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Morith Sinja – Die Suche Molly und Eugen kämpfen an der Country High gegen den täglichen Spott und die Gemeinheiten ihrer Mitschüler. Doch als Mollys atemberaubend schöne Cousine Sinja plötzlich nach Saffron Walden zieht, wird ihr Leben komplett auf den Kopf gestellt. Sinja hat nicht nur ein perfektes Äußeres – sie trägt ein dunkles Geheimnis in sich, das sie seit ihrer Geburt verfolgt: In ihr schlummert eine uralte, gefährliche Kraft, die droht, ihre Menschlichkeit zu zerstören und sie in ein menschenmordendes Monster zu verwandeln. Gemeinsam beschließen Molly und Eugen, Sinja zu helfen, ihre Vergangenheit zu entschlüsseln und die dunkle Macht zu besiegen, die in ihr erwacht. Auf der Suche nach Erlösung stoßen sie auf uralte Legenden und mysteriöse Geheimnisse, die weit in die Vergangenheit zurückreichen. Unterstützung erhalten sie von einer alten Bekannten von Sinjas verstorbenem Vater, die das letzte Puzzleteil zur Lösung von Sinjas Schicksal in den Händen hält. Doch können sie das Rätsel um Sinja und ihre geheimnisvolle Mentorin Kimshara lösen – die mysteriöse Gestalt, die Sinja in ihren Träumen verlassen hat? Werden sie Sinja vor dem drohenden Untergang bewahren, oder ist es bereits zu spät? „Morith Sinja – Die Suche“ ist ein fesselnder, emotionaler Thriller voller Magie, uralter Mysterien und düsterer Geheimnisse. Der zweite Teil der Reihe knüpft an „Morith – Sinja“ an, kann aber auch eigenständig gelesen werden. Beide Werke basieren auf dem Erstlingswerk von Ralph Corvin „Morith – Verzehrende Liebe“. Perfekt für Fans von Fantasy, mysteriöser Archäologie und Geschichten, die die Grenze zwischen Mythos und Wirklichkeit sprengen.
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Veröffentlichungsjahr: 2024
Inhaltsverzeichnis
Saffron Walden
Ein normaler Tag an der Country High
Mobbing
Schlimmes Ereignis
Sinja
Kennenlernen
Konflikt
Erster Schultag
Cambridge
Sportunterricht
Mittwoch
Donnerstag
Freitag
Samstag - Tag der offenen Tür
Montag
Endlich Ruhe
Näher an der Wahrheit
Paris
Zuhause
Hinterhalt
Vor der Reise
Graffham
Kimshara
Zukunft
Impressum
Es war ein typischer Morgen in Saffron Walden, einer idyllischen Kleinstadt im Herzen Englands, etwa 20 Kilometer südlich von Cambridge. Die Stadt mit rund 15.000 Einwohnern war bekannt für ihre malerischen Gassen, die alten Backsteinhäuser und das Labyrinth im Park, das einst als eines der größten Englands galt. Das bescheidene Einfamilienhaus der Familie Bennet stand in einer ruhigen Seitenstraße, umgeben von gepflegten Gärten und in der Nähe der weiten Felder, die das Städtchen umgaben. Saffron Walden hatte seinen ganz eigenen Charme: Der wöchentliche Markt auf dem Marktplatz zog Menschen aus der Umgebung an, und das historische „Bridge End Garden“ mit seinen kunstvoll angelegten Hecken bot eine Oase der Ruhe. Hier, wo das Leben gemächlich und unspektakulär verlief, fühlte sich die Familie Bennet wohl, auch wenn es oft von der Hektik des Alltags geprägt war.
Sarah Bennet war eine Krankenschwester im örtlichen Krankenhaus. Ihr Tag begann früh, lange bevor die Sonne über den Dächern aufging. Noch vor dem ersten Licht der Dämmerung machte sie sich leise aus dem Haus, um ihre Schicht zu beginnen. Ihre Arbeit war anspruchsvoll und oft anstrengend, doch Sarah liebte es, für andere da zu sein. Sie war bekannt für ihre ruhige, warmherzige Art, die sowohl ihren Patienten als auch ihrer Familie Halt gab. Im Krankenhaus war sie eine feste Stütze – jemand, auf den man sich verlassen konnte, egal wie hektisch der Tag wurde. Ihre Kollegen und Patienten schätzten sie sehr, weil sie nicht nur fachlich kompetent, sondern auch einfühlsam war. Sarah hatte immer ein offenes Ohr für die Sorgen der anderen und konnte selbst in stressigen Situationen Ruhe bewahren.
Auch zu Hause war Sarah eine liebevolle Mutter und Ehefrau. Sie sorgte dafür, dass ihre Familie sich geborgen fühlte und schaffte es trotz ihrer anstrengenden Arbeit, immer Zeit für Ollie und Molly zu finden. Ihre Geduld und ihr Sinn für Humor halfen dabei, die kleinen und großen Herausforderungen des Familienlebens zu meistern. Sie war jemand, der es verstand, die Balance zwischen Beruf und Familie zu halten, ohne dass sich jemand vernachlässigt fühlte.
In der Nachbarschaft war Sarah ebenfalls sehr beliebt. Sie kannte fast jeden in ihrer Straße und nahm sich immer die Zeit für ein kurzes Gespräch oder ein freundliches Lächeln. Ob es darum ging, einem älteren Nachbarn beim Einkaufen zu helfen oder bei einem Straßenfest mit anzupacken – Sarah war stets zur Stelle, und die Menschen in Saffron Walden wussten, dass sie sich auf sie verlassen konnten.
Ihr Ehemann Ollie, ein Streifenpolizist in Saffron Walden, hatte ebenfalls einen anstrengenden Alltag. Ollie war ein großer Mann mit einem kräftigen Körperbau, der über die Jahre etwas an Gewicht zugelegt hatte. Sein trockener Humor und seine stoische Art halfen ihm, mit den Herausforderungen seines Jobs umzugehen. Oft verbrachte er seine Tage damit, durch die Stadt zu patrouillieren, kleinere Streitigkeiten zu schlichten oder Verkehrskontrollen durchzuführen. Saffron Walden war zwar keine Stadt, in der schwere Verbrechen vorkamen, doch Ollie träumte immer noch davon, eines Tages als Detective zu arbeiten – obwohl er inzwischen fast zu alt für diesen Karriereschritt war. Vor Jahren hatte er einmal eine peinliche Begegnung mit der Presse, die diesen Traum ins Wanken gebracht hatte. Bei einer Verfolgungsjagd war ihm die Hose geplatzt, und er wurde in dieser Situation abgelichtet. Das Bild von Ollie mit heruntergelassener Hose machte ihn damals zu einer kleinen Berühmtheit in Saffron Walden. Auch wenn diese Geschichte mittlerweile verjährt war, wurde sie immer wieder hervorgeholt, was Ollie frustrierte, auch wenn er es selten zugab.
Zu Hause war Molly Bennet, ihre 17-jährige Tochter, eine Schülerin der Country High School. Molly war ein durchschnittliches Mädchen mit all den Problemen, die ein Teenager in der Pubertät haben konnte. Sie war für ihr Alter mit 1,65 Meter durchschnittlich groß, doch ihre Figur und ihr Übergewicht machten sie zum Ziel von Hänseleien. Mollys Pickel und ihre Brille mit den dicken Gläsern verstärkten ihre Unsicherheit noch zusätzlich. Auf den ersten Blick mochte sie vielleicht nicht als attraktiv gelten, doch sie besaß einen starken Charakter. Trotz der ständigen Demütigungen durch die „Pink Ladies“ – eine Gruppe beliebter Mädchen, die ihren Namen offensichtlich aus dem Musical Grease entliehen hatten – versuchte sie, das Mobbing so gut es ging zu ignorieren. Es gelang ihr nicht immer, aber sie ließ sich nicht unterkriegen. In der Schule fühlte sie sich oft unsichtbar, stand gleichzeitig aber im ständigen Fokus ihrer Mitschüler. Dennoch nutzte sie ihren sarkastischen Humor, um sich zu wehren, und gab ihr Bestes, die Herausforderungen des Teenagerlebens zu meistern.
Molly hatte einen Jugendfreund namens Eugen, der ihr Schicksal teilte. Eugen war ebenfalls übergewichtig, und beide wurden in der Schule oft gehänselt. Über die Jahre waren sie vielleicht auch dadurch die besten Freunde geworden und konnten sich gegenseitig Halt geben. Sie verstanden einander wie niemand sonst und fanden gemeinsam Wege, mit dem Mobbing umzugehen. Zu Hause, in ihrem Zimmer, war Molly sicher – dort konnte sie in Bücher und Serien abtauchen, die sie in andere, weniger schmerzhafte Welten entführten.
Was ihre Eltern nicht wussten: Hinter Mollys Fassade aus Gleichgültigkeit verbarg sich eine tiefe Unsicherheit. Oft fragte sie sich, ob sie jemals jemand sehen würde – so wie sie wirklich war.
Das Abendessen bei den Bennets war eine einfache Angelegenheit. Die Gerichte, die Sarah mit geübter Hand zubereitet hatte, standen dampfend auf dem Tisch: ein Eintopf aus Gemüse und Hühnchen, dazu frisches Brot. Die Gespräche verliefen, wie so oft, in gewohnten Bahnen, und das Rasseln von Besteck vermischte sich mit dem leisen Summen der alten Pendeluhr in der Ecke des Esszimmers.
Ollie beugte sich über seinen Teller und schöpfte eine weitere Portion Eintopf. „Heute war mal wieder was los“, begann er und schob sich einen Löffel voll in den Mund. Er kaute kurz, bevor er weitersprach. „Ein Typ hat mitten auf der Hauptstraße einen Wutanfall bekommen, weil jemand in sein Auto gefahren ist. Stellte sich später heraus, dass er selbst den Rückwärtsgang reingehauen hat, als er sein Radio einstellen wollte.“ Ollie grinste schief. „Manchmal frage ich mich wirklich, wie diese Leute ihren Führerschein bekommen haben.“
Nach einem weiteren Löffel und einem kurzen Blick auf Sarah ergänzte er: „Und die Kleinstadtpolizei – na ja, was heißt Kleinstadt? Manchmal ist mehr los, als man glaubt. Hab vorhin noch mit Harris gesprochen. Es gibt da wohl ein paar Ecken, wo öfter Jugendliche abhängen, die wir im Auge behalten müssen. Man munkelt, die Gruppe vertickt Drogen, aber das sind alles nur Gerüchte.“
Molly spielte gedankenverloren mit ihrem Handy, nur halb bei der Sache. Während die Worte ihres Vaters wie ein ferner Strom an ihr vorbeizogen, scrollte sie durch Nachrichten und TikTok-Videos, ohne wirklich etwas wahrzunehmen. Ihr Blick blieb an einem kurzen Artikel hängen, der über Studienmöglichkeiten an der Universität Cambridge berichtete. Cambridge war nicht weit entfernt, doch die Vorstellung, dort zu studieren, erschien ihr überwältigend und unerreichbar zugleich. Ihre Mutter hatte oft von ihrer Arbeit im Krankenhaus geschwärmt, und das Interesse an Medizin schien für Molly irgendwie naheliegend. Aber war das wirklich das, was sie wollte?
Manchmal fühlte sie sich, als wäre ihr Leben ein ungeschriebenes Buch, dessen Seiten sie nicht füllen konnte. Sollte sie studieren oder lieber direkt in den Beruf einsteigen? Und falls sie studierte – Medizin oder doch etwas anderes? Die Unsicherheit kroch ihr in den Kopf, wie sie es bei so vielen Teenagern tat, die nicht genau wussten, was sie im Leben wollten. Ihre Gedanken kreisten ziellos, wie ein Schwarm Vögel, der keinen festen Kurs findet, und jede Entscheidung schien sie nur noch weiter zu verwirren. Antworten schienen weit entfernt, und je länger sie darüber nachdachte, desto mehr verlor sie sich in ihrer Unentschlossenheit.
„Molly, hörst du überhaupt zu?“ Ollies Stimme durchbrach ihre Gedanken. Sie hob den Blick und sah, wie ihr Vater sie schief anlächelte. „Was sagt Papa gerade?“
Molly zuckte mit den Schultern und versuchte, ein unschuldiges Lächeln zu zaubern. „Ähm, irgendwas mit einem Unfall... auf der Hauptstraße?“ Sie wusste, dass sie nicht wirklich aufgepasst hatte, aber Ollie ließ es durchgehen. Er wusste, wie es war, wenn der Kopf voller Fragen war, die man selbst noch nicht richtig formulieren konnte.
Sarah seufzte und stellte ihren Löffel zur Seite. „Ollie, du musst dir nach dem Essen unbedingt mal das Auto anschauen.“ Sie wischte sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht und sah ihren Mann ernst an. „Heute Morgen ist der Volvo fast nicht angesprungen. Irgendwas stimmt da nicht.“
Ollie lehnte sich zurück und nahm einen großen Schluck aus seinem Wasserglas. „Ach, das wird schon. Der gute alte Volvo hat schon Schlimmeres überstanden. Ich kuck später danach.“
Sarah schüttelte den Kopf. „Ich finde, wir sollten ihn in die Werkstatt bringen. Es könnte was Ernstes sein, und ich hab keine Lust, irgendwann mitten auf der Straße liegenzubleiben.“
„Werkstatt?“ Ollie zog eine Augenbraue hoch und schnaubte. „Die reißen dir doch das Geld aus der Tasche für jede Kleinigkeit. 'Ne neue Batterie hier, 'n Wechsel da... das ist alles Abzocke. Ich mach das selbst.“
Sarah verdrehte die Augen, während sie einen tiefen Atemzug nahm. „Ollie, ich weiß, du kannst viel, aber das Auto hat uns jahrelang treue Dienste geleistet. Es wird Zeit, es einem Profi zu überlassen.“
Ollie grinste breit und zeigte auf sich selbst. „Ich bin der Profi. Glaub mir, wenn ich sage, es ist nur 'ne Kleinigkeit. Ein bisschen Öl, die Zündkerzen überprüfen, und dann läuft der wieder wie 'ne Eins.“
Molly beobachtete die Diskussion amüsiert. Es war nicht das erste Mal, dass ihre Eltern über das Auto diskutierten. Der alte Volvo war wie ein weiteres Familienmitglied, immer kurz vor dem endgültigen Zusammenbruch und trotzdem noch irgendwie am Leben.
„Mama hat recht“, warf sie mit einem leisen Grinsen ein. „Werkstätten mögen teuer sein, aber wenigstens fährt das Auto danach und stinkt nicht nach Öl.“
Ollie lachte, schob seinen Stuhl zurück und deutete mit einem gespielten Lächeln auf seine Tochter. „Ah, jetzt auch noch von dir, was? Na, wenn ihr mir nicht glaubt, dann warte mal ab. Heute Abend ist der Volvo wieder fit. Da wette ich drauf.“ Er stand auf und dehnte sich, als ob er sich schon auf das Basteln am Auto freute.
Sarah hob nur die Hände und seufzte. „Wenn du meinst, aber wenn er morgen wieder nicht anspringt, fahren wir in die Werkstatt. Punkt.“
Ollie grinste selbstzufrieden. „Klar, Schatz, klar. Wirst schon sehen, wer hier der Autogott ist.“
Die Schulglocke dröhnte durch das Gebäude, und mit einem Schlag ergoss sich eine Flut von Schülern über den Hof der Country High. Die Mittagspause hatte begonnen, und für viele bedeutete das Entspannung, Gespräche und Lachen in der Sonne. Für Eugen jedoch war es die Zeit des Rückzugs, der Angst und der ständigen Vorsicht.
Er bewegte sich schnell, aber unauffällig, den Blick gesenkt, und versuchte, nicht die Aufmerksamkeit der anderen Schüler auf sich zu ziehen. Die ersten Sekunden der Pause waren immer die gefährlichsten – die „Jäger“ hatten noch nicht entschieden, wen sie sich heute als Opfer herauspicken würden. Eugen hatte in den letzten Monaten gelernt, wie man sich unsichtbar machte. Heute wollte er sich an seinen gewohnten Rückzugsort schleichen, die Bank unter dem alten Ahornbaum, wo die tief herabhängenden Äste ihn wie ein Schutzwall vom Rest der Welt abtrennten.
Eugen setzte sich auf die Bank und atmete tief durch. Sein Herz schlug noch immer schnell, aber allmählich beruhigte es sich. Hier, inmitten der Schatten der Blätter, die sanft im Wind raschelten, fühlte er sich für einen Moment sicher. Er zog das große Sandwich aus seiner Tasche – seine Mutter hatte es, wie immer, mit dicker Schokoladencreme bestrichen. „Zu dick,“ hatte sie gelächelt, „aber das bleibt unser Geheimnis.“ Doch jetzt verspürte Eugen keinen Hunger, sondern nur eine vertraute, dumpfe Angst, die sich wie ein Stein in seiner Magengegend breit machte.
Sein Blick wanderte über den Schulhof, wo die anderen Schüler in Grüppchen umherliefen. Dann sah er sie: Lisa. Ihre langen, blonden Haare funkelten im Sonnenlicht, ihre makellose Haut glühte sanft in der Wärme. Lisa war für Eugen unerreichbar, wie ein Stern am Himmel. Jedes Mal, wenn er sie sah, drängten sich Träume in seine Gedanken – Träume von einem Leben, in dem er nicht unsichtbar war, einem Leben, in dem sie ihn vielleicht eines Tages bemerken würde.
Schnell senkte er den Blick, bevor jemand seine verstohlenen Blicke bemerkte. Doch es war bereits zu spät.
„Hey, Fettsack!“ Die Stimme traf ihn wie ein Schlag. Michael Carter und seine Clique standen plötzlich vor ihm. Die muskulösen Jungen, die sportlichen Anführer der Schule – die Könige des Mobbings. Michael grinste breit und trat näher. „Schaust du den Girls wieder hinterher, was?“
Eugen blieb stumm. Seine Kehle war wie zugeschnürt, das Sandwich in seiner Hand fühlte sich plötzlich schwer an, wie ein Stein.
Michael beugte sich vor, seine Augen funkelten vor hämischer Freude. „Du glaubst doch nicht wirklich, dass sich irgendeine von denen für dich interessiert, oder?“ Seine Worte brannten wie Feuer auf Eugens Haut.
Doch es kam noch schlimmer. Michael drehte sich um und rief quer über den Schulhof: „Hey, Lisa! Der Fettsack hat dir auf den Hintern geguckt! Was sagst du dazu?“
Lisa drehte sich um, ihre Augen verengten sich. Ein falsches Lächeln lag auf ihren Lippen, und sie musterte Eugen mit einem Blick, als wäre er ein lästiges Insekt. „Wirklich?“ Ihre Stimme triefte vor Verachtung. „Als ob du jemals eine Chance hättest. Du bist einfach nur widerlich!“
Eugen wollte etwas sagen, wollte sich verteidigen, doch die Worte blieben ihm im Hals stecken. Die Welt um ihn herum verschwamm, während Michael und seine Freunde in schallendes Gelächter ausbrachen.
„Was hast du denn da?“ Michael trat näher, riss Eugens Brotdose aus seiner Hand und hielt sie triumphierend in die Luft. „Oh, was ist das denn? Ein fettes Sandwich für den fetten Jungen?“
Mit einem breiten Grinsen warf Michael die Brotdose zu Boden und trat mit voller Wucht darauf. Das Plastik zersplitterte, und das Sandwich wurde in den Dreck getreten. Schokoladencreme spritzte über den Boden und vermischte sich mit der Erde.
Eugens Augen brannten, doch er zwang sich, nicht zu blinzeln. Nicht jetzt. Nicht vor ihnen. Er würde ihnen nicht auch noch diese Genugtuung geben.
Michael beugte sich vor, seine Augen funkelten vor Spott. „Na los, du fettes Schwein. Heb das Brot auf! Du willst doch nicht verhungern, oder? Iss es, los!“
Die Scham fraß sich wie Säure durch Eugens Inneres. Sein Herz hämmerte in seiner Brust, seine Hände zitterten. Er wusste, es hatte keinen Sinn, sich zu wehren. Egal, was er sagte oder tat – es würde alles nur schlimmer machen. Michael und seine Clique hatten immer die Oberhand, und sie genossen jede Sekunde davon.
Die Menge um ihn herum wuchs. Neugierige Blicke folgten ihm, einige belustigt, andere gleichgültig. Niemand griff ein. Eugen senkte den Kopf, während sich sein Magen zusammenkrampfte. Er fühlte sich schwer, unbeweglich, als wäre sein Körper aus Blei. Aber er wusste, was er tun musste. Es gab keinen Ausweg.
Langsam, mit gesenktem Kopf, bückte er sich, um das zerdrückte Brot aufzuheben. Seine Finger zitterten, als sie das matschige Sandwich berührten. In diesem Moment entfuhr ihm ein leises, unüberhörbares Geräusch. Ein Furz.
Für einen winzigen Augenblick schien die Welt stillzustehen. Alle Bewegungen froren ein, und jedes Paar Augen auf dem Schulhof war auf ihn gerichtet. Dann brach das Chaos aus.
Das Gelächter war ohrenbetäubend. Michael und seine Clique bogen sich vor Lachen, Tränen liefen über ihre Gesichter. Einer hielt sich den Bauch, als würde er ersticken. „Oh mein Gott, das fette Schwein hat auch noch gefurzt!“, brüllte einer der Jungen, und das Gelächter schwoll noch lauter an.
Eugen stand da, das zerdrückte Sandwich in der Hand, unfähig, sich zu bewegen. Seine Wangen brannten vor Scham, und er konnte nichts tun, außer stumm dazustehen, während die Menge um ihn herum tobte. Immer mehr Schüler versammelten sich, zückten ihre Handys, lachten, zeigten mit Fingern auf ihn. Es fühlte sich an, als würde der Boden unter ihm nachgeben, als würde er in einem Strudel aus Scham und Erniedrigung versinken.
Er wollte weglaufen, sich irgendwo verkriechen, einfach verschwinden. Doch seine Beine waren wie festgenagelt. Die Demütigung lag wie eine schwere Last auf ihm, und in diesem Moment wünschte er sich nichts sehnlicher, als dass es einfach aufhören würde.
Plötzlich verstummte das Lachen. Eine strenge Stimme durchbrach das Chaos.
„Was ist hier los?“ Mr. Andrews, einer der Lehrer, drängte sich durch die Menge. Sein Blick wanderte über die Schüler, die Eugen umringten, und blieb schließlich an Michael und seiner Gang hängen, die sich noch immer kichernd abwandten.
„Alle sofort weg hier!“ Mr. Andrews’ Stimme schnitt wie ein Messer durch die Luft, und die Schüler zerstreuten sich zögernd. Einige machten noch schnell Fotos, bevor sie gingen, aber innerhalb weniger Sekunden war der Platz leer, nur Michael, seine Clique und Eugen blieben zurück.
Mr. Andrews sah Michael scharf an. „Was glaubt ihr eigentlich, was ihr hier macht?“
Michael zuckte mit den Schultern, hob die Hände. „Wir hatten nur Spaß, Mr. Andrews.“
„Spaß?“ Mr. Andrews’ Gesicht verhärtete sich. „Mobbing zerstört Leben. Und das hat hier keinen Platz! Wie oft muss ich das noch sagen? Es ist erbärmlich, Schwächere niederzumachen. Und es wird sofort aufhören!“
Eugen spürte die Blicke auf sich, doch diesmal war es nicht das höhnische Lachen, das ihn durchbohrte. Es war das beklemmende Gefühl, von allen Seiten beobachtet zu werden, während der Lehrer eine Moralpredigt hielt.
Mr. Andrews sah Eugen an. Seine Augen weichten auf, als er den erschöpften und niedergeschlagenen Jungen vor sich sah. Eugens Schultern hingen herab, seine Augen waren glasig. Es war klar, dass er für den Rest des Tages nichts mehr aus dem Unterricht mitnehmen würde.
„Eugen,“ sagte Mr. Andrews ruhig, „es bringt heute nichts, weiterzumachen. Hol deine Sachen und geh nach Hause. Ruhe dich aus, und morgen ist ein neuer Tag. Verstanden?“
Eugen nickte nur schwach, seine Gedanken waren wie in Watte gepackt. Ohne ein weiteres Wort machte er sich auf den Weg zurück ins Schulgebäude, nahm seine Tasche aus dem Klassenzimmer und verließ das Schulgelände.
Zu Hause angekommen, wurde Eugen von der Stille des Hauses empfangen, nur das leise Murmeln des Fernsehers drang aus dem Wohnzimmer. Seine Eltern saßen, wie fast jeden Tag um diese Zeit, erschöpft auf der Couch. Sein Vater, ein Mann mit rauen Händen und einem vom Leben gezeichneten Gesicht, arbeitete als Hausmeister in einer Firma, während seine Mutter als Reinigungskraft in einem großen Bürokomplex beschäftigt war. Sie arbeiteten hart, aber der Lohn war gering, und die Erschöpfung stand ihnen ins Gesicht geschrieben.
Als seine Mutter Eugen eintreten hörte, sah sie sofort seine niedergeschlagene Haltung. „Eugen,“ fragte sie sanft, „war es wieder schlimm in der Schule? Haben sie dich wieder geärgert?“
Eugen zuckte nur leicht mit den Schultern und murmelte ein schwaches „Ja“. Er wollte nicht darüber sprechen. Die Worte, die Demütigungen, die Blicke – alles war noch zu frisch, zu schmerzhaft, um es in Worte zu fassen. Es war immer dasselbe.
Ohne auf weitere Fragen einzugehen, ging er direkt in sein Zimmer und schloss die Tür hinter sich. Hier war er sicher. Zumindest für den Moment. Sein Zimmer war wie eine kleine Festung, sein Rückzugsort, auch wenn es ihm in solchen Momenten nur wenig Trost bot. Die Wände waren mit Postern übersät – Pin-up-Girls in provokanten Posen und Vampirinnen aus seinen Lieblingsfilmen. Sie alle verkörperten Stärke, Schönheit und Selbstbewusstsein – Eigenschaften, die Eugen in sich selbst nie finden konnte.
Er selbst war das genaue Gegenteil von diesen idealisierten Bildern. Mit seinen 1,65 m Größe und 115 Kilo Übergewicht fühlte er sich wie ein Fremdkörper in einer Welt, die Schönheit und Stärke verehrte. Sein rundes, unscheinbares Gesicht, die Akne-Narben, die sich über seine Haut zogen, und die billigen, schlecht sitzenden Klamotten – all das machte ihn zu einem Ziel für Spott und Verachtung. Er wusste genau, was die Mädchen über ihn dachten. Sie sahen in ihm nichts als Ekel. Es war kein Geheimnis.
Trotzdem wünschte sich Eugen nichts sehnlicher als eine Freundin – jemanden, der ihn sah, wie er wirklich war, und nicht nur das, was andere in ihm sahen. Doch dieser Wunsch schien so unerreichbar wie der Himmel selbst. Die einzige Person, die ihm wirklich nahe stand, war Molly. Sie teilte sein Schicksal: Auch sie wurde wegen ihres Übergewichts und ihrer Pickel gehänselt, und gemeinsam ertrugen sie die Schmach. Sie waren Freunde, doch tief in seinem Inneren sehnte sich Eugen nach mehr. Er wollte Liebe, aber er wusste, dass dieser Wunsch wohl für immer unerfüllt bleiben würde.
Er ließ sich schwer auf sein Bett sinken und starrte die Poster an den Wänden an. Die Schwere in seiner Brust, dieses ständige Gefühl der Einsamkeit, drückte ihn nieder. Schließlich, fast mechanisch, hob er die Matratze hoch und zog ein zerknittertes Playboy-Heft hervor. Es war sein geheimer Zufluchtsort, der einzige Ort, an dem er sich in eine Welt träumen konnte, in der er nicht der verachtete Außenseiter war. In diesen Fantasien war er nicht der Unsichtbare, der Unattraktive. Er war jemand anderes.
Er blätterte durch das Heft und betrachtete die makellosen Körper der Frauen, die er niemals haben würde. Ihr Lächeln, ihre Selbstsicherheit – all das lag für ihn in unerreichbarer Ferne. Doch in diesem Moment war es nicht die Realität, die zählte. Es war die Flucht in seine Träume, die ihn für kurze Zeit von der Schwere seines Lebens erlöste.
Er seufzte leise, öffnete seine Hose, ließ seine Hand nach unten gleiten und ließ sich in die Welt seiner Fantasien fallen, während draußen der Nachmittag in den Abend überging und das Licht langsam verblasste.
Der nächste Morgen begann trüb für Molly. Schon beim Betreten des Schulhofs merkte sie, dass etwas anders war – Eugen war nicht da. Sie hatte gehofft, ihn vielleicht in einer ruhigen Ecke sitzen zu sehen, aber stattdessen hatte seine Mutter im Sekretariat angerufen und ihn krankgemeldet. Es war offensichtlich, dass die Ereignisse des Vortages zu viel für ihn gewesen waren. Die Schmach, die er erlitten hatte, saß tief, und Molly konnte nur allzu gut nachempfinden, wie er sich fühlte.
Auf dem Weg zur ersten Stunde passierte Molly den Schulhof, als ihr Weg plötzlich von Ursula, der Anführerin der Pink Ladies, gekreuzt wurde. Ursula war das perfekte Beispiel für alles, was Molly an der Schule hasste: verwöhnt und immer perfekt gestylt. Ihre strahlend blonden Haare waren zu einem hohen Pferdeschwanz gebunden, und ihre scharf geschminkten Augen musterten Molly mit einem grimmigen Ausdruck.
Dicht hinter Ursula folgte Lexie, eine der „Bodyguards“ der Gruppe. Lexie war stark gebaut, machte regelmäßig Kraftsport und wirkte einschüchternd, wie eine wandelnde Festung. Als sie an Molly vorbeiging, schubste sie sie absichtlich zur Seite. „Aus dem Weg, du fette Kuh,“ sagte Lexie abfällig, ohne einen zweiten Blick.
Molly blieb stehen, spürte den vertrauten Stich in ihrer Brust, und versuchte, den Schmerz herunterzuschlucken. Diese Worte, diese gemeinen, hässlichen Sprüche – sie hörte sie so oft, dass sie fast zu einem Teil ihrer täglichen Routine geworden waren. „Pickelgesicht“, „fette Kuh“, „wieso lebt sowas überhaupt noch?“ – es war immer dasselbe. Auch heute versuchte sie, es zu ignorieren, aber die Worte schnitten tief, tiefer als sie es je zugeben würde. Ihr Magen verkrampfte sich, und sie musste hart schlucken, um die aufsteigende Übelkeit zu unterdrücken.
Als sie die Treppen hochging, überkam Molly ein Gefühl der Verzweiflung. Diese Schule war wie ein Schlachtfeld, auf dem Schönheit, Status und Geld entschieden, wer oben und wer unten stand. Wenn du nicht in dieses Raster passtest, warst du das Ziel – gejagt, verspottet, erniedrigt. Ursula und ihre Clique, die „perfekten“ Mädchen, die ihre natürlichen Gesichter hinter Schichten von Make-up versteckten, waren die Jäger. Für sie war es ein Spiel, andere niederzumachen. Und Molly war ein leichtes Ziel. Jeder Tag war eine neue Schlacht, und manchmal fragte sie sich, wie lange sie es noch durchhalten würde.
Als sie ihre Klasse betrat, war die Stimmung wie immer. Das Kichern der beliebten Mädchen, das Raunen der sportlichen Jungs, die sich über den nächsten Wettkampf unterhielten. Molly setzte sich still auf ihren Platz, und die ersten Minuten des Tages begannen wie gewohnt – bis plötzlich die Tür aufging und Mr. Andrews, der Lehrer, der am Vortag Eugen geholfen hatte, hereinkam.
Mit ernstem Blick stellte er sich vor die Klasse, verschränkte die Arme und sah jeden einzelnen Schüler an. „Ich möchte heute etwas ansprechen, das hier in dieser Schule und in dieser Klasse zu oft passiert. Es geht um Mobbing.“ Seine Stimme war fest, aber nicht laut. Es herrschte eine gespannte Stille im Raum, während er weitersprach.
„Viele von euch denken vielleicht, dass es nur Spaß ist, wenn ihr jemanden beleidigt oder erniedrigt. Aber das ist es nicht. Mobbing kann Leben zerstören. Worte können tiefe Narben hinterlassen – Narben, die ihr nicht seht, die aber eine Person für den Rest ihres Lebens prägen können.“
Mr. Andrews ging langsam durch den Raum, und sein Blick ruhte auf den Schülern, die sich normalerweise über andere lustig machten. „Jeder von euch trägt Verantwortung. Verantwortung für das, was ihr sagt und tut. Wenn ihr jemanden mobbt, nehmt ihr dieser Person ein Stück ihrer Würde, ein Stück ihrer Freude. Und das, meine Damen und Herren, ist nichts, worauf man stolz sein sollte.“
Einige Schüler rutschten unruhig auf ihren Stühlen hin und her. Ursula verdrehte demonstrativ die Augen, und Lexie grinste nur schief. Mr. Andrews ließ sich davon nicht beirren. „Wir tolerieren an dieser Schule kein Mobbing. Wer andere absichtlich verletzt, macht sich schuldig – nicht nur gegenüber der Person, die er mobbt, sondern auch gegenüber sich selbst. Es gibt keinen Ruhm darin, die Schwachen niederzumachen. Im Gegenteil, es ist feige.“
Mollys Hoffnung, dass diese Worte etwas bewirken könnten, schwand, als sie sah, wie Ursula und ihre Clique sich gelangweilt ansahen. Die sportlichen Jungs grinsten, drehten nervös ihre Kugelschreiber und tauschten bedeutungslose Blicke aus. Während Mr. Andrews sprach, war es, als würde seine Stimme an einer unsichtbaren Wand abprallen. Die Worte hatten keinen Effekt. Es würde sich nichts ändern. Nicht heute, nicht morgen. Vielleicht nie.
Mollys Schultag verlief aber ohne weitere schlimme Vorkommnisse. Einige abfällige Bemerkungen flogen ihr zwar entgegen, doch im Vergleich zu den erniedrigenden Angriffen, die sie an manchen Tagen ertragen musste, war das heute fast harmlos. Nach Schulschluss rief sie kurz ihre Mutter an, um Bescheid zu sagen, dass sie bei Eugen vorbeischauen wollte, bevor sie nach Hause kam.
Sie klingelte an der Haustür, und nach einem Moment öffnete Eugens Mutter. Ihre Augen waren müde, aber sie lächelte Molly freundlich an. „Ist Eugen da?“ fragte Molly höflich.
„Ja,“ antwortete seine Mutter, „er ist oben in seinem Zimmer. Es muss gestern ziemlich schlimm gewesen sein in der Schule. Ich werde morgen zum Direktor gehen und mich beschweren.“
Molly nickte verständnisvoll. „Ja, Mr. Andrews hat heute einen Vortrag über Mobbing gehalten, aber das wird nichts ändern. Vielleicht ist es wirklich eine gute Idee, zum Direktor zu gehen.“
Eugens Mutter seufzte und nickte. „Das werde ich auf jeden Fall tun.“ Sie trat zur Seite und ließ Molly eintreten.
Molly ging die Treppe hinauf und klopfte an Eugens Zimmertür. „Komm rein,“ kam die gedämpfte Antwort von innen. Sie trat ein und sah Eugen auf dem Bett sitzen, die Schultern hängend, seine Augen waren trüb und voller Traurigkeit. Es tat Molly im Herzen weh, ihn so zu sehen.
„Hey,“ sagte sie sanft und setzte sich zu ihm. „Wie geht’s dir?“
Eugen zuckte mit den Schultern, ohne sie anzusehen. „Geht schon… glaube ich. Ich hatte einfach keine Kraft, heute in die Schule zu gehen.“
Molly nickte verständnisvoll. „Kann ich verstehen. Es war wirklich heftig gestern.“ Sie machte eine Pause und versuchte, das Thema zu wechseln. „Ich hab dir den Schulstoff vom heutigen Tag mitgebracht. Nichts Großes, nur ein paar langweilige Matheaufgaben und Geschichte über die industrielle Revolution.“
Eugen seufzte. „Klingt furchtbar. Aber danke, dass du’s mitgebracht hast. Was hat Mr. Andrews heute noch gesagt?“
„Er hat eine Ansprache über Mobbing gehalten,“ erzählte Molly, „aber ehrlich gesagt… die meisten haben nicht mal zugehört. Für die war es einfach nur Gelaber.“
Eugen schüttelte den Kopf. „War ja klar. Das wird nichts ändern. Die hören nie auf.“
„Ich weiß,“ sagte Molly leise. „Aber wir können die Hausaufgaben wenigstens zusammen machen, wenn du willst.“
Eugen nickte langsam. „Ja, das wäre gut.“
Die beiden arbeiteten gemeinsam an den Matheaufgaben, und während sie sich durch Zahlen und Formeln kämpften, ließ die bedrückende Stimmung ein wenig nach. Es fühlte sich vertraut an, in dieser gemeinsamen Stille, in der sie beide wussten, dass sie sich gegenseitig verstanden.
Nachdem die Hausaufgaben erledigt waren, schlug Molly vor: „Lass uns noch einen Film schauen. Wie wär’s mit Terminator?“
Eugen lächelte schwach. „Klingt gut. Brauche dringend etwas, das mich ablenkt.“
Sie setzten sich auf dem Bett nebeneinander, schalteten den Film ein, und für eine Weile vergaßen sie die Grausamkeiten des Schulalltags. Sie lachten über die übertriebenen Action-Szenen, und zumindest für einen Moment war alles in Ordnung.
Am Abend, als Molly schließlich nach Hause ging, war das Abendessen schon fast fertig. Ihre Mutter Sarah und ihr Vater Ollie saßen bereits am Tisch, und sie setzte sich zu ihnen.
„Wie war die Schule heute?“ fragte Sarah, während sie den Eintopf auf den Tisch stellte.
„Es war okay,“ antwortete Molly, „aber Eugen war nicht da. Gestern haben sie ihn ziemlich übel fertiggemacht.“
Ollie sah sofort alarmiert aus. „Was ist passiert?“
Molly erzählte von den Demütigungen, die Eugen ertragen musste, und von Mr. Andrews’ Versuch, mit seiner Rede etwas zu bewirken. Ollie hörte aufmerksam zu, und sein Gesicht wurde immer angespannter. Als sie fertig war, sagte er mit tiefer, wütender Stimme: „Das ist inakzeptabel. Ich werde morgen ebenfalls zum Direktor gehen und mich beschweren. Als Polizist kann ich so etwas nicht dulden. Mobbing zerstört Leben, und das können wir nicht einfach ignorieren.“
Molly nickte zustimmend. „Eugens Mutter will das Gleiche tun. Es kann nicht sein, dass die Schule nichts unternimmt.“
Ollie schnaubte. „Die Leute werden immer verrückter. Heute hatten wir mehrere Nachbarschaftsstreits, sogar einen Einbruch in den kleinen Laden an der Ecke. Und dann wollte jemand einen Anwohner verprügeln, nur weil er sein Auto falsch auf dem Parkplatz abgestellt hat. Es gibt keine Grenzen mehr. Es ist, als gäbe es nur noch diese absurde Hackordnung, in der jeder auf den Schwächeren losgeht.“
Er seufzte und schob seinen Teller beiseite, dann fuhr er in ernstem Ton fort: „Und als wäre das nicht genug, haben wir Berichte über Jugendliche, die sich an bestimmten Ecken versammeln. Wir wissen, dass dort auch Drogen im Spiel sind. Ich habe heute mit Harris gesprochen, und er ist sicher, dass die Dealer langsam gezielt junge Leute ansprechen. Vielleicht machen die sich sogar an den Schulen breit – man weiß nie.“
Sarahs Gesichtsausdruck wurde besorgt. „In Saffron Walden? Das klingt ja, als würde es hier richtig gefährlich werden. Früher hätte man das kaum für möglich gehalten.“
Ollie nickte. „Ja, und gerade deshalb wollte ich das erwähnen. Molly, wenn du an der Schule irgendetwas Seltsames bemerkst – jemanden, der komische Fragen stellt oder versucht, dir oder anderen etwas anzudrehen, dann gehst du direkt zum Lehrer oder kommst zu mir, klar? Solche Leute sind skrupellos, und man merkt ihnen nicht immer an, wozu sie fähig sind.“
Molly zuckte leicht zusammen, ihre Augen auf den Teller gesenkt. „Schon klar, Papa. Ich werde aufpassen.“
„Gut,“ sagte Ollie, seine Miene angespannt, „ich will einfach nicht, dass du dich irgendwann in eine Situation bringst, die gefährlich werden könnte.“
Eine nachdenkliche Stille legte sich über den Tisch, während jeder für sich mit Ollies Worten rang.
Die Tage vergingen, und obwohl die blöden Sprüche in der Schule nicht aufhörten, waren sie für Molly erträglicher als an dem Tag, als Eugen so grausam gedemütigt wurde. Doch das Mobbing hatte längst andere Opfer gefunden. Einem schmächtigen Jungen mit Brille hatte man die Brille gestohlen und einfach ins Pissoir geworfen. Einem anderen Mädchen schmierte jemand Ketchup in die Haare, während einem weiteren Schüler im Sportunterricht die Kleidung gestohlen und in den Mülleimer geworfen wurde.
Es schien, als hätten Michael Carter und seine Clique, zusammen mit den Pink Ladies, die Schule fest im Griff. Die Lehrer waren entweder machtlos oder nicht willens, etwas dagegen zu unternehmen. Es gab sogar Gerüchte, dass einige Lehrer von Schülern bedroht worden waren. Das Schulklima war vergiftet, und das Mobbing breitete sich wie ein Krebsgeschwür aus, das immer mehr Schüler betraf.
An einem Freitagnachmittag kam Molly nach Hause und öffnete die Tür zum Wohnzimmer. Sie fand ihre Mutter Sarah auf der Kante des Esstisches sitzend, die Hände vors Gesicht geschlagen, während sie bitterlich weinte. Molly war sofort alarmiert. Ihre Mutter weinte selten, und wenn sie es tat, bedeutete das, dass etwas wirklich Schreckliches passiert war.
„Mama? Was ist denn los?“ fragte Molly mit bebender Stimme, als sie näher trat. Ihr Vater Ollie stand daneben, die Schultern gesenkt und das Gesicht von Traurigkeit gezeichnet. Sein Blick war schwer, als er Molly ansah.
„Molly...“, begann er langsam, „es ist etwas Schlimmes passiert. Tante Jennifer und Onkel Theo... sie hatten einen Autounfall.“
Molly spürte, wie ihr das Blut aus dem Gesicht wich. Ihre Beine zitterten, und für einen Moment fühlte es sich an, als hätte ihr jemand die Luft abgeschnürt. Das konnte nicht wahr sein. Nicht Tante Jennifer und Onkel Theo. Die Worte ihres Vaters hingen wie ein schwerer Nebel über ihr, und sie fühlte sich, als würde sie in einen tiefen Abgrund fallen.
„Ein Autounfall?“ flüsterte Molly. „Aber... was ist genau passiert? Sie sind doch nicht etwa... tot, oder?“
Ollie nickte langsam, und seine Augen spiegelten tiefe Trauer wider. „Doch, Molly. Sie sind bei dem Unfall gestorben.“
Es war, als hätte jemand ihr den Boden unter den Füßen weggerissen. Trotz der vielen Jahre, die sie ihre Tante und ihren Onkel nicht gesehen hatte, schossen ihr sofort die Tränen in die Augen. „Oh mein Gott... das ist ja schrecklich.“
Sie wischte sich mit zitternden Händen die Tränen weg, doch ein Gedanke drängte sich in ihren Kopf. „Und... was ist mit Sinja?“
Ihre Mutter Sarah sah sie mit verweinten Augen an und schüttelte den Kopf. „Sinja war nicht im Auto. Sie lebt. Aber... sie hat jetzt ihre Eltern verloren.“
Molly schaute ihre Eltern ungläubig an. Das war zu viel, um es auf einmal zu verarbeiten. „Das ist ja furchtbar. Was wird denn jetzt aus ihr?“
Ollie seufzte tief und setzte sich neben Molly auf die Couch. „Das Jugendamt aus Paris hat uns kontaktiert,“ begann er mit ernster Stimme. „Sie haben uns über den Unfall informiert und uns auch erzählt, wie es um Sinja steht. Da die Großeltern ja bereits verstorben sind und es von Theos Seite keine weiteren Verwandten gibt, stellt sich jetzt die Frage, was mit ihr passieren soll.“
Molly hörte aufmerksam zu, während ihr Herz schwer in ihrer Brust klopfte. „Und was sagen sie? Was passiert jetzt mit ihr?“ fragte sie leise.
„Nun,“ fuhr Ollie fort, „Sinja ist erst 16, also noch minderjährig. Das Jugendamt hat erwähnt, dass sie entweder in ein Kinderheim oder, schlimmer noch, in eine Jugendanstalt überführt werden müsste, wenn sich keine Verwandten finden lassen, die bereit wären, sie aufzunehmen.“
Mollys Augen weiteten sich vor Entsetzen. „Eine Jugendanstalt? Aber sie hat doch nichts Falsches getan!“
„Genau das hat deine Mutter auch gesagt,“ fügte Ollie hinzu und warf einen kurzen Blick auf Sarah, die sich etwas gefasst hatte und neben ihm saß. „Sie hat sofort zugestimmt, dass wir Sinja aufnehmen. Deine Mutter konnte nicht zulassen, dass ihre Nichte in ein Heim oder eine Anstalt muss, solange sie noch nicht volljährig ist. Das kam für sie überhaupt nicht infrage.“
Sarah nickte entschlossen und fügte hinzu: „Wir haben noch das Gästezimmer, es wäre Platz genug für sie. Es war für uns sofort klar, dass wir Sinja zu uns holen.“
Molly saß da und versuchte, das alles zu begreifen. Sinja, ihre Cousine, würde bald bei ihnen wohnen. Es war so lange her, dass sie sich das letzte Mal gesehen hatten. Zehn Jahre waren vergangen, und die Erinnerung an Sinja war verblasst. Sie hatte sie als ein wirklich hübsches Mädchen in Erinnerung, aber mehr konnte sie sich nicht vorstellen. Wie war sie jetzt? Was hatte sie in all den Jahren getan?
Mollys Gedanken rasten. Auf der einen Seite war sie überwältigt von Trauer um den Verlust ihrer Tante und ihres Onkels. Aber auf der anderen Seite war sie auch geschockt und etwas verunsichert bei der Vorstellung, dass bald ein anderes Mädchen in ihrem Haus wohnen würde – eine Cousine, die sie seit über zehn Jahren nicht mehr gesehen hatte.
Molly musste sich wieder setzen, um das alles zu verdauen. Ihre Gedanken schwirrten, und die Worte ihres Vaters hallten noch immer in ihrem Kopf wider. Sarah brachte ihr ein Glas Wasser, und die drei setzten sich zusammen auf die Couch. Nachdem sich Molly etwas beruhigt hatte und auch ihre Mutter mehr und mehr gefasst war, stellte sie die Frage, die ihr seit langem auf der Seele brannte: „Wie ist es eigentlich damals dazu gekommen, dass Tante Jennifer und Onkel Theo nach Frankreich ausgewandert sind? Ich war doch erst sieben Jahre alt. Ich habe das nie wirklich verstanden.“
Sie erinnerte sich nur vage an ihre gemeinsamen Besuche, an die Nachmittage, an denen sie mit Sinja gespielt hatte. Sinja war damals irgendwie ein komisches Kind gewesen, aber in ihrem kindlichen Verständnis hatte Molly das nicht wirklich wahrgenommen. Jetzt wollte sie wissen, was damals wirklich passiert war.
Ollie atmete tief durch und begann zu erzählen. „Molly, du erinnerst dich vielleicht noch, dass Onkel Theo Professor an der Universität in Cambridge war. Er war Historiker, ein Spezialist für englische Geschichte, und sehr angesehen in seinem Fachgebiet. Tante Jennifer war an deiner Schule Lehrerin, und sie war wirklich sehr beliebt. Wir haben uns früher oft getroffen. Deine Mutter und Jennifer waren ein Herz und eine Seele – wir haben viel zusammen unternommen.“
Sarahs Hände zitterten leicht, als sie sich eine Träne von der Wange wischte. „Ich weiß noch, wie wir als Kinder zusammen in den Wiesen hinter unserem Haus gespielt haben. Sie hat mich immer beschützt. Jetzt kann ich nichts tun, um sie zu retten.“ Ihre Stimme brach, und sie weinte leise weiter.
Ollie nickte still und fuhr fort. „Aber du weißt vielleicht noch, dass Tante Jennifer große Schwierigkeiten hatte, schwanger zu werden. Sie und Onkel Theo wollten unbedingt eine Familie gründen, aber es gab mehrere Fehlgeburten, und das hat sie sehr mitgenommen. Ihre Ehe hat darunter auch gelitten. Es gab Momente, in denen wir dachten, sie würden sich trennen. Onkel Theo flüchtete sich immer mehr in seine Arbeit, und er wurde geradezu besessen von einem historischen Projekt, das er verfolgte. Er war so tief darin versunken, dass er alles andere um sich herum ausgeblendet hat.“
Molly runzelte die Stirn. Diese Details waren ihr völlig neu. „Was für ein Projekt war das?“ fragte sie.
„Es ging um die Geschichte Englands, speziell um alte Mythen und Legenden. Er verbrachte unzählige Stunden damit, in Archiven zu stöbern und irgendwelchen mysteriösen Hinweisen nachzujagen. Wir haben nie wirklich verstanden, worauf er hinauswollte, aber es war klar, dass es ihn völlig vereinnahmt hatte. Tante Jennifer war oft allein, und sie hat darunter sehr gelitten. Es war wirklich eine schwere Zeit für beide.“
Ollie hielt kurz inne, als wäre er in Gedanken versunken, und Sarah legte sanft eine Hand auf seinen Arm. Dann sprach er weiter: „Doch dann, irgendwann, wurde Tante Jennifer wieder schwanger. Und Sinja wurde geboren. Plötzlich schien sich alles zu ändern. Sie waren so glücklich – als hätte sich das Blatt gewendet. Ihre Ehe besserte sich, und wir haben uns wieder häufiger getroffen. Du hast oft mit Sinja gespielt, Molly, und damals schien alles wieder gut zu sein.“
Molly nickte, die Erinnerungen an ihre gemeinsame Zeit mit Sinja kamen langsam zurück. Doch dann senkte Ollie den Kopf leicht, als er weitersprach: „Aber als Sinja älter wurde, änderte sich wieder etwas. Jennifer und Theo begannen, sich zurückzuziehen. Sie hatten immer weniger Zeit, und wenn wir sie treffen wollten, gab es ständig Ausreden. Zu viel Arbeit, zu viel Stress... und irgendwann hatten wir das Gefühl, dass sie uns fernhalten wollten.“
Molly spürte eine Unruhe in sich aufsteigen. „Aber warum? Was war passiert?“
Ollie zuckte mit den Schultern. „Wir wissen es nicht genau. Plötzlich, ganz unerwartet, hieß es, dass sie nach Frankreich auswandern würden. Onkel Theo hatte eine Stelle an der Universität in Paris angenommen, und Tante Jennifer fand schnell einen Job als Englischlehrerin. Es hat keine zwei Wochen gedauert, und dann waren sie auf einmal weg.“
Sarah seufzte tief und ergänzte: „Der Kontakt ist danach fast vollständig abgebrochen. Ab und zu mal ein Anruf oder eine Karte zu Weihnachten, aber das war es auch. Was genau damals passiert ist, wissen wir bis heute nicht. Wir haben uns immer gefragt, warum sie uns so auf Abstand gehalten haben.“
Molly saß da, versuchte das alles zu verstehen. Es war, als hätte ein großes Stück des Puzzles, das ihre Familie betraf, immer gefehlt, und nun rückte es langsam an seinen Platz – doch es blieben noch so viele offene Fragen.
Molly sah ihre Eltern nachdenklich an. „Was wisst ihr eigentlich über Sinja?“ fragte sie schließlich. „Ich erinnere mich nur dunkel daran, dass sie schon als Kind irgendwie… anders war. Aber ich weiß nicht mehr genau, warum. Sie war einfach ruhiger und hat oft allein gespielt.“
Ollie nickte langsam. „Ja, du hast recht. Sinja war schon ein sehr besonderes Kind. Sehr hübsch, das kann ich dir sagen, und anfangs mochten die Menschen sie auch. Aber irgendwann fing das Getuschel an, als ob irgendetwas mit ihr nicht stimmte. Es muss wohl auch Vorfälle in der Grundschule gegeben haben. Man hat uns erzählt, dass Sinja damals andere Kinder angegriffen und verletzt hat. Für ihr Alter war sie größer und anscheinend auch stärker als die meisten.“
Molly versank in Gedanken und versuchte sich vorzustellen, wie es sein würde, wenn Sinja plötzlich in ihrem Zuhause leben würde. Dass ihre Mutter betonte, Sinja sei sehr hübsch, machte ihr auf eine seltsame Weise Angst. Sie selbst war dick, nicht besonders hübsch und hatte viele Pickel. Und nun würde vielleicht bald ein Mädchen bei ihnen wohnen, das offenbar eine natürliche Schönheit war. Was würde das für sie bedeuten? Sinja war im gleichen Alter wie sie, also musste sie auch an der Country High School angemeldet werden. Womöglich landete sie sogar in der gleichen Klasse wie Molly. Das alles schien ihr mit einem Mal so bedrohlich.
Nach kurzem Zögern fragte Molly ihre Eltern: „Gibt es wirklich keine andere Möglichkeit? Mir tut Sinja wirklich leid, aber… muss sie unbedingt bei uns wohnen?“
Sarah legte Molly eine Hand auf die Schulter und sprach mit einer ruhigen, festen Stimme. „Selbst wenn es eine andere Möglichkeit gäbe, ich würde wollen, dass meine Nichte bei uns ist. Ich schulde das meiner Schwester Jennifer.“
Molly sah den Schmerz in den Augen ihrer Mutter und nickte. Sie verstand das, auch wenn es in ihr eine Flut von widersprüchlichen Gefühlen auslöste. „Ich… ich muss das erstmal alles verdauen,“ sagte sie leise und zog sich auf ihr Zimmer zurück.
In ihrem Zimmer angekommen, starrte sie die Wände an und hatte das dringende Bedürfnis, mit jemandem zu sprechen. Sie dachte an Eugen und griff nach ihrem Handy, um ihn anzurufen. Als er abnahm, erzählte sie ihm alles, was sie gerade erfahren hatte – von dem Unfall und davon, dass Sinja vielleicht bei ihnen einziehen würde. Sie teilte ihm auch ihre Sorgen mit, wie es sein würde, mit einem für sie fast fremden Mädchen zusammenzuleben, das so anders zu sein schien als sie.
Eugen hörte ihr aufmerksam zu und versuchte, sie zu beruhigen. „Hey, Molly, das wird schon. Vielleicht ist Sinja gar nicht so, wie du denkst. Und selbst wenn, du bist immer noch du, okay? Das ändert nichts daran.“
Doch während er diese beruhigenden Worte sprach, formte sich in Eugens Gedanken eine andere, unausgesprochene Idee. Die Aussicht, Sinja kennenzulernen, weckte in ihm eine leise, unbestimmte Hoffnung – die Hoffnung, dass dieses Mädchen vielleicht anders sein könnte als die anderen Mädchen, die ihn nur mit Spott oder Gleichgültigkeit behandelten. Eugen wünschte sich bekanntermaßen nichts sehnlicher als eine Freundin, jemanden, der ihn liebte und schätzte. Doch die ständige Ablehnung hatte ein seltsames Bild von Frauen in ihm entstehen lassen, das nicht der klassischen Realität entsprach.
Eugen war nicht dumm. Er wusste, wer er war: der dicke Junge, der Außenseiter. Und er wusste, dass er nicht in das Schema passte, das Mädchen begehrten. Darum hatte er sich immer mehr in eine Opferrolle verstrickt und suchte Trost in einer Fantasiewelt aus Action- und Vampirfilmen, in denen starke Frauen die Kontrolle übernahmen. In seiner Vorstellung war er nicht der begehrenswerte Mann, sondern die begehrte Beute. In den Vampirfilmen sah er sich als denjenigen, der von den weiblichen Vampiren gebissen wurde; in den Actionfilmen als den, der von den starken Frauen beschützt wurde. Nach und nach hatte er eine devot unterwürfige Haltung gegenüber dem weiblichen Geschlecht entwickelt und begann, sich damit abzufinden.
Doch jetzt, bei dem Gedanken an Sinja, wachte etwas Illusorisches in ihm auf, eine leise Hoffnung, dass sie vielleicht jemand war, der ihn in einem neuen Licht sehen könnte – wenn er es wagen würde, sie kennenzulernen.
Über das Wochenende herrschte reges Treiben bei den Bennets. Das Gästezimmer wurde komplett renoviert, und spätestens jetzt war für Molly klar, dass Sinjas Ankunft endgültig war. Am Samstag fuhren sie mit dem alten Volvo in die nächstgrößere Stadt, um ein neues Bett, einen Schrank und einen Schreibtisch für Sinja zu kaufen. Molly half ihrem Vater, die Möbel aufzubauen und das Zimmer gemütlich und einladend zu gestalten. Es sollte ein Ort werden, an dem Sinja sich wohl und willkommen fühlen konnte.
Der darauffolgende Montag in der Schule verlief für Molly und Eugen relativ ereignislos, was die beiden sichtlich erleichterte. Als Molly dann am Nachmittag nach Hause kam, bemerkte sie beim Betreten des Wohnzimmers sofort etwas Ungewöhnliches: Ihr Vater deckte den Tisch, doch er stellte einen Teller mehr hin.
„Ist Sinja schon da?“ fragte Molly überrascht.
Ollie nickte und deutete auf einen Zettel, den Sarah auf dem Tisch hinterlassen hatte. „Ja, sie ist heute Morgen angekommen. Deine Mutter ist mit ihr in die Stadt gegangen, um ein paar Klamotten zu besorgen. Sie hatte wohl nicht viel dabei. Ich war den ganzen Vormittag auf der Wache und habe es selbst verpasst.“
Mollys Herz schlug schneller. Aufregung und eine gewisse Nervosität stiegen in ihr auf. Sie hatte keine genaue Vorstellung davon, wie es sein würde, Sinja nach all den Jahren wiederzusehen – vor allem unter diesen Umständen. Es dauerte noch etwa eine halbe Stunde, bis sich schließlich die Haustür öffnete. Sarah kam herein, gefolgt von Sinja.
In dem Moment, als Molly ihre Cousine zum ersten Mal erblickte, blieb ihr förmlich die Luft weg. Sinja war mindestens 1,80 m groß und wirkte mit ihren langen, leicht gewellten, tiefschwarzen Haaren und ihrer Figur wie ein Supermodel. Aber das, was Molly am meisten schockierte, waren Sinjas grüne Augen. Sie strahlten förmlich und hatten etwas Magisches an sich, das den Raum zu erfüllen schien. Sinja wirkte wie eine Erscheinung, eine Präsenz, die alles um sich herum einnahm. Neben ihr fühlte sich Molly plötzlich wie eine unscheinbare, kleine Kartoffel. Sinja schien perfekt – und doch auch distanziert, mit einem leisen Hauch von Traurigkeit im Blick.
Molly spürte, wie ihre Nervosität zu einem prickelnden Druck in ihrer Brust wurde. Sinjas Anblick war überwältigend. Neben ihr fühlte sich Molly plötzlich klein, schwer und unbeholfen. Ihre Hände wurden schweißnass, und sie musste sich zwingen, ruhig zu atmen.
Sarah stellte die Einkaufstaschen auf den Tisch und lächelte die beiden an. „Molly, das ist deine Cousine Sinja. Sinja, das ist Molly.“
Die beiden Mädchen sahen sich an, und Molly verlor sich für einen Augenblick in Sinjas faszinierenden grünen Augen. Ihre Stimme war ein wenig zittrig, als sie schließlich stammelte: „Hallo, Sinja… schön, dich zu sehen. Ist voll lang her.“
Sinja lächelte sanft, ihre Lippen verzogen sich zu einem freundlichen Ausdruck. „Hallo, Molly. Schön, dich wiederzusehen. Ja, stimmt. Fast zehn Jahre, glaube ich.“
Sie setzten sich alle an den Tisch, und das Gespräch drehte sich eine Weile um allgemeine Themen – beiläufig, ohne tief in die Geschehnisse der letzten Tage oder in persönliche Details einzutauchen. Sinja war sehr ruhig, und ihre Zurückhaltung sprach Bände über die Trauer, die sie noch immer in sich trug. Sarah schien das zu spüren und hielt sich mit Fragen zurück, um Sinja nicht zu überfordern.
Doch Ollie wollte etwas Wichtiges klarstellen. Er räusperte sich, sah Sinja direkt an und sprach mit warmem, aber bestimmtem Ton. „Sinja,“ begann er, „willkommen in unserem Haus. Ich möchte, dass du weißt, dass du hier kein Gast bist. Du bist ein vollwertiges Familienmitglied. Du gehörst zu uns, und du kannst immer auf uns zukommen, wenn du etwas brauchst. Wir sind für dich da, und das meine ich wirklich so. Du bist unsere Nichte, und wir sind sehr froh, dass du nun bei uns bist.“
Sinja schien sichtlich berührt, und für einen Moment blitzten Tränen in ihren Augen auf. Sie lächelte Ollie dankbar an, während ihre Lippen leicht zitterten. Sarah legte sanft eine Hand auf Sinjas Arm und fügte hinzu: „Wir haben dir ein Zimmer vorbereitet, aber du kannst es gestalten, wie du möchtest. Du bist hier zu Hause, und du brauchst nie zu fragen, wenn du etwas möchtest. Unser Haus ist dein Haus.“
Sinja nickte stumm, und es schien, als hätte sie zum ersten Mal seit ihrer Ankunft die Erleichterung und Geborgenheit wirklich gespürt.
Molly versuchte, die Anspannung am Tisch mit einem Lächeln und einer scherzhaften Bemerkung aufzulockern. „Hey, Sinja, und wenn du Fragen hast zu Freizeitaktivitäten oder allem, was uns Teenies hier im Dorf wichtig ist, dann frag mich einfach. Ich weiß alles, und wir werden sicher eine Menge Spaß haben.“
Sinja lächelte schwach und nickte, doch tief in ihrem Inneren wusste Molly, dass es wahrscheinlich anders kommen würde. Sie spürte die Unsicherheit und die wachsende Angst in sich, je mehr sie über die Situation nachdachte. Sobald Sinja an der Schule war, würde sie sich bestimmt abgrenzen wollen – das war eigentlich unvermeidlich. Ein Mädchen wie Sinja, das selbst in einfachen Jeans und einem T-Shirt wie ein Model aussah, würde niemals mit den Losern abhängen wollen. Sinja spielte in einer vollkommen anderen Liga.
Mollys Gedanken drehten sich im Kreis. Warum musste Sinja so perfekt sein? Sie war so anders – so weit über ihr. Die Jungs in der Schule würden auf sie fliegen, das war ihr jetzt schon klar. Und was würde aus ihr selbst werden? Die dicke Molly, das unsichtbare Mädchen, das niemand bemerkte. Wie sollte sie jemals in Sinjas Welt passen?
Sarah hatte inzwischen das Essen fertig gemacht. Es gab Buttergemüse und Hackbraten, den sie dampfend auf den Tisch stellte. Ollie nahm sich als Erster eine große Portion, und Sarah schöpfte auch für sich und Molly. Sie schaute dann fragend zu Sinja. „Sag mal, Sinja, isst du eigentlich Fleisch, oder bist du vielleicht Vegetarierin oder Veganerin?“
Sinja nickte leicht und lächelte. „Nein, ich esse Fleisch. Ich habe nur gerade nicht so viel Hunger, aber der Hackbraten sieht wirklich lecker aus. Ich würde gerne ein kleines Stück probieren.“
„Natürlich,“ sagte Sarah und legte ihr sofort ein schön gewürztes Stück auf den Teller.
Ollie schien sichtlich erleichtert, dass Sinja keine Vegetarierin war, und konnte es sich nicht verkneifen, ein paar abfällige Witze über Vegetarier und Veganer zu machen. „Stell dir vor, irgendwann kommt raus, dass Pflanzen Gefühle haben! Dann können Vegetarier nur noch Moos essen,“ sagte er und lachte lauthals.
Sarah schüttelte leicht den Kopf, und Molly verdrehte die Augen. Nur Sinja lächelte ein wenig, doch ihr Gesicht blieb ansonsten ruhig und kontrolliert. Molly beobachtete ihre Bewegungen unwillkürlich. Etwas an Sinjas Erscheinung zog sie magisch an. Die grünen Augen, die wie Edelsteine funkelten, ihre perfekt geschwungenen Lippen und diese unfassbar makellosen, schneeweißen Zähne. Molly konnte kaum verstehen, wie ein Mensch derart perfekt sein konnte. Irgendwie war es ungerecht – wie konnte Sinja so aussehen, während sie selbst so ganz anders war? Wo blieb da die Fairness?
Später half Molly Sinja, die neu gekauften Klamotten in Sinjas Zimmer zu räumen. Die beiden öffneten Sinjas Koffer und Taschen und hängten die Kleider in den neuen Schrank. Molly fiel auf, dass Sinja einen tollen Modegeschmack hatte und Klamotten besaß, in die Molly auch so gerne reingepasst hätte.
Sie stellten einige persönliche Dinge auf, und Molly bemühte sich, hilfreich zur Seite zu stehen. Doch sie ertappte sich immer wieder dabei, wie sie Sinja verstohlen beobachtete. Dieses Mädchen löste eine eigenartige Art von Erregung in ihr aus, die sie sich nicht erklären konnte. Wenn Sinja ein gutaussehender Junge gewesen wäre, dann hätte sie das vielleicht verstanden, aber Sinja war ein Mädchen – und dennoch spürte Molly ein merkwürdiges Verlangen, das sie nicht einordnen konnte. Vielleicht wünschte sie sich einfach, ebenso schön zu sein wie ihre Cousine.
Ihre Gefühle blieben für sie ein Rätsel, aber Sinjas Ausstrahlung wirkte wie Magie auf Molly. Sinjas Augen funkelten wie Edelsteine, und Molly spürte, wie sie sich fast unfreiwillig in ihrem Blick verlor. Es war, als hätte Sinja eine Art unsichtbare Aura um sich, die den Raum füllte. Jedes Mal, wenn Molly sie ansah, fühlte sie sich von einer ungreifbaren Energie angezogen, die ihr Herz schneller schlagen ließ.
Zum Abschluss ihrer Hilfe bot Molly noch einmal an: „Wenn du irgendetwas brauchst oder wenn ich dir irgendwie helfen kann, sag es mir. Ich bin immer für dich da.“
Sinja lächelte freundlich und bedankte sich, doch dieses Lächeln schien wieder magisch zu wirken. Molly hatte das Gefühl, die Welt nicht mehr zu verstehen. Die Art, wie Sinja sie ansah, mit diesen tiefen, strahlenden grünen Augen, ließ in Molly ein seltsames Kribbeln aufsteigen, das sie sich nicht erklären konnte.
Molly spürte, dass Sinja ein wenig Zeit für sich brauchte, und entschied sich, ihr den Raum zu geben. Sie ging auf ihr Zimmer, das direkt neben Sinjas lag, setzte sich auf ihr Bett und ließ die Ereignisse des Tages auf sich wirken. Alles fühlte sich seltsam und ein wenig überwältigend an. Sinjas Anwesenheit brachte etwas Neues und Unvorhersehbares in ihr Leben, und Molly wusste nicht, wie sie damit umgehen sollte.
Um sich Luft zu machen und die Gedanken loszuwerden, griff sie nach ihrem Handy und rief Eugen an. Es war schon spät, aber sie wusste, dass er immer lange aufblieb. Nachdem er abgenommen hatte, erzählte sie ihm von Sinja – davon, wie unglaublich schön sie war und wie sie das alles durcheinanderbrachte. Sie beschrieb Sinja in allen Einzelheiten, von den langen, schwarzen Haaren bis hin zu den magischen grünen Augen, die Molly immer wieder in ihren Bann zogen.
Am anderen Ende der Leitung hörte Eugen aufmerksam zu, während in ihm ein gewohntes Verlangen erwachte. Der Gedanke daran, Sinja kennenzulernen, packte ihn sofort. Doch gleichzeitig verspürte er eine gewisse Angst – Angst, dass Molly recht haben könnte und Sinja sich irgendwann von ihnen distanzieren würde. Wenn sie tatsächlich so schön war, wie Molly sie beschrieb, dann war es gut möglich, dass sie irgendwann die „Loser-Ecke“ meiden würde. Eugen konnte sich nur allzu gut vorstellen, wie sie vielleicht mit der Beliebtheit der Schule verschmelzen würde, die Seite der sportlichen Jungs und der Pink Ladies wählend, anstatt mit zwei Außenseitern wie ihm und Molly gesehen zu werden.
Als sie auflegten, blieb Eugen nachdenklich zurück und versuchte, sich Sinja vorzustellen. In seinem Kopf formte sich ein Bild dieses wunderschönen, großen Mädchens, das nun durch seine Freundschaft mit Molly auch in sein Leben getreten war. Er hoffte inständig, dass sie freundlich sein würde, dass sie ihn vielleicht akzeptieren könnte. Doch als er über sich selbst nachdachte – seine Unsicherheiten, sein Äußeres und sein Platz in der Schule – fiel ihm der Gedanke schwer, dass sie ihn tatsächlich mögen könnte.
Eugen legte sich auf sein Bett, ließ die Bilder, die Molly beschrieben hatte, in seinem Kopf kreisen, öffnete seine Hose und konnte nicht anders, als sich in den Traum von Sinja zu verlieren. Sie war die Person, die in seinen Gedanken einen neuen Raum einnahm, eine Hoffnung, ein vielleicht unerreichbares Ideal, das seine Fantasie mehr und mehr fesselte.
Am nächsten Morgen traf Eugen Molly auf dem Weg zur Schule. Kaum hatte er sie begrüßt, begann er neugierig nach Sinja zu fragen. „Und? Wie ist sie? Hast du gestern noch mit ihr geredet?“
Molly musste lächeln über Eugens aufgeregtes Interesse. Sie erzählte ihm ein wenig von ihrer Cousine. „Ja, sie ist wirklich… krass. Ich weiß gar nicht, wie ich es beschreiben soll. Aber weißt du, sie braucht auch noch Zeit. Ihre Eltern sind gerade gestorben, und alles ist neu für sie. Sie ist jetzt bei uns, bei Verwandten, die sie ewig nicht gesehen hat. Da muss sie sich erst einfinden.“
Eugen nickte, doch seine Augen verrieten, dass er brannte, Sinja endlich selbst kennenzulernen. In seinem Kopf hatte er längst ein Bild von ihr geformt, und seine Neugier wuchs von Minute zu Minute.
Molly spürte natürlich Eugens Interesse und sah ihm direkt in die Augen, bevor sie leise sagte: „Eugen, ich weiß, dass du neugierig bist, aber… Sinja spielt in einer völlig anderen Liga. Mach dir nicht zu viele Hoffnungen, okay?“
Eugen schüttelte nur den Kopf und ließ sich nicht so leicht entmutigen. „Warum sollte das unmöglich sein? Wenn sie nett ist, dann… na ja, ich meine, sie wohnt ja jetzt bei euch. Das könnte doch bedeuten, dass sie dir – also uns – nicht in den Rücken fällt. Mir ist klar, dass sie nicht meine Freundin wird, aber es wäre ja auch schon einfach nur cool, wenn sie nicht auch noch mobben würde, wie die anderen Bitches in der Schule.“
Molly zuckte mit den Schultern. Sie konnte es wirklich nicht sagen. Insgeheim hatte sie natürlich diese Angst, dass Sinja früher oder später den einfachen Weg wählen und sich von ihnen abwenden würde. Aber letztendlich würde nur die Zeit zeigen, wie es kommen würde.
Am nächsten Tag war Eugen bereits sehr neugierig und voller Vorfreude darauf, Sinja kennenzulernen. Der Schultag verlief zunächst einigermaßen problemlos, bis die Stunde im Sportunterricht begann. Mr. Fuller, der Sportlehrer, hatte die Klasse wieder für eine Einheit in Taekwondo eingeteilt. Zu Eugens Unglück hatte er ihn erneut als Partner zur Veranschaulichung der Griff- und Tritttechniken ausgewählt – sehr zum Amüsement der Klasse.
Mit jedem Wurf fühlte Eugen nicht nur den körperlichen Schmerz, sondern auch den Stich der Demütigung tiefer in seine Seele eindringen. Es war, als ob Mr. Fuller bewusst darauf abzielte, ihn vor der ganzen Klasse bloßzustellen. Viermal landete Eugen krachend auf dem Boden, während die anderen Schüler sich das Lachen kaum verkneifen konnten. Der Lehrer ließ dabei keine Gelegenheit aus, ihn subtil zu verhöhnen. „Wenn du nicht so dick wärst, Eugen, würdest du besser kämpfen können. Und wenn du eine bessere Kondition hättest, würdest du nicht so japsen, oder?“
Die Klasse lachte, und Eugen wurde rot vor Scham. Molly, die am Rand stand und zusah, kochte innerlich vor Wut, doch sie wusste, dass sie nichts dagegen tun konnte. Mr. Fuller machte keinerlei Anstalten, seinen Ton zu mäßigen, sondern setzte seine Demonstration fort.
Beim letzten Wurf landete Eugen besonders heftig und knallte so hart auf die Matte, dass er sich den Arm verstauchte. Doch anstatt sich um ihn zu kümmern, kommentierte Mr. Fuller nur mit einem lapidaren „Stell dich nicht so an. Ohne das Übergewicht wäre das nicht passiert.“ Michael Carter, der an der Seite stand, ahmte daraufhin Eugens schweres Atmen und seine Bewegungen nach, und die Klasse brach erneut in Gelächter aus.
Eugen und Molly waren erleichtert, als der Unterricht endlich vorbei war. Beide waren froh, die Schule für diesen Tag hinter sich zu lassen. Als sie auf dem Heimweg waren, lud Molly Eugen spontan ein, zu ihr nach Hause zu kommen, um Sinja kennenzulernen. Eugens Nervosität stieg mit jedem Schritt, je näher sie dem Haus kamen.
Molly schloss die Haustür auf und entdeckte ihre Mutter in der Küche. „Ist Sinja in ihrem Zimmer?“ fragte sie.
Sarah nickte. „Ja, sie ist oben.“
Also gingen Molly und Eugen die Treppe hinauf, und Molly klopfte vorsichtig an Sinjas Tür. Sinjas engelgleiche Stimme drang von drinnen hervor und lud sie freundlich ein. Molly öffnete die Tür, und Sinja stand am Fenster. Das Licht schien von hinten auf sie und umspielte ihre Figur, was sie fast wie eine Erscheinung wirken ließ.