihrauchstraße nach Norden bis Damaskus. Dabei lernte er mit großer Wahrscheinlichkeit nicht nur jüdische und christliche Händlerkollegen kennen, sondern auch deren religiöse Bräuche und mancherlei mündlich tradierte Texte aus Hebräischer Bibel und Neuem Testament – lesen konnte er wahrscheinlich nicht. Insofern verwundert es nicht, dass sich im Koran immer wieder parallele Erzählungen zu den wichtigen Persönlichkeiten der Bibel finden, allerdings oft in etwas anderer Weise als im ursprünglichen Text. Veränderungen können durch die andere geografische Situation der arabischen Halbinsel bedingt sein (etwa wenn die Geburt Jesu nicht in der Höhle in Betlehem geschildert wird – ein Ort ohne Bedeutung für Muslime –, sondern unter einer Palme wie an einer Wasserstelle in einer arabischen Oase). Solche Veränderungen können ebenso theologisch begründet sein (etwa wenn Jesus als Prophet, nicht aber als Sohn Gottes bezeichnet wird, weil dem einen und einzigen Gott nichts zugesellt werden darf). Eine innere Verbindung der drei großen Offenbarungsreligionen ist durch den zusammenhängenden Raum des Vorderen Orients, aber auch durch die verwandten semitischen Sprachen Hebräisch und Arabisch erklärbar.

Darüber hinaus aber gab es auf der arabischen Halbinsel auch jüdische Stämme und christliche Gruppen bzw. Mönche und Einsiedler (vgl. Seite →). Das alte Israel war naturgemäß eingebettet in das Umfeld des Vorderen Orients und in den semitischen Sprach- und Kulturraum. Von da aus gab es Beziehungen in beide Richtungen: Die Bibel etwa erzählt in 1 Könige 10 vom Besuch der Königin von Saba, deren Reich in Südarabien (Jemen) oder auf der anderen Seite des Roten Meeres (Äthiopien) vermutet wird. Umgekehrt sind in der Zeit unmittelbar vor dem Islam jüdische Gemeinden auf der arabischen Halbinsel nachzuweisen, nicht nur in Medina, wo sie später innerhalb der Mohammed-Geschichte eine Rolle spielen (vgl. Seite →), sondern auch an vielen anderen Orten wie Khaibar, Taimā im Norden, Tā’if und weiteren Handelsorten, zudem in den Gebieten des heutigen Jemen, des Oman und der Insel Bahrain. Als »Leute der Schrift« genossen jüdische Händler bei schriftunkundigen Beduinen großes Ansehen, sie wurden, arabischen Legenden nach, auch als Hellseher geachtet, die man um Rat fragte. In seiner mekkanischen Zeit waren die Juden keine Zielgruppe für die neue Offenbarungsbotschaft Mohammeds, weil er sich als Prophet für seinen Stamm, sein Volk, schließlich für die Araber verstand. In Mekka selbst konnte Mohammed Juden nur zu wenigen Zeiten im Jahr (den Handelsmessen) begegnen. Erst in Medina änderte sich sein Verhältnis zu den Juden, weil in dieser Stadt jüdische Stämme lebten, die er nun direkt ansprach. Darauf wird zurückzukommen sein.

Auch Christen gab es in der Zeit Mohammeds in Mekka wohl kaum, wenn, waren es vielleicht kriegsgefangene Sklaven aus den Kämpfen arabischer Stämme gegen die Äthiopier. In Medina soll es einen christlichen Mönch gegeben haben, Abū Amir ar-Rahib, der jedoch die Stadt verließ, als Mohammed die Herrschaft übernahm. Weiter im Süden der Halbinsel allerdings gab es das fruchtbare Tal Nadschrân und die gleichnamige Stadt am Beginn der Weihrauchstraße durch die arabische Wüste. Hier gab es viele monophysitische Christen, die teilweise aus dem byzantinischen Reich geflohen und hier im Einflussbereich des ebenfalls monophysitischen Herrschers von Äthiopien Schutz gesucht hatten. Im Jahr 517 waren die meisten von ihnen Opfer eines Massaker eines jüdischen Königs einer Nachbarstadt geworden, doch zur Zeit Mohammeds gab es wieder eine christliche Mehrheit in der Stadt. Mohammed richtete einen Brief an die christlichen Bischöfe der Stadt Nadschrân, in dem er die christliche Gemeinde dort zur Konversion zum Islam aufrief.

Weitere, meist aber kleine christliche Gemeinden gab es vor allem im Süden der arabischen Halbinsel, wo der äthiopische Einfluss groß war. Verstreut über Arabien gab es außerdem in abgelegenen Orten christliche Einsiedlermönche, die sich – vergleichbar den ägyptischen Eremiten – in die Wüste zurückgezogen hatten. Sie wurden wohl von den Beduinen als religiöse Asketen geachtet, hatten aber kaum Einfluss auf das Leben und die religiösen Vorstellungen der arabischen Stämme. Wohl aber waren in diesem Raum die christliche Botschaft, die christlichen Gemeinden und die Mönche nicht unbekannt – so die Situation unmittelbar vor der Geburt des Mohammed.

Die Quellenlage zu Mohammed

Wie sieht die Quellenlage zu Mohammed aus? Aus welchen Quellen lassen sich Hinweise über sein Leben, sein Wirken, seine Denkweise entnehmen. Bei allen Religionsstiftern ist diese Frage zu stellen, die Antworten gestalteten sich in der Regel kompliziert. Die Lehrreden des Buddha etwa sind erst mindestens 400 Jahre nach seinem Wirken in Sri Lanka zum ersten Mal verschriftlicht worden. Die Texte des Neuen Testaments über Jesus und die Apostel entstanden in der Zeit von ca. 51–120, die vier Evangelien sind dabei im Zeitraum von ca. 70–90 entstanden, also etwa 40–60 Jahre nach Jesu Tod.

Von Buddha, Jesus, Mohammed gibt es keine eigenen Schriften, erst recht keine Autobiografien im heutigen Sinn. Wir sind auf spätere Quellen angewiesen, die aber aufgrund ihrer je eigenen Textsorten (Verkündigung von Offenbarungen bzw. Lehrreden) weniger an historischen Details der Stifterpersönlichkeiten interessiert waren als an den grundlegenden Aussagen des Glaubens, den diese Stifter verkündeten. Hinzu kommen geografische, kulturelle und andere Verschiebungen in der Entwicklungsgeschichte der Religionen.

Die Quellenlage zu Mohammed stellt sich wie folgt dar:

Wichtigste und zugleich früheste Quelle ist der

Koran

. Die 114 Suren des Koran sind Mohammed in einem Zeitraum von 22 Jahren (610–632) geoffenbart worden. Sie wurden danach nicht allein von ihm mündlich weitergegeben, sondern sind schon bald durch Schreiber aufgezeichnet worden. Bereits sehr bald nach dem Tod Mohammeds wurde der koranische Text kanonisiert und damit endgültig auf eine für alle verbindliche Version festgelegt. Dies ist im Vergleich zu den langen Kanonisierungszeiten der Hebräischen Bibel (mehrere hundert Jahre), des Neuen Testaments (ca. 150 Jahre) oder der Lehrreden des Buddha (400 Jahre) eine ungewöhnliche kurze Zeit, aus der man eine große Treue des Textbestandes schließen kann. Bereits unter dem dritten Kalifen

Uthmān

(644–656) ist die Kanonisierung der Konsonantenfolge des Korans abgeschlossen (in semitischen Sprachen wie Hebräisch, Arabisch werden in der Regel nur die Konsonanten geschrieben, Vokalisierungszeichen kamen der besseren Lesbarkeit willen später hinzu). Die am Anfang noch etwas unterschiedliche Tradierung der Vokale (und damit der genauen Aussprache bzw. des präzisen Sinns) wurde unter dem umayyadischen Kalifen

Abd al-Malik

(646–705) abgeschlossen. Zwanzig, spätestens siebzig Jahre nach Mohammeds Tod liegt ein abgeschlossener und verbindlicher Text vor.

Der Koran ist aus muslimischer Sicht von Mohammed vermittelte Offenbarungsbotschaft. Dennoch gehen aus einzelnen Suren verschiedene Informationen über den Lebensweg des Mohammed hervor, nicht chronologisch geordnet, sondern in Andeutungen über den ganzen Text verteilt. Auch gibt es durch die Form der Rede und Gegenrede Bewertungen und Einwände gegen Person (Zauberer) und Botschaft Mohammeds, auf die geantwortet wird. Die Antworten lassen eine Selbsteinschätzung des Propheten erkennen und sind vor allem für die Deutungen der Gestalt Mohammeds wichtig (vgl. den zweiten Teil dieses Buches »Würdigung«).

Für sunnitische Muslime haben neben dem Koran auch die

Hadithe

hohe Bedeutung, Koran und Hadithe bilden zusammen die

Sunna

, die überlieferte Norm muslimischen Glaubens.

Hadith

bedeutet Mitteilung, Bericht über Mohammed, über seine Handlungsweisen, über die Lehrantworten, die er auf Fragen von Menschen gab. Hadithe sind kurze, prägnante Nachrichten über den Propheten, die in großer Zahl vorliegen; unterschiedliche Sammlungen nennen mehrere tausend Hadithe. Für Muslime wird nicht nur im Koran, sondern auch in den Hadithen (wenn auch in geringerer Verbindlichkeit) Gottes Rechtleitung der Menschen sichtbar – sie werden als Hilfe für eine Lebensgestaltung nach Gottes Willen verstanden, weil sie darlegen, wie der Prophet in Wort und Tat auf verschiedene Situationen reagiert hat und wie er somit das Modell für eine Anpassung muslimischer Lebensgestaltung an neue Herausforderungen darstellt.

Hadithe werden zweiteilig wiedergegeben: Zuerst folgt der Isnād (»Stütze«), die Überlieferungskette, in der die Namen der Personen von Anfang an aufgezeichnet sind, die diesen Spruch bezeugen – eine Kette von vertrauenswürdigen Gewährsmännern, die Mohammeds Handlungen, Aussprüche oder Beurteilungen eines Vorgangs bezeugen –, dann der Spruch selbst. Hadithe werden in Sammlungen zusammengestellt; die wichtigsten sind die nach Bukhārī (810–870) und Muslim (817–875), also etwa 150 Jahre nach Mohammed.

Es gibt im Umfeld von Mekka und Medina viele Inschriften aus der Zeit Mohammeds oder danach, die allerdings erst langsam erforscht werden und bislang nur wenige Auskünfte über den Propheten geben können; doch sind hier weitere Forschungsergebnisse zu erwarten.

Aus den Arabien benachbarten Reichen (Byzanz, Iran, Äthiopien) sind aus der Zeit Mohammeds keine chronologischen Aufzeichnungen erhalten, die Auskünfte über den Propheten geben. Wohl aber sind einige diplomatische Schreiben aus medinischer Zeit erhalten geblieben, Briefe, die Mohammed seinem Schreiber diktiert hat und die an die Herrscher dieser Länder bzw. an weitere Adressaten (etwa den Bischof von Alexandria) gerichtet sind. In diesen Schreiben findet sich, vergleichbar dem Schreiben an Nadschrān die Aufforderung zur Konversion zum Islam.

Frühe Biografien Mohammeds (

sīra

Prophetenbiografien) finden sich auch im islamischen Bereich erst ca. 150 Jahre nach seinem Tod. Eine erste Biografie durch

Muhammad Ibn Ishāq

(704–768) ist nicht erhalten geblieben, wohl aber fußt eine weitere Biografie von

Ibn Hischām

(gestorben 829) auf dieser ersten Schrift über den Propheten; dies ist das bedeutendste Werk dieser Art:

Sīra Muhammad rasūl allāh

– Die Biografie des Gesandten Allahs.

Zusammenfassend ist zu sagen, dass die Quellenlage zur Biografie Mohammeds im Vergleich mit anderen Reliigonsstiftern relativ gut ist. Von diesen Quellen ausgehend werden im Folgenden biografische Details des Propheten dargestellt.

Geburt und Familie Mohammeds

Das Geburtsjahr Mohammeds wird meist mit 570 n. Chr. angegeben, manchmal wird auch 569 angegeben. Aufgrund fehlender präziser Chronologien lässt sich dieses Jahr nicht genauer bestimmen, doch es wird in der arabischen Tradition als »Jahr des Elefanten« bezeichnet, weil es im Geburtsjahr des Mohammed eine äthiopische Invasion vom Süden Arabiens aus zu den Handelsstädten in der Mitte gab, also vor allem nach Mekka. Der äthiopische Herrscher Abraha versuchte vergeblich, Mekka zu erobern; der in seinem Heer mitgeführte Elefant aber hinterließ erheblichen Eindruck bei den Wüstenbewohnern.

Die Eltern von Mohammed sind Abdallāh ibn Abd al-Muttalib und Āmina bint Wahb; doch sein Vater starb bereits einige Wochen vor der Geburt seines Sohnes. Entsprechend arabischem Brauch und wohl auch wegen der Schwäche seiner Mutter wurde der Neugeborene einer Amme, Halīmah, übergeben. Zeitweilig lebte Mohammed deshalb nicht in Mekka, sondern bei dem nomadischen Stamm seiner Amme; es war ein einfaches Leben unter Ziegenhirten.

Die Vormundschaft über den Jungen und zugleich den Schutz von Mutter und Kind übernahm ebenfalls nach arabischem Brauch der Großvater Abd al-Muttalib ibn Hāschim. Dieser stammte (und damit auch Abdallah und Mohammed) aus der Familie (banū) Hāschim, diese gehörte zum traditionsbewussten Stamm der Quraisch; der Stamm führte seine Genealogie in direkter Linie auf den Erstgeborenen Abrahams, Is mael, zurück. In Mekka hatte Abd al-Muttalib die einflussreiche und auch einträgliche Stellung desjenigen, der die MekkaPilger bewirtete. Im Zusammenhang mit dieser Aufgabe soll er in der Nähe seiner Stadt die Quelle Zamzam wiedergefunden haben (vgl. Seite →). Der Großvater war bereits anstelle des Vaters bei der Geburt Mohammeds anwesend, wählte deshalb den Namen Muhammad (Mohammed) aus und beschnitt den Jungen – er war die erste prägende Gestalt in der Kindheit des Propheten.

In späterer Zeit wurden eine Reihe von Geburtslegenden über wunderbare Ereignisse bei und nach Mohammeds Geburt erzählt, solche Legenden haben hier und ebenso bei anderen Religionsstiftern (vgl. etwa Buddha, Krishna, Jesus) das Ziel, die hohe Bedeutung dieser Gestalten herauszustellen. Mohammeds Mutter soll nach diesen Legenden bei der Geburt keine Schmerzen gehabt haben, der Junge sei bereits bei der Geburt beschnitten worden, auf seinem Rücken hätten Engel das Siegel des Propheten eingedrückt. Eine eigenartige Legende erzählt davon, dass dem kleinen Kind, als es allein auf einem Feld saß, von zwei Engeln die Brust geöffnet und sein Herz entnommen wurde. Die Engel entfernten den bösen, satanischen Anteil im Herzen und setzten es anschließend wieder ein – der Prophet als »unbefleckter, reiner« Mensch, deshalb würdig, die Offenbarung zu empfangen. Die bereits im Kind aufscheinende Bedeutung ergibt sich auch aus einer anderen Legende, nach der Mohammed als Kleinkind bereits seinem Großvater folgte, wenn er zu den Ratsversammlungen der Stadt ging – der Prophet als weiser Mensch und zugleich Gesetzgeber der muslimischen Gesellschaft.

Als Mohammed sechs Jahre alt war, starb seine Mutter Aminah. Bereits zwei Jahre später starb auch Abd al-Muttalib (497–578). Die Sorge für den Waisen übernahm nun dessen Onkel Abū Tālib ibn Abd al-Muttalib (ca. 550–619), einer der zehn Söhne von Abd al-Muttalib. Abū Tālib wurde zum Oberhaupt der Banū Hāschim und in Kindheit, Jugend und den weiteren mekkanischen Jahren des Propheten zu dessen Schutzherr – die zweite einflussreiche Gestalt für Mohammed. Dies wurde besonders dann überlebenswichtig, als die Botschaft Mohammeds in Mekka auf stärkeren Widerstand der dortigen Bevölkerung stieß.

Abū Tālib starb im Jahr 619, ihm folgte Abū Lahab als Stammesoberhaupt, der allerdings Mohammed keinen Schutz mehr gewährte und ihm feindlich gegenüberstand. Dies trug wesentlich dazu bei, dass Mohammed im Jahr 622 seine Heimatstadt Mekka verließ (Hidschra nach Yathrib/Medina).

Als Siebenjähriger litt Mohammed an einer Augenkrankheit, die von den mekkanischen Ärzten nicht geheilt werden konnte. Der Legende nach soll ein christlicher Mönch ihm geholfen haben – ein weiteres Indiz für die Einflussnahme von Juden und Christen auf Mohammed.

Ziegenhirte, Karawanenführer, Kaufmann

Islamische Quellen berichten, dass sich der junge Mohammed nicht nur mit seinem Großvater, sondern auch mit seinem Onkel Abū Tālib und dessen Ehefrau gut verstand. Wie damals bei den Jungen der Stadt Mekka üblich wurde er bereits früh zum Hüten der Schaf- und Ziegenherden eingesetzt. Eine Schule gab es in Mekka zu dieser Zeit nicht; deshalb lernte Mohammed wie seine gleichaltrigen Kameraden auch nicht Lesen und Schreiben.

Als er neun Jahre alt war, durfte Mohammed seinen Onkel bei einer Reise nach Syrien begleiten. In der aus nabatäischer und römischer Zeit stammenden Stadt Bosra im Süden des heutigen Syriens lagerte die Karawane neben einem christlichen Kloster. Der Mönch Bahīrā nimmt Kontakt zu der Karawane auf; auch Mohammed wird mit ihm gesprochen haben. Erneut gibt es einen Kontakt des jungen Arabers zu einem christlichen Mönch. Die spätere Wertschätzung Mohammeds für christliche Mönche scheint hier ihren Ursprung zu haben (vgl. Sure 5,82: Muslime können Zuneigung zu Christen haben, »weil es unter ihnen gibt Priester und Mönche, sie sind nicht hochmütig«). An anderen Stellen des Korans werden Mönche allerdings kritisch gesehen, weil sie »das Vermögen der Menschen verzehren« (Sure 9,31.34).