More than Love – Was dein Blick mir sagt - Nicole Knoblauch - E-Book
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More than Love – Was dein Blick mir sagt E-Book

Nicole Knoblauch

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Beschreibung

Zwei Menschen, eine gemeinsame Vergangenheit und eine Nacht, die alles verändert.

Josh und Mia waren unzertrennlich - bis zu jener verhängnisvollen Nacht, in der alles zerbrach, was sie sich aufgebaut hatten. Zehn Jahre später hat Josh nur einen Wunsch: die Hochzeit zwischen seiner großen Liebe Mia und seinem ehemals besten Freund Ben zu verhindern. Am Standesamt angekommen ist er sich seiner Sache jedoch nicht mehr so sicher. Als ihm dann plötzlich ausgerechnet Mia, im Brautkleid und völlig aufgelöst, direkt in die Arme läuft, sieht er seine Chance. Er weiß, dass sie eigentlich zusammengehören. Aber kann er ihr Vertrauen überhaupt noch zurückgewinnen?

Die romantische Geschichte einer unvergesslichen Liebe. "More than Love - Was dein Blick mir sagt” ist eine mitreißende Contemporary Romance voller Gefühl.

LESER-STIMMEN ZUM BUCH:

"Atemberaubend, traumhaft, tiefgründig. Ein Roman der hemmungslos verzaubert, zum Nachdenken bringt und den man nicht vergisst." (gremlins2, Lesejury)

"Wow! Einfach nur Wow! - Eine wirklich berührende Liebesgeschichte mit viel Gefühl." (lxrissx, Lesejury)

"Also wer große Emotionen sucht, ist bei diesem Buch definitiv richtig. Es war eine richtige Achterbahnfahrt der Gefühle." (very_lovesreading, Lesejury)

eBooks von beHEARTBEAT - Herzklopfen garantiert.

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Seitenzahl: 361

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Inhalt

Cover

Weitere Titel der Autorin

Über dieses Buch

Über die Autorin

Titel

Impressum

1. Josh – Gegenwart

2. Mia 10 Jahre – 18 Jahre früher

3. Josh – Gegenwart

4. Mia 16 Jahre – 12 Jahre früher

5. Josh – Gegenwart

6. Mia 18 Jahre – 10 Jahre früher, Mai

7. Josh – Gegenwart

8. Mia 18 Jahre – 10 Jahre früher, Mai

9. Josh 19 Jahre – 2 Monate später

10. Mia 18 Jahre – 2 Wochen später

11. Josh – Gegenwart

12. Mia 18 Jahre – 10 Jahre früher, November

13. Josh – Gegenwart

14. Mia – Gegenwart

15. Josh – Gegenwart

16. Mia – Zurück bei den Eltern

17. Josh – Flug in die Vergangenheit

18. Mia – Ein Besuch auf dem Spielplatz

19. Josh – Herzlich willkommen, Paul

20. Mia – Worte einer Freundin

21. Josh – Zwei sind einer zu viel

22. Mia – Aussprache an Silvester

23. Josh – Eine Chance für die Freundschaft

24. Mia – Mia, Josh und Ben

25. Josh – Der Morgen danach

26. Mia – Alpakas helfen immer

27. Josh – Unsere neue Realität

28. Mia – Drei sind einer zu viel

29. Josh – Valentin fällt ins Wasser

30. Mia – Das kann er mir nicht antun

31. Josh – Wenn Schweigen schlimmer ist als Lügen

32. Mia – Die Wahrheit

33. Josh – Verzeihen ist alles andere als leicht

34. Mia – Wenn die Gründe dagegen verschwinden

35. Josh – Bens Party

36. Mia – Diesmal ist es für immer

37. Josh – Hochzeit mit Alpakas

Danksagung

Playlist

Weitere Titel der Autorin

Als Nicci Cole:

Private Affairs – Tödliche Liebe

Über dieses Buch

Josh und Mia waren unzertrennlich – bis zu jener verhängnisvollen Nacht, in der alles zerbrach, was sie sich aufgebaut hatten. Zehn Jahre später hat Josh nur einen Wunsch: die Hochzeit zwischen seiner großen Liebe Mia und seinem ehemals besten Freund Ben zu verhindern. Am Standesamt angekommen ist er sich seiner Sache jedoch nicht mehr so sicher. Als ihm dann plötzlich ausgerechnet Mia, im Brautkleid und völlig aufgelöst, direkt in die Arme läuft, sieht er seine Chance. Er weiß, dass sie eigentlich zusammengehören. Aber kann er ihr Vertrauen überhaupt noch zurückgewinnen?

Über die Autorin

Nicole Knoblauch schreibt seit ihrer Jugend Liebesromane und fühlt sich in verschiedenen Genres heimisch. Ihre Romane umfassen das ganze Spektrum von historisch über fantastisch bis modern und als Nicci Cole jetzt auch den Bereich Spannung. Die Liebe bleibt dabei immer das Hauptthema. Die Autorin lebt mit ihrem Mann und zwei Söhnen am Rande des Rhein-Main-Gebiets ihr ganz persönliches Happy End.

Nicole Knoblauch

More than Love – Was dein Blick mir sagt

Originalausgabe

»be« – Das eBook-Imprint der Bastei Lübbe AG

Copyright © 2021 by Bastei Lübbe AG, Köln

Textredaktion: Stephanie Röder

Lektorat/Projektmanagement: Johanna Voetlause

Covergestaltung: Christin Wilhelm, www.grafic4u.de unter Verwendung von Motiven von © damien.photo/shutterstock; © Kolonko/shutterstock

eBook-Erstellung: 3w+p GmbH, Rimpar (www.3wplusp.de)

ISBN 978-3-7517-0454-0

www.be-ebooks.de

www.lesejury.de

1. Josh – Gegenwart

Vor dem Standesamt

Fuck! Fuck! Fuck!

Ich kann jetzt nicht da reingehen. Das würde Mia mir nie verzeihen. Alleine die Tatsache, dass sie heute einen anderen heiratet, zeigt, dass ich ein Idiot bin und hier nichts verloren habe.

Aber Ben? Ich meine, sie heiratet Ben! Ich bin mir nicht mal sicher, ob der auf Frauen steht. Der ist nicht der Richtige für sie. Und das weiß sie auch. Ich bin der Richtige für sie. Bin es immer gewesen. Das habe ich nur selbst viel zu lange nicht kapiert.

Und jetzt steht sie da drin und sagt »Ja« zu einem anderen Mann. Ich werfe einen Blick auf mein Handy. Zwölf Minuten bis zur Trauung. Noch könnte ich mit ihr reden.

Aber was soll ich sagen? Dass ich ein Arsch war, der sich jahrelang selbst was vorgemacht hat? Wir haben uns seit zehn Jahren nicht gesehen. Zehn Jahre, in denen ich dachte, ich hätte sie vergessen. Zehn Jahre, in denen ich mich auf meine Karriere konzentriert habe. Zehn Jahre, in denen mein Herz ein Eisblock war, der erst mit dem Anruf meiner Mutter vor ein paar Wochen Risse bekam.

»Weißt du, wer noch heiratet?« Diese Frage nervte. Bei jedem Anruf erzählte sie mir, wer heiratete oder ein Kind bekam. Ein stummer Vorwurf an mich, weil ich nie ein Mädchen mit nach Hause brachte.

»Wer?«, fragte ich also, bemüht, nicht allzu genervt zu klingen.

»Mia Kauer!«, ließ sie die Bombe platzen.

Wie ein Sack Mehl fiel ich auf mein Bett und konnte nichts sagen. Es war, als hätte die Welt aufgehört, sich zu drehen. Flashbacks an Tage voller Übermut und Nächte voller Leidenschaft überfielen mich. An Tage am Rhein und auf der Farm meines Onkels. An Nächte mit Whisky, Joints und Liebe. An Wochen, in denen mein Herz übergelaufen war vor Gefühlen. Und immer wieder ihr herzförmiges Gesicht.

»Josh? Hörst du mir noch zu?«

»Ja.« Ich räusperte mich und hoffte, dass sie mir mein Gefühlschaos nicht anmerkte. »Wen heiratet sie denn?«

»Ben Niemeyer.«

Das war zu viel. Meine Welt ging unter. Lange waren wir ein Dreigestirn gewesen. Und beste Freunde: Josh, Mia und Ben. Und jetzt heirateten die beiden? Mir drehte sich der Magen um, und ich krächzte: »Du hattest gar nicht erzählt, dass die beiden zusammen sind.«

»Ihr habt ja praktisch keinen Kontakt mehr, seit du weggegangen bist. Ich wusste doch nicht, dass dich das so brennend interessiert.«

Ja, fuck! Das hätte ich nicht sagen sollen. Aber ich konnte nicht mehr klar denken. Die Nachricht hatte mich aus der Bahn geworfen. »Tut es auch nicht. Richte ihr alles Gute von mir aus. Wann ist es denn so weit?« Ich war froh, dass sie mich nicht sehen konnte. Eine Hand in die Bettdecke gekrallt, der Rücken stocksteif, saß ich da und wartete auf ihre Antwort.

»In drei Wochen. Sie heiraten am 20. November.«

Das versetzte mir einen weiteren Schlag in die Magengegend. An dem Tag hatte ich es versaut. Und sie würde auf den Tag genau zehn Jahre später Ben heiraten. Weil mir klar war, dass ich etwas sagen musste, fragte ich: »Und sonst so? Irgendwer schwanger?«

Keine Ahnung, was sie mir danach noch alles erzählt hat. Ich weiß nur noch, dass ich die Jungs zusammengetrommelt habe und wir eine Tour durch die Bars auf St. Pauli gemacht haben.

Am nächsten Morgen bin ich in einem fremden Bett aufgewacht und habe mich heimlich rausgeschlichen. So was hatte ich seit Jahren nicht mehr gemacht. Ein Blick auf die Frau im Bett hat mich erst recht in Panik verfallen lassen. Brünett, mit halblangen Haaren, Herzgesicht und Kurven. Genau wie Mia. Fuck!

Und heute stehe ich vor dem Standesamt und habe ernsthaft vor, ihr die Hochzeit auszureden. Aber warum bewege ich mich dann nicht? Warum stehe ich hier wie festgefroren und starre die Tür an?

In diesem Moment schwingt sie auf, und Mia rennt in mich hinein. Noch schöner, als ich sie in Erinnerung habe. In einem weißen Kleid, mit einem Brautstrauß in der Hand. Und offensichtlich schwanger.

Vielleicht hätte ich meiner Mutter doch besser zuhören sollen.

»Entschuldigung«, murmelt Mia und will schon weitergehen, doch ich halte ihren Arm fest.

»Mia?«

Sie hebt den Blick. Ihre Augen weiten sich. »Josh?«

Ich nicke, und die Tränen in ihren Augen verschaffen mir einen unerwarteten Flashback. Ich habe sie schon einmal am Arm festgehalten, um sie am Gehen zu hindern. Damals hat es nicht funktioniert.

Ich lasse sie so abrupt los, als hätte ich mich verbrannt. Unsere Blicke treffen sich, und ich verstehe nicht, was passiert. Ich habe immer damit gerechnet, Hass und Verachtung in ihrem Blick zu finden, wenn wir uns wiedertreffen. Doch das ist es nicht, was ich sehe. Überraschung weicht sehr schnell Verwirrung, und darunter liegt etwas anderes. Etwas, was ich nie zu hoffen gewagt hätte: Sehnsucht.

Im nächsten Moment ist sie auch schon wieder weg. Sie läuft in Richtung Fußgängerampel, die genau in dem Moment auf Grün springt.

Meine Entscheidung fällt im Bruchteil einer Sekunde. Ich setze ihr nach. Sie biegt in Richtung Hauptbahnhof ab. Als sie den großen Platz erreicht, wendet sie sich nach rechts und bleibt nach wenigen Metern schwer atmend stehen. Das Standesamt ist von hier aus nicht mehr zu sehen. Sie legt eine Hand auf ihren Bauch und beugt sich leicht nach vorne.

Ich tue es ihr gleich und versuche, ihr in die Augen zu schauen. »Mia? Alles gut bei dir?«

Sie hebt den Kopf, und ihr Blick zerreißt mir das Herz. Dann passiert das Unfassbare: Sie wirft sich in meine Arme und beginnt hemmungslos zu weinen.

2. Mia 10 Jahre – 18 Jahre früher

Ein Umzug mit Folgen

Schlecht gelaunt klettere ich aus dem großen Umzugswagen und sehe mich nicht einmal um. Warum auch? Ist eh alles doof. Wenn es nach mir ginge, wären wir ganz bestimmt nicht umgezogen.

»Ist ja nur einen Ort weiter, Schätzchen«, haben meine Eltern gesagt. Ja, für sie ist es nur einen Ort weiter, für mich ist es ewig weit weg. Ich weiß ganz genau, dass Mama mich nicht immer fahren wird, wenn ich will. Auch wenn sie das gesagt hat.

Erwachsene sind so. Sie sagen, ich würde neue Freunde finden. Aber ich will keine neuen Freunde. Meine sind total in Ordnung! Klar, meine beste Freundin Sarah kommt auch in meine neue Klasse am Gymnasium. Aber es ist nicht mehr dasselbe. Normalerweise haben wir jeden Nachmittag damit verbracht, zusammen durch die Straßen oder die Felder hinter unserem Wohnblock zu ziehen. Jetzt werden wir uns nur noch in der Schule sehen. Oder dann, wenn ihre oder meine Mutter bereit ist, uns zu fahren. Oder wir müssen den Bus nehmen. Das ist doch alles Hundekacke!

»Na, Mia, freust du dich auf dein neues, großes Zimmer?« Mein Vater streicht mir übers Haar und schreit gleich darauf Befehle zu seinen Freunden, die beim Umzug helfen: »Nein, nicht die Kisten! Zuerst die Möbel!«

Meine Eltern interessiert nicht wirklich, wie es mir geht. Denn natürlich hat mich keiner gefragt, was ich will. Mich hat man vor vollendete Tatsachen gestellt.

Und jetzt bin ich hier, in diesem neuen Ort, in dieser neuen Straße, in der alles doof ist. Wenn ich mir die Häuser so anschaue, sieht es nicht aus, als ob hier andere Kinder wohnen.

Gerade als ich hinter dem LKW hervortrete, kommt ein Junge auf einem Fahrrad entlanggesaust und fährt mich fast über den Haufen. Ich kann im letzten Moment zurückspringen.

»Tut mir leid, hab dich nicht gesehen!«, ruft er, während er eine Vollbremsung hinlegt. Dann schiebt er das Rad zu mir zurück und mustert mich von oben bis unten. »Ziehst du hier ein?«

Ich nicke und starre zurück. Er ist ein wenig größer als ich, dünn, mit dunklen Locken und einem blassen Gesicht. Er trägt Jeans und ein Star-Wars-T-Shirt.

Grinsend zeige ich auf mein eigenes T-Shirt, auf dem Anakin Skywalker mit Rennbrille und Helm zu sehen ist. »Freust du dich auch schon auf ›Die Rache der Sith‹?«

»Ja klar!« Er strahlt übers ganze Gesicht. »Du auch? Obwohl du ’n Mädchen bist? Cool! Hast du ein Fahrrad? Ich wollte gerade zum Spielplatz und mich mit meinem besten Freund Ben treffen. Wenn du willst, kannst du mitkommen. Ich bin übrigens Josh.« Wie ein Erwachsener hält er mir die Hand hin.

Ich ergreife sie feierlich und sage: »Mia. Und ja, ich habe ein Fahrrad. Aber das ist noch irgendwo im Umzugswagen.«

Josh grinst übers ganze Gesicht. »Ach, macht nix. Du kannst bei mir mitfahren.«

Ich nicke eifrig und rufe meinem Vater zu: »Papa, ich bin mit Josh auf dem Spielplatz.« Dann wende ich mich wieder Josh zu. »Kann losgehen.«

»Moment, junge Dame!«, höre ich die Stimme meiner Mutter. »Wo ist denn dieser Spielplatz?«

War ja klar. Jetzt interessieren sie sich für mich. Da ich keine Ahnung habe, wo der Spielplatz ist, zucke ich nur mit den Schultern. Josh kommt mir zur Hilfe: »Der ist ganz nah! Da die Straße lang und dann durch die kleine Gasse, die man von hier sehen kann. Hinter den Hecken ist der Spielplatz. Ben ist bestimmt auch schon da.«

Meine Mutter nickt lächelnd und fragt: »Und wer bist du, junger Mann?«

»Ich bin Josh Schreiber und wohne da vorne.« Er deutete auf das Haus direkt neben unserem. »Die Frau da im Garten ist meine Oma.«

»Deine Oma wohnt bei euch? Cool!« Meine Omas wohnen beide ziemlich weit weg.

»Ja klar! Oma und Opa wohnen im selben Haus wie wir. Deine nicht?«

Ich schüttle den Kopf, aber bevor ich antworten kann, sagte meine Mutter: »Ihr wartet hier, ich geh mich mal kurz vorstellen.«

Wozu das denn? Warum muss sie mit Joshs Oma reden, bevor wir endlich zum Spielplatz können? Ich werde Erwachsene nie verstehen.

»Ist Ben nett?«

»Ben ist total cool. Wir wollen Jedi spielen. Du hast Glück. Die nehmen auch Mädchen als Padawane.«

In diesem Moment kommt Mama zurück. »Alles klar. Viel Spaß ihr beiden!«

Das lassen wir uns nicht zweimal sagen und machen uns auf den Weg. Josh erzählt, dass er nächstes Jahr in die sechste Klasse kommt. Er geht aufs Gutenberg-Gymnasium. »Oh, da komme ich auch nach den Ferien hin. Aber erst in die Fünfte.«

Er lacht. »Macht doch nix. Dann kann ich dir alles zeigen. Ben ist auch da. Er ist in meiner Klasse. Er wohnt auch hier, aber auf der anderen Seite vom Spielplatz. Er hat eine Sammlung. Alles, was es von Star Wars gibt. Und er hat eine Playstation 2! Und einen Pool im Haus. Seine Eltern sind ziemlich reich.« Seine Ohren werden rot. »Also, wir sind nicht arm, aber gegen ihn ... Und ihr?«

»Geht so. Ich bekomme keine Star-Wars-Sachen, weil ich ein Mädchen bin. Ich krieg immer nur Puppen. Die haben keine Ahnung, was ich wirklich mag. Das T-Shirt habe ich von meiner Oma.«

»Eltern halt. Hier sind wir!« Josh öffnet eine kleine Tür in den Hecken, und vor mir breitet sich das Paradies aus. Ein richtiger Abenteuerspielplatz! Dort gibt es Gebüsche, eine Wasserpumpe mit Kanälen, einen Turm, eine Hängebrücke, mehrere Rutschen und Schaukeln, sowie eine Rakete, in der man ganz weit nach oben klettern kann. So einen genialen Spielplatz hatten wir in meinem alten Wohnort nicht.

Josh stellt sein Fahrrad gegen die Büsche und deutet auf einen blonden Haarschopf, der im Turm zu sehen ist. »Da ist Ben. Komm mit!« Dann rennt er los. Ich folge ihm die steile Kletterwand zum Turm empor und höre ihn sagen: »Ben, ich habe das coolste Mädchen der Welt getroffen. Sie wohnt jetzt in meiner Straße, und sie ist auch Star-Wars-Fan! Das ist Mia.« Bei seinem letzten Satz strecke ich den Kopf durch die Luke und ziehe mich rein.

»Hi, Mia! Ich bin Ben.« Er hebt die Hand zum Gruß. Ben ist nicht ganz so dünn wie Josh und trägt die blonden Haare in der Mitte zu einem kurzen Iro gestylt.

Wir spielen den ganzen Nachmittag. Erkunden Planeten, retten Welten und fechten legendäre Kämpfe mit Lichtschwertern aus. Als es dunkel wird, setzen wir uns noch einmal im Turm zusammen und legen verschwörerisch die Hände übereinander. »Freunde für immer!«, sagt Josh.

»Freunde für immer!«, wiederholen Ben und ich ehrfürchtig. Vielleicht ist es ja doch gar nicht so doof, hierherzuziehen.

3. Josh – Gegenwart

Wenn Musik Erinnerungen weckt

Keine Ahnung, wie ich damit umgehen soll. Ich halte Mia in meinen Armen, und das ist genau das, was ich wollte. Allerdings weint sie.

Vorsichtig lege ich einen Arm um ihre Schultern und ziehe sie ein wenig fester an mich. Sie riecht noch genau wie früher. Nach Pfirsichen.

Was soll ich sagen? Vielleicht fragen, warum sie heulend aus dem Standesamt gerannt kommt?

Sie nimmt mir die Entscheidung ab, denn sie löst sich von mir und sagt: »Vielleicht bin ich ja komplett wahnsinnig ... aber ... bringst du mich hier weg? Ich will nicht mit Ben sprechen. Ich kann nicht.«

Das will ich auch nicht. Denn egal, aus welchem Grund sie Ben hat stehen lassen, es hat sie hierher zu mir geführt. Also nutze ich meine Chance. »Mein Auto ist dahinten im Parkhaus. Wenn du willst ...«

Sie lässt mich nicht ausreden. »Gehen wir!« Allerdings bewegt sie sich nicht vom Fleck und hebt den Zeigefinger der rechten Hand. »Eins möchte ich allerdings klarstellen. Ich habe dir nicht verziehen und bin immer noch sauer auf dich. Aber du bist meine beste Option, also gehe ich mit dir.«

Und schon läuft sie in die von mir gezeigte Richtung.

Scheiße! Für einen Moment bin ich sprachlos. Doch ich fange mich schnell und folge ihr. Ich muss nehmen, was ich kriegen kann. Wir geben mit Sicherheit ein komisches Bild ab. Sie, verheult in ihrem Brautkleid, und ziemlich schwanger. Ich in Jeans, T-Shirt und Lederjacke. Wir ernten einige skeptische Blicke, aber das ist mir egal. Ich kann nicht verhindern, dass sich ein Grinsen auf meinem Gesicht ausbreitet. Mia hat Ben nicht geheiratet.

Mein Blick bleibt an ihrem Brautkleid hängen, gleitet über ihren Körper. Diese Rundungen haben es mir schon immer angetan. Die Schwangerschaft lässt sie strahlen. Ich schlucke, als ich den herzförmigen Ausschnitt des Kleides sehe. Wie geschaffen, um ihre Brüste zu betonen. Perfekt. Das war der Ausdruck, den ich schon immer mit Mia verbunden habe. Das einzig Perfekte in meinem Leben. Das du mit Füßen getreten hast.

Am liebsten möchte ich meine innere Stimme erwürgen. Aber es stimmt. Ich habe alles versaut und sie aus meinem Leben geschmissen. Vielleicht ergibt sich jetzt die Chance, es wiedergutzumachen. Es besser zu machen.

Wir sind am Parkhaus angekommen, und ich übernehme die Führung. Mein Dacia steht ziemlich nah am Eingang. Mia mustert ihn und lächelt.

Das lässt mein Herz rasen und die Endorphine in meinem Körper Walzer tanzen. Wie habe ich mir nur einreden können, dass sie mir nichts mehr bedeutet?

»Du machst dir immer noch nichts aus Autos, oder?« Bei ihr klingt das, als sei es etwas Gutes. Meine Freunde lachen immer über mich, weil es stimmt, was sie sagt. Ein Auto soll mich von A nach B bringen und das möglichst sicher und kostengünstig.

»Stimmt«, sage ich und klopfe auf das Autodach. »Steig ein.«

Sie folgt meiner Anweisung, wenn auch etwas schwerfällig. Soll ich sie fragen, ob Ben der Vater ist? Damit wäre dann endgültig geklärt, ob er wirklich auf Frauen steht.

Aber irgendwie denke ich, dass mir das nicht zusteht. Genau genommen sollte ich nicht mal hier sein, wie sie selbst gesagt hat. Sie hat mir nicht verziehen.

Allerdings hat sie auch gesagt, ich solle sie wegbringen. Ihre beste Option. Ob wir darüber reden, was vor zehn Jahren passiert ist? Was ich ihr angetan habe. Nicht, wenn sie es nicht anspricht.

Schweigend starte ich den Wagen. Auch sie sagt nichts. Immerhin hat sie aufgehört zu weinen. »Hast du ein bestimmtes Ziel im Sinn?«, frage ich, um die Stille zu vertreiben. Und um nicht ständig an ihr Gesicht zu denken, als sie damals gegangen ist. So ein Scheiß! Wie kann es sein, dass ich jahrelang damit klarkomme und jetzt auf einmal völlig durchdrehe?

»Fahr einfach weg von hier.«

Ich schaue kurz zu ihr, und da habe ich meine Antwort. Weil ich sie mit Gewalt aus meinem Leben und meinem Denken verdrängt habe. Selbst zur Beerdigung meiner Großmutter bin ich erst gekommen, als ich sicher war, dass sie nicht da sein würde. Schnell schiebe ich diesen Gedanken beiseite. Bleib in der Gegenwart, Josh. Lass die Vergangenheit ruhen. Das kannst du gut. Ja, das kann ich. Also gut, wohin soll ich mit ihr fahren?

Die Antwort ist leicht: zur Farm meines Onkels. Dort haben wir als Kinder und Jugendliche viele schöne Stunden verbracht.

Okay, ich gebe zu, das mit dem die Vergangenheit ausblenden funktioniert wohl doch nicht ganz so gut, aber ich bin sicher, dass es der richtige Ort ist.

Als ich auf die A 60 Richtung Bingen fahre, schaut Mia kurz auf, lächelt und senkt dann wieder den Blick.

»Soll ich Musik anmachen?« Das vertreibt wenigstens die Stille ein wenig. Sobald ich nach Mainz gekommen war – in eine Umgebung, die mit Mia zusammenhing –, hatte ich keine Musik mehr hören können. Jedes Lied klang nach ihr und rief Erinnerungen wach, die ich vergessen wollte.

»Klar, warum nicht.« Wieder hebt sie den Kopf. Ihre Augen sind immer noch tränenverschmiert.

Besser schnell wegschauen. Ich stelle das Radio an und erstarre bei den Klängen. How You Remind Me von Nickelback. Von allen Liedern muss es ausgerechnet das sein.

»Ernsthaft? Das ist Absicht, oder?« Ich kann nicht einschätzen, ob sie amüsiert oder sauer ist.

»Nein, ehrlich!« Ich deute auf die Anzeige des Radios. »Das ist SWR 3. Ich bin völlig unschuldig.«

Sie nickt und murmelt: »Dann ist es ein Zeichen, und ich bin genau da, wo ich sein soll.«

Bam! Volltreffer. Mein Herz sackt mir in die Hose, nur um im nächsten Moment in Höhen zu fliegen, von denen ich längst vergessen hatte, dass es sie gibt.

»Erinnerst du dich an den Abend?« Klingt da Wehmut in ihrer Stimme mit?

»Wie könnte ich den vergessen?« Ob sie das Zittern hört? »Da habe ich dir gesagt, wie sehr ich dich liebe.« Es schmerzt, aber irgendwie tut es auch gut, das auszusprechen. »Und ich habe es genau so gemeint.« Vielleicht nicht klug, das jetzt zu sagen, aber ich will, dass sie es weiß.

»Ich habe dir geglaubt.« In jeder Silbe klingt ein Aber mit.

Das tut weh. Denkt sie, ich hätte sie belogen? Habe ich nicht. Ich schaue kurz zu ihr rüber, doch sie hat den Blick aus dem Fenster gerichtet.

Bingen liegt inzwischen hinter uns. Die Musik im Radio ist unverfänglich, und ich zermartere mir das Hirn, was ich sagen soll.

»Fahren wir zu den Alpakas?« Ich kann an ihrer Stimme nicht erkennen, ob sie das gut oder schlecht findet.

»Ja«, antworte ich deshalb.

»Nicht der schlechteste Ort, um zu reden.«

Puh, Glück gehabt. Trotzdem frage ich: »Willst du denn reden?«

Endlich dreht sie den Kopf zu mir, und ihr Gesicht zeigt diesen Blick, den ich so gut von ihr kenne. Unglaube und Belustigung. Sie sieht an sich hinunter, legt eine Hand auf ihren Bauch und sagt: »Besser spät als nie, oder?«

4. Mia 16 Jahre – 12 Jahre früher

Der erste Kuss oder: Das geht besser

Heute ist mein sechzehnter Geburtstag und er war bisher totaler Mist! Alles ist schiefgelaufen. Eigentlich hätte es der beste Tag meines Lebens werden sollen. Ich hatte alles so gut geplant. Sogar zwei Mädels für Ben und Josh hatte ich eingeladen. Clara und Lisa. Die sind in meiner Stufe und fahren total auf Ben und Josh ab, weil sie bereits älter sind. Soll mir egal sein. Sie haben ihren Zweck erfüllt. Die Jungs waren so mit Knutschen beschäftigt, dass sie mich gar nicht weiter beachtet haben.

Ich finde es ja toll, dass sie sich wie zwei große Brüder benehmen, aber manchmal kann das echt nervig sein. Kein Junge traut sich auch nur in meine Nähe! Es muss nur ein Kerl in meine Richtung schielen, und schon steht einer der beiden da und mustert ihn grimmig. Solange ich die Typen loswerden will, ist das ja auch praktisch. Aber Dennis wollte ich nicht loswerden. Dennis ist der süßeste Junge in meiner Stufe, und ich wollte ihn unbedingt küssen. Kann doch nicht sein, dass ich in die Oberstufe komme und noch nie einen Jungen geküsst habe.

Als ich das gegenüber Josh erwähnte, hat er mich merkwürdig angeschaut und gesagt, dass er mich ja küssen könnte. Aber das wäre nicht dasselbe. Ich will, dass ein Junge mich küsst, weil er mich toll findet, und nicht, weil er Mitleid mit mir hat.

Auf jeden Fall hatte ich für alles gesorgt: Ablenkung für meine Beschützer, ein wenig Alkohol für die Stimmung und schummriges Licht. Es war kurz nach Mitternacht, als ich mich neben Dennis in einen der großen Sitzsäcke fallen ließ. Ich hatte zwei Bier getrunken, war also nicht betrunken, aber locker genug, um zum Angriff überzugehen.

»Hi«, sagte ich und lehnte mich ein wenig näher zu ihm, um gegen die Musik anzuschreien.

Er nickte zum Gruß.

»Gefällt dir die Party?«

Er grinste und nickte im Takt der Musik mit dem Kopf.

Ich lehnte mich noch ein wenig weiter zu ihm, sodass mein Top die Rundungen meiner Brüste freigab. »Vielleicht hast du ja Lust, mit mir zu tanzen?«

Seine Augen saugten sich an meinem Busen fest. Gut. Den Tipp hat Josh mir gegeben, wenn auch unfreiwillig. Er hat erwähnt, wie sehr ihn dicke Titten anmachen. Okay, da war er ziemlich bekifft gewesen, aber ich habe ihn danach beobachtet. Er starrt ständig auf die Brüste von Mädchen.

Und Dennis gefiel offensichtlich auch, was er sah. Er streckte seine Hand aus und zog mich an der Hüfte auf seinen Schoß. Ich konnte mein Glück kaum fassen. Das war einfacher als gedacht. Ich würde tatsächlich meinen allerersten Kuss bekommen. Und das von meinem Traummann.

Er richtete sich in dem Sitzsack auf, und seine Lippen klatschten auf meine. Es tat ein wenig weh, aber in Filmen sah das auch immer so aus. Seine Zunge suchte sich rücksichtslos und nass ihren Weg in meinen Mund. Das hatte ich mir definitiv romantischer vorgestellt. Ich versuchte, mich von ihm zu lösen, aber er hielt mich fest. Als ich gerade zu lautem Protest ansetzen wollte, ließ er von mir ab, und im nächsten Moment ergoss sich ein Schwall Kotze auf mein Dekolleté, verfing sich in meinen Haaren und tropfte überall herunter. Jetzt schrie ich wirklich.

Dennis sackte nur zurück, grinste dümmlich und lallte: »Tut mir leid, Melli!«

Scheiße! Melli war seine Ex und gar nicht hier. Der Kerl war hackedicht. Ich blickte mich um. Es sah jedoch nicht so aus, als ob jemand mitbekommen hätte, was passiert war. Wenigstens etwas. Meine Eltern würden zwar morgen einen Anfall bekommen, wenn sie die Kotze sahen, aber die konnte ich ja noch wegwischen. Jetzt musste ich mich erstmal selbst von dem Zeug befreien.

Und so stehe ich jetzt hier im Bad, nur in Jeans und BH, und versuche, die Kotze aus Klamotten und Haaren zu wischen.

»Mia, bist du da drin?«

Scheiße, das ist Josh. »Ja, komme gleich!«

»Ist alles in Ordnung bei dir? Ich habe gesehen, wie ... was passiert ist. Kann ich dir irgendwie helfen?«

Er hat es gesehen? Steckte seine Zunge nicht bis zum Anschlag in Lisas Hals? »Äh, kannst du mir vielleicht ein frisches Shirt bringen? Ich fürchte, meins ist ruiniert.«

»Okay.« Schritte entfernen sich, und ich halte einfach meinen ganzen Kopf unter den Wasserhahn und wasche mir schnell die Haare. Als ich mir gerade das Handtuch umwickle, klopft es wieder. »Moment.«

»Geht es dir gut, Mia?« Das ist nicht Josh, sondern Sarah. Unsere Freundschaft hat den Umzug tatsächlich überdauert.

»Ja, alles gut. Feier weiter. Josh bringt mir schon ein neues Shirt.«

»Okay. Aber wenn du reden willst oder ich dem Arsch eine Abreibung verpassen soll ...«

»Sag ich dir Bescheid, danke.« Warum glauben eigentlich alle, dass ich nicht selbst auf mich aufpassen könnte? Ich bin sechzehn und durchaus in der Lage, für mich und meine Bedürfnisse einzustehen. Und auch, um Fehler zu machen und sie danach wieder auszubügeln.

»Hey, Sarah.« Josh ist zurück.

»Hey, Josh. Kümmere dich gut um sie, ja?«

»Immer doch.« Er klopft zweimal. »Dein Shirt!«

Ich öffne die Tür einen Spaltbreit und strecke die Hand raus. Er reicht es mir, und so schnell ich kann, stoße ich die Tür wieder zu. Kopfschüttelnd ziehe ich mir das Shirt über. Es ist ein einfaches schwarzes T-Shirt ohne Aufdruck. Wo in meinem Schrank hat er das denn bitte gefunden? Egal, Hauptsache ich habe etwas an. Denn ich vermute mal, dass er so schnell nicht wieder gehen wird.

»Kann ich jetzt reinkommen?«

Ich wusste es! »Klar, die Tür ist offen.«

Er betritt das Bad und mustert mich kritisch. »Soll ich dem Typen eine reinhauen?«

»Nein!« Ich greife nach Joshs Hand, um ihn davon abzuhalten. »Ist ja nichts passiert.«

»Der Arsch hat dich vollgekotzt. Das ist nicht ›nichts‹.«

»Aber ich war selbst dran schuld. Ich habe nicht mitbekommen, dass er besoffen ist. Sonst hätte ich doch nie ...« Ich beiße mir auf die Lippen und grinse in der Hoffnung, dass er es gut sein lässt. Lässt er natürlich nicht.

»Du hast das absichtlich gemacht? Du weißt aber schon, dass der Kerl alles vögelt, was nicht bei drei auf dem Baum ist, oder?«

»Also genau wie du?«, kann ich mir nicht verkneifen.

Er grinst. »Im Gegensatz zu ihm sage ich immer schon vorher, dass ich nur Sex will, weil mein Herz schon einer anderen gehört.«

Das ist ja mal ganz was Neues. »Ach, dein Herz gehört also schon jemandem? Kenne ich sie?«

Sein Grinsen wird breiter. »Sie steht vor mir und sieht selbst mit diesem Handtuch auf dem Kopf umwerfend aus.«

»Blödmann.« Ich werfe das Handtuch nach ihm.

Er fängt es. »Alle wissen das. Du bist die einzige Frau in meinem Leben.«

»Alle wissen, dass du ihnen den Kopf abreißen würdest, wenn sie mir zu nahe kommen. Aber das heißt nicht, dass wir jemals ein Paar werden.« Ich runzle die Stirn. »Wieso hast du überhaupt gesehen, was passiert ist? Hast du nicht mit Lisa rumgeknutscht?«

Er macht eine wegwerfende Handbewegung. »Mir war klar, dass du irgendwas vorhast. Sonst hättest du die nie eingeladen. Lisa für mich und Clara für Ben, stimmt’s?«

»War das so offensichtlich?« So ein Mist. Manchmal ist es ein Fluch, dass wir uns so gut kennen.

»Ziemlich.« Er lehnt lässig an der Badtür und mustert mich von oben bis unten. »Das war dein erster Kuss, oder?«

Klar, dass ich jetzt rot werde. »Und wenn?«

»Nicht ablenken. Seit wir darüber geredet haben, hat dich keiner geküsst, oder?«

Sein Blick irritiert mich. So ernst und intensiv. So schaut er selten. Josh ist eigentlich immer pure Energie. Nie um einen Witz verlegen, immer auf dem Sprung. Aber jetzt? Mir wird auf einmal ganz flau im Magen, und ich unterbreche den Blickkontakt. Die ganze Situation ist komisch.

»Ich küsse dich!«

Ruckartig hebe ich den Kopf und starre ihn an. Das kann doch nicht sein Ernst sein? »Hatten wir diese Diskussion nicht schon?«

»Doch, aber sie ist zu keinem befriedigenden Ende gekommen.«

»Für mich schon. Ich habe ›Nein‹ gesagt. Ende.«

Er kneift die Lippen zu einem dünnen Strich zusammen und schüttelt den Kopf. »Du weißt, dass ich gut küssen kann. Alle sagen das.«

»Ja, genau da liegt das Problem. Alle!« Ich betone das letzte Wort und hebe die Hände. »Ich will keinen Kuss aus Mitleid. Geh raus und mach bei Lisa weiter, wo du aufgehört hast.«

»Und wenn ich das nicht will? Wenn ich lieber dich küssen will?« Er kommt näher, und ich weiche zurück. Doch nach zwei Schritten stoße ich bereits an die Duschkabine. »Dann ...« Ich breche ab und schaue ihm in die Augen. Waren da schon immer diese grünen Sprenkel in dem Braun? Sein Aftershave steigt mir in die Nase. Ich kenne den Geruch gut, aber normalerweise sorgt er nicht dafür, dass mein Herzschlag sich beschleunigt. Er will das mit dem Kuss tatsächlich durchziehen. Warum? Plötzlich habe ich eine Eingebung. »Josh, du bist high, oder? Was hast du genommen?« Wäre nicht das erste Mal, dass er irgendwas genommen hat und auf merkwürdige Ideen kommt. Seit dem Tod seines Vaters übertreibt er es gerne mal ein wenig.

»Gar nichts. Ich bin so nüchtern wie du.« Sein Gesicht ist nur noch wenige Zentimeter von meinem entfernt. Unsere Nasenspitzen berühren sich fast. »Und jetzt hör auf zu reden und genieß es einfach.«

Seine Lippen treffen meine, und ich rechne damit, dass es wieder nass und eklig wird. Aber das ist es nicht. Seine Lippen sind trocken und warm. Sie üben einen sanften Druck aus, und ein Schauer durchläuft mich. Er verstärkt den Druck, und seine Unterlippe schiebt sich zwischen meine. Ohne zu wissen, was ich tue, schlinge ich die Arme um Josh und ziehe ihn näher an mich. Auch er hält mich jetzt fest. Daran ist gar nichts eklig. Es ist pure Magie. So hatte ich mir das mit dem Küssen vorgestellt. Seine Zunge erkundet meinen Mund, und ich höre auf zu denken. Ich weiß, dass ich das beenden sollte, aber ich kann nicht. Das flaue Gefühl im Magen ist etwas anderem gewichen. Etwas Warmem, Leichtem. Und es schlägt Purzelbäume in meinem Unterleib. In mir entsteht eine Sehnsucht, die alles andere verdrängt. Hätte ich geahnt, dass es so sein würde, hätte ich sein Angebot schon vor Wochen angenommen. Wie lange stehen wir schon hier? Sekunden? Minuten? Stunden? Ich weiß nur, dass ich nicht will, dass es aufhört.

Aber er löst sich von mir und legt schwer atmend seine Stirn an meine. Die Augen noch immer geschlossen, murmelt er: »Jetzt weißt du, wie ein Kuss sich anfühlen sollte.« Dann dreht er sich seelenruhig um und lässt mich alleine im Bad stehen.

5. Josh – Gegenwart

Ein Pfad in die Vergangenheit

Mühelos finde ich den schmalen Weg zur Farm meines Onkels. Nach wenigen Metern passieren wir den großen Holzbogen, der verkündet, dass man die Alpaka-Trail-Farm erreicht hat. Direkt daran schließt ein großer Parkplatz an. Er ist menschenleer. Ich lasse ihn links liegen und fahre zum Haus. Dort stoppe ich den Wagen und schaue zu Mia hinüber.

Sie sieht aus dem Fenster zum Gebäude. »Ich war seit Jahren nicht mehr hier.« Höre ich da Melancholie aus ihrer Stimme? Erinnert sie sich? Ich muss zugeben, dass ich es manchmal tue. Meist, wenn ich gesoffen hatte und nicht mehr ganz nüchtern alleine ins Bett gefallen bin. Aus diesem Grund war ich mit zu vielen Frauen im Bett. Alleine sein hat mich wahnsinnig gemacht. Aber auch das habe ich irgendwann aufgegeben. Genau wie die Drogen und das Saufen. Aber manchmal ...

»Ich habe mich oft gefragt, ob es die Farm noch gibt«, unterbricht sie meine trüben Gedanken. »Mich aber nicht getraut herzukommen.«

Ich blinzele mehrmals, um mich wieder im Hier und Jetzt zu verankern. Sie hat sich nicht getraut. Warum? Ich frage nicht, weil ich es eigentlich weiß: zu viele Erinnerungen. An mich. Drei Sommer waren wir in den Ferien zum Arbeiten hier. Nur sie und ich. Ben war mit seinen Eltern in der ganzen Welt unterwegs gewesen, und die Sommerferien hatten nur uns gehört. Und den Alpakas. Um das Schweigen nicht unangenehm werden zu lassen, frage ich: »Wollen wir aussteigen oder im Auto bleiben?«

Sie sieht an sich hinab. »Ich würde gerne aussteigen. Aber in dem Kleid ...«

»Dann lass uns reingehen. Karin gibt dir sicher was zum Anziehen.« Ihr Lachen macht den grauen Novembertag heller. »Ich meine das ernst«, sage ich mit einem Grinsen. Keine Ahnung, wo das auf einmal herkommt. Aber es fühlt sich richtig an.

»So hast du mir immer am besten gefallen.« Sie seufzt und streichelt sanft über ihren Bauch. »Weißt du, dass ich oft an dieses Grinsen denken musste?«

Nein, wusste ich nicht. Woher auch? »Ich dachte, du denkst gar nicht an mich. Oder wenn, dann nur an das Ende und ...«

»Mach es nicht kaputt, Josh.« Jetzt glitzern Tränen in ihren Augen. Shit! Ich wollte sie nie wieder weinen sehen.

»Mia, ich ...«

»Vergiss es. Lass uns reingehen. Ich würde so gerne die Tiere sehen.«

Ich mache alles, wenn sie nur aufhört, zu weinen. Ihre Tränen haben mich in meinen Träumen verfolgt. Wochenlang, ach was sage ich, monatelang. Und manchmal noch heute. Also öffne ich die Tür. »Warte hier. Ich suche meinen Onkel oder meine Tante, und dann kannst du direkt ins Warme.«

Draußen nieselt es, und ich versuche mein Glück zuerst an der Haustür. Direkt nach dem ersten Klingeln öffnet meine Tante und sieht mich für einen Moment mit großen Augen an. Dann lächelt sie und zieht mich in eine Umarmung. »Josh! Was für eine Überraschung.« Sie lässt mich los und mustert mich von oben bis unten. »Gut siehst du aus! Komm doch rein und ...«

»Mia sitzt im Auto.« Ich deute hinter mich und lächle verlegen. »Sie ist ...«

»Aber warum lässt du sie im Auto sitzen? Sie soll reinkommen!« Und schon schiebt mich Karin zur Seite.

Ich bekomme sie gerade noch am Arm zu fassen. »Sie ist schwanger und wollte heute Morgen Ben heiraten«, sprudelt es aus mir heraus. »Hat sie aber nicht. Deshalb habe ich sie hergebracht. Kannst du ihr was zum Anziehen geben und uns dann zu den Hengsten lassen? Ich glaube, das wird sie ein wenig trösten.«

Karin hält inne und sieht mich mit diesem Blick an, den sie schon immer draufhatte: als hätte sie mich bei etwas Verbotenem erwischt. Dann nickt sie. »Das zwischen euch beiden war immer speziell«, ist alles, was sie sagt. So war sie schon immer. Nie aufdringlich, aber immer da, wenn ich sie brauchte. Ich drücke kurz ihre Hand und lächle sie an. Dann gehe ich zurück zum Auto und öffne Mia die Tür. »Komm. Karin sucht dir Kleider raus, dann können wir die Hengste besuchen.« Ihr Lächeln vertreibt den Nieselregen und die Kälte in meinem Herzen. Karin hat recht. Unsere Verbindung war besonders. Und wenn mich nicht alles täuscht, ist noch ein Funken davon vorhanden.

»Danke.« Schwerfällig rafft Mia den Rock ihres Kleides, und ich frage mich, wie weit die Schwangerschaft fortgeschritten ist. So, wie sie sich bewegt, würde ich sagen ziemlich weit. Ich habe die letzten Jahre im Job häufiger mit schwangeren Frauen zu tun gehabt und bin sicher, dass sie mindestens im achten Monat ist. Vielleicht noch weiter. Das bis zu den Knien enge Brautkleid betont jede ihrer wundervollen Kurven und spannt sich eng um den Bauch. Kurz oberhalb der Knie bauscht es sich bis zum Boden in mehreren Lagen Tüll auf, die sie jetzt versucht, nach oben zu halten. Das gelingt ihr auch ganz gut, aber ich kann sehen, wie sich ihre Gesichtszüge entspannen, sobald sie im Hausflur steht und sich wieder gerade aufrichten kann.

Dort wird sie erst einmal von Karin umarmt. »Lass dich anschauen, Mia. Es ist viel zu lange her.«

»Vielen Dank. Es ist schön, wieder hier zu sein.«

Karin winkt mich rein. »Josh, geh in die Küche und mach dich nützlich. Koch Kaffee, dann könnt ihr eine Kanne mit auf die Weide nehmen. Marc ist eh gerade dort und bereitet die Fütterung vor. Er freut sich bestimmt über etwas Warmes.« Das ist meine Tante. Sie stellt keine Fragen und denkt immer praktisch. Jeder wird sofort willkommen geheißen und eingespannt.

In der Küche angekommen, konzentriere ich mich auf meine Aufgabe. Das Kaffeepulver steht schon bereit, und ich muss die Maschine nur noch befüllen. Nach zwei Minuten habe ich also nichts mehr zu tun, und meine Gedanken beginnen zu wandern. Zu unserem ersten Sommer hier. Es war kurz nach Mias sechzehntem Geburtstag und diesem Kuss, der mir nicht mehr aus dem Kopf ging. Zwei Wochen lebten und arbeiteten wir hier. Sie hatte immer eine enge Beziehung zu den Tieren. Besonders zu den Hengsten. Sie meinte, die seien nicht so zickig wie die Stuten. Selbst bei Tieren bevorzugte sie immer die Gesellschaft von Männern.

Ich erinnere mich, wie ich jeden Tag darauf hoffte, sie würde den Kuss zur Sprache bringen und mir gestehen, dass es ihr ging wie mir. Aber sie sagte nichts, und unsere Beziehung wurde schnell wieder so, wie sie vorher gewesen war. Eine innige Freundschaft, nicht mehr.

Der Kaffee ist durchgelaufen und bringt mich in die Gegenwart zurück. Die Thermoskanne steht bereits da, und ich fülle ihn ein. Ich schraube gerade den Deckel drauf, als ich Karin und Mia zurückkommen höre.

Mias Anblick verschlägt mir den Atem. Sie trägt eine dunkle Jogginghose, die an den Hüften sehr eng sitzt, und ein rotes Holzfällerhemd, das an den Brüsten spannt und über ihrem Bauch geöffnet ist. Darunter zeigt sich ein graues Shirt, das sich über den Bauch spannt. Nicht besser als das sexy Brautkleid. Aber eigentlich ist egal, was sie trägt. Ich finde sie immer heiß. Daran kann ich nichts ändern, und mich selbst anzulügen bringt auch nichts. Das habe ich zehn Jahre lang gemacht. Jetzt ist Schluss damit. Weil ich ihr das natürlich nicht sagen kann und meine Tante schon wieder diesen wissenden Blick aufgesetzt hat, nehme ich die Thermoskanne und deute Richtung Hintertür: »Die Weide ist immer noch hinter dem Wäldchen?«

»Ja, alles wie gehabt. Gummistiefel stehen hinterm Haus. Sucht euch passende raus. Bei dem Wetter braucht ihr sie.«

Ich schaue auf unsere Füße und muss ihr recht geben. Mia trägt nur dicke Socken, aber ihre Hochzeitsschuhe sind sicher nicht geeignet. Genauso wenig wie meine Chucks.

»Ihr kennt euch ja aus.« Karin macht eine scheuchende Handbewegung. »Geht jetzt, und wenn ihr wiederkommt, wartet frischer Apfelkuchen auf euch.« Ich sage ja, sie ist ein Schatz.

Ich küsse sie auf die Wange, und dann machen Mia und ich uns auf den Weg zur Weide. Es ist ein Fußweg von gut zehn Minuten durch einen kleinen Hain. Jetzt im Spätherbst sind fast alle Bäume kahl, und wir laufen durch die bunten Blätter. Dank des leichten Regens riecht es angenehm erdig, und ich sauge die feuchte Luft tief in meine Lungen. Mia scheint ganz in Gedanken versunken und streicht sich immer wieder über den Bauch. Ich bin sicher, dass das keine bewusste Geste ist.

Mit allem Mut, den ich aufbringen kann, frage ich: »Was ist jetzt mit dir und Ben?«

Langsam, als würde sie aus einer Trance erwachen, dreht sie den Kopf zu mir und blinzelt mehrmals.

»Ben wird das verstehen. Ich meine, er wollte ja eigentlich auch nicht heiraten und sollte einsehen, dass es so das Beste ist.«

Wie jetzt? Ben wollte sie nicht heiraten? »Das Beste?«

»Wie soll ich das erklären?« Sie seufzt und dreht sich ein wenig mehr zu mir, während sie weiterläuft.

Ich schaue auf die kahlen Bäume, um sie nicht anschauen zu müssen. Keine gute Idee. Denn mein Blick fällt auf eine kleine Laube. Im Sommer liegt sie wunderbar versteckt zwischen den Bäumen. Sie ist mit Blaureben umwachsen und in unserem letzten gemeinsamen Sommer haben Mia und ich dort einige Nächte gemeinsam verbracht. Heiße Nächte. Da waren wir bereits ein Paar, und mein Onkel und meine Tante haben uns diese Laube als Rückzugsort nutzen lassen. Jetzt sieht sie verlassen, heruntergekommen und traurig aus. Genau wie unsere Beziehung. Dennoch kann ich nicht aufhören, an die Nächte dort zu denken. Auch jetzt drängen die Bilder in meinen Kopf und ...

»Josh?«

Ich schließe die Augen und atme mehrmals tief durch. Als ich sie wieder öffne, ist ihr Blick ebenfalls auf die Laube gerichtet, und sie scheint meine Gedanken zu ahnen, denn sie sagt kichernd: »Du verstehst, dass mir danach nicht der Sinn steht?« Sie sieht auf ihren Bauch, und ich spüre, wie ich rot werde.

Das hat sie schon immer gut gekonnt. Situationen entschärfen und dafür sorgen, dass ich mich wie ein Idiot fühle. »Jaaaa«, antworte ich also gedehnt. »Vielleicht war es doch keine so gute Idee, hierherzufahren.«

»Die Idee war großartig. Ich habe in den letzten Wochen viel an dich gedacht und über dich gesprochen.«

»Wirklich?« Ich bin nicht sicher, ob mir das gefällt.

Sie verzieht missbilligend das Gesicht. »Ben und ich wollten heiraten. Natürlich haben wir auch über dich geredet.«

»Ich will lieber nicht wissen, was ihr zu sagen hattet. Sicher nichts Schmeichelhaftes.« Ben hat mir nach der Sache mit Mia die Freundschaft gekündigt. Und ich war noch froh darüber. Er hätte mich zu sehr an sie erinnert. Mit einem Seufzer streiche ich mir übers Gesicht und murmele: »Ich war so ein Arsch.«

»Absolut. Aber heute geht es nicht um dich, sondern um mich.«