Mozart und die List der Hirse - Florianne Koechlin - E-Book

Mozart und die List der Hirse E-Book

Florianne Koechlin

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Beschreibung

Weinreben reagieren auf gewisse Schallwellen, Mozart-Klänge zum Beispiel. Pflanzen führen ein aktives Sozialleben, sie haben Freunde und Feinde, sind liebevoll zu den Nächsten, bilden Allianzen, betreiben Vetternwirtschaft, sind futterneidisch, graben sich gegenseitig das Wasser ab und verhalten sich abwehrend gegenüber Fremden. Unter dem Boden bilden sie umfangreiche Beziehungsnetze aus Wurzeln und Pilzen, über die sie Nährstoffe und Informationen austauschen. Auch die Beziehungsnetze von Tieren sind viel komplexer, viel differenzierter, als wir bislang dachten. Das zeigen Entdeckungen an ungewöhnlichen Orten, wie bei Zebuherden im westafrikanischen Niger, in Schweizer Schlachthöfen oder bei Berggorillas in Ruanda und im Basler Zoo. Neue Erkenntnisse füllen langsam die Leerstellen des ökologisch geprägten Weltbildes. Dieses fußt darauf, dass alles mit allem irgendwie vernetzt ist, nichts isoliert funktioniert und dass den Genen keineswegs die alles überragende Rolle bei der Steuerung von Lebensprozessen zukommt. Was aber bringt das Wissen, dass wir alle - Pflanze, Tier und Mensch - in koevolutionäre Prozesse eingebunden und in gegenseitigen Abhängigkeiten verstrickt sind? Was bedeutet dies konkret für das Agrarwesen? Vermögen ökologische Landwirtschaftssysteme auch die Weltbevölkerung zu ernähren, und sind sie ökonomisch konkurrenzfähig?

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Für die grosse Hilfe danken die Autorinnen Günter Spaar sowie Sally Bodoky, Gabrielle Chiarello, Christel Grünenwald, Klaus Lieber, Edith Peterhans, Marilise Rieder, Nadine Specchia, Hansjörg Stalder, Patrik Tschudin, Esther Völlmin, Claudia Weiss und Stephanie Zellweger.

E-Book-Ausgabe 2012

Copyright © 2012 by Lenos Verlag, Basel

Alle Rechte vorbehalten

Satz und Gestaltung: Lenos Verlag, Basel

Umschlag: Anne Hoffmann Graphic Design, Zürich

Umschlagbild: Florianne Koechlin

www.lenos.ch

ISBN EPUB-E-Book 978 3 85787 506 9

Vorwort

Pflanzen führen ein aktives Sozialleben. Sie haben Freunde und Feinde, sind liebevoll zu den Nächsten, bilden Allianzen, betreiben Vetternwirtschaft, sind futterneidisch, machen einander das Wasser streitig und verhalten sich abwehrend gegenüber Fremden. Unter dem Boden bilden sie umfangreiche Beziehungsnetze aus Wurzeln und Pilzen, über die sie Nährstoffe und Informationen austauschen. Und Weinreben reagieren auf gewisse Schallwellen, Mozart-Klänge zum Beispiel. Das zeigt neueste Forschung.

Auch die Beziehungsnetze von Tieren sind viel komplexer, viel differenzierter, als wir bislang dachten. Das zeigen Entdeckungen an unerwarteten Orten, wie bei Zebuherden im westafrikanischen Niger, in Schweizer Schlachthöfen oder bei Berggorillas in Ruanda und im Basler Zoo.

Neue Erkenntnisse füllen langsam die Leerstellen des ökologisch geprägten Weltbildes. Dieses beruht ja darauf, dass alles mit allem irgendwie vernetzt ist, nichts isoliert funktioniert und dass den Genen keineswegs die alles überragende Rolle bei der Steuerung von Lebensprozessen zukommt. In den letzten Jahren haben wir dank vorurteilsloser Beobachtungen und Experimente neue und faszinierende Einblicke in die unendlich komplexen und dynamischen Netzwerke bekommen, die Leben ausmachen.

Was aber bringt das Wissen, dass wir alle – Pflanze, Tier und Mensch – in koevolutionäre Prozesse eingebunden und in gegenseitigen Abhängigkeiten verstrickt sind? Was bedeutet dies konkret für die Landwirtschaft? Sie steht vor gigantischen Herausforderungen: Klimaextreme, endliche Ressourcen, erodierte Böden und wachsende Bevölkerungszahlen.

Das grosse Wüstenbegrünungsprojekt SEKEM in Ägypten zeigt eindrücklich, wie die konsequente Anwendung solcher Erkenntnisse aus Sand blühende Landschaften erschaffen kann – ohne Agrochemikalien und ohne Gentechnik. Doch vermögen ökologische Landwirtschaftssysteme auch die Weltbevölkerung zu ernähren, und sind sie ökonomisch konkurrenzfähig?

Bei unseren Gesprächen mit Expertinnen und Experten fielen immer wieder zwei Schlüsselbegriffe: Vielfalt und Beziehungsnetze. Vielfalt ist aber nicht von gestern auf heute entstanden. Sie hat sich entwickelt, über Millionen von Jahren. Es geht also auch um Evolution. Doch Evolution nur auf genetischer Ebene zu begreifen ist zu engstirnig. Evolution findet auf vielen verschiedenen Ebenen statt, und Beziehungsnetze spielen dabei eine grosse Rolle.

Giancarlo Cignozzi

Mozart für die Reben

Winzer Giancarlo Cignozzi und Biologe Stefano Mancuso haben festgestellt, dass Pflanzen auf Musik reagieren.

Früher war er Rechtsanwalt in Mailand. Heute ist Giancarlo Cignozzi Weinbauer in der Toskana. Doch ein normaler Winzer ist er nicht. »Viele Leute halten mich für verrückt«, weiss Cignozzi. Der Winzer baut nicht nur nach biologischer Methode Brunello di Montalcino an und verzichtet somit auf synthetische Schädlingsbekämpfungsmittel. Er lässt seinen Reben auch Musik zukommen. Mozart-Opern. Die hört der sechsundsechzigjährige ehemalige Advokat selbst am liebsten.

»Mozart in Vigna« – Mozart im Weinberg – steht auf dem Wegweiser aus Holz, der zu Giancarlo Cignozzis Weingut führt. »Il Paradiso di Frassina«, wie er sein Stück Land nennt, liegt auf einem sanften Hügel 250 Meter über Meer, fünf Kilometer vom Städtchen Montalcino entfernt. Oben angekommen, fällt einem als Erstes die liebliche Gegend auf, die für ihren Wein weltberühmt ist. Sie ist an diesem frühen Septembermorgen in zartes Rosa gehüllt. Montalcino scheint noch in tiefem Schlaf zu liegen. Doch plötzlich hört man, vom Wind zugetragen, eine hinreissende Stimme. Es ist die Stimme von Papageno. Die Reben auf dem Weinberg hören gerade Die Zauberflöte.

Seit über zehn Jahren schon berieselt Cignozzi auf seinem sechzig Hektar grossen Gelände fünfzig Prozent seiner Reben mit Musik. Von neun Uhr morgens bis neun Uhr abends. Jeden Tag, auch im Winter. Die Musik kommt aus siebzig wetterfesten, auf jeweils einen kleinen Ausschnitt gerichteten Lautsprechern, die zwischen den Reben oder entlang der äussersten Rebenreihen stehen. Die Outdoorboxen wurden vom US-amerikanischen Audiotechnik-Konzern Bose gesponsert. Die andere Hälfte des Weinbergs erhält keine Musikbehandlung.

Dem Wein scheint die Musik zu bekommen. Die beschallten Pflanzen seien kräftiger und entwickelten mehr Laub als jene ohne Musik, sagt Cignozzi. Vor allem aber seien die Trauben bis zu zehn Tage früher reif. Dies ist ein grosser Vorteil, denn je länger die Trauben brauchen, um auszureifen, desto höher ist die Gefahr, dass Temperaturschwankungen sie schädigen.

Man mag dies kaum glauben. Der Winzer, der von Frühsommer bis Herbst fast täglich in- und ausländische Besucherinnen und Besucher durch sein Weingut führt, hat sich an die Skepsis seiner Gäste gewöhnt. Er deutet auf zwei Rondelle, die etwa fünfzehn Meter auseinanderliegen und in denen je acht Pflanzen in identischer Erde wachsen. Sie sind seine Beweisstücke. Ein Rondell wird beschallt, das andere nicht. Der äussere Unterschied der Pflanzen fällt selbst einem botanischen Laien auf: Die »Mozart-Reben« sind deutlich weiterentwickelt und haben mehr Blätter als jene ohne Beschallung. Auffällig ist, dass die beschallten Weinreben sich regelrecht dem Lautsprecher entgegenstrecken, als ob er eine Lichtquelle wäre. Die Kontrollgruppe ohne Musik bietet im Vergleich einen geradezu traurigen Anblick: Sie ist nicht halb so hoch wie der »Mozart-Wein« und hat viel weniger Blätter.

Oben: Reben, die mit Mozart beschallt werden; unten: Vergleichspflanzen ohne Beschallung

Als Cignozzi mit dem Musikprojekt begann, war es bloss so ein Gefühl: das Gefühl, seine Weinreben könnten bei Musik besser gedeihen. »Und falls die Musik nichts bewirken würde, dachte ich, kann zumindest ich bei der Arbeit Mozart geniessen.« Nun hat er den doppelten Genuss: guten Wein und schöne Musik.

Im Weinkeller des tausendjährigen Gutshofs, den Cignozzi halb zerfallen übernommen hatte und restaurieren liess, lädt er zur Weindegustation. Hier stehen riesige Eichenfässer, in denen der berühmte Brunello di Montalcino zweieinhalb Jahre lang lagert. Einen jüngeren Brunello, der nur ein Jahr im Eichenfass ruhte, hat Cignozzi nach seiner jüngsten Tochter benannt, die wiederum den Namen der griechischen Muttergöttin trägt: Gea. Cignozzi ist, obwohl einst Anwalt, kein Mann der grossen Worte. Auf die Frage, ob man den Mozart in seinem Wein schmecke, antwortet er unwirsch: »Nein, das ist Unsinn.« Trotzdem sind auf allen Weinetiketten Musiknoten abgebildet. Cignozzis Markenzeichen. 2010 hat Cignozzi seine Autobiographie veröffentlicht: L’uomo che sussurra alle vigne (Der Weinflüsterer).

»Nein, das ist kein Werbegag, und Cignozzi ist nicht verrückt«, antwortet Stefano Mancuso, Pflanzenelektrophysiologe an der Universität Florenz, auf die entsprechende Frage. »Natürlich können Pflanzen nicht hören. Sie haben keine Ohren.« Aber ihre Zellmembranen – also die Hüllen um die Zellen der Pflanzen – sind sehr empfindlich. Die Pflanzen hören nicht die Töne, können nicht wie wir die Arie von Papageno geniessen. »Sie nehmen aber den Schall wahr, die durch die Musik ausgelösten Vibrationen«, erklärt Mancuso.

Stefano Mancuso mit einer Maiswurzel, seinem wichtigsten Untersuchungsobjekt

Seit fünf Jahren begleitet der Wissenschaftler das Musikexperiment auf dem Montosoli-Hügel. Dass sich der Biowinzer gerade an diesen Professor wandte, hatte seinen Grund: Auch Mancuso gilt – unter Wissenschaftlern – bei vielen als »verrückt«. Er betrachtet Pflanzen nicht wie viele seiner Zunft als Roboter, die nur einem (genetischen) Programm folgen und auf den gleichen Reiz immer gleich reagieren. Mancuso ist vielmehr überzeugt, dass Pflanzen eine Art von Intelligenz besitzen. Sie können Probleme lösen und gezielt auf Umweltsignale antworten.1 Gemeinsam mit dem Zellbiologen František Baluška in Bonn erforscht er Pflanzen – speziell die Pflanzenwurzeln, »ein Universum«, wie Mancuso sagt.2 Er und Baluška konnten nachweisen, dass in Pflanzen elektrische Signale zirkulieren, die nach einer Verletzung der Pflanze besonders gut messbar sind. Beide Biologen sind überzeugt, dass Pflanzen diese elektrischen Impulse, sogenannte Aktionspotentiale, nutzen, um intern Informationen weiterzuleiten. Auch Tiere und Menschen nutzen Aktionspotentiale zur Informationsübermittlung in Nervenzellen.3

Dass Pflanzen diese gebrauchen, ist für Mancuso und Baluška so überraschend nicht. Eine Pflanze könne an die zwanzig physikalische und chemische Grössen registrieren, wie etwa Licht, Schwerkraft, Duftstoffe und auch Schallwellen.4 Auf diese Informationen könne die Pflanze gezielt antworten, indem sie zum Beispiel ihr Wachstum verändere, mehr Blätter entwickle oder in eine andere Richtung wachse.5 Dazu sei ein schnelles Informationssystem nötig. Die Aktionspotentiale von Pflanzen seien zwar viel langsamer als jene von höheren Tieren, in der Geschwindigkeit aber vergleichbar mit denjenigen von Quallen oder Würmern.

Stefano Mancusos Institut liegt etwa sechs Kilometer ausserhalb von Florenz in einem trostlosen, von Unkraut überwucherten Gewerbeareal. Ein Dutzend Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus dem In- und Ausland arbeiten in dem unscheinbaren zweistöckigen Institut, das der Universität Florenz angeschlossen ist. Auf dem Tisch im kleinen, engen Büro von Stefano Mancuso stapeln sich Papier und Bücher. An der Wand hängen ein Plakat mit Darwins bärtigem Konterfei, eine Orchideentafel und ein Blumenbild. Mancuso, in weissem Hemd, Bluejeans und Sandalen, scheint bestens gelaunt, ist gesprächig und erklärt – auch mittels rasch hingekritzelter Pflanzenwurzeln – das Mozart-Projekt.

Parallel zum Feldversuch auf dem Weinberg untersucht Stefano Mancuso im Labor die Wirkung von Schallwellen auf Pflanzen. Zum Beispiel stellte er junge Maispflanzen in transparente Behälter, um die Reaktion der Pflanze auf die Schallwellen beobachten respektive filmen zu können (a). Dann platzierte er rechts neben den Pflanzenwurzeln einen Lautsprecher. Dieser sandte zuerst einen tiefen Ton, zwischen 200 und 500 Hertz, aus. Die Reaktion der Pflanze: Die Wurzeln wuchsen in der Folge im rechten Winkel zur Schallquelle hin und nicht mehr senkrecht nach unten (b). Das Umgekehrte passierte bei hohen Tönen mit Frequenzen über 1000 Hertz: Die Wurzeln bewegten sich von der Schallquelle weg (c).

»Diese Verbiegung nach rechts oder links ist erstaunlich, müssen die Wurzeln doch die Gravitationskraft überwinden, die sie nach unten zieht«, betont Mancuso. Bei sehr hohen Frequenzen reagierten die Wurzeln übrigens nicht – sie schienen diese nicht wahrzunehmen. Kann man also sagen, dass Pflanzen hohe Frequenzen nicht mögen? »Nein«, erwidert Mancuso. »Man kann bloss feststellen, dass sich die Wurzeln bei hohen Frequenzen anders verhalten als bei tiefen.« Dazu komme, dass sowohl die Laborversuche als auch jene im Weinberg wiederholt werden müssten, bevor man wissenschaftlich etwas darüber aussagen könne, wie Pflanzen auf Musik reagierten. Sicher belegen könne man derzeit nur: »Pflanzen nehmen Schall wahr.« Unsere Sprache oder auch Musik seien stark genug, um Pflanzenmembranen zu reizen. »Die Frequenz der Töne kann Einfluss auf das Wachstum haben, auch wenn das manche Wissenschaftler nicht gerne hören.« Mancuso betont aber immer wieder, dass die Pflanzen nicht die Musik wahrnehmen. Sie erfassen allein die Vibrationen. Eigentlich wäre es ihm lieber gewesen, Cignozzi hätte seine Reben ständig demselben Ton, zum Beispiel 200 Hertz, ausgesetzt. Doch der Winzer habe Ärger mit den Nachbarn befürchtet, er hätte sie damit vermutlich in den Wahnsinn getrieben. Über Mozarts Opern habe sich jedoch noch niemand beschwert.

Auch wenn die ersten Ergebnisse noch einmal überprüft werden müssen, haben sowohl der Winzer als auch der Wissenschaftler bemerkt, dass die Reben, die auf dem Weingut mit Musik beschallt werden, sich besser entwickeln als jene ohne Beschallung. Auch die Trauben scheinen von besserer Qualität zu sein.

Nicht nur Pflanzen, auch Insekten nähmen den Schall offenbar wahr. Die Reben, die mit Mozart-Klängen berieselt werden, würden deutlich weniger von Schädlingen befallen als jene ohne Musik, sagt Mancuso. Allerdings hielten sich auch mehr Nützlinge von den beschallten Reben fern. »Die Vibrationen scheinen die Insekten zu verwirren.« Er vermutet, dass Männchen und Weibchen nicht mehr miteinander kommunizieren und sich somit nicht fortpflanzen könnten. Wissenschaftler der Universität Pisa untersuchen nun die Auswirkungen der Musik auf Insekten.6

Doch warum können Pflanzen den Schall wahrnehmen, und wozu nutzen sie diese Signale? Mancuso nimmt an: »Pflanzen, die ständig von Vibrationen, also mechanischen Reizen, im Boden umgeben sind, nutzen diese, um etwas über die Qualität und Bodenbeschaffenheit zu erfahren, zum Beispiel, ob Wasser vorhanden ist oder sich ein physisches Hindernis in der Nähe befindet.« Erstaunlich sei, dass die Pflanzen diese Vibrationen nicht nur wahrnehmen können. »Sie interpretieren sie auch und antworten auf sie, zum Beispiel, indem die Maiswurzel ihre Wuchsrichtung ändert.« Das bedeute, dass Pflanzen über ein Erinnerungsvermögen verfügen und aus Erfahrungen lernen können.7

Das Erinnerungsvermögen und das Erfahrungs»wissen« von Pflanzen sind wichtige Bestandteile der Forschung des Florentiner Biologen. Er führt uns durch das Gewächshaus seines Instituts und deutet auf die Venusfliegenfalle, deren Fangmechanismus sein Team untersucht. Die fleischfressende Pflanze ernährt sich von Insekten und Spinnen. Sie fängt ihre Nahrung, indem sie ihre Fangblätter, auf denen ein Insekt krabbelt, innerhalb von gerade mal 100 Millisekunden, also 0,1 Sekunden, zusammenklappt. Das ist eine der schnellsten bekannten Bewegungen in der Pflanzenwelt. Die Venusfliegenfalle klappt die Blätter aber erst zu, wenn das Insekt die Fühlborsten, feine Härchen auf dem Fangblatt, innerhalb von vierzig Sekunden mindestens zweimal berührt hat. Der doppelte Reiz ist sozusagen eine eingebaute Energiesparmassnahme: Würden die Fangblätter schon bei der ersten Berührung zuklappen, wäre dies ein zu grosser Energieverlust. Das Insekt könnte wieder weggeflogen sein. Für Stefano Mancuso ist dieser doppelte Reiz ein »schönes Beispiel dafür, dass sich Pflanzen erinnern können«: Die Venusfliegenfalle erinnere sich an eine Berührung, die bis zu vierzig Sekunden zurückliegt. Seine bisherigen Untersuchungen hätten bestätigt: »Pflanzen können aus Erfahrungen lernen und fällen Entscheidungen über ihr weiteres Vorgehen.«8

Pflanzen sind zu Entscheidungen fähig – ist das nicht eine etwas gewagte Aussage? Mancuso lächelt vieldeutig und zeigt einen Film auf seinem Computer: Eine Kletterpflanze, eine Bohne, in einem Topf sucht Halt – eine Stange ist etwa dreissig Zentimeter von ihr entfernt. Der Zeitraffer zeigt, wie die Bohne versucht, die Stange zu erreichen. Sie kreist und kreist um die eigene Achse und versucht, jeweils mit zusätzlichem Druck an die Stange heranzukommen. Offensichtlich »weiss« sie genau, wo sich die Stange befindet – ein Beispiel dafür, dass Pflanzen in der Lage sind, ihre Umgebung wahrzunehmen. Doch die Bohne kann ihr Ziel nicht erreichen, die Stange steht zu weit weg. Fast tut sie einem leid. Plötzlich stoppt sie abrupt ihre Kreisbewegungen. Sie steht augenblicklich aufrecht und bewegt sich nicht mehr. »Seither weiss ich«, sagt Mancuso, »dass Pflanzen fähig sind, Entscheidungen zu treffen.« Diese Filmaufnahme sei für ihn als Biologen die bisher grösste und zugleich schönste Erkenntnis gewesen.

Die Reben von Giancarlo Cignozzi »hören« den ganzen Tag lang Mozart: Bose-Lautsprecher im Weinberg

Nordamerikanischer Meersenf (Cakile edentula): Die beiden Pflanzen links sind »Verwandte«, die beiden Pflanzen rechts sind nicht verwandt, sie sind »Fremde«. Die »fremden« Pflanzen bilden mehr und verzweigtere Wurzeln aus

Das versteckte Sozialleben der Pflanzen

Pflanzen beschützen Familienangehörige, verhalten sich abwehrend gegenüber Fremden und können zwischen Selbst und Nichtselbst unterscheiden, sagt Evolutionsbiologin Susan Dudley.

Der Teufelszwirn (Cuscuta) ist ein Profiteur. Er produziert keine eigenen Nährstoffe und bildet keine Wurzeln aus. Er schmarotzt bei anderen Pflanzen. Seine Opfer sucht er gezielt aus. Hat er eines entdeckt, umwindet er die Pflanze mit seinem dünnen Stängel, dringt mit seinen Saugnäpfchen in sie ein und nimmt ihren zuckerreichen Saft auf. Doch wie findet der Teufelszwirn die beste, die saftigste Wirtspflanze? Er erkennt sein Opfer an dessen Geruch. Gleich nach der Keimung bewegt sich sein fadenartiger, weisslicher Stängel suchend nach einem Wirt durch die Luft, hin und her. Der Teufelszwirn riecht, ob vor ihm ein unattraktiver Weizenhalm oder eine begehrte Tomate steht. Doch selbst bei der Tomate ist er noch wählerisch: Verletzte oder kranke Tomaten verschmäht der Teufelszwirn; er ist fähig, die Duftstoffe verletzter Tomaten zu entschlüsseln, und sucht sich nur gesunde und kräftige Pflanzen. Hat er erst einmal sein knackiges Opfer erschnüffelt, wächst er schnell und mit erstaunlicher Präzision darauf zu. Dies berichtet Consuelo De Moraes von der Pennsylvania State University.

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