Mr. President – Liebe ist alles - Katy Evans - E-Book

Mr. President – Liebe ist alles E-Book

Katy Evans

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Beschreibung

Er ist der mächtigste Mann der Welt. Doch sein Herz regiert nur sie.

Charlotte Wells weiß, dass ihre Liebe zu Matthew Hamilton hoffnungslos ist. Er ist der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika. Sie hingegen eine gewöhnliche junge Frau, die sich nichts sehnlicher wünscht als ein normales Leben - fernab von Politik, Medien und Rampenlicht. Doch gerade jetzt braucht Matt Charlotte mehr als je zuvor. Und er macht ihr ein Angebot, dass sie nicht abschlagen kann - auch wenn dadurch die Zukunft einer ganzen Nation ins Wanken geraten könnte ...

"Skandale, Leidenschaft und eine wunderschöne Liebesgeschichte. Dieser Roman lässt einen nicht mehr los!" Audrey Carlan, Spiegel-Bestseller-Autorin

Abschlussband der Liebesromanreihe um den Präsidenten, der Leserherzen im Sturm erobern wird, von New-York-Times- und USA-Today-Bestseller-Autorin Katy Evans.


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Seitenzahl: 369

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Inhalt

TitelZu diesem Buch123456789101112131415161718192021222324252627282930313233343536373839404142434445Liebe Leser*Innen,DanksagungDie AutorinDie Romane von Katy Evans bei LYXNotizenImpressum

KATY EVANS

Mr. President

Liebe ist alles

Roman

Ins Deutsche übertragen vonSabine Neumann und Nina Restemeier

Zu diesem Buch

Charlotte Wells weiß, dass ihre Liebe zu Matthew Hamilton hoffnungslos ist. Er ist der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika. Sie hingegen eine gewöhnliche junge Frau, die sich nichts sehnlicher wünscht als ein normales Leben – fernab von Politik, Medien und Rampenlicht. Trotzdem ist sie für seinen Amtsantritt zurück nach Washington gekommen. Als hätte sie gespürt, dass Matt sie gerade jetzt mehr braucht als je zuvor. Ihr nach ihrer Trennung nicht auf der Stelle nach Europa nachzureisen hatte ihn unmenschliche Kraft gekostet. Und als er ihr auf dem Eröffnungsball das erste Mal wieder gegenübersteht, weiß er augenblicklich: Er will sie immer noch. Er will sie in seinem Leben und ist fest entschlossen, alles dafür zu tun, dass sie wieder ihm gehört. Ihr Körper. Ihre Seele. Ihr Herz. Matt macht Charlotte ein Angebot, das so gewagt wie hoffnungsvoll ist. Und Charlotte muss sich fragen, ob sie nicht doch – entgegen aller Vernunft – genau dorthin gehört: Als First Lady an die Seite des mächtigsten Mannes der Welt!

Ich schwöre feierlich, dass ich das Amt des Präsidenten der Vereinigten Staaten getreulich ausüben und die Verfassung der Vereinigten Staaten nach besten Kräften bewahren, schützen und verteidigen werde.

1

VEREIDIGUNG

Matt

Ich ziehe einen schwarzen Anzug an. Binde mir die Krawatte. Schließe die Manschettenknöpfe. Und trete aus dem Wohnzimmer von Blair House, dem Gästehaus des Präsidenten, um den Offizier der Militärabteilung des Weißen Hauses zu treffen, der mir die streng geheimen Codes für den Fall eines Atomangriffs aushändigen soll. Bei ihm ist ein Adjutant mit dem Atomkoffer, der an mich übergeben wird – von heute Mittag, zwölf Uhr an, wird er für die nächsten vier Jahre mein Schatten sein.

»Es ist mir eine Freude, Mr President-Elect«, versichert mir der Schatten.

»Ganz meinerseits.« Ich gebe ihm die Hand, dann dem Offizier, die Atomcodes werden übergeben, und die beiden verabschieden sich wieder.

Üblicherweise richtet der scheidende Präsident für den designierten Präsidenten am Tag der Vereidigung einen Brunch aus. Bei Jacobs und mir ist das nicht der Fall. Ich greife nach meinem langen, schwarzen Mantel, schlüpfe in die Ärmel und nicke Wilson an der Tür zu.

Es erschien mir passend, heute meinen Vater zu besuchen. An dem Tag, an dem ich zum sechsundvierzigsten Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika ernannt werde.

Mein Vater liegt als einer von drei Präsidenten auf dem Arlington National Cemetery begraben. Der Wind ist eisig und peitscht mir den Wollstoff meines Mantels um die Beine. Als ich mich dem Grab meines Vaters nähere, weiß ich, dass die Stille gleich von den einundzwanzig Salutschüssen während der Wachablösung am Grab des Unbekannten Soldaten zerrissen werden wird.

Ich knie vor dem Grab nieder, lese die Inschrift auf dem Grabstein: Lawrence »Law« Hamilton, Präsident, Ehemann, Vater, Sohn.

Er starb vor langer Zeit unter tragischen Umständen. Ich habe es nie vergessen, und es hat mich geprägt.

»Ich lege heute den Eid ab.« Ein schwerer Stein liegt mir auf der Brust, wenn ich daran denke, wie gern er das erlebt hätte. »Dad, ich verspreche dir, ich werde für Wahrheit und Gerechtigkeit kämpfen, für die Freiheit und Chancen für alle. Und ich werde herausfinden, wer dir das angetan hat.«

Ich erinnere mich noch lebhaft an jenen Tag: die leblosen Augen meines Vaters. Wilson, der sich schützend über mich geworfen hatte, während ich versuchte, mich loszureißen und zu meinem Vater zu rennen. Das Letzte, was er zu mir gesagt hatte, war, ich sei zu stur. Er wollte immer, dass ich auch in die Politik ging. Ich hingegen hatte immer darauf bestanden, meinem eigenen Weg zu folgen.

Es dauerte fast ein Jahrzehnt, bis ich das Bedürfnis nach dem verspürte, was sich mein Vater immer für mich erhofft hatte.

Ich freue mich, dass ich heute mit Neuigkeiten zu ihm komme, die ihn zu einem stolzen Vater machen würden.

Manchmal habe ich den Eindruck, als redete ich hier mehr mit meinem Vater als damals, während unserer letzten Jahre im Weißen Haus.

»Mutter geht es gut. Sie vermisst dich. Seit jenem Tag ist sie nicht mehr die Alte. Das, was passiert ist, verfolgt sie. Und dass derjenige, der dir das angetan hat, immer noch frei herumläuft. Ich glaube, sie trauert um die Zeit, in der sie eure Ehe retten wollte. Sie hat immer gehofft, sobald wir aus dem Weißen Haus auszögen, bekäme sie ihren Ehemann zurück. Tja, wir wissen beide, dass es dazu nicht kam.«

Ich schüttele traurig den Kopf und bemerke die gefrorenen Blumen am Fuß des Grabes.

»Wie ich sehe, hat sie dich auch besucht.«

Wieder einmal verspüre ich den Beschützerinstinkt eines Sohnes, der nicht möchte, dass seine Mutter verletzt wird.

Ich denke daran, wie mein Vater zu mir zu sagen pflegte: Du bist zu Großem bestimmt. Betrüge die Welt nicht um dich. Und heute, von allen Tagen, seit er fort ist, vermisse ich ihn am meisten.

»Ich habe ein wunderbares Mädchen kennengelernt. Bei meinem letzten Besuch habe ich dir von ihr erzählt, weißt du noch? Ich habe sie gehen lassen. Ich habe die Frau, die ich liebe, gehen lassen, weil sie nicht das Gleiche durchmachen soll wie Mutter. Aber ich habe festgestellt, dass ich das hier ohne sie nicht schaffe. Dass ich sie brauche. Dass sie mir Kraft gibt. Ich will sie nicht verletzen, falls ich auch hier enden sollte – ich will nicht, dass sie jede Nacht weint, weil ich nicht mehr bei ihr bin, so wie Mutter so viele Nächte geweint hat. Oder dass sie weint, weil ich irgendwo im Land unterwegs bin, während sie mich braucht. Aber ich kann sie nicht aufgeben. Ich bin verdammt egoistisch, aber ich kann sie nicht aufgeben.«

Frustration schwelt in mir, und schließlich gestehe ich: »Ich werde da hinausgehen und meinen Eid ablegen, und ich werde mich mit Leib und Seele diesem Land widmen. Ich werde das tun, wozu du nicht mehr die Gelegenheit hattest, und tausend andere Dinge, die getan werden müssen. Und ich werde sie zurückgewinnen. Ich werde dich stolz machen.«

Ich stehe auf und klopfe mit den Fingerknöcheln auf den Grabstein. Dann werfe ich einen Blick zu Wilson hinüber, und der nickt dem Rest meiner Bodyguards zu.

Wir gehen zurück zu den Autos, und bevor ich einsteige, halte ich inne und sehe Wilson an.

»Ich habe nach ihr geforscht, wie du mich gebeten hast«, sagt er.

Ich atme die kalte Luft ein, schüttele den Kopf und vergrabe die Hände in den Taschen meines Mantels.

Sie ist der einzige, unnachgiebige Gedanke in meinem Kopf, das Ziehen in meiner Brust. Die einzige Sie, die es in meinem Leben je gegeben hat.

Nach dem Wahltag ist sie nach Europa aufgebrochen. Das weiß ich, weil ich sie besucht habe, nachdem die Wahlergebnisse offiziell bestätigt waren. Ich habe sie geküsst. Sie hat mich geküsst. Ich sagte ihr, ich brauche sie im Weißen Haus. Sie erwiderte, sie werde mit ihrer besten Freundin Kayla für ein paar Monate nach Europa fahren. »Es ist besser so«, sagte sie. »Ich werde mir eine neue Handynummer zulegen. Ich glaube … es ist besser so.«

Es hat mich unmenschliche Kraft gekostet, ihr nicht nachzureisen. Mich von ihr fernzuhalten. Sie änderte ihre Handynummer. Ich fand sie heraus. Versuchte, sie nicht anzurufen. Es gelang mir nur mit Mühe. Aber ich setzte meine Mitarbeiter darauf an, herauszufinden, wann sie in die USA zurückkehren würde.

Sie will über dich hinwegkommen, Hamilton. Das solltest du respektieren.

Das weiß ich, aber ich kann sie nicht aufgeben. Zwei Monate ohne sie sind zwei Monate zu viel.

Und es reicht mir.

»Was hast du herausgefunden?«

»Sie ist von ihrer Reise zurück und hat für einen der Bälle heute Abend zugesagt.«

Sie ist pünktlich zu meinem Amtsantritt aus Europa zurückgekehrt.

Mir liegt ein Stein auf der Brust. Ich habe mich von ihr ferngehalten, aber mit jeder Faser meines Körpers wünsche ich mir, sie zu sehen.

Heute Abend werde ich die Schlüssel zur Welt haben, aber vom Schlüssel zum Herzen der Frau, die ich liebe, habe ich mich abgewandt.

Wie könnte ich darauf stolz sein? An jenem Tag hat sie eine Träne vergossen. Eine einzige. Um mich.

»Gut. Bring mich heute Abend dorthin.«

Ich setze mich auf die Rückbank, der Secret Service ist direkt hinter uns, und ich trommele angespannt mit den Fingern auf mein Bein. Bei der Aussicht, sie heute Abend zu sehen, rauscht mir das Blut in den Adern. Ich stelle sie mir vor, mit ihren roten Haaren und blauen Augen, wie sie ihren neuen Präsidenten begrüßt.

Charlotte

Heute ist ein historischer Tag.

Matthew Hamilton, der jüngste Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika.

Ich befinde mich in einer Menschenmenge von Hunderttausenden, die sich vor dem Kapitol versammelt haben. Ich habe eine Einladung für einen Tribünenplatz für mich und eine Begleitung erhalten, also habe ich Kayla mitgebracht. Angespannt sitze ich auf meinem Platz. Matt wird mir hier so viel näher sein als der Menge da unten.

Sie haben die National Mall für die Zuschauer aus der Bevölkerung geöffnet – seit der Vereidigung seines Vaters ist das nicht mehr vorgekommen. Erst jetzt wieder. Das Land ist einfach zu begeistert von diesem Wahlergebnis, zu begierig, ihn zu feiern, um fernzubleiben.

Ein Kinderchor singt »America the Beautiful«, und ich habe meine Nerven und Gefühle kaum mehr im Griff. Danach stimmt das Musikkorps der U. S. Marine ein fröhliches, patriotisches Stück an.

Trompeten schmettern.

Aus den Lautsprechern hören wir, wie der Moderator den scheidenden Präsidenten, dessen Frau und weitere Mitglieder der Regierung ankündigt. Applaus brandet in der Menge auf, während die Gäste ihre Plätze einnehmen. Nach weiteren hochrangigen Namen verkündet der Moderator schließlich unter dem tosenden Jubel der Menge: »Meine Damen und Herren, der designierte Präsident der Vereinigten Staaten, MATTHEW HAMILTON!«

Okay, atmen.

ATME, CHARLOTTE!

Aber es fühlt sich an, als wäre ein unsichtbares Tau um meine Luftröhre geschlungen, als Matt über den blauen Teppich zum Podium schreitet und die Menge aus vollem Halse »HAMILTON! HAMILTON! HAMILTON!« skandiert.

Er begrüßt die Kabinettsmitglieder und seine Mutter mit Handschlag. Seine Mutter sitzt links vom Mikrofon, und nachdem er die Menge lächelnd und winkend begrüßt hat, lässt er sich neben ihr nieder.

Ich ringe meine eisigen Finger, meine Augen sehnen sich so sehr nach ihm, dass sie schmerzen.

Er wirkt so beeindruckend auf seinem Platz, als der designierte Vizepräsident Louis Frederickson aus New York seinen Amtseid ablegt.

Matt sieht genauso aus, wie ich ihn in Erinnerung hatte. Vielleicht sind seine Haare ein bisschen länger geworden. Sein Gesichtsausdruck ist ruhig und besonnen. Ich sehe, wie er sich zu seiner Mutter hinüberlehnt, als sie etwas zu ihm sagt. Für einen kurzen Augenblick runzelt er die Stirn, doch dann breitet sich ein Lächeln auf seinen Lippen aus, und er nickt.

Schmetterlinge.

Fiese, gemeine kleine Schmetterlinge flattern in meinem Innersten herum. Ich atme tief ein und blicke hinunter auf meinen Schoß, auf meine geröteten, kalten Finger.

Es ist eiskalt, aber als Matt aufgerufen wird und plötzlich seine tiefe Baritonstimme aus den Lautsprechern schallt, wärmt sie mich auf wie ein Teller meiner Lieblingssuppe. Wie flüssiges Feuer in meinen Adern. Wie eine warme Decke, die sich um mein Herz legt.

Ich hebe den Kopf. Er steht auf dem Podium. Ruhig und aufrecht, in einem schwarzen Mantel, einem maßgeschneiderten Anzug und einer roten Krawatte. Seine pechschwarzen Haare wehen im Wind, sein Blick ist ernst, als er eine Hand auf die Bibel legt und die andere zum Schwur erhebt.

»Ich, Matthew Hamilton, schwöre feierlich, dass ich das Amt des Präsidenten der Vereinigten Staaten getreulich ausüben und die Verfassung der Vereinigten Staaten nach besten Kräften bewahren, schützen und verteidigen werde.« »Meinen Glückwunsch, Mr President«, sagt der Moderator.

Mir schwirrt der Kopf.

Heilige.

SCHEISSE.

Matt ist jetzt der Präsident der Vereinigten Staaten.

Jubel brandet auf wie eine Welle, die uns überflutet. Die Menschen springen auf. Alle klatschen und schwelgen in Euphorie, als das Land sein neues Staatsoberhaupt willkommen heißt.

Ich zucke unter den einundzwanzig Salutschüssen zusammen – einer nach dem anderen.

Fanfarenstöße.

Die Menge schwenkt kleine Amerikaflaggen.

Menschen weinen.

Das Orchester spielt, lauter und lauter schallt die Musik über das Kapitol und die National Mall.

Währenddessen grüßt Matt die Menge. Sein Lächeln ist das Blendendste, was ich jemals gesehen habe. Er lässt den Blick über die hunderttausend Menschen hier wandern. Menschen, die ihn seit Jahrzehnten lieben, seit er der Sohn ihres Präsidenten war. Und jetzt ist er selbst ihr Präsident.

Der jüngste, heißeste Präsident der Welt.

Die Menschen in der Menge schwenken weiter ihre Fähnchen.

Als die Salutschüsse verklungen sind, beugt sich der Moderator zum Mikrofon und sagt: »Es ist mir eine große Ehre, Ihnen den sechsundvierzigsten Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika vorzustellen: Matthew Hamilton.«

Er tritt ans Mikrofon, stützt sich mit den Händen am Pult ab, beugt sich vor, und seine Stimme erklingt tief und kräftig. Allein der Klang geht mir durch und durch. Weckt Wehmut und eine Welle der Erregung in mir.

»Vielen Dank. Verehrte Mitbürgerinnen und Mitbürger … Vizepräsident Frederickson«, beginnt er. »Ich stehe heute hier vor Ihnen, demütig und ehrfürchtig angesichts der wahren Veränderungen, die wir in diesem Land bewirken können, wenn wir alle gemeinsam dazu beitragen, sie in Gang zu setzen.« Applaus unterbricht ihn, und er hält inne. »Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, ich danke Ihnen für Ihr Vertrauen.« Er nickt ernst, blickt in die eine Richtung, dann in die andere, der Stoff seines Mantels spannt über seinen kräftigen Schultern.

»In unserem Land kämpfen wir für Wahrheit und Gerechtigkeit.« Pause. »Wir kämpfen für die Freiheit. Für das Richtige.« Pause. »Wir kämpfen dafür, und wir sterben dafür. Und wenn wir Glück haben, sterben wir mit Freiheit und Gerechtigkeit an unserer Seite …« Pause.

»In diesen Zeiten dürfen wir nicht einfach tatenlos zusehen und das Beste hoffen. In diesen Zeiten müssen wir unser Bestes geben, für unser Land. Amerika wurde auf dem Grundsatz der Freiheit gegründet und steht für das Versprechen von Einheit, Frieden, Gerechtigkeit und Wahrheit. Nur indem wir bewahren und ehren, wer wir sind, können wir dem innersten Kern dessen gerecht werden, wofür wir stehen. Und wofür wir auch in Zukunft stehen werden. Wir sind ein Leuchtfeuer für Länder auf der ganzen Welt. Das Land der Freiheit. Die Heimat der Tapferen. Lassen Sie uns unser ganzes Potenzial entfalten und dafür sorgen, dass wir das, wofür unsere Vorfahren gekämpft haben, auch in Zukunft genießen können – und nicht nur wir, sondern auch die Generationen nach uns. Sie wollten einen Präsidenten, der Sie mutig in dieses neue Zeitalter führt. Mit Überzeugung. Und mit dem Drang, Dinge zu erledigen. Verehrte Mitbürger.« Pause. »ICH WERDE SIE NICHT ENTTÄUSCHEN!«

Ein Tosen geht durch die Menge. HAMILTON rufen sie. HAMILTON ist der Mann der Stunde. Des Jahres. Ihres Lebens. Er lächelt angesichts dieser herzlichen Begrüßung und beendet seine Rede mit einem tiefen, rauen: »Gott segne Sie. Und Gott segne die Vereinigten Staaten von Amerika.«

Ein warmes Glühen durchströmt mich und eine stachelige Kugel bleibt mir mitten im Hals stecken.

Die Nationalhymne wird angestimmt, und als der Klang der singenden Menschen über dem Kapitol und in den Häusern auf der ganzen Welt erschallt, lege ich mir die Hand aufs Herz und versuche, den Text der Hymne herauszubringen, doch das lindert den tiefen, ungewohnten Schmerz in meiner Brust nicht. Es ist einfach ein zu bewegender Tag für mich.

Nicht nur als Bürgerin, sondern auch als Mensch. Dieser Tag spiegelt die Tiefe meiner Gefühle für den neuen Präsidenten.

Und diese Gefühle sind endlos,

unendlich,

ewig.

Das ist es, was er wollte. Was wir wollten. Das ganze Land. Dies ist der erste Tag der zukünftigen Veränderungen – und ich verspüre den brennenden Wunsch, nur einen winzigen Augenblick lang mit Matt sprechen zu können. Ihm zu sagen, wie stolz ich auf ihn bin. Wie weh es mir tut, ihn nicht zu haben, aber wie sicher ich mich fühle, weil ich weiß, dass er sich für unsere Interessen einsetzt.

Ich sitze mitten in der Menge, meine Augen brennen, als die Gefühle in meiner Brust aufwallen. Wir beenden die Hymne.

»Na, komm, machen wir dich für den Eröffnungsball hübsch«, sagt Kayla, hakt sich bei mir unter und will mich mit sich ziehen.

Ein wenig widerstrebend stehe ich auf. Meine Beine fühlen sich bleiern an, als wollte ich nicht in diese Richtung gehen – sondern stattdessen in die Richtung, wo Matthew sich von den Umstehenden verabschiedet und über das Podium geht, um das Gelände zu verlassen.

Ich sehe, wie er auf der obersten Stufe der mit blauem Teppich ausgelegten Treppe innehält.

Er wendet den Kopf und lässt seinen suchenden Blick über die Menge schweifen.

Ich halte den Atem an, dann schüttle ich den Kopf.

Er sucht nicht nach dir, Charlotte. Du kannst ruhig atmen.

Ich seufze und reibe mir die Schläfen, während wir darauf warten, dass die Wagenkolonne die Pennsylvania Avenue hinunterfährt. »Ich weiß nicht, ob ich überhaupt hingehen soll.«

»Komm schon.« Kayla stößt mich an und wirft mir einen fragenden Blick zu. »Wir sind nur rechtzeitig zur Amtseinführung zurückgekommen, weil du unbedingt dabei sein wolltest. Du kannst die Einladung zum Eröffnungsball nicht ablehnen.«

Ich lasse Matthew nicht aus den Augen.

Matthew

Hamilton.

Meine große Liebe.

Ich erinnere mich daran, wie er sich anhört, wenn er mich liebt, wie ihm der Atem stockt, wie sein Blick sich verdunkelt. Ich erinnere mich daran, wie sein Schweiß schmeckt, wenn er in mir ist, wie ich ihn küsse und lecke und mehr will, ihn will, alles will, was er geben kann.

Intime Momente.

Momente zwischen einem Mann und einer Frau.

Sie scheinen eine Ewigkeit her zu sein, doch ich kann sie nicht vergessen, weil es unsere Momente waren. Ich klammere mich daran, weil ich sie niemals vergessen will. Wenn ich den Mann – den Präsidenten – sehe, möchte ich mich erinnern, wie sich seine Brust unter seiner Krawatte und seinem Anzug anfühlt, an all die Kraft in seinen Muskeln. Ich möchte mich an seine Größe erinnern, wenn er mit mir zusammen war, so groß wie der Name, den er jetzt trägt, und ich möchte mich daran erinnern, wie es sich anfühlte, wenn er in mir kam. Ich möchte niemals vergessen, wie zärtlich seine Stimme klang, im Dunkeln, wenn uns niemand sehen konnte.

Ich möchte nicht vergessen, dass für eine kurze Zeit Matt Hamilton – der sechsundvierzigste Präsident der Vereinigten Staaten – mir gehört hat.

Ich fahre nach Hause, dusche, föhne mir die Haare und mache mich für heute Abend hübsch.

Die letzten zwei Monate bin ich mit Kayla durch Europa gereist. Es war eiskalt, und wir haben mehr Zeit im Hotel als unterwegs verbracht, aber das war mir egal. Hauptsache, ich war nicht in Amerika, dem Land, das ich liebe, in der Nähe des Mannes, den ich liebe – einfach weil ich Abstand brauchte.

Ich wollte nicht in die Versuchung geraten, ihn anzurufen. Ich hatte Angst, dass ich ihn zu Hause auf jeder Titelseite sehen, dass die Luft in Washington nach ihm riechen würde. Dass ich ihm zufällig über den Weg laufen oder mich jeder Ort an ihn erinnern würde, sodass mir keine Luft zum Atmen bliebe.

Europa tat mir gut, es half mir, zu mir selbst zu finden, und doch konnte ich es kaum erwarten, wieder nach Hause zu kommen. Ich hätte es nicht ertragen, bei Matts Vereidigung nicht dabei zu sein.

Ich habe Kayla erzählt, dass ich mich in ihn verliebt habe. Aber mehr habe ich ihr nicht verraten. Sie drängte, aber ich gab nicht nach. Ich verstehe jetzt, dass ein hochrangiger Politiker wie Matt niemandem vertrauen kann, nicht einmal den Personen, die ihm am nächsten stehen. Ich hatte Angst, Kayla könnte irgendwann, wenn zu viel Alkohol geflossen ist, etwas von der Affäre ausplaudern. Also schwieg ich und behielt es ganz allein für mich, auch wenn Kayla mir immer wieder einzureden versuchte, das sei nur eine Schwärmerei, und in Paris, der Stadt der Liebe, würde ich schon darüber hinwegkommen.

Kam ich nicht.

Mein Herz schmerzt immer noch, ganz egal, wie sehr ich es dazu zwingen will, stark zu bleiben.

Oh, Gott.

Wie soll ich es aushalten, ihm heute Abend in die Augen zu sehen?

Er wird mich sofort durchschauen.

Weil heute Abend zahlreiche Bälle stattfinden, hoffe ich, dass er dem, den ich besuche, nur eine kurze Stippvisite abstattet. Dass wir einander nur kurz Hallo sagen, und er dann weiter muss, um die Hände all derer zu schütteln, die ihren neuen Präsidenten begrüßen wollen.

Dennoch kleide ich mich genauso sorgfältig wie eine Braut am Tag ihrer Hochzeit.

Nachher sehe ich den Mann, den ich liebe, und es könnte das letzte Mal sein. Das Mädchen in mir will, dass er sich immer daran erinnert, wie atemberaubend ich heute Abend ausgesehen habe.

So begehrenswert, wie er mich früher gefunden hat.

Ich kämme mir die roten Haare und lasse sie mir über die Schultern fallen. Ich entscheide mich für ein trägerloses blaues Kleid, das zu meinen Augen passt, und schminke mir die Lippen in einem dunklen Rotton. Dann rufe ich meine Mutter an und frage sie, ob ich mir Großmutters Pelzmantel ausleihen darf. Ich habe mir im ganzen Leben noch keinen Pelz gekauft, wegen der Tierquälerei, aber dieser Mantel hat einen sentimentalen Wert für mich, und draußen ist es bitterkalt.

Meine Eltern gehen zu einem anderen Ball als ich. »Du solltest wirklich mit uns kommen«, schlägt meine Mutter vor.

»Ich gehe mit Alison – sie ist die neue offizielle Fotografin des Weißen Hauses, und sie muss den Augenblick festhalten.«

»Oh, verstehe. Charlotte?«

»Ja?«

»Bist du wirklich bereit dafür?«

Ich weiß, was sie damit sagen will. Sie weiß, dass zwischen Matthew und mir etwas war, obwohl ich ihr keine Einzelheiten erzählt habe. Sie weiß, dass ich mich verliebt habe – und eine Tochter, die in den heißen, jungen Präsidenten verliebt ist, wäre für jede Mutter ein Grund zu Sorge.

Vor lauter Gefühlen fällt mir das Sprechen schwer, also nicke ich. Doch dann fällt mir auf, dass meine Mutter mich nicht sehen kann. »Ja.«

Ich weiß, dass es nicht leicht werden wird. Aber ich muss ihn heute sehen. Er soll wissen, dass es mir gut geht, dass ich stolz auf ihn bin. Dass ich nach vorn blicke, und dass er das auch tun soll.

2

ERÖFFNUNGSBALL

Matt

»Präsident Hamilton. Mr President.«

Ich drehe mich zu dem Mann um, der versucht, meine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Ich bin bei dem offiziellen Mittagessen, aber meine verdammten Gedanken schweifen immer wieder zum heutigen Abend ab.

»Entschuldigen Sie. Es war jetzt schon ein langer Tag.« Ich grinse und fahre mir mit der Hand durch das Haar, während ich mich zu dem Mehrheitsführer des Senats hinüberbeuge.

Es ist wirklich unglaublich, dass wir uns niemals eine Pause gönnen. Selbst auf gesellschaftlichen Veranstaltungen geht es immer nur um Politik.

Ich versuche, mit so vielen Leuten wie möglich zu reden und mir ein Bild von ihren Meinungen zu machen. Es ist in meinem eigenen Interesse und in dem des Landes, dass meine Vorstellungen von Veränderung und Fortschritt mit denen von Kongress und Senat auf einer Linie sind. Ob das so einfach ist, wird sich zeigen.

»Ich habe gefragt, ob der erste Gesetzesentwurf auf Ihrer Agenda das Gesetz zu den erneuerbaren Energien sein wird?«

»Das gehört auf jeden Fall zu meinen Prioritäten, wenn auch nicht unbedingt an erster Stelle«, ist alles, was ich ihm dazu im Augenblick sage.

Alles zu seiner Zeit, alter Mann. Alles zu seiner Zeit.

Ich bin erleichtert, als wir zur Parade auf der Pennsylvania Avenue aufbrechen. Umgeben von schwarzen Staatskarossen mache ich mich flankiert von meiner Mutter und meinem Großvater auf den Weg zur berühmtesten Adresse des Landes. Mehrere Hunderttausend Menschen säumen die Straßen, um der Parade beizuwohnen. US-Flaggen flattern im Wind.

Es ist eine Ehre, derjenige zu sein, der sich auf den Weg zum Weißen Haus macht.

Großvater marschiert wie ein stolzer König neben mir her und grinst dabei von einem Ohr zum anderen. »Ich bin stolz auf dich, Junge. Jetzt musst du mit den Parteien auf einen gemeinsamen Nenner kommen, sonst kannst du nichts bewirken.«

Mein Großvater ist nicht unbedingt mein Held, aber ich weiß, wann es sich lohnt, ihm zuzuhören. Und wann ich ihn besser ignoriere. »Die Parteien werden auf einen gemeinsamen Nenner mit mir kommen.« Ich winke der Menge zu.

Zu meiner Rechten hüllt sich meine Mutter in Schweigen.

»Im Weißen Haus ist immer ein Zimmer für dich frei«, sage ich zu ihr und drücke ihre Hand.

»Oh nein.« Sie lacht und sieht einen flüchtigen, glücklichen Augenblick lang wieder aus wie ein junges Mädchen. »Sieben Jahre reichen mir.«

Ich lasse ihre Hand los, damit wir beide wieder der Menge zuwinken können. Ich bin mir sicher, dass sie sich gerade an eine ähnliche Situation vor zehn Jahren erinnert. Nicht nur an jenen Tag, an dem sie zum ersten Mal mit meinem Vater Teil dieser Parade war. Sondern an den Tag, an dem er starb … und an die Wagenkolonne, die seinem Sarg folgte.

»Außerdem habe ich so ein Gefühl, dass es sowieso bald belegt sein wird«, fügt sie hinzu.

Ich brauche einen Moment, bis ich kapiere, dass sie ihr Zimmer im Weißen Haus meint. »Warum sagst du das?«

»Weil ich dich kenne. Du wirst dieses Mädchen nicht gehen lassen. Du hast sie längst noch nicht gehen lassen. Ich habe dich noch nie so … traurig gesehen, Matt. Trotz deines Sieges.«

Ich bin so überwältigt davon, wie gut sie mich kennt, dass mir keine Antwort einfällt. Sie weiß, dass es mich meine gesamte Selbstbeherrschung gekostet hat, Charlotte nicht anzurufen. Dass ich mir monatelang eingeredet habe, es sei das Beste so, ich könne nicht alles haben, würde scheitern, wenn ich es versuche. Aber ich kaufe mir das selbst nicht ab. Ich will mein Mädchen und ich werde sie bekommen.

»Sie ist das Licht für mich. Sie kann übers Wasser gehen«, erzähle ich meiner Mutter.

Wir erreichen das Weiße Haus.

Das Tor öffnet sich. Der rote Teppich ist ausgerollt. Mein Hund Jack, der heute Vormittag hergebracht wurde, springt die Treppe herunter, um uns zu begrüßen.

Meine Mutter sieht aus wie aus dem Ei gepellt. Man könnte meinen, sie freue sich wahnsinnig, dass ich zurück im Weißen Haus bin. Ein Teil von ihr tut das vielleicht auch. Aber ich weiß, dass ein anderer Teil eine Riesenangst hat, ich könne genauso enden wie mein Vater.

Wir folgen dem roten Teppich die Stufen zum North-Portico-Eingang hinauf.

»Mr President«, begrüßt mich der Chef des Servicepersonals. »Willkommen in Ihrem neuen Zuhause.«

»Danke, Tom. Ich würde morgen gerne das Personal kennenlernen. Helfen Sie mir, das zu organisieren.«

»Ja, Sir, Mr President.«

»Tom«, höre ich meine Mutter sagen, während sie ihn umarmt.

Hinter Jack treten wir durch die weit geöffnete Vordertür.

»Mr President, Sir«, verkündet einer der Serviceangestellten. »Es steht ein Buffet für Sie und Ihre Gäste im Old Family Dining Room bereit, während Sie sich auf die Bälle heute Abend vorbereiten.«

»Vielen Dank. Schön Sie kennenzulernen …?«

»Charles.«

»Sehr erfreut, Charles.« Ich schüttle dem Mann die Hand und mache mich auf den Weg in den Westflügel, wo meine Assistentin Portia bereits dabei ist, ihren Schreibtisch vor dem Oval Office einzurichten.

»Wie geht’s, Portia?«

»Uff«, schnauft sie. »Geht so. Dieses Haus ist gigantisch. Ihr Stabschef, Dale Coin, sagte, ich könne mich immer an das Servicepersonal wenden, wenn ich Hilfe brauche.«

»Gut. Tun Sie das.«

Mit Jack auf den Fersen betrete ich das Oval Office.

Ich habe dafür gesorgt, dass der Schreibtisch meines Vaters wieder aufgestellt wird. Wir hatten ihn damals eingelagert. Während ich zum Tisch hinübergehe, werfe ich einen Blick auf das Wappen des Präsidenten auf dem Teppich unter meinen Füßen. Ich streiche mit den Fingern über das Holz. Hinter mir hängt die US-Flagge. Daneben die Flagge mit dem offiziellen Dienstsiegel und Hoheitszeichen der Vereinigten Staaten. Ich klopfe auf den Tisch, setze mich und widme mich den Dokumenten, die man mir bereitgelegt hat. Jack schnüffelt jede Ecke und jede Nische des Raums gründlich ab, während ich die Seiten durchblättere.

Ab heute bin ich eingeweiht in vertrauliche Informationen – Abkommen mit anderen Ländern, Hochsicherheitsrisiken, Aufgaben der CIA und des FBI, die wie gehabt weiterlaufen, solange ich keine anderen Anweisungen gebe. Geheimdienstberichte zur Lage in China. Russland spielt mit dem Feuer. Cyberterrorismus ist auf dem Vormarsch.

Es gibt so verdammt viel zu tun und ich bin bereit loszulegen.

Eine Stunde später lege ich die Akten zur Seite, aber es zieht mich nicht zum Buffet. Stattdessen mache ich mich auf den Weg zum Wohntrakt, um mich für die Eröffnungsbälle fertig zu machen.

Im Weißen Haus ist es nie richtig ruhig, aber heute Abend geht es auf den oberen Etagen stiller zu, als ich es in Erinnerung habe. Heute ist hier keine Menschenseele. Nicht mein Vater, nicht meine Mutter. Nur ich. Dort, wo bereits 45 Männer vor mir standen.

Jack ist damit beschäftigt, alles abzuschnüffeln, während ich zum Lincoln Bedroom hinübergehe, das ich zu meinem Schlafzimmer auserkoren habe. »Willkommen im Weißen Haus, Kumpel. Oder wie Truman es nannte: das große weiße Gefängnis.«

Ich durchquere das Zimmer und schaue durch das Fenster auf das weite Areal hinunter, welches das Weiße Haus umgibt. Es ist noch immer nebelig und kalt da draußen.

Ich kann es kaum erwarten, sie wiederzusehen. Ich dusche und ziehe mich dann für die Bälle an. Während ich die Manschettenknöpfe schließe, denke ich daran, wie es wohl sein wird, endlich, endlich wieder in ihre wunderschönen blauen Augen zu sehen.

»Vermisst du sie?«

Jack schaut vom Fuße des Bettes aus zu mir hoch. Als gäbe es nur eine einzige Sie auf der ganzen verdammten Welt.

Ich lächele und streichele ihm über den Kopf, während ich mit der anderen Hand nach meiner Smokingjacke greife. Ich schlüpfe in die Ärmel und schaue zu ihm runter. »Wir werden sie nicht mehr lange vermissen müssen.«

Charlotte

»Ladys und Gentlemen, der Präsident der Vereinigten Staaten!«

Ich verschütte fast meinen Drink, als diese Ankündigung durch den Ballsaal hallt.

Ich stehe neben Alison, die sich wahnsinnig darüber freut, eine der offiziellen Fotografinnen des Weißen Hauses zu sein. Sie ist damit beschäftigt, die Partygäste zu fotografieren, und ich stehe ein bisschen verloren mit meinem Drink neben ihr, als die Worte ertönen.

Ich fühle mich, als hätte mir jemand mit einem Baseballschläger jegliche Luft aus der Lunge geprügelt.

Das hier ist der kleinste der fünf Bälle, die heute Abend stattfinden. Alle haben erwartet, dass der Präsident zuerst auf den großen Bällen auftreten würde. Ich bin also überhaupt nicht darauf vorbereitet, ihn jetzt schon zu sehen – ich habe doch erst ein einziges Glas Wein getrunken! – und jetzt ist er hier.

Oh Gott.

Ich bin zehnmal aufgeregter als die anderen Frauen im Raum. Hunderte sind hier, alle wichtig, hochintelligent oder wunderschön – und alle kichern nervös, als Matt Hamilton, mein Matt Hamilton, den Raum betritt.

Ähm. Nein. Er gehört nicht dir, Charlotte, also hör lieber auf, irgendwelche Besitzansprüche an den Mann zu stellen.

Aber ich kann nicht anders.

Sein Anblick allein reicht, und schon sehne ich mich danach, neben ihm zu gehen, meinen Arm in seinen gehakt, ganz egal, wie lächerlich diese Vorstellung ist. Es war eine Sache, ihn aus großer Entfernung auf dem Podium zu sehen.

Aber es ist eine ganz andere Sache, mit ihm im selben Raum zu sein.

Er in einem Smoking.

In einem heißen schwarzen Smoking.

So nahe war er mir seit zwei Monaten nicht.

Ich kann ihn fast riechen, teuer und sauber und männlich.

Alison knipst neben mir ein Foto nach dem anderen.

Klick, klick, klick.

Matt nimmt mit seinem ausgreifenden, selbstbewussten Gang den Raum ein, während er Hände schüttelt und Leute begrüßt. Ist er noch größer geworden? Er überragt wirklich jeden. Und sind seine Schultern breiter? Er wirkt überlebensgroß. Seine Haltung und sein Gang sind die eines Mannes, der genau weiß, dass sich die ganze Welt um ihn dreht. Womit er natürlich nicht unrecht hat.

»Weißt du, was ich an Matt so mag? Dass in dem heißen Körper auch ein echt kluger Kopf steckt.« Alison formt ein O mit den Lippen und leckt sie sich dann mit einem schelmischen Funkeln in den Augen. »Lecker.«

Bevor ich überhaupt begreife, was ich tue, lecke auch ich mir über die Lippen. Okay, das machst du gefälligst nie wieder.

Alison tritt einen Schritt zur Seite, um einen anderen Blickwinkel für ihre Fotos zu bekommen und nicht nur Matt abzulichten, sondern auch die begeisterten und ehrfürchtigen Reaktionen der Ballgäste einfangen zu können.

Seine Augen funkeln, während er eine Person nach der anderen begrüßt. In seinen Augenwinkeln bilden sich kleine Fältchen, wenn er lächelt, und ich erinnere mich gut an diese Fältchen. Ich erinnere mich daran, wie sich morgens die Bartstoppeln an seinem Kinn anfühlen, auch wenn er jetzt perfekt rasiert ist.

Er trägt das Haar zurückgekämmt und seine Gesichtszüge sehen aus wie gemeißelt und so wunderschön. Mein Körper zittert unkontrolliert. Es ist, als würde sich jede Pore und jeder Zentimeter von mir an ihn erinnern. Ihn noch immer wollen.

Ich hebe die Hand, um die Stelle zu berühren, an der ich immer die Anstecknadel seines Vaters trug –, aber jetzt berühre ich nur nackte Haut, weil ich ein langes, trägerloses Kleid trage.

Mein Herz rast wie verrückt, während er damit fortfährt, im Vorbeigehen Hände zu schütteln. Er nähert sich der Stelle, an der ich wie festgewachsen mit meinem Drink in der Hand stehe. Er sieht so glücklich aus. Mein Magen zieht sich in einem wilden Mix aus Gefühlen zusammen. Freude, ja. Aber seine Anwesenheit erinnert mich auch daran, was ich verloren habe.

Habe ich ihn verloren?

Er hat mir nie gehört.

Aber ich habe ihm gehört. Mit Haut und Haaren. Körper und Seele. Und ich hätte alles für ihn getan. Aber ich habe versucht, mich selbst wiederzufinden. Während meiner Europareise habe ich mir immer wieder die Gründe vor Augen gehalten, warum es niemals hätte klappen können – unter anderem, weil ich viel zu unerfahren und zu jung bin und nicht die Frau, die ein Präsident an seiner Seite braucht. Ich bin nicht bereit für das, was er ist. So sehr ich mir auch wünsche, älter zu sein, erfahrener, geeigneter dafür, an seiner Seite zu sein.

Nicht dass er mich überhaupt dort hätte haben wollen.

Ich bin innerlich zerrissen, während sich die Menge immer mehr lichtet und er immer näher kommt.

»Ich muss mal«, hauche ich und drehe mich um. Ich frage mich, warum ich überhaupt hergekommen bin. Warum ich Ja gesagt habe. Heute ist sein großer Tag. Ich wollte ihn nicht verpassen. Aber es tut einfach von Neuem weh, genauso wie am Wahltag, dem Tag, als ich ihn verlassen habe, einen Flug nach Europa gebucht habe, um mir dort zwei Monate lang mit Kayla den Arsch abzufrieren und heiße Schokolade zu trinken. Ich bin rechtzeitig zu seiner Vereidigung zurückgekommen – ich konnte sie einfach nicht verpassen.

Aber meine Rückkehr in die USA fühlte sich bittersüß an – es ist mein Heimatland, das ich liebe, in dem ich geboren wurde und in dem ich irgendwann einmal sterben will, in dem ich mich verliebt habe. Aber es ist auch das Land, das von dem Mann regiert wird, den ich liebe und über den ich so verzweifelt versuche hinwegzukommen.

Also ziehe ich mich auf die leere Damentoilette zurück, schaue mich im Spiegel an und flüstere: »Durchatmen.« Ich schließe die Augen, beuge mich nach vorne und konzentriere mich aufs Atmen. Dann öffne ich die Augen wieder. »Jetzt geh da raus, sag ihm Hallo und lächle.«

Noch nie habe ich mir etwas Schwierigeres befohlen.

Dennoch verlasse ich die Toilette und beobachte ihn mit jedem Schritt, den ich zurück zur Menschenmenge mache, die immer noch darauf wartet, ihn zu begrüßen. Von ihm begrüßt zu werden. Anerkennung zu bekommen.

Alison entdeckt mich und knipst ein Foto von mir. »Dich hat’s echt schlimm erwischt. Nicht dass ich es dir zum Vorwurf machen könnte«, sagt sie.

»Ich will nicht«, flüstere ich.

Sie lächelt und macht weiter Fotos.

Ich verschlinge ihn mit Blicken, als wäre ich am Verhungern. 1,90 m pure Fantasie, alles gebündelt in einem einzigen wahrhaftigen Mann – unfassbar schön. So schön, dass ich nicht glauben kann, dass etwas so Schönes überhaupt existiert.

Und dann ist er nur noch drei Schritte entfernt, seine Stimme so nahe. »Danke, dass Sie gekommen sind.«

Zwei Schritte. »Schön, Sie hier zu sehen.«

Ein Schritt.

Ich versuche zu lächeln, als er vor mir stehen bleibt, vor mir emporragt, so dunkel und umwerfend. Alles hält den Atem an. Alle Geräusche verstummen. Ich blinzele ungläubig.

Matt Hamilton.

Gott. Er sieht sündhaft heiß aus. Diese leicht schrägen Brauen, als er mich mit durchdringendem Blick ansieht. Ein leises Lächeln umspielt seine wundervollen Lippen – diese sinnlichen, bösen Lippen.

Ich halte den Atem an, und meine Brust füllt sich mit Stolz, als ich den Kopf neige und ihm leicht zunicke.

»Mr President.«

Er streckt den Arm aus und greift nach meiner Hand, seine Finger streifen meine.

»Schön, dich zu sehen«, sagt er mit besonders tiefer Stimme.

Ich muss daran denken, wie er einmal sagte, er würde sofort einen Ständer bekommen, wenn ich ihn Mr President nenne, und ich werde rot. Aber daran werde ich ihn jetzt ganz sicher nicht erinnern.

Seine Finger fühlen sich warm und stark an. Sein Händedruck so richtig.

Seine Hand so perfekt.

Es ist eigentlich gar kein Händeschütteln. Vielmehr hält er meine Hand einfach nur fest. Und jede Zelle in mir erinnert sich an diese Hand. An ihre Berührung.

Bevor er mich loslässt, lässt er etwas in meine Handfläche gleiten und beugt sich zu mir herüber, um mir ins Ohr zu flüstern. »Sei diskret.« Ich schließe meine Faust um etwas, das sich anfühlt wie ein kleines Stück Papier, und er geht weiter, um die nächsten Gäste zu begrüßen.

Ich sehe ihm mit offenem Mund nach und falte dann so unauffällig wie möglich den Zettel auseinander. Da steht:

In zehn Minuten

Südeingang

Mit dem Aufzug hoch

Durch die Doppeltür den Flur runter.

Er erwartet mich.

Ich zähle die Minuten, während der Live-Auftritt von Alicia Keys beginnt und Matt mit seiner Mutter den Eröffnungstanz tanzt.

Der schönste Präsident, den ich je gesehen habe.

Wo hat er gelernt, so zu tanzen?

Mit meinem Weinglas in der Hand schaue ich zu, wie er mit ihr über die Tanzfläche schwebt. Sie lacht, sieht jünger aus als sie ist, auch wenn der Schmerz in ihren Augen nie ganz verschwindet. Matt strahlt sie an, versucht alles, um diesen Schmerz zu vertreiben.

Ich liebe diesen blöden Mann so sehr, dass ich gerade mit der Faust auf irgendetwas einhämmern könnte.

Als das Lied endet und ein neues beginnt, gesellen sich weitere Paare auf die Tanzfläche und ich sehe, wie Matt – der hier und da im Saal noch immer Gekicher auslöst – sich bei seiner Mutter entschuldigt und den Raum durch einen anderen Ausgang verlässt als den, den er für mich vorgesehen hat.

Er zupft an seinen Manschettenknöpfen herum, als er den Raum durchquert, und seine Bodyguards machen sich ebenfalls auf den Weg zu dem Ausgang. Ich stelle mein Weinglas ab und sage mir selbst, dass das keine gute Idee ist. Wenn ich jetzt da hochgehe, bricht mein Herz nur wieder in tausend Stücke. Aber dem größeren Teil in mir … ist das so was von egal.

Das hier ist Matt.

Ich habe einen Ozean überquert, um ihn zu vergessen, aber ich wäre für diesen Mann jederzeit zurückgeschwommen.

Mein Herz wird immer für ihn schlagen.

Das Herz, das aus Angst davor, ihm nahe zu sein, den Atlantik zwischen uns brauchte.

Das Herz, das jetzt wie wahnsinnig in meiner Brust rast, als ich mich auf den Weg zu ihm mache.

Ich folge den Anweisungen auf dem Zettel bis ins kleinste Detail. Vor der Tür entdecke ich Wilson, zusammen mit einer ganzen Armee an weiteren Secret-Service-Agenten.

Wilson flüstert etwas in sein Funkgerät, nickt mir dabei zu und streckt die Hand nach dem Türknauf aus.

»Hi, Wilson.«

»Miss Wells.« Er nickt noch einmal und öffnet mir die Tür. »Der Präsident ist da drin.«

»Danke.«

Ich schätze, mein Herz schlägt so laut, weil ich ihn gleich wiedersehe, und auch weil ich nicht weiß, was ich erwarten soll.

Ich betrete den Raum, und die Tür fällt mit einem leisen Klick hinter mir ins Schloss.

Sämtliche Luft entweicht aus meiner Lunge wie in einem Vakuum.

Einem Hamilton-Vakuum.

Es fühlt sich an, als wäre der gesamte Raum nur eine Kulisse für ihn. Er ist so … beeindruckend. Elektrisierend. Ich habe nur Augen für den großen, dunkelhaarigen, breitschultrigen Mann in der Mitte des Zimmers. Er steht selbstbewusst, aber lässig, mit einer Hand in der Hosentasche. Die Fliege, die er trägt, ist perfekt. Sogar sein Haar ist perfekt, keine einzige Strähne hat sich verirrt. Alles in mir sehnt sich danach, diese Haare zu zerzausen.

Aber in seinen Augen tut sich ein ganzes Universum auf, dunkel und endlos, eine Intensität, die an jeder Faser meines Daseins zerrt, während er mich langsam mit Blicken zu verschlingen scheint – jeden Zentimeter meines Körpers, meines Kleides, von meinen Augen über meine Nase, meine Lippen und meinen Hals über meine Schultern, meine Brüste, meinen Bauch und dann meine Beine hinunter.

Ich kann kaum sprechen. Die Art, wie er mich ansieht, macht meinen Vorsatz zunichte, stark zu bleiben. Ich muss ihn irgendwie davon abhalten, mich weiterhin mit Blicken auszuziehen. »Das Präsidentsein steht dir«, entfährt es mir, denn während er mich mit Blicken auszieht, habe ich meinerseits die Gelegenheit, ihn genau zu mustern. Seine athletische, muskulöse Figur und die Art und Weise, wie der Smoking seine Schultern umspielt.

Ganz langsam wandert Matthews Blick zurück zu meinem Gesicht und bohrt sich dann in meinen. Er antwortet mit tiefer, fester Stimme und geradeheraus: »Du bist wunderschön.«

Ich atme scharf ein. Seine Worte gehen mir bis ins Mark. Ich spüre, wie mir die Wärme in die Wangen steigt. Es fühlt sich an, als hätte dieser Mann mich gerade angezündet. Und nichts, was ich tun oder sagen könnte, kann das Feuer ersticken, das er in mir entfacht. »Ich bin nicht für ein Happy End hier«, flüstere ich leise.

»Aber du verdienst ein Happy End.«

Matt lächelt nicht. Seine Augen sind dunkel und ernst und sie starren mich weiterhin mit dieser wahnsinnigen Intensität an. »Ich habe mich von dir ferngehalten«, sagt er, macht einen Schritt nach vorne und zieht dabei die Hand aus der Hosentasche.

»Das habe ich gemerkt.« Meine Stimme klingt rau, und ich bin so überwältigt von seiner bloßen Anwesenheit in diesem Raum, dass ich den Blick senken muss, um meine Gefühle unter Kontrolle zu bekommen. Als ich wieder hochschaue und sich unsere Blicke treffen, weiß ich, dass er seinen keine Sekunde lang von mir abgewendet hat. »Ist es für dich jetzt einfacher?«, frage ich.

»Scheiße, nein. Ich muss gerade meine gesamte Selbstbeherrschung aufbringen, dich jetzt nicht zu berühren.«

Er fährt sich mit der Hand über das Gesicht und in seiner Stimme schwingt ein winziger Hauch Bedauern mit, als er ein paar Schritte vor mir stehen bleibt. »Du könntest verletzt werden, wenn du mit mir zusammen bist – deshalb wolltest du, dass ich mich von dir fernhalte. Du weißt, dass ich dir wehtun werde, wenn wir zusammen sind, auch wenn ich das nicht will. Absolut nicht. Genauso wenig wie mein Vater all die Jahre meiner Mutter wehtun wollte.«

»Es tut mir jetzt schon weh, dich nur zu sehen.«

Seine Kiefermuskeln sind angespannt, als er die Hand ausstreckt und mein Kinn anhebt. »Sieh mich an«, sagt er mit rauer, tiefer Stimme, während sich sein Blick in meinen bohrt. »Ich kann dir nicht geben, was du verdienst. Ich kann dir kein trautes Heim bieten und dich noch nicht mal zu einem normalen Date einladen. Aber ich will dich. Ich brauche dich verdammt noch mal in meinem Leben, Charlotte.«

Seine Berührung lässt mir die Knie weich werden. Ich atme tief durch. »Ich habe akzeptiert, dass ich nicht mehr haben kann und es ist okay für mich. Es ist es nicht wert. Du hast wichtigere Dinge zu tun, als mit mir zusammen zu sein.«

Er runzelt die Stirn und dreht seine Hand so, dass seine Knöchel meine Wange berühren, ganz leicht über meine Haut streichen. »Das Schlimme ist, dass du vielleicht verletzt wirst, weil ich dir nicht geben kann, was du brauchst. Aber ich will es. Ich will dir alles geben.«