Mörderische Türen - Romy Gläser - E-Book

Mörderische Türen E-Book

Romy Gläser

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Beschreibung

Ohne ihre Oma muss Lara ihr Leben meistern. Neben der Verantwortung für den Buchladen, kommt sie nun mit dem Professor in Kontakt, der sie überredet weitere Türen zu schließen. Außerdem steht ihr 18. Geburtstag vor der Tür und sie findet heraus, dass Alkohol keine gute Idee ist. Mit Hilfe von Kai, dem sie seinen Verrat zum Teil vergeben kann erlebt sie einen aufregenden Sommer voller Abenteuer und der ersten großen Liebe. Wieder trifft sie auf Buchfiguren, die sie schon immer mal kennenlernen wollte. Die Umstände, mit denen sie und Kai konfrontiert werden sind nicht nur gefährlich, sondern enden fast tödlich. Auch ein neuer Schüler in ihrer Klasse verwirrt sie und bringt Unruhe in ihr Leben. Kai, der immer eifersüchtiger wird, verheimlicht ihr immer noch seine wahren Absichten. Auf einer Party eskaliert die Situation und ihr neuer Schulfreund endlich sein wahres Gesicht.

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Seitenzahl: 306

Veröffentlichungsjahr: 2024

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Danksagung

Ein herzliches Dankeschön an Lara und Kai, dass ihr weitergemacht habt und den zweiten Teil so spannend gestaltet habt. Eure Reise war inspirierend und fesselnd, und ich bin dankbar, dass ich euch begleiten durfte.

Ein besonderes Dankeschön geht auch an meine treuen Testleser. Eure Unterstützung, euer Feedback und eure Geduld haben dieses Projekt erst möglich gemacht. Danke, dass ihr mich auf diesem Weg begleitet habt.

When one door closes, another opens; but we often look so long and so regretfully upon the closed door that we do not see the one which has opened for us.

– Alexander Graham Bell

Inhaltsverzeichnis

Was bisher geschah

Prolog

Lara

Kai

Lara

Lara

Lara

Lara

Lara

Lionel

Kai

Kai

Lara

Kai

Lionel

Lara

Lara

Kai

17 Lionel

Lara

Lara

Lara

Lara

Kai

Lara

Lionel

Epilog

Was bisher geschah

Die 17-jährige Lara erfährt durch einen geheimnisvollen Stalker, dass es Türen gibt, die sie direkt in ihre Lieblingsbücher führen. Dieses Wissen birgt jedoch einige Risiken, da auch Buchfiguren in die reale Welt kommen können. Trotz einiger Ausflüge in diverse Fantasy-Bücher will sie mit dieser Welt nichts zu tun haben. Ihr Stalker bittet sie, ihm dabei zu helfen, diese Türen zu schließen, um die Gefahren abzuwenden. Doch Lara, die in ihrer Freizeit gerne liest und ihrer Oma im Buchantiquariat hilft, sieht nicht ein, dass sie ihm helfen soll. Erst als ein Monster aus einem ihrer Bücher, ihre Oma auf brutale Weise aus dem Leben reist, beschließt sie, sich der Gefahr zu stellen. Ihr hauptsächliches Motiv ist jedoch Rache. Kai, wie ihr Stalker heißt, hilft ihr, dabei diese Rache zu planen. Dabei finden sie eine Firma in deren Keller ein Book-Gate steht, mit dem man in jedes beliebige Buch springen kann, nicht wie sonst zufällig. Um die zufälligen Türen zu stoppen, braucht man ein Amulett, ein Ring und ein verzaubertes Schwert, welches Lara von einem Magier aus dessen Tagebuch bekommt. Kai übt mit ihr regelmäßig Schwertkampf.

Dabei kommen sich die zwei ehemaligen Kontrahenten näher. Sie planen den Einbruch in das Labor der Firma, um von dort aus, in das Buch zu springen, in dem das Monster zu finden ist, welches ihre Oma getötet hat. Doch Lara plant nicht, Kai in ihre Rache hineinzuziehen, und springt alleine, um das Monster zu töten. Dabei wird sie schwer verletzt.

Prolog

Der Tod seines Vaters war jetzt über ein Jahr her. In dem Arbeitszimmer, indem sein Vater tot aufgefunden hatte, war er seit diesem Tag nicht mehr gewesen. Es war verschlossen. Er trug den Schlüssel immer bei sich. Als man seinen Vater dort fand, lag er in einem verschlossenen Raum, alle Fenster geschlossen und sah dennoch aus, als wäre er unter die Hufe von einem Dutzend Pferdewagen gekommen. Bei der Obduktion fand man roten Staub aus Georgia in seinen offenen Wunden. Kurzum, es war ein Rätsel. Sein Vater war in einem geschlossenen Raum gestorben, ohne den kleinsten Hinweis, woher er die ganzen Wunden und Verletzungen hatte. Jetzt stand Lionel vor dem Schreibtisch. Er konnte vor seinem geistigen Auge sehen, wie sein Vater dahinter saß und Papiere ordnete. Wie oft hatte er ihn so gesehen? Langsam ging er um den großen Tisch herum, setzte sich auf den Stuhl und erwartete ein Gefühl der Macht zu spüren. Eine Macht, die sein Vater immer ausgestrahlt hatte. Doch da war kein Gefühl. Er sah sich an, was genau auf dem Schreibtisch lag. Es war ein Buch, aufgeschlagen auf Seite 423 und er begann zu lesen. Es war ein alter Roman. Lionel kannte ihn, es war „Die Rose der Welt“. Er hatte es erst letzten Sommer in den Ferien gelesen, warum hatte sein Vater dieses Buch gelesen. Es ging um eine Liebesgeschichte im Unabhängigkeitskrieg von Amerika. Die junge Frau hatte sich in einen der Gegner verliebt, doch der Krieg machte ihre Liebe nicht nur gefährlich, sondern auch unmöglich. Sie hatte daraufhin einen anderen Mann heiraten müssen, der in den letzten Zügen des Krieges ihren Geliebten tötete. Auf der Seite 424 lag ein Briefbeschwerer. Als Lionel danach griff, fühlte er ein Kribbeln in den Fingern. Kurz darauf blieb ihm vor Erstaunen der Mund offenstehen. Eine scharlachrote Tür in erschien mitten im Raum. Die verschwommenen Konturen, einer Geistererscheinung gleich, wurden immer wieder unsichtbar, nur um dann wieder hell aufzuleuchten. Wieder starrte er auf das Buch und den Briefbeschwerer, ein grüner nichtssagender Stein mit einer Schlüsselgravur. War dieser Stein die Ursache für die Tür? Er nahm vorsichtig die Hand wieder weg, die Tür schien augenblicklich durchsichtig zu werden, zu verschwinden. Schnell griff er wieder zu dem grünen Stein und die Tür wurde plastisch und real. Mit dem Stein in der Hand stand er auf, ging auf die Tür zu und einmal um sie herum. Ein Schlüsselloch gab es nicht, nur einen runden Knauf, sehr altmodisch. Vorsichtig streckte er die Hand danach aus und drehte den Knauf. Die Tür schwang ohne ein Geräusch auf. Doch er sah nicht etwa den Schreibtisch, wie er erwartet hatte, da eine Tür mitten im Raum ja eigentlich die Wand gegenüber zeigen sollte. Er sah nichts außer Schwärze. Vorsichtig spähte er um den Türrahmen herum und sah auch da nichts als Schwärze. Obwohl er ein mulmiges Gefühl im Bauch hatte, atmete er noch einmal tief durch und ging in die Schwärze jenseits des Türrahmens.

Roter Staub wirbelte auf. Menschen schubsten ihn hin und her. Es donnerte und Frauen kreischten. »Aus dem Weg, Junge!« Eine Pferdekutsche kam direkt auf ihn zu. Da wurde er von einer Frau gepackt und zur Seite gerissen. Sie war die schönste Frau, die er je gesehen hatte. Blonde Locken kringelten sich um ihr Gesicht. Ihr Kleid und die Kopfbedeckung sahen aus wie Kleidung aus dem 19. Jahrhundert.

»Du musst aufpassen wohin du gehst«, sagte sie und verschwand in einem Pulk aus schwarzen Sklaven, die gegen die Richtung liefen, wie die weißen. Was ist hier los? Er versuchte sich, zu orientieren. Roter Staub, Pferdefuhrwerke und hunderte von Menschen und dann immer wieder das Donnern von Kanonen. Er hielt einen der schwarzen Menschen auf.

»Entschuldigung, aber wo bin ich hier?«, fragte er und konnte nicht glauben was er hörte:

»Atlanta, die Yankees kommen, du solltest verschwinden, Junge.« Er starrte dem Trupp sprachlos hinterher. Wo war die verdammte Tür geblieben? Er musste zurück, zurück nach England. Er hatte den Grund für den Tod seines Vaters gefunden. Er musste es der Polizei mitteilen. Wo war nur diese beschissene rote Tür? Er sah sich panisch um. Was, wenn er nicht mehr zurückfände? Der Stein in seiner Hand wurde immer heißer und die Menschen schubsten ihn hin und her. Immer wieder musste er vor Pferden und Wagen ausweichen. Sein Blick schweifte über die alten Häuser. Erkannte einen Salon und da hinten an der Kirche, da war die rote Tür. Doch außer ihm schien keiner sie zu sehen oder zu bemerken. Er wühlte sich durch die Menge und erreichte die Tür, als sie nur noch einen Meter hoch war. Sie schrumpfte tatsächlich zusammen. Fluchend stolperte er die Treppen hoch und kniete sich vor die Öffnung. Mit letzter Kraft krabbelte er hindurch und blieb auf dem Teppich vor dem Schreibtisch liegen.

Lionel atmete tief ein. Der Stein lag einige Zentimeter von ihm entfernt. Was war eben passiert? Er sah sich noch immer auf dem Teppich liegend, im Raum um. Da war keine Tür mehr. Nur der große Schreibtisch, auf dem noch immer das Buch lag. Er rappelte sich hoch, blickte sich verwirrt um und stolperte zu dem Buch. Es war die Szene aufgeschlagen, bei der Sophia panisch aus dem improvisierten Krankenhaus ins Freie gelaufen war und dort alle Menschen auf der Flucht waren, alle bis auf die Sklaven. War er eben genau da gewesen? An dieser Stelle? So ein Quatsch, wahrscheinlich hatte er nur halluziniert. Gedankenverloren rieb er sich die Stirn und sah dann verwundert und entsetzt auf seine Hand. Da war der rote Staub, der den auch der Gerichtsmediziner bei seinem Vater gefunden hatte. Was zum Teufel ging hier vor?

Lara

Ihr tat alles weh. Sie wusste nicht, wo sie war. Lebte sie überhaupt noch? Ihre Augen waren fest geschlossen. Sie nahm als Erstes den Geruch wahr. Es roch nach Medizin und Desinfektion. Es roch wie in einem Krankenhaus. War sie in einem Krankenhaus? Bevor sie die Augen öffnen wollte, hörte sie auf die Geräusche. Es waren typische Geräusche eines Krankenzimmers, ein gleichmäßiges Piepsen von dem Ding mit der grünen Linie. Das bedeutete wohl, ihre grüne Linie war in Ordnung. Ihre Augen waren wie zugeklebt. Sie hatte Mühe, sie zu öffnen. Sie versuchte, mit der Hand über ihre Augen zu wischen. Doch da hing irgendwas dran, eine Infusionsnadel? Verwundert hob sie den schmerzenden Kopf ein wenig. Wie war sie denn ins Krankenhaus gekommen? Obwohl ihr davon schwindelig wurde, versuchte sie die Gedanken zu ordnen, bevor sie endlich die Augen öffnete. Lara musste einige Male blinzeln. Sie atmete die mit Desinfektion geschwängerte Luft ein, aus, ein und schloss die Augen wieder. Der Schmerz im Kopf war schrecklich. Wenige Sekunden später riss Sie die Augen erneut auf. Ein Mann in einem weißen Kittel war in den Raum gekommen. Wer war dieser Kerl? Irgendwie kam er ihr bekannt vor.

»Ach die junge Dame ist aufgewacht. Wie fühlen sie sich?«, fragte er und zog sich einen Stuhl ans Bett.

»Kopfweh«, stöhnte Lara.

»Ja das sind die Narkosemittel, die jetzt nachlassen. Ein- zwei Stunden, dann hat ihr Körper die abgebaut.« Lara stöhnte wieder. Wollte er sie verarschen, Narkosemittel? Ihr brannten zwei Fragen im Kopf.

»Wo bin ich? Wer sind sie?«, krächzte sie, dann kam noch: »Was ist passiert?«

Der Mann lachte mit einer tiefen Stimme. Irgendwie kam er ihr bekannt vor. Sie wusste mit ihrem benebelten Gehirn leider nicht, woher sie ihn kannte.

»Fangen wir mit der 2. Frage an: Mein Name ist Professor Dr. von Claswood und sie sind in meinem Institut Apollon auf der Krankenstation.« Diese wenigen Worte lösten ein Chaos in Laras Kopf aus. Das Institut, ja sie waren da gewesen, mit dem Dackel. Sie hatte ihn gesehen, als der Hund abgehauen war. Sie waren erneut eingebrochen.

»Kai«, wimmerte sie und ihre Stimme klang ängstlich. »Kai geht es gut. Er hat sie gerettet, bevor die Welt in sich zusammengefallen ist. Können Sie sich daran erinnern, was genau passiert ist?« Lara schloss wieder die Augen.

»Es hat gegossen, aus allen Eimern. Da war dieser Junge Thomas, ich hab ihn nach Hause geschickt und den Mörder in der Kanalisation gefunden. Ich hab mit ihm gekämpft, er wollte mich köpfen, da hab ich…«, bei der Erinnerung griff sie unwillkürlich an ihren Bauch. Der war dick bandagiert.

»Ich weiß nicht, ob es an ihren anatomischen Fähigkeiten lag oder an dem magischen Schwert. Aber sie hatten verdammtes Glück. Das Schwert hat alle wichtigen Organe um Millimeter verfehlt«, erklärte der Professor. Lara öffnete ihre Augen wieder.

»Buchstaben – es regnete Buchstaben«, wisperte sie.

»Kai hat das auch gesagt, sowas ist vorher noch nie passiert. Die ganze Welt ist in sich zusammengefallen, als Sie den Horrorclown getötet haben.«

»Aber Kai war doch gar nicht da.«

»Doch, war er. Nachdem sie sich ohne ihn aus dem Staub gemacht hatten und auch noch das Fahrradschloss angebracht hatten, haben wir ihn zwei Minuten später in das Buch geschickt. Das hat allerdings eine ganze Weile gedauert, da die Systeme verrücktgespielt haben und wir alles neu starten mussten«, erklärte er.

Lara starrte ihn an. »Wir?« Der Professor lachte.

»Ein Team von uns war die ganze Zeit vor Ort. Wir haben abgewartet. Kai hatte uns natürlich eingeweiht und auch erzählt, was sie vorhatten.«

Kai hatte sie eingeweiht? Warum das?

»Er wusste, sie würden nicht ohne Schaden aus der Sache rauskommen und wir haben hinter der Tür schon mit einem Notfallteam gewartet, als er mit ihnen im Arm zurückkam.«

»Warum?«, fragte Lara und verstand die Welt nicht mehr.

»Mein Sohn hat sie gerettet. Er hatte sich sowas schon gedacht. Daher war er nicht sehr überrascht, als sie ohne ihn los sind. Dass er Ihnen allerdings das Schloss mitgab, war nicht geplant, denn dadurch kamen die Systeme durcheinander.«

»Ihr Sohn?«, Lara war total verwirrt.

»Ja, Kai ist mein Sohn. Aber sie sehen müde aus. Ihre Wunde verheilt sehr schnell. Sie haben drei Tage geschlafen. Sie sollten noch ein wenig schlafen, dann sind sie bald wieder auf den Beinen. In einer Woche geht die Schule wieder los und sie wollen doch ihr Abschlussjahr nicht verpassen oder?« Er drehte an einem Regler, der an dem Infusionsschlauch hing und Lara wurde sofort sehr müde.

»Aber…«, wollte sie noch sagen, da schlief sie auch schon ein.

Als sie später erneut wach wurde, dauerte es nur noch Minuten, eh sie einen klaren Kopf bekam. Die Bruchstücke der Erinnerungen prasselten auf sie ein und zum Schluss das, was dieser Professor gesagt hatte. Sein Sohn, Kai, er hatte sie belogen. Er wusste die ganze Zeit von dieser Organisation. Er hatte alles inszeniert. Er war nicht eingebrochen. Es gab auch keinen Computervirus, der die Kameras austrickste. Nichts davon war wahr gewesen. Warum? Sie sah zur Seite und da fand sie noch etwas. Etwas, was unmöglich sein konnte. Auf dem metallenen Nachttisch lag der Ring mit dem grünen Stein. Der Ring, der eigentlich zig Meter unter der Erde am Finger ihrer Oma stecken sollte. Sie griff danach. Die Infusionsnadel pikste. Ungeduldig riss sie daran und zog sie raus. Mit einigen Schmerzen im Bauch richtete sie sich auf und griff nach dem Ring. Das durfte nicht wahr sein. Kai hatte sie belogen, betrogen und benutzt. Dieser Dreckskerl. Sie dachte, er sei ihr Freund. Sie hatte sich sogar am Abend vor der Mission eingestanden, dass sie vielleicht in ihn verliebt sein könnte. Es schmerzte sie. Lara griff nach dem Ring, steckte ihn an ihren Finger. Dann fiel ihr das Amulett ein. Ihre Hand wanderte zu dem Ausschnitt des Krankenhausgewandes und fühlte den kalten Stein. Gott sei Dank, das Schmuckstück war noch da. Sie schwang die Beine über den Rand des Krankenhausbettes und stand auf. Kurz musste sie sich festhalten, da ihr durch die schnelle Bewegung etwas schwindelig wurde. Dann tapste sie auf nackten Füßen in das Bad, welches durch eine grüne Tür von ihrem Krankenlager getrennt war. Sie ließ sich vor der Toilette auf die Fliesen sinken und kotzte sich die Seele und den ganzen Schmerz aus dem Leib. Tränen rannen ihr über die Wangen. Es war merkwürdig, dass keiner kam, um nach ihr zu sehen. Wahrscheinlich dachten sie, sie schliefe noch. Mit zittrigen Beinen zog sie sich am Waschbecken hoch und sah nur kurz ihr Spiegelbild an. »Ich muss hier raus«, sagte sie sich. Ihr blasses Gesicht, die strubbeligen Haare, all das stimmten ihr zu. Sie spülte ihren Mund mit kaltem Wasser aus, um den ekligen Geschmack los zu werden, und klatschte sich auch zwei drei Hände von dem kühlen Nass ins Gesicht. Sie merkte, dass ihre Beine sie nicht lange würden tragen können. Aber um auf die Straße zu kommen, sich echte Hilfe zu besorgen würde es reichen. Einigermaßen fit, machte sie sich auf die Suche nach ihren Klamotten. Sie fand eine Tasche, ihre Tasche, in dem Schrank, der neben der Tür im Zimmer stand. Lara zog sich schnell an, wobei ihr die Wunde am Bauch Probleme bereitete und öffnete leise die Tür.

Es war einfacher gewesen, aus der Krankenstation zu verschwinden, als sie gedacht hatte. Sie hatte ziemlich schnell einen Seitenausgang gefunden und war zwischen den riesigen Lagerhallen verschwunden. Am Alten Postweg hatte sie die Bahn in Richtung Innenstadt genommen und stand nun etwas verwirrt und nicht so recht wissend was sie tun sollte am Königsplatz. Ihr Magen meldete sich. „Essen“, kam ihr Gedanke laut aus ihrem Mund. Der junge Mann, der gerade an ihr vorbeigegangen war, musterte sie nur kurz. Sie kramte in ihren Hosentaschen und fand tatsächlich einige Münzen. Für eine Semmel würde es reichen.

Sie kaufte sich am Bäckerkiosk eins von den duftenden Brötchen und ging dann kauend in Richtung Innenstadt. Die Ereignisse der vergangenen Stunden gingen ihr ununterbrochen durch den Kopf. Immer wieder musste sie sich an den Häuserwänden abstützen.

»Geht es ihnen gut?“, wurde sie von einer älteren Passantin gefragt und lächelte schwach. Die Uhr am Perlachturm zeigte sieben an. In ein paar Stunden würde sich die Dunkelheit über die Stadt legen. Lara ging ohne Ziel weiter. Dabei murmelte sie vor sich hin, warum, warum hatte Kai ihr das angetan?

Sie hatte Kai kennengelernt, als dieser sie gestalkt hatte. Er hatte ihr regelrecht aufgelauert. Sie war eigentlich selbst schuld gewesen. Warum hatte sie nie gefragt, woher er denn von den Türen wusste? Warum er sie sehen konnte? Wieso hatte sie sein Wissen nie hinterfragt? War es am Ende seine Schuld, dass sie mit diesen Türen in Kontakt kam? Dass ihre Oma sterben musste und alles, was danach noch kam? War es, weil er sie in diese Geschichte hineingezogen hatte? Vorher hatte sie nie Türen gesehen, die wie aus dem Nichts auftauchten. Aber wieso hatte ihre Oma dann den Ring und das Amulett? Und was hatte ihre Mutter mit dem Schwert zu tun. Verdammt, das Schwert, schoss es ihr durch den Kopf. Sie hatte es doch nicht in dem Horrorroman zurückgelassen?

Lara war während all dieser Überlegungen und vielen Hasstiraden auf Kai und seinen Vater, immer tiefer in den Gässchen verschwunden, die den Charme der Altstadt von Augsburg ausmachten. Sie sah von weitem schon den Dom, als ihr plötzlich ein Mann in den Weg trat.

»Haben sie sich verlaufen?«, fragte er mit einem englischen Akzent.

»Nein, habe ich nicht«, giftete Lara ihn an. Klar, dieser Mann war nicht der Grund, warum sie sauer war. Aber er war eben gerade zur falschen Zeit am falschen Ort. Dann bemerkte sie seine Kleidung. Das war keine normale Kleidung, wie sie heutzutage getragen wurde. Sie sah alt aus, wie aus einem Film, der vor 1900 spielte.

»Wer sind sie?«, hakte Lara vorsichtig nach und ging einen Schritt rückwärts. Da sah sie etwas in seiner behandschuhten Hand aufblitzen, ein Skalpell, mit einer wirklich langen Klinge.

»Man nennt mich Jack, Jack the ripper. Das ist der Name, den die Zeitungen mir gaben.«

»Na super Lara, echt Klasse, warum auch nicht? Erst bist du dem Mörder aus „blutiger Fasching“ entronnen, nur um jetzt Jack the ripper über den Weg zu laufen, toll gemacht«, schimpfte sie laut mit sich selbst.

Jack sah sie unverwandt an.

»Hör zu, du Irrer. Ich bin keine Hure. Also passe ich nicht in dein Profil. Lass mich in Ruhe, oder besser verschwinde in das Buch zurück, aus dem du gekommen bist.« Ihre Stimme war fest und klar und ihre Angst wurde von der Wut und dem Hass überlagert, den sie noch immer auf Kai verspürte. Doch leider sah Jack die Sache wohl anders und kam ihr gefährlich nah. Als er noch zwei Armlängen von ihr entfernt war drehte sich Lara um und rannte.

»Wo rennst du denn hin? Du entkommst mir ja doch nicht«, brüllte der verrückte Mörder aus White Chapel ihr nach. Sie musste nur wenige Minuten überstehen. Doch die Wunde an ihrem Bauch machte es ihr sichtlich schwer zu laufen. Auch wenn die Angst sie jetzt vorwärts trieb, ihr Körper würde nicht lange durchhalten. Sie hörte die Schritte des Mannes näher kommen. Sie hörte schon seinen Atem und spürte das Skalpell ihre Jacke aufschlitzen. Da kam aus dem Nichts ein Junge mit einem Schwert und köpfte den verrückten Mörder. Lara, deren Bauchwunde aufgerissen war, fiel hin, drehte sich um und starrte auf die grünen Augen, die grimmig auf den Buchstabenteppich starrten, der sich unter seinen Füßen ausbreitete.

»Dreckssack«, hörte sie ihn fluchen. Dann richteten sich die Augen auf sie. Die Grimmigkeit war verflogen. Es lag eine Art Verletztheit in ihnen. Etwas, das nach Entschuldigung schrie.

»Redest du von ihm oder dir?«, keuchte Lara schmerzerfüllt, ehe sie in Ohnmacht fiel.

Kai

Das hatte sie nicht wirklich getan. Er konnte es nicht fassen. Für einige Sekunden stand er wie angewurzelt da. Es spielte sich in Zeitlupe ab. Das Magie-Schwert bohrte sich durch den Rumpf seiner Freundin und durch den Mörder von deren Oma. Er hörte einen Schrei. Vernahm ihn wie aus einer anderen Dimension.

»Laraaaa, neiiiiiiiiiiiiiin!« Es war sein Schrei. Dann verwandelte sich das Wasser welches vom Himmel kam, in schwarzen Schnee, große dicke schwarze Flocken rieselten herab. Es waren Buchstaben. Er sah sich um. Überall verwandelte sich die Gegend in Buchstaben. Es war, als würde ein riesiger Strom davon ins ‚Nichts‘ gezogen werden. Nicht lange und dieser Zerfall würde auch die Tür erreichen, durch welche er gekommen war. Er rannte auf Lara zu. Obwohl sie sich gerade das Schwert durch ihren eigenen Körper gerammt hatte, hatte sie ein triumphierendes Lächeln im Gesicht, während das Lachen des Horrorclowns steckengeblieben war. Der Clown hatte die Augen weit aufgerissen und starrte ins Leere. Wie eine Puppe, die nur durch Lara noch aufrecht stehen konnte. Links und rechts von ihm begann sich bereits die Straße aufzulösen. Er musste zu Lara. Er musste sie retten. Nur noch wenige Schritte und er würde bei ihr sein. Noch Millimeter und er könnte ihre Hand ergreifen….

Schweißgebadet wachte er auf. Er sah zur Schlafzimmertür, fluchte und ging mit wackligen Beinen ins Bad. Nachdem er sich erleichtert und sein Gesicht mit eiskaltem Wasser abgekühlt hatte, blickte er in den Spiegel. In seinen Träumen erreichte er sie nie. In seinen Träumen war sie auch in Buchstaben zerfallen. Barfuß tappte er leise zur geschlossenen Schlafzimmertür.

Ihr Ausflug in die Innenstadt hatte sie erneut in Gefahr gebracht. Ein anderer Bösewicht hatte sie sofort gefunden und auf sie Jagd gemacht. Kai war ihr gefolgt. Er war im Büro seines Vaters gewesen, als er sah, wie die Seitentür vom Institut aufging und Lara daraus hervor schwankte. In Windeseile war er durch die Flure des Gebäudes gerannt, auf die Straße und sah gerade noch, wie sie in der Straßenbahn in Richtung Zentrum verschwand. Die nächste Bahn würde erst in sieben Minuten kommen, doch zurück zu seinem Wagen wäre er auch nicht schneller. Zumal man in der Innenstadt nicht gut parkte. Als er am Königsplatz ausstieg, überlegte er, wohin Lara wohl gegangen sein könnte. Würde sie zuerst zu sich nach Hause? Doch der Bus nach Gablingen, würde erst in zwanzig Minuten kommen, da sie nicht an der Haltestelle war, fiel diese Möglichkeit aus. Auch der Bus nach Gersthofen, wo der kleine Buchladen ihrer Oma war, würde erst in einigen Minuten eintreffen. Beide Busse fuhren nur im dreißig Minuten-Takt. Er hatte sie also nicht verpasst. Er starrte auf die Anzeige. Verdammt, wo könnte sie nur hingegangen sein? Schließlich war er zu sich nach Hause gefahren, hatten sie doch dort ihr Training absolviert. Es war eine schöne Zeit gewesen. Sie hatte ihm vertraut. Jetzt, jetzt hatte sie allen Grund, ihn zu hassen.

Vorsichtig öffnete er die Tür. Sie schlief. Ihre Wunde hatte er notdürftig wieder geflickt. Es würde eine Narbe zurückbleiben, das war klar.

»Unvernünftiges Kind«, schimpfte er im Geist. »Mutiges, kleines Mädchen.« Kam der zärtliche Gedanke hinterher. Er hatte im Geist über das Warum viele Gespräche mit ihr geführt. Sie würde fragen. Sie würde irgendwann fragen, warum er sie betrogen hatte. Und verdammt nochmal, er kannte die Antwort darauf nicht. Das hieß, doch er kannte sie, aber er wollte sie nicht hören. Denn dann musste er sich eingestehen, dass er das unvernünftige Kind war und nicht sie.

Es klopfte an der Tür. Kai erschrak sich, dann öffnete er. Eine kleine, sehr schöne dunkelhaarige Frau trat ein.

»Mama«, wunderte er sich.

»Hallo mein Sohn, wie geht es dir?« Sie stellte den Korb, den sie in der Hand gehalten hatte ab.

»Geht so«, seufzte er und setzte Kaffee auf. Längst hatte er den Duft eines selbstgebackenen Kuchens wahrgenommen.

»Das klingt nicht gut. Wir essen jetzt ein Stück Käsekuchen und du erzählst mir alles.«

Seine Mutter war ein Juwel. Kai liebte diese Frau über alles. Sie spürte auch über Kilometer hinweg, wenn es ihm nicht gut ging.

Wenig später saßen sie mit dem Kuchen und Kaffee auf der Couch und aßen zunächst schweigend.

»Wie immer köstlich, Mama. Wir müssen Lara unbedingt ein Stück davon aufheben.« Sein Blick glitt unwillkürlich zur Schlafzimmertür.

»Sie ist hier«, das war eine Feststellung, »wie geht es ihr?«, erkundigte seine Mutter sich.

»Ich weiß nicht. Ihre Wunde ist wieder aufgegangen und ich habe sie nur mit Mühe hierhertragen können.« Sein Blick sah flehentlich auf seine Mutter. Diese kannte sich mit allen Heilmethoden von Verletzungen aus.

Wie aufs Stichwort, stellte Daniela von Claaswood ihren Teller ab und ging ins Schlafzimmer. Leise, so dass sie die Schlafende nicht weckte, untersuchte sie die Wunden.

»Bring mir doch bitte meinen Korb«, flüsterte sie. Kai tat, was ihm angetragen wurde. Hatte seine Mutter auch daran gedacht?

»Woher wusstest du, dass du die Salbe brauchst?« Daniela kramte in dem Korb und fand eine Salbe, die sie vorsichtig auf den Nähten verteilte.

»Ich wusste es nicht, ich hatte nur eine Ahnung. Nenn es Mutterinstinkt. Sie ist wirklich hübsch.« Leise stand seine Mutter wieder auf, legte den Finger auf ihre Lippen und flüsterte:

»Wir lassen sie schlafen. Das hilft dem Körper am besten.«

Kai und seine Mutter waren zum Sofa zurückgekehrt. Daniela hatte die Tür vom Schlafzimmer einen Spalt weit offengelassen. So klein, dass es Kai nicht mal bemerkt hatte.

Also erzähl, was betrübt dein Herz?«, neugierig beäugte sie ihren Sohn.

Dieser seufzte, erzählte von dem Auftrag seines Vaters, Lara ausfindig zu machen, dann von ihrer ersten Begegnung, bei der sie ihn ziemlich blöd von der Seite angemacht hatte. Daniela lachte.

»Sie hat also deinem unwiderstehlichen Charme wiederstanden?«, scherzte Daniela. Kai auch bei der Erinnerung, wie sie ihm ein Bild von sich gespeichert hatte, damit er was zum Anstarren hatte.

»Sie hat dir also nicht geglaubt. Fast klar, ich hab es am Anfang auch nicht geglaubt. Dein Vater hat mich aber mal mitgenommen. Wir waren bei „Eleganz und Widerspenstigkeit“ zu Besuch. Du weißt schon, diese Schnulze aus England, wo ein Gentleman und ein Schuft, um ein Fräulein kämpfen.« Ihr Blick verschwamm, als würde sie in Gedanken erneut in das Buch springen. Doch dann holte sie ein Räuspern ihres Sohnes zurück und sie sprach weiter: »Seitdem träume ich von einem Cottage in Britanien, aber weiter«, forderte ihn seine Mutter auf.

Kai erzählte, wie Laras Oma starb. Wie er dann Lara näher kennengelernt hatte und er auf Geheiß seines Vaters nicht mit der Wahrheit rausrücken durfte. Wie er bei der Beerdigung den Ring an sich nahm, da er ihn sofort als „den Schlüssel“ erkannte und auch das Lara nicht zu sagen wagte. Wie er immer tiefer in Lügen und Geheimnisse gerutscht war und wie elend er sich deshalb fühlte.

»Wie soll ich mich bloß dafür entschuldigen?« Seine Mutter rutschte an ihn heran, legte den Arm um ihn und streichelte über seinen Kopf.

»Dafür gibt es keine Entschuldigung. Aber um in Zukunft nie wieder so eine Scheiße zu bauen, musst du dir klar werden, warum du das alles getan hast, und warum dir das jetzt auf einmal was ausmacht.«

»Warum, wegen Vater.« Kai rannen Tränen die Wange entlang. Tränen der Wut.

»Sie hätte sterben können. Verdammt dieser Drecksack hat es in Kauf genommen, dass sie vielleicht sterben könnte.«

»Nana, er ist dein Vater. Ich denke nicht, dass er so weit gehen würde, sie sterben zu lassen. Er hat sicher nicht damit gerechnet, dass sie so mutig ist und sich diesem Monster allein stellen will. Er hat auf dich gebaut.«

»Warum, warum macht er mir dann ständig Vorwürfe? Das kannst du doch besser, warum hast du nicht dies und dass nicht so gemacht, wie ich es dir gesagt habe und, und, und...«, die Wut in ihm, über seine eigene Unzulänglichkeit, brauch in einem frustrierten Schrei aus ihm heraus.

»Du versuchst immer noch die Liebe deines Vaters zu erarbeiten, mein Schatz«, tröstete sie ihn.

»Das er mich nicht liebt, ist ja wohl offensichtlich. Ich bin ja zu nichts zu gebrauchen, das sind seine Worte.«

»Das was du von deinem Vater willst, ist Anerkennung, nicht Liebe. Lieben tut er dich sowieso, du willst das er stolz auf dich ist und ich denke, dass wird er sein, wenn du endlich deinem eigenen Herzen folgst und dein eigenes Ding machst.«

»Und wie soll das gehen? Wenn er meinen Alltag beherrscht, wie soll ich da eigene Entscheidungen treffen können?«

Kai erschrak. Lara stand im Türrahmen und blickte auf beide hinab. Sie sah das verzweifelte Gesicht von Kai und lächelte:

»In dem du immer ehrlich zu mir sein wirst, von heute an bis in alle Ewigkeit. Egal, was dein Vater sagt.« Hatte sie alles gehört? Seine Mutter lächelte, drückte ihn noch einmal und holte eine weitere Tasse und einen Teller.

»Lara meine Liebe, setz dich. Du solltest nicht soviel stehen. Aber Kuchen essen, das geht.« Sie zwinkerte dem Mädchen in dem großen T-Shirt zu. Kai hatte sie schon vorher, genau in diesem T-Shirt gesehen. Es schien ewig her zu sein, doch es waren nur ein paar Wochen. Er erinnerte sich an einen lauen Abend auf dem Dach, als sie zum ersten Mal Bier probiert hatte. Lara wankte etwas. War die Tür die ganze Zeit offen? Kai rückte zur Seite, half Lara sich zu setzen und drückte ihre Hand.

»Es tut mir so wahnsinnig leid. Ich verspreche dir, ich werde dich nie wieder anlügen. Aber du musst mir auch was versprechen.« Lara blickte in die grünen Augen, die jetzt wässrig vor Tränen waren.

»Keine Alleingänge mehr, schon kapiert Herr von Claaswood«, grinste sie. Dann machten sich alle über den Kuchen her und es schien, als wäre alles ganz normal. Als Kai’s Mutter gegangen war, saßen Kai und Lara lange schweigend nebeneinander. Als es an der Tür klingelte, sahen beide überrascht auf.

»Erwartest du jemand?« Kai schüttelte den Kopf, als es erneut klingelte.

Kai war überrascht, als er den Mann sah, der vor ihm stand.

»Komissar Meitinger?« Lara verdrehte die Augen. Was wollte der denn hier?

»Herr von Claaswood«, begrüßte dieser ihn.

»Was wollen Sie denn hier?«, rief Lara vom Sofa aus.

»Guten Tag«, nickte der Kommissar und Kai ließ ihn eintreten.

»Um ehrlich zu sein, es ist mir etwas peinlich«, druckste der Mann in dem Trenchcoat herum.

Sowohl Lara als auch Kai sahen ihn nur abwartend an. »Ich muss einer Anzeige nachgehen. Demnach haben Sie Herr von Claaswood, heute Nachmittag einen Mann auf offener Straße geköpft und eine junge Frau auf Händen getragen«, las er aus einem Notizblock vor.

Lara kicherte. Sie kniff die Lippen hart aufeinander, um nicht in haltloses Gelächter auszubrechen. Kai stand nur da wie vom Donner gerührt und sagte gar nichts.

»Das dachte ich mir. Der Kollege, der das beobachtet hat, konnte auch keine Leiche finden, oder einen Kopf. Wahrscheinlich überarbeitet.«

Meitinger entschuldigte sich vielmals für die Störung und verließ die Wohnung wieder. Jetzt erst gab Lara dem Lachanfall nach und prustete los.

»Du kannst doch nicht wildfremde Männer köpfen«, lachte sie und hielt sich ihre Bauchwunde, die durch das Gelächter anfing weh zu tun.

»Das war jetzt nicht sein Ernst, oder?« Der junge Mann stand noch immer wie eine Statue mitten im Raum und starrte die Wohnungstür an. Lara beruhigte sich wieder und sagte dann todernst zu Kai: »Wir müssen mich schnell wieder gesund kriegen. Da draußen läuft ein Irrer mit einem Skalpell rum und der war schon damals nicht zu fassen, als er noch ein realer Mensch war. Was denkst du denn, wie das jetzt sein wird? Wir müssen Jack aufhalten.«

»Erst musst du gesund werden. Ich werde allein anfangen, Jack zu jagen. Es gibt sicher 1000 Bücher über Jack. Wir müssen erstmal das richtige finden und da hilft uns auch nicht die Kleidung, denn Jack kam nun mal aus dem 19. Jahrhundert und fast jede Erzählung ist gleich.«

»Okay, aber nur wenn du den Ring und das Schwert mitnimmst. Ohne gehst du nirgends hin.«

»Ha, das nächste Problem, den Ring kannst nur du befehligen. Ich weiß nicht, ob es daran liegt, dass er nur mit dem Amulett zusammen funktioniert oder mit deinen ganz speziellen Genen. Aber als ich versuchte, die Tür von 'mörderischer Fasching' zu schließen, hat es nicht geklappt. Erst als ich ihn dir übergezogen hatte, und mit deiner Hand gegen das Schloss geklopft hab, hat sich die Tür verschlossen.«

Es tat so gut mit Lara wieder normal zu reden. Sie war schon ein außergewöhnliches Mädchen und trotz ihres desolaten Zustandes auch außergewöhnlich hübsch. Er hatte dies schon früher bemerkt, es jedoch auf den Beschützerinstinkt zurückgeführt. Doch langsam wurde ihm bewusst, dass es das allein nicht sein konnte. Kai war noch nie in seinem Leben verliebt gewesen. Doch dieses Gefühl, welches in ihm leise brodelte, so stellte er sich verliebt sein vor.

Lara

Als sie erwachte und ihre Augen öffnete, starrten ihr zwei grüne Flecken entgegen. Sie musste zweimal blinzeln, um zu erkennen, dass es Augen waren, die so nah waren, dass sie riesig wirkten.

»Aaaaah!«, schrie sie und richtete sich auf, nur um gleich wieder in die Kissen zurückzufallen und sich die Stirn zu halten.

»Aua, hast du einen Dickschädel«, brummte der Eigentümer der Augen.

»Was soll das?«, jammerte sie.

»Ich wollte dich wecken«, grummelte Kai.

»Wecken? Wolltest du mich WACH-STARREN?«, giftete sie zurück und rieb sich die Stelle noch immer, die mit seiner Stirn kollidiert war.

»Frühstück ist fertig. Verdammt das gibt sicher ne fette Beule.« Kai verließ das Zimmer und rieb sich auch immer noch die Stirn.

Lara konnte sich erst mal nicht bewegen. Was war das denn?

Stöhnend, sich auch immer noch die Stirn reibend, schwang sie die Beine aus dem Bett und setzte sich auf. Durch die blauen Vorhänge glitzerte ein Sonnenstrahl. Es schien schon später Vormittag zu sein. Ihr Bauch tat noch etwas weh. Vorsichtig hob sie das T-Shirt und besah sich die Stelle, die schmerzte. Sie konnte die Stichwunde durch den dicken Verband nicht erkennen.

Als sie aus der Tür trat, hielt Kai ihr eine Küchenfolienrolle entgegen.

»Was soll ich damit?«, fragte sie.

»Deinen Verband einwickeln, damit er beim Duschen nicht nass wird«, erklärte Kai und grinste.

»Das ist nicht lustig, gib her.« Sie griff nach der Rolle und verschwand damit in dem Badezimmer, in dem sie das erste Mal nach dem Tod ihrer Oma gewesen war. Dort zog sie das T-Shirt aus und fummelte die Folie von der Rolle. Es war gar nicht so einfach, das hauchdünne Plastik um ihren Körper zu wickeln. Sie fluchte. Da stand Kai in der Tür. Hatte sie gar nicht abgeschlossen?

»Soll ich dir helfen?«, fragte er sanft.

Lara wollte protestieren und schaute über ihre Schulter. Sie war bis auf ihre Unterhose nackt.

»Raus hier«, brüllte sie.

»Lara, ich kenne deinen hübschen Hintern schon. Stell dich nicht so an, wir haben noch viel vor heute. Gib die Rolle her, du brauchst dich auch nicht umzudrehen. Wir machen das zusammen.« Kai wartete gar nicht erst auf ihr Einverständnis. Er nahm ihr die Rolle ab und sie fühlte, wie er die Folie an ihrem Rücken ansetzte.

»So vorne rum«, er reichte ihr die Rolle unter der linken Achsel hindurch. Sie griff, rot wie eine Tomate im Gesicht, mit der rechten Hand zu und wickelte bis zur Hüfte. Dort nahm Kai die Rolle wieder in Empfang. Dieses Spiel spielten sie drei Runden lang, dann riss Kai die Folie ab und sagte:

»Wenn wir als Team arbeiten, sind wir wesentlich besser. Beeil dich, Kaffee wird kalt oder willst du lieber Kakao?«

Lara wagte nicht, sich umzudrehen. Sie war mit einem Mal so schüchtern, dass sie nur murmelte:

»Kakao wäre schön.«

Kai schlug mit der Folienrolle gegen die Tür und sagte neckisch: »Wie Madame belieben.« Dann hörte Lara die Tür ins Schloss fallen und atmete tief aus. Sie hatte nicht bemerkt, dass sie die Luft angehalten hatte.

Es dauerte noch fast eine Minute, bis sie in die Badewanne kletterte und endlich das warme Wasser über ihre Haut lief. Es tat gut. Es weckte ihre Knochen und stimmte sie fröhlicher.

»Na also, jetzt siehst du wieder aus wie ein Mensch. Komm setz dich, es gibt noch Kuchen.« Kai saß schon auf dem Sofa und mampfte von dem köstlichen Kuchen seiner Mutter. Lara lächelte etwas schüchtern. Sie hatte im Bad neue Wäsche und ihre Jeans vorgefunden, sowie auch ein Tank-Top.

»Hast du die Sachen von zu Hause geholt?«

»Na klar, oder denkst du ich trage eine Tasche mit deinen Klamotten immer mit mir rum?«, grinste er und nahm einen Schluck Kaffee.

»Danke«, flüsterte sie.

»Hey, das ist das mindeste was ich tun kann, nach all der Scheiße, die ich gebaut habe«, er sah sie ernst an.

»Heute fahren wir ins Institut. Es wird Zeit, dass du alle kennenlernst und wir müssen recherchieren. Laut den alten Schriften, die mir auch sagten, dass der Ring so wichtig ist, gibt es eine Möglichkeit anhand des Amuletts rauszufinden, welches Buch geöffnet wurde und welches nicht. Wäre ja blöd, wenn wir alle 1000 Bücher mit Jack erst öffnen müssten, nur um sie dann zu schließen.«