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Lucy Score

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Beschreibung

Bootleg  Springs - die erfolgreiche Reihe der Bestsellerautorinnen Claire Kingsley und Lucy Score!

Cassidy Tuckers Dating-Leben ist eine Katastrophe und dabei würde sie so gerne endlich ihren Seelenpartner finden, um mit ihm durchs Leben zu gehen. Jemanden wie den attraktiven und charmanten Bowie Bodine. Doch leider wird aus ihr und Bowie nichts – irgendwie ist sie für ihn schon immer in der „strictly friends-zone“. Zudem hält sie der ungeklärte Fall des Verschwindens von Callie Kendall auf Trab. Doch ihre Ermittlungen stellen die Freundschaft zu allen Bodines auf die Probe. Vor allem zu Bowie ...

Bowie weiß, dass er die beste Freundin seiner kleinen Schwester nicht lieben darf. Er hat es vor langer Zeit versprochen und ist fest entschlossen, sich daran zu halten. Doch es ist nicht leicht, Distanz zu wahren – schon gar nicht, weil Cassidy direkt nebenan wohnt. Außerdem ermittelt sie weiter und versucht die Schuld seines Vaters zu beweisen, was die Sache auch nicht unkomplizierter macht. Es sieht so aus, als würde Bowie diese Schatten der Vergangenheit niemals loswerden. Seine Gefühle für Cassidy allerdings auch nicht …

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Liebe Leserin, lieber Leser,

Danke, dass Sie sich für einen Titel von »more – Immer mit Liebe« entschieden haben.

Unsere Bücher suchen wir mit sehr viel Liebe, Leidenschaft und Begeisterung aus und hoffen, dass sie Ihnen ein Lächeln ins Gesicht zaubern und Freude im Herzen bringen.

Wir wünschen viel Vergnügen.

Ihr »more – Immer mit Liebe« –Team

Über das Buch

Bootleg  Springs - die erfolgreiche Reihe der Bestsellerautorinnen Claire Kingsley und Lucy Score!

Cassidy Tuckers Dating-Leben ist eine Katastrophe und dabei würde sie so gerne endlich ihren Seelenpartner finden, um mit ihm durchs Leben zu gehen. Jemanden wie den attraktiven und charmanten Bowie Bodine. Doch leider wird aus ihr und Bowie nichts – irgendwie ist sie für ihn schon immer in der „strictly friends-zone“. Zudem hält sie der ungeklärte Fall des Verschwindens von Callie Kendall auf Trab. Doch ihre Ermittlungen stellen die Freundschaft zu allen Bodines auf die Probe. Vor allem zu Bowie ...

Bowie weiß, dass er die beste Freundin seiner kleinen Schwester nicht lieben darf. Er hat es vor langer Zeit versprochen und ist fest entschlossen, sich daran zu halten. Doch es ist nicht leicht, Distanz zu wahren – schon gar nicht, weil Cassidy direkt nebenan wohnt. Außerdem ermittelt sie weiter und versucht die Schuld seines Vaters zu beweisen, was die Sache auch nicht unkomplizierter macht. Es sieht so aus, als würde Bowie diese Schatten der Vergangenheit niemals loswerden. Seine Gefühle für Cassidy allerdings auch nicht …

Über die Autoren

Lucy Score ist New York Times- und USA Today-Bestsellerautorin. Sie wuchs in einer buchverrückten Familie in Pennsylvania auf und studierte Journalismus. Wenn sie nicht gerade ihre herzzerreißenden Protagonist:innen begleitet, kann man Lucy auf ihrer Couch oder in der Küche ihres Hauses in Pennsylvania finden. Sie träumt davon, eines Tages auf einem Segelboot, in einer Wohnung am Meer oder auf einer tropischen Insel mit zuverlässigem Internet schreiben zu können.

Claire Kingsley schreibt Liebesgeschichten mit starken, eigensinnigen Frauen, sexy Helden und großen Gefühlen. Ein Leben ohne Kaffee, E-Reader und neu erfundene Geschichten ist für sie nicht vorstellbar. Claire Kingsley lebt mit ihrer Familie im pazifischen Nordwesten der USA.

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Lucy Score, Claire Kingsley

Moonshine Kiss

Aus dem Amerikanischen von Juna-Rose Hassel

Übersicht

Cover

Titel

Inhaltsverzeichnis

Impressum

Inhaltsverzeichnis

Titelinformationen

Grußwort

Informationen zum Buch

Newsletter

Widmung

1: Cassidy — Acht Jahre zuvor …

2: Cassidy

3: Cassidy

4: Cassidy

5: Cassidy

6: Cassidy

7: Bowie — Gegenwart

8: Cassidy

9: Bowie

10: Cassidy

11: Cassidy

12: Bowie

13: Cassidy

14: Bowie

15: Bowie

16: Cassidy

17: Cassidy

18: Bowie

19: Cassidy

20: Cassidy

21: Cassidy

22: Bowie

23: Cassidy

24: Bowie

25: Cassidy

26: Cassidy

27: Cassidy

28: Bowie — Acht Jahre zuvor …

29: Bowie

30: Cassidy

31: Cassidy

32: Cassidy

33: Cassidy

34: Bowie

35: Cassidy

36: Bowie

37: Cassidy

38: Cassidy

39: Bowie

40: Bowie

41: Cassidy

42: Cassidy

43: Bowie

44: Cassidy

45: Cassidy

46: Bowie

47: Bowie

48: Cassidy

49: Cassidy

50: Bowie

51: Bowie

52: Bowie

53: Cassidy

54: Bowie

55: Cassidy

56: Cassidy

57: Bowie

58: Cassidy

59: Cassidy

60: Cassidy

61: Cassidy

62: Bowie

63: Cassidy

64: Cassidy

65: Bowie

66: Bowie

Epilog — Cassidy

Liebe Leserin, lieber Leser,

Impressum

Lust auf more?

Für Kevin Kneupper. Du weißt, warum.

1

Cassidy

Acht Jahre zuvor …

Ich fühle mich nicht so gut, Cass.« Meine beste Freundin und ständige Komplizin, Scarlett Bodine, war auf allen vieren und blickte zu mir auf. Sie wischte sich den Mund mit dem Ärmel ihres T‑Shirts ab.

Ich streifte den Haargummi-für-alle-Fälle von meinem Handgelenk und band ihr langes dunkles Haar zu einem lockeren Knoten zusammen. »Das liegt daran, dass du eine halbe Flasche Jack und ein paar Bier ausgekotzt hast, Scar«, rief ich ihr ins Gedächtnis. »Du hättest Zirkels Wette nicht annehmen sollen.«

Wade Zirkel hatte dummerweise mit Scarlett gewettet, dass er sie unter den Tisch trinken konnte. Er lag immer noch bewusstlos hinten am Lagerfeuer.

»Ich hab Hunger«, jammerte Scarlett. »Warte, nein. Da kommt noch was.«

Während Scarlett ihr Abendessen, bestehend aus Käsestangen und Kaffee, bei unserer alten Sonntagsschullehrerin Mrs. Morganson in die Hecke würgte, tätschelte ich ihr die Schulter und rief, betrunken, wie ich war, die beste Wahl meiner ausersehenen Fahrer an.

Bowie ging ran, seine Stimme klang belegt. »Ich soll euch abholen, was?«

Nur ein paar Worte, aber ich schwöre, dass mein Herz einen Hechtsprung in meinen Magen voller Jack Daniels machte.

»Vielleicht rufe ich auch nur an, um deine zauberhafte Stimme zu hören.« Mein supersexy Flirt wurde durch ein Hicksen ruiniert.

»Du schuldest mir zehn Dollar.«

Das war nicht das Entgelt für die Fahrt. Es war die Wette, die wir vor nicht mal vier Stunden abgeschlossen hatten, als ich Scarlett abholte. Ich verbrachte den Sommer zu Hause und war gerade von meinem ersten Jahr am College zurückgekommen, ganz erpicht darauf, vor meiner besten aller Freundinnen mit meinem Studentenleben zu prahlen. Und vielleicht auch vor ihren Brüdern. Besonders vor einem.

Bowie Bodine.

Schon seit der Grundschule kritzelte ich den Namen dieses Mannes auf meine Hefte. Meine Schwärmerei für ihn war tief in meiner Kindheit verwurzelt. Als wir im Kindergarten gelernt hatten, unseren Namen zu schreiben, hatte ich sofort darauf bestanden, auch zu lernen, wie man Bowies schrieb. In der Junior High School hatte ich eine Obsession für das Baseball-Team entwickelt, nur weil Bowie dort der Starwerfer war.

»Ich habe deine verdammten zehn Dollar, du Halsabschneider. Und jetzt schwing deinen Hintern runter zu Mrs. Morganson, bevor deine Schwester ihre Buchsbaumhecke mit ausgekotztem Bourbon vergiftet.«

»Oh, verdammt. Bin in fünf Minuten da. Und wenn Scar mir wieder auf den Rücksitz kotzt, mache ich dich persönlich dafür verantwortlich, Cass.« Damit legte er auf.

Ich lächelte und öffnete noch einen Knopf an meiner Bluse.

»Mach dir die Haare«, wies mich Scarlett vom Boden aus an. »Kannst keinen Mann rumkriegen, wenn du Haare wie eine Besoffene hast.«

Scarlett wusste von meinen Gefühlen für ihren Bruder. Wir hatten einen Plan. Ich würde Bowie mit den Waffen der Frauen verführen, ihn heiraten, und danach wären Scarlett und ich echte Schwestern.

Ich spekulierte auf meine Dickköpfigkeit, die laut meiner Mom rekordverdächtig war. Gepaart mit Scarletts Einstellung, erst mal zu handeln und später an die Konsequenzen zu denken, hatte Bowie keine Chance gegen meine langfristige Strategie.

Dieser hatte ich ein Upgrade verpasst und lief nun nicht mehr bei jedem Heimspiel mit einem handgemalten Plakat herum, sondern zeigte Bein und Dekolleté und gab die ambivalente College-Studentin. Ich flirtete routiniert, als wäre es bloß eine Angewohnheit, und tat, als hätte ich flottere Typen an der Angel als Mr. Bodine.

Hatte ich aber nicht. Auf der ganzen weiten Welt gab es keinen flotteren Typen als Bowie. Und für diesen Sommer hatte ich ein gutes Gefühl. Der Bourbon machte mich optimistisch.

Als Bowie in seinem SUV anhielt, schaffte ich es, Scarlett auf die Füße zu ziehen, und wischte ihr das Gesicht ab.

Bowie stieg aus. Er trug eine verwaschene Jeans und ein sauberes Poloshirt. In meinem Magen schwappte es seltsam. Das war ein lässiges Outfit wie für ein erstes Date. Entweder war es nicht gut gelaufen, oder ich hatte ihn dabei gestört. Wie dem auch sei, nun war er hier, und ich war glücklich.

Ich hatte mich daran gewöhnt, dass der Mann meiner Träume andere Frauen datete. Himmel, ich datete auch und hatte jede Menge Spaß dabei.

Aber ich war zuversichtlich, dass Bowie und ich eines Tages zusammen sein würden. Und diese Zuversicht sagte mir, dass es irgendwann diesen Sommer so weit sein könnte.

Er schüttelte den Kopf, grinste sein schiefes Grinsen, das er schon immer für mich reserviert hatte, wenn er uns betrunken und zerzaust aufgriff. »Sieht aus, als hättet ihr heute Abend jede Menge Spaß gehabt.« Er öffnete die hintere Tür. »Wirf sie hier hinten rein.«

»Bow, ich will Pancakes!«, sagte Scarlett und schlang ihre Arme um die Schultern ihres Bruders.

»Große Güte, Scar. Du stinkst nach Kotze und Hotdogs.«

»Käsestangen«, korrigierte ich, während ich Scarlett auf den Rücksitz schob und das Fenster ganz herunterkurbelte. In den Weihnachtsferien hatten Bowie und ich Quality Time miteinander verbracht, als wir Scarletts letzte Kotzattacke aus dem Türfach seines Wagens geputzt hatten.

»Ich hatte auch einen Corn Dog«, flötete Scarlett. »Junior hat welche in der Mikrowelle gemacht.«

»Wahrscheinlich hast du deshalb Mrs. Morgansons Hecke vernichtet«, bemerkte Bowie.

Scarlett fand das irrsinnig witzig und lachte, bis sie Schluckauf bekam.

»Wohin jetzt, Trouble?«, fragte Bowie, während er sich hinter das Steuer setzte und ich mich auf den Beifahrersitz. Trouble war sein Spitzname für mich. Das war ironisch gemeint, weil ich nie in Schwierigkeiten geriet. Ich musste nie jemanden anrufen, der die Kaution für mich bezahlte, wenn im Lookout der Shot nur einen Dollar kostete. Immerhin schaltete und waltete mein Dad in unserem süßen kleinen Fleckchen in West Virginia als Sheriff. Ich war das brave Mädchen. Das kluge Mädchen. Das mit einem Abschluss in Strafrecht hierher zurückkehren wollte, um seinem Städtchen zu dienen. Ich war die beste Freundin, die Scarlett immer aus all den Schwierigkeiten, in die sie sich brachte, heraushaute.

Bowie war wie ich. Praktisch ein Chorknabe. Insgeheim glaubte ich, dass er damit einen Ausgleich zu seinen Eltern schaffen wollte, während ich mich bemühte, den meinen gerecht zu werden.

Scarlett trällerte auf dem Rücksitz ein Liedchen.

»Lass uns zusehen, dass sie etwas isst«, schlug ich vor, während ich mich seufzend zurücklehnte.

Bowie nickte zu dem Wasser hin, das er, umsichtig wie er war, in den Tassenhaltern mitgebracht hatte. »Wir wissen ja, wie es läuft.«

»Wasserzufuhr«, näselte ich. Ich öffnete für Scarlett eine Flasche und reichte sie nach hinten. »Runter damit.«

Bowie öffnete für mich eine, und ich nahm einen tiefen Schluck. Ich übertrieb es mit dem Trinken normalerweise nicht. Ich hatte Besseres zu tun, als mich die ganze Zeit haltlos zu besaufen. Aber Scarlett konnte ganz schön überzeugend sein, wenn sie erst mal loslegte.

Tatsache war jedoch, dass ich immer da war, um Scarlett die Haare aus dem Gesicht zu halten.

Dass ich immer Bowie anrief und er immer kam.

So waren wir eben.

2

Cassidy

Der 24‑Stunden-Diner war eine sichere Bank, wenn es darum ging, minderjährigen Alkoholkonsumenten Frittiertes zu verabreichen, um die Vielfalt an starken Getränken aufzusaugen, die sie für gewöhnlich in sich hineinschütteten. Es war so weit außerhalb der Stadt, dass man nicht Angst haben musste, irgendwelchen Sonntagsschullehrerinnen oder Sheriff-Vätern über den Weg zu laufen. Und das Beste von allem: Kein Mensch war hier.

Ich ließ mich in die Nische gleiten und war überrascht, als Bowie neben mich rutschte und Scarlett die gesamte andere Seite überließ.

Mein Herz vollführte diesen vertrauten Stepptanz, weil er so nah war. Ganz egal, wie viele Jungs ich datete, keiner von ihnen hatte je diesen Cocktail aus Anspannung und Vorfreude in mir hervorgerufen wie er. Es war fast schon peinlich, wie erpicht mein Körper darauf war, seinem nahe zu sein.

Ich klappte die Speisekarte auf und tat, als würde ich sie studieren. Aus den Augenwinkeln beobachtete ich aber Bowie. Was genau turnte mich an ihm so an? War es Gewohnheit? War ich einfach schon so lange in ihn verliebt, dass ich gar nicht mehr anders konnte?

Er war genauso groß wie seine Brüder, aber schlanker. Gibs und Jame waren zwei Seiten derselben Medaille: Flanellhemden à la Holzfäller, Gesichtsbehaarung. Aber Bowie war von der Frisur und seiner Kleidung her ein wenig stylisher. Dunkle Haare, graue Augen. Diese hübsche, beinahe gerade Nase, die eine winzige Macke abbekommen hatte, als ihn ein Baseball nach dem Wurf umgehauen hatte. Er hatte ihn gefangen, den Gegner zum Ausscheiden gezwungen und dafür zwei blaue Augen kassiert.

Bowie hatte überall magere Muskeln, von der Schulterlinie bis hinunter zu seiner schmalen Taille. Von eingehender Inaugenscheinnahme wusste ich, dass er genau die Art von Bauchmuskeln hatte, die in den Playgirl-Magazinen von Misty Lynns Mama der letzte Schrei waren. In der siebten Klasse hatte sie uns gegen eine Gebühr von einem Dollar pro Heft erlaubt, sie uns anzusehen.

Doch Bowie hatte noch mehr als nur einen höllisch sexy Körper. Hinter diesen silbergrauen Augen ging so viel vor sich. Wenn er mich ansah, hatte ich das Gefühl, als wollte er meine DNA entschlüsseln. Als würde er alles wissen wollen. Das raubte mir den Atem, und ich war plötzlich das genaue Gegenteil der lässigen ungebundenen Frau, die ich versuchte zu sein.

Er war klug. Freundlich. Ruhig. Er war zuverlässig und gut, und zwar auf eine Art, wie Filmhelden es waren. Es wäre albern, ihn nicht zu lieben.

Ich wusste nur nicht, ob er mich auch liebte.

Die Zeichen deuteten auf ein topsolides Vielleicht hin. Seit ungefähr drei Jahren führte ich Buch über jeden Blick, jeden Kommentar, jeden zufälligen Körperkontakt. Mein Instinkt sagte mir, dass der Mann Gefühle hegte. Doch ich wollte lieber eine eindeutige Antwort, am besten schwarz auf weiß.

»Ich nehme Pancakes und Waffeln«, beschloss Scarlett. Sie legte sich auf die Sitzbank der Nische und hielt sich die Speisekarte über das Gesicht.

»Willst du Kaffee?«, fragte ich, als sich die übliche Kellnerin der Nachtschicht näherte.

»Ja, gern!«, rief Scarlett.

»Was darf es denn sein?«, fragte Carla, die aussah wie ein Rockabilly-Poster-Girl, und blickte uns durch ihre violette Cat-Eye-Brille an. Wir waren mindestens einmal pro Vierteljahr hier, betrunken und ein wenig zerzaust, und doch hatte sie nie durchblicken lassen, dass sie uns wiedererkannte, was uns dazu zwang, den Prozentsatz ihres Trinkgelds in astronomische Höhen zu treiben. Letztes Mal hatten wir ihr fünfzig Prozent dagelassen. Ich dachte, das würde ihr wenigstens ein »Das Übliche?« entlocken.

»Kaffee, Wasser, Pancakes und Waffeln bitte«, bestellte Scarlett aus ihrer Ruheposition.

»Wasser und das Veggie-Omelette«, entschied ich. Ich brauchte nicht auch noch Koffein in den Adern, wenn Bowies Arm nur Zentimeter von meinen Schultern entfernt auf der Rückenlehne der Nische lag.

Er bestellte Eier, Wurst und Kaffee, während ich mich bemühte, nicht daran zu denken, dass dieser Arm mich fast berührte.

Carla ging gemächlich davon, um unsere Bestellung ins System einzupflegen.

»Hattet ihr einen schönen Abend?«, fragte mich Bowie.

Mal überlegen – ich hatte Shots getrunken mit Scarlett und drei Sommerfrischlern, wie wir in Bootleg die Gäste nannten, die jeden Sommer in unsere heißen Quellen und am See einfielen. Dann hatte ich mir den Knackigsten von ihnen gekrallt und mit ihm am Feuer das Tanzbein geschwungen, bis sich uns beiden der Kopf gedreht hatte. Ich war mit einer Studentin, die Strafrecht als Hauptfach studierte, in eine Debatte über Rückfallkriminalität geraten. Und nun saß ich hier, und Bowie Bodines Arm war so gut wie um mich gelegt.

»Ja. Er war ganz okay«, sagte ich. »Hattest du heute Abend ein Date?«

Er bedachte mich mit einem dieser langen, ruhigen Blicke. »Ja.«

»Spaß gehabt?«, fragte ich so gleichgültig wie möglich. Cassidy Tucker will auf keinen Fall mit seinem Date behelligt werden, ganz bestimmt nicht.

»Es war ganz okay«, wiederholte er mit einem trägen Grinsen meine Worte.

Er rührte sich, nahm mehr Raum in der Nische ein. Als sein Knie das meine streifte, wäre ich fast in Verzückung geraten und entschied mich dann dagegen. Es würde schon mehr brauchen als eine zufällige Berührung von Jeansstoff, um mich zu beeindrucken, beschloss ich.

Scarlett prustete vor Lachen über irgendetwas, was nur für ihr alkoholvernebeltes Gehirn lustig war, und Bowie und ich wechselten einen amüsierten Blick. Endlich war ich erwachsen. Neunzehn Jahre alt. Ich hatte mich lange an den Gedanken geklammert, dass es Bowie einfach deshalb nie bei mir versucht hatte, weil ich noch so jung war.

Entweder das, oder er fand mich physisch abstoßend.

Eigentlich war ich mir ziemlich sicher, dass es daran nicht lag. Ich war keine blondierte Misty Lynn Prosser mit Atombusen – aber mit meinen langen Beinen und den Sommersprossen hatte ich meinen eigenen Reiz. Es war wirklich eine Schande, wie lange Bowie brauchte, ihn zu bemerken.

Unser Essen kam, und Bowies Arm verschwand von der Rückenlehne. Ich war ein klein wenig erleichtert, denn die Debatte darum, ob er mich berühren würde oder nicht, hätte wohl so lange in meinem Kopf getobt, bis ich mir auf die Zunge oder in die Lippe gebissen hätte. Das war schon mal passiert. Eines Tages würde ich wohl an irgendetwas ersticken, weil mich seine Anwesenheit zu sehr davon ablenkte, mein verdammtes Essen zu kauen. Als Sicherheitsmaßnahme war ich dazu übergegangen, weniger zu essen, wenn Bowie dabei war.

Scarlett richtete sich auf der anderen Seite des Tisches wieder auf und gab Bowie mit dem Mund voller Frühstückskohlenhydrate einen zehn Minuten langen Überblick über unseren Abend. »Cassidy, wie hieß der Typ noch mal, mit dem du getanzt hast?«

Selbst betrunken verstand es Scarlett noch, Ränke zu schmieden. Sie sagte das so unschuldig, aber ich sah, wie sie den Blick über Bowies Gesicht wandern ließ und nach einer Reaktion suchte.

Ich griff nach meinem Wasser. »Blake.« Ich war mir fast sicher. Oder vielleicht Nate? Herrgott, jedenfalls nicht Bowie, so viel war klar.

»Sah aus, als wärt ihr ganz schön kuschelig geworden«, schnurrte sie. Meine beste Freundin war ein winzig kleiner Temperamentsbolzen mit berechnendem Verstand. Ich liebte sie über alles.

Ich hob die Schulter ein wenig, als wären meine Dating-Abenteuer keinen Kommentar wert.

Bowie interessierte sich plötzlich sehr für sein Essen. Ich wusste nicht, was ich davon halten sollte, aber Scarlett grinste so breit wie ein Halloween-Kürbis.

3

Cassidy

Ich brauche keinen Chauffeur«, protestierte ich.

Wir hatten Scarlett für heute Nacht auf dem Sofa des grummeligen Gibsons abgelegt. Keiner von uns wollte eine betrunkene Scarlett zu Hause bei ihrem ständig betrunkenen Daddy abliefern. Sie brauchte jemanden, der ihr helfen konnte, wenn sie sich vollreiherte, und der es ihr ausredete, wenn sie mitten auf der Main Street ein Himmel-und-Hölle-Spiel aufmalen wollte … wieder mal.

Gibson, der älteste der Bodine-Brüder, hatte den kurzen Strohhalm gezogen … wieder mal.

Bowie verschränkte die Arme.

»Du kennst die Regeln, Cass.«

»Callie Kendall ist vor vier Jahren verschwunden, Bow. Ich glaube, wir können dies als einmaligen Vorfall betrachten.«

»Steig ein, Trouble«, sagte er, während er mich über den Gehweg schob.

Ich widersprach, damit er mich erneut ein wenig schubste. Darauf war ich nicht besonders stolz. So armselig erpicht auf Liebe hatte ich nie werden wollen. Aber Liebe war Liebe, und es war sinnlos, dagegen anzukämpfen.

»Zwing mich nicht dazu, dich hochzuheben und ins Auto zu verfrachten«, drohte er.

Ein wirklich großer, liebebedürftiger Teil von mir wollte, dass er genau das tat. Aber ich war keine kichernde Intrigantin, die Körperkontakt anstrebte, der durch Manipulation hervorgerufen worden war. Nein, das sollte etwas Langfristiges werden. Ich wollte in einem weißen Kleid mit Bowie vor dem Altar stehen, und er sollte mich ansehen, als sei ich das Schönste auf der ganzen Welt.

»Bowie«, sagte ich gähnend. »Seit ich zwölf war, trage ich Pfefferspray mit mir herum, und seit ich acht war, nehme ich Unterricht in Selbstverteidigung.«

»Es ist mir egal, für wie gut vorbereitet du dich hältst. Ich schaffe jetzt deinen Hintern nach Hause.«

Immer der vollendete Gentleman.

»Es geht nicht darum, wie vorbereitet ich bin«, sagte ich zuckersüß. »Es geht darum, was ich mit dir mache, wenn du mich hochhebst und zu deinem Wagen schleppst.«

Ich hatte das Falsche gesagt. Ich war müde und noch immer ein winziges bisschen betrunken. Das war meine Entschuldigung dafür, dass ich vergessen hatte, dass Bowie ein Bodine war. Konkurrenzkampf und Rebellion lagen ihm im Blut. Sein Urgroßvater Jedidiah Bodine hatte den Alkoholschmuggel in West Virginia und dem größten Teil Marylands in die Tasche gesteckt. Der Hang, sich Herausforderungen zu stellen und sie in Grund und Boden zu stampfen, war in Old Jedidiahs Nachkommenschaft auch Generationen später noch stark verwurzelt.

In einer einzigen schnellen Bewegung warf mich Bowie über die Schulter und schlenderte fröhlich vor sich hin pfeifend auf seinen SUV zu. Der Gehweg verschwamm unter mir, während mein Mageninhalt gefährlich umherschwappte.

»Bowie!« Da ich mir nicht zu gut dafür war, eine Szene zu machen, hämmerte ich ihm mit den Fäusten auf den Rücken. Ich ging nicht so weit, der Liebe meines Lebens in die Eier zu treten, wie ich es bei jedem anderen Kerl getan hätte, der glaubte, grob mit mir umspringen zu können.

Er schlug mir auf den Hintern, dass ich kreischte. Mein Körper wurde steif. Bowie Bodine trug mich, als wäre ich mit meinen über einen Meter siebzig nichts weiter als ein Kind. Und er hatte mir an den Hintern gefasst. Ich wusste nicht so recht, ob ich begeistert oder entsetzt sein sollte.

»Bowie Bodine, du lässt mich jetzt sofort runter, oder du wirst es für den Rest deines Lebens bereuen!«

»Cassidy Ann Tucker, du läufst nicht ganz allein nach Hause. Und das weißt du genau. Sei jetzt ein braves Mädchen und steig in das verdammte Auto.« Er stellte mich auf dem Gehweg ab und öffnete die Beifahrertür.

Ein wenig benommen stolperte ich, und er drückte mich an seine Brust.

Wir hatten uns schon berührt. Einarmige Umarmungen und High fives. Haare verwuscheln und in den Schwitzkasten nehmen. Schon seit ich schwimmen konnte, schubste er mich von Anlegern. Aber das hier. Dieser Vollkörper-Brust‑an-Brust-Kontakt ließ mir die Sicherungen durchbrennen. Dieser Situation war ich nicht gewachsen. Jeder Zentimeter von ihm lag warm und hart an mir. Das Mondlicht beleuchtete seine zusammengepressten Kiefer, und ich fragte mich, ob ich ihn jetzt verärgert hatte.

Und dann dämmerte es mir plötzlich. Mit neunzehn war ich noch nicht erwachsen genug, es mit Bowie Bodine aufzunehmen.

»Steig ein, Cass«, sagte er ruhig.

Ich tat, wie mir geheißen, nicht erpicht darauf, herauszufinden, was genau er tun würde, wenn ich jetzt in Richtung meines Zuhauses losrennen würde.

Mein Puls raste wie ein durchgegangenes Pony, als ich mich ins Auto setzte. Die fünfundzwanzig Zentimeter breite Mittelkonsole trennte uns. Mit bebenden Händen ließ ich den Gurt einrasten. Ich hatte gedatet. Ich hatte Sex gehabt. Doch allmählich wurde mir klar, dass mich keine dieser Lebenserfahrungen auf ihn vorbereitet hatte. Er war kein Junge. Er würde keine Spielchen dulden. Und ich war nur ein Kind, das welche spielte.

Ich bin noch nicht bereit für Bowie Bodine.

Wenn ich der Typ Mensch wäre, der weinte, hätte ich jetzt in meinen Ärmel geschluchzt. Stattdessen geriet ich ins Grübeln, während meine Hoffnungen und Träume für den Sommer wie Seifenblasen zerplatzten.

»Was ist?«, fragte er schroff.

Meine Welt war erschüttert. Ich war nicht die selbstbewusste, erfahrene Erwachsene, die ich vorgegeben hatte zu sein – womit ich geprahlt hatte.

»Nichts ist«, log ich.

»Lügnerin.«

»Bin nur müde«, sagte ich, während ich aus dem Fenster starrte.

»Du würdest es mir sagen, oder? Wenn ich etwas für dich in Ordnung bringen kann?«

Ach, Himmelherrgott nochmal. Ich ertrug es momentan nicht, wenn er so lieb zu mir war. Nicht, wenn ich gerade festgestellt hatte, dass ich erst noch ein bisschen erwachsen werden musste.

»Es ist nicht dein Job, Dinge für mich in Ordnung zu bringen, Bow«, bemerkte ich.

Er griff herüber und nahm meine Hand, und mir war noch mehr zum Heulen zumute. »Aber du weißt, wenn irgendetwas nicht in Ordnung ist, dann komm zu mir. Verstanden?«

Ich stierte durch die Windschutzscheibe, um ihm nicht in die Augen sehen zu müssen.

Er drückte meine Hand, bis ich nickte. »Verstanden.«

Dann ließ er mich los und fuhr schweigend die vier Blocks zum Haus meiner Eltern. Ich schmollte, und Bowie hing seinen Gedanken nach – was für welchen auch immer.

Mein perfekter Südstaaten-Gentleman parkte seinen SUV und schaltete den Motor ab. Er würde mich noch zur Tür bringen, ob ich wollte oder nicht. Wir gingen über den gepflasterten Fußweg auf das Haus zu. Es war groß und weiß, mit zwei Stockwerken und hohen Säulen. »Ich wohne im Weißen Haus«, hatte ich zu Scarlett gesagt, als wir uns am ersten Kindergartentag kennengelernt hatten. Es war ungefähr dreimal so groß wie Scarletts Zuhause. Und was in seinen Mauern vor sich ging, war auch ganz anders als bei Scarlett. Manchmal bekam ich ein schlechtes Gewissen, weil ich so viel hatte. Dass meine Eltern so gut waren, so normal.

Bowie schob die Hände in die Taschen seiner Jeans, als wir zur Tür gelangten.

Ich seufzte. Auch wenn ich am Boden zerstört war und so weiter, sollte ich mich bei dem Mann dafür bedanken, dass er seinen Abend drangegeben hatte, um wieder zu meiner Rettung zu eilen. Ich griff in meine Tasche und zog den Zehn-Dollar-Schein heraus, den ich etwa dreißig Sekunden, nachdem ich die Wette mit Bowie eingegangen war, dort verstaut hatte.

»Danke, dass du da warst. Wie immer.« Ich beugte mich vor und drückte ihm einen flüchtigen Kuss auf die Wange. Ein Abschiedskuss für die Phantasievorstellung, dies wäre der Sommer, in dem Bowie klar würde, dass er zu mir gehörte.

Er hatte die Hände aus den Taschen genommen und um meine Taille gelegt. Fast wäre ich aus der Haut gefahren. Wahrscheinlich wollte er mir nur Halt geben, für den Fall, dass ich nicht sicher auf den Füßen war.

Ich klatschte ihm den Geldschein an die Brust und schubste ihn dabei ein wenig.

»Behalte es«, sagte er.

»Ich begleiche immer meine Schulden.«

Er nahm den Schein, faltete ihn ordentlich, und ohne den Blick von mir abzuwenden, schob er ihn in den Ausschnitt meines T‑Shirts und steckte ihn unter den BH‑Träger.

»Behalte ihn, Cass.«

Ich hatte mein Sprachvermögen verloren. Und offenbar auch wichtige motorische Fähigkeiten, denn als ich zurücktrat, stolperte ich über die verdammte antike Gießkanne, die meine Mutter immer mit Weidenkätzchenzweigen neben die Tür stellte. Ich fing mich wieder, indem ich mich mit den Handflächen am gestrichenen Backstein abstützte.

»Alles okay?« Ich hörte an seiner Stimme, dass er grinste.

»Alles super.« Ich griff nach der Türklinke.

»Cass?«

Allein, indem er meinen Namen aussprach, brachte er mich zum Innehalten.

»Ja?«

»Schön, dass du wieder da bist.«

4

Cassidy

Es war zu heiß für ein Lagerfeuer, aber ohne Lagerfeuer konnte man in Bootleg keine Party am See veranstalten. Es trug zum »rustikalen Ambiente« bei, wie Blaine – nicht Blake –, der knackige Sommerfrischler von neulich Abend, anmerkte. Außerdem hielt es die verdammten Moskitos davon ab, uns bei lebendigem Leibe aufzufressen.

Blaine verbrachte mit seiner Familie einen Monat hier, sie wohnten in einem der großen Häuser am Wurmfortsatz des Sees. Er studierte im ersten Jahr Wirtschaftswissenschaft an einem der weniger bekannten Ivy-League-Colleges. Und er tanzte mich gerade an, als wären wir in irgendeinem Nachtclub mit dunklen Ecken und Bier für fünfzehn Dollar.

Ich war nicht so recht bei der Sache, weil ich gerade gesehen hatte, wie Bowie vorbeigelaufen war. Aber Blake – ich meine Blaine – würde mein Lückenbüßer sein. Ich würde mit dieser Sahneschnitte im Polohemd mit Wal-Logo herummachen und Bowie Bodine aus meinen Gedanken vertreiben.

»Erzähl mir mehr über deine Studentenverbindung, Süßer«, schnurrte ich, wobei mich seine Kappa-Papa-wie-auch-immer-Verbindung einen feuchten Kehricht interessierte.

Während seine Hände über meine Taille und meinen Bauch wanderten, hob er zu einer weiteren Geschichte über seine Verbindungsgenossen an. Ich bemühte mich, nicht darauf zu achten, als Bowie wieder vorbeikam, dieses Mal mit einem Bier in der Hand. Doch wir sahen uns an, und er hielt meinen Blick. Dieser Kontakt löste mehr Empfindungen in mir aus als Blaines weiche, glatte Handflächen auf meiner nackten Haut.

Hinter ihm flackerte das Lagerfeuer, Musik lief, und unsere Freunde und Nachbarn tranken und tanzten. Und ich sah nur Bowie.

Das ist nicht fair.

Im direkten Vergleich hatte Blaine keine Chance. Bowie trug ein heiß geliebtes T‑Shirt, das ihm vor der Brust spannte. Seine Jeans hing tief auf den Hüften. Er trug Lederflipflops und eine ramponierte Baseballmütze.

Blaine hatte rosa karierte Shorts und ein türkisfarbenes Poloshirt mit hochgestelltem Kragen an. Seine Sonnenbrille trug er am Hinterkopf. Er hatte mir keine einzige Frage über mich gestellt, sondern mir nur seine gesamte privilegierte Lebensgeschichte erzählt.

Doch Bowie kannte mich. Bowie, der mich nun mit so etwas wie Enttäuschung auf dem attraktiven Gesicht ansah. Warum war er hier? Warum sah er mich so eindringlich an? Hatte meine plötzliche Entscheidung, meine Schwärmerei aufzugeben, eine Art Flagge gehisst, oder was?

Das war nicht ich. Einen Typen benutzen, um über einen anderen hinwegzukommen. Igitt. Ich werde das wohl auf die altmodische Art lösen müssen. Indem ich Gefühle empfinde.

Ich wusste echt nicht so recht, wie ich mich von jemandem »entlieben« konnte, aber ich würde schon noch dahinterkommen. Wahrscheinlich musste man stundenlang heulen und auf Dinge einprügeln und vielleicht die eine oder andere Packung Eis essen. Früher oder später wäre Bowie nichts weiter als ein Nachbar für mich.

Ich legte die Hände auf Blaines, als sie immer weiter nach oben zu meinen Brüsten wanderten. »Ich hol mir noch ein Bier«, flunkerte ich. »Wir sehen uns.«

»Bleib nicht so lange weg«, flüsterte er neckisch.

Ich wandte mich von ihm ab, von Bowie ebenfalls, und bahnte mir meinen Weg durch die Meute der sommerlichen Partygäste.

»Wo willst du hin, Cass?«, rief mir Scarlett nach. Sie lümmelte hinten auf einer Ladeklappe herum und unterhielt eine Handvoll geeigneter Single-Männer, die den Sommer hier verbrachten.

Anstatt ihr zu antworten, winkte ich nur und steuerte auf den Wald zu. Ich brauchte Dunkelheit und Einsamkeit.

»Was zum Teufel mache ich da eigentlich?«, fluchte ich vor mich hin, während ich einen Pfad einschlug, der am See entlangführte.

»Du unterbrichst meine Lektüre.«

Meine große Schwester June hockte auf einem umgefallenen Baumstamm am Rand der Partyzone. Sie trug eine Stirnlampe und las das Wall Street Journal.

»Juney, wir haben deinen Hintern nicht zum Lagerfeuer geschleift, damit du so tust, als wärst du in der Bibliothek«, erinnerte ich sie.

Sie blickte auf und blendete mich mit der LED-Lampe an ihrer Stirn.

»Ich habe genau zehn Minuten lang gesellschaftlichen Umgang gepflegt«, sagte sie.

Scarlett und ich zwangen June zweimal pro Monat, unter Menschen zu gehen, wenn ich vom College zurück war. Sonst würde mein Superhirn von Schwester nie die Behaglichkeit und Ruhe im Haus meiner Eltern verlassen. Wir hatten die unausgesprochene Abmachung, dass ich sie gesellschaftsfähig machen und sie mir durch meine Matheprüfungen helfen würde. Keine von uns hatte Spaß daran, aber wir erkannten beide die Notwendigkeit.

»Genau zehn Minuten?«, fragte ich.

»Ich habe die Zeit gestoppt«, sagte June, während sie die Zeitung faltete. »Gehen wir jetzt?« Meine normalerweise emotionslose Schwester sah mich hoffnungsvoll an.

»Bald«, versprach ich. Der Wunsch, Party zu machen, war verpufft. Am liebsten hätte ich mich auf dem Sofa zusammengerollt, während sich June SportsCenter ansah und ich vergaß, dass ich ein liebeskranker Welpe war.

»Wie lange noch? Ich stoppe dann die Zeit«, beschloss June.

»Gib mir fünf Minuten, dann gehen wir.«

Wortlos zog June ihr Handy heraus, stellte den Timer und wandte sich wieder ihrer Zeitung zu.

Ich seufzte und fragte mich, ob sie sich je lang genug aus ihrem eigenen Kopf würde befreien können, um eine Verbindung zu jemandem herzustellen. Dann fiel mir meine eigene Situation wieder ein. Juney war in ihrem Kopf sicherer, ihr Herz würde heil bleiben.

Ich stahl mich den Pfad entlang in die Bäume, wo ich meine Teenager-Liebe und meine Unzulänglichkeiten in Ruhe betrauern würde. Ich konnte den See riechen und die nächtliche Brise in den Blättern über meinem Kopf hören. Die Sommernacht hüllte mich in ihre feuchte Umarmung voller Ungeziefer.

»Ich muss über ihn hinwegkommen«, flüsterte ich in die Finsternis.

»Über wen musst du hinwegkommen?«, wollte Scarlett wissen, so dass ich vor Schreck fast aus der Haut fuhr.

»Wie schaffst du es nur, dich in diesen Stiefeln so anzuschleichen?«, lenkte ich ab.

Scarlett blickte auf ihre Cowboystiefel mit den Ziernähten hinunter. Mit ihren langen Haaren und den engen Jeansshorts, die ihre gebräunten Beine betonten, war sie der feuchte Traum jedes Country-Musikers.

»Du hast so laut Trübsal geblasen, dass du alles andere übertönt hast«, sagte sie. »Was ist los? Du siehst aus, als wärst du auf einer Beerdigung, nicht auf einer Party.«

Ich hatte keine Ahnung, wie ich Scarlett erklären sollte, was ich empfand. Die Anziehung, die ihr Bruder auf mich ausübte, war realer als alles, was ich kannte, und nur weil ich einen Moment zu dicht bei ihm gestanden und einen Blick darauf erhascht hatte, wie es wäre, mit Bowie zusammen zu sein, hatte ich nun eine Scheißangst, dass ich ihm nie gerecht werden könnte.

Es war zu viel, zu echt. Wenn das Wunder aller Wunder passieren und er mich küssen oder mir ewige Liebe schwören würde, fiele ich auf der Stelle tot um. Zu Sternenstaub zerfallen. Ich war noch ein Kind, ein Mädchen mit einer Jugendliebe, die ich vielleicht nicht überleben würde. Und womöglich wuchs ich nicht zu der Frau heran, die Bowie Bodine haben wollte.

»Ich habe nur Kopfschmerzen«, log ich. »Ich glaube, ich gehe jetzt mit Juney nach Hause. Sie hat ihr Soll an Spaß erfüllt. Ist es okay, wenn ich dich mit deinen Brüdern hierlasse?«

Scarlett und ich gaben immer aufeinander acht. Deshalb kniff sie jetzt auch ein Auge zu.

»Cassidy Ann, was ist los mit dir?«, fragte sie.

»Da bist du ja.« Blaine tauchte hinter Scarlett auf dem Pfad auf. So wie er sich in seinen schicken Bootsschuhen zur Seite neigte, musste er den einen oder anderen Shot intus haben. Wir Bootlegger probierten unsere Rezepte für Selbstgebrannten gern vor dem Shine On an den Sommerfrischlern aus. Ob wir wohl das einzige Städtchen des Landes waren, das den Black Friday mit einer Schnapsverkostung einläutete und betrunken den Weihnachtsbaum schmückte? Wahrscheinlich schon.

»Sorry. Blake, richtig?«, fragte Scarlett freundlich. »Cassidy und ich führen gerade ein privates Gespräch. Wie wär’s, wenn du später wiederkommst?«

Blaine schnaubte. »Ihr seid so richtige Landeier, echt.«

Junge, Junge. Schön, dich kennengelernt zu haben, Blaine.

Scarlett stemmte die Hände in die Hüften, und ich schlängelte mich zwischen die beiden. Mein Vater, der Sheriff, wüsste es ganz und gar nicht zu schätzen, wenn ich zuließe, dass meine beste Freundin einen Mord innerhalb der Stadtgrenzen verübte.

»Jetzt hör mir mal gut zu, du privilegierter Scheißer«, begann Scarlett.

Blaine sah an mir vorbei zu Scarlett. »Was hat deine Freundin für ein Problem?«, murmelte er zornig.

»Niemand hat ein Problem«, sagte ich ruhig. »Scarlett, hol doch bitte kurz June für mich, während ich Blake hier Gute Nacht sage …«

»Blaine«, verbesserte er mich mit finsterem Gesicht.

Shit. Blaine war es nicht gewohnt, dass Mädchen seinen Namen vergaßen. Aber im Sommer gab es hier in Bootleg Blaines/Blakes wie Sand am Meer. Auf dem See wimmelte es nur so vor süßen Jungs, die den ganzen Sommer lang die Stadt bevölkerten.

»Blaine«, wiederholte ich mit zusammengebissenen Zähnen.

»Ich dachte, wir würden ein wenig Zeit miteinander verbringen, uns besser kennenlernen.« Er schmollte und stach mir mit dem Finger in den Hals. Tiefenwahrnehmung war oft das Erste, was bei Hester Jenkins Blaubeerschnaps flöten ging. Mit siebzehn hatte sie das Rezept perfektioniert, und ihr Selbstgebrannter wurde drei Jahre hintereinander zum Best Amateur Moonshine des Staates gekürt. Natürlich hatte sie ihn unter dem Namen ihrer Mutter eingereicht.

»Nun ja, Süßer.« Ich drehte meinen Südstaatencharme voll auf und sagte »Süßer«, um weitere Namensverwechslungen zu vermeiden. »Leider habe ich echt schlimme Kopfschmerzen. Deshalb wirst du mich bestimmt entschuldigen. Aber ich könnte dich jemandem vorstellen«, bot ich an. Misty Lynn war auch da. Sie würde ihn mir bestimmt mit Kusshand abnehmen.

Er grinste mich an, das eine Auge halb geschlossen, und da wusste ich, dass er kein einziges meiner klebrig süßen Worte mitbekommen hatte.

»Komm schon«, lallte er und packte mich am Handgelenk. »Lass uns schwimmen gehen.«

Um es ganz klar zu sagen: Ich war zu keinem Zeitpunkt in Gefahr. Mein Dad hatte dafür gesorgt, dass June und ich Selbstverteidigung beherrschten wie das kleine Einmaleins. Und zwar aus dem Effeff. Wenn also Blaine vorhatte, mir irgendwie Schaden zuzufügen, nun ja, dann würde der arme Kerl seine Eier nicht mehr wiederfinden, wenn ich mit ihm fertig war.

Er war einfach nur betrunken und ein bisschen dumm. Der Blödmann glaubte wohl, charmant zu sein, als er mich wie einen Sack Kartoffeln über die Schulter warf.

Wie Bowie drei Nächte zuvor. Nur dass ich es dieses Mal nicht lustig fand. Oder es mich anturnte.

»Ich gehe nicht schwimmen«, sagte ich kurz angebunden, in der Hoffnung, dass mein eisiger Tonfall die einzige Waffe wäre, zu der ich greifen musste.

Wir waren wieder zurück am Rande der Party, und ich grunzte bei jedem seiner tollpatschigen Schritte. Wenn er mich aufs Gesicht fallen ließe, würde ich ihm gewaltig in den Hintern treten.

»Wer will schwimmen gehen?«, brüllte Blaine. Seine Sommerfrischler-Freunde hoben ihr Bier und johlten.

»Lass mich runter«, sagte ich bestimmt.

Er wirbelte mich herum, dass mir ganz schwindelig wurde.

»Schluss damit, Blaine!«

»Lass sie runter. Sofort.«

5

Cassidy

Bowies Stimme klang wie ein Peitschenhieb. Eine sensationslüsterne Menschenmenge versammelte sich um uns.

»Ooooh. Einheimischer Junge mag es nicht, wenn wir ihm sein Spielzeug wegnehmen«, scherzte Blaine. Seine Kumpels lachten.

Ich rammte ihm das Knie in den Bauch, und seine Freunde lachten noch lauter, als Blaine sich krümmte und mich dabei abwarf.

Ich fiel hart auf meine Hüfte und meine Hand.

Doch bevor ich aufspringen und ihm eine Tracht Prügel verpassen konnte, hatte sich Bowie schon auf ihn gestürzt.

Er packte Blaine am Kragen seines dummen T‑Shirts und riss ihn nach oben, so dass nur noch seine Zehenspitzen den Boden berührten. »Wenn dir ein Mädchen sagt, dass du aufhören sollst, sie anzufassen, dann hörst du auf sie. Kapiert?«

Blaine antwortete nicht schnell genug, deshalb schüttelte Bowie ihn ordentlich durch.

»Was ist dein Problem, Mann?« Blaine schlug nutzlos gegen Bowies Hände.

»Mein Problem ist, dass du deine Finger dort hast, wo sie nicht erwünscht sind«, sagte Bowie. Seine Stimme klang ruhig, Furcht einflößend.

»Bow, schon gut«, sagte ich, während ich aufstand und mir den Dreck von den Beinen wischte. Neben mir tauchte Scarlett auf, dicht gefolgt von June.

In der Stille, die folgte, war nur das Knistern des Lagerfeuers zu hören.

»Was zum Teufel ist denn hier los?«, fragte Scarlett.

»Die Stoppuhr ist abgelaufen«, verkündete June und betrat nichtsahnend die Runde. »Wir können jetzt gehen.«

Bowie sah mich an, musterte mich von oben bis unten. Mit einem flehenden Blick bedeutete ich ihm, den Schwachkopf am Leben zu lassen.

Widerwillig ließ Bowie Blaine los. »Pass bloß auf«, sagte er drohend, dann wandte er sich ab und kam auf mich zu.

Oh, oh.

Blaine zupfte sein T‑Shirt zurecht, und ich sah den vielsagenden Blick, den er einigen seiner kräftigeren, betrunkeneren Freunden zuwarf.

»Lass uns nach Hause gehen«, sagte Bowie, während er mir die Hand auf den Arm legte.

Ich weiß nicht, ob er den Angriff kommen sah oder nicht, aber es blieb keine Zeit, ihn zu warnen. Blaine rannte beziehungsweise stolperte ziemlich schnell auf ihn zu. Ich machte einen Schritt an Bowie vorbei und stellte mich dem angreifenden Blaine in den Weg. In Bootleg Springs kam es dauernd zu Schlägereien. Guten, sauberen Kämpfen. Aber niemand griff von hinten an. Das gehörte sich einfach nicht.

Vielleicht war es eine Faust oder ein Ellbogen oder irgendein Körperteil von einem von Blaines dummen Freunden, doch der erste Schlag traf mich voll am Kinn.

»Du blöder Wichser!« Ich ließ meinen Fuß nach vorn schnellen und trat einem betrunkenen Volltrottel, der immer noch die Sonnenbrille aufhatte, direkt in die Eier. Bowie bearbeitete Blaines Gesicht mit der Faust. Dann hörte ich Scarletts legendären Schlachtruf. Jameson und Gibson, die anderen beiden Bodine-Brüder, tauchten auf und mischten sich ins Handgemenge, teilten wahllos Prügel aus.

Als sich die übrigen anwesenden Bootlegger gut gelaunt einmischten, entwickelte sich das Ganze zu einer Massenschlägerei. Manche von ihnen verprügelten sich gegenseitig, nur so zum Spaß.

Ich rammte einem von Blaines Kumpanen den Ellbogen in die Rippen und beobachtete, wie Hester einem Kerl in den Magen trat.

June kam hinzu und packte mich. »Zeit zu gehen«, sagte sie.

»June! Lass mich bloß in Ruhe mit deiner gottverdammten Stoppuhr!«

Sie deutete auf die blinkenden roten und blauen Lichter von Dads Streifenwagen, der durch das Gras gerollt kam.

»Ach, zum Teufel.« Es bestand eine unausgesprochene Waffenstillstandsvereinbarung zwischen den Gesetzeshütern und der Lagerfeuer-Community von Bootleg. Solange niemand unter Alkoholeinfluss nach Hause fuhr, es keine Schlägereien oder Sachbeschädigungen gab, taten die Cops, als würden diese Lagerfeuer gar nicht existieren.

Ich hatte diesen Waffenstillstand gebrochen.

Sheriff Tucker stieg aus dem Wagen, er war langbeinig und hatte einen silbergrauen Schnurrbart. Ich hütete mich davor, ihn Dad zu nennen, wenn er im Dienst war. Er warf mir einen missbilligenden Blick zu, während er sich ins Kampfgetümmel mischte. Ein korpulenter Deputy namens Bubba stapfte hinter ihm her.

Es brauchte alle beide und zusätzlich noch Gibson, um Bowie und Blaine voneinander zu trennen.

Scarlett tänzelte zu mir herüber, während sie sich das Haar zurechtmachte, das beim Kämpfen zerzaust worden war. »Er hat um dich gekämpft, Cass«, flüsterte sie atemlos. Sie hatte Schmutz am Kinn, und der Ärmel ihrer Bluse war zerrissen. »Ihr seid nur noch einen einzigen Schritt von Diamantringen und Babys entfernt.«

Bowie hatte sich meinetwegen mit einem anderen Kerl geprügelt. Hatte Scarlett recht? Hatte er das getan, weil er mich mochte? Oder war es nur ein Reflex gewesen?

»Halt die Klappe, Scar«, zischte ich.

»Ich meine, komm schon. Er hat völlig überreagiert, als dich dieser Volltrottel begrapscht hat – als könntest du dich nicht selbst wehren, wenn es darauf ankommt. Es war, als würde er Anspruch auf dich erheben!«

Ich beobachtete, wie Dad Bowie zu einem Picknicktisch führte, ehe er Blaine Handschellen verpasste.

»Warum verdammt nochmal bekomme ich Handschellen angelegt und er sitzt einfach nur so da?«, quengelte Blaine wie der verwöhnte Balg, der er war.

Bowie grinste ihn an, was Blaine dazu veranlasste, an seinen Handschellen zu zerren.

»Wir werden dich jetzt nach Hause fahren«, sagte mein Dad liebenswürdig. »Und du wirst deinen Eltern versprechen, dass du in meiner Stadt keine Schlägereien mehr anzettelst. Sonst brumme ich dir wegen Ruhestörung, Alkoholkonsums trotz Minderjährigkeit und Trunkenheit in der Öffentlichkeit eine Geldstrafe von fünfhundert Dollar auf.«

Er übergab den sich windenden, jammernden Blaine dem Deputy. Mein Dad ließ den Blick wieder über mich wandern, dann hinüber zu Bowie. Er strich sich über den Bart, ehe er sich in Bowies Richtung aufmachte.

»Dad sieht nicht glücklich aus«, sinnierte June. »Hast du ihn mit irgendetwas verärgert?«

»Du meinst, abgesehen davon, dass ich eine Schlägerei angezettelt und als Minderjährige getrunken habe?« Meine Frage triefte vor Sarkasmus. »Nein, eigentlich fällt mir sonst nichts ein.«

»Hmm. Vielleicht hat er ja wieder Verstopfung.« June kam auf Sarkasmus nicht klar.

Ich blendete Junes abwegige Beobachtungen aus und sah, wie mein Vater Bowie die Hand auf die Schulter legte. Es sah aus, als wären sie tief in ein Gespräch verwickelt, und ich wünschte, ich könnte hören, was gesagt wurde. Bowie sah mich an, sein Blick verband uns über die Distanz. Seine Miene war undurchdringlich. Er nickte zu etwas, was mein Dad sagte, und sah dann auf seine Füße hinunter.

Wieder klopfte mein Dad Bowie auf die Schulter. Bowie nickte noch einmal und lief dann in Richtung Parkplatz davon.

»Wohin geht er?«, fragte Scarlett.

»Bowie!«, rief ich ihm nach.

»Cassidy Ann Tucker.« Mein Dad sah in seiner Uniform noch missbilligender aus. Sein Mund war unter seinem Schnauzer zu einer dünnen Linie zusammengepresst.

Ich wollte mich gerade an ihm vorbeimogeln, um Bowie nachzulaufen. »Dad, ich muss mit Bowie reden …«

»Lass ihn in Ruhe«, sagte er erschöpft. »Ich denke, du hast ihm schon genug Scherereien eingebracht. Jetzt erklär mir mal, wie du eine solche Keilerei verursacht hast, wo du doch versprochen hattest, nur ein, zwei Stunden auszugehen, um mit ein paar Freunden abzuhängen.« Seine Stimme hob sich am Ende des Satzes, was darauf hindeutete, dass mein oft lockerer, aber manchmal auch unnachgiebiger Vater nur fünf Sekunden davon entfernt war, an die Decke zu gehen.

»Es war ein Missverständnis«, sagte ich zu ihm und schaltete in den Hurricane-Dad-Abschwächen-Modus. »Ein simples Missverständnis. Blake hat nur herumgealbert.«

»Blaine«, korrigierte June.

»Blaine hat nur herumgealbert, und Bowie hat gedacht, ich hätte Angst, und ist eingeschritten. Das ist alles.«

»Ich frage mich, ob Blaine gedacht hat, Bowie würde ihn davon abhalten wollen, Verkehr mit dir zu haben«, überlegte June.

Mein Vater und ich warfen June gleichermaßen entsetzte Blicke zu.

»June! Wie lautet die Regel? Die einzige Regel?«, fuhr ich sie an.

Meine Schwester zog die Augenbrauen zusammen und arbeitete sich durch ihre Festplatten. »Ah. Mit Dad nicht über Geschlechtsverkehr diskutieren. Hab ich ganz vergessen. Können wir jetzt nach Hause gehen?«

6

Cassidy

Sobald ich nach Hause kam, schrieb ich Bowie eine Nachricht. Dad, June und ich hatten eine Vereinbarung getroffen. Wir Mädchen würden zu Fuß nach Hause gehen, und Dad würde so tun, als wären wir nicht in das Chaos am Lagerfeuer verwickelt gewesen. Keiner von uns war erpicht auf eine von Moms stundenlangen »Familiendiskussionen« über Verantwortung und Erwachsensein. Ich glaube, Dad wollte ebenso wenig noch eine davon über sich ergehen lassen wie Juney und ich.

Es war ja nicht so, dass es ihr nicht ohnehin zu Ohren kommen würde. Aber bis dahin hätte Bootleg wie üblich aus einer Mücke einen Elefanten gemacht – »Habt ihr gesehen, wie Bowie dem Jungen mit einem wirbelnden Roundhouse-Kick das Bein gebrochen hat?« –, so dass man es ohne Weiteres als Klatsch abtun konnte, der jeglicher Grundlage entbehrte.

Ich bekam keine Antwort auf meine SMS. Deshalb rief ich ihn an. Und wurde sofort auf die Mailbox umgeleitet. Bowie nahm meine Anrufe immer an.

Im Badezimmer, das ich mir mit meiner Schwester teilte, wusch ich mir die Schminke ab und starrte den Bluterguss an, der sich auf meinem Kiefer bildete. Daran war allein dieser idiotische Sommerfrischler schuld. Er hatte Glück gehabt, dass die Bodines nicht ernstlich Schaden angerichtet hatten.

Meine Gedanken überschlugen sich. Hat Bowie wirklich um mich gekämpft? Hat das endlich irgendetwas zu bedeuten? Bedeute ich ihm etwas?

Mein Gehirn schaltete den Schleudergang ein, während mir die Möglichkeiten nacheinander durch den Kopf schossen.

Er ist in mich verliebt.

Er dachte, Scarlett wäre in Gefahr.

Er dachte, ich wäre in Gefahr.

Er hasst Blaines dämliches T‑Shirt.

Er hegt Gefühle für mich.

Ich ging in mein Zimmer, warf mich aufs Bett und schrieb Scarlett eine Nachricht, in der Hoffnung auf Insider-Wissen.

Ich:Geht es Bowie gut?

Sie antwortete Gott sei Dank sofort.

Scarlett:Er ist sternhagelvoll. Ist auf Gibs’ Sofa eingeschlafen. Wenn er glaubt, dass ich auf dem Boden schlafe, hat er sich gewaltig getäuscht.

Ich setzte mich auf die Bettkante. Bowie trank niemals exzessiv. Jonah Bodine, ihr Dad, war ein nichtsnutziger Säufer. Deshalb trank Gibson gar nicht und Bowie nur mäßig. Keine Ahnung, wie Jameson das hielt. Er war eher der ruhige Typ. Scarlett war mit dem Stoffwechsel eines Linebackers gesegnet und konnte fast jeden hier im County unter den Tisch trinken und trotzdem am nächsten Tag zur Arbeit erscheinen. Aber Bowie betrunken? Was zum Teufel war da los?

Scarlett:Wie geht es deinem Gesicht? Du hast ja ziemlich was abbekommen.

Ich ging zurück ins Bad und schoss ein Foto von der schwarz-blauen Pracht.

Ich:Sieht man was?

Scarlett:Heilige Scheiße. Der Typ hat Glück gehabt, dass Bowie ihm für die Nummer nicht den Schädel eingeschlagen hat.

Ich (nach langem Überlegen): Warum hat sich Bowie so verausgabt? Es bestand schließlich keine Lebensgefahr.

Scarlett:Da hat wohl einer die Angel ausgeworfen.

Sogar ihre SMS klangen nach Bootleg.

Scarlett:Er hat den Idioten windelweich geprügelt, weil der Idiot Hand an dich gelegt hat. Nun macht schon und heiratet endlich!

Scarletts Meinung war von Gewicht. Immerhin kannte sie Bowie schon ihr Leben lang. Aber weshalb zur Hölle sollte er ausgerechnet genau in dem Augenblick Gefühle entwickeln, in dem ich beschlossen hatte, dass ich noch nicht bereit war, es mit ihm zu versuchen? Oder war meine mentale Strichliste doch korrekt und er hatte schon immer welche für mich gehegt?

Ich brauchte Antworten, war mir allerdings nicht sicher, ob ich sie überleben würde.

Ich ließ mich aufs Bett zurückfallen und zog mir ein fröhlich gelbes Kissen über das Gesicht. Wenn ich bis zum Morgen nicht erstickt wäre, würde ich mir Mr. Bowie Bodine für eine kleine Plauderei zur Brust nehmen.

Gegen meine Natur als Collegestudentin wachte ich früh auf. Es war eine unruhige Nacht gewesen, in der ich mich hin und her gewälzt und ganz genau einstudiert hatte, was ich zu Bowie sagen würde. Mein Handy war immer noch nervtötend frei von jeglichen Textnachrichten, deshalb begab ich mich blind in diese Situation.

Ich zog mir Laufshorts und einen Sport‑BH an, weil ich beschlossen hatte, zu Gibson rüberzujoggen. Da ich Strafrecht im Hauptfach studierte, wurde mir allmählich klar, dass einiges dafürsprach, mich in Form zu halten. Ich wollte schließlich nicht asthmatisch keuchend hinter einem Täter herjagen … oder einem Nachbarn, falls mein Wunsch erfüllt und ich hier in Bootleg angestellt wurde.

Auf dem Weg nach unten zog ich mir gerade ein Tanktop über den BH, als ich auf meine Mom traf.

»Cassidy Ann Tucker, was zum Teufel ist mit deinem Gesicht passiert?«

Meine Mutter blieb in ihrem blau karierten Pyjama-Oberteil auf der Treppe stehen. Die dazugehörige Hose trug mein Dad. Obwohl ich stets eine Riesenshow darum machte, wie abstoßend ich das fand, hatte ich immer gehofft, dass Bowie und ich uns eines Tages auch den Schlafanzug teilten.

Moms Hand lag kühl auf meiner Wange, doch ihre grünen Augen blitzten. Jemand hatte sich an ihrem kleinen, wenn auch fast erwachsenen Mädchen vergriffen, und das gefiel ihr nicht.

Ich mochte zwar nicht die Erwachsene sein, die ich gerne wäre, aber inzwischen war ich eine bessere Lügnerin als damals als Teenager. »Juney und ich sind gestern Abend nach Hause gelaufen, und verdammt will ich sein, wenn ich nicht mit dem Gesicht voran gegen einen Ast gerannt bin, der über den Gehweg hing. Sieht es schlimm aus?«

Nur weil ich eine bessere Lügnerin war als früher, hieß das nicht, dass meine Mom dümmer war als damals. »Ich hab das von Bowie und dem Sommerfrischler schon gehört.« Sie schnippte mir geschickt gegen die Nase.

»Warum hast du das nicht gleich gesagt?«, fragte ich genervt. Meiner Mutter konnte man nichts vormachen. Sie sah zwar immer noch aus wie die Schönheitskönigin, die sie als Teenager gewesen war – Miss Olamette County 1980 –, aber die Mutterschaft hatte ihre Instinkte messerscharf gemacht. Ihr Haar war blonder als meins. Sie hielt sich mit Power Walking sowie alten Jane-Fonda-Videos in Form und war der Augapfel meines Vaters und das Herz unserer kleinen Familie. Sie würde jedem, der uns bedrohte, den Arsch aufreißen und hinterher in der Kirche sitzen, als wäre nichts gewesen.

»Vielleicht wollte ich dich einfach ein bisschen in Verlegenheit bringen. Wirst du mir später mit deinem Vater helfen?«

Niemand kam Nadine Tucker in die Quere. Da ich aufgeflogen war, war ich automatisch dazu gezwungen, meiner Mutter bei ihren Vergeltungsplänen gegenüber meinem Vater zu helfen. Das waren die lustigen Familienspiele, die wir spielten.

»Ich denke schon«, seufzte ich.

»Und?« Mom sah mich erwartungsvoll an.

»Und was?«

»Was bedeutet das jetzt?«, fragte sie und stupste gegen meinen Bluterguss. »In Bezug auf Bowie?«

»Das weiß ich ehrlich gesagt nicht, Mom. Aber ich werde gleich ein paar Antworten einfordern.«

Meine Mom sah aus, als wollte sie mir etwas sagen, doch dann änderte sie ihre Meinung.

»Was?«, fragte ich, während wir zusammen die Stufen hinunterstapften.

»Sei vorsichtig, ja?« Sie musterte mich, während sie alles für Kaffee aus dem Küchenschrank nahm.

»Mom, es ist Bowie. Wozu sollte ich vorsichtig sein?«

Der Blick meiner Mutter sprach Bände. Auch hier konnte ich ihr nichts vormachen. Aber sie war so nett, mich nicht zu demütigen, indem sie die Tatsache formulierte, dass ich schon mein ganzes Leben lang in diesen Mann verliebt war.

»Bist du zum Frühstück wieder zurück?«, rief sie mir nach, während ich zur Hintertür hinausging.

»Das kommt wohl darauf an.«

Ich hasste Laufen. Ich schwitzte lieber beim Boxunterricht oder wenn ich auf dem Fahrrad in die Pedale trat, als wäre der Leibhaftige hinter mir her. Doch die sechs Blocks zu Gibson Bodines Wohnung zu laufen, würde mir die Gelegenheit bieten, mein Lampenfieber abzuschütteln und zu trainieren.

Was, wenn er mir sagt, dass er mich liebt?

Was, wenn er denkt, er würde nur auf eine Freundin aufpassen?

Was, wenn er auf seine Schuhe kotzt und nie wieder mit mir spricht?

Die Blocks verschwammen vor meinen Augen, während meine Gedanken sich überschlugen. Fast wäre ich über Mona Lisa McNugget gestolpert, das kleine, frei laufende Huhn, das ganz Bootleg Springs zu ihrem Hühnerhof auserkoren hatte. Ich sprang über das Huhn, rief eine rasche Entschuldigung über die Schulter und rannte unermüdlich weiter.

Gibson hatte ein Zwei-Zimmer-Dreckloch über einem Laden gemietet, der alle sechs Monate oder so den Besitzer wechselte. Derzeit wurden in dem schäbigen Geschäft Postkarten und Krimskrams verkauft, und die einzigen Kunden waren die Sommerfrischler.

Bowies SUV parkte in einer Seitenstraße, und für einen Moment überlegte ich, ob ich einfach weiterlaufen sollte. Aber ich hatte Fragen, auf die ich Antworten brauchte.

Ich öffnete die Haustür und rannte durch das muffige Treppenhaus, das zum ersten Stock hinaufführte. Schon von draußen konnte ich es hören, das scherzhafte Bodine’sche Geplänkel. Pack schlägt sich, Pack verträgt sich, sagte Scarlett immer.

Ich fragte mich, ob sie sich wohl so nahestehen würden, wenn ihre Eltern nicht so schlecht darin gewesen wären, sie großzuziehen.

Die Tür ging auf, noch ehe ich die Hand heben konnte, um zu klopfen, und Scarlett blinzelte mich an. »Oh, hallo. Heiliger Bimbam. Sieh dir mal dein Gesicht an!«

»Isses Cassidy?«, rief Gibson von drinnen.

Jameson saß auf dem Sofa, er hatte einen Gamecontroller in der Hand. Er blickte auf und nickte mir zu, dann wandte er sich wieder dem zu, was immer er da gerade spielte.

Ich legte mir die Hand auf den Kiefer. »Ist Bowie da?«, fragte ich.

Scarlett machte ein hoffnungsvolles Gesicht. »Ja, ist er. Bowie Bodine! Schwing deinen Hintern hier raus.« Sie trat von der Tür weg, um ihrem Bruder Platz zu machen.

Er sah so fertig aus, wie ich mich fühlte. Seine Haare standen in alle Richtungen. Seine Augen waren roter als die von Moe Dailys Bluthunden. Er trug immer noch die Klamotten von gestern Abend.

»Was willst du, Cass?«, fragte er, wobei er meinen Blick mied. Er hatte einen kühlen Tonfall an sich, den ich nicht gewohnt war. Aber ich kann nicht sagen, dass mich das kümmerte.

»Ich muss dich etwas fragen«, sagte ich leise.

Er musste heraushören, dass es um etwas Wichtiges ging, deshalb trat er zu mir auf den Treppenabsatz und zog die Tür hinter sich zu. Immer noch hatte er Mühe, mir in die Augen zu sehen, allerdings bemerkte er sehr wohl den spektakulären Bluterguss an meinem Kiefer.

»Was ist los?«, fragte er, während er sich mit einer Hand die Augen rieb und sich mit der anderen an der Wand abstützte.

»Warum bist du gestern Abend auf Blake losgegangen?«, fragte ich, unfähig, die Worte auch nur noch eine Sekunde lang für mich zu behalten.

»Blaine«, korrigierte er mich. »Ich hab gedacht, er macht dir Schwierigkeiten. Ich fand, er hat sich nicht respektvoll benommen.«

Das waren nicht die Antworten, die ich mir gewünscht hatte. Beziehungsweise gefürchtet hatte.

»Bowie, du hast dich auf ihn gestürzt, als würde dir das etwas bedeuten.« Als würde ich dir etwas bedeuten.

Er schaute weg. »Sieh mal, Cass. Was willst du jetzt hören? Mir hat nicht gefallen, wie er mit dir umgesprungen ist, und sieh dir nur an, was passiert ist.«

Bowie streckte die Hand aus und neigte mein Kinn so, dass er meinen Bluterguss besser betrachten konnte. Am liebsten hätte ich mich an seine Berührung geschmiegt. Am liebsten hätte ich mich ganz in seine Hände begeben und ihn angefleht, mir zu zeigen, was Liebe wirklich war. Er konnte mich das lehren. Ich hatte eine rasche Auffassungsgabe. Am Ende würde ich die Scherben des Herzens einsammeln, das er eindeutig brechen würde.

»Du solltest dir besser aussuchen, mit wem du zusammen bist«, sagte er mit rauer Stimme.

»Ich bin nicht mit ihm zusammen. Bow, ich muss es wissen. Steckt mehr dahinter?«

Sein Kiefer spannte sich an und lockerte sich wieder. »Wie meinst du das?«

Ich schluckte und wäre dabei fast an den Worten erstickt, die in meiner Kehle feststeckten. »In Bezug auf uns.«

Mein Herz schlug einen energischen Two-Step in meiner Brust. In meinem ganzen Leben hatte ich noch nie so Angst gehabt und war gleichzeitig so hoffnungsvoll gewesen.

»Steckt in Bezug auf dich und mich mehr dahinter?«, fragte ich leise.

Er blickte mit seinen grauen Augen in meine grünen. Und ich sah Schmerz aufblitzen, und dann nichts mehr. Er war so still, dass ich schon dachte, er würde mir nicht antworten. Vielleicht fiel ihm die Antwort so schwer wie mir die Frage.

»Cass«, seufzte er. »Du bist wie eine kleine Schwester für mich. Das ist alles.«

Mein Herz spaltete sich in zwei Teile, als hätte er die Axt dort angesetzt. Ich spürte, wie ich innerlich verblutete. »Das ist alles?«, wiederholte ich.

Er nickte brüsk und strich sich mit der Hand über den Hinterkopf.

»Hör mal, es tut mir leid. Ich habe einen höllischen Kater. Ich habe mir Sorgen gemacht, dass er gestern Abend zu grob mit dir umgesprungen ist.«

Und doch war es Bowie, der gerade zu grob mit meinem zarten Herzen umsprang.

Ich hatte immer daran geglaubt, dass wir am Ende zusammen wären. Wenn die Zeit reif dafür wäre. Wenn wir dazu bereit wären. Wie konnte es sein, dass ich als Einzige so empfand? Wie hatte ich mich so irren können?

Ich wandte mich von ihm ab, etwas wie Fieber brannte auf meinen Wangen. Doch er ergriff meine Hand, ehe ich aus dem Gebäude rennen konnte.

»Cass, das muss genügen«, sagte er ernst. Sein Blick übermittelte mir etwas, was ich nicht verstand. Schmerzte es ihn, mir wehzutun? Gut. Dann sollte er mit einer Packung Mint-Chocolate-Chip-Eis und einem Berg gebrauchter Taschentücher in Embryonalstellung auf dem Fußboden liegen. Denn das hatte ich später vor. »Sag mir, dass alles okay ist«, beharrte er, während er meine Hand drückte.

Ich wusste nicht, wovon er redete, war zu sehr damit beschäftigt, nicht zu hyperventilieren oder noch schlimmer: zu weinen. Ich hasste es, dass seine Berührung meinen ganzen Körper noch immer dazu brachte, wie ein Buschbrand zu reagieren.

»Alles super«, sagte ich ausdruckslos. Ich entwand ihm meine Hand. »Super« war nicht gerade das Wort meiner Wahl. Aber mein Stolz stand auf dem Spiel. »Wir sehen uns.«

Ich rannte, bis ich nicht mehr gerade sehen konnte. Mein verwundetes Herz hinkte mit mir, während ich durch die Bathtub Gin Alley huschte, um die Meute der Touristen zu meiden. Halb schleichend, halb stolpernd bahnte ich mir meinen Weg auf den Wald zu. Dort kam ich keuchend zum Stehen, auf der Suche nach Ruhe, nach Taubheit.

Natürlich war ich hierhergekommen. Es war eine Lichtung am Uferpfad, einen knappen Kilometer außerhalb der Stadt. Hier hatte ich als Kind immer gespielt. Als Teenager Partys gefeiert. Mich immer wieder aufs Neue in Bowie verliebt.

Halbherzig trat ich gegen einen verrottenden Baumstamm und setzte mich dann hin. Spürte, wie mein Inneres zusammen mit diesem Stück Natur vor sich hin rottete. Ich schloss die Augen und atmete tief die Luft ein, die bereits schwer von Feuchtigkeit war. Das war die Stelle, an der ich begriffen hatte, wie wichtig Antworten waren.

In einer Sommernacht vor vier Jahren verschwand Callie Kendall aus Bootleg. Das war der letzte Ort, an dem sie gesehen worden war. Ich hatte zugesehen, wie mein Vater, meine Stadt, Callies Familie immer und immer wieder dieselben Fragen stellten. Doch es gab keine Antworten darauf. Und das konnte ich nicht akzeptieren.

Nun hatte mir Bowie die Antwort gegeben, die ich gefürchtet hatte. Jetzt wusste ich es. Für ihn war ich nichts als eine Nervensäge. Dauernd musste er Scarlett und mir aus der Patsche helfen. Dauernd war ich auf ihn angewiesen. All meine Träume von gemeinsamen Pyjamas. Das war vorbei.

Ich sollte froh sein, die Antwort bekommen zu haben. So würde ich keine Zeit mehr damit verschwenden, mich nach ihm zu verzehren und Pläne zu schmieden. Ich würde das hinter mir lassen.