Mörderische Aussichten: Thriller & Krimi bei Droemer Knaur #11 - Jack Jordan - kostenlos E-Book

Mörderische Aussichten: Thriller & Krimi bei Droemer Knaur #11 E-Book

Jack Jordan

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Beschreibung

Verschwörungen, Nervenkitzel, Psychoterror, knifflige Mordfälle und dunkle Geheimnisse – all das erwartet Sie in dieser Leseproben-Sammlung. Im rasanten Thriller »Die Herzchirurgin« von Jack Jordan muss sich die erfolgreiche Ärztin Anna Jones zwischen Hippokratischem Eid und Mutterliebe entscheiden. Ihre Babysitterin wurde ermordet, ihr kleiner Sohn entführt und die Täter stellen Anna vor die Wahl: Entweder lässt sie den beliebten Politiker Ahmed Shabir, der als nächster Premierminister gehandelt wird, in zwei Tagen auf ihrem OP-Tisch sterben – oder ihr Sohn wird sein Leben verlieren … Rätselhaft, raffiniert und hochspannend wird es im neuen Thriller »Escape Time« von Chris McGeorge. Shirley Steadman kann kaum glauben, was sie da im Radio hört: lokale Nachrichten, harmlose Unfälle – aber das Datum ist das von morgen! Erst denkt die 70-Jährige, dem Sender, den sie zufällig entdeckt hat, sei ein Fehler unterlaufen. Doch am nächsten Tag ereignet sich alles exakt wie gemeldet. Fasziniert und beunruhigt zugleich schaltet Shirley den Sender immer häufiger ein. Doch dann berichtet der Nachrichtensprecher von einem Mord. Und Shirley ist die Einzige, die ihn verhindern kann. Humorvoll und mit geballter Frauenpower geht es in Giulia di Fanos »Vier Signoras und ein pikantes Geheimnis« gegen die italienische Mafia! Im 2. Band der coszy Crime-Reihe um die Profilerin Anna Antonelli und ihre drei Freundinnen aus dem Krimi-Leseclub kehrt Annas Vater zurück – den sie vermeintlich nur wenige Wochen zuvor beerdigt hatte. Doch Annas Vater Gennaro hat seinen Tod nur vorgetäuscht, da er vor Jahren eine Affäre mit der Frau des Capo di tutti i capi (dem Boss der Bosse) hatte – und der Don Rache schwört. Viel zu tun für Anna und ihre cleveren Freundinnen aus dem Leseclub. Diese und weitere Geschichten von Autor:innen wie Veit Etzold, Stephen Amidon und Ellery Lloyd finden Sie in den Mörderischen Aussichten von Droemer Knaur. Nervenkitzel und beste Unterhaltung garantiert! Das kostenlose eBook enthält Leseproben zu: - Jack Jordan, »Die Herzchirurgin – Wer mordet besser als eine Ärztin?« - Veit Etzold, »Die Zentrale« - Chris McGeorge, »Escape Time – Die Morde von morgen« - Giulia di Fano, »Vier Signoras und ein pikantes Geheimnis« - Stephen Amidon, »Das Ende von Eden« - Ellery Lloyd, »Der Club – Dabeisein ist tödlich« - Shelley Burr, »Hell«

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Seitenzahl: 296

Veröffentlichungsjahr: 2022

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Jack Jordan / Veit Etzold / Chris McGeorge / Giulia di Fano / Stephen Amidon / Ellery Lloyd / Shelley Burr

Mörderische Aussichten: Thriller & Krimi bei Droemer Knaur

Ausgewählte Leseproben von Jack Jordan, Veit Etzold, Shelley Burr u.v.m.

Verlagsgruppe Droemer Knaur GmbH & Co. KG.

Über dieses Buch

Verschwörungen, Nervenkitzel, Psychoterror, knifflige Mordfälle und dunkle Geheimnisse – all das erwartet Sie in dieser Leseproben-Sammlung.

 

Im rasanten Thriller »Die Herzchirurgin« von Jack Jordan muss sich die erfolgreiche Ärztin Anna Jones zwischen hippokratischem Eid und Mutterliebe entscheiden. Ihre Babysitterin wurde ermordet, ihr kleiner Sohn entführt, und die Täter stellen Anna vor die Wahl: Entweder lässt sie den beliebten Politiker Ahmed Shabir, der als nächster Premierminister gehandelt wird, in zwei Tagen auf ihrem OP-Tisch sterben – oder ihr Sohn wird sein Leben verlieren …

 

Rätselhaft, raffiniert und hoch spannend wird es im neuen Thriller »Escape Time« von Chris McGeorge. Shirley Steadman kann kaum glauben, was sie da im Radio hört: lokale Nachrichten, harmlose Unfälle – aber das Datum ist das von morgen! Erst denkt die 70-Jährige, dem Sender, den sie zufällig entdeckt hat, sei ein Fehler unterlaufen. Doch am nächsten Tag ereignet sich alles exakt wie gemeldet. Fasziniert und beunruhigt zugleich schaltet Shirley den Sender immer häufiger ein. Doch dann berichtet der Nachrichtensprecher von einem Mord. Und Shirley ist die Einzige, die ihn verhindern kann.

 

Humorvoll und mit geballter Frauenpower geht es in Giulia di Fanos »Vier Signoras und ein pikantes Geheimnis« gegen die italienische Mafia! Im 2. Band der Reihe um die Profilerin Anna Antonelli und ihre drei Freundinnen aus dem Krimi-Leseclub kehrt Annas Vater zurück – den sie vermeintlich nur wenige Wochen zuvor beerdigt hatte. Doch Annas Vater Gennaro hat seinen Tod nur vorgetäuscht, da er vor Jahren eine Affäre mit der Frau des Capo di tutti i capi (dem Boss der Bosse) hatte – und der Don Rache schwört. Viel zu tun für Anna und ihre cleveren Freundinnen aus dem Leseclub.

 

Diese und weitere Geschichten von Autor:innen wie Veit Etzold, Stephen Amidon und Ellery Lloyd finden Sie in den Vorab-Leseproben zu den Spannungstiteln von Droemer Knaur, die im Frühjahr und Sommer 2023 erscheinen. Nervenkitzel und beste Unterhaltung garantiert!

Inhaltsübersicht

Vorwort des Lektorats

Jack Jordan | Die Herzchirurgin

Veit Etzold | Die Zentrale

Chris McGeorge | Escape Time

Giulia di Fano | Vier Signoras und ein pikantes Geheimnis

Stephen Amidon | Das Ende von Eden

Ellery LLoyd | Der Club – Dabeisein ist tödlich

Shelley Burr | Hell

Vorwort des Lektorats

Liebe Leser*innen,

 

seid im Frühjahr wieder dabei, wenn bei Droemer Knaur die Messer gewetzt werden. Erlebt aus sicherer Entfernung, wie eine Herzchirurgin das Leben eines Patienten gegen das ihres Sohnes eintauschen muss, eine junge Bankerin in die mörderischen Abgründe der Finanzwelt hineingezogen wird, ein Piratensender die Morde von morgen im Radio verkündet und ein Privatdetektiv einen neunzehn Jahre alten Cold Case wieder aufrollt. Und das ist nicht einmal alles: Auch ein Krimi-Lesekreis, die italienische Mafia, ein Privatclub mit Unterwasserrestaurant und eine perfekte amerikanische Vorstadt warten in diesem eSampler auf euch!

 

Wir wünschen schlaflose Nächte und starke Nerven!

 

Euer Droemer-Knaur-Team

 

PS: Wir sind gespannt auf eure Meinung. Besucht uns auf Instagram und erzählt uns, auf welchen Roman ihr euch am meisten freut: Auf @droemerknaur teilen wir alle Neuigkeiten rund um unsere Bücher mit unserer Community.

Jack Jordan

Die Herzchirurgin

Aus dem Englischen von Sigrun Zühlke

Über dieses Buch:

Anna Jones ist eine erfolgreiche Herzchirurgin und seit Kurzem alleinerziehende Mutter. Sie steht also unter Dauerstress, und die Aussicht, in zwei Tagen dem bekannten und beliebten Politiker Ahmed Shabir, der als der nächste Premierminister gehandelt wird, einen mehrfachen Bypass zu setzen, trägt das ihre dazu bei. Trotzdem ist Anna zuversichtlich, was die Operation angeht – bis sie abends nach Hause kommt und dort anstatt ihrer Nachbarin, die als Babysitterin aushilft, und ihres Sohnes Zack einen Haufen sehr zwielichtiger Typen vorfindet, die sich in ihrem neuen Haus zu schaffen machen. Ehe sie sich von ihrem Schreck erholt hat, erklärt einer der Männer ihr ganz ruhig, dass ihre Nachbarin tot sei und sie ihren Sohn entführt hätten. Ihr Haus, ihr Telefon, ihr Auto und überhaupt ihr ganzes Leben werde von nun an streng überwacht – und ihre einzige Chance, Zack lebend wiederzubekommen, bestünde darin, dafür zu sorgen, dass Shabir die Operation nicht überlebt. Sollte sie irgendjemanden ins Vertrauen ziehen, würde der Junge sofort getötet und sie bei nächster Gelegenheit ebenfalls.

Als Anna wieder halbwegs klar denken kann, beginnt das Ringen. Sie setzt dem Primum non nocere des hippokratischen Eides – dem Schwur, zuallererst keinen Schaden am Patienten anzurichten – in ihrer Verzweiflung das Triage-Prinzip entgegen – wenn von zwei Patienten nur einer gerettet werden kann und man als Arzt entscheiden muss, wer die besseren Lebenserwartungen hat. Wie wird sie sich entscheiden?

TEIL1
1 Anna
Donnerstag, 4. April 2019, 16:32 Uhr

An meinem Hals ist Blut.

Nur ein einziger Tropfen, kaum größer als eine Sommersprosse. Ein geradezu winziges Detail, wenn man die gesamte Szene betrachtet. Vor mir liegt ein aufgeschnittener Mann mit blank liegenden Knochen, die schwarzen, teerbefleckten Lungenflügel auseinandergedrückt, um das Herz freizulegen. Und dennoch, trotz dieses dramatischen Anblicks, drehen sich meine Gedanken um diesen kleinen Spritzer, der sich in meine Haut brennt.

Ich nehme das Skalpell von der linken Hand in die rechte und rolle mein Handgelenk, bis ich das befriedigende Knacken unter der Haut spüre.

Alle Augen sind auf mich gerichtet, schätzen die Ruhe meiner Hand im grellen Licht der OP-Leuchten ab. Auch unter ihren prüfenden Blicken bleiben meine Handflächen trocken und mein Griff ruhig und sicher. Doch unter meiner OP-Kluft schlägt mein Herz so heftig, dass ich es beinahe schmecken kann.

Peters Downings Herz hingegen liegt regungslos da.

Sein doppelter koronarer Bypass hatte vollkommen unkompliziert verlaufen sollen, bis es plötzlich anders kam. Nachdem ich mir den Weg durch seinen Brustkorb geschnitten und gesägt hatte, hatte ich versucht, aus einem Stück seiner Beinvene eine Umleitung für den blockierten Abschnitt der Aorta zu bauen, um wieder einen freien Blutzufluss zum Herzen zu ermöglichen. Als ich die Aortenklemme entfernte, um den Blutfluss wieder in Gang zu bringen, und die kaliumgesättigte Lösung wegspülte, die Peters Herz stillgelegt hatte, hätte es eigentlich aus seinem medizinisch induzierten Schlummer erwachen sollen.

Ich starre in seinen klaffenden Brustkorb und warte auf ein Zucken, eine Kontraktion, den ersten, lebensrettenden Ruck.

Nichts.

»Lunge aus, bitte.«

»Lunge aus«, wiederholt Dr. Burke.

»Zurück auf Maschine.«

»Zurück auf Maschine«, ruft Karin von der Perfusionsstation zurück.

Ich reiche meiner Assistentin das Skalpell und warte in der ohrenbetäubenden Stille. Als die Herz-Lungen-Maschine die Aufgabe des Herzens wieder übernommen hat, spüre ich, wie die Anspannung im Raum sich löst wie ein heißer, abgestandener Seufzer.

»Geben wir ihm noch eine Minute«, sage ich und klemme die Aorta erneut ab. »Das arme Ding ist wahrscheinlich vollkommen fertig.«

»Sind wir das nicht alle?«, witzelt Dr. Burke mit einem aufmunternden Zwinkern über seine Brille hinweg.

Eine mitfühlende Geste, aber wir wissen beide, dass ich hier auf mich allein gestellt bin. Bis zu diesem Punkt ist jede Operation ein Gemeinschaftswerk: Dr. Burke kümmert sich um die Medikation, die Beatmung und die Überwachung der Parameter; Karin kontrolliert die Herz-Lungen-Maschine, der Arzt am Fuß des Tisches entnimmt das Stück Beinvene für die Transplantation. Jeder Spezialist hat seine eigene Assistenz. Neben mir steht Margot, die mir Besteck und Tupfer anreicht. Aber wenn es ums Herz geht, liegt die Verantwortung allein bei mir.

Eine Hitzewelle versengt mir den Rücken, kribbelt mir über die Schulterblätter.

Konzentrier dich.

Ich mustere die Brusthöhle. Der Bypass ist gut gelungen, die Transplantate sind sauber gesetzt, mit luftdichten Verbindungen. Wir haben dem Herz Zeit gegeben, sich zu erholen, haben einen Medikamentencocktail verabreicht, um die elektrische Aktivität zu stimulieren, und haben auf metabolische Abweichungen von der Norm oder andere Probleme getestet, die wir eventuell übersehen haben könnten. Ich habe mein Werk wieder und wieder gecheckt und noch einmal versäubert, in der Hoffnung, auf einen Fehler zu stoßen, den ich beheben kann. Nichts hat funktioniert.

Ich werfe einen Blick auf die Uhr. Wir nähern uns rasch dem Ende des Vierstundenfensters, das wir haben, bevor das Herz unwiederbringlich Schaden nimmt. Sobald das verstrichen ist, wird jede weitere Sekunde zu einem Nagel am Sarg unseres Patienten.

Auf meiner Oberlippe kribbelt der Schweiß. Ich muss an den Rat denken, den mir mein Mentor einst gegeben hat:

Zeige niemals, dass du nervös bist. Wenn du in Panik gerätst, geraten sie ebenfalls in Panik. Du kannst ein Schiff nicht in den Hafen bringen, wenn die Mannschaft über Bord gesprungen ist.

Ich greife in die Brusthöhle und umschließe das Herz des Patienten mit der Hand, drücke es ein paarmal leicht zusammen und lasse wieder los, in dem Rhythmus, in dem es so lange geschlagen hat. Dann entlasse ich es sanft aus meinem Griff. Das Fleisch ist da, wo ich es berührt habe, rosig geworden und sieht beinahe hübsch aus, wie eine von der Kälte gerötete Wange.

»Versuchen wir es noch ein letztes Mal«, sage ich.

Langsam löse ich die Aortenklemme, verlängere das Leben des Patienten, so lange ich kann. Das Blut strömt in das Herz.

Nichts geschieht.

Wieder drücke ich das Herz, doch auch nachdem das Kalium ausgespült ist, fühlt es sich seltsam kalt an, feucht und glitschig.

Komm schon, Peter.

Meine Schultern verspannen sich, als ich mich über den Tisch beuge und meine ganze Kraft in die Bewegung lege, mit der ich das Herz massiere. Schweiß sammelt sich auf meinem Gesicht. Margot tupft jeden Tropfen schweigend ab.

Ich weiß nicht genau, wie viel Zeit vergangen ist – eine Minute, zehn –, doch als ich von der Brusthöhle aufblicke, am ganzen Körper schwitzend und hinter meiner Maske schwer atmend, wird mir klar, dass das gesamte Team mich mitfühlend ansieht. Da trifft es mich mit voller Wucht.

Dieses Herz wird nie wieder schlagen.

Stressschmerzen pulsieren hinter meinen Augen; die verspannten Muskeln in meinen Schultern krampfen. Ich blicke auf meine Hände hinunter, die von der Anstrengung schmerzen und zittern, und erlaube mir einen winzigen Seufzer.

»Herz aus, bitte.«

Karin nickt und wendet den Blick ab. Ein Mensch wird heute sterben, und wir werden seinen Tod orchestrieren. Ich mit dieser Anweisung. Sie, indem sie den Schalter umlegt.

»Herz aus«, bestätigt sie.

»Lunge aus, bitte.«

»Lunge aus«, antwortet Dr. Burke.

Und dann warten wir.

Die Herz-Lungen-Maschine kommt zum Stillstand. Die Schläuche leeren sich, während das Blut in das Kreislaufsystem des Patienten zurückfließt. Und dann das Unvermeidliche: die flache Linie eines reglosen Herzens auf dem EKG-Monitor. Das Schrillen des EKG-Alarms gellt durch uns alle hindurch, füllt den OP-Saal, hallt von den Apparaten wider, von den gefliesten Wänden und jeder Edelstahlfläche.

Ich sehe auf die Uhr.

»Zeitpunkt des Todes: 16 Uhr 53.«

2 Anna
Donnerstag, 4. April 2019, 17:10 Uhr

»Mein herzliches Beileid.«

Ein schwächerer Chirurg hätte in diesem Moment vielleicht auf seine Schuhe hinuntergeblickt. Zu sehr auf sich selbst bedacht, um den Blick der Angehörigen des verstorbenen Patienten auszuhalten, in dem Moment, wo ihnen das Herz bricht. Aber ich sehe Mrs Downing in die Augen und werde Zeugin von allem: des beinahe tonlosen, erschrockenen Luftholens, als der Schlag sie trifft, der Tränen, die in ihren Augen glänzen und dann überquellen. Neben mir tritt Schwester Val aus der Kardiologie nervös von einem Fuß auf den anderen.

Ich habe Mrs Downing beim Erstgespräch mit ihrem Mann kennengelernt und gesehen, wie sie mein Büro mit hoffnungsvoll federnden Schritten verließ. Es war ein Routineeingriff mit sehr geringem Risiko. Mein Ruf und meine Erfahrung halfen ihr, nachts in den Schlaf zu finden, und sie waren es auch, die ihren Ehemann dazu brachten, die Einverständniserklärung zu unterschreiben. Bald, wenn sich der erste Schock gelegt hat, wird sie mich dafür hassen.

»Hat er gelitten?«, fragt sie mit brechender Stimme.

»Nein. Er hat nichts gespürt.«

Vielleicht hält sie mich für kaltherzig, dass ich ihr direkt in die Augen sehen kann, aber ich bin einfach nur geübt darin. Mit der Zeit habe ich gelernt, Angehörige eines Patienten nicht mit allzu viel Anteilnahme anzusehen, damit sie sich nicht bevormundet fühlen, aber auch nicht mit allzu viel Traurigkeit, die sie mit Schuldbewusstsein verwechseln könnten. Hätte ich zu breit gelächelt, als ich auf sie zukam, hätte ich Mrs Downing falsche Hoffnungen gemacht. Eine Herzchirurgin muss Herzen nicht nur reparieren können, sie muss auch wissen, wie sie sie am schonendsten bricht.

»Mrs Downing«, sage ich ruhig und umkurve behutsam ihren Schock, »meine Kollegin Val wird Sie jetzt begleiten und alle Ihre Fragen beantworten. Wenn Sie irgendetwas brauchen, zögern Sie bitte nicht, darum zu bitten.«

Val nimmt Mrs Downings Hand und führte sie behutsam zum Stuhl. Sie schafft es, ihr Schluchzen zurückzuhalten, bis ich die Tür hinter mir schließe; erst dann darf die britische Selbstbeherrschung sich in nichts auflösen.

Unwillkürlich schließe ich die Augen und hole tief Luft, um mich zu sammeln, bevor ich mich auf den Weg zur Umkleide mache. Ich habe seit Längerem keinen Patienten mehr verloren, und mit einem Mal überkommt mich die Angst, dies könne der Anfang einer Pechsträhne sein. Doch ich schlage mir diesen Gedanken schnell aus dem Kopf.

Das ist nicht ein Scheitern nach einer langen Reihe von Erfolgen. Bleib auf dem Teppich.

Doch ob aus Gewohnheit oder Überzeugung, ich weiß, dass ich diese OP so schnell nicht aus dem Kopf bekommen werde.

Ich betrete den Umkleideraum und reiße mir auf dem Weg zu meinem Spind den Kittel vom Leib, dann verliere ich mich rasch in Gedanken, während ich mich umziehe.

»Alles in Ordnung?«

Margot steht an dem Spind neben meinem und bindet sich das Haar zum Pferdeschwanz. Der Ansatz muss nachgefärbt werden.

»Alles gut.«

Im Geist bin ich die gesamte OP noch einmal durchgegangen, habe wie besessen jedes Detail noch einmal unter die Lupe genommen, auf der Suche nach dem Augenblick, als Mr Downings Herz zu versagen begonnen hatte. Offensichtlich gelingt es mir nicht so gut wie sonst, meine Gedanken zu verbergen. So was macht ein Scheitern mit einem: Es verbeult die Rüstung, erlaubt kurze Blicke auf die empfindlichen Stellen dahinter.

»Sie hätten nicht mehr tun können.«

»Ich weiß«, lüge ich. »Danke.«

Ich spüre ihren Blick einen Herzschlag zu lang auf meinem Gesicht ruhen. Meine Stimme hat ausdruckslos und direkt geklungen. Ohne Emotion. Sie muss mich für herzlos halten. Vielleicht hat sie recht.

Bevor ich den Todeszeitpunkt festlege, bin ich immer unmenschlich kalt. Ich wühle mit derselben emotionalen Anteilnahme in einer Brusthöhle herum wie ein Elektriker, der neue Leitungen legt. Ich denke nicht an den Menschen, der unter den OP-Tüchern liegt, oder verschwende auch nur einen Gedanken an die Familienangehörigen, die draußen darauf warten, dass ihre Welt sich entweder geraderückt oder implodiert. Ich würde verrückt werden, wenn ich das täte. Erst wenn ich den OP-Saal verlasse, lasten die Folgen meines Handelns auf mir, und ich spiele die ganze Prozedur immer wieder im Kopf durch.

»Bereit für Samstag?«, fragt sie flapsig.

Das hatte ich vergessen. Mr Downings OP hat mich abgelenkt. Der Stress sickert augenblicklich in mich zurück.

In zwei Tagen werde ich eine der wichtigsten Operationen meiner Karriere durchführen: drei verstopfte Arterien von Ahmed Shabir mit Bypässen überbrücken. Shabir ist Abgeordneter des Wahlkreises Redwood und, falls man den Gerüchten Glauben schenken darf, der künftige Vorsitzende der Labour Party. Von allen Eingeweihten wird er nur »Patient X« genannt; sie sind darauf eingeschworen, die Operation vor der Öffentlichkeit geheim zu halten, um seine Chancen bei der nächsten Wahl nicht zu beeinträchtigen. Es geht doch nichts darüber, das Schicksal eines potenziellen Premierministers in den Händen zu halten.

»Natürlich.«

Margots Handy klingelt. Sie wirft einen Blick auf das Display und steckt es in die Handtasche, wo es sich ausklingeln kann. Ich erhasche einen Blick auf den Namen Nick, bevor es in ihrem Spind verschwindet, und hole mein eigenes Telefon aus meiner Tasche, um die Nachrichten zu lesen, die Zack und ich uns im Lauf des Tages geschickt haben.

Zack

Ich will nicht allein fahren, bitte. Du hast versprochen, du kommst mit.

Das hatte er mittags geschickt. Während mein Sohn eigentlich spielen sollte, hatte er mir geschrieben und sich Sorgen gemacht. Zwischen zwei OPs hatte ich ihm geantwortet; mir war so übel vor schlechtem Gewissen, dass ich mein Essen nicht anrührte.

Ich

Ich möchte mehr als alles andere auf der Welt mit dir in die Ferien fahren, aber ich habe sehr kranke Patienten, die ohne meine Hilfe nicht gesund werden können. Wir fahren in den Sommerferien irgendwohin, nur du und ich. Überleg dir schon mal, wohin du willst, ich kümmere mich dann darum. XXX

Zack

Immer sind die wichtiger

Darauf war mir nichts eingefallen.

»Schon was vor heute Abend?«

Margot dreht sich eine Zigarette und fährt mit der Zungenspitze am Rand des Papierchens entlang, bevor sie sie zuklebt und sie sich hinters Ohr steckt.

Sie hat jetzt schon ein paarmal versucht, eine Freundschaft zwischen uns zu erzwingen, fast als wäre das eine Challenge, die sie für sich selbst ausgerufen hat. Aber ich vermische berufliche Beziehungen nicht mit persönlicher Zuneigung. Wenn Kollegen zu vertraut miteinander werden, passieren unvermeidlich Fehler. Ein Operationssaal ist keine Entspannungsoase. Eine gewisse Anspannung ist für alle Beteiligten wesentlich sicherer.

Ich nehme meine Jacke aus dem Spind und streife sie über.

»Nein, nichts Besonderes. Mein Bruder nimmt morgen meinen Sohn über die Osterferien mit nach Cornwall, also bleibe ich heute Abend bei ihm zu Hause, bevor er morgen fährt.«

Sie kennt das Leben einer Angestellten im öffentlichen Gesundheitsdienst gut genug, um zu fragen, warum ich nicht mitfahre. Zumindest dafür bin ich ihr dankbar.

»Wie kommt er so zurecht mit allem?«

Meine Hand erstarrt am Reißverschluss.

»Bitte?«

Ihre Augen weiten sich angesichts der plötzlichen Schärfe in meiner Stimme. Sie lässt ihren Blick auf meine Hände fallen.

»Na ja, Sie tragen Ihren Ring nicht mehr.«

Meine Wangen brennen, Zorn wallt in mir auf. Ich nehme die Tasche aus dem Spind und knalle ihn zu.

»Das ist privat«, fauche ich und drehe mich zur Tür um. »Wir sehen uns morgen.«

»Ja«, antwortet sie stumpf und murmelt dann leise vor sich hin.

Zicke.

Ich bleibe an der Tür stehen, eine ganze Reihe Erwiderungen auf der Zunge, gehe dann jedoch hinaus und schließe die Tür mit leisem Klicken.

Als ich an meinem Auto ankomme, erstarre ich.

In der verzerrten Spiegelung der Autoscheibe wirkt mein Gesicht beinahe wie ein Totenschädel: dunkle, umschattete Augenhöhlen, scharfe Wangenknochen und ein vorspringendes Kinn.

Wer um Himmels willen soll dich jetzt noch wollen?

Ich steige ein und werfe meine Handtasche auf den Beifahrersitz. Der Motor springt mit einem müden Grummeln an, und lauwarme Luft bläst aus der Lüftung gegen die beschlagene Windschutzscheibe. Ich lehne mich zurück und schließe die Augen.

Zack wird inzwischen zu Abend gegessen und es sich auf dem Sofa vor dem Fernseher gemütlich gemacht haben, während Paula die Küche aufräumt und noch ein paar andere Hausarbeiten erledigt, auf die sie dabei stößt. Wenn mir früher, in der Stadt, eine meiner Nachbarinnen angeboten hätte, mein Kind von der Schule abzuholen und die Geschirrspülmaschine einzuräumen, hätte ich ihr die Tür vor der Nase zugeknallt und die Kette vorgelegt. Schon beeindruckend, was ein paar Meilen und nackte Verzweiflung alles ändern können.

Dies ist das erste Mal seit sechs Stunden, dass ich mich hinsetzen kann, und ich spüre jedes meiner Gelenke. Der Gedanke, noch mit dem Hund auf einen Abendspaziergang zu gehen, erfüllt mich mit Schrecken, aber dann denke ich an Bärs kleines Gesicht, und mein Herz sinkt. Zack den Hund zu besorgen, den er sich so sehr gewünscht hatte, würde meine Abwesenheit weniger spürbar für ihn machen, hatte ich gehofft. Doch ich hatte nichts erreicht, außer der Liste derjenigen, die ich anscheinend immer wieder enttäusche, noch einen weiteren Namen hinzuzufügen.

Ich denke an mein Spiegelbild im Autofenster, wie erschöpft ich ausgesehen habe, und klappe die Sonnenblende herunter, um mich in dem kleinen Spiegel genauer zu betrachten. Meine Haut ist bleich, mein Gesicht wirkt unter dem leichten Make-up abgespannt, und ich habe dunkle Schatten unter den Augen. Besagte Augen sind blutunterlaufen, während meine Lippen beinahe jede Farbe verloren haben. Mit den Fingerspitzen ziehe ich die Haut straff, um die Zeit zurückzudrehen, und erstarre, als ich ihn sehe.

Der Blutspritzer ist immer noch an meinem Hals.

Panisch beuge ich mich vor und kratze mit den Fingernägeln an meiner Haut, bis sie wund und rot ist, während mein Puls aufgeregt unter meinen Fingerspitzen trommelt. Das Blut ist getrocknet und blättert ab. Als der Fleck endlich weg ist, sind lange, gezackte Kratzspuren an seine Stelle getreten. Ich schließe die Augen und sinke gegen die Rückenlehne zurück.

Der Impuls ist wieder da.

Es hat schon die ganze Zeit an mir genagt, seit das Herz sich geweigert hat, wieder anzuspringen. Wie ein Wurm in meinem Gehirn, der sich unentwegt windet und meine Konzentration zerfrisst. Ich reiße die Augen auf. Die müde Frau im Spiegel erwidert gereizt meinen Blick.

Ich schäle den Streifen falscher Wimpern vom rechten Auge, um das beinahe wimpernlose Lid bloßzulegen. Nur hier und da ist noch eine übrig.

Seit Wochen habe ich dem Drang nicht mehr nachgegeben. Einen Abend lang habe ich an losen Fäden gezogen, als ich auf dem Sofa saß, habe an meinen Nagelhäuten gezupft, bis sie bluteten, habe alles getan, um mich von dem einen abzulenken, das mich wirklich beruhigt: dem Zwang, der mich heimsucht, solange ich mich erinnern kann.

Meine Fingerspitzen kribbeln, als ich mir vorstelle, wie ich sie an die Augenlider hebe. Ich balle die Hände zu Fäusten, um das Verlangen zu zerquetschen, und zerdrücke dabei versehentlich die falschen Wimpern. Mit einem Fluch versuche ich, den Streifen wieder glatt zu ziehen, aber vergebens: Die Wimpern sind verkrumpelt wie die Beine einer toten Spinne, die steif in ihrem Netz hängt. Ich ziehe auch den anderen Streifen ab, drücke sie beide zu einem Ball zusammen und werfe sie in den Fußraum des Beifahrersitzes.

Der Drang ist nicht vergangen. Ich schiebe die Ärmel der Jacke hoch und inspiziere die Haare auf meinem Unterarm. Blonde, mürbe kleine Dinger, einige ziemlich schräg gewachsen, andere zweigeteilt nach Jahren des Ausreißens. Wenn ich es schon tue, sage ich zu mir selbst, dann sollte ich den Arm nehmen. Leichter zu verbergen. Weniger demütigend. Aber es ist einfach nicht dasselbe.

Zögernd hebe ich die Hand ans Auge, als könnte ich mich selbst überlisten, und betaste eine Wimper. Das Verlangen wird stärker, bis ich an nichts anderes mehr denken kann: Dieser eine, zwanghafte Gedanke blockiert wie ein dicker Stein mein Gehirn. Ich rolle die Wimper zwischen meinen Fingerspitzen, um den Moment voll auszukosten. Mir wird ganz schwindelig von dem Tauziehen in meinem Kopf, bevor ich schließlich nachgebe: und zupfe. Ein winziges Ploppen, gefolgt von unmittelbarer Erlösung. Erleichterung flutet über mich hinweg. Ich vollende das Ritual, indem ich die Wimper auf meine Zunge lege.

Dann schrecke ich zusammen, weil mein Handy klingelt, und erhasche dabei einen kurzen Blick auf mein Gesicht im Spiegel. Meine Wangen sind rosig vor Ärger, und ich schäme mich dermaßen, dass ich meinen eigenen Blick nicht erwidern kann.

Ich bin irre. Eine kranke, perverse Irre.

Ich schlucke die Wimper hinunter und reiße das Telefon aus der Tasche. Adams Name steht auf dem Display. Ich nehme den Anruf über die Freisprechanlage an und fahre los.

Sieh einfach zu, dass du nach Hause kommst.

»Hi«, sage ich verblüfft.

»Hi, alles okay?«

»Ja, ja. Und bei dir?«

»Auch. Ich bin gerade in Amsterdam gelandet, dienstlich, und dachte, ich melde mich mal.«

Es entsteht eine lange, angespannte Pause. Wir haben erst ein paar Worte gewechselt, und doch spüre ich bereits, wie sich mir die Nackenhaare sträuben. Ich erreiche die Ausfahrt des Parkplatzes und biege auf die Hauptstraße ab. Nicht mehr weit, und ich bin zu Hause.

»Bist du im Auto?«, fragt er.

»Ich komme gerade von der Arbeit. Gibt’s einen Grund, warum du anrufst?«

Ich halte an einem Zebrastreifen, während Adam am anderen Ende zögert. Eine Frau humpelt auf einen Rollator gestützt über die Straße, gebeugt, um das Gesicht vor dem eiskalten Wind zu schützen.

So wirst du auch bald sein, sagt die Stimme in meinem Kopf. Faltig und einsam.

Ich knirsche mit den Zähnen, bis die Kieferknochen knacken.

»Mein Anwalt will noch mal über das Geld verhandeln«, sagt Adam schließlich.

Das Lenkrad ächzt unter meinem Griff. Ich trete aufs Gaspedal. Der Motor heult auf, sodass die alte Frau zusammenzuckt, als sie den Bürgersteig auf der anderen Seite erreicht.

»Nein, du willst noch mal verhandeln.«

»Es tut mir leid, Anna.«

»Wenn du mehr verlangst, muss ich das Haus verkaufen. Das weißt du. Zack tut sich sowieso schon schwer mit den ganzen Veränderungen.«

»Ich bin pleite.«

Ich schnaube. »Wir sind alle pleite.«

»Nein, ich meine richtig pleite.«

Ich biege von der Hauptstraße ab und fahre The Avenue entlang, eine lange, gewundene Straße mit weit auseinanderstehenden Häusern. Meins liegt direkt hinter der Kurve am Ende einer kleinen privaten Stichstraße, nicht einsehbar von den anderen Häusern aus. Daneben sind nur Paulas Haus und ein kleines Wäldchen, das uns vom hinteren Teil des Krankenhausgeländes abgrenzt. Wenn ich daran denke, wie Adam und ich vor gut einem Jahr zum ersten Mal hierhergefahren sind, in dem Glauben, ein Umzug aus London, aus der Stadt heraus, würde uns retten! Verzaubert von den langen Gartenwegen und der Vorstellung unseres eigenen kleinen Refugiums abseits des Getümmels.

»Der Grund, weshalb wir ein kleines Vermögen für unsere Anwälte ausgeben, ist, dass die für uns verhandeln«, sage ich, während ich in die Privatstraße einbiege. »Du hast mir versprochen, dass wir die Scheidung denen überlassen und unsere Kommunikation auf Zack konzentrieren.«

Kleine Steinchen prasseln gegen den Unterboden des Wagens. Links stehen Hecken, rechts ist der Wald. Weiter vorne taucht das Dach meines Hauses allmählich zwischen den Bäumen auf.

»Mein Anwalt hat dich kontaktiert, Anna. Du hast nicht reagiert.«

»Mein Gott, ich versuche hier, einen Vollzeitjob mit dem Dasein als Alleinerziehende unter einen Hut zu bekommen! Nimm mal ein bisschen Rücksicht darauf.«

Ich komme an meine Zufahrt und trete voll auf die Bremse.

Adam verteidigt sich, aber ich höre seine Worte nicht mehr. Meine gesamte Aufmerksamkeit wird von den Transportern einer Umzugsfirma beansprucht, die meine Auffahrt zuparken. Meine Haustür steht sperrangelweit offen, und als ich genauer hinsehe, erkenne ich Silhouetten hinter den Fenstern, die sich bewegen.

Da sind Leute in meinem Haus.

3Anna
Donnerstag, 4. April 2019, 18:02

Ich hole so scharf Luft, dass ich beinahe daran ersticke. Das Geräusch stoppt Adam mitten im Satz.

»Was ist denn?«

»Da sind Gerichtsvollzieher im Haus!«

»Was?«

»Gerichtsvollzieher! Hier stehen überall Umzugswagen. Es sind Leute drin …«

»Bist du sicher? Wie sollen die denn reingekommen sein?«

»Spielt das jetzt eine Rolle? Wie pleite bist du genau?«

»Hör mal, dreh jetzt nicht durch, es wird alles gut. Ich kümmere mich darum. Ich sorge dafür, dass ich alles zurück…«

Ich lege auf, ziehe die Handbremse und stolpere benommen aus dem Auto. Hinter mir läuft der Motor weiter, und die Fahrertür steht offen, es piept vom Armaturenbrett. Ich kann an nichts anderes mehr denken als an Zack, der zusehen muss, wie Fremde sein Zuhause plündern. An seine Augen, die vor Tränen überquellen, während unser Hab und Gut Stück für Stück zur Tür hinausgetragen wird.

Oh, Gott. Paula muss sie direkt reingelassen haben. Sie ist einfach zu gut für diese Welt. Und so läuft das dann, oder? Wenn sie erst mal drin sind, haben sie freie Bahn und nehmen alles mit, was irgendwie von Wert ist. Denen ist egal, was Adam gehört und was mir.

Zwei Männer in schwarzen Overalls kommen heraus und gehen zu einem der Transporter.

»Stopp!«

Sie setzen ihr Gespräch in einer Sprache fort, die ich nicht verstehe, und gehen zum hinteren Teil des Fahrzeugs. Ich marschiere zu ihnen und pikse den Mann, der mir am nächsten steht, mit dem Finger in die Schulter.

»Entschuldigung.«

Der Fremde fährt herum. Er ist jung und sieht gut aus, mit braunen Augen und einem dunklen Dreitagebart. Er murmelt irgendetwas Giftiges, bevor er mir wieder den Rücken zudreht. Ein kleiner Spucketropfen ist auf meiner Wange gelandet. Ich wische ihn hastig weg und säubere meine Hand am Hosenbein.

»Hören Sie, was immer Sie hier vorhaben, es hat nichts mit mir zu tun. Mein Mann und ich lassen uns scheiden. Er wohnt hier nicht mehr, und er hat alles, was ihm gehört, mitgenommen … Hören Sie mir überhaupt zu?«

Die Männer reden immer noch miteinander, lachen mit den Rücken zu mir. Selbst wenn sie kein Englisch verstehen, würden sie mich doch normalerweise nicht einfach so ignorieren? Ich bin kurz davor, sie anzuschreien, als mich das Geräusch einer Bohrmaschine erschreckt und ich herumwirbele.

Es kommt aus meinem Haus.

Das Herz in der Kehle, renne ich zur Tür und sehe, dass der Boden mit Plastikplanen bedeckt ist. Sie knistern unter den Schuhen der Fremden, die durch meine Küche gehen, durch mein Esszimmer, sich auf der Treppe begegnen. Wo ich auch hinsehe, sind Männer mit kurz geschorenem Haar, dicken Muskeln, Tattoos, die unter dem Kragen hervorlugen, und schwarzen Handschuhen an den Händen. Der Gedanke, dass sie damit meine Sachen durchwühlen, ist so verletzend, dass ich ein Schluchzen gerade eben noch ganz hinten in der Kehle abfangen kann.

Ich trete durch die Tür und zucke zusammen, als ich aus dem Augenwinkel etwas über mir hängen sehe. Ein Mann starrt von einer hohen Leiter auf mich herab, den Bohrer in der Hand.

So wie es aussieht, montiert er eine kleine Kamera an der Wand.

Ich mache den Mund auf, um etwas zu sagen, als Putz in einer dicken Wolke auf mich herabregnet. Hustend und spuckend stolpere ich in den Flur, während hinter mir die Bohrmaschine dröhnt.

»Zack? Zack?«

Ich habe Staub in den Augen, der bei jedem Blinzeln schmerzhaft scheuert. Durch die Tränen hindurch erblicke ich einen riesigen Kerl, der die Treppe herunterkommt. Jede Stufe ächzt unter seinem Gewicht.

Wie viele sind das?

»Paula?«, rufe ich. Der Bohrer übertönt meine Stimme. »PAULA?«

Ich reibe mir die Augen, woraufhin es nur noch mehr wehtut, als der Staub tiefer ins Auge eindringt. Blind vor Tränen drehe ich mich im Flur um.

Bär müsste doch bellen. Warum bellt er nicht?

»Zack?«, brülle ich, genau in dem Augenblick, als die Bohrmaschine verstummt. Meine Stimme hallt durch den Eingangsbereich und trägt die Treppe hinauf bis zum Absatz. Mein Entsetzen schwingt schwer darin mit, selbst in ihrem Echo.

Paula muss Zack mit nach drüben genommen haben. Zumindest muss er das nicht mitan…

»Dr. Jones?«

Schwer atmend drehe mich zur Wohnzimmertür um.

»Setzen Sie sich doch zu uns«, sagt eine Stimme von drinnen.

Die lässige Einladung in mein eigenes Wohnzimmer genügt, um Kummer und Angst verfliegen zu lassen. Glühende Wut tritt an ihre Stelle; mir wird ganz heiß vor Zorn. Ich wische mir schnell die Tränen ab und eile ins Wohnzimmer.

Drei Männer blicken mir entgegen: zwei sitzen auf dem Sofa und einer im Sessel, jeder mit einem meiner Becher in der Hand.

»Setzen Sie sich«, sagt der Mann im Sessel mit derselben ruhigen Stimme wie eben. Die anderen beiden beobachten mich gespannt.

»Was glauben Sie eigentlich, mit wem Sie hier reden? Verschwinden Sie sofort aus meinem Haus!«

»Setzen. Sie. Sich.«

Der Mann sieht mich so eindringlich an, dass ich zurückzucke, als unsere Blicke sich treffen. Ich bin so wütend, dass ich zittere, und doch ertappe ich mich dabei, wie ich mich gehorsam in den freien Sessel am Kamin sinken lasse.

Der Mann mir gegenüber ist etwa vierzig. Sein dunkles Haar weist erste graue Haare auf, sein Anzug und das Hemd darunter wirken etwas zu eng für den muskulösen Körper. Die Männer auf dem Sofa scheinen jünger zu sein und sind über und über tätowiert. Einer hat den Schädel kahl geschoren und einen kräftigen Kiefer, der andere kurzes blondes Haar und Aknenarben auf den Wangen. Aus der Ecke über ihren Köpfen beobachtet mich eine winzige Kamera. Ich hätte sie vielleicht gar nicht bemerkt, hätte sich nicht die untergehende Sonne auf der anderen Seite des Fensters in der Linse gespiegelt.

Ich drehe mich im Sessel um, halte Ausschau nach weiteren Kameras und finde eine an der gegenüberliegenden Wand. Sie ist so klein wie meine Fingerspitze und ganz weiß, sodass sie fast nahtlos mit dem weißen Hintergrund der Wand und der Decke verschmilzt. Wenn man nicht wüsste, wonach man suchen muss, würde man sie kaum wahrnehmen.

Das sind keine Gerichtsvollzieher.

»Die werden Sie überall im Haus finden«, sagt der Mann, der mir gegenüber im Sessel sitzt.

Seine Gegenwart allein ist Respekt einflößend, von seiner tiefen, rauen Stimme bis zu seinem muskulösen Körper, der beinahe den Sessel sprengt. Am beeindruckendsten sind allerdings seine Augen, ein kaltes, durchdringendes Blau, so klar und so bedrohlich, dass ich das Gefühl habe, unter ihrem Blick in meinem Sessel immer kleiner zu werden.

»Was geht hier vor?«, frage ich verzagt. »Wo ist mein Sohn?«

Der Mann beugt sich vor und stellt den Becher auf dem Couchtisch ab. Den Becher, den ich jeden Morgen benutze. Den Zack für mich bemalt hat, zum Geburtstag vor zwei Jahren. Für die beste Mummy, steht darauf, unterschrieben und datiert. Der Becher ist mit gelben Sternen und unregelmäßigen kleinen Herzen bedeckt. Ein Klumpen bildet sich in meiner Kehle.

»Was ich Ihnen jetzt sage, ist sehr wichtig. Ich werde mich nicht wiederholen, also hören Sie gut zu.«

Ich mache den Mund auf, um zu protestieren.

»Ihre Nachbarin ist tot.«

Er sagt das so beiläufig, dass ich die Bedeutung seiner Worte beinahe nicht erfasse. Doch als mir klar wird, was er gesagt hat, trifft es mich wie ein Schlag. Ein hohes, durchdringendes Pfeifen schrillt in meinem Kopf.

»Und wir haben Ihren Sohn.«

 

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Die Herzchirurgin erscheint am 01.02.2023.

Veit Etzold

Die Zentrale

Über dieses Buch:

Die junge Bankerin Laura Jakobs glaubt, vor einem großen Schritt in ihrer Karriere zu stehen, als sie für ein Spezialprojekt in die Zentrale der Bank delegiert wird. Doch je tiefer sie in das Projekt eintaucht, umso mehr eröffnen sich ihr die Abgründe der Finanzwelt. Und desto näher kommt sie dem unheimlichen Investor, der sie damals fast um ihr Haus gebracht hat – und noch längst nicht aufgegeben hat. Der auch vor Mord nicht zurückschreckt – einem Mord, der Laura in die Schuhe geschoben wird.

PROLOG

»Tun Sie, was zu tun ist«, sagte der riesige Mann und gab ihm die Waffe. »Sie ist geladen. Drei Projektile.«

Er hatte lange auf den Mann gewartet. Hatte die Wand angestarrt, all die Risse an der Decke, und gewusst, dass er irgendwann kommen würde. Er hielt eine Hand mit der anderen umklammert. Die Hand zitterte trotzdem.

Er war am Ende. Er war im Gefängnis. Wer das Tor durchschritt, der musste die Kontrolle über sein Leben abgeben. Jetzt war der Staat dran. Er zerlegte im Gefängnis die Zeit der Insassen und bestimmte exakt, was und wann es innerhalb dieser Zeiteinheiten passierte. Er hatte ein Zugangsbündel mit siebzehn Dingen bekommen, darunter ein Teller, Besteck, Schüssel, Einwegrasierer, Rasierschaum, Pinsel mit wenigen, weichen Borsten, Bettlaken, Handtuch, Zahnbürste, Zahncreme, Shampoo und noch ein paar andere Sachen für die Neunquadratmeterzelle, die auf ihn wartete. Name, Vorname, Datum und Uhrzeit wurden festgehalten, und dann öffnete sich die Stahltür. Ab dann wurde die Haftzeit gezählt. Er war allein. Der Anwalt hatte ihn besucht. Und der Mann. Sonst niemand.

Er war am Ende.

Aber nicht ganz am Ende.

Er hatte versagt. Und jetzt musste er es zu Ende bringen.

Darum war der Mann bei ihm gewesen und hatte ihm die Waffe gegeben.

Es war der riesige Mann mit den ausdruckslosen Augen. Nur er brachte es fertig, hier eine Waffe hereinzubringen.

Die Waffe war eine Sig Sauer. Sie war schwer und irgendwie warm. Komisch, dachte er, dass Metall warm sein konnte.