Moosrosen für Sofie - Inga Marie Sperling - E-Book

Moosrosen für Sofie E-Book

Inga Marie Sperling

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Beschreibung

"Love Sofie, das ist dein Name", sagt der Inhaber der Belle Models Agentur, als Sofie ihre Karriere als Top Model aufgibt, um eine Boutique zu gründen. Er bezieht sich dabei auf eine Ballettaufführung in der Hamburger Staatsoper, die der Choreograf Lukas Sofie gewidmet hatte. Nun hofft sie, dass eines Tages der Mann in ihre Boutique kommt, den sie geliebt hatte, als beide noch zum Gymnasium gingen. Sie mussten sich trennen, als seine Eltern beschlossen, in Amerika zu leben. Seitdem hat sie nichts von ihm gehört.

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EPUB

Veröffentlichungsjahr: 2023

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Inhaltsverzeichnis

Ein Morgen im Mai

Begegnung in der Milchbar

Die Ausrede

Ruben

Das Geständnis

Im Park

Überraschung am Sonnabend

Montag

Abschied

Moosrosen für Sofie

Der Mann im Park

Der Abschlussball

Der Geburtstag

Lukas

Hausverkauf

Geburtstagsfeier am Sonnabend

Der Boss

Kim

Der erste Unterricht

Adele

Treffen mit Markus

Frau Ackermann

Anruf von Mona

Freitag bei Diane

Markus meldet sich

Wiedersehen mit Lukas

Alles ändert sich

Der Umzug

Der Visagist

Lukas mit Motorrad

Im italienischen Restaurant

Bei Lukas

Sonntag

Eine neue Woche

Fotostudio Fait

Modenschau im Freien

Bluejeans

Das Haus in Flensburg

Der Neffe

Handtaschen

Gitta

Ein Parfüm mit dem Namen Sommer

In der Diskothek

Eine unruhige Woche

Sofie als Braut

Mit Lukas verheiratet

Zwischen Tennisschuhen und Sonnenbrillen

Vier Tage bis Sonnabend

Der azurblaue Lamborghini

Essen beim Italiener

Die letzte Woche vor der Premiere

Love Sofie

Adios Lukas

Veränderungen

Autohaus Kaiser

Die Verwandlung

Zeit für ein anderes Leben

Berlin

Schnelle Entscheidungen

Eine eigene Wohnung

Top Model

Kim in Paris

Letzte Begegnung

Begegnung mit der Vergangenheit

Minnah

Babsi

Neuigkeiten von nebenan

Frank

Erste Begegnung mit Jordan

Schwierigkeiten mit Babsi

Zweite Begegnung mit Jordan

Kattia Römer

Ein unerwarteter Besuch

Niklas Hansen

Ein Gespräch mit Kattia

Begegnung am Flughafen

Hektische Tage

Einweihung von der Boutique

Wiedersehen mit Ruben

INGA MARIE SPERLING

Moosrosen

für Sofie

Roman

Copyright © Inga Marie Sperling

Alle Rechte vorbehalten

Cover © Rob Sperling, Foto Getty Image

Ein Roman über Mode, Ballett und Musik der achtziger

und neunziger Jahre.

Die Handlung zu diesem Roman ist frei erfunden.

Auch die Personen und Namen gibt es nicht in

Wirklichkeit. Sie gehören allein der Autorin.

Impressum:

El Gorrion libros

Inga Sperling

CR 10201 - Apartado 1250 - 1840

Mode ist nicht etwas, das nur in Kleidungsstücken

existiert. Mode ist im Himmel, auf der Straße; Mode hat etwas mit Ideen zu tun, mit der Art und Weise, wie wir leben – und mit dem, was geschieht.

Coco Chanel

Beginn vom letzten Teil

Ein Morgen im Mai

„Da vorn ist das Hotel“, sagte der Taxifahrer und zeigte auf ein weißes Gebäude mit einer gläsernen Front. Er hielt am Straßenrand. Sofie bezahlte ihn und stieg aus.

Das Hotel stand zwischen Häusern mit gepflegten Vorgärten. Etwas entfernt davon parkte der blaue Volvo von Max. Mit den Jahren war er deutlich schäbiger geworden. Aber bevor er nicht auseinanderfiel, würde sich Max wohl nicht von ihm trennen.

Seit Sofie ihn kannte, trug er eine schwarze Lederjacke und seine Haare als Schwänzchen mit Gummiband im Nacken. Obwohl er ständig von einer schönen Welt voller Glanz und Glitter umgeben war, hatte ihn das nie beeinflusst. Er gehörte schon lange zu der Spitzenklasse der Fotografen. Viele von seinen Dokumentarfilmen wurden mit Preisen ausgezeichnet. LOVE SOVIE lief monatelang in den Kinos.

Es war Anfang Mai und ziemlich kühl. Aber der grüne Porsche, der am Straßenrand parkte, sah nach Frühling aus. In diesem Moment entstieg ihm ein korpulenter Mann. Er war ganz in Grau gekleidet. Mit langen Schritten marschierte er direkt auf den Volvo zu. Er begrüßte Max, indem er ihm auf die Schulter klopfte. Beide wendeten sich Sofie zu.

„Du siehst heute reizend aus, Herzchen“, sagte Max. „Ist das kleine Kostümchen von Chanel? Gib mir mal deine Tasche.“

Sofie reichte sie ihm. „Für die Aufnahmen gebe ich dir eine andere. Wir machen es so ähnlich wie damals mit dem Lamborghini.“

Er gab ihr einen forschenden Blick. „Wie lange ist das her?“

„Ungefähr neun Jahre.“

„Macht es dir etwas aus, Herzchen?“

„Nein, Max.“

Er schaute an ihr vorbei. „Da kommt Udo. Ihr kennt euch ja von früher. Ich muss noch mal mit Lothar reden. Die Leute vom Hotel wissen schon Bescheid. Hoffentlich kommt die Sonne noch ein bisschen raus. Könnten wir gebrauchen.“

Der korpulente Mann im grauen Anzug verzog sich diskret auf die andere Seite vom Volvo. Lothar stand malerisch an den grünen Porsche gelehnt. Sofie war ihm schon öfter begegnet. Er trug eine schmale Brille mit einem schwarzen Rand, die sie noch nicht an ihm gesehen hatte.

Udo begrüßte Sofie mit einem entzückten Aufschrei. „Soo-fiiie! Wir haben uns ewig nicht gesehen… Wo hast du die ganze Zeit gesteckt?“

Er wusste es genau und lachte übertrieben.

„Habe ich mich verändert?“ Er strich sich über die langen goldblonden Locken. Früher hatte er kurze silbrige Haare, und am Scheitel kam der dunkle Nachwuchs hervor. Sofie erinnerte sich an die tiefen Schatten unter seinen Augen und seinen Atem, der nach Alkohol roch.

„Du siehst jetzt besser aus“, sagte sie.

„Wirklich?“ Udo warf einen Blick zu Lothar hinüber.

Mit einem halben Lächeln wendete er sich an Sofie. „Ich wusste damals sofort, dass aus dir ein Top Model wird. Du hattest schon damals dieses gewisse Etwas. Diese Ausstrahlung von dir. Die haut jeden um. Aber das muss ich dir ja nicht erzählen.“

Geschickt baute er einen kleinen Klapptisch auf, öffnete seinen Koffer, den Sofie noch kannte, und stellte eine Palette mit kleinen Näpfen darauf. Er schminkte Sofie in der Tür vom Volvo. Seine Hände rochen nicht mehr nach Zigaretten. Er sagte, dass er nur wegen ihr gekommen sei. Seit einem halben Jahr habe er einen eigenen Salon. Von Habakuk dekoriert. Todschick alles.

Er lächelte stolz. „Er ist einfach großartig. Demnächst hat er eine Ausstellung in der Galerie von Jakob Karpio. Das schafft nicht jeder Maler. Ich schicke dir eine Einladung in die Agentur.“

Plötzlich erinnerte sich Sofie an wunderschöne bemalte Knöpfe an einer Bluse von Mona. Udo wusste wohl, was sie dachte und wurde verlegen. Er überbrückte es, indem er sich mit dem Unterarm eine Locke aus der Stirn schob.

Am Ende der Straße tauchte ein Mann mit einer riesigen Dogge auf. Herrchen und Hund sahen sich auffallend ähnlich.

Udo kreischte auf. „O Gott, kommen sie etwa hierher?“

Mann und Dogge näherten sich dem Volvo. Udo machte eine Bewegung, als wollte er hineinkriechen. Sofie erinnerte sich an die Dalmatiner von Diane bei ihren ersten Aufnahmen und wie sie sich vor ihnen gefürchtet hatte. Die Dogge strebte schnaufend und Speichel tropfend auf Sofie zu.

„Lass das, Plunder“, wendete sich der Mann an den Hund und zog die Leine straff.

„Er weiß, was schön ist“, rief er Sofie zu.

Udo war sichtlich beeindruckt, weil sie keine Angst zeigte.

„Plunder“, stieß er aus. „Was für ein komischer Name für einen Hund.“

Seine Stimme zitterte. Genau wie seine Hände, als er die Haare von Sofie bürstete.

Max sagte im Vorbeigehen zu dem Mann: „Kluger Hund.“

„Er schätzt hübsche junge Damen“, erwiderte der Mann.

Max griente. „Das tun wir alle. Hauptsache, er tut ihnen nichts.“

Er ging zum Volvo. „Seid ihr fertig?“

„In einer Sekunde“, sagte Udo und musterte das Gesicht von Sofie mit fachkundiger Miene. „Soll es ein Video werden? Ich habe mir damals das mit dem Lamborghini angesehen und bin nicht davon losgekommen.“

Er warf einen Blick zum Porsche. Lothar war inzwischen eingestiegen.

„Ich bin gespannt, wie es diesmal wird“, bemerkte Udo, räumte seinen kleinen Tisch ab und klappte ihn zusammen.

Max holte eine große schwarze Tasche aus dem Volvo und gab sie Sofie.

„Die Story ist so: Du hattest eine Besprechung im Hotel. Du kommst heraus und gehst auf den Porsche zu. Lothar weiß, was er zu tun hat. Dir muss ich ja wohl nichts sagen, Herzchen.“

„Nein, Max. Soll ich jetzt ins Hotel gehen?“

„Es war dort eine Konferenz. Mach dich darauf gefasst, dass die Halle voller Männer in Anzügen ist. Das Personal hat sich auch schon versammelt. Der ganze Rummel. Du kennst das ja.“

Sofie lächelte ihm zu. Im Hotel machte man ihr bereitwillig Platz. Wie Max gesagt hatte, waren viele Männer anwesend. Sie bemerkte eine gewisse Spannung unter ihnen. Es erinnerte sie an den letzten Abend.

Frank. Der Freund von Babsi. Als sie die Wohnungstür öffnete, stand er direkt vor ihr. Groß, breit und muskulös. Mit einem von ihren Handtüchern um den Hüften. Auf seinem Oberarm war eine Rose tätowiert. Sein Geruch nach Mann.

Er war genauso überrascht wie sie. Natürlich spürte er sofort, dass er sie erregte. Er trug den Koffer in ihr Zimmer, schloss die Tür, lehnte sich mit dem Rücken dagegen, und nahm das Handtuch von seinen Hüften.

Draußen fing Babsi an zu kreischen. Sie hämmerte mit den Fäusten gegen die Tür. Ihr Freund knurrte etwas und hielt sich das Handtuch vor. Ein paar Sekunden betrachtete er Sofie mit einem gewissen Ausdruck in den Augen.

„Ich werde es einrichten, dass wir das nächste Mal allein sind.“

Ausgerechnet jetzt fiel ihr alles wieder ein. Draußen wartete Max mit seiner Kamera auf sie. Jemand öffnete ihr die gläserne Tür. Sie atmete tief ein und ging auf den Porsche zu. Lothar lehnte dagegen.

„Hallo, Sofie“, sagte er mit schleppender Stimme. Lukas hatte damals Hallo Schatz gesagt.

Sie war überrascht, dass Lothar sie umarmte und auf die Wange küsste. Er hielt sie auch länger fest, als notwendig war. Plötzlich gab er sich einen Ruck, ließ seine Arme sinken und schaute ein paar Sekunden auf die Wagentür, ehe er sie für Sofie öffnete. Automatisch setzte sie sich auf den beigefarbenen Ledersitz.

Kurz darauf erschien Lothar auf der anderen Seite. Nach ein paar Sekunden startete er den Motor und ließ den Porsche ein paar Meter vorwärts rollen. Dann würgte er den Motor ab.

Er schaute nach vorn. „Was glaubst du, wie viele Wiederholungen wir machen müssen?“

„Vielleicht gar keine“, erwiderte Sofie.

Sie stiegen aus. Max kam mit der Kamera heran. Er griente.

„Das war´s für heute“, sagte er.

Sofie kannte den Spruch von ihm und wusste, dass er zufrieden war.

Lothar wollte es noch einmal bestätigt haben. „Keine Wiederholung?“

„Es würde nur ein lahmer Aufguss werden“, sagte Max. „Bleibe mal hier. Ich sage jetzt Udo Bescheid. Vielleicht könnt ihr wieder mitfahren.“

Er ging mit Sofie zum Volvo. Der Mann im grauen Anzug kam ihnen entgegen. „Schon fertig? Das ging aber schnell.“

„Wir sind Profis“, sagte Max.

„Das habe ich gesehen“, versicherte der Mann und schaute Sofie dabei an. „Soll ich die beiden Schätzchen mitnehmen?“

„Bitte, wenn es Ihnen nichts ausmacht. Sagen Sie Ihrem Chef, dass ich in den nächsten Tagen vorbeikomme.“

Lothar stand mit untergeschlagenen Armen neben dem Porsche. Udo winkte ihm zu. Er reagierte nicht. Darauf reichte Udo Sofie eine Broschüre von seinem Salon. „Komm mal vorbei. Würde mich riesig freuen.“

Nach zwei Sekunden fügte er hinzu: „Eine bessere Reklame könnte ich mir nicht wünschen.“

Als der Porsche fortgefahren war, sagte Max: „Das war beinahe Brandstiftung, wie du das heute gemacht hast, Herzchen. Der arme Lothar kam mit sich selber nicht mehr zurecht.“

Sofie lachte. „Du übertreibst, Max.“

„Erzähle mir nichts. Ich kenne dich, Herzchen. Was war los?“

„Also gut, Max. Ich bin früher nach Hause gekommen. Ich wollte sehen, was in meiner Wohnung passiert, wenn ich nicht da bin. Babsi hatte mich erst in einer Woche erwartet. Als ich die Tür aufschloss, stand ihr Freund vor mir. Er hatte… Also, er hatte sich nur eins von meinen Handtüchern um die Hüften gewickelt.“

„Hast du die beiden rausgeschmissen?“

„Es war unmöglich, Max. Sie hätten einen fürchterlichen Skandal im Haus gemacht, und es war ja schon spät. Außerdem hat Babsi einen Schlüssel zu meiner Wohnung. Ich glaube, ihr Freund hat auch eine Kopie.“

„Das ist eine schwierige Situation. Du musst sehen, dass du die beiden los wirst.“

„Er hatte eine tätowierte Rose auf dem Oberarm, Max.“

„Auch das noch! Was willst du jetzt machen?“

“Ich werde meinen Vater anrufen, damit er mir das Türschloss wechselt.“

Max nickte. „Ja, das muss wohl sein.“

Dann griff er in die Tasche von seiner Jacke. „Ich habe was für dich.“

Er gab ihr eine Visitenkarte. „Ellie lässt dich grüßen. Sie hat gestern mit Herrn Martin gesprochen. Das ist der Makler, der dir damals deine Wohnung verschafft hat. Erinnerst du dich? Er verhandelt gerade mit den Besitzern von einem Geschäft. Es sind alte Leute. Sie kommen mit der Konkurrenz nicht mehr mit. Es ist genau die Gegend, wo du deine Boutique haben wolltest. Ellie hat sich das Haus angesehen. Es ist eine Wohnung mit Garage dabei.“

„Ellie soll zusagen. Bitte, Max.“

Max lachte. „Dasselbe hatten wir früher schon mal.“

„Es war genau im richtigen Moment“, bestätigte Sofie.

„Du musst dich beeilen, Herzchen. Solche Gelegenheiten sind sehr selten. Aber das weißt du ja selber. Ich fahre jetzt in die City. Willst du mit?“

„Nein, danke, Max. Ich nehme mir ein Taxi und fahre direkt nach Hause.“

Als der Volvo an ihr vorbeifuhr, winkte Sofie. Es wurde windig, und mit dem Wind kam die Sonne hervor. Sofie hoffte, dass Babsi verschwunden war, wie sie immer verschwand, wenn es brenzlig für sie wurde.

In dieser Gegend schienen keine Taxis zu fahren. Sie lief weiter. Die nächste Straße war voller Fußgänger. Es fuhren auch viele Autos vorbei, aber kein einziges Taxi. Dann wurde sie magisch angezogen von einem Kübel mit Rosen, der neben dem Eingang von einem Blumengeschäft stand.

Es waren Moosrosen in einem blassen Rosaton und Sofie kaufte sich einen Strauß. Sie dachte - sie hoffte es - sie wünschte es - dass es ein gutes Zeichen sei.

Als sie eine Straße überqueren wollte, drängte sich eine Frau an ihr vorbei und stieß dabei eine dicke Einkaufstasche gegen ihre Beine.

Ein Windstoß trieb Sofie die Haare über die Augen. Sie verlor das Gleichgewicht. Jemand fing sie auf und hielt sie fest. Sie sah eine Armbanduhr von Versace, und ein Mann mit einer angenehmen Stimme sagte: „Ich bringe Sie rüber.“

Erster Teil

Die Mode kommt aus einer Traumwelt und Träume sind die Rettung aus der Wirklichkeit.

Christian Dior

Begegnung in der Milchbar

Am Tag, als Sofie Max zum ersten Mal begegnete, saß sie mit Jazmin, Minnah und Iris in der Milchbar. Es war März und ziemlich kalt.

Zusammen mit Minnah und Iris gehörte Sofie manchmal zur Clique. Aber wenn Jazmin sie nicht beachtete, beachteten sie die anderen auch nicht. So war die Regel.

Zur Clique gehörten nur Mädchen, die sich ihr unterordneten. Umso besser noch, wenn sie ihr sagten, was sie am liebsten hörte. Dass sie bestimmt mal beim Film landete, oder sie würde ein berühmtes Model werden. Außerdem war sie eine gute Schülerin. Sogar eine von den besten. Im Stillen hielten sie die meisten für eingebildet. Aber das traute sich keiner laut zu sagen.

Sie gefiel allen Jungen. Aber sie hatte es auf Ruben abgesehen. Allerdings reagierte er nicht auf ihr Lächeln und ihre eindeutigen Blicke. Natürlich konnte das täuschen und sie trafen sich heimlich.

Er war größer als die anderen Jungen. Er hatte lange Beine und schmale Hüften. Es war ihm anzusehen, dass er viel Tennis spielte, denn er hatte geschmeidige Bewegungen und breite Schultern.

Seine dunkelblonden Haare waren länger als bei den anderen Jungen, und er fuhr oft mit den Händen hindurch, um seine Stirn frei zu machen.

Dazu hatte er eine faszinierende, etwas heisere und raue Stimme.

Bei den Lehrern war er beliebt, aber auch bei seinen Mitschülern. Dass er Klassenbester war, ließ er sich nicht anmerken. Er löste im Handumdrehen die schwierigsten Mathematikaufgaben und übernahm sogar den Unterricht, wenn ein Lehrer ausfiel. Es gab wohl kein Mädchen, das nicht für ihn schwärmte. Aber wegen Jazmin behielten es alle für sich. Auch Sofie vermied es, ihn anzuschauen.

Sofort nach ihrer Geburt war zu sehen, dass sie das Ebenbild von ihrer Urgroßmutter werden würde. Deshalb bekam sie auch ihren Namen. Es nützte nichts, wenn alle behaupteten, sie sei eine Schönheit gewesen. Auch sie hatte diese Menge von kleinen Locken gehabt und sogar in derselben rostroten Farbe. Und solche Augen gäbe es unter tausend nicht noch einmal. Außerdem sei sie gut gewachsen und intelligent. Das hörte sie zu Hause.

Sie erzählte nie etwas von den Kommentaren, die ihr Aussehen bei verursachte. Die Kinder riefen Feuermelder und rote Hexe hinter ihr her. Und noch eine Menge anderer Namen, die sich auf die Farbe rot bezogen. Später lernte sie, nicht darauf zu reagieren. Im Gymnasium war Karottie daraus geworden, obwohl die meisten ihrer Mitschüler sie bei ihrem richtigen Namen nannten. Aber Jazmin brachte das anscheinend nicht fertig. Und weil das bei ihr so war, wollten einige der Mädchen nicht aus der Reihe tanzen.

Seit sie sechzehn war, benützte Sofie einen schwarzen Rimel für ihre langen Wimpern. Ihre Augenbrauen zog sie mit einem braunen Stift nach. Dass ihr das gut stand, bemerkte nicht nur sie selber. Die Jungen schauten nun öfter zu ihr hin. Einmal hörte sie den Namen Sphinx. Sie wusste nicht, wer es gesagt hatte. Wahrscheinlich waren die Ägyptischen Pyramiden gemeint, weil sie das Thema gerade im Unterricht hatten.

Minnah gehörte zur Clique, weil sie klein und dick war. Sie war also außer Konkurrenz. Mitten in der Woche hatte sie Sofie gefragt, ob sie mit in die Milchbar kommen wollte. Jazmin hätte nichts dagegen. Sofie erinnerte sich genau daran, denn dieser Tag veränderte schlagartig ihr Leben.

Sie saß mit Jazmin, Minnah und Iris an einem der kleinen viereckigen Tische. Iris kicherte dauernd, weil sie mit dabei sein durfte. Sie hatte ein Pferdegesicht und große etwas vorstehende Zähne. Mit achtzehn Jahren war sie immer noch knochig wie ein Junge. Darum trug sie meistens dicke und unförmige Pullover in grau oder schwarz.

Sofie hatte schon gemerkt, dass Jazmin etwas an ihr nicht passte. Sie brauchte nicht lange zu warten, bis sie damit herauskam.

„Musste es denn sein, dass du mit diesen Haaren hier ankommst? Binde sie bloß zusammen. Das ist ja unmöglich.“

Iris nickte zustimmend, wie immer, wenn Jazmin etwas sagte.

„Dann gehe ich wieder“, sagte Sofie und stand auf.

Minnah zog sie herunter. „Ach, Quatsch. Du bleibst hier. Ich hole mir jetzt eine Portion Eis. Eis ist gut gegen Stress.“

Sie hatte große Angst vor dem Abitur.

Jazmin verdrehte ihre Augen. „Weißt du, wie viel Kalorien das sind?“

„Ich zähle keinen Kalorien. Diese Mathematik ist für andere Leute“, erwiderte Minnah ungerührt.

Es dauerte etwas länger, bis sie zurückkam. Dafür war das Eis riesig. Unterdessen hatte sich Iris einen Becher mit Bananenmilch geholt und Jazmin einen Apfelsaft. Sie meinte, Sofie sollte auf den Tisch aufpassen, damit sich niemand anders daran setzte. Es war wirklich sehr voll in der Milchbar.

Sofie holte sich eine Erdbeermilch. Sie bemerkte, dass sich alle Köpfe hoben. Als sie zurückkam, hatte Iris ihren Platz mit Jazmin getauscht. Minnah widmete sich still ihrem Eisbecher.

Jazmin schaute Sofie kopfschüttelnd an. „Mach dir um Himmelswillen einen Pferdeschwanz. Hast du kein Gummiband dabei?“

Minnah hatte den Mund voll Eis, was sie aber nicht daran hinderte, zu reden.

„Also wirklich, Jaz. Das ist nicht deine Sache.“

Iris schaute Sofie an. „Ich habe nichts gegen deine Haare.“

In diesem Moment zielte Minnah mit ihrem rosafarbenen Plastiklöffel zum Eingang.

„Da ist er wieder. Gerade war er vorbeigegangen. Ich wette, der kommt rein.“

Jetzt bemerkte ihn auch Jazmin. „Meinst du den Mann mit der Lederjacke?“

Iris saß jetzt mit dem Rücken zur Tür und musste sich umdrehen. „Vielleicht ist es ein Lehrer.“

Jazmin strich sich über ihre Haare. „Nein, so sieht er nicht aus. Eher wie ein Fotograf.“

Der Mann verharrte noch ein paar Augenblicke. Eine große Tasche hing an einem Riemen von seiner Schulter. In einer Hand trug er ein

Stativ. Ohne sich um die grienenden jungen Gesichter zu kümmern – was will denn der alte Daddy hier? - bahnte er sich einen Weg durch die Tische.

Minnah riss ihre Augen in gespieltem Entsetzen auf. „O Gott, er will zu uns. Hoffentlich stecken keine dubiosen Absichten dahinter.“

Gleich darauf stand er vor dem Tisch.

„Hallo“, sagte er. „Lasst euch nicht aufhalten. Mir ist nur etwas aufgefallen.“

Er betrachtete Sofie ein paar Sekunden. Dann griff er in die Tasche von seiner Lederjacke, holte einen Kugelschreiber zusammen mit einer Visitenkarte hervor, schrieb etwas darauf, und schob sie Sofie zu.

„Lass dich demnächst mal bei uns sehen.“

Er nickte allen zu und verließ die Milchbar.

„Was sollte denn das?“, rief Jazmin und schnappte sich die Visitenkarte.

Während der nächsten Sekunden veränderte sich ihr Gesicht in rascher Folge. Zuerst schien sie überrascht, dann erfreut und zuletzt war ihr nichts mehr anzusehen. Plötzlich machte sie eine Bewegung, als wollte sie sich nach ihrem Rucksack bücken.

„Und?“, fragte Minnah. „Willst du uns nicht wenigstens informieren?“

Sie beugte sich vor, und zur Überraschung von Jazmin entwand sie ihr die Visitenkarte.

„Was steht denn da drauf?“, erkundigte sich Iris.

Minnah las. „Der Mann hieß Max.“ Sie schaute Sofie an. „Er war von der Belle Models Agentur. Hast du Töne?“

Sie schob ihr die Visitenkarte zu. „Du warst gemeint.“

„Woher willst du denn das wissen?“, fuhr Jazmin sie an.

Minnah zuckte mit den Schultern. „Für mich war das klar.“

Jazmin wendete sich an Iris. „Wie siehst du das?“

„Vielleicht hat der Mann dich von draußen gesehen“, wich sie aus.

Minnah kratzte sich Vanilleeis auf ihren Löffel. Ohne ihren Blick zu heben, sagte sie: „Du meinst, ihm ist aufgefallen, dass hier eine zweite Claudia Schiffer am Tisch sitzt?“

„Ja, so könnte es gewesen sein“, stimmte Iris zu.

Jazmin streckte ihre Hand vor. „Ich möchte die Visitenkarte haben.“

Sofie dachte daran, wie der Mann mit der schwarzen Lederjacke sie angeschaut hatte.

„Wir könnten doch alle zusammen zu dieser Agentur gehen“, schlug Iris vor.

„Das ist eine gute Idee“, lobte sie Jazmin.

„Ohne mich“, bemerkte Minnah ruhig. „Die Leute kriegen einen Schreikrampf, wenn ich da aufkreuze.“

Sie zeigte mit wippendem Löffel auf Iris. „Du bist wenigstens groß und dünn. Mit Schminke und Trallala könnte was aus dir werden.“

Jazmin verschluckte sich an ihrem Apfelsaft und fing an zu husten.

„Heute bist du wirklich komisch, Minnah“. krächzte sie.

Sie wendete sich an Sofie. „Und du?“

„Ich muss mir das erst noch überlegen“, erwiderte Sofie.

„Gib mir bitte die Visitenkarte, falls du nicht mitkommen willst.“ Jazmin wollte danach greifen.

Sofie war schneller und legte ihre Hand darauf. Mit der anderen griff sie nach ihrem Rucksack, der über der Lehne von ihrem Stuhl hing. Sie sah, dass Minnah ein Lachen unterdrückte. Iris starrte sie entsetzt an. Jazmin sah aus, als wollte sie aufspringen. Sofie wusste, dass sie ihr den Rucksack wegreißen würde, wenn sie die Visitenkarte hineinsteckte. Der sicherste Platz war ihre Hosentasche. Ihre Jeans waren sehr eng, und sie musste dazu aufstehen.

„Bist du verrückt?“, rief Jazmin empört. „Gib sofort sie sofort her.“

Minnah sagte: „Reg dich ab, Jaz. Sofie will sie nur mal richtig angucken. Du hast sie ja bis jetzt nicht gelassen. Sie bringt sie morgen wieder mit.“

Jazmin warf ihr einen ungeduldigen Blick zu. „Das muss sie.“

In diesem Moment begegnete Sofie den Augen von Ruben. Vor kurzem hatte Markus noch auf seinem Platz gesessen. Beide waren gleichzeitig mit dem Mann mit der Lederjacke hereingekommen und hatten sich an den nächsten Tisch gesetzt.

Ruben, der nie mehr als einen flüchtigen Blick für Sofie übrig hatte, schaute sie an. Das Herz klopfte ihr bis zum Hals.

„Was ist denn nun schon wieder los? Wo guckt denn Karottie hin?“, meldete sich Jazmin.

„Ruben“, sagte Minnah. „Er sitzt hinter dir.“

„Seit wann ist er denn hier?“, rief Jazmin aus.

„Och, schon eine ganze Weile.“ Minnah schlürfte laut das flüssig gewordene Eis aus ihrem Becher.

Jazmin wendete ihren Kopf und warf einen Blick nach hinten. Sie lachte auf.

„Ruben macht sich lustig über Sofie. Aber sie bildet sich natürlich sonst was ein“, flüsterte sie.

Er schaute Sofie weiter in die Augen.

Sie hörte die ärgerliche Stimme von Jazmin. „Warum hast du denn nichts gesagt, Minnah?“

„Wozu sollte ich das denn?“ Es hörte sich an, als unterdrückte Minnah ein Lachen.

Jazmin fuhr Sofie an: „Setz dich endlich hin.“

Sie drehte sich um und tat sehr erstaunt. „Oh, Ruben. Du bist hier?“

Er beachtete sie überhaupt nicht. Seine Augen ließen Sofie nicht los. Als sie ihren Rucksack über die Schulter hängte, lächelte er ihr zu.

Abrupt wendete sich Jazmin ab. Sie fragte Sofie, ob sie schon gehen wollte. Mechanisch antwortete Sofie, dass man sie zu Hause erwartete.

„Morgen will ich die Visitenkarte haben“, mahnte Jazmin.

In diesem Moment traf Sofie eine Entscheidung. Sie würde allein zu dieser Agentur gehen. Sie brauchte sich ja zu nichts verpflichten. Wahrscheinlich erschien Jazmin vor ihr oder nach ihr. Aber bestimmt ohne Iris.

Sofie verließ die Milchbar. Als sie zu Hause war, legte sie die Visitenkarte in das Physikbuch vom letzten Jahr.

Am nächsten Tag vor dem Unterricht kam Sofie gerade dazu, als Jazmin den anderen ihre eigene Version von dem Ereignis in der Milchbar erzählte:

„Minnah hat den Mann zuerst gesehen.“

„Er hieß Max“, sagte Minnah.

„Er hatte seinen Namen auf die Visitenkarte geschrieben“, fuhr Jazmin fort. „Zuerst hat er vor der Milchbar gestanden und geguckt.“

„Und dann ist er reingekommen“, bestätigte Iris.

Jazmin beachtete sie nicht. „Er ging direkt auf unseren Tisch zu. Natürlich haben alle in der Milchbar geguckt. Stellt euch vor, er war ja ein Mann über dreißig.“

„Ich habe mich richtig erschrocken“, bestätigte Iris eifrig.

Jazmin lächelte. „Alles ging wahnsinnig schnell. Er hat uns angeguckt. Und dann hat er seinen Namen auf eine Visitenkarte geschrieben und sie auf den Tisch gelegt. Und nun ratet mal, von wem die war.“

Die Mädchen gaben zu verstehen, dass sie es nicht wüssten.

„Von der Belle Models Agentur. Wir sollen uns da sehen lassen, hat der Mann gesagt“, verkündete Jazmin triumphierend. „Anscheinend war er ein Fotograf.“

„Deshalb“, bestätigte Iris. „Die haben ein Blick für Leute.“

Sofie konnte es beinahe nicht glauben. Jazmin hatte alles so hingedreht, wie es ihr passte. Mit zufriedener Miene wendete sie sich an Sofie. „Hast du die Visitenkarte mitgebracht?“

„Ich habe nicht mehr daran gedacht“, erwiderte Sofie.

Jazmin starrte sie an. „Das sieht dir ähnlich. Aber morgen muss ich sie haben. Wir könnten Sonnabend zur Agentur gehen.“

Sie betrachtete Sofie einen Moment. „Es ist besser, wenn du dir einen Pferdeschwanz machst.“

„Und ich?“, fragte iris. „Nehmt ihr mich mit?“

„Natürlich. Ich weiß ja, dass du das gern möchtest“, erwiderte Jazmin beinahe mitleidig.

Sie warf Ruben einen neckischen Blick zu, setzte sich auf ihren Tisch und schlenkerte mit den Beinen. Er drehte sich weg und redete mit Markus.

Sofie fiel auf, dass er dunkle Schatten unter den Augen hatte, als habe er nicht geschlafen. Er hatte sie nicht ein einziges Mal angeschaut.

Die Ausrede

Am nächsten Morgen erklärte Sofie, dass ihre Mutter ihre Jeans in die Waschmaschine gesteckt habe. Von der Visitenkarte sei nicht viel übrig geblieben.

Jazmin starrte sie fassungslos an. „Warum hast du sie denn nicht raus genommen? Aber bei dir muss man ja mit sowas rechnen. Hätte ich sie bloß mit nach Hause genommen.“

„Schrei doch nicht so“, meldete sich Minnah. „Es ist doch nicht zu ändern.“

Das Gesicht von Jazmin nahm einen misstrauischen Ausdruck an. Sie redete leiser, aber sie wollte Einzelheiten wissen. Was war mit den Resten passiert? Hatte sie Sofie etwa einfach weggeworfen? Sie hätte sie doch zumindest mitbringen können. Dann gäbe es doch wenigstens einen Beweis. Aber so…?

Empört schaute Jazmin um sich. „Sie hat die Visitenkarte einfach in ihre Hosentasche gesteckt, ohne mich zu fragen.“

Alle Blicke wendeten sich Sofie zu. Jazmin konnte sich nicht beruhigen. „Der Fotograf hat sie auf den Tisch gelegt. Vielleicht hatte er nur eine dabei. Ich würde ja nichts sagen, wenn er sie Sofie in die Hand gegeben hätte. Keine Ahnung, was sie sich eingebildet hat.“

Sofie versuchte, die verächtlichen Blicke zu übersehen. Minnah schien etwas zu überlegen. Plötzlich sagte sie:

„Wieso regst du dich eigentlich auf, Jaz? Die beste Visitenkarte bist du doch selber. Geh einfach hin. Dieser Fotograf wird sich sofort an dich erinnern.“

Jazmin fing an zu lächeln. „Du hast recht. Ich weiß noch genau, wie er mich angesehen hat.“

„Dann ist die Sache wohl erledigt“, sagte Minnah.

Sofie wurde nicht mehr beachtet. Iris versuchte, ihre Enttäuschung zu verbergen. Anscheinend wollte Jazmin allein zur Agentur gehen und sie nicht mitnehmen. Vielleicht dachte sie nur im Moment nicht daran, und es würde ihr später wieder einfallen.

Sofie setzte sich auf ihren Platz. Heike, die neben ihr saß, musterte sie von der Seite.

„Ich habe alles gehört. War es nun deine Visitenkarte oder nicht?“

„Es war meine.“

„Das habe ich mir gedacht. Aber du weißt ja wohl, dass du es mit Jaz auf ewige Zeiten verdorben hast.“

„Sie war nie meine Freundin.“

„Mit dieser eingebildeten Ziege will ich nichts zu haben“, versicherte Heike. „Und mit keiner von ihrer Clique.“

Sie fing an zu kichern. „Minnah ist gut. Sie redet ja nie viel. Aber wenn sie will, haut sie alle in die Pfanne.“

Die Mädchen rückten näher an Jazmin heran. Sie fingen an zu tuscheln.

Heike tippte sich gegen den Kopf. „So langsam drehen alle durch.“

Als Sofie am Montag zu Hause ihren Rucksack öffnete, fand sie einen Briefumschlag zwischen ihren Büchern. Jemand musste ihn in der Pause hineingesteckt haben. Der Umschlag war nicht zugeklebt. In der Mitte stand mit großen Buchstaben in ihr Name.

Sie zog einen Zettel heraus. Jemand hatte ihn aus einem Schreibheft gerissen und auf zwei Zeilen geschrieben:

„Können wir uns Mittwoch nach dem Unterricht in der Milchbar treffen?“ Die Buchstaben waren mal klein, mal groß. Am Rand standen sie enger beieinander. Darunter stand ein Name. Ruben.

Sofie kannte nicht seine Schrift. Aber sie konnte sich nicht vorstellen, dass er das geschrieben hatte. Ihr war aufgefallen, dass die Mädchen von der Clique sich seit Tagen verdächtig benahmen. Das Tuscheln und Gekicher hatte gleich nach dem Streit wegen der Visitenkarte angefangen.

Sofie beschloss, Ruben den Zettel zu zeigen.

Ruben

Sofie ließ sich am nächsten Morgen nichts anmerken. Die Mädchen von der Clique blinzelten sich zu, als sie in die Klasse kam. Jazmin rief aufgekratzt: „Guten Morgen, Sofie.“

Das machte sie sonst nie. Die anderen kicherten. Wahrscheinlich freuten sich alle schon darauf, wenn Sofie Mittwoch nach dem Unterricht in die Milchbar ging. Dann würde sie allein am Tisch sitzen und auf Ruben warten. Vielleicht eine halbe Stunde. Aber Ruben würde nicht kommen. Das wäre dann ein riesiger Spaß.

In der großen Pause sagte Minnah im Vorbeigehen etwas zu ihr. Aber es war so leise, dass sie es nicht verstand. Ruben sah müde aus. Er schien seit ein paar Wochen kaum zu schlafen.

Sofie war sicher, dass er nichts von dem Zettel wusste. Aber es war besser, wenn er ihn sah. Dann konnte er sich vorstellen, was hinter seinem Rücken passierte.

Nach dem Unterricht wartete sie, bis die letzten aus ihrer Klasse fortgingen. Dann folgte sie ihnen so langsam, dass sie Angst hatte, es würde auffallen. Aber niemand machte einen Versuch, mit ihr zu reden.

Sie stellte sich hinter einen Baum und tat, als suchte sie etwas in ihrem Rucksack. Ruben und Markus waren noch nicht fort, das wusste sie. Es dauerte nicht lange, da hörte sie ihre Stimmen. Sofie kam hinter dem Baum hervor.

„Mein Gott, Sofie. Was machst du denn noch hier?“, rief Ruben.

„Ich wollte dir etwas zeigen“, sagte sie verlegen und hielt ihm die halbe Seite hin. „Hast du das geschrieben?“

Ruben warf kaum einen Blick darauf. „Diesen Wisch? Das ist doch gar nicht meine Schrift. Wie kommst du denn dazu?

„Jemand hat den Zettel in meinen Rucksack gesteckt“, entgegnete Sofie.

„Zeig mal, her.“ Markus griff danach. „Ich möchte wissen, wer sich diese Gemeinheit ausgedacht hat.“

„Das kann ich mir vorstellen“, sagte Ruben.

„Jazmin? Jaz?“ Markus rückte an seiner großen Brille mit den schwarzen Rändern. „Das ist nicht ihre Schrift.“

„Aber vielleicht war es ihre Idee“, erwiderte Ruben.

Markus gab Sofie den Zettel zurück. „Hebe ihn auf. Vielleicht brauchst du ihn als Beweis. Im Moment können wir nichts weiter machen.“ Vielleicht fühlte er sich schon als der künftige Jurist.

„Geh schon vor“, wendete sich Ruben an ihn.

Markus entfernte sich ein paar Schritte. „Ich warte hier.“

Ruben schaute Sofie an.

„Und nun?“

„Ich gehe natürlich nicht in die Milchbar.“

„Auch nicht mit mir?“

Sofie merkte, dass sie rot wurde. „Hast du denn Zeit?“

„Im Moment leider nicht viel. Trotzdem würde ich mich gern mit dir treffen. Auch wenn es nur für eine halbe Stunde ist.“

„Ich kann sowieso nicht lange bleiben“, sagte sie.

„Du bist also einverstanden?“

„Ja, Ruben.“

Markus schlenderte heran. Zum ersten Mal wurde Sofie bewusst, wie schlaksig er war und was für einen langen Hals und knochige Schultern er hatte.

„Habt ihr was dagegen, wenn ich mitkomme?“

Nach einem Blick auf Ruben lachte er. „Keine Sorge, ich setze mich an einen anderen Tisch. Bloß als stiller Beobachter. Es könnte nämlich interessant werden.“

Ruben wendete sich wieder an Sofie. „Ich gehe jetzt mit Markus vor. Es ist besser, wenn du noch etwas wartest.“

Er brauchte ihr nicht zu sagen, warum.

Mittwoch Morgen wollte Sofie zuerst ihren kurzen dunkelblauen Rock und dazu die schwarzen Stiefel anziehen. Aber als sie sich das

Tuscheln und Gekicher von der Clique vorstellte, entschied sie sich für Jeans und den dicken weißen Pullover mit den blauen Streifen. Zumindest gab es keine äußeren Anzeichen dafür, ob sie in die Milchbar gehen würde oder nicht.

In der Klasse beachtete Ruben Sofie nicht, was Jazmin zu belustigen schien. Sie sprühte vor guter Laune. Mit lauter Stimme erkundigte sie sich, ob Sofie nach dem Unterricht gleich mit dem Bus nach Hause fahren würde. Oder ob sie eventuell etwas vorhabe.

„Kann sein“, erwiderte Sofie.

Darüber schien sie sich wieder zu amüsieren. Sogar Heike fiel es auf. „Sonst interessiert es Jaz doch auch nicht, ob du zum Bus gehst oder nicht. Will sie dich etwa wieder in die Milchbar einladen? Lass dich bloß nicht wieder darauf ein.“

„Ich glaube, es geht um etwas anderes“, erwiderte Sofie.

Während des Unterrichts schaute sie absichtlich öfter zu Ruben hinüber, der aber ebenso absichtlich völlig gleichgültig tat. Sie hoffte, dass die Mädchen aus der Clique es mitbekamen.

Eine halbe Stunde nach dem Unterricht betrat Sofie die Milchbar. Es war ziemlich voll. Sie holte sich einen Becher Fruchtsaft und setzte sich an den letzten freien Tisch in der Nähe vom Eingang. Plötzlich hatte sie Angst, dass Ruben nicht käme. Vielleicht hatte er es sich anders überlegt. Oder er hatte es vergessen.

Aber als sie ihn dann mit seinen langen Beinen, seinem schwarzen Pullover und mit dem Rucksack über der Schulter zur Tür hereinkommen sah, atmete sie erleichtert auf. Er setzte sich auf den Stuhl seitlich von ihr.

„Draußen stehen ein paar Mädchen herum. Sie waren ziemlich erschrocken, als ich ankam. Jaz hat mich gefragt, wo ich hinwollte.“

„Und was hast du gesagt?“

„Dass ich verabredet bin. Was denn sonst?“

„Ich dachte immer…“, fing Sofie an.

„Es ist nicht so, wie du dir das vorstellst“, unterbrach er sie. „Ich hatte und habe nichts mit ihr. Ich kann nichts dafür, wenn sie was einbildet.“

Er betrachtete ihr Gesicht.

„Ehrlich, ich finde es riesig nett von dir, dass du gekommen bist“, sagte sie verlegen.

Ruben verdrehte seine Augen. „Du redest wie ein kleines Schulmädchen. Ich wollte mich schon seit mindestens einem Jahr mit dir treffen, Sofie. Aber du hast mir keine Gelegenheit dazu gegeben.“

Er lächelte. „Du glaubst mir nicht.“

„Nein“, erwiderte sie ehrlich.

Darauf beugte er sich zu ihr hinüber und zog sie mit seinem linken Arm zu sich heran. Sein Mund streifte ihre Wange.

„Und jetzt?“ Es schien ihn überhaupt nicht zu stören, dass alle es sehen konnten.

„Ein bisschen“, erwiderte sie.

Er lachte leise und nahm seinen Arm von ihrer Schulter. „Beinahe hätte ich`s vergessen.“

Dann bückte er sich und holte eine rosafarbene Rose mit schlaffen Blättern und hängendem Kopf aus seinem Rucksack. Etwas verlegen legte er sie vor Sofie hin.

„Sie ist von einem Busch in unserem Garten. Heute morgen sah sie frischer aus.“

Sofie strich mit der Hand darüber. „Danke, Ruben. Es ist eine wunderschöne Rose. Ich werde sie aufbewahren.“

Er hielt ihre Hand fest. „Irgendwann bekommst du einen Strauß von solchen Rosen von mir.“

Ihr fiel nichts ein, was sie darauf erwidern könnte. Verwirrt erwiderte sie seinen Blick.

„Deine Augen sind unglaublich“, bemerkte er. „Sind sie eigentlich blau oder grau?“

„Es kommt auf das Licht an.“

Er schaute sie weiter an. „Sie leuchten von innen.“

„Und deine? Sind sie braun oder grün?“, lenkte sie ab.

„Ein Mischmasch von beidem“, erwiderte er. „Mein Vater hat braune Augen und meine Mutter grüne.“

Er trank von ihrem Fruchtsaft.

Die Tür öffnete sich und Markus marschierte herein. Er tat, als sähe er sie nicht und ging vorbei. Nach ein paar Minuten knallte er einen Becher vor Ruben hin.

„Damit du selber was zu trinken hast“, sagte er und entfernte sich.

Ruben beugte sich zu Sofie hinüber und legte ihr seinen Arm um die Schultern.

„Er wäre gern an meiner Stelle“, sagte er. Nach einer kurzen Pause fügte er hinzu: „Schade, dass ich gleich wieder weg muss.“

„Das wusste ich doch vorher“, sagte sie. „Es war wirklich nicht notwendig…“

Er unterbrach sie ungeduldig. „Sofie, verstehst du denn immer noch nicht? Ich wollte das. Aber ich war mir nicht sicher bei dir. Bis neulich, als dieser Mann mit der Lederjacke an euren Tisch kam. Nachher, als du aufgestanden bist…“

Und nach einer kleinen Pause: „Zum ersten Mal hast du mich richtig angesehen.“

„Du mich auch“, sagte sie. „In der Klasse hast du mich nie beachtet.“

„Du irrst dich. Aber ich musste aufpassen. Kannst du dir vorstellen, was es für ein Gerede gegeben hätte, wenn ich auch nur ein bisschen Interesse an dir gezeigt hätte?“

Er hob seinen Becher und trank. Sofie spielte mit der Rose. Er hielt ihre Hand fest. „Ich glaube, du weißt gar nicht, wie besonders du bist mit deinen Haaren und diesen Augen. Einmal habe ich dir den Namen Sphinx gegeben.“

Er lachte leise. „Natürlich wurde gleich darüber gelästert. Ich habe mich mit den Pyramiden von Ägypten herausgeredet. Wenn Jazmin das mitgekriegt hätte, wäre sie über dich hergefallen und hätte ihr Gefolge angestachelt. Das wollte ich dir nicht zumuten.“

„Glaubst du, dass der Zettel von ihr stammt?“

„Zumindest die Idee dazu“, erwiderte er.

Er warf einen Blick auf seine Armbanduhr. „Ich muss los, Sofie. Morgen kann ich nicht zum Unterricht kommen. Wenn ich es schaffe, hole ich dich mittags ab.“

Im Stehen trank er seinen Becher aus. „Ich erkläre dir alles später.“

Sofie war auch aufgestanden. Er hielt sie am Arm fest.

„Warte einen Moment, damit die da draußen wegrennen können“, sagte er. „Sie haben sich schon genug blamiert.“

Als sie die Milchbar verließen, war kein Mädchen aus ihrer Klasse zu sehen.

„Wie kommst du nach Hause, Sofie?“

„Mit dem Bus.“

„Ich würde dich gern hinbringen. Aber ich habe es ziemlich eilig.“

Markus war ihnen gefolgt. „Ich weiß, wo die Haltestelle vom Bus ist. Soll ich mitkommen?“

„Nein, Markus“, wehrte Sofie hastig ab.

„Abgeblitzt“, sagte Ruben.

„Ich wollte noch mal mit Sofie über den Zettel reden“, beharrte Markus.

„Das hat Zeit bis morgen“, sagte Sofie. „Morgen kommt alles heraus.“

Markus rückte an seiner Brille. „Wenn du Hilfe brauchst, kannst du dich an mich wenden.“

Sie trennten sich, und Sofie ging zur Bushaltestelle.

Das Geständnis

Donnerstag Morgen zog Sofie ihren kurzen marineblauen Rock an, schwarze Leggins und ihre schwarzen Stiefel. Dazu einen gelben Pullover mit spitzem Ausschnitt. Sie fand, dass sie gut aussah.

Als sie die Klasse betrat, war Jazmin von den Mädchen ihrer Clique umringt.

„Wie war`s gestern in der Milchbar, Karottie?“, rief sie ihr zu.

Ohne sie zu beachten, ging Sofie zu ihrem Platz.

„Bilde dir bloß nichts ein“, rief Jazmin hinter ihr her. „Ruben hatte sich mit Markus verabredet. Er hat es selber gesagt. Es war wirklich zu komisch, dass du in der Milchbar gesessen hattest. Und ganz allein am Tisch. Es war der einzige, an dem noch Platz war. Natürlich hat es Ruben nicht lange ausgehalten.“

Sie lachte und schaute zu den Jungen hinüber. „Wo ist er denn?“

„Er kommt heute nicht“, rief Markus ihr zu.

Jazmin nickte. „Ach ja. Ich glaube, er hat sowas gesagt.“

Sofie begegnete einem Blick ohne Ausdruck von Markus. Es fehlten noch zehn Minuten bis zum Unterricht. Es lohnte sich nicht, mit dem Zettel anzufangen.

„Stimmt es, dass du mit Ruben in der Milchbar gesessen hast?“, flüsterte Heike.

„Es stimmt.“

„Weil er woanders keinen Platz gekriegt hat?“

„Ich war mit ihm verabredet.“

Heike riss ihre Augen auf. „Bei Jaz hat sich das anders angehört.“

„Im Moment kann ich dir das nicht erklären“, sagte Sofie.

Als die Pause anfing, holte sie den Briefumschlag aus ihrem Rucksack. Auf dem Schulhof bildete sich sofort eine Gruppe um Jazmin. Einige Mädchen fingen an zu lachen. Sie hörten sofort auf, als Sofie zu ihnen trat.

Jazmin tat überrascht. „Willst du was, Karottie?“

Kein Mädchen konnte Sofie anschauen. Iris öffnete ihren Mund, wie immer, wenn sie nicht wusste, was sie machen sollte. Minnah biss in einen Apfel und fing an zu kauen.

Sofie holte den Zettel aus dem Umschlag und hielt ihn hoch.

„Kann mir jemand sagen, wer das geschrieben hat?“

Jazmin schaute nur flüchtig hin. „Was steht denn da drauf?“

„Das müsstest du doch wohl wissen.“

„Wieso ich? Zeig mal her.“ Jazmin riss ihr den Zettel aus der Hand.

Sie warf einen Blick darauf und erkundigte sich mit hochgezogenen Brauen: „Hat Ruben den Wisch gelesen?“

Es war deutlich zu merken, dass alle die Luft anhielten.

„Ich habe ihm den Zettel gezeigt. Er hatte überhaupt keine Ahnung davon. Ich traue ihm auch nicht zu, dass er einfach an meinen Rucksack geht.“

Sofie wartete ein paar Sekunden. „Wer hat ihn geschrieben?“

„Du brauchst mich gar nicht so anzugucken“, sagte Jazmin und streckte ihr mit einer Miene den Zettel hin, als sei es eine Zumutung, so etwas von ihr zu denken. „Mach damit, was du willst. Ich habe nichts damit zu tun. Es ist überhaupt nicht meine Schrift.“

Eine Weile war es sehr still. Dann hörte Minnah auf zu kauen und sagte: „Dass es nicht deine Schrift ist, wissen wir. Aber man kann ja auch andere für sich schreiben lassen, oder?“

Sie zeigte mit ihrem Apfel auf Iris. „Das stimmt doch, nicht?“

Die Oberlippe von Iris fing an zu zittern.

„Was wollt ihr denn von mir? Ihr wisst doch ganz genau, dass ich es war“, sagte sie mit kindlich hoher Stimme.

Jazmin wendete sich lachend an Sofie. „Nun weißt du es. Iris hat sich nichts dabei gedacht. Aber du verstehst ja keinen Spaß und bist gleich zu Ruben gerannt.“

Sie verdrehte ihre Augen nach oben und stieß einen Seufzer aus.

„Der arme Ruben. Was muss das peinlich für ihn gewesen sein.“

„Davon habe ich nichts gemerkt“, erklärte Minnah. „Aber vielleicht gucke ich anders als du.“

Jazmin wendete sich an Sofie. „Du weißt ja, wie Iris ist, Karottie. Man kann sie wirklich nicht ernst nehmen.“

Iris stand einen Moment wie erstarrt. Halb schluchzend und nach Atem ringend, zeigte sie mit dem Finger auf Jazmin.

„Du hast gesagt, wenn ich das schreibe, nimmst du mich mit zur…“ Im Augenblick fiel ihr der Name wohl nicht ein. „Zu dieser Agentur…“

Sie heulte in hohen Tönen. „Jetzt ist alles verdorben, und ich kriege noch die Schuld.“

„Hör auf, Iris“, fuhr Minnah sie an. „Wir waren alle nicht besser als du. Oder hat etwa eine von uns Pieps gemacht, als Jaz damit anfing? Es ist ja auch zu schön, sich über andere lustig zu machen.“

„Karottie soll sich nicht so anstellen“, verteidigte sich Jazmin heftig.

Nun wurde auch Minnah laut, und alle starrten sie erschrocken an, weil sie das nicht von ihr kannten.

„Wie Sofie das auffasst, war dir doch scheißegal. Du wartest doch nur darauf, dass du ihr eins auswischen kannst. Ihre Haare, ihre Augen, alles ist ein Grund zum Lästern, damit es ja keinem einfällt, sie etwa hübsch zu finden. Vielleicht sogar viel hübscher, als dich.“

Sie holte Luft. „Ich habe den Mann mit der Lederjacke beobachtet. Er hat nur Sofie angeguckt. Dich hatte er gar nicht beachtet. Diese verdammte Visitenkarte, hinter der du so her warst, war für Sofie. Aber das konnte dein Ego natürlich nicht zugeben.“

„Du weißt ja gar nicht, was du redest“, fuhr sie Jazmin an.

Die Jungen grienten. Heike und noch ein paar andere Mädchen hatten natürlich alles mitbekommen. Dann, ganz überraschend, gesellte sich Minnah zu ihnen. Sofie und Iris folgten ihr. Jazmin tat, als ginge sie alles nichts an. Mit spitzen Fingern holte sie sich etwas aus einer Tüte.

„Also habe ich mich doch nicht getäuscht“, sagte Heike, als Sofie sich auf ihren Platz setzte. „Ein paar Mal habe ich nämlich gesehen, wie Ruben dich angeguckt an. Und wie! Aber nur, wenn er dachte, es merkt keiner. Mit mir hatte er anscheinend nicht gerechnet. Wenn Jazmin das mitgekriegt hätte, wäre sie in die Luft gegangen.“

Sie fing an zu kichern. „Der nächste bei ihr ist dann Markus. Aber ich glaube nicht, dass er darauf anspringt. Er ist nämlich auch hinter dir her.“

„Du bildest dir zu viel ein“, entgegnete Sofie.

„Das werden wir noch sehen.“ Heike lächelte vor sich hin.

Für den Rest des Unterrichts verhielt sich Markus völlig neutral. Er beantwortete weder Fragen, noch ließ er sich auf Kommentare ein. Anscheinend passte es ihm nicht, dass Ruben in der Nähe vom Tor stand.

„Ist alles gut gelaufen?“

„Ich habe ein gutes Gefühl“, erwiderte Ruben. „Wo ist Sofie?“

„Sie geht gerade weg.“

„Warte, Sofie!“, rief Ruben.

Sofie blieb stehen.

Im Park

In ein paar Sekunden war Ruben bei ihr. Er legte seinen Arm um ihre Schulter und zog sie mit sich fort.

Hinter ihnen wurde gepfiffen. Ruben lachte leise. „Sie werden sich daran gewöhnen.“

„Ich habe nicht mit dir gerechnet“, sagte Sofie, obwohl das nicht ganz stimmte.

„Gestern wusste ich selber noch nicht, ob ich es schaffen würde. Musst du gleich nach Hause?“

„Ich kann ein bisschen später kommen.“

Er blieb stehen. „Wie viel später?“

„Ungefähr eine Stunde. Und du?“

„Ich richte mich nach dir.“

Sie gingen weiter. Aber es war nicht der Weg zur Milchbar.

„Wo willst du denn hin?“, fragte Sofie überrascht.

Ruben lächelte. „Ich möchte mit dir allein sein. Wir gehen in den Park. Weißt du schon, wer den Zettel geschrieben hat?“

„Es war Iris.“

Er schaute sie verblüfft an. „Iris? Die ist doch zu sowas gar nicht fähig.“

„Jaz wollte sie dafür mit zu einer Modelagentur nehmen.“

„Hat sie das freiwillig zugegeben?“

„Minnah hat sie dazu gebracht.“

Ruben lachte. Sie gingen nebeneinander her. Es war ein kleiner Wald mit Bäumen und einem breiten Weg mitten hindurch. Sie kamen an einigen Bänken vorbei. Ein junger Mann mit einem bunten Stirnband und Trainingsanzug rannte ihnen entgegen. Er schien Ruben zu kennen und winkte ihm zu.

„Wir wohnen in derselben Straße“, erklärte Ruben, als er vorbeigelaufen war. Nach ein paar Schritten sagte er plötzlich:

„Meine Eltern haben das Haus verkauft. Wir ziehen um.“

Sofie stellte sich vor, dass er künftig in einer anderer Gegend wohnen würde und sie sich nur selten sehen könnten. Sie wollte sich ihre Enttäuschung nicht anmerken lassen und erkundigte sich nach dem neuen Haus und ob es ihm gefiele.

Ruben zögerte. „Bis jetzt habe ich es nur auf den Fotos gesehen.“

Er steckte seine Hände in die Hosentaschen. „Sofie, wir haben ein Problem.“

Ihr stiegen die Tränen in die Augen. „Wenn du dich nicht mehr mit mir treffen willst, sage es lieber gleich.“

Er blieb stehen und umfasste ihre Schultern. „Darum geht es nicht.“

„Sondern?“

„Es ist eine Familienangelegenheit.“

„Dann will ich es nicht wissen, Ruben.“

„Ich werde es dir trotzdem sagen, Sofie. Aber im Moment möchte ich etwas anderes.“

Er legte seinen Arm um sie und führte sie vom Weg weg. Eine Weile gingen sie durch große Bäume hindurch. Plötzlich blieb er stehen, zog ihr den Riemen von ihrem Rucksack von den Schultern und legte ihn auf den Boden. Er warf seinen eigenen daneben. In der nächsten Sekunde schlossen sich seine Arme um sie.

Als sie dreizehn war, hatte sie ein Junge geküsst. Sie lehnte mit dem Rücken an einer Mauer. Er hatte seine Hände auf beide Seiten von ihr dagegen gestützt. Als sein Mund ihre Lippen berührte, wurde ihr schwarz vor den Augen. Er küsste sie wie kleine Kinder oder Kätzchen geküsst wurden.

Jetzt küsste sie ein Mann. Ruben presste sie an sich. Sie konnte seinen harten Herzschlag spüren. Als er sich von ihr löste, war sie außer Atem.

„Du solltest dich besser nicht mir einlassen“, sagte er.

Er hob beide Rucksäcke auf. Auf einer kleinen Wiese stand eine verwitterte Bank ohne Lehne. Mit einem Arm um ihrer Schulter, führte Ruben sie darauf zu.

„Vielleicht ist sie stabiler, als sie aussieht.“

Er hob ein Bein über die beiden Bretter und setzte sich darauf. „Nicht schlecht. Hier sind wir wenigstens allein.“

Dann streckte er eine Hand nach ihr aus und zog sie zu sich hinunter.

„Weißt du, dass ich wahnsinnig verliebt in dich bin?“

Er küsste sie. Zuerst ihren Mund. Dann ihren Hals. Mit dem rechten Arm hielt er sie fest umfangen. Seine linke Hand schob sich unter ihren Pullover und streichelte ihre Brüste, erst über dem Büstenhalter, dann darunter.

„Du hast eine unwahrscheinlich weiche Haut“, murmelte er.

Sanft schob er sie von sich. „Es ist besser, wenn wir jetzt gehen.“

„Warum?“, flüsterte sie.

Sein Kuss nahm ihr wieder den Atem. „Du weißt ganz genau, warum.“

Nach einer Weile sagte er: „Morgen komme ich nicht zum Unterricht. Wenn ich es schaffe, hole ich dich mittags ab.“

Sie war noch zu benommen, um gleich zu reagieren. Sein Mund streifte Ihre Wange. „Wenn wir uns morgen nicht sehen, können wir uns dann am Sonnabend treffen?“

„Sonnabend?“, wiederholte sie träumerisch. Sie schüttelte ihren Kopf. „Nein, Sonnabend geht es nicht. Ich muss meinem Vater im Baumarkt helfen.“

In seinen Augen blitzte es auf. „Du könntest deinen Vater fragen, ob er noch eine Hilfe gebrauchen kann. Im Ernst.“

Sie musste lachen. „Vielleicht kann ich Sonntag weg. Ich sage einfach, dass ich mit Minnah für`s Abitur lernen muss.“

„Verflixt“, stieß er aus. „Sonntag geht bei mir nicht. Mein Vater kommt aus den Vereinigten Staaten zurück. Es ist unwahrscheinlich, dass ich loskomme.“

Ruben strich mit dem Zeigefinger über ihre Unterlippe. „Wo ist dieser Baumarkt genau?“

„Er ist in der Nähe von unserem Haus.“

„Wie viel Haltestellen sind das mit dem Bus vom Gymnasium?“

„Fünf. Warum?“

„Ich wollte mich nur informieren.“

Er rutschte zurück, hob sein Bein über die Bank, stand auf und zog sie zu sich hoch.

Sie gingen zur Haltestelle vom Bus. Unterwegs war Ruben schweigsam. Als der Bus kam, hängte er Sofie den Rucksack über die Schulter, drehte sie blitzschnell zu sich um und küsste sie auf den Mund.

„Es hat keiner gesehen“, sagte er.

„Du bist unmöglich, Ruben.“

Er lachte. „Stört dich das?“

Sie gab keine Antwort, weil er die auch ohne Worte wusste.

Als sie nach Hause kam, wollte ihr Bruder gerade zum Fußballplatz gehen.

„Wieso kommst du so spät? Triffst du dich mit wem?“

„Das geht dich nichts an.“

„Du kannst es ruhig zugeben“, sagte Andreas und griente bis zu den Ohren. „Man sieht es dir sowieso kilometerweit an.“

Er war fünfzehn und kam sich schon sehr erwachsen vor.

Am Freitag morgen redete sich Sofie ein, dass es weniger kalt sei.

Sie zog ihren kurzen dunkelblauen Rock an, dazu schwarze Leggins und schwarze Stiefel und den gelben Pullover. Sollten sich doch alle in der Klasse den Mund zerreißen. Jedenfalls war sie es leid, sich immer so anzuziehen, damit sie nicht auffiel. Sie brauchte sich nichts vorzumachen. Hauptsächlich war es wegen Ruben. Deswegen hatte sie auch den Büstenhalter weggelassen.

Als sie zum Bus gehen wollte, hielt ihr ihre Mutter die dunkelblaue Jacke mit dem Reißverschluss hin.

„Es ist noch nicht Frühling“, sagte sie. Es war nutzlos, ihr zu widersprechen. Draußen band sich Sofie die Jacke um ihre Hüften.

Ruben erschien wieder nicht zum Unterricht. Vielleicht hatte er die Erlaubnis bekommen, weil kein Lehrer eine Bemerkung machte.

Nachdem Heike sie eine Weile gemustert hatte, sagte sie: „Du siehst heute anders aus.“

„Weil ich einen Rock anhabe?“

„Unter anderem“, erwiderte Heike.

Minnah machte eine ähnliche Bemerkung. Ziemlich oft begegnete Sofie den Blicken der Jungen. Jazmin sah ärgerlich aus, was einige Mädchen zu freuen schien. Nach dem Unterricht stand Ruben nicht am Tor. Natürlich bekamen es alle mit.

„Hat Ruben dich versetzt?“, rief Jazmin ihr zu. Weil sie dabei lachte, fingen auch die anderen Mädchen an zu kichern. Sie hatte seit der Sache mit dem Zettel kein Wort mehr mit Sofie geredet.

Markus näherte sich und machte ihr Zeichen, dass er sie zum Bus bringen wollte. Als sie den Kopf schüttelte, drehte er sich weg.

Sofie zog unterwegs die Jacke an. Sie wollte gerade in den Bus steigen, da hörte sie die raue Stimme von Ruben. „Sofie.“

Er rannte auf die Haltestelle zu, als sie gerade in den Bus steigen wollte. Die Frau hinter ihr stieß ihr eine volle Einkaufstasche gegen die Beine.

„Wenn Sie nicht einsteigen wollen, Fräuleinchen, dann lassen Sie mich wenigstens vorbei.“

Als der Bus fortfuhr, kam Ruben bei der Haltestelle an. Seine Haare hingen ihm in der Stirn. Wortlos hielt er sie umfangen, bis er wieder zu Atem gekommen war.

„Gott sei Dank, dass ich dich noch erwischt habe.“

Rasch schaute er sich um, murmelte, es sei keiner da, und küsste sie auf den Mund.

Dann legte er den Arm um Taille. „Wollte Markus dich wieder zum Bus bringen?“

„Ich habe ihn nicht gelassen.“

„Er nützt alles aus. Wann musst du heute zu Hause sein?“

„So wie gestern. Meine Mutter wollte mit dem Essen auf mich warten. Wie war es heute bei dir?“

„Oh, ich glaube, alles ist gut gegangen. Ab Montag komme ich wieder zum Unterricht.“

Was der Grund dafür war, sagte er nicht. Allerdings fiel ihr auf, dass sein Gesicht nicht mehr so angespannt aussah. Vielleicht erzählte er

ihr mehr von dem neuen Haus.

Sie gingen wieder in den Park. Diesmal begegnete ihnen niemand. Ruben steuerte sofort auf die Bank zu. Kaum lagen die Rucksäcke auf dem Boden, schloss er seine Arme um sie. Während er sie küsste, drückte er sie sanft auf die Bank.

„Ich weiß, ich sollte das nicht tun. Aber es ist schwierig, bei dir die Kontrolle zu behalten.“

Er schaute ihr in die Augen. „Ich wünschte, wir hätten mehr Zeit.“

Sie wunderte sich über seinen Ton.

Ohne zu lächeln, fuhr er fort: „Ich muss dir etwas sagen.“

„Bitte, jetzt nicht, Ruben.“

Er hob seinen Rucksack vom Boden und legte ihn auf die Bank. Dann bog er sie zurück.

„Ich werde nicht zu weit gehen“, sagte er und zog den Reißverschluss von ihrer Jacke herunter. Ihr in die Augen schauend, hob er ihren Rock hoch und streifte die Leggins von ihrem Slip. Für ein paar Augenblicke richtete er sich auf, und dann spürte sie ihn hart zwischen ihren Beinen.

„Ruben, wenn jemand kommt“, flüsterte sie.

„Es kommt keiner, Sofie.“

Ohne dass ihr bewusst wurde, was geschah, folgte sie seinen Bewegungen. Und dann rief sie: „Ruben!“

Im selben Moment stöhnte er auf. Ein paar Augenblicke verharrte er regungslos.

„Du hast geweint“, sagte er und küsste ihre Augenwinkel.

Langsam löste er sich von ihr und setzte sich hin. Sofie zog ihre Leggins hoch, die sich feucht anfühlten. Er half ihr, die Jacke anzuziehen.

„Nun weißt du, warum du dich nicht mit mir einlassen solltest“, sagte er.

„Du hast wohl ziemlich viel Erfahrung mit Frauen“, meinte sie.

„Nicht so viel, wie du dir vielleicht vorstellst“, entgegnete er belustigt.

„Hast du… Du weißt schon, was ich meine, Ruben.“

„Beim ersten Mal war ich fünfzehn. Sie war um die zwanzig herum. Er beobachtete ihr Gesicht. „Bist du schockiert?“

„Es geht. War es öfter?“

Er lächelte nur.

„Sag, gab es noch andere?“

„Muss ich diese Frage beantworten?“

„Nein, lieber nicht.“

Er lächelte und küsste sie.

„Wie spät ist es?“ Sie war unfähig, selbst auf ihre Armbanduhr zu schauen.

„Ich weiß, wir müssen gehen“, sagte er. „Morgen bist du also auf dem Baumarkt bei deinem Vater?“

„Ja, Ruben. Wir sehen uns erst Montag beim Unterricht.“

„Es ist lange hin bis Montag“, erwiderte er.

Sie gingen zur Bushaltestelle. Ruben stieg vor ihr in den Bus und bezahlte für beide.

„Ich möchte sehen, wo du wohnst“, erklärte er.

Sie saßen eng beieinander. Er stieg mit ihr aus. Sie zeigte ihm das Haus von weitem.

„Es ist das mit der grünen Tür.“

„Und der Baumarkt?“

„Von hier sind es drei Haltestellen weiter. Es gibt dort ein Einkaufszentrum. Also, schönes Wochenende, Ruben.“

„Dir auch, Sofie.“

Als sie sich wegdrehen wollte, hielt er sie fest und küsste sie auf den Mund. Dann entfernte er sich mit langen Schritten.

Sofie war froh, dass niemand zu Hause war. Auf dem Küchentisch lag ein Zettel von ihrer Mutter.

„Ich konnte nicht länger warten. Dein Essen steht im Kühlschrank.“

Sie rannte die Treppe hinauf. In ihrem Zimmer holte sie ihr gespartes Geld aus der Tasche von ihrem alten Mantel. Diesmal war es noch nicht geschehen. Aber es würde wohl nicht zu verhindern sein.

Überraschung am Sonnabend

Es war Sonnabend. Ihr Vater brauchte Sofie erst später im Geschäft. Im Einkaufszentrum gab es eine Apotheke. Eine junge Frau beriet sie, als sei es völlig normal. Sie sollte erstmal mit einer Pille anfangen. Wenn sie ihr nicht bekäme, könnte es mit einer anderen versuchen. Erleichtert steckte Sofie die Schachtel in ihre Umhängetasche.

Eine halbe Stunde vor Ladenschluss war es immer noch voll in der Bauhandlung. Sofie wusste nicht warum, aber sie musste sich plötzlich umdrehen. Keine zwei Meter hinter ihr stand Ruben.

„Ich wollte dich sehen“, sagte er und ging auf sie zu.

„O Gott, Ruben. Wie hast du denn hierher gefunden?“

Er lächelte. „Würdest du mich bitte deinem Vater vorstellen, wenn er dem Mann die Bohrmaschine erklärt hat?“

„Was soll ich ihm denn sagen?“

„Sage ihm einfach, dass ich dein Liebhaber bin.“

„Ruben!“ Sie schaute ihn entsetzt an.

„Gut, dann sage ihm, dass ich dein Freund bin. Oder dass wir in dieselbe Klasse gehen. Irgendwas, wobei du nicht rot wirst.“

Sie hatte eine weiße Bluse angezogen. Darüber die dunkelblaue Jacke mit dem Reißverschluss, der halb offen stand. Sie sah an seinen Augen, an was er dachte. Ihr Vater kam zu ihnen.

„Ruben geht mit mir in dieselbe Klasse“, erklärte Sofie.

Sie gaben sich die Hand.

„Schön, Sie kennenzulernen“, sagte ihr Vater. Offensichtlich war ihm Ruben sympathisch. Er wendete sich an Sofie.

„Wir machen gleich zu. Ich nehme an, ihr wollt euch noch ein bisschen unterhalten.“

Er legte Ruben eine Hand auf die Schulter. „Ich hoffe, wir sehen uns ein andermal wieder. Jetzt entschuldigt mich. Sonnabends ist es immer bis zur letzten Minute voll.

„Siehst du? Es war doch ganz einfach“, sagte Ruben draußen. „Wo können wir hingehen? Hier laufen zuviel Leute herum. Der Kinderspielplatz kommt nicht in Frage. Was bleibt da noch übrig?“

Er schaute sie so unglücklich an, dass sie lachen musste.

„Es gibt ein kleines Café in der Nähe“, sagte sie unschlüssig.

Er legte seinen Arm um ihre Schulter. „Gehen wir.“

Das Café war bis auf zwei ältere Damen leer. Als Sofie mit Ruben hereinkam, schauten sie von ihren Kuchentellern auf und nickten ihnen wohlwollend zu.

Ruben steuerte auf einen Tisch zu, der ihre Blicke nicht erreichte. Bei einer jungen Kellnerin bestellte er einen schwarzen Kaffee für sich und für Sofie einen Cappuccino.

„Kuchen?“, fragte die Kellnerin.

„Nein, danke“, sagte Sofie.

Ruben nahm ihre Hände. „Ich konnte nicht bis Montag warten.“

Er küsste ihre Handgelenke. „Übrigens war ich gestern noch bei der Belle Models Agentur.“

„Aber warum denn?“

Er hob seinen Kopf. „Ich wollte sie mir mal ansehen.“

„Und?“

„Ich habe dort den Mann mit der Lederjacke getroffen. Er heißt Max von Saalfeld. Anscheinend ist er der Starfotograf von der Agentur. Er hatte sich an mich erinnert. Ich soll dir sagen, dass man auf dich wartet.“

Er schaute ihr in die Augen. „Und du wirst hingehen.“

„Möchtest du das?“, entgegnete Sofie.

Er antwortete nicht, weil die Kellnerin gerade mit dem Tablett kam. Ruben schob Sofie den Cappuccino zu.

„Nein“, sagte er.

Er hob seine Tasse und trank einen Schluck. „Zu stark. Zu bitter.“ Und dann weiter, ohne Übergang: „Du wirst viele Männer kennenlernen. Attraktive Männer. Interessante Männer. Sie werden älter sein, als ich. Und ich kann nichts dagegen machen.“

Er fuhr sich mit einer Hand durch die Haare. „Trink deinen Cappuccino, Sofie.“

Er war sichtlich eifersüchtig. Sie nahm einen Schluck.

„Wie alt bist du eigentlich genau?“, fragte er.

„Im April werde ich achtzehn.“

„O Gott. Dann bist du ja noch minderjährig. Wann genau?“

„Am vierzehnten.“

Er kam ihr so viel erwachsener vor. Als sie ihm das sagte, lachte er.

„Ab August bin ich neunzehn.“

„Du bist Löwe“, sagte sie. „Ich lese die Horoskope in der Zeitung.“

„Glaubst du daran?“

„Nicht besonders.“

„Und was sagt es heute über Widdermädchen?“

„Ich soll keine Luftschlösser bauen und die Füße auf die Erde stellen.“

„Das passt“, sagte er. „Jetzt bist du wieder dran. Du wolltest mich was fragen.“

„Woher weißt du das?“

„Ich habe einen heißen Draht zu dir. Also?“

„Was willst du studieren?“

„Künstliche Intelligenz. Roboter. In dieser Richtung. Und du? Im Fall, wenn du nicht Model werden willst.“

„Psychologie.“