Mr. Darcy erklärt die Welt - Tina Müller - E-Book

Mr. Darcy erklärt die Welt E-Book

Tina Müller

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Beschreibung

"Man erkennt einen Menschen nicht an dem, was er sagt – sondern daran, was er tut." Was würde ein Gentleman des 19. Jahrhunderts einer Welt sagen, in der Lautstärke oft mehr gilt als Inhalt? In diesen Aufzeichnungen öffnet Mr. Fitzwilliam Darcy – bekannt aus Stolz und Vorurteil – erstmals sein Notizbuch. Kein Tagebuch der Gefühle, sondern eine Sammlung von Gedanken, Beobachtungen und Maximen, die überraschend zeitlos wirken. Mr. Darcy spricht über Würde, Zurückhaltung und Anstand – und darüber, warum Freundlichkeit keine Schwäche ist. Er schreibt über Gespräche, die mehr bedeuten als bloße Worte, und über das Schweigen, das mehr Charakter zeigen kann als jedes Geständnis. Begleitet von Randnotizen, fiktiven Briefen und kleinen Fundstücken aus Pemberley, entsteht das Porträt eines Mannes, der nie gefallen wollte – und gerade deshalb in Erinnerung bleibt. Ein Buch für alle, die lieber zuhören als beeindrucken. Und für jene, die wissen, dass Verlässlichkeit mehr wiegt als Wirkung.

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Veröffentlichungsjahr: 2025

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Mr. Darcy erklärt die Welt

ANSICHTEN EINES GENTLEMAN

TINA MÜLLER

Inhalt

Vorbemerkung oder: Wie ich Pemberley fand – ohne es zu suchen

Vorwort

Einleitung: Ein Gentleman blickt auf die Welt

1. Von Stolz und Vorurteil oder warum Menschen immer noch urteilen, bevor sie verstehen

2. Die Liebe in Zeiten der Dating-Apps oder wie man sich in einer Welt verliebt, die Geduld und Treue längst verlernt hat

3. Geld, Besitz und der moderne Lebensstil oder warum man sich heute alles leisten kann – außer Würde

4. Vom Benehmen oder zwischen Smalltalk, Smileys und stillem Rückzug

5. Gesellschaftlicher Aufstieg – Karriere, Status und das Streben nach Bedeutung oder wie man sich heute selbst erfindet, um nicht übersehen zu werden

6. Familie, Freunde und die Kunst des Rückzugs oder über stille Bindungen und das rechte Maß der Nähe

7. Eine kurze Abhandlung über Tanz, Mode und kulturelle Codes oder von der Bedeutung des Äußeren für das Innere

8. Von der Kunst, sich zu ergänzen oder wenn göttliche Weiblichkeit auf pure Männlichkeit trifft

9. Vom Sprechen und Verstummen oder was mit einer Sprache geschieht, wenn man sie ständig sendet

10. Von Meinung und Mitläufertum oder warum der freie Geist selten laut ist

11. Von der Gemeinschaft oder warum eine Gesellschaft mehr sein sollte als ihre Meinungslager

12. Von der Würde des Alleinseins oder warum Rückzug kein Mangel an Nähe ist

13. Briefwechsel mit Elizabeth – oder: Die Übung in gegenseitiger Aufrichtigkeit

14. Was ein Gentleman liest oder über Bücher, Bildung und die stille Ordnung der Gedanken

15. Über Familie oder warum Zugehörigkeit mehr ist als Blutsverwandtschaft

16. An die nächste Generation oder ein Brief, den ein junger Mann nur einmal lesen muss – aber nicht vergessen sollte

17. Die sieben Tugenden eines Gentleman oder was man nicht behaupten muss, um es zu verkörpern

18. Über den modernen Unsinn oder warum der Lärm nicht klüger macht – oder was bleibt, wenn alles gleichgültig wird

19. Abschließender Brief von Mr. Darcy

Anhang

Anhang 1: Ein Gentleman im Alltag – Gedanken zwischen Tür und Haltung

Anhang 2: Ein kleiner Leitfaden der Gesellschaftskunst für Gentlemen oder warum Benehmen nicht altmodisch ist, sondern unsichtbar tragfähig

Anhang 3: Etikette im Ballsaal oder wie man tanzt, ohne den Takt zu verlieren - weder in der Musik noch im Benehmen

Anhang 4: Etikette auf der Straße und beim Besuch oder wie ein Gentleman sich in Gesellschaft bewegt, ohne sie zu stören

Anhang 5: Ein Fragebogen für stille Leser

Anhang 6: Über Pemberley - Notizen eines Hausherrn

Anhang 7: Ein kleines Lexikon der verlorenen Begriffe

Anhang 8: Die Bibliothek von Pemberley

Anhang 9: Über Maximen für Männer mit Haltung und solche, die es werden wollen

Anhang 11: Gesprächsregeln für stille Menschen und jene, die gelernt haben, dass Stille kein Mangel ist

Anhang 12: Kleine Schule der Etikette im 21. Jahrhundert oder warum Haltung nicht altmodisch ist – sondern zeitlos nützlich

Anhang 13: Briefe, die man heute nicht mehr schreibt aber schreiben sollte

Anhang 14: Über die Kunst, nicht alles zu sagen oder warum Schweigen mehr Charakter zeigen kann als jedes Geständnis

Anhang 15: Über das Lächeln ohne Absicht oder warum Würde auch lachen darf

Nachwort von Elizabeth Darcy oder über Nähe, Stolz und das andere Verständnis von Ehe

Nachwort oder warum ein Gentleman der Gegenwart mehr zu sagen hat, als man zunächst glauben möchte

Ein Wort des Dankes

Über die Autorin

Mein Etsyshop und meine Bücher, vorgestellt von Jane Austen

Bücher der Autorin

Leseliebe – Das kostenlose Magazin

Mr. Darcy erklärt die Welt

Ansichten eines Gentleman

Tina Müller

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

Die automatisierte Analyse des Werkes, um daraus Informationen insbesondere über Muster, Trends und Korrelationen gemäß §44b UrhG („Text und Data Mining“) zu gewinnen, ist untersagt.

© 2025 Tina Müller – Miss Austens Booketerie

Verlag:

Miss Austen’s Booketerie

Tina Müller

E-Mail: [email protected]

Herstellung: epubli – ein Service der neopubli GmbH, Köpenicker Straße 154a, 10997 Berlin

Kontaktadresse nach EU-Produktsicherheitsverordnung: mailto:[email protected]

Formatiert mit Vellum

Vorbemerkung oder: Wie ich Pemberley fand – ohne es zu suchen

Manchmal begegnet man etwas, ohne es gesucht zu haben – und entdeckt darin mehr, als man je erwartet hätte.

Ich war unterwegs, wie so oft, auf der Suche nach alten Büchern und nach dem Hauch vergangener Zeiten. In einem kleinen Antiquariat – der Name ist unwichtig, der Ort noch mehr – fiel mir eine Kommode auf. Eine alte, schiefe Kommode, die wirkte, als hätte sie ihren eigenen Willen. Eine ihrer Schubladen ließ sich nach langem Ausprobieren nur öffnen, wenn man vorher die linke Ecke leicht anhob. Ich tat es – eher aus Neugier als aus Absicht. Ich öffnete sie – und hielt inne. In der dunklen Tiefe lag ein Bündel aus vergilbtem Papier, sorgfältig verschnürt mit schwarzer Kordel, als hätte es all die Jahre nur auf diesen Moment gewartet. Kein Titel, nur ein Einband aus schwerem, leicht gewelltem Karton. Und auf der ersten Seite, in jener ruhigen, unnachahmlich klaren Handschrift:

„Bemerkungen eines Gentleman über den Zustand der Welt“

Wie es dorthin kam, wusste niemand – auch der Antiquar nicht. Vielleicht hatte es einfach nur auf den richtigen Moment gewartet. Und vielleicht ist es nicht entscheidend, wie etwas möglich ist, sondern dass es geschieht.

Wem diese Bemerkungen einst galten, bleibt ungewiss. Doch ich hatte das Gefühl, sie wollten gelesen – und bewahrt – werden. Ich legte das Bündel zurück. Die Worte aber hatten mich längst gefunden.

„Alles, was du gelesen hast, ist jetzt ein Teil von dir.“ – Notiz am Rand einer der letzten Seiten

Aufs Angenehmste, Ihre Tina Müller

Vorwort

Liebe Leser!

Wenn einem ein Text in die Hände fällt, der ebenso unerwartet wie erquicklich ist, dann gehört dies zweifellos zu den erfreulicheren Momenten literarischer Arbeit.

Dieses kleine Werk wurde – ganz ohne literarische Absicht, aber mit einer gewissen Ehrfurcht – behutsam lesbar gemacht: sorgfältig transkribiert, geordnet, mit Zwischenüberschriften versehen – jedoch ohne den Ton des Originals zu verfälschen. Denn dieser Ton ist unverkennbar: ruhig, entschieden, mit gelegentlichem Spott – doch stets getragen von Haltung.

Dass es sich um die Gedanken des hochgeschätzten Mr. Fitzwilliam Darcy handelt, scheint kaum jemand zu bezweifeln. Seine charakteristische Präzision, seine moralische Strenge wie auch sein durch und durch englischer Sinn für Maß und Würde durchziehen jede Zeile.

Was den Leser allerdings überraschen mag, ist die Aktualität der Themen. Mr. Darcy, so scheint es, hat über die Jahrhunderte hinweg einen bemerkenswert scharfen Blick auf die Welt bewahrt – und scheut sich nicht, seine Eindrücke zur modernen Lebensart, zur sogenannten „Kultur“, zur zwischenmenschlichen Verwirrung und zum allgemeinen Zustand des Anstands mit gewohnter Klarheit und gelegentlicher Verwunderung zu teilen.

Wie es ihm gelang, sich mit der heutigen Welt so vertraut zu machen – durch messerscharfe Logik, stille Lektüre oder eine Wahrnehmung jenseits der Zeit – bleibt ein Rätsel. Und vielleicht sollte es das auch bleiben, denn manche Rätsel verlieren ihren Zauber, sobald man sie erklärt.

Manche Leser werden sich fragen, ob Mr. Darcy ein Zeitreisender war. Ich bezweifle das – nicht aus Überzeugung, sondern aus Achtung vor dem Geheimnis. Wahrscheinlicher ist: Er war seiner eigenen Zeit stets einen Schritt voraus – und von der unseren weit genug entfernt, um sie mit klarem Blick zu erkennen. Vielleicht muss man nicht durch die Zeit reisen, um sie zu durchschauen. Es genügt, Haltung zu bewahren.

Diese Sammlung ist weder Lehrbuch noch Streitschrift. Sie ist vielmehr das Werk eines Mannes, der es sich zur Gewohnheit gemacht hat, wenig zu sagen – und dieses Wenige mit Bedacht zu notieren.

Möge dieses Buch all jenen ein Trost und ein Vergnügen sein, die gelegentlich das Gefühl haben, mit den Anforderungen der modernen Welt nicht ganz Schritt halten zu wollen – oder zu müssen.

Mit herzlichen Grüßen, Tina Müller

Einleitung: Ein Gentleman blickt auf die Welt

Mr. Fitzwilliam Darcy war niemals ein Mann der vielen Worte. Doch wenn er sich entschloss zu sprechen – oder gar zu schreiben –, so tat er es nie aus Laune oder Zufall. Seine Gedanken wurden nicht notiert, um Eindruck zu machen, sondern weil sie sich weigerten, unausgesprochen zu bleiben.

Was Sie auf den folgenden Seiten lesen, ist keine gelehrte Abhandlung, kein Versuch, sich dem Zeitgeist zu beugen, und schon gar kein Ratgeber im gewöhnlichen Sinne. Vielmehr handelt es sich um eine Sammlung sorgfältiger Beobachtungen – entstanden nicht aus Geltungsdrang, sondern aus einer Mischung von Verwunderung, Ernst und stiller Neugier.

Diese Notizen, zunächst privat und unsystematisch, verdanken ihre heutige Gestalt einem Umstand, wie er sich nur selten ergibt: einem Moment der Klarheit inmitten all dessen, was die Gegenwart so eilig, so laut, so zersplittert erscheinen lässt. Es war mir eine Aufgabe von stiller Dringlichkeit, sie zusammenzutragen, zu ordnen – und, mit größtem Respekt, einem Publikum zugänglich zu machen, das bereit ist, zuzuhören.

Mr. Darcy urteilt nicht rasch. Doch er entzieht sich der Beliebigkeit. Er vergleicht nicht, um zu entwerten – sondern um zu erinnern. Er stellt Fragen, wo andere sich längst Antworten zurechtgelegt haben. Und wenn er spricht, dann mit jener Zurückhaltung, die nicht aus Unsicherheit erwächst, sondern aus Überlegung.

Dieses Buch will nichts beweisen. Es will nicht belehren, nicht um Zustimmung werben, nicht recht behalten. Es ist, in seinem Wesen, ein Angebot zur Betrachtung – aus einer Haltung heraus, die weder modisch noch antiquiert ist, sondern schlicht: eigenständig.

Denn manchmal, so scheint es mir, lässt sich die Gegenwart am deutlichsten erkennen, wenn man nicht vollständig in ihr aufgeht. Und mitunter ist es gerade der Abstand, der uns das Wesentliche deutlicher sehen lässt – vorausgesetzt, man wagt ihn.

KAPITEL1

Von Stolz und Vorurteil oder warum Menschen immer noch urteilen, bevor sie verstehen

„Ein vorschnelles Urteil ist wie ein schlecht geschlossener Mantel – es mag den Augenblick bedecken, doch es schützt nicht vor der Wahrheit.“ – F. Darcy

Es ist mir keineswegs entgangen, dass sich der Mensch in seiner Neigung zum vorschnellen Urteil über die Jahrhunderte hinweg kaum verändert hat. Zwar trägt er heute keine Halsbinde mehr, und er verfasst seine Meinungsäußerungen nicht mehr mit Feder auf Büttenpapier, sondern mit flüchtigen Fingern auf leuchtenden Geräten – doch das Bedürfnis, zu urteilen, bevor man versteht, ist offenbar ebenso zeitlos wie beständig.

In meiner Jugend galt es als Ausdruck von Anstand, sich im Urteil zurückzuhalten – zumindest dem Ton nach. Man sprach selten öffentlich scharf, doch wer zuhörte, verstand auch das Ungesagte. Selbst Kritik kleidete sich in wohlgesetzte Andeutungen – nicht, um zu täuschen, sondern um dem Urteil seine Schärfe zu nehmen, ohne es zu verlieren. Man sprach nicht weniger kritisch – aber mit Maß. Und oft sagte ein gehobener Augenbrauenbogen mehr als Worte der Entrüstung.

Heute hingegen, so scheint es, bedarf es keines Skandals mehr. Ein missverstandenes Wort, ein unglücklicher Gesichtsausdruck oder ein Zitat, aus dem Zusammenhang gerissen, genügt bereits, um eine öffentliche Abrechnung einzuleiten, die sich nicht über Jahre entfaltet, sondern binnen Stunden vollzieht – begleitet von einer Empörung, deren Inbrunst kaum im Verhältnis zur Tiefe des Anlasses steht. Die Tugend der Geduld ist aus der Mode geraten; man verwechselt sie nun mit Unentschlossenheit – vermutlich, weil sie sich nicht laut genug ankündigt.

Ich höre von sogenannten sozialen Medien, auf denen sich Menschen täglich, ja stündlich, mit einer Geschwindigkeit und Heftigkeit richten, die selbst Lady Catherine de Bourgh in Erstaunen versetzt hätte. Es ist eine Welt, in der der erste Eindruck alles ist – und der zweite höflich ausgeladen wird, bevor er überhaupt erscheinen darf. Man nennt dies, wie ich las, Cancel Culture. Ich nenne es: vorgefasste Meinung im Abendkleid der Moral.

Natürlich habe auch ich einst geurteilt – voreilig, manchmal ungerecht, nie böswillig, aber doch bestimmt. Doch ich hielt es für selbstverständlich, mein Urteil zu überdenken, sobald es von der Wirklichkeit widerlegt wurde. Und ich wäre nie auf den Gedanken gekommen, meine Meinung als öffentlich bedeutsam zu erachten. Der Wunsch, sich mitzuteilen, war meiner Jugend nicht fremd – doch er wurde durch Diskretion gezügelt. Heute hingegen scheint die Mitteilung selbst bereits als Tugend zu gelten – unabhängig von Inhalt oder Maß.

Früher galt es als Zeichen guter Erziehung, einen Skandal so lange zu ignorieren, bis er sich selbst erschöpfte. Heute scheint es als Untätigkeit zu gelten, nicht binnen Minuten ein Urteil zu veröffentlichen.

Was mich besonders erstaunt, ist die Geschwindigkeit, mit der heutzutage zwischen Empörung und Exkommunikation gewechselt wird. Ein Irrtum wird nicht als menschlich erkannt, sondern als Beleg für Schuld. Ein Missverständnis gilt nicht als Einladung zum Gespräch, sondern als Anlass zur Verwerfung. Man verwechselt Lautstärke mit Wahrhaftigkeit, Zustimmung mit Charakter – und Meinung mit Moral. Es ist ein trauriger Tauschhandel, bei dem alle verlieren – selbst die, die glauben, gewonnen zu haben.

Randnotiz: Der Ausdruck „Exkommunikation“ ist hier natürlich kein kirchlicher, sondern ein gesellschaftlicher Bann – schnell verhängt, selten hinterfragt. — T. M.

Doch ich will nicht ungerecht sein. Der Mensch, auch der moderne, ist lernfähig – wenn man ihn lässt. Ich selbst war es auch. Nicht aus Neigung zur Nachsicht, sondern aus der Erfahrung des Irrtums. Die Begegnung mit einer Frau, die klüger war als ich, hat mir gezeigt, dass man irren kann, ohne im Unrecht zu sein, und dass man sich ändern darf, ohne sich selbst zu verraten. Es ist eine der kostbarsten Erkenntnisse meines Lebens gewesen. Vielleicht wäre sie auch der heutigen Gesellschaft dienlich.

Denn wer nur verurteilt, lernt nichts. Und wer nichts lernt, bleibt – trotz aller Fortschritte, Plattformen und Parolen – im tiefsten Innern doch nur eines: ein Anfänger. Nur lauter.

Man mag sich täuschen, aber es gibt kaum eine größere Torheit, als das Urteil zu sprechen, bevor der Gedanke zu Ende gedacht ist.

Ich bin mir sicher, dass meine Frau zu alldem eine Anmerkung hätte – vermutlich klüger, bestimmt charmanter und höchstwahrscheinlich auf meine Kosten.

Ein Brief von Elizabeth Darcy an ihren Gatten – nicht abgeschickt, aber wohl überlegt verfasst

Mein liebster Fitzwilliam,

heute sah ich, wie Du zum dritten Mal in einer Stunde den Kopf über das Zeitungsblatt geschüttelt hast. Dein Stirnrunzeln war so eindrucksvoll, dass selbst der Gärtner sich verstohlen bekreuzigte. Ich weiß, Du würdest nie laut sagen, was Dich empört – aber Deine linke Augenbraue verrät alles.

Du sagtest kürzlich, die Welt urteile zu rasch. Ich stimme Dir zu. Und doch scheint es mir, dass Du manchmal ebenso schnell zu dem Schluss gelangst, dass alle zu schnell urteilen. Es ist eine feine Ironie, nicht wahr?

Ich erinnere mich noch sehr gut an Deine ersten Worte an mich – unausgesprochen, aber dennoch unüberhörbar: „Nicht hübsch genug, um zu gefallen.“ Ich war, so nehme ich an, nicht ganz nach Deinem Geschmack – bis ich zu widersprechen begann. Und doch, wie selten ist es, dass man einem Menschen begegnet, der fähig ist, sein Urteil zu revidieren. In dieser Hinsicht bist Du außergewöhnlich – und, wie Du weißt, gelegentlich so gründlich dabei, dass andere es für Zögern halten.

Wir alle urteilen, lieber Freund. Es ist der Preis unserer Intelligenz. Nur wenige sind bereit, ihr Urteil zu prüfen, noch weniger, es zu ändern. Ich glaube, darin liegt der eigentliche Stolz – nicht im Festhalten, sondern im Loslassen können.

Was mich betrifft: Ich finde es tröstlich, dass Du heute über Dinge die Stirn runzelst, über die Du früher geschwiegen hättest. Es zeigt mir, dass Du nicht nur aufmerksam bleibst, sondern auch empfindsam. Und vielleicht auch ein wenig verständiger.

In Liebe, Elizabeth

Anmerkung von Elizabeth: Mr. Darcy hatte diesen Abschnitt zunächst in einer Schärfe verfasst, die Mr. Collins wohl in Ohnmacht versetzt hätte. Ich bat um Mäßigung, woraufhin er mit einem Blick reagierte, der mich an unsere erste Begegnung erinnerte. Jane hätte vermutlich gesagt: „Manche Wahrheiten schmecken milder, wenn man sie mit Zucker serviert.“

KAPITEL2

Die Liebe in Zeiten der Dating-Apps oder wie man sich in einer Welt verliebt, die Geduld und Treue längst verlernt hat

„Es gibt Gefühle, die wachsen im Stillen – und welken im Licht der öffentlichen Erklärung. Die Liebe ist zweifellos eines davon.“ – F. Darcy

Es gibt Themen, zu denen ich mich nur mit größter Zurückhaltung äußere. Die Liebe gehört zweifellos dazu – nicht aus Scheu, sondern aus dem Wissen, dass sie im Schutz des Privaten ihre größte Kraft behält. Und doch – in einer Welt, in der man mit einer beiläufigen Fingerbewegung über das Schicksal eines zukünftigen Gatten entscheidet –, scheint mir ein besonnener Kommentar nicht unangebracht.