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Die 13-jährigen Zwillinge Nora und Noray gehen allein auf große Fahrt mit dem Kreuzfahrtschiff Ostseetraum. Sie müssen allerdings ihren Eltern versprechen, jeden Tag einen Brief von Bord zu schreiben, an Verwandte und Freunde. Widerwillig schlucken sie diese Kröte, gewinnen aber bei der Reise zunehmend Spaß daran, Seemannsgarn zu spinnen und zugleich tatsächliche Erlebnisse zu erzählen. Die Leser können, wenn sie wollen, dieses Knäuel auflösen. In jedem Fall wissen sie aber mehr von Schiff und See, der Seemannskultur und den Hafenstädten Kopenhagen, Helsinki, St. Petersburg und Tallin. Nora und Noray lernen etwas plattdeutsch und machen praktische Erfahrungen beim Schreiben von Briefen mit Stift und Papier. Originelle Illustrationen und passende Fotos unterstützen die Rezeption und regen die Phantasie an.
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Seitenzahl: 46
Veröffentlichungsjahr: 2022
Briefe suchen das vertraute Gespräch…
Das Vorspiel
Liebe-Leute-Brief I
Erster Brief, nicht von Bord
Brief mit dem Blubb-Geräusch
Brief in der Postboje
Brief mit der Geldschnecke
Zwei Briefe an einem Tag
Brief mit plattem Deutsch
Brief mit Vulkanausbruch
Brief mit Aprilscherz
Brief, unvollendet
Brief, vollendet
Letzter Brief von Bord
Liebe-Leute-Brief II
Großes PS: zwei Extra-Ausflüge
Moin, moin Noray.
Was ist los?
Aufstehen, es gibt gleich Frühstück.
Wo bin ich? Sie kenne ich doch gar nicht.
Auf der „Ostseetraum“. Ik bün jemme Steern.
Was für ein Traum? Auf dem Stern?
Ja, mien Jung. Ich bin euer Steward. Ihr seid seit gestern auf dem Kreuzfahrtschiff „Ostseetraum“.
Ach stimmt ja, das hatte ich über Nacht vergessen. Dann werd ich mal Nora wecken.
Moin, moin Nora.
Was ist los? Was soll der Quatsch?
Aufstehen, es gibt gleich Frühstück.
Wo bin ich?
…den Rest der Platte kennt ihr ja schon.
Moin, moin.
So wurden wir jeden Tag geweckt…, eben norddeutsch.
Und beim Dinner mit dem Käpt´n kam noch ´ne steife Brise plattdeutsch dazu.
Berlin, März des Jahres
Liebe Kinder, liebe Leute,
davon hatten wir schon gehört: Dass es durchaus vorkommt, dass Eltern ihre minderjährigen Kinder in den Ferien allein auf die Reise schicken. Großstadteltern wollen nach Möglichkeit, dass ihre Sprösslinge das Landleben kennen lernen und setzen sie in den Zug zu Verwandten. Natürlich nicht ohne vorher das Zugpersonal zu verständigen. Am Zielbahnhof holen sie dann die Ferieneltern ab und die Ferienkinder beziehen für ein oder zwei Wochen ihr Ferienzimmer.
So ähnlich war es auch bei uns und doch ganz anders. Es begann harmlos und für uns spannend. Unsere Eltern hatten das Losglück erwischt, denn sie gewannen im Frühjahr zwei Karten für eine „Kreuzfahrttraumreise“ auf der Ostsee. Wir freuten uns für sie, aber auch für uns. Endlich mal für eine Woche ohne die Alten. Aufstehen, wann man will. Fernsehen und Handy ohne Aufsicht. Für die Verpflegung hofften wir, wie bei anderer Gelegenheit, auf unsere befreundeten Nachbarn.
Aber wir hatten die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Unsere lieben Eltern beschlossen, uns 13-jährige! allein! auf die Reise zu schicken, also nicht aufs Land, sondern aufs Wasser. Unser Protest hielt sich, zugegebenermaßen, in Grenzen, denn nur wenige von unseren Freunden hatten bisher eine solche Schiffsfahrt unternommen. Wir stellten uns schon unsere Kajüte vor, das Dinner mit dem Kapitän und den riesengroßen Swimmingpool und natürlich die tollen Hafenstädte. Allerdings mussten wir noch eine Kröte schlucken. Wir sollten das Gesehene und Gehörte aufschreiben, nein, keine einmalige Erlebniserzählung, sondern Briefe auf Papier schreiben.
Ja, ihr lest richtig, Briefe. Wer schreibt denn heute noch so was! Der Auftrag für ihre Großzügigkeit hieß: Schreibt jeden Tag mindestens einen Brief, an uns, an die Großeltern und an eure Freunde. Briefe von Bord. Oje!
Wir seedurstigen Landratten haben uns wirklich darauf eingelassen. Und nun seht, was daraus geworden ist.
Mit lieben Grüßen
Eure Nora und Euer Noray
PS (Postskriptum, Anhang). Achtung, Achtung! Weiterlesen bringt Gefahr und Gewinn: Euer geistiger Horizont wächst. Oder anders gesagt, Euer Fantasiebrunnen füllt sich mit Seemannsgarn und Eure Wissensbirne mit dem großen Rest.
Kiel, 24. März
Hallo Jonas,
du bekommst den ersten Brief, aber noch nicht von Bord. Mal sehen, wie viele es zum Schluss werden.
Das war heute eine echte Strapaze, eine Autositzstrapaze. Man glaubt ja nicht, wie viele Leute am Sonnabend in den Osterferien unterwegs in Richtung Ostsee sind. Nach sieben Stunden! sind wir im Hotel in Kiel angekommen, Staus ohne Ende. Weißt du eigentlich, woher der Name Kiel kommt? Von Holstenstadt tom Kyle. Übersetzt: Stadt der Holsten am Keil. Der germanische Stamm der Holsten hat also an einem spitzen Fjord - in Keilform - eine Stadt mit diesem Namen gegründet.
Zum Glück hatte Mama genug zu essen und zu trinken eingepackt, an den Raststätten war es sauteuer. Sogar Süßigkeiten gehörten zur Verpflegung, stell dir mal vor. Papa hat sich das Radiogeheule verkniffen und stattdessen Queen eingelegt.
Ich habe ab und zu mal in ein Seemannsbuch (hat mir mein Onkel Finn mitgegeben) reingeblättert, wegen der besonderen Sprache der Seeleute, schließlich will ich sie ja verstehen. Kajüte und Kombüse kenne ich, auch Bug und Heck. Aber was bedeuten Steuerbord und Backbord, Luv und Lee. Weißt du es? Also: Steuerbord ist die rechte, Backbord die linke Schiffsseite. Luv heißt die Seite des Schiffes, die dem Wind zugekehrt ist, Lee ist die abgekehrte Seite. Alles klar, Alter?
Ansonsten war die Fahrt echt langweilig. Spannend wurde es nur, wenn die großen Brummis neben uns ihre Elefantenrennen machten, also sich überholen wollten. Oft drehte der auf, der nicht überholt werden wollte. Für Papa war das nicht so lustig, denn zuerst musste er stark abbremsen und dann ging es nicht vorwärts. Ein LKW kam beim Überholen sogar in gefährliches Schlingern. Aber einen krassen Autounfall haben wir nicht erlebt. Nora hat davon nicht viel mitbekommen, die Schlafsuse. Nur Papa und Mama haben sich laut aufgeregt, Mama auch mal gekreischt. Für Papa waren das alles Idioten, Hornochsen, Verrückte oder wenigstens Döösbaddels. Mama sagte: „Du bist ja erstaunlich erfindungswütig.“
Nachdem wir ins Hotel eingecheckt hatten, haben wir noch einen Stadtbummel gemacht. Kiel ist okay, aber nicht spitzenmäßig, nur die Ozeanriesen und die Kräne der Schiffswerft sind sehenswert. Graffitis und Tags erinnern mich an Berlin. Richtig gut ist aber der Botanische Garten, zu dem uns unsere Eltern noch hingeschleppt hatten, besonders die Halle mit den Schmetterlingen.