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Der geplante und umstrittene Bau einer Feriensiedlung ist der Anlass einer brutalen Mordserie in Emden, Ostfriesland. Hauptkommissar Streib und sein Team landen bei ihren Ermittlungen immer wieder in Sackgassen und werden vom Mörder auf falsche Fährten gelockt. Ein digitaler Luxus und eine fehlerhafte Mechanik verhelfen Kommissar Streib in einer überraschenden Wende doch noch zur Überführung des Mörders. Mord Hieve ist das erste Buch der neuen Kriminalroman-Reihe „MordFriesland“ um den Hauptkommissar Peter Streib und Team. Sie stehen immer wieder ungewöhnlichen Mordfällen in der Seehafenstadt Emden gegenüber. Neben den spannenden Mordfällen bringt der Autor auch immer wieder viel Wissenswertes aus der Geschichte und der Kultur Emdens und Ostfrieslands ein. Die Handlungen sind aktuellen Themen der Stadt angelehnt, um damit eine weitere Verbundenheit der Charaktere, Emden und Ostfriesland herzustellen. Das Thema des ersten Buches Mord Hieve ist so ein Thema. Es bestanden echte und auch sehr stark umstrittene Pläne, eine Feriensiedlung an der Hieve zu bauen.
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Seitenzahl: 372
Veröffentlichungsjahr: 2017
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Bei Detlev für das Lektorat und die immer so lustigen
Anmerkungen und Anregungen.
Bei Reiner für die sachlichen Hinweise über die polizeilichen Abläufe.
Für meine Brüder „Hans und Erik“
Die Handlung und die Personen in diesem Roman sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit
lebenden Personen und Organisationen wären rein zufällig und nicht beabsichtigt.
„Den Eersten sien Dod, den Tweeten sien Not,
den Drütten sien Brod“
(Des Ersten Tod, des Zweiten Not und des Dritten Brot)
Ostfriesische Weisheit
Kapitel I
Kapitel II
Kapitel III
Kapitel IV
Kapitel V
Kapitel VI
Kapitel VII
Kapitel VIII
Kapitel IX
Kapitel X
Kapitel XI
Kapitel XII
Kapitel XIII
Kapitel XIV
Kapitel XV
Kapitel XVI
Kapitel XVII
Kapitel XVIII
Kapitel XIX
Kapitel XX
Kapitel XXI
Kapitel XXII
Kapitel XXIII
Kapitel XXIV
Kapitel XXV
Kapitel XXVI
Kapitel XXVII
Kapitel XXVIII
Kapitel IXXX
Kapitel XXX
Kapitel XXXI
Kapitel XXXII
Kapitel XXXIII
Kapitel XXXIV
Kapitel XXXV
Kapitel XXXVI
Epilog
Donnerstag, der 7. Mai
Bei der ersten öffentlichen Ausschusssitzung für die Stadtentwicklung im Mai 2015 ging es hoch her im alten Ratssaal der Stadt Emden und die Stimmung war geladen wie ein Pulverfass.
Zur öffentlichen Diskussion stand für den heutigen Tag ein neues Bauprojekt an der Hieve, in Emden, Ostfriesland, auch einfach das Kleine Meer genannt.
Die lokale Tageszeitung hatte im Vorfeld der öffentlichen Sitzung einige Pro- und Kontraberichte zu dem Projekt einer geplanten, neuen Feriensiedlung an der Hieve, mit unterschiedlichen Reaktionen der Bevölkerung, veröffentlicht.
Die Meinungen waren sehr unterschiedlich und das Projekt umstritten. Nicht alle Bürger der Stadt waren für eine Feriensiedlung, aber die meisten Emder wollten gerne an der Hieve ihr altes und beliebtes Ausflugslokal Köhnemann wiederhaben.
Bevor das Ausflugslokal Köhnemann vor einigen Jahren von seinem Besitzer einfach geschlossen wurde und man es heute nur noch als eine verkommene Ruine bezeichnen kann, war es eine Institution in Emden gewesen. Fast jeder Emder hatte mindestens einmal in der Vergangenheit einen Ausflug mit dem Fahrrad, Auto oder Boot an die Hieve gemacht und die Tour mit einem netten Essen und ein paar Bier, oder einer Tasse Kaffee und einem Stückchen Kuchen abgeschlossen.
Auch fast alle Besitzer eines Hauses am Kleinen Meer, kurz die Meerfahrer genannt, befürworteten die Wiederinstandsetzung des Gastronomiebetriebes Köhnemann.
Dies war auch ein Bestandteil des neuen Bauvorhabens, des Hieve-Projekts, aber sehr zum Leidwesen von Enno Folkerts, dem Stadtbaurat von Emden, wollte die neu gegründete Bürgerinitiative absolut nichts von hundert zusätzlichen Ferienhäusern wissen.
Um einen neuen Gastronomiebetrieb am Kleinen Meer wieder rentabel aufzuziehen, benötigte es mehr als eine Million Euro an Investition und es war allen klar, die würde ein neues Köhnemann allein nicht erwirtschaften können.
Daher wurden die hundert zusätzlichen Ferienhäuser benötigt, um das Projekt Köhnemann überhaupt finanzieren zu können.
Die Wichtigkeit des Projektes für die Stadt Emden zeichnete sich dadurch ab, dass der gesamte Verwaltungsausschuss der Stadt Emden, bestehend aus allen politischen Fraktionen, anwesend war.
Neben dem vollzählig angetretenen Verwaltungsausschuss saßen die Investoren Heinrich Klaasen & Sohn Benjamin Klaasen und nebst deren Planungsarchitekt auf dem Podium.
Sie alle sahen sich einer sehr großen Anzahl von aufgebrachten Bürgern gegenüber und die Stimmung im Saal war total überhitzt.
Neben einigen wenigen nur generell interessierten Emder Bürgern waren mindestens achtzig Vertreter der neu gegründeten Bürgerinitiative zur Rettung der Hieve und zum Schutze der Natur im Sitzungssaal.
Die Mitglieder der Bürgerinitiative buhten den Stadtrat samt Investor schon vor Beginn der Sitzung aus.
Transparente wie „Keine Toleranz für Massentourismus“ oder „Rettet die Natur“ und „Die Hieve den Emdenern“ hingen überall von den Wänden und wurden demonstrativ von den Aktivisten zur Schau gestellt.
Zusätzlich verteilten die Aktivisten an die Anwesenden Pamphlete und Anstecknadeln der Bürgerinitiative.
Mit andauernden Zwischenrufen wie: „Schweinerei“, „Umweltzerstörer“, „Nein zum Massentourismus“ bis hin zu: „Umbringen, das Geldpack“, teilten einige der Anwesenden ihren Unmut bisweilen lauthals mit.
Der Anführer der Aktivisten, Arne Büskens, ein großgewachsener Mann so Mitte fünfzig, hatte sichtliche Probleme, die aufgebrachte Meute ruhig zu halten, und versuchte immer wieder beschwichtigend auf die lautesten Schreihälse in der Gruppe einzuwirken.
Die Gegenpartei, der Investor Heinrich Klaasen, Bauunternehmer aus Emden, saß ganz ruhig, als wenn ihn das Ganze überhaupt nichts anginge, neben dem Stadtrat Enno Folkerts und schaute mit einem arroganten Blick in die Menge.
Er hatte der Stadt Emden vorgeschlagen, die beliebte Gastronomieanlage Köhnemann als eine kombinierte Hotel - und Restaurantanlage wiederzubeleben und um das teure Projekt finanzieren zu können, so ganz nebenbei noch diese Feriensiedlung mit hundert Häusern zu bauen. Er handele, so wie er sich nach außen der Bevölkerung und den Medien präsentierte, natürlich nur zum Wohle der Stadt Emden. Dass er bei dem Hieve-Projekt einen gesunden Profit von ein paar Millionen Euro einstreichen würde, das ging den Pöbel nichts an.
Das eine hatte schließlich nichts mit dem anderen zu tun, war seine Sichtweise der ganzen Angelegenheit.
Ganz anders erging es Enno Folkerts, dem Stadtbaurat der Stadt Emden. Dieser wischte sich ständig nervös und suchend umherblickend den Schweiß von der Stirn. Enno Folkerts wusste zu genau, dass er für das Hieve-Projekt starken Gegenwind von fast allen politischen Fraktionen zu erwarten hatte. Er wusste aber auch mit voller Gewissheit, dass er das Projekt gegen alle Widerstände im Ausschuss durchdrücken würde.
Er hatte dafür schließlich auch sehr gute Argumente geliefert, wie zum Beispiel erhebliche zusätzliche Steuereinnahmen, Schaffung von einigen Arbeitsplätzen und nicht zu vergessen die Förderung des Tourismus für die strukturschwache Stadt Emden, die den Ostfrieslandtourismus dringend als zusätzliche Einnahmequelle nötig hatte.
Wer, bitte schön, sollte es da wagen, ihm einen Strich durch die Rechnung machen zu wollen?, dachte er sich. Außerdem bekam er selbst ja auch noch eine Menge Geld, wenn das Hieve-Projekt in die Realität umgesetzt würde.
Das wussten aber nur er und derjenige, der ihn dafür bezahlte, dass er das Projekt durch die verschiedenen Instanzen der Bürokratie brachte.
Leider aber wusste davon auch seit Neustem ein Erpresser. Das war etwas, das Enno gar nicht gebrauchen konnte und was ihn den ganzen Tag schon so fürchterlich nervös machte.
Der Anruf vom Morgen mit der Forderung nach fünfzigtausend Euro hatte ihm seitdem schon Kopfschmerzen bereitet. Enno dachte, dass er unbedingt, am besten heute noch, mit Heinrich Klaasen darüber reden müsse. Wieder und wieder schaute er nervös suchend durch den Raum. Er studierte jeden einzelnen der Anwesenden und jeden Blick, der ihm zugeworfen wurde. Einige der Aktivisten gifteten ihn offen an, andere senkten die Augen, wenn er in ihre Richtung schaute.
Er kannte die meisten der Bürger im Raum und mit einigen war er sogar befreundet. Nichts verriet ihm, wer der mutmaßliche Erpresser war oder wie er ihn in der Menge ausmachen könnte. Enno war sich ganz sicher, einer von ihnen musste es sein. Der Erpresser war hier im Saal unter den Anwesenden, das spürte Enno förmlich ganz genau. Was bildet sich dieser Schwachkopf eigentlich ein? Er hatte keine fünfzigtausend Euro für einen Erpresser. Er hatte ja selber gerade nur so viel bekommen, damit er das Projekt durch die Instanzen brachte. Das Geld war ihm gar nicht mehr so wichtig, aber Enno hatte Angst, große Angst um seinen Job als Stadtrat. Wenn das herauskäme, dass er sich hatte bestechen lassen, dann konnte er einpacken, und diese Schande würde ihm auch seine Frau nie verzeihen.
Heinrich Klaasen musste ihm helfen, denn durch sein Projekt war er ja erst in diese prekäre Situation geraten. Sie mussten ganz schnell gemeinsam herausfinden, wer der Erpresser war, und dann würde Heinrich das schon regeln, dachte sich Enno. Leider hatte er keinerlei Ahnung und wusste auch nicht, wie sie herausbekommen sollten, wer der Erpresser war.
Enno blickte einfach in zu viele wutentbrannte Augenpaare und stellte sich vor, ein jeder könnte der Erpresser sein.
Er nahm wieder sein Taschentuch und wischte sich ein letztes Mal den Schweiß von der Stirn, sammelte sich kurz und ergriff dann das Wort. Sein Stimme klang zittrig und schwach, ohne die von ihm gewohnte Sicherheit. Man konnte ihm direkt anmerken, dass er mit der aufgeheizten Situation im Saal überfordert war.
„Liebe Bürgerinnen und Bürger, ich begrüße euch alle zur öffentlichen Stadtratsausschusssitzung für das Hieve-Projekt und möchte um Ordnung und Ruhe im Saal bitten. Ruhe bitte, Ruhe, setzt euch alle und lasst uns doch endlich mit der Sitzung beginnen.“
Die Meute beruhigte sich tatsächlich und Enno Folkerts war sichtlich sehr erleichtert darüber, dass er nun unverzüglich mit seiner Rede beginnen konnte.
„Liebe Bürger und Bürgerinnen, zur heutigen Diskussion über das neue Hieve-Projekt wurde schon viel und meines Erachtens zu viel im Vorfeld spekuliert und veröffentlicht. Der Stadtrat hat beschlossen, in einer ersten öffentlichen Ausschusssitzung den Bürgern unserer Stadt Emden das Hieve-Projekt, das von mir als euer Stadtbaurat absolut befürwortet wird, näherzubringen.“
Nachdem er das von sich gegeben hatte, schallten wieder vermehrt die Buhrufe durch den Sitzungsaal und einer der Anwesenden rief sogar lautstark, dass wenn das Projekt realisiert werden würde, Enno Folkerts die längste Zeit Stadtbaurat in Emden gewesen sein würde.
Mit einem vernichtenden Blick in Richtung des Rufers fuhr Enno, diesmal unbeirrt und mit steigender Selbstsicherheit, fort:
„Liebe Bürger, bevor wir hier das Projekt voreilig verurteilen und einige der Anwesenden weitere unqualifizierte Äußerungen in den Raum werfen, sollten wir doch erst einmal die Firma Klaasen & Sohn ihren Plan im Detail der Öffentlichkeit vorstellen lassen. Danach haben dann alle Anwesenden, auch die Bürgerinitiative, immer noch ausreichend Zeit, das Wort zu ergreifen und ihre Bedenken anzumelden.
Nach einer anschließenden öffentlichen Diskussion werden wir dann in den dafür zuständigen Gremien des Stadtrats gemeinsam und nach umfangreicher Analyse, aber auch unter Berücksichtigung aller Einwände der Anwesenden, die Angelegenheit intern beraten.“
„Das Schwein will doch nur auf unsere Kosten Geld machen, dem ist doch die Umwelt und alles, was er dort zerstört, scheißegal!“, schrie Franz Aalhus, einer der Mitbegründer der Bürgerinitiative, und erhielt lauten Beifall vom Publikum.
„Im Meer ersäufen sollte man die Schweine!“, schrie ein anderer, aber nicht klar auszumachender Aktivist aus der Reihe der Bürgerinitiative.
„Mistpack, elendige Profitgeier, mit uns nicht, über den Haufen sollte man die schießen!“, kamen weitere, mehr und mehr bedrohliche Zurufe aus der jetzt aufgeheizten Menge.
Dann wurde es Frerich Niemeyer, Fraktionsvorsitzender der FDP im Rat, zu bunt, er erhob sich und sagte mit lauter kräftiger Stimme:
„Nun ist gut gewesen, und jetzt aber mal Ruhe, Leute, ich bitte euch, keine Zwischenrufe dieser Art weiter zu tätigen, oder wir sehen uns gezwungen, die Sitzung sofort zu beenden und unter Ausschluss der Öffentlichkeit zu einem anderen Termin fortzusetzen, und das wollt ihr, meine lieben Mitbürger, doch wohl alle nicht, oder?“
Nach diesen Worten kehrte endlich wieder einigermaßen Ruhe im Saal ein, sein Wort hatte wie immer Gewicht und Wirkung auf die Menschen der Stadt.
Frerich Niemeyer wurde seit Jahren durch alle politischen Fraktionen hindurch respektiert und er war außerdem sehr beliebt bei der Bevölkerung. Durch seine direkte und offene Art genoss er den Ruf als Vermittler und Schlichter bei umstrittenen Diskussionen, aber er scheute sich auch nie, bei problematischen Themen Klartext zu reden. Wenn ihm aber einmal die Hutschnur platzte, dann war niemals gut Kirschen essen mit Frerich Niemeyer und man war immer gut beraten, besser schnell in Deckung zu gehen.
Nachdem endlich wieder Ruhe im Saal eingekehrt war, setzte man die Diskussion um das Hieve-Projekt fort und Klaasens Architekt, ein blass wirkender junger Mann, begann mit einer PowerPoint-Präsentation, die einzelnen Baustufen und Planungen des Investors vorzustellen.
Er projizierte mit Hilfe seines Laptops und einem Beamer verschiedene Projektzeichnungen und 3-D-Grafiken an die Wand. Kunstvolle, farbige Ansichtszeichnungen des geplanten Restaurants und Hotelbetriebes und andere Lagepläne. Ein Plan zeigte die genaue Lage der hundert neuen Ferienhäuser an der Hieve auf den bis heute noch unbebauten Flächen. Benjamin Klaasen erklärte dann anhand von Statistiken die wirtschaftlichen Kennzahlen und Vorteile, die das Projekt der Stadt bringen würde. Er vergaß dabei natürlich nicht hervorzuheben, dass im Idealfall die zusätzlichen jährlichen Steuereinnahmen der Stadt sich auf circa eine Million Euro belaufen könnten.
Nachdem das Investorenteam ihre Vorschläge für das Hieve-Projekt vorgestellt hatte, wurde vom Sprecher der Bürgerinitiative, Arne Büskens, ein umfangreicher Forderungskatalog vorgelegt und um eine ausführliche Beantwortung von offenen Fragen zum Projekt gebeten.
Der Fragenkatalog wurde vom Stadtrat Enno Folkerts mit Wohlwollen entgegengenommen, aber die Beantwortung hier und heute, unter lauten Buhrufen der Aktivisten, von ihm abgelehnt. Die Begründung dafür lautete, dass die Planungs- und Forderungskonzepte beider Parteien erst einmal geprüft werden müssen und es viel zu verfrüht wäre, weitere Aussagen ohne intensive Analyse zu machen.
Damit beendete er auch gleich die Sitzung, sehr zum Leidwesen der Protestler, die den Saal aber dann nach mehrfacher Aufforderung doch letztendlich mit vielen weiteren, oft unflätigen Bekundungen ihrer Unzufriedenheit nach und nach verließen.
Enno Folkerts war froh, dass die Sitzung so glimpflich abgelaufen war, und stolz auf sich, wie glänzend er die Situation gemeistert hatte. Seine Freude wurde aber gleich wieder getrübt, als er an den Erpresser denken musste.
Er nahm sein Handy aus der Tasche und begann sofort damit eine SMS an Klaasen zu tippen.
„Heinrich, ich muss dringend mit Dir reden, es ist wichtig“, schickte Enno Folkerts per SMS an Klaasens Handy, und wenige Minuten später erhielt er die Antwort.
„Komm bitte zum üblichen Treffpunkt um elf Uhr heute Abend.“ Das werde ich bestimmt, dachte sich Enno, glücklich und erleichtert darüber, dass Klaasen ihm so schnell geantwortet hatte.
Er war sich gewiss, dass Heinrich Klaasen diese miese Angelegenheit mit dem Erpresser schnell in den Griff bekommen würde.
Was Enno Folkerts aber zu dem Zeitpunkt noch nicht ahnen konnte war, dass er das alles gar nicht mehr erleben sollte.
Freitag, der 8. Mai
Benno Nordsieg war mit seinen fünfundsiebzig Lenzen nicht mehr der Jüngste, aber immer noch von recht stattlicher Figur und relativ kräftig. Er merkte in den letzten Monaten aber deutlich, mehr und mehr, wie die Jahre, oder der Zahn der Zeit, wie er immer zu sagen pflegte, seine Kräfte und seine Gesundheit zu beeinträchtigen begannen. Fast fünfundvierzig Jahre hatte Benno auf den Thyssen Nordseewerken als Rohrschlosser gearbeitet und war dann, als die Werft dichtgemacht hatte, in den verdienten Ruhestand getreten. Es war kein Freudentag für ihn gewesen, damals vor dreizehn Jahren im Jahre 2002, als er in den Ruhestand ging. Er hatte sehr gerne auf der Werft in seinem Beruf als Rohrschlosser gearbeitet.
Mit den Frauen, mit Ehe und Familie, hatte es Benno nicht so. Er war sein ganzes Leben unverheiratet geblieben und hatte nur gelegentlich hier und da mal eine Freundin gehabt. Es lag wohl auch daran, dass Benno ganz bestimmt kein Stadtmensch war und sein ganzes Leben, im Sommer wie im Winter, bei Sonne, Sturm und Eis, am Kleinen Meer lebte. Das konnten aber die wenigen Frauen, mit denen Benno zusammen gewesen war, nicht ertragen und war bestimmt mit ein Grund dafür, warum sie ihn immer schon nach ein paar Monaten verließen.
Das raue Klima und das unbeständige Wetter am Meer machten Benno selbst jedoch nichts aus. Er war ein echter Naturbursche und für ihn gab es, wie die Ostfriesen sagen, kein falsches Wetter, sondern immer nur die falsche Kleidung.
Er liebt seine Hieve, das Kleine Meer. Es liegt etwa neun Kilometer nordöstlich von Emden und ist ein natürlicher Flachmoorsee, der in den siebziger Jahren für den Autobahnbau ausgebaggert worden war und an einigen Stellen bis zu zwanzig Meter tief ist.
Die Hieve ist über Kanäle und Tiefs mit dem Großen Meer und dem Loppersum Meer verbunden. Durch das Treckfahrtstief besteht außerdem eine Verbindung zum ostfriesischen Wasserstraßennetz, was wiederum eine Verbindung zum Kanalnetz der Stadt Emden darstellt.
Mit circa dreiundneunzig Hektar Wasserfläche ist es ein eher kleiner See im Vergleich zum Großen Meer, ein wesentlich größerer See gleich nebenan, daher auch der Name, Kleines Meer.
Es ist ein Freizeit- und Naherholungsgebiet, das vor allem von Motorbootfahrern, Seglern, Surfern, Anglern und den Besitzern der vielen kleinen Meerhäuschen rund um den See genutzt wird.
Es gibt keine öffentliche Badestelle, aber die gute Wasserqualität des Kleinen Meers lädt den ganzen Sommer auch zum Schwimmen ein.
Für Benno gab es nichts Schöneres als das Kleine Meer, und er fuhr auch nie, wie andere es jedes Jahr taten, irgendwo anders hin in den Urlaub. Warum soll ich woanders hinfahren, wenn ich hier wunschlos glücklich bin?, begründete er seine Bodenständigkeit, und wer wollte es ihm auch verdenken?
Benno hatte sein kleines Grundstück am Kanal vom Bauern Johann Janssen vor fast vierzig Jahren gepachtet und war einer der ersten Siedler hier am Meer gewesen.
Auf seinem fast sechshundert Quadratmeter großen Stück Land, hier am Tief, dem vorderen Teil der Hieve, hatte er sich seinen Traum erfüllt und ein Haus errichtet.
Es war ein sehr schönes Meerhäuschen, sein ganzer Stolz, und er hatte es eigenhändig, ohne fremde Hilfe, mit seinen eigenen Händen gebaut. Um das Haus herum hatte er sich einen schönen Garten angelegt und Benno liebte die Arbeit an der frischen Luft über alles. In jeder freien Minute war er in seinem Garten, Gemüse pflanzen, Rasen mähen oder was auch immer sonst so anfiel. Seine innere Ordnungsliebe und seine Freude an der gepflegten Natur gaben ihm eine Verpflichtung, alles um sein Haus herum immer tadelos in Schuss zu halten.
Benno hatte die Anfänge der Meerhäuser an der Hieve miterlebt und er kannte das Kleine Meer noch, als es fast nur aus Kuhwiesen und unverbauten Ufern bestand. Heute waren fast alle freien Plätze an den Ufern mit Meerhäusern zugebaut und sie standen sogar schon in zweiter und dritter Reihe. Es machte ihm aber nichts aus, und irgendwie war er sogar ein ganz bisschen froh, dass mehr Menschen am Meer wohnten und er nicht mehr wie früher nur ganz allein hier war. Wenn es nach ihm ginge, konnte hier jeder tun und lassen, was er wollte, nur Unordentlichkeit und verwilderte Gärten konnte Benno nicht ertragen, sie waren ihm ein Gräuel.
Benno war bei den Nachbarn als ein komischer Kauz, der am liebsten für sich allein war, verschrien. Er hatte am Meer nur sehr wenige Freunde, die meisten mieden ihn und fanden ihn auf Plattdeutsch gesagt "tau wiesnösig", was so viel wie "zu neugierig sein" bedeutet.
Benno war irgendwie ein einsamer Mensch, aber nicht unbedingt ein unglücklicher, eben halt ein richtiger Einsiedler, wie man solche Leute früher nannte. Zu viele Menschen auf einem Fleck, das war nichts für Benno, er mochte gerne allein sein.
Er kompensierte seine selbstauferlegte Einsamkeit damit, dass er viel in der Nachbarschaft herumspazierte und ab und zu, mit denen, die ihm nicht schon vorher ausweichen konnten oder wollten, immer ein Schwätzchen hielt.
Benno war aber deswegen keineswegs weltfremd, er wusste immer über alles, was am Meer vor sich ging, und über jeden einzelnen Anwohner am Meer Bescheid. Wenn man etwas über das Kleine Meer und seine Anwohner wissen wollte, war Benno immer die beste Adresse.
Es war wieder einmal ein wunderschöner Maimorgen am Kleinen Meer. Die Sonne war gerade am Horizont aufgegangen und hüllte die Natur unter den Wolken in einen herrlichen rötlichen Glanz.
Für Benno war es die angenehmste Art, den Tag zu beginnen, am Morgen die frische klare Luft einzuatmen. Er beharrte auf dem Standpunkt, und da gab es mit ihm keine Diskussionen: Die ostfriesische Landluft ist die beste Luft der Welt und nirgendwo ist die Luft sauberer oder gesünder.
Wie jeden Morgen um sechs Uhr am Meer, drehte Benno seine übliche Runde, oder auch Patrouille, wie es die anderen bezeichneten, durch die Nachbarschaft. An seiner Seite wie immer sein treuer Hund Wotan, den Benno vor fünf Jahren als Welpen von einem Tierheim bekommen hatte. Wotan war eine interessante Mischung aus Schäferhund und einer anderen, nicht zu definierenden Rasse.
Kein Verkehrslärm drang an Bennos Ohren, nur die Vögel zwitscherten in ihrer unzähligen Vielfalt aus vollen Kehlen. Er lächelte vor sich hin und strich Wotan dabei über den Kopf.
Er war mit sich und der Welt zufrieden. Alles war ruhig und friedlich wie immer und für Benno gab es einfach nichts Schöneres und Erhebenderes als ein solcher Morgen an der Hieve.
Er bewunderte die bunten Dächer der vielen kleinen Meerhäuser, die im Morgentau wie ein Diamantenfeld glitzerten. Er betrachtete die Büsche und Hecken am Wegesrand. Die kunstvoll gewebten Spinnennetze durch den Tau in ihrer einzigartigen, exakten, geometrischen Konstruktion sichtbar gemacht, lösten immer wieder Bewunderung bei Benno aus.
Er hatte seine morgendliche Runde fast beendet, als sein Hund plötzlich den Kopf hob und anschlug. Der Hund hatte etwas gewittert und wollte unbedingt in Richtung Kurzes Tief, einem kleinen Binnenhafen für Segel- und Motorboote, und Benno folgte ihm. Es ergriff Benno sofort ein komisches Gefühl und eine seltsame Unruhe befiel ihn obendrein. Wotan reagierte auf einmal so aufgeregt, der Hund bellte wie verrückt und dirigierte beide in Richtung des kleinen Hafens. Benno kannte seinen Hund so nicht, Wotan war sonst immer sehr ruhig und folgsam, aber heute war er kaum zu halten. Der Hund lief eilig voraus, in Richtung des kleinen Hafens, und Benno, so schnell es seine alten Beine erlaubten, hinterher.
In dem kleinen Binnenhafen an der Hieve lagen den ganzen Sommer über die Segel- und Motorboote der Anwohner an ihren Stegen und Benno kannte jedes einzelne Boot und seinen Besitzer. Oft hatte er im Frühling den Besitzern geholfen, die Boote ins Wasser zu bringen und im Herbst sie wieder aus dem Wasser herauszuziehen.
Wotan stand an der vorderen Uferböschung am Ende des vorgelagerten Spielplatzes und schlug an. Benno, ganz außer Atem, hielt einen Moment inne, um wieder zu Luft zu kommen. Er blickte in Richtung des Wassers, und was er dort nahe der Uferböschung entdeckte, würde er für den Rest seines Lebens nicht mehr vergessen.
Im dunklen braunen Moorwasser, fünf Meter vor der Uferböschung, trieb mit dem Kopf nach unten der leblose Körper eines Mannes!
„Mann, dat is ja ’n Ding“, sagte er laut zu sich selber und befahl Wotan. sich zu setzen und aufzupassen. Wotan war ein durch und durch ausgebildeter Hund, er folgte den Befehlen seines Herrchen sofort, setzte sich ans Ufer und bewachte den Körper im Wasser.
Benno lief so schnell wie noch nie zurück zu seinem kleinen Haus, griff zum Telefon und wählte die Nummer der Emder Polizei. Benno besaß kein Handy, das war nichts für ihn. Er wollte von diesen neumodischen Dingern nichts wissen. Überall liefen die Leute herum wie mit Scheuklappen und glotzten nur noch auf ihre Handys, als wenn es nichts Wichtigeres auf der Welt mehr gäbe. Als in der Polizeizentrale der Anruf entgegengenommen wurde, war Benno immer noch so aufgeregt, das er völlig außer Atem nur einen einzigen Satz hervorbrachte: „Kommen Sie schnell, hier liegt ein Toter im Wasser, am Kleinen Meer am Binnenhafen, machen Sie schnell“, und dann legte er den Hörer auf.
Benno war es ganz egal, wie früh es war, er ging ohne Umschweife direkt zum Kühlschrank, nahm eine Flasche Schnaps aus dem Fach und schenkte sich auf den Schreck erst einmal einen Schnaps oder, wie man in Ostfriesland auch sagt, einen Söpke ein.
Der Anruf von Benno Nordsieg war um Viertel vor acht in der Leitstelle in Wittmund eingegangen. Es erfolgte sofort ein Funkspruch an die Polizeiwache des Polizeikommissariat Emden und der Fund einer Leiche wurde gemeldet. Dort wurde umgehend der Beamte des Arbeitsfeldes 1, das unter anderem für Leichenfunde zuständig ist, informiert. Daraufhin wurde ein Einsatzwagen mit zwei Beamten und der Anweisung, am Kleinen Meer einmal nach dem Rechten zu sehen, beordert.
Polizeioberkommissar Gerold Meier und seine junge Kollegin, Polizeikommissaranwärterin Gesa Kramer, nahmen den Ruf entgegen und waren die Ersten, die am Fundort der Leiche eintrafen.
Benno Nordsieg wartete schon vorne auf dem Parkplatz am Soltendobben auf die Polizei und führte diese dann direkt zum Hafenufer. Er zeigte den beiden Polizisten die Leiche im Wasser.
Er fuhr dann den Einsatzwagen vom Parkplatz zum Spielplatz und parkte dort in sicherem Abstand zum Ufer.
Er und seine Kollegin, Polizeikommissaranwärterin Gesa Kramer, begannen dann damit, den leblosen Körper von einem Ruderboot aus mit Seilen und ein paar Haken ans Ufer zu ziehen. Als sie den Toten nah genug am Uferrand hatten, sprangen sie an Land und zogen den Leichnam mit vereinten Kräften aus dem Wasser.
Schnatternde Enten schauten sich das Spektakel von den umliegenden Bootsstegen an und dachten wohl, dass sie, wie es sonst so üblich war, von den Anwohnern gefüttert werden würden.
Aber nicht nur die Enten verfolgten das Spektakel, es hatten sich auch mittlerweile einige Dutzend Anwohner aus den umliegenden Häusern versammelt. Alle verfolgten mit Anspannung und großer Neugier das grausige Geschehen.
So etwas hatten sie hier noch nicht erlebt und es war eine Sensation an ihrem sonst so ruhigen und idyllischen Meer. Die schnell wachsende Menge von Schaulustigen drängte sich von allen Seiten mehr und mehr ans Wasser, um ein gutes Sichtfeld auf das Schauspiel zu ergattern. Das ging so lange gut, bis es den beiden Polizisten zu bunt wurde.
POK Gerold Meier und seine Kollegin forderten die Gaffer mit barschen Kommandos auf, zurückzutreten, um keine Spuren zu zerstören und um Platz für die Arbeit der Polizei zu machen.
Gemeinschaftlich errichteten sie dann, um den Fundort der Leiche zu sichern und auch um die vielen Schaulustigen von ihrer morbiden Sensationsgier abzuhalten, mit einem offiziellen polizeilichen Sicherungsband eine sehr großzügige Absperrung.
Zusätzlich und genau so, wie sie es in einem der Lehrgänge zur Sicherung eines Leichenfunds gelernt hatten, errichteten sie einen Sichtschutz um den am Ufer liegenden Leichnam. Die Leiche lag auf dem Bauch, und als dann POK Meier die Leiche für eine bessere Identifizierung vorsichtig umdrehte, fiel ihm fast das Frühstück aus dem Gesicht, und er hörte, wie hinter ihm seine Kollegin, PK Anwärterin Gesa Kramer, sich lauthals übergab und würgend die Enten fütterte.
„Reiß dich zusammen, Gesa, und verständige sofort die Polizeiwache, und die sollen schon mal die Kollegen von der Mordkommission auf Trab bringen. Die können auch gleich schon den Gerichtsmediziner, die Spurensicherung und so weiter verständigen; der ist nicht ertrunken, das war Mord!“, rief er ihr zu und fluchte in sich hinein, denn er hatte sofort erkannt, um wen es sich bei der Leiche handelte, auch wenn der das halbe Gesicht fehlte.
Es dauerte danach auch nicht allzu lange und die Kollegen von der Emder Kriminalpolizei trafen am Fundort der Leiche ein.
„Moin, die Kollegen, wir haben hier eine Wasserleiche, und ich kann euch auch schon sagen, es handelt sich bei der Leiche um unseren Stadtbaurat Enno Folkerts“, informierte der POK Gerold Meier die Kommissare.
„Es sieht so aus, als habe man ihm das halbe Gesicht weggeschossen und ihn dann hier ins Wasser geworfen. Kein erfreulicher Anblick, kann ich euch sagen“, fuhr er dann mit seinem Bericht fort.
Kriminalhauptkommissar Klaus Marquart und seine hübsche junge Kollegin, Polizeikommissaranwärterin Anja Kappels, registrierten wohlwollend, dass die beiden zuständigen Polizisten vor Ort schon eine größere Absperrung des Fundortes vorgenommen und um die Leiche herum einen Sichtschutz platziert hatten.
Klaus Marquart schaute sich um, ging zum Sichtschutz vor der Leiche und richtete dann das Wort an POK Meier: „Moin, Herr Kollege Meier, danke für die Informationen und die gute Arbeit bei der Sicherung der Leiche. Haben Sie schon den Gerichtsmediziner verständigt und ist unser Kriminalhauptkommissar Streib informiert? Wo ist der denn?“
„Alles schon in die Wege geleitet, und auch die Wasserschutzpolizei mit den Tauchern ist verständigt, aber ich bin nicht das Kindermädchen vom Hauptkommissar Streib. Vielleicht hatte der ja mal wieder eine harte Nacht“, erwiderte POK Meier mit einem sarkastischen Unterton und grinste Marquart dabei frech an.
„Schon gut, Meier, aber unterlassen Sie besser Ihre Spitzfindigkeiten. Ich glaube kaum, dass das Privatleben von Hauptkommissar Streib Sie irgendetwas angeht“, blaffte Marquart verärgert zurück.
Die Sonne stand jetzt mittlerweile schon hoch am Himmel und strahlte ihr gleißendes Licht auf das Szenario. Marquart hatte, da es ihm warm wurde, seine Jacke ausgezogen und verlangte nach einem Schluck Wasser. Anja, die immer eine Flasche Mineralwasser bei sich trug, gab ihm diese und ging dann wortlos rüber zur Leiche.
Marquart, nachdem er einen Schluck getrunken hatte, folgte Anja hinter den Sichtschutz.
„Na dann wollen wir uns einmal unseren Freund Enno hier etwas genauer anschauen“, sagte Klaus Marquart mit Galgenhumor, als er im gleichen Moment Sigurd Schmitz, den Gerichtsmediziner, entdeckte.
„Siggi, hierher, du kommst gerade recht, wir haben hier einen Floater, dem das halbe Gesicht fehlt, deine Spezialität.“
Der Gerichtsmediziner, Sigurd Schmitz, kurz von allen Siggi genannt, war unmittelbar nach Marquart eingetroffen und kam mit seinem kleinen Arztkoffer in Richtung Marquart gelaufen.
„Ja, ich bin schon unterwegs, du alter Sklaventreiber. Du weißt ganz genau, meine Spezialität sind Enthauptungen von vorlauten Kommissaren, und jetzt lass mich da mal ran, bevor du noch versuchst, den Toten wiederzubeleben. Na, dann lass mal sehen, was haben wir hier denn Gruseliges?“
Sigurd Schmitz beugte sich über die Leiche, öffnete seinen Koffer und begann mit seiner Arbeit.
Ein Taucherteam der Bereitschaftspolizei Oldenburg, die in Emden zu einer Übung waren, machten sich gerade fertig. Sie waren kurzfristig dazugerufen worden und in der Zwischenzeit auch schon eingetroffen. Die Taucher sollten das kleine Hafenbecken abtauchen, um nach Spuren oder einer möglichen Tatwaffe zu suchen.
In dem Moment, als die Taucher ihre Arbeit aufnahmen, parkte ein alter grüner Triumph TR6 neben den Einsatzfahrzeugen, die mit immer noch kreisendem, blinkendem Blaulicht der Szene einen unheilvollen Touch verliehen. Aus dem alten englischen Sportwagen stieg ein etwa ein Meter neunzig großer Mann mittleren Alters in Jeans, offenem Hemd und einem blaugrauen Blazer. Er trug seine vollen blonden Haare halb lang, einen Dreitagebart und hatte stechende, stahlblaue Augen. Im Mundwinkel hing eine Zigarette, die er dann in einem von Kippen überquellenden Aschenbecher seines Wagens ausdrückte.
„Na da bist du ja endlich, Chef, wir warten schon auf dich. Klaus ist schon ganz ungehalten. Du kennst ihn ja, wenn er überfordert ist“, empfing ihn Anja Kappels außer Hörweite der anderen.
Polizeikommissaranwärterin Anja Kappels war sechsundzwanzig Jahre alt, unverheiratet und ständig mit neuen Liebhabern im Beziehungsstress. Seit sechs Monaten war sie Peters neue Kollegin. Er hielt große Stücke auf Anja und mochte ihre unkomplizierte Art. Sie war fast einen Meter achtzig groß, durchtrainiert, schlank, hatte lange dunkelbraune Haare und war obendrein noch gut aussehend. Im Dienst war sie sehr dezent, fast bieder gekleidet, dort sah man Anja fast immer nur mit einem dunklen Hosenanzug, dunkler Bluse und flachen festen Schuhen. Ab und zu, wenn es ihr danach war, kam sie auch in ihrem weniger dezenten Freizeitlook, aber ohne Schmuck, ins Büro, und das war dann immer Anlass für Klaus, sich mit Anja anzulegen. In ihrer Freizeit hielt sich ihr Sinn für Mode stark in Grenzen. Dann kleidete sie sich nach Peters Geschmack immer etwas zu schrill und zu bunt. Anja trug, wenn sie nicht im Dienst war, meist enge Jeans in allen Farben und lange bunte Pullover. Außerdem hatte sie ein Faible für auffälligen Modeschmuck und andere Accessoires, die sie manchmal stündlich wechselte. Mindestens drei bis fünf Ringe, ein geflochtenes Armband und mehrere Ohrringe gehörten dann zu ihrem Freizeitoutfit.
Make-up aber schien in beiden ihrer Welten nicht wirklich zu existieren und außer etwas Kajal für ihre blassblaugrauen Augen benutzte sie kaum etwas. Dies wirkte sich aber sehr zu ihrem Vorteil aus, denn gerade deshalb wirkte sie immer sehr natürlich und Männer drehten sich ständig nach ihr um.
„Was gibt es denn so dringlich, mich am Morgen so früh aus dem Bett zu holen? Wenn ich richtig verstanden habe, ist ein Besoffener ins Wasser gefallen und ertrunken. Konntet ihr das nicht alleine erledigen?“, grummelte Peter Streib, Erster Kriminalhauptkommissar und leitender Ermittler der Polizeiinspektion Emden/Leer, sichtlich ungehalten.
„Hast wohl wieder eine lange Nacht gehabt, was? Wie hieß sie denn?“, fragte Anja Kappels mit einem verschmitzt wissenden Lächeln. „Und ich muss dich leider enttäuschen, es handelt sich hier nicht um einen Besoffenen, der ertrunken ist, sondern um Mord.“
Hauptkommissar Peter Streib war dreiundvierzig Jahre alt und hatte den Ruf als Nachtschwärmer, der Frauen anzog wie die Motten das Licht.
Das war aber nur ein Teil seines Rufes; als junger aufstrebender Kommissar in der Landeshauptstadt Hannover war er der erfolgreichste Ermittler der Mordkommission gewesen.
Mit oft zum Teil sehr unorthodoxen Methoden hatte er einige wichtige und spektakuläre Fälle gelöst. Dann, wie aus dem Nichts, war er vor sechs Monaten nach Emden strafversetzt worden. Man munkelte im Revier unter den Kollegen, dass er angeblich wegen einer Liebesaffäre einem Generalstaatsanwalt in Hannover das Nasenbein zertrümmert hatte. Die genauen Umstände und Gründe seiner sechsmonatigen Suspendierung und der anschließenden Strafversetzung nach Emden waren aber nur ihm und der Oberstaatsanwaltschaft in Hannover bekannt, und so sollte es, wenn es nach ihm ginge, auch bleiben.
Peter und Anja hatten in der kurzen Zeit seiner Tätigkeit in Emden ein gutes kollegiales Verhältnis entwickelt. Sie hatte eine „Crush“ auf ihn und würde sofort mit ihm ins Bett gehen, aber er hielt sie auf eine nette freundschaftliche Distanz. Sex und Arbeit passten einfach nicht zusammen, war seine Devise. Er hatte diese leider schon einmal außer Acht gelassen und es hatte ihn deswegen nach Emden verschlagen.
Emden, Ostfriesland, die richtige Stadt, um Karriere zu machen!
„He, he, he, das geht dich gar nichts an, Fräulein Kappels.“ Peter grinste und strahlte sie dabei mit seinen blauen Augen an.
„Sage mir lieber, was hier los ist, Anja, und beschränke dich bitte nur auf die Fakten, mir brummt noch immer etwas der Schädel“, fuhr er fort und schlenderte langsam mit den Händen in den Taschen in Richtung Marquart und Sigurd Schmitz.
Er atmete ein paarmal tief durch und die frische Luft hier an der Hieve tat ihm und seinen Kopfschmerzen so richtig gut. In seiner natürlichen, immer alles beobachtenden Art begann er seine unmittelbare Umgebung zu sondieren. Er sah die vielen Gesichter der neugierigen Anwohner und Schaulustigen, aber niemand verhielt sich auffällig oder stach in irgendeiner Weise hervor. Was ihm aber sofort auffiel war, es war alles so bestechend und extrem grün hier. Keinerlei Verkehrslärm war zu hören, mal abgesehen von einem tief fliegenden Hubschrauber, der gerade im Landeanflug auf den Emder Flugplatz über ihren Köpfen donnerte.
Anja, die nach oben schaute und dem vorbeifliegenden Hubschrauber hinterherblickte, brachte Peter auf den Stand der Dinge.
„Alles, was wir bis jetzt wissen, ist, dass der Tote Enno Folkerts hieß und Stadtbaurat der Stadt Emden war. Das Opfer wurde erschossen. Mann, ich sage dir, das halbe Gesicht fehlt, sieht furchtbar aus.
Er wurde vermutlich hier ins Wasser geworfen. Keine Spur von der Tatwaffe, die Polizeitaucher suchen noch, aber es ist unwahrscheinlich, dass sie etwas finden. Der Fundort der Leiche ist mit großer Wahrscheinlichkeit nicht der Tatort, da keinerlei Blutspuren oder sonstige Spuren darauf hinweisen, dass die Tat hier geschehen ist.
Das ist so weit alles, was wir haben“, schloss Anja ihren Bericht, als sie am Sichtschutz, hinter dem die Leiche lag, angekommen waren.
„Moin, Peter. Na endlich ausgeschlafen? War wohl wieder eine harte Nacht“, kam es von Klaus Marquart, der zusammen mit Sigurd Schmitz gebeugt über der Leiche kniete.
„Lass mal gut sein, Klaus, ich bin ja jetzt hier. Was haben wir denn hier Schönes?“, fragte Peter und blickte auf die Leiche.
Hauptkommissar Klaus Marquart war siebenundvierzig Jahre alt, durch und durch Familienmann. Er war mittelgroß und das ruhige Leben in Emden hatte seine Spuren in Form von leichtem Übergewicht und einem sichtbaren Bauchansatz hinterlassen. Seine Frau verordnete ihm ständig irgendwelche Diäten, aber nichts half so richtig und, um ehrlich zu sein, er liebte einfach gutes Essen zu sehr. Klaus war seit fast zwanzig Jahren mit seiner Frau Ingrid, die er noch aus seiner alten Heimatstadt Oldenburg her kannte, glücklich verheiratet. Er hatte zwei Kinder, die sein ganzer Stolz waren, seinen siebzehnjährigen Sohn, Torben, und seine vierzehn Jahre alte Tochter, Marlene. Sie hatten vor zehn Jahren ein Haus in Borssum gekauft und die Familie mochte den fast noch ein wenig altdörflichen Charme dieses Stadtteils von Emden.
Klaus war kein Draufgängertyp, eher ein sehr zurückhaltender Mensch, der manchmal sogar etwas ängstlich wirkte. Er hatte keinerlei Ambitionen, was seine eigene berufliche Karriere anbelangte, und liebte seinen ruhigen Job bei der Emder Polizei.
Man sagte von ihm, dass er ein guter Kriminalist war, aber dass es für ihn auch immer nur Schwarz oder Weiß gab und er sich damit die Dinge oft etwas zu einfach machte.
Peter schätzte ihn, und Klaus Marquart war eine gute Ergänzung für sein Team. Er galt als ein akribisch arbeitender Kommissar, ein gewissenhafter Mensch und war absolut verlässlich. Er war immer gut für das Herausfinden von allen zugänglichen und oft auch unzugänglichen Informationen in einem Fall. Nichts konnte man vor Klaus verborgen halten, er fand immer alles heraus, besonders die Dinge oder Daten, die nicht gefunden werden sollten.
„Eine richtig scheußliche Sache, Peter“, sagte Marquart und zeigte auf das halb fehlende Gesicht des Toten.
„Es handelt sich bei dem Toten, laut POK Meier, um einen gewissen Enno Folkerts, Stadtbaurat von Emden. Irgendjemand konnte den wohl nicht allzu gut leiden und hat ihm ins Gesicht geschossen. Es muss eine ziemlich großkalibrige Waffe gewesen sein, ich würde auf Kaliber neun Millimeter oder noch größer tippen. Der Schuss ist aus einem Gewehr oder aus einer Pistole aus nächster Nähe abgefeuert worden. So viel steht einmal fest, aber Genaueres wird uns die Gerichtsmedizin sagen, nicht wahr, Siggi?“
Damit endete Marquart seinen kurzen Bericht und klopfte Sigurd Schmitz auf die Schulter.
„Ja, ja, ihr Klugscheißer, gebt mir etwas Zeit und ich sage euch auch, wer der Mörder war, das Motiv, wo ihr ihn findet, und wenn gewünscht, nenne ich euch auch noch den Vornamen seiner Großmutter. Ihr könnt dann in aller Ruhe zurück in euer Büro gehen und weiter an euren teuren Schreibtischen pennen“, spuckte es sarkastisch von Siggi zurück.
„Also alles, was ich bis jetzt sagen kann, ist Folgendes: Der Mord geschah gestern Nacht zwischen elf und Mitternacht, die genaue Todeszeit lässt sich nur schwer bestimmen, da die Leiche mehrere Stunden im kalten Wasser lag. Genaueres zur Todesursache und zur Todeszeit kann ich erst dann sagen, wenn ich die Leiche im Institut obduziert habe.“
Sigurd Schmitz war fünfundfünfzig Jahre alt und von unscheinbarer Gestalt. Er war der Gerichtsmediziner der Stadt Emden und nach außen hin ein alter Griesgram, Sarkast und Zyniker, dem absolut nichts heilig war. In Wirklichkeit war er aber ein gutmütiger Mensch und ein treuer Ehemann. Er liebte seine Klara, klein und rund, wie sie war, über alles, was sich auch daran zeigte, das er Vater von sechs Kindern war. Sigurd kam ursprünglich aus der benachbarten Stadt Norden, war aber wegen seiner Frau und ihrer Familie vor mehr als fünfundzwanzig Jahren nach Emden gezogen. Er war gleichermaßen mit Leib und Seele Physiker wie Mediziner. Die Physik in der Rechtsmedizin wurde zu seiner Berufung und die physikalischen Probleme im Umfeld der Schussverletzung zu seinem Hobby. Sigurd hatte Anfang der achtziger Jahre an der Universität in Bonn erst einmal Physik und dann Medizin studiert. Er schrieb wissenschaftliche Arbeiten über Wundballistik, über die Geschichte der Feuerwaffen und ihrer Munition. Er war weltweit eine anerkannte Koryphäe und hielt unter anderem auch Vorlesungen auf internationalen, gerichtsmedizinischen Kongressen.
„Unsere Lordschaft ist heute Morgen etwas gereizt“, klärte Marquart die anderen auf. „Seine liebe Klara hat ihm gestern wieder einmal eröffnet, dass sie schon wieder schwanger ist. Das wievielte Mal jetzt, Siggi, sechs oder sieben? Hast du eigentlich keinen Fernseher oder andere Hobbys?“, Marquart lachte und alle anderen lachten mit ihm, und sogar Siggi stimmte ein, obwohl, wenn er an den weiteren Nachwuchs dachte, ihm nicht allzu sehr nach Lachen zumute war.
Nachdem sich alle wieder beruhigt hatten, sagte Peter und wischte sich dabei eine Lachträne aus dem Auge: „Mann, Klaus, wo holst du nur immer diese Sprüche her? Aber jetzt einmal Spaß beiseite. Ich denke. du kümmerst dich hier am besten vor Ort um die Spurensicherung und um die Befragung der Anwohner. Nimm dir die Kollegen von der Wache mit, geht von Haus zu Haus und fragt die Anwohner, ob jemand gestern Nacht etwas gehört oder gesehen hat.
Anja und ich fahren inzwischen zur Frau von Folkerts, überbringen ihr die Nachricht vom Tod ihres Mannes und versuchen herauszufinden, wer ihm nach dem Leben trachtete.
Siggi, du regelst die gerichtsmedizinische Untersuchung und siehst zu, dass ich den Bericht so schnell wie möglich auf dem Schreibtisch habe.
Alles klar, noch Fragen? Dann los an die Arbeit.“
Damit drehte Peter Streib sich um, lief zu seinem TR6, winkte Anja, ihm zu folgen, sie stiegen ein, und er fuhr mit ihr davon.
Die Rollenverteilung im Kommissariat war klar definiert. Er, Peter, traf die Entscheidungen, und alle waren froh, dass er es tat. Sie vertrauten ihm und seinem Ruf.
Es war nicht oft, dass in Emden ein Mord geschah, und vor allen Dingen nicht, dass dem Stadtbaurat von Emden das halbe Gesicht weggeschossen wurde.
Was zu dem Zeitpunkt aber noch keiner wusste oder ahnen konnte war, dass es nicht bei diesem einen Mord bleiben würde.
Im Auto auf dem Weg zurück in die Stadt zündete Peter sich erst einmal eine Zigarette an. Nach der schönen Strecke durch den Hammrich bis nach Uphusen, wo die Straße gut ausgebaut war, folgte die Wolthuser Straße. Peter fluchte über den schlechten Zustand der Straße.
Sein alter Triumph TR6 flog alle paar Meter über einen der zahlreich herausstehenden Gullydeckel, Bodenwellen oder eines der notdürftig geflickten Schlaglöcher. Bei jedem Gullydeckel oder Schlagloch schmiss es ihn und Anja hin und her im Wagen und Peter befürchtete, dass sein Wagen eventuell sogar Schäden davontragen würde. Er liebte seinen alten Triumph TR6, oder kurz auch Stag genannt, über alles und hasste es, wenn er ihn über schlechte Straßen quälen musste.
Auch wenn sich in der Presse und Literatur viel Ablehnung und Spott über den Stag wiederfinden, gilt der Stag heute als verkannte Größe, und der britische Rennfahrer Stirling Moss hält den Stag Achtzylinder sogar für einen der zehn besten britischen Sportwagen. Peter war egal, was die Leute über seinen Wagen sagten, er genoss immer wieder die sanfte Kraftentfaltung der 146 Pferdchen auf die Hinterachse und er fuhr am liebsten offen. Für ihn war es das ultimative Autofahren, mit dem Verdeck runter sich den Wind durch die Haare wehen zu lassen und den Himmel über sich zu sehen. Sein geliebter Stag war Baujahr 1975, und man kann guten Gewissens behaupten, schon ein richtiger Oldtimer. Wenn er nicht gerade in der Werkstatt war, was leider hin und wieder mal vorkam, war der Wagen einfach ein Traum zu fahren.
‚Rumms.’, machte es, der Stag flog wieder über einen Gullydeckel und Peter fluchte laut. Die Straße, wenn man es denn noch eine Straße nennen konnte, bedurfte wirklich auf ihrer ganzen Länge dringend einer totalen Sanierung.
Er hatte vor Wochen in der Emder Zeitung gelesen, dass die Sanierung schon beschlossene Sache war, aber dass die Arbeiten auf eine Dauer von über fünf Jahren ausgelegt waren. Fünf Jahre, sind wir denn im Mittelalter? Kein Wunder, dass der Stadtbaurat von Emden bei solchen Entscheidungen erschossen wurde, dachte er sich insgeheim.
Peter musste bei dem Gedanken über sein mögliches Motiv für Folkerts Ableben schmunzeln, fragte sich dann aber sofort allen Ernstes, wer wirklich ein Motiv haben könnte, Enno Folkerts ins Gesicht zu schießen und ihn auf so eine grauenhafte Art und Weise umzubringen.
Nun, das war seine Aufgabe, es herauszufinden, er war der Kommissar, und er schwor sich, er würde alles tun, um den Mörder seiner gerechten Strafe zuzuführen.
Er hing seinen Gedanken noch eine Weile nach und versuchte sich auf den Fall zu konzentrieren, aber alles in seinem Kopf kreiste um sein neues Umfeld in Emden.
Im kalten November letzten Jahres war Peter nach Emden in Ostfriesland gezogen und hatte ein Apartment im Hochhaus Schreyers Hoek mitten in der Innenstadt bezogen.
Er mochte die Wohnlage auf der Landzunge im Stadtzentrum und speziell den Ausblick von seinem Apartment auf den nächtlichen Hafen Emdens. Es war so ein zentraler Ort, in weniger als fünf Minuten war er zu Fuß in der Fußgängerzone und dem Emder Nachtleben. Ein Vorteil war auch, er brauchte nie ein Taxi, wenn er nachts nach einem Kneipenbummel, allein oder in Begleitung, zurück in seine Wohnung wollte.
Emden war geprägt von einer gemischten Kneipenlandschaft, nicht zuletzt wegen der hohen Arbeitslosigkeit. Irgendwo war immer etwas los und es gab für jeden Geschmack etwas. Da war das „Maxx“ für die, die immer noch, so wie er, den Zigarettenrauch beim Biertrinken brauchten. Gegenüber lag die ewige „Kulisse“, eine aus dem Viertel nicht wegzudenkende Traditionskneipe. Das „Mojito“, eine Cocktailkneipe mit Latino-Speisekarte, lag gleich um die Ecke. „Sams Bistro“ am Marktplatz, direkt neben der „Mozo-Disco“. „Der Rettungsschuppen“ und der „Manila Karaoke Pub“ wiederum gegenüber davon. Nicht zu vergessen in der Bollwerkstraße das „Café Einstein“ für die alternative Szene.
Daneben und dazwischen gab es noch viele weitere Kneipen, Cafés, Restaurants, Karaoke-Pubs und Bars, die aufzuzählen ein ganzes Buch benötigen würde, aber die alle in weniger als fünf Minuten zu Fuß im Stadtkern und von Peters Wohnung aus zu erreichen waren.
Der krönende Abschluss eines jeden gelungenen Kneipenbummels ist und bleibt aber für viele Emder das „La Grotta“ bei Toni direkt am Delft. Dort treffen sich die übrig gebliebenen Nachtschwärmer, die auch um vier Uhr morgens noch nicht nach Hause gehen wollen und weiter machen, bis es hell wird oder Toni den Laden endlich dichtmacht.