Mord an der Limmat - Adriana Weisskopf - E-Book

Mord an der Limmat E-Book

Adriana Weisskopf

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Beschreibung

Die Polizisten Huber und Weiss sollen den Mord an Erika Castioni aufklären. Dabei haben sie immer den Aspiranten Bruno Glätzli im Schlepptau, der eigentlich gar nicht am Fall mitarbeiten darf. Trotzdem ist er immer dabei. Seine Hartnäckigkeit und sein Ehrgeiz weisen am Ende den Weg zur Lösung des Falles. Ein Krimi, der auch hin und wieder ein Lächeln ins Gesicht zaubert.

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Seitenzahl: 219

Veröffentlichungsjahr: 2021

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Adriana Weisskopf

Roman

Mord an der Limmat

Roman

Adriana Weisskopf

Prolog

Nach der Trennung von ihrem Mann Gino sucht Erika Castioni für sich ein neues zu Hause. Nach zwanzig Ehejahren wurde sie von ihm rausgeschmissen und sie muss sich wieder daran gewöhnen, alleine zu sein. Damit tut sie sich sehr schwer.

Ein Immobilienmakler soll für sie eine grosse, luxuriöse Wohnung finden. Roman Falk, ein erfahrener Immobilienmakler weiss, wie er bei seiner weiblichen Klientel seinen Charme einsetzen muss um schnell einen Abschluss machen zu können. Doch weil Erika nicht alleine sein möchte, sehnt sie sich so sehr nach einem neuen Mann an ihrer Seite. So kommt ihr ein solch charmanter Mann wie Roman Falk gerade recht. Sie verliebt sich in ihn – wenn es denn wirklich Liebe ist - oder ist es doch einfach nur die Angst vor dem alleine sein? Nach der Besichtigung einer sehr luxuriösen Wohnung mit Erika an der Bahnhofstrasse in Zürich, kann Roman wieder eine dicke Provision kassieren. Ahnungslos, dass ihm die Begegnung mit dieser Frau, sein ganzes Leben auf den Kopf stellen und ihn vielleicht in sein grösstes Unglück stürzen wird.

An einem sonnigen Herbsttag wird Erika Castioni am Ufer der Limmat aufgefunden. Tod. Beim Anblick der Leiche ist nicht sofort klar, ob sie einem Verbrechen zum Opfer fiel oder an einem natürlichen Tod starb.

Roman Falk und der Ehemann Gino Castioni geraten ins Visier der Polizei. Hauptsächlich ins Visier der Polizisten Huber und Weiss. Das Polizisten-Duo hat stets den Aspiranten Bruno Glätzli im Schlepptau. Eigentlich dürfte dieser bei diesem Fall überhaupt nicht mitarbeiten, sondern soll nur ein Zuschauer und Zuhörer sein. Trotzdem ist er irgendwie immer mitten drin. Sein Ehrgeiz und seine Hartnäckigkeit weisen am Schluss den Weg zur Lösung des Falles.

Kapitel 1

Sie haben sich gemeinsam für eine Familie entschieden und trotzdem sollte die Karriere nicht hintenanstehen müssen. Gino Castioni führt erfolgreich eine Beratungs- und Coachingfirma, die er selbst gegründet und aufgebaut hat. Erika Castioni erlebt ihre Karriere in einer grossen Versicherungsgesellschaft in der sie sich von der Sortiererin, welche die tägliche Post sortiert, verteilt und tagsüber in sämtlichen Büros einsammelt um sie am Abend zur Post zu bringen, mittlerweile zur Abteilungsleiterin hochgearbeitet hat. Von ihren Angestellten wird sie mittlerweile mehr gefürchtet als geliebt. Denn der Wohlstand und ihren Erfolg haben sie in den vergangenen Jahren zu einer harten, kalten und verständnislosen Frau gemacht. Der Kinderwunsch blieb über all die Jahre unerfüllt. Umso mehr konzentrierten sich Erika und Gino auf die Karriere. Vor allem Erika. Für sie gibt es nichts anderes mehr als Karriere, Geld und Macht.

Doch während sich Erika im Laufe der Zeit nur noch auf Luxus und die materiellen Dinge konzentrierte, ist Gino dagegen der Mann geblieben, den er schon immer war. Sanft, gutmütig und sehr verständnisvoll. Allerdings kann er gegenüber seiner Frau nicht mehr so verständnisvoll sein, wie er dies einmal war. Nein, er kann nicht verstehen, wie sie sich derart verändern konnte. Warum sie so geworden ist, dass ihr nur noch materielle Dinge wichtig sind und alles andere spielt so gut wie keine Rolle mehr. Früher war sie anders. Ja, sie war eine liebevolle und einfühlsame Frau.

Gino sitzt in seinem Arbeitszimmer. In Gedanken versunken und berieselt von leiser Musik die im Hintergrund aus den Lautsprechern klingt. `Was ist bloss aus uns geworden`- fragt er sich. Und immer wieder überlegt er, ob die Ehe mit Erika anders verlaufen wäre, wenn sie Kinder hätten. Ob Erika mit Kindern auch so geworden wäre? Sie haben sich doch dafür entschieden, Kinder zu bekommen und trotzdem sollten beide eine Karriere machen können. Doch leider gab es keinen Nachwuchs und Gino trauert in Gedanken den alten Zeiten nach. Den Zeiten, in denen sie noch nichts hatten, dafür aber glücklich waren. Als sie noch zusammen sprechen und diskutieren konnten. Das gemeinsame Lachen fehlt ihm besonders. Ja, wann haben sie das letzte Mal zusammen gelacht? So richtig von Herzen zusammen gelacht? Er kann sich gar nicht mehr daran erinnern. So lange ist das schon her. Mittlerweile sind sie beide über vierzig und Gino hat genug von dieser Ehe. Von der Ehe und aber hauptsächlich von Erika. Wenn er ehrlich zu sich selbst ist, kann er diese Frau nach zwanzig Ehejahren nicht mehr ertragen.

Plötzlich reisst ihn ein lautes Geschrei aus seinen Gedanken. Erika ist nach Hause gekommen. Bevor Gino das Arbeitszimmer verlassen kann um nachzusehen was los ist, steht Erika bereits schnaubend vor ihm. Wutentbrannt und mit sehr lauter Stimme lässt sie Gino wissen, dass irgendein Idiot in der Tiefgarage der Firma in ihr parkiertes Auto gefahren ist. Natürlich weiss sie nicht wer und auch nicht wann das war. Erika kann sich nicht beruhigen. Wiederholt schreit sie Gino an: “Der Wagen ist Schrott. Ich kann doch nicht mit einem Wagen rumfahren, der Schrott ist. Verdammt, Gino. Jetzt sag doch auch mal etwas.“ Erika bleibt mitten im Raum stehen. Mit ihren langen Beinen, in hochhackigen Schuhen, scheint sie fast etwas grösser zu sein als ihr Mann. Sie sieht immer noch gut aus. Die langen, fast schwarzen Haare umbahnen ein schönes, ausdrucksstarkes Gesicht. Allerdings zieht mittlerweile die eine oder andere Gesichtsfalte mehr oder weniger die Blicke auf sich. Doch der Schönheit, die sie immer noch mit sich trägt, tut dies keinen Abbruch.

Gino wendet sich von Erika ab um die Musik, welche immer noch im Hintergrund läuft, aus zu machen. Die Hände nun in den Hosentaschen versenkt und aus dem Fenster blickend hört er sich leise „Erika, es ist nur ein Auto. Man kann das reparieren lassen und dann ist es wieder gut“, vor sich hersagen und merkt dabei, dass er absolut kein Interesse mehr an ihren Dingen und schon gar nicht an ihrem hysterischen Auftreten hat. „Nur ein Auto? Es ist nur ein Auto?“, schreit ihn Erika an. „Gino – es ist mein Auto. Es ist mein Lotus. Es ist nicht einfach nur ein Auto. Verdammt, Gino. Was ist bloss los mit dir?“ Wild gestikulierend geht sie einige Schritte auf ihn zu.

Kopfschüttelnd und genervt geht Gino an Erika vorbei und verlässt das Arbeitszimmer – ohne sie noch einmal anzuschauen oder noch ein Wort zu sagen. Erika kann nicht glauben, dass Gino kein Interesse an der Katastrophe hat, die ihr widerfahren ist. Sie verlässt ebenfalls das Arbeitszimmer und will ihm nachgehen. Doch Gino hat das Haus bereits verlassen. Erika nimmt dies durch das zuschlagen der Haustüre zur Kenntnis.

„Am liebsten würde ich sie umbringen. Kaum zu glauben, dass diese Frau einmal die Liebe meines Lebens war“, jammert Gino. Inzwischen sitzt er mit seinem besten Freund Arno Kuster, den er anrief um ihm sein Leid zu klagen, in einem Restaurant im Niederdorf. Arno Kuster ist ein langjähriger Freund von Gino. Bereits die Schulzeit verbrachten sie zusammen und auch Arno ist heute ein erfolgreicher Geschäftsmann. Doch anders als Gino hat er nie geheiratet und ist überzeugter Single. Wiederholt nippt Gino an seinem Bier, auf das er eigentlich gar keine Lust hat. Nach zweistündigem Klagen hat auch Arno langsam genug von diesem Knatsch, der zwischen Erika und Gino doch schon seit längerer Zeit andauert. Auch Ginos Gejammer wird ihm allmählich etwas zu viel. So bietet Arno seinem Freund an, dass er einige Tage bei ihm wohnen kann, bis er weiss, wie es weiter gehen soll. „Komm“ – sagt er zu Gino und klopft ihm auf die Schulter – „gehen wir. Jedenfalls kann es auch keine Lösung sein, dass du sie umbringst. Es wird eine andere Lösung geben und alles wird wieder gut. Zudem glaube ich auch nicht, dass du in Gefängniskleidung wirklich gut aussehen würdest.“ Arno schmunzelt dabei und ist froh, dass er seinem Freund auch ein Lächeln ins Gesicht zaubern konnte.

Schlaflos liegt Gino bei Arno im Wohnzimmer auf dem Sofa. Er denkt nach. Über sein Leben, seine Ehe und darüber, wie sich Erika in den letzten Jahren verändert hat.  Plötzlich fällt er die Entscheidung, sich von Erika zu trennen. Und zwar definitiv. Und er möchte das sofort tun. `Das alles muss jetzt ein Ende haben`, denkt er sich, nimmt das Mobiltelefon vom Tisch und schreibt eine Kurznachricht an Erika.

Erika

Ich halte es mit dir nicht mehr aus. Ich kann nicht mehr. Du hast eine Woche Zeit, um aus dem Haus auszuziehen. Ich kann dich nicht mehr ertragen und will dich auch nicht mehr sehen.

Gino

Das Haus gehört Gino. Es ist sein Elternhaus, in dem er aufgewachsen ist. Deshalb denkt er keine Sekunde darüber nach, selber auszuziehen und das Haus Erika zu überlassen.

Am nächsten Morgen erzählt Gino seinem Freund von der Kurznachricht, die er an Erika geschickt hat. Er findet es selber nicht ganz in Ordnung, nach zwanzig Ehejahren seine Frau per Kurznachricht über das Mobiltelefon rauszuschmeissen. Aber reden kann man mit ihr auch nicht mehr. Das bringt alles nichts. Arno kann das absolut verstehen und bietet Gino seine volle Unterstützung an. In allem, was noch kommt.

Erika tobt und kann es nicht fassen. Seit sie die Nachricht von Gino gelesen hat ist sie ausser sich. „Was für ein Feigling“ – schreit sie durch das Haus – „er traut sich mir nicht einmal gegenüber zu treten. Das gibt es doch nicht. Nach zwanzig Jahren! Nach verdammten zwanzig Jahren wirft er mich raus.“ Sie ist empört, über die Art, wie Gino zwanzig Ehejahren ein Ende bereiten möchte.

Aufgebracht ruft sie ihre Freundin Claudia an und erzählt ihr, ohne kaum Luft zu holen, was geschehen ist. Es ist Claudia unmöglich alles zu verstehen. Aber sie verstand, dass Erika von Gino aus dem Haus geworfen wird. „Sei mir nicht böse, Erika. Aber ich finde es ist an der Zeit, dass bei euch endlich einen Schlussstrich gezogen wird. So wie es bei euch läuft, kann es doch sowieso nicht weitergehen. Ihr zerbrecht beide daran. Und das ist doch wirklich nicht der Sinn einer Ehe.“ Das waren nicht die Worte, die Erika hören wollte. Trotzdem weiss sie, dass sie keine andere Wahl hat und es Gino ernst meint. Und dass es irgendwann so kommen musste, weiss sie eigentlich auch schon lange. Nur wahrhaben, wollte sie es nicht.

Claudia Erhard, fünfundvierzig Jahre alt begleitet Erika schon seit Jahren als Freundin durch ihr Leben. Auch sie hat Mühe damit, wie sich Erika in den letzten Jahren verändert hat. Negativ, verändert hat. Denn auch ihr gegenüber verhält sich Erika vermehrt abschätzend. Sie findet, dass Claudia mehr aus ihrem Leben hätte machen sollen. Vor allem in beruflicher Hinsicht. Doch Claudia ist mit Leib und Seele Arzthelferin. Schon seit Jahren in der gleichen Praxis eines bekannten Schönheitschirurgen, der auch noch eine eigene Privatklinik hat. Zudem ist sie gegenüber Erika sehr loyal und einfach eine treue Seele. Deshalb schmerzen die abfälligen und überflüssigen Kommentare von Erika in letzter Zeit immer häufiger.

Kapitel 2

„Hallo? Roman Falk hier. Frau Castioni haben Sie jetzt sofort Zeit um eine Wohnung zu besichtigen?“ Erika nickt und denkt nicht daran, dass Roman Falk dies nicht sehen kann. „Hallo?“ – tönt es wieder aus dem Mobiltelefon.    „Ja, selbstverständlich. Bitte entschuldigen Sie“, sagt Erika. Sie notiert sich die Adresse, lässt alles stehen und liegen und eilt aus dem Büro. Roman Falk ist der Immobilienmakler den Erika auf Empfehlung ihrer Freundin Claudia beauftragte, schnell eine Wohnung für sie zu finden.

Eine gute Stunde später steht sie in der Bahnhofstrasse, vor der von Roman Falk genannten Hausnummer. Erika ist gespannt auf ihn. Seine Stimme am Telefon hat sie neugierig auf sein Aussehen gemacht. „Pass auf, wenn du ihn siehst“ – hat Claudia lachend zu Erika gesagt. „Er sieht verdammt scharf aus. Wäre ich nicht glücklich verheiratet… er würde mir gehören.“ Aber wie oft hat Erika schon solche Aussagen von Claudia gehört. Und selten hatten Claudias Worte am Schluss mit der Wirklichkeit viel gemeinsam.

„Hallo. Sie müssen Erika Castioni sein. Ich bin Roman Falk“ – sagt plötzlich die Stimme zu ihr, die sie am Telefon fast schon sprachlos werden liess. Dazu steht ein grosser, eleganter und sehr charmanter Herr vor ihr, der ihre Hand nimmt und während dem Sprechen einen Handkuss andeutet. Ganz, nach alter Schule. Schon diese Geste allein lässt Erika weiche Knie bekommen. „Guten Tag. Ja, ich bin Erika Castioni“, stammelt sie vor sich hin und lässt sich in die sehr grosszügige 3-Zimmer Wohnung in der dritten Etage führen.                                                                 Erika findet kaum einen Weg aus dem Staunen heraus, so schön ist die Wohnung. Und gross. Ja, richtig gross. Roman gibt sich alle Mühe, selbst alle Kleinigkeiten in der Wohnung anzupreisen und hervor zu heben. Er denkt dabei an die Provision die er kassiert, wenn Erika sich für diese Wohnung entscheidet. Denn diese ist nicht unerheblich. Längst schon überzeugt und sicher, dass sie diese Wohnung möchte, lässt sich Erika trotzdem weiter alles zeigen. Sie möchte in der Nähe dieses Mannes sein und hofft, dass dieser Moment noch lange andauert. Sie ist angetan von ihm und von seiner tiefen, aber sehr weichen Stimme.        Nachdem wirklich alles gezeigt und gesagt ist, fragt Roman in beschwingtem Ton: „Was meinen Sie? Das ist doch eine wunderbare Wohnung für eine wunderschöne Frau. Haben Sie sich schon entschieden oder haben Sie vielleicht noch Fragen?“

Erika stösst einen Seufzer aus, fährt mit dem Zeigerfinger über ihre Lippen und schaut ihn lächelnd an. „Wenn du mich Erika nennst und mit mir in den nächsten Tagen Essen gehst, nehme ich die Wohnung. Sie ist einfach ein Traum. Ich bin dir sehr dankbar, dass du mir diese Wohnung gezeigt hast. Auch, dass es so schnell ging. Denn in meiner momentanen Situation eilt es wirklich.“

Roman streckt seine Arme aus, nimmt Erika an ihren Händen und während er sie fast schon zärtlich zu sich hin zieht entgegnet er mit seinem charmanten Lächeln: „Sehr gerne gehe ich mit dir essen. Aber nur, wenn ich dich einladen darf.“                                                                               Natürlich, darf er das. Was soll Erika davon abhalten, eine Einladung von diesem Mann anzunehmen?

Nachdem sie sich verabschiedet haben denkt sie nicht daran, ins Büro zurück zu gehen. In Gedanken träumt sie Roman hinterher. Was für ein Mann! Die Angst vor dem Alleine sein, fesselt ihre Gedanken an ihn und an die Vorstellung, mit Roman zusammen zu kommen. Seit langem fühlt sich Erika wieder einmal zufrieden und glücklich. So beschliesst sie, diesen schönen Spätsommertag noch etwas zu geniessen und schlendert der Limmat entlang in Richtung See. Beim Limmatquai sitzt sie in ein Café und hat wenige Minuten später einen Latte Macchiato vor sich. Nach einer Weile im Café geht sie nach Hause. Schliesslich muss jetzt ein Umzug vorbereitet werden. Und dieser soll so schnell wie möglich über die Bühne gehen. Denn inzwischen ist sie sogar etwas froh, dass Gino sie rausgeschmissen hat und sie dem Ganzen endlich ein Ende bereiten.

„Claudia ? Claudia du hattest recht. Was für ein Mann. Ich spreche von Roman. Roman Falk. Er ist einfach… Ich weiss nicht, wie ich das sagen soll“ – rief Erika in das Telefon, als sie am Abend Claudia anruft um ihr alles zu erzählen und sie davon in Kenntnis zu setzen, dass sie eine Wohnung hat und in den nächsten Tagen umziehen wird. Claudia lachte laut in den Hörer hinein. Hat sie doch gewusst, wie Erika auf diesen Mann reagieren wird.                              

Nachdem alles gesagt ist beenden sie gegen Mitternacht das Gespräch. Nach einem Glas Rotwein schläft Erika auf dem Sofa ein. Und dort erwacht sie auch am nächsten Morgen. Sie ist nachts nicht wach geworden, dass sie hätte ins Bett gehen können. Sie schaut auf die Uhr und stellt mit Schrecken fest, dass es bereits acht Uhr ist. Schnell steht sie auf, denn sie muss zur Arbeit. Einige Besprechungen stehen heute in ihrem Terminkalender, denen sie nicht fernbleiben darf und kann. Das Sofa tat ihren Knochen nicht gut und der Rücken schmerzt auch. Trotzdem muss sie sich beeilen.

„Was soll ich bloss anziehen?“ – murmelt Erika vor sich hin. Bereits der halbe Kleiderschrank ist ausgeräumt und von dort landen die Stücke in Form eines Wäschebergs auf dem Bett. Endlich ein Outfit gefunden und fertig geschminkt macht sie sich auf den Weg ins Niederdorf wo sie sich mit Roman verabredet hat. Nervös und aufgeregt fühlt sie sich - wie ein Teenager beim ersten Date. Aber auch glücklich, dass sie von einem so gutaussehenden und charmanten Mann eingeladen wird.

Der Immobilienmakler hat einen Tisch in einem Restaurant reserviert wo man ihn kennt. Er ist immer wieder mit Kunden nach einem erfolgreichen Geschäftsabschluss dort.

Romans Geste, mit dem Finger auf die leere Flasche Wein zu deuten und zu nicken, fordert den Kellner beim vorbeihuschen auf, noch eine solche zu bringen. Dieser hat die Bestellung verstanden und eilt kurz darauf mit einer weiteren Flasche des sehr teuren Rotwein an den Tisch. Ob alles in Ordnung sei, fragt der aufmerksame und überaus freundliche Kellner, dessen Haare von einer Gelmasse nur so an der Kopfhaut zu kleben scheinen. Beide nicken ihm beiläufig zu und er versteht, dass sie sich in ihrem Gespräch nicht stören lassen wollen. Es ist schon fast Mitternacht, als sie das Restaurant verlassen. Gemütlich schlendern sie ihren Weg entlang, der zu Roman nach Hause führt. In der Dachwohnung angekommen staunte Erika nicht schlecht über diese grosse und luxuriöse Wohnung. Ihr entgleitet nur ein hauchendes „Wow“ über die Lippen. Zu mehr Worten kann es nicht kommen, denn schnell nimmt Roman sie in die Arme und küsst sie. Seine Küsse sind so zärtlich, dass Erika Angst hat, in Ohnmacht zu fallen. Er führt sie küssend in das Schlafzimmer wo sie schnell ihrer Kleidung entledigt wird.

„Guten Morgen“ – flüstert Roman und küsst dabei Erika zärtlich auf die Wange. Erika muss sich zuerst etwas sortieren. Der Wein war gut. Aber es war eindeutig zu viel. Ihr Kopf brummt und sie weiss nicht, ob sie Kopfschmerzen vom Wein oder eine Migräne hat. Doch das tut ihrer Erinnerung an die Nacht keinen Abbruch. Und sie ist sich sicher, dass die vergangene Nacht eine ihrer besten und schönsten war. Erika räkelt sich, flüstert lächelnd ein „Guten Morgen“ und schiebt sich langsam eine Zigarette zwischen die Lippen. Diese angezündet, zieht sie genüsslich daran und lässt danach den Rauch langsam in Kreisen in den Raum entweichen. Am liebsten möchte sie den ganzen Tag im Bett bleiben. „Ich mache uns Frühstück“ – sagt Roman und verschwindet in der Küche.

`Was für ein Mann`, denkt sich Erika erneut. In Gedanken versunken steht sie unter der Dusche und träumt der Nacht hinterher. Plötzlich reist sie der Ruf von Roman aus ihren Gedanken. Das Frühstück ist fertig. Ein Grund, um sich zu beeilen.

„Und? Gehst du heute zur Arbeit?“, fragt Roman. „Nein. Ich denke nicht. Ich werde einige Dinge für die Wohnung besorgen gehen. Aber eigentlich möchte ich lieber wissen, wie es mit uns weiter geht. Was stellst du dir denn vor?“ Natürlich hat Erika eine Vorstellung davon, wie es weiter gehen soll. Ob es wirklich gut ist, sich so schnell nach der Trennung von Gino wieder zu binden, weiss sie nicht. Aber sie hat den Wunsch, mit Roman zusammen zu sein und dem Alleinsein zu entgehen.                                                      Allerdings hat sie sich keine Gedanken darüber gemacht, ob Roman überhaupt eine Beziehung möchte. „Was meinst du? Was soll mit uns weiter gehen?“, fragt Roman und greift fast schon gelangweilt zur Tasse. Sein Ton gefällt Erika überhaupt nicht. Er ist nicht mehr so weich und charmant wie sonst. Plötzlich stellt er die Tasse ab und fährt fort:“ Moment mal. Du glaubst aber nicht, dass wir eine Beziehung haben könnten. Oder?“ Erikas Gesichtsausdruck gibt ihm die Antwort ohne dass sie etwas sagt. Sie ist wie vor den Kopf gestossen und im Innersten verletzt und schockiert. „Erika, das kannst du nicht ernsthaft glauben. Die letzte Nacht war schön. Nein, sie war wunderschön. Aber das war eine einmalige Sache. Sorry – aber eine Beziehung gibt es bei mir nicht. Es tut mir leid, wenn du dir etwas anderes vorgestellt und gewünscht hast.“ Sein Ton war scharf und bestimmt. So, dass dieser Erika etwas ängstlich werden lässt. Tränen rollen über ihre Wangen. Sie versucht sie zurück zu halten. Aber es gelingt ihr nicht. Sie weiss nicht, ob es die Enttäuschung oder die Wut ist, was ihre Tränen rollen lässt. Aber wütend ist sie. Das ist sicher. Und wie!

„Wie kannst du nur?“ – schreit Erika. „Wie kannst du nur? Ich habe mich in dich verliebt. Du hast mit mir geschlafen und am nächsten Tag sagst du mir, dass du keine Beziehung möchtest? Spinnst du? Aber warte nur ab. So etwas macht man nicht mit mir.“ Erika verschwindet im Schlafzimmer um sich anzuziehen. Daraufhin nimmt sie ihre Sachen und geht. Roman zuckt am Tisch etwas zusammen als die Tür hinter Erika ins Schloss fällt. Er wollte nicht, dass es so ausartet. Das war nicht seine Absicht und eigentlich dachte er nicht, dass Erika nach einer zwanzigjährigen Ehe, die soeben erst zu Ende ging, schon wieder eine Beziehung möchte. Er kann das nicht verstehen. Aber er will sich nicht mit solch banalen Dingen aufhalten. Es interessiert ihn nicht und Erika ist ja auch nicht die erste Frau, mit der es so gemacht hat. Er schüttelt den Kopf, geht unter die Dusche und lebt wieder seinen Alltag. Für ihn ist diese Sache abgeschlossen.

Wie in Trance geht Erika am Seeufer entlang. Sie kann es immer noch nicht fassen, dass Roman so mit ihr umgeht.  Es ist ein schöner, sonniger Herbsttag. Erika setzt sich am See auf eine Bank und hält das Gesicht gegen die Sonne, die nicht mehr viel Kraft zum wärmen hat. Trotzdem tun die Sonnenstrahlen gut. Das Mobiltelefon klingelt und ohne auf das Display zu schauen geht Erika schnell ran. Für sie ist klar, dass sich Roman entschuldigen möchte. „Hallo?“, meldet sie sich und ist sichtlich enttäuscht, als sie die Stimme von Claudia vernimmt. Nachdem sich Claudia eine halbe Stunde lang das Leid anhörte einigen sie sich auf ein Treffen und den Umzug von Erika in Angriff zu nehmen. Schliesslich müssen auch noch einige Gegenstände und Möbelstücke aus dem Haus geholt werden. Und das soll geschehen, wenn Gino nicht zu Hause ist.

Im Eiltempo beauftragen Erika und Claudia eine Umzugsfirma, die schon in zwei Tagen Erikas Sachen in die neue Wohnung transportieren soll. Am Nachmittag waren sie einkaufen, damit sich Erika von Beginn an in der neuen Wohnung wohl fühlen kann.

Den Abend verbringen sie in einem Restaurant an der Limmat. Nach einem ausgiebigen Abendessen und viel Wein, schlendern sie gemeinsam zu Claudia nach Hause, die unweit vom Bellevue wohnt. Erika wird die nächsten Tage bei ihr wohnen, bis sie die Möbel in ihrer Wohnung hat.

Schweigend und etwas angetrunken sitzen sie im Wohnzimmer.

„Ich rufe ihn jetzt an“, sagt Erika und nimmt ihr Mobiltelefon zur Hand.

„Wen, rufst du an?“ Claudia blickt in Richtung Wanduhr.

„Roman, rufe ich an. Verdammt ich will ihn. Und das kann er mit mir nicht machen.“

„Spinnst du?“- ruft Claudia. „Es ist fast Mitternacht. Und wenn er doch nichts von dir will. Und überhaupt…“ Sie holt tief Luft, schüttelt den Kopf „…und überhaupt, Erika. Wie kannst du sagen, dass du dich in Roman verliebt hast wo du doch gerade nach zwanzig Jahren Ehe von Gino rausgeworfen wurdest? Weisst du überhaupt noch, was verliebt sein heisst und wie das ist? Oder hast du einfach nur Angst vor dem alleine sein? Du benimmst dich echt wie ein Teenager. Weisst du das?“

Kapitel 3

„Ich mach dir das Leben zur Hölle“, schreit Gino in das Telefon und legt sofort auf. Erika holte Gegenstände aus dem Haus, die Gino behalten wollte. Dass Gino nicht zu Hause war, bot sich als perfekte Gelegenheit, diese Dinge mitzunehmen. Erika wusste, dass diese ihrem Mann viel bedeuten. Für Erika haben sie keine Bedeutung. Doch sie sind wertvoll und sie ist der Meinung, dass ihr diese Dinge zustehen und liess sie gleich vom Umzugsunternehmen einpacken und mitnehmen. Als Gino am Abend von der Arbeit nach Hause kam, sah er das ganze Ausmass von Erikas Umzug. Am liebsten würde er gleich zu ihr hinfahren und ihr den Kopf umdrehen. Wütend rennt er im Wohnzimmer hin und her und schreit alle Schimpfwörter vor sich hin die er kennt. „Umbringen sollte man sie“, schreit er.

Während sich Gino fürchterlich aufregt, liegt Erika in ihrem neuen zu Hause auf dem Sofa und verspürt einen kleinen Hauch von Genugtuung. Seit Gino das Telefonat so abrupt beendete bekommt sie ihr fieses Lächeln nicht mehr aus ihrem Gesicht. „Zum Wohl, Gino“, flüstert sie vor sich hin, hebt dabei das Weinglas in die Höhe und nimmt einen Schluck Rotwein. Dabei geniesst sie das Gefühl etwas Rache genommen zu haben.

Das Glücksgefühl wird allerdings von den ständigen Gedanken an Roman etwas getrübt. Warum will er nichts von ihr wissen? Warum war er so gemein zu ihr? Erika starrt einfach ins Nichts vor sich hin und bekommt keine Antworten auf ihre Fragen. Sie beschliesst, am nächsten Morgen zu Roman ins Büro zu gehen um mit ihm zu sprechen. Anrufen kann sie ihn nicht. Er weist jeden Anruf von ihr ab und drückt sie weg. Doch Erika gibt nicht auf. Nach zwei weiteren Gläsern Wein schläft sie auf dem Sofa ein.

Mit schmerzenden Gliedern erwacht Erika, als sie vom heftigen Klopfen an der Wohnungstür und dem hartnäckigen Klingeln aus dem Schlaf gerissen wird. Mühsam quält sie sich vom Sofa zur Tür. Sofort stürmt Claudia rein. „Erika was soll das? Kannst du mir bitte sagen, was das soll? Roman hat mich angerufen und gesagt, du würdest ihn nicht in Ruhe lassen. Verdammt Erika. Ich habe euch miteinander bekannt gemacht. Hör auf mit diesem Quatsch.“