Monika Haeger - Inside Stasi - Nicole Heinrich - E-Book

Monika Haeger - Inside Stasi E-Book

Nicole Heinrich

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Beschreibung

"Wenn man auf der richtigen Seite steht, dann ist alles gerechtfertigt" sagt Monika Haeger und sieht darin die Legitimation auch für unmoralisches Handeln. Verrat, Betrug und Lüge sichern ihren Erfolg als inoffizielle Mitarbeiterin der Staatssicherheit. Was sie mit Stolz erfüllt im eifrigen Dienst für die aus ihrer Sicht gute Sache, stürzt andere ins Unglück. Das Stück erzählt entlang dem Fall von Monika Haeger (1945-2006) DDR-Geschichte. Als Heimkind wurde Haeger auf sozialistischen Kurs gebracht, als treue DDR-Bürgerin und Stasi-Mitarbeiterin spioniert sie eine Frauengruppe um die Bürgerrechtlerin Bärbel Bohley aus. Haegers Arbeit führt zu Verhaftungen, Verhören, Gefängnisaufenthalten und anteilig sogar zu einer Ausbürgerung aus der DDR. Der Monolog Haegers wird unterbrochen durch Interviews mit Opfern der SED-Diktatur. Sie berichten über Verleumdungen in Beruf und Privatleben, Wohnungsdurchsuchungen, überfallartige Verhaftungen, Scheinhinrichtungen, brutale Erlebnisse im Frauengefängnis Hoheneck, im Jugendwerkhof Torgau oder in "Speziallagern". Kurze Einwürfe mit Bezug zur Gegenwart verdeutlichen, dass eigene Überzeugungen, auch wenn sie gute Ziele verfolgen, zur Diffamierung anderer führen können. Der Zweck heiligt eben doch nicht die Mittel – im Gegenteil: Der Kern einer Unmenschlichkeit bleibt, wenn man seine Haltung unerbittlich durchsetzt.

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Nicole Heinrich

inside stasi

 

„Wenn man auf der richtigen Seite steht, dann ist alles gerechtfertigt“ sagt Monika Haeger und sieht darin die Legitimation auch für unmoralisches Handeln. Verrat, Betrug und Lüge sichern ihren Erfolg als inoffizielle Mitarbeiterin der Staatssicherheit. Was sie mit Stolz erfüllt im eifrigen Dienst für die aus ihrer Sicht gute Sache, stürzt andere ins Unglück.

Das Stück erzählt entlang des Falls von Monika Haeger (1945-2006) DDR-Geschichte. Als Heimkind wurde Haeger auf sozialistischen Kurs gebracht, als treue DDR-Bürgerin und Stasi-Mitarbeiterin spioniert sie eine Frauengruppe um die Bürgerrechtlerin Bärbel Bohley aus. Haegers Arbeit führte zu Verhaftungen, Verhören, Gefängnisaufenthalten und anteilig sogar zu einer Ausbürgerung aus der DDR.

Der Monolog Haegers wird unterbrochen durch Interviews mit Opfern der SED-Diktatur. Sie berichten über Verleumdungen in Beruf und Privatleben, Wohnungsdurchsuchungen, überfallartige Verhaftungen, Scheinhinrichtungen, brutale Erlebnisse im Frauengefängnis Hoheneck, im Jugendwerkhof Torgau oder in „Speziallagern“.

Kurze Einwürfe mit Bezug zur Gegenwart verdeutlichen, dass eigene Überzeugungen, auch wenn sie gute Ziele verfolgen, zur Diffamierung anderer führen können. Der Zweck heiligt eben doch nicht die Mittel – im Gegenteil: Der Kern einer Unmenschlichkeit bleibt, wenn man seine Haltung unerbittlich durchsetzt.

 

 

 

 

 

 

Ausführliche Informationen über unsere Autoren und Theatertexte finden Sie unter www.dreimaskenverlag.de 

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Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden. Sämtliche Rechte der öffentlichen Wiedergabe (u.a. Aufführungsrecht, Vortragsrecht, Recht der öffentlichen Zugänglichmachung und Senderecht) können ausschließlich von der Drei Masken Verlag GmbH erworben werden und bedürfen der ausdrücklichen schriftlichen Zustimmung. Nicht genehmigte Verwertungen verletzen das Urheberrecht und können zivilrechtliche ggf. auch strafrechtliche Folgen nach sich ziehen.

Personal

  

Monika Haeger, Ex-Stasi-Agentin, eine Frau um die 40

 

Alle anderen Personen sollen nur als Toneinspieler zu hören sein

 

Ort

Raum in einem Stasi-Museum

 

 

Zeit 

Gegenwart

1. Szene 

Die Bühne ist dunkel. Man hört laute Fußschritte mehrerer Personen, die durch eine Halle gehen, dazu Fetzen leiser, gedämpfter Gespräche. Die Schritte und Stimmen verstummen. Man hört laut und deutlich eine männliche Stimme.

 

Führer: 

Herzlich willkommen in unserem interaktiven Stasi-Museum.

 

Man hört positive Minimalbestätigungen aus der Menschenmenge, dann wieder die Stimme des Mannes.

 

Das hier links ist der Nachbau einer konspirativen Wohnung. Hier am Rand rechts steht unser Thementonband, durch das Sie weitere Informationen erhalten. Es reagiert auf Stichwörter oder wenn man eine Lichtschranke passiert und gibt Informationen preis. Besucher können Eindrücke und Erinnerungen hinterlassen. Manchmal beziehen sich die Eindrücke auch auf aktuelles Zeitgeschehen.

 

Man hört ein Raunen aus der Menschenmenge.

 

Sie gehen gerade am Schreibtisch eines Stasi-Majors vorbei.

Man hört Schritte der Menschenmenge, die sich immer mehr entfernt.

 

Das Licht geht auf der Bühne an. Links befindet sich eine alte DDR-Couch, rechts und links daneben kleine Beistelltische. An der Wand dahinter hängt ein Portrait von Erich Honecker.

In der Mitte der Bühne steht ein schlichter Holztisch und ein Stuhl. Rechts befindet sich ein großer massiver Schreibtisch. Auf ihm mehrere Akten und Bücher und ein altes Telefon mit Wählscheibe. An der Wand daneben steht eine Schneiderpuppe mit einer Stasi-Uniform und NVA-Kappe. Vereinzelt stehen Vitrinen und Sideboards mit Exponaten im Hintergrund. Auf einem Schild steht groß: 'Die Stasi in Ost-Berlin'.

 

Vorn auf der Bühne an der linken Wand steht ein großes, altes analoges Tonband mit großen Spulbändern.

Eine ca. 40jährige Frau mit dunklen Haaren erscheint hinten rechts hinten auf der Bühne. Sie klettert über ein rotes dickes Kordelband, was zwischen zwei Messingpollern gespannt ist und den Anfang der Ausstellung markiert. Sie schlendert lässig nach vorne. Schaut nach links, lauscht, als könnte sie die anderen Ausstellungsbesucher noch hören. Guckt sich neugierig in der Ausstellung um. Ihr Blick fällt auf das Schild mit dem Namen der Ausstellung. Sie schaut sich das Bild genau an.  Murmelt vor sich hin:Die Stasi in Ost-Berlin … 

Sie geht nach vorn und schaut herausfordernd ins Publikum.

 

Monika Haeger: 

In Ost-Berlin wohnt eine Frau, die ich mal schamlos belogen habe. Jahrelang, ohne mit der Wimper zu zucken. Ich möchte mich dafür bei ihr nicht entschuldigen. Aber ich möchte die Sache erklären.

 

Sie macht eine kurze Pause. Spricht dann betont nachdenklich, teilweise mit ironischem Unterton weiter.

 

Es war in Ost-Berlin im Herbst 1982. Es herrschte eine ganz seltsame Stimmung in der Stadt. In der BRD war gerade eine sogenannte Friedensbewegung gegen die dortige Rüstungsindustrie entstanden ... und auf einmal schwappte das dann auch zu uns rüber. Bei uns in der DDR war gerade ein neues Wehrdienstgesetz in Kraft getreten. Frauen konnten erstmals in die Volksarmee eingezogen und zum Dienst an der Waffe verpflichtet werden. 

(Amüsiert)

In Ost-Berlin gab es zig Frauen, die sich dann auch friedlich betätigen wollten, wie die in der BRD ... und denen das mit dem neuen Wehrdienstgesetz natürlich nicht passte. 

 

Sie schaut herausfordernd ins Publikum.

 

Mir schon. Ich war damals beim Verlag „Junge Welt“ als Lektorin angestellt und meine Aufgabe war, Kinder-Bastelbögenfür Wehrerziehung zu entwerfen. Ganz schön gut für eine Genossin, dachte ich damals. Aber irgendetwas fehlte. Es war nicht das, was ich wirklich wollte. … 

 

Aber zurück zu der Frau, die ich belogen hatte. Eine Bekannte erzählte mir eines Tages von einer ganz interessanten Frau. Sie hieß Bärbel. ... Bärbel Bohley. Und diese Bärbel Bohley hatte doch tatsächlich eine Eingabe gegen das neue Wehrdienstgesetz gemacht. Dazu hatte sie auch noch zig Unterschriften von anderen Frauen gesammelt und dann hat sie den ganzen Kram an Erich Honecker geschickt. Wow – hab' ich gedacht. Was ist denn das für eine Frau? So was hatte ich ja noch nie gehört.

 

Ich hab' schon immer gespürt, ob etwas richtig war – oder falsch. So wie bei dem kleinen Mädchen im Heim damals. Sie muss ungefähr fünf gewesen sein. Sie hatte erfahren, dass sie an diesem Tag Geburtstag hatte. Und sie rannte auf die kleine Wiese vorm Haus und weinte vor Freude, dass es einen Tag gab, an dem sich andere freuten, dass sie geboren wurde. Dass es einen Tag gab, an dem es ganz allein um sie ging, dass sie einen Geburtstag hatte. Die Erzieherinnen haben sich darüber überhaupt nicht gefreut. Denn der einzelne Mensch bedeutet doch in einem Kollektiv gar nichts. … 

 

Und ich war ganz ihrer Meinung.Was sollen denn diese Befindlichkeiten Einzelner? Und genauso war es auch mit dieser Bärbel, die diese Eingabe gemacht hatte. Individualismus. Nur an sich denken. Nur an die eigene Befindlichkeit. Und dazu sammelte sie andere Frauen um sich herum die ähnlich dachten. Ich wollte unbedingt mehr über sie rauskriegen. … 

 

Was war also zu tun? Nun, ich musste in Bärbels Gruppe kommen. Ich kannte mich ja schon ein bisschen aus, denn ab und zu berichtete ich der Stasi dies und das. Ich hatte zu der Zeit sogar schon einen Führungsoffizier. Den interessierte das komischerweise überhaupt nicht. Er hatte zwar von Bärbels Eingabe an Honecker gehört, hat das aber alles gar nicht ernst genommen. „Sind doch nur Frauen“, hat er gesagt. Ein paar Tage später änderte er aber seine Meinung. Nun klang er ganz anders: „Natürlich gehst du da hin“, als wär' es seine Idee gewesen. Er drückte mir dann einen Maßnahmenplan in die Hand. Da stand so steriler Kram drin wie ich es anstellen sollte, in diese Gruppe zu kommen, aber ich dachte: das funktioniert so nicht und deshalb habe ich das nicht groß beachtet. ...