MUSEUM GESTALTET GESCHICHTE -  - E-Book

MUSEUM GESTALTET GESCHICHTE E-Book

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Beschreibung

2023 feiert das Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum die 200-jährige Gründung. Von engagierten Kulturtreibenden Tirols initiiert, prägt das Ferdinandeum als zweitältestes Landesmuseum Österreichs mit seinen Sammlungen, Ausstellungen und wissenschaftlichen Arbeiten die Region. Im selben Jahr begeht das Museum im Zeughaus, das 1973 als Ausstellungshaus für Geschichte des Tiroler Raums dazu kam, sein 50-jähriges Bestandsjubiläum. Der vorliegende Band vereint Beiträge der Mitarbeiter*innen des Museums und externer Autor*innen, die sich mit unterschiedlichen Aspekten der Geschichte, der Sammlungsarbeit und der Konzert- und Ausstellungstätigkeit befassen. So wird ein Bogen von der Gründung des Museums Anfang des 19. Jahrhunderts bis zur Gegenwart gespannt, die vielfältige Tätigkeit und Wirkung des Museums eindrücklich dargestellt und das Museum in seiner vergangenen und gegenwärtigen Bedeutung gewürdigt.

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MUSEUM GESTALTET GESCHICHTE200 JAHRE TIROLER LANDESMUSEUM FERDINANDEUM

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Wissenschaftliches Jahrbuch der Tiroler Landesmuseen15/2022

Erscheint zugleich alsVeröffentlichungen des Vereins Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum

ISSN 0379-0231

MUSEUM GESTALTET GESCHICHTE

200 JAHRE TIROLER LANDESMUSEUM FERDINANDEUM

INHALT

„SAMMEL-AKTIONEN“ – 200 JAHRE „MUSEUM GESTALTET GESCHICHTE“ IN DEN TIROLER LANDESMUSEEN – EINE VORBEMERKUNG

Peter Assmann

„EINE INTERESSANTE PINAKOTHEK DENKWÜRDIGER MENSCHEN TIROLS“ – BETRACHTUNGEN ZUR PORTRÄTSERIE BERÜHMTER „TIROLER“ VON JOSEPH WEGER (1782–1862)

Hansjörg Rabanser

GEGEN DEN STRICH LESEN? DER MUSEUMSVEREIN FERDINANDEUM ALS „AKTEURS-NETZWERK“

Ellinor Forster

EINE EINTRITTSKARTE IN DIE BÜRGERLICHE GESELLSCHAFT? DIE JÜDISCHEN MITGLIEDER DES „TIROLISCHEN NATIONALMUSEUMS FERDINANDEUM“ UND DES VORARLBERGER LANDESMUSEUMSVEREINS 1823–1923

Thomas Albrich

NAH AM ORIGINAL – DER EHEMALIGE DEFREGGER-SAAL IM FERDINANDEUM

Christina Zenz

„DEN WENIGER EINGEWEIHTEN MAG ES MIT RÜCKSICHT HIERAUF VIELLEICHT ÜBERFLÜSSIG ERSCHEINEN, WENN NEBEN DIESEM INSTITUTE IN UNSERER STADT NOCH EIN ZWEITES MUSEUM GEGRÜNDET WERDEN SOLLTE.“ DIE GRÜNDUNG DES TIROLER VOLKSKUNSTMUSEUMS ALS GEGENPOL ZUM FERDINANDEUM

Wolfgang Meixner

DIE HUNDERTJAHRFEIER 1923 – DAS TIROLER LANDESMUSEUM FERDINANDEUM ZWISCHEN „NEUEM GEIST“ UND RÜCKBESINNUNG

Anita Bacher

DIE BEDROHUNG DER KUNSTSCHÄTZE DURCH DEN BOMBENKRIEG. DIE AUSLAGERUNG DER BESTÄNDE DES FERDINANDEUMS IM ZWEITEN WELTKRIEG

Roland Sila

BRITISCHE UND US-AMERIKANISCHE KUNST IM FERDINANDEUM. DIE AUSSTELLUNGEN VON AMERIKA HAUS UND BRITISH COUNCIL IN INNSBRUCK 1945–1955

Verena Gstir

ALFRED KUBIN UND TIROL

Peter Assmann

NOCH EIN JUBILÄUM – ZUM 50. GEBURTSTAG DES MUSEUMS IM ZEUGHAUS

Claudia Sporer-Heis

DAS MUSEUM DER STUDIERENDEN

Rosanna Dematté im Gespräch mit Gert Ammann

SAMMLUNGEN WAREN EINE ZEIT LANG FAST MEINE RELIGION

Ein Gespräch mit Gerhard Tarmann, aufgezeichnet von Roland Sila

FRANZ WALDNERS MUSIKHISTORISCHE FORSCHUNGEN ALS GRUNDSTEIN FÜR DIE ETABLIERUNG DER MUSIKSAMMLUNG IM FERDINANDEUM

Andreas Holzmann

DIE ENTSTEHUNG DER MODERNEN GALERIE IM MUSEUM FERDINANDEUM

Delia Scheffer

HERBARIUM LAICHARDING – EINE 200 JAHRE ALTE SAMMLUNG TIROLISCHER PFLANZEN

Ines Aster

EINST DIE LETZTEN IHRER ART – ÜBER DIE HISTORISCHEN PRÄPARATE DES LETZTEN TIROLER WOLFES UND DES LETZTEN BRAUNBÄREN AUS GESAMTTIROL

Peter Morass

EIN FENSTER IN DIE MUSIKALISCHE VERGANGENHEIT DER STADT HALL IN TIROL – DER NACHLASS VON HEINRICH BALLMANN UND DAS LEGAT VON JOSEF ARNOLD IN DER MUSIKSAMMLUNG DES TIROLER LANDESMUSEUMS FERDINANDEUM

Franz Gratl

WANN WURDE JACOB STAINER GEBOREN: 1621, 1619 ODER FRÜHER? EINE SEHR LANGE GESCHICHTE

Heinz Noflatscher

VON DER GEGENWÄRTIGKEIT DES UNVOLLSTÄNDIGEN. DIONYSISCHER KUNSTTRIEB UND DIE SCHÖPFERISCHE KRAFT DER ZERSTÖRUNG

Ralf Bormann

XANTHO – DER DEUTSCHE SCHÄFERHUND FÜRS FERDINANDEUM

Florian Waldvogel

KONZERTE DES FERDINANDEUMS

Hanna Rusch

VERZEICHNIS DER IM TIROLER LANDESMUSEUM FERDINANDEUM UND IM MUSEUM IM ZEUGHAUS STATTGEFUNDENEN AUSSTELLUNGEN

Alexandra Kuttler

JAHRESBERICHT 2021 DES VEREINS TIROLER LANDESMUSEUM FERDINANDEUM

AUTORINNEN UND AUTOREN

„SAMMEL-AKTIONEN“ – 200 JAHRE „MUSEUM GESTALTET GESCHICHTE“ IN DEN TIROLER LANDESMUSEEN – EINE VORBEMERKUNG

Mit dem offiziellen Gründungsdatum des Vereins Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum im Jahr 1823 zählt unsere Museumsinstitution zu den nicht nur österreichweit ältesten offiziellen Museumsgründungen, sie legt auch aus europäischer Sicht ein sehr frühes Beispiel dieses speziellen Museumstyps vor. Das territorial orientierte „Landesmuseum“ ist eine ganz spezielle Museumsentwicklung, da hier eine umfassende Kulturperspektive auf eine Region eingenommen wird und die Sammlungsarbeit grundsätzlich keine thematische Einschränkung erfährt. Wir sprechen daher durchaus von einem „Universalmuseum“, auch wenn das Wort „universell“ natürlich sehr weit gegriffen ist. Das Grundkonzept der Landesmuseen ist auf laufende Identitätsdiskussionen über eine permanente Sammlungsarbeit ausgerichtet – eine Sammlungsarbeit, die auch heute noch die Institution Museum von anderen ähnlichen Institutionen unterscheidet. Sammeln ist aber nicht nur das strukturierte Erwerben (verbunden mit den Arbeitsfeldern Bewahren, wissenschaftlich Bearbeiten und Vermitteln) von materiellen Objekten, sondern zunehmend auch immer mehr von immateriellen Informationen und schließlich ausgerichtet auf eine immer intensivere Reflexion und Hinterfragung der eigenen Arbeitstätigkeit.

Im Hinblick auf die historische Position des Tiroler Landesmuseums (seit dem Jahr 2007 den Tiroler Landesmuseen) sei auch auf die jahrelange Vorarbeit von Erzherzog Johann hingewiesen, der ein solches Tiroler Landesmuseum im ersten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts gründen wollte. Nach einem entsprechenden Veto der Wiener Herrschaftszentrale wie auch den aktuellen Problemsituationen der Napoleonischen Kriege wurden die entsprechenden Museumsaktivitäten dann in die Steiermark verlegt, wo mit dem nach ihm benannten Joanneum das früheste, im heutigen Territorium von Österreich befindliche Landesmuseum gegründet werden konnte. Das Ferdinandeum hat aber auch namentlich eine Besonderheit, denn es ist das einzige Museum, das nach einem Kaiser benannt wurde (Kaiser Ferdinand I., Sohn und Thronfolger des im Gründungsjahr agierenden Kaisers Franz I. von Österreich).

Museumsarbeit ist seit gut zwei Jahrhunderten ein absolut vielfältiges, von unterschiedlichsten Schwerpunkten getragenes Arbeitsfeld, allerdings eines, bei dem der Begriff des „Sammelns“ an oberster Stelle steht. Denn auch die anderen bereits genannten grundsätzlichen Arbeitsfelder eines Museums sind ohne die Sammlungsarbeit und ohne permanente „Sammlungsaktionen“ nicht denkbar. In diesem Sinne ist unser „Wissenschaftliches Jahrbuch“ im Jubiläumsjahr der Tiroler Landesmuseen konzipiert, als Sammlung unterschiedlichster wissenschaftlicher Beiträge zu unseren Sammlungsaktivitäten, als Anregung für unterschiedliche Perspektivenwechsel. Denn das ist es auch, was die Geschichte, die Gegenwart und die Zukunft der Museen auszeichnet: die permanente Arbeit an der Hinterfragung unserer Zuordnungskategorien und der Basis unserer Informationssammlung.

Die beschriebene Sammlungstätigkeit des Museums inkludiert selbstverständlich auch das Sammeln von Informationen, Reflexion und wissenschaftlicher Argumentation rund um die vielfältigen Sammlungsobjekte der Tiroler Landesmuseen und unsere museologische Arbeit. Unser „Wissenschaftliches Jahrbuch“ ist in diesem Sinne als ein „Sammlungsband“ zu verstehen, der sich jedoch – speziell in den zukünftigen Jahren – verstärkt thematisch orientieren möchte. Steht der vorliegende Band noch in einem breit gestreuten Panoptikum zum 200-Jahr-Jubiläum des Tiroler Landesmuseums, so werden zukünftig die thematischen Fokussierungen enger gefasst werden. Der aktuelle Band inkludiert ein breites Spektrum der Reflexion der verschiedenen Sammlungen und museologischen Fragestellungen des Hauses, verfasst von internen und externen Autor*innen. Er enthält zudem Interviews mit zwei ehemaligen Direktoren und ihrem persönlichen Blick auf das Museum. In besonderer Weise wichtig war es für die Herausgeber*innen dieses Bandes, die vielfältige Ausstellungstätigkeit des Tiroler Landesmuseums, aber auch die über 40-jährige Geschichte der Konzerte, die von und in dieser Institution organisiert worden sind, aufzulisten. Natürlich kann dieser Band nicht die fehlenden Forschungslücken, die noch bestehen, schließen, er ist aber immer wieder als ergänzende Aufforderung zu verstehen, sich mit der Geschichte des Hauses und seinen Sammlungen intensiver zu beschäftigen. Folglich ist dieser Band ein Geschenk an den Musemsverein und an die Tiroler*innen; er ist vor allem als Dokument der intensiven Verbundenheit der Tiroler Bevölkerung mit ihrem Museum zu sehen – von unserer Seite verbunden zudem mit der Hoffnung, dass der Stolz früherer Jahrzehnte auf das eigene Museum auch für die Zukunft Gültigkeit haben wird.

Als aktueller Direktor dieser Institution ist es mir ein besonderes Anliegen, meinen Mitherausgeber*innen für die intensive Arbeit bei der Zusammenstellung dieses besonderen „Wissenschaftlichen Jahrbuches“ zu danken. Danken möchten wir selbstverständlich auch allen Autor*innen für ihre intensive Arbeit. 200 Jahre sind ein durchaus langer Zeitraum, aber für uns alle gilt: ad multos annos!

Peter Assmann

Innsbruck, den 18. Aug. Seit mehrern Tagen hatte diese Stadt das Glück, Se. k. Hoheit den Erzherzog Kronprinzen in ihrer Mitte zu verehren, und es waren diese Tage für alle Bewohner Tage der Freude und der herzlichsten Feste. Se. k. Hoheit langten von Ihrer Reise durch das Südtirol und durch Vorarlberg am 13. August Abends hier an, begleitet von Sr. Exc. dem Hrn. Feldmarschall Grafen v. Bellegarde und dem Hrn. General=Major Grafen v. Salis. In Kranewiten, eine Stunde von hier, empfieng den Erzherzog ein Ausschuß des vaterländischen Museums, dessen Beförderung und Schutz Se. k. Hoheit erst kürzlich gnädigst zu übernehmen geruht hatte, und welche Anstalt für Wissenschaft und Kunst dadurch ausgezeichnet wurde, daß ihr nach ihrem hohen Protektor der Name „Ferdinandeum“ beigelegt wurde. […]

[o. Verf.]: [o. T.], in: Bote von und für Tirol und Vorarlberg, 21. August 1823, S. 1

„EINE INTERESSANTE PINAKOTHEK DENKWÜRDIGER MENSCHEN TIROLS“

BETRACHTUNGEN ZUR PORTRÄTSERIE BERÜHMTER „TIROLER“ VON JOSEPH WEGER (1782–1862)

Hansjörg Rabanser

ABSTRACTS

The Tyrolean National Museum (today: Tyrolean State Museum Ferdinandeum) was able to look forward to a special offer in 1827: The artist Joseph Weger (1782–1862) intended to give the house, which was newly founded in 1823, a graphic collection with portraits of well-known, still alive Tyroleans. He travelled through the country, drew selected contemporaries and captured their truthfully reproduced faces for posterity. In 1833 and 1835 he handed over the Ferdinandeum a total of 101 drawings in two tranches. The drawing portfolio, which today contains 105 works, is kept in the collections of the library of the Ferdinandeum.

The article primarily addresses the correspondence to this donation and the artist’s approach. In addition, the individual details and peculiarities of the drawing portfolio are described and, for the first time, new and correct dates on the largely remained unnoticed Biedermeier artist are provided. In the end, an attempt is made to verify everything represented in it.

Das Tirolische Nationalmuseum (heute: Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum) konnte sich im Jahr 1827 über ein besonderes Angebot freuen: Der Künstler Joseph Weger (1782–1862) beabsichtigte, dem 1823 neu begründeten Haus eine grafische Sammlung mit Porträts namhafter, noch lebender Tiroler zu schenken. Er reiste dazu durch das Land, zeichnete ausgewählte Zeitgenossen und hielt deren wahrheitsgetreu wiedergegebene Gesichter für die Nachwelt fest.

In den Jahren 1833 und 1835 übergab er dem Ferdinandeum in zwei Tranchen insgesamt 101 Zeichnungen. Die Mappe, welche heute 105 Arbeiten enthält, befindet sich in den Sammlungen der Bibliothek des Ferdinandeums.

Der Beitrag thematisiert in erster Linie die Korrespondenz zu dieser Schenkung bzw. die Vorgehensweise des Künstlers. Außerdem werden die einzelnen Details und Besonderheiten der Mappe beschrieben sowie erstmals neue und korrekte Daten zum bisher meist unbeachtet gebliebenen Biedermeier-Künstler geliefert. Letztendlich wird auch der Versuch einer Verifizierung aller darin Dargestellten unternommen.

Beim Besuch der Homepage zur Digitalversion der Zeitschrift des Ferdinandeums wird man auf der Startseite vom Abbild eines Herrn aus dem 19. Jahrhundert empfangen. Korrekt: von mehreren Herren, denn bei jedem neuen Einloggen blickt man in ein anderes, neues Gesicht. Die meisten dieser stattlich gekleideten, sich wichtig gebenden Männer wirken nicht unbedingt sympathisch, sind nicht sonderlich attraktiv und verleiten mit ihren wulstigen oder schmalen Lippen, den Lockenköpfen und dicken Brillengläsern durchaus zum Schmunzeln. Jede Abbildung wird von einer knappen Beischrift begleitet, welche den Namen und die Lebensdaten des jeweiligen Mannes verrät. Einige der Herren mögen einen Aha-Effekt hervorrufen, andere führen vermutlich nur zu einem unwissenden Schulterzucken. Eines jedoch liegt auf der Hand: Die meisten der Dargestellten müssen mit dem Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum in irgendeiner Weise in Beziehung stehen!

Wie die künstlerische Ausführung der Abbildungen verrät, stammen sie aus ein und derselben Quelle, nämlich einer Mappe, die zur Gänze aus Porträts namhafter Tiroler Persönlichkeiten besteht. Es handelt sich dabei ausnahmslos um Männer; keine einzige Frau wurde berücksichtigt. Die eine oder andere Darstellung mag bekannt vorkommen, wurden (und werden) die Zeichnungen doch häufig zur Illustration von Büchern und Aufsätzen verwendet oder bei Ausstellungen der breiten Öffentlichkeit gezeigt.1 Sie besitzen damit einen gewissen Bekanntheitsgrad. Weitaus weniger bekannt ist jedoch die Geschichte dieser Mappe, der sich dieser Beitrag widmen soll: Wann entstand die Porträtsammlung und zu welchem Zweck? Wer war der Künstler und wie ging er vor? Wer sind die dargestellten Herren überhaupt und welche Besonderheiten weist die Mappe auf? Und schließlich: Wie kam die Mappe in die Sammlung der Ferdinandeumsbibliothek? All diese Fragen sollen in der Folge beantwortet werden, wobei zu Beginn der Künstler näher beleuchtet werden muss. Sein Name: Joseph Weger.

DER KÜNSTLER

Im Zuge der Recherchen zum Künstler Joseph Weger2 sieht man sich nur zu bald mit dem Umstand konfrontiert, dass über dessen Person, Leben und Wirken sowie auch über dessen Werke nur äußerst wenig bekannt ist.

Die Spuren, die er in der (einschlägigen) Literatur hinterlassen hat, sind mehr als dürftig. Zwar werden seine vor allem volkskundlich interessanten Arbeiten häufig und gerne zur Illustrierung von Büchern, Katalogen und Beiträgen herangezogen oder bei Ausstellungen präsentiert, doch die beigegebenen Texte glänzen meist durch einen Mangel oder das geradezu gänzliche Fehlen von Informationen. Dass Weger so wenig Beachtung fand und findet, mag wohl daran liegen, dass er nicht zu den bedeutenden Tiroler Künstlern seiner Epoche gezählt, sondern in ihm vielmehr nur ein „Trachtenmaler“ gesehen wurde bzw. wird.3 So findet Weger im zweibändigen Standardwerk zur Geschichte der Kunst in Tirol nur beiläufig Erwähnung4 und in Regionsbeschreibungen bzw. im Dorfbuch von Kastelruth, dem Geburtsort des Künstlers, sucht man seinen Namen überhaupt vergebens.5 Aus diesem Grund sieht man sich gezwungen, auf die (zum Teil natürlich veraltete) Vorgängerliteratur zurückzugreifen, ein Umstand, der auch Ursula Marinelli nicht erspart blieb, als sie für das „Österreichische Biographische Lexikon“ den Artikel zu Weger erstellte; es handelt sich dabei um die aktuellste Behandlung des Künstlers. Aus diesem Grund bleibt zu wünschen, dass diesem Desiderat in naher Zukunft Abhilfe geschaffen wird und zu Joseph Weger eine biografische bzw. monografische Arbeit entsteht.

Abb. 1: Ansicht von Kastelruth, dem Geburtsort Wegers, auf einer teilweise aquarellierten Tuschezeichnung von Karl von Lutterotti (1793–1872). Foto: Innsbruck, TLM, Bibliothek, FB 8890

Joseph Weger wurde am 23. März 1782 in Kastelruth (Abb. 1) als Sohn des Christian Weger und der Maria Weger (geborene Gostner) getauft.6 Über seine Jugend und Ausbildung liegen keine bzw. nur spärliche Informationen vor, und es wird überliefert, dass er seine erste Lehre beim Vater absolviert haben soll, der sich als Anstreicher verdingte und Grödner Schnitzwaren fasste. Mit 18 Jahren kam Weger nach Brixen, wo er sich mit Gelegenheitsmalereien beschäftige (Aus- und Bemalen von Räumen, Wägen etc.), aber auch erste Versuche anhand von Porträts in Öl machte; in der Folge war er in Bozen tätig. Nach wenigen Jahren gelang es ihm 1806 durch einen (namentlich nie näher bezeichneten) Mäzen, sein Studium an der Akademie der bildenden Künste in Wien zu beginnen, wo er bei Hubert Maurer (1738–1818) das Elementarzeichnen und bis 1808 vermutlich bei Franz Caucig (1755–1828) das Studium von Modell- und Antikenzeichnung erlernte. Es existiert des Weiteren die Mutmaßung, dass auch Giovanni Battista Lampi (den er später porträtieren sollte) zu einem seiner Lehrer gezählt haben soll.7 Die Ausbildung in Wien endete 1809. In dasselbe Jahr datiert ein Ölgemälde von Andreas Hofer (1767–1810), das heute im Stadtmuseum Hall aufbewahrt wird.8 Dass das Bild angeblich nach der Natur gemalt worden sein soll, wie eine Notiz auf diesem weismachen will, darf bezweifelt werden, denn die Darstellung Hofers ähnelt in frappanter Weise einer teils kolorierten Radierung eines unbekannten Künstlers mit der italienischen Beischrift „ANDREA HOFFER Comandante Superiore in Tirolo. 1809.“ Ob das Gemälde oder die Grafik als Vorlage des jeweils anderen diente oder es sich bei Wegers Werk um die übermalte Version der Grafik handelt, bedarf einer Klärung. Sollte das Gemälde aber tatsächlich von Weger geschaffen worden sein, so vermutlich im Rahmen eines Heimatbesuchs, denn dieser ist weiterhin in Wien belegt, wo er als Porträtmaler reüssierte. Er schuf unter anderem auch Bildnisse auf Elfenbein, etwa von Erzherzogin Elisabeth9 und Erzherzog Rudolf (1788–1831). Zwischen 1809 und 1815 unternahm er gemeinsam mit einem (ebenfalls nie näher bezeichneten) italienischen Grafen Reisen in Ungarn, ehe er vollends in die Tiroler Heimat zurückkehrte, wo er in erster Linie als Kupferstecher, Radierer und Zeichner tätig war.

Im Jahr 1819 legte Weger vier grafische Blätter vor, die unter dem folgenden Titel erschienen: „Kurzer Überblick der auffallendsten Eigenthümlichkeiten vom Volke und Lande Deutsch-Tirols nach statistisch und klimatischen Verhältnissen In 4 Bildern poetisch geordnet, und auf einem Blatte beschrieben, von Joseph Weger zu Botzen“.10 (Innentitel: „Haupt Charaktere vom Volke und Lande Teutsch-Tirols nach der Eintheilung der vorliegenden Landes-Karte St: 1. 2. 3. 4. in 4 Bildern dargestellt und auf einem Blatte beschrieben“). Die vier kolorierten Radierungen mit Genreszenen (Händler, Bauern, Wirte, Trachtenbilder) aus den diversen Landesteilen des alten Tirol waren dem Gouverneur Karl Graf von Chotek (1783–1868) gewidmet.11 Als Weger die Blätter im Kasinosaal der Redoutensäle in Innsbruck ausstellte, war das Echo groß und die Stimmen durchwegs positiv.12

Der Erfolg wirkte sich auf Wegers Schaffenskraft förderlich aus, sodass er 1827 sechs weitere grafische Arbeiten vorlegte, die von Alessandro Angeli gestochen, von Giovanni Battista Monauni in Trient gedruckt und durch Giuseppe Antonio Marietti verlegt wurden. Die Blätter zeigen Szenen des Volkslebens und sind betitelt mit: „Der Kirchtag, Die Brautleute mit Begleitung, Feierlicher Aufzug der Tiroler Schützen, Das Scheiben-Schiessen, Italienisch-Tirol. Der Kreis Trient (Abb. 2) und Italienisch-Tirol. Der Kreis Roveredo“.13

Die Mappe wurde werbetechnisch perfekt vermarktet, wie eine Subskriptionsankündigung vom 20. Juni 1827 zeigt: „SUBSCRIPTIONS ANKÜNDIGUNG Zu einer bildlichen Sammlung der auffallendsten Eigenthümlichkeiten aus dem Leben des Volkes in Deutsch- und Italienisch-Tirol, dessen Betriebsamkeit und National Feste, erstere figürlich gruppirt mit Manufacturen und Landeserzeugnissen nach statistischen und klimatischen Verhältnissen poetisch geordnet, letztere nach Sitte und Gewohnheit früherer und späterer Zeit geschichtlich dargestellt, zusammen in 3 Heften oder in 10 bis 12 Tableaux mit Text begleitet enthalten seyn werden.“ Zuzuschreiben seien die Darstellungen, so die Ankündigung weiter, dem Bozner Künstler Joseph Weger, „welcher schon seit einigen Jahren auf seinen vaterländischen Reisen zu sammeln und zu zeichnen“ begonnen habe.14

Abb. 2: Aus der Serie an Volksszenen von 1827 stammt „Der Kreis Trient“. Foto: Innsbruck, TLM, Bibliothek, FB 4379

Im Jahr 1830 trug sich Weger schließlich mit dem Gedanken, eine ähnliche Mappe speziell für Südtirol anzufertigen, zu deren Umsetzung es letztlich aber nicht kam, wohl weil er mit dem Projekt zu den Porträts beschäftigt war. Die Idee zur Porträtmappe dürfte in den 1820er-Jahre geboren worden sein, als sich Weger auch in der Heimat den Ruf als Meister des Biedermeier-Porträts erworben hatte.15 Der Konsistorialrat Joseph von Lemmen (1758–1840), welcher heute vor allem für sein Lexikon zu Tiroler Künstlern bekannt ist, notierte: „Im Portraitiren, besonders mit schwarzer Kreide ist er immer sehr glücklich mit Auffassung der Hauptzüge, und besitzt anbey eine außerordentliche Geschwindigkeit.“16

Dass der Künstler aufgrund seiner landeskundlich ausgerichteten Projekte gezwungen war, ein eher unstetes Wanderleben zu führen, liegt auf der Hand und wird in einzelnen Dokumenten auch angesprochen. Darin könnte mitunter auch ein Grund zu suchen sein, warum Weger so schwer fassbar und sein Leben sowie Schaffen nur spärlich mit grundlegenden Informationen versehen ist. Auch lassen sich seit den späten 1830er-Jahren kaum mehr Werke des Künstlers, geschweige denn weitere vergleichbare Projekte ausfindig machen. Unklar bleibt des Weiteren, ob er alleine arbeitete, etwaige Helfer oder Schüler hatte bzw. gar ein Atelier führte.

Auf den ersten Blick mit Unklarheiten behaftet ist auch Wegers Lebensende, denn in der Literatur findet sich immer wieder die spartanische Information, dass er 1840 in Wien gestorben sei. Belege hierfür werden auffallenderweise nie angeführt. Die Recherchebestrebungen in den Wiener Pfarrmatrikeln blieben bisher stets ohne Erfolg, doch der Grund dafür liegt einzig und allein darin, dass Weger sein Leben nicht in der kaiserlichen Metropole, sondern in Bozen beendet hat. Belege für die Anwesenheit in der Heimat sind vorwiegend über Zeitungen zu finden, denn Joseph und seiner Schwester Maria Weger gehörten zu den fleißigen Käufern von Neujahrsentschuldigungskarten. Erste Nennungen dazu sind 1821 gegeben, die letzten Belege hierfür in den Jahren 1857 und 1858 festzumachen.17 Die Geschwister dürften in einem gemeinsamen Haushalt gewohnt haben, wobei laut dem Eintrag im Sterbebuch als Adresse das Haus Laubengasse Nr. 233 auszumachen ist.18

Joseph Weger starb am 12. Oktober 1862 um „9 ½ U[hr]. Ab[ends].“ an Altersschwäche. Das Totenbuch der Stadtpfarrkirche Maria Himmelfahrt in Bozen vermerkt außerdem, dass er ledigen Standes war19 und das Alter von 81 Jahren erreicht hatte (korrekt: 80 Jahren).20 Die Bestattung Wegers erfolgte vermutlich am heute nicht mehr existierenden städtischen Friedhof.

DAS ANGEBOT

Am 28. Mai 1827 wandte sich Forstmeister Anton Bacher (Abb. 3), Mandatar des Ferdinandeums in Bozen21, in einem Schreiben an den Verwaltungsausschuss des Museums, da ihm der Porträtmaler Joseph Weger das überaus großzügige Angebot gemacht hatte, eine Porträtserie namhafter Tiroler Persönlichkeiten anzufertigen und dem Museum als Geschenk zu überlassen. Dass es sich dabei tatsächlich um ein uneigennütziges Präsent des Künstlers handelte, bekräftigte Bacher mit folgender Anekdote: „Als ich Ihn frage, waz er für jedes Stück haben wolle wurde er böß, und hat sich sogleich rückwerts für die unentgeltliche Lieferung erklärt.“ Bacher hielt „dessen Anerbiethen für sehr patriotisch und die Samlung dieser Portrait als interessant“, weshalb er dem Ausschuss den Rat gab, den Künstler so rasch wie möglich zu kontaktieren. Bezüglich des von Weger eigenhändig verfassten schriftlichen Angebots an den Ausschuss notierte der Mandatar geradezu entschuldigend: „An die etwas fehlerhafte Schrift wolle sich die lobl[iche] Verwaltung nicht stosen H[err] Weger hat das ganze hier in Eile bey Abgang der Post niedergeschrieben und da Er bald verreisen will so lag ihn daran daß die Sache sogleich befordert werde“.22

Abb. 3: Porträt des Mandatars und Vermittlers Anton Bacher aus der Mappe Wegers. Foto: Innsbruck, TLM, Bibliothek, FB 4360, Bl. 27

Dieses in größter Eile aufgesetzte Schreiben Wegers – betitelt mit „Erklärung und Ansuchen.“, etwas ungenau datiert mit Mai 1827 und unterzeichnet mit „Weger k.k. Academiker der bildenden Künste Portraitsmahler, u. Erfinder, u. Bearbeiter der Tirols Karakteristik in Bildern.“ – liegt Bachers Brief bei und soll zur Gänze wiedergegeben werden:

„Ich endesgesetzter, als ein gebürtiger Tiroler, und besonderer VerEhrer alles dessen, was Edel u. Schön, Groß u. Gutt ist, habe beÿ gelegenheit meiner ohnehin begriffenen vatterländischen Reisse mich entschlossen eine Portraits-Samlung jener durchs ganze Tirol, gegenwärtiger Zeit lebenden, mir jetzt bekannt, u. noch bekannt werdenden berühmten, u. verdienstvollen Männern zu machen, welche sich, oder durch Gelehrsamkeit, oder Patriotismus, oder Herzens Gütte, oder dergl[eichen]. auszeichnen, oder ausgezeichnet, u. allgemeine Achtung erworben haben, um dieselbe beÿm jüngst entstandenen tirolischen National Museum zum allgemeinen Verehren u. Andenken in aller Zukunft aufzubewahren, welches Præsent ich als ein schuldiges Schärflein von meiner geringen Kunstfähigkeit beÿzutragen ansehe, mit der Bemerkung, u. folgender meiniger Wilens meinung, daß im Falle eines vor volendung der ganzen Samlung unterwegs erfolgten frühern Todtes von mir, die vorhandenen Stücke, ohne ein einziges, weder davon nehment, noch davon copierend ebenfals sogleich den k.k. Rath v[on] Mersi zugeschickt werden solle, welcher diese auf meiner schon vorlaufenden Bitte güttigst auf eben der Art an oberwähntes Institut bringen wird. Ingleichen wird auch von mir selbst versprochen, keines davon zu Copieren oder wegzugeben, ohne vorher des Stückes Originals Erlaubniß eingeholt zu haben. auf dieß Erklären und Versprechen wage ich das Ersuchen an diese verehrten Männer.“

Das Schreiben schließt mit zwei Anmerkungen Wegers: „Auf anfrage des verehrten Herrn Mandatars Bacher, wegen ein oder andern gegen Erlag, für dieses zu werdenden Præsentes, so glaube ich, die Antwort schon im Worte (Præsent) enthalten zu sein, eine andere Frage aber ist die, ob dieses zwar in Hinsicht der Ähnlichkeiten, u. des vom Land enthaltenen Ganzen interesante, doch zu wenig kunstvoll gezeichnete in einem nationalen Verein, wie dieser ist, werth geschätzt werden kan, dort Plaz zu finden, oder nicht, im Falle des erstern würde mein genügender Lohn sein, das Bewußtsein, dadurch das zerstreute Vatterländische Verdienst, concentrisch in öffentlicher Verehrung u. Andenken gebracht zu haben, Nur allein die Unkosten der am Ende mehr oder mindern zierlichen zusamenbindung der ganzen Samlung würde ich mir abnehmen lassen.“ Sodann: „Ein Namensverzeichniß, von welcher der Art Mäner am vorzüglichsten gesucht werden, würde mir sehr erwünscht, u. erleuchtent sein, da ich die Reisse von hier aus durch Pusterthal nach Unterinthal u. von dort zurùk, erst beginne, Von die Portraites aus dem italienischen Tirol, bin ich schon im Besitz, es sind derselben über 20 an der Zahl.“23

Der Belang sei nochmals in aller Kürze zusammengefasst: Nach der viel gerühmten Serie mit Darstellungen zum Volksleben Tirols wollte Weger nun berühmte und verdiente Zeitgenossen porträtieren und diese dem einzigen dafür passenden Ort als Geschenk verehren: dem Tirolischen Nationalmuseum in Innsbruck. Dabei versicherte der Künstler, dass es sich bei den Zeichnungen um absolute Unikate handeln würde, da keine Kopien davon existierten bzw. er keine solchen anzufertigen verspreche. Die Lieferung sollte in Tranchen erfolgen, wobei er diese an Andreas Ritter von Mersi (1779–1861), Jurist und Museumsvereinsmitglied, als seine Ansprechperson zu senden gedachte. Weger bestimmte diesen auch zum Adressat aller beim Künstler verbliebenen Zeichnungen, sofern er vor Abschluss des Projekts sterben sollte oder er den Zyklus nicht mehr vollenden könnte. Da es sich um ein Präsent handelte, sollten für das Museum keine Kosten entstehen. Weger bat nur um die Bindung der Blätter durch das Museum. Zum Abschluss verlangte er noch eine Liste jener Personen, die für seine Absichten infrage kommen könnten.

Anhand des Briefes ist auch nachvollziehbar, wie Weger bei der Umsetzung seines Projekts vorgehen wollte: Ein Grundstock von ca. 20 Zeichnungen, die er im Trentino angefertigt hatte, war bereits gegeben. Nun gedachte er von Bozen aus über das Pustertal in das Unterinntal und von dort (vermutlich über Innsbruck) wieder zurück in die Heimat zu reisen.

Der Museumsausschuss beratschlagte über das großzügige Geschenk und kam nach eingehender Diskussion zum Schluss, das Angebot „mit um so größeren Danke annehmen zu sollen, als Ihre rühmlich bekannte Kunstfertigkeit besonders im Fache der Porträtzeichnung dem Museum in diesen Bildnissen einen sehr intereßanten Zuwachs an Kunstprodukten verspricht, wodurch das Andenken an so viele brave Tiroler noch in den spätesten Enkeln fortleben wird.“ Dies wurde Weger am 21. Mai 1827 schriftlich mitgeteilt. Bezüglich der vom Künstler geforderten Auswahl der zu Porträtierenden zog sich der Ausschuss jedoch aus der Verantwortung und überließ diesem die Entscheidung, wer in die Sammlung aufgenommen werden sollte: „Uberzeugt, daß Ihr eigenes Gefühl, und die öffentliche Meinung die bei Auswahl derjenigen Individuen, deren Züge durch Ihre Künstlerhand vergegenwärtige werden sollen, am besten leiten werden, kann sich in eine namentliche Bezeichnung der zu porträtierenden ausgezeichneten oder sehr würdigen Männer um so weniger eingelaßen werden, als eine Andeutung dieser Art – sowohl als Urtheil des ganzen Ausschußes, als auch einzelner Mitglieder desselben betreffet – nur einseitig ausfallen, und zu Mißverständnissen Anlaß geben könnte, welche die gute Sache eher gefährden, als ihr zum Vortheil gereichen möchten Indem man nun ganz in dieser Beziehung ganz auf Ihr eigenes Urtheile, u[nd] Ihren Scharfblick vertrauet, ersucht Sie zugleich, die Versicherung seiner Hochachtung zu genehmigen.“24

DIE ERSTE LIEFERUNG

Dank dieser Zusage begann für Josef Weger eine intensive Zeit voller Reisen und Arbeit: Wie erwähnt, hatte er sein groß angelegtes Projekt im Trentino begonnen. Es ist davon auszugehen, dass er zu diesem Zeitpunkt auch schon Persönlichkeiten aus seinem unmittelbaren geografischen Umfeld zu Sitzungen gebeten hatte. Dass er außerdem auf Bildnisse aus früheren Zeiten zurückgreifen konnte, ist durch das Porträt von Karl Graf Chotek belegt, das mit 25. Mai 1825 datiert ist (signiert: „Wgr. dlin 25 May 1825.“).

Der Künstler wählte vermutlich jene Reiseroute, die er in seinem Schreiben angekündigt hatte. Da keine Aufzeichnungen hierzu existieren und Weger auch nur wenige seiner Zeichnungen datierte, kann die genaue Vorgehensweise sowie die Reihenfolge der Porträts nicht wirklich nachvollzogen werden. Einzig und allein das Bild von Franz Seraph von Zallinger, den Weger in Innsbruck malte, ist mit Sicherheit in diese Phase zu datieren, wie die Notiz auf dem Blatt verrät: „Jos. Weeger ad viv del, A. 1827“. Von von Zallinger liegen übrigens noch weitere Porträts aus der Hand Wegers vor, die nur geringe Abweichungen aufweisen oder in puncto Technik variieren (Abb. 4, 5).25 Ob der Künstler bei den Sitzungen stets mehrere Skizzen anfertigte und dabei auch diverse Materialien benutzte sowie – entgegen der Versicherung – auch Kopien anfertigte, darüber kann nur spekuliert werden. Sicher ist jedoch, dass Weger zur Umsetzung seines Projekts nicht nur die eine, angekündigte Reise durchführen, sondern sich mehrfach auf Wanderschaft begeben musste. Dies wird durch weitere datierte Blätter deutlich, die ihn 1829 erneut in Innsbruck verorten, wo er die Porträts des Appellationsgerichtspräsidenten und Museumsvorstandes Andreas Alois Dipauli (1761–1839) und dessen Gattin Maria Anna Aloysia Febronia Mayrl (1776–1835) zeichnete.26 Da Dipauli mit Hauskappe dargestellt ist, darf davon ausgegangen werden, dass es sich dabei um Privataufträge gehandelt hat. Im Zuge dessen hat Weger aber vermutlich auch das „offizielle“ Porträt Dipaulis geschaffen, das in der Porträtsammlung zu finden ist (Abb. 6, 7, 8). Mit dem Bildnis von Dipaulis Ehefrau liegt ausnahmsweise auch ein Frauenporträt aus Wegers Hand vor.

Abb. 4, 5: Außerhalb der Mappe existieren zwei weitere Porträts des Professors Franz Seraph von Zallinger. Möglicherweise handelt es sich um Skizzen Wegers, die im Rahmen der Sitzungen entstanden sind. Fotos: Innsbruck, TLM, Bibliothek, Dip. 1372/383, 384

Wann genau der Künstler die erste Lieferung von angeblich 63 Zeichnungen27 dem Museum aushändigte, ist nicht bekannt, doch fand die Übergabe mit großer Wahrscheinlichkeit Anfang Mai 1833 statt, denn die Reisetätigkeit hatte den Künstler erneut nach Innsbruck geführt, wo er unter der Adresse „Franziskanergraben, N 248, beÿ Herrn v Schullern.“ logierte.28 Aus dieser Zeit stammt ein undatiertes Schreiben Wegers, das jedoch Anfang Mai 1833 entstanden sein muss und wohl als Begleitbrief zur Lieferung der Zeichnungen fungierte:

Abb. 6: Das „offizielle“ Porträt von Andreas Alois Dipauli aus der Mappe Wegers. Foto: Innsbruck, TLM, Bibliothek, FB 4360, Bl. 4

„Unaufgefordert, und aus eigenem Antriebe samelte, und zeichnete ich Porträte von in gegenwärtiger Zeit lebenden Verdienten Männer in Tÿrol um dieselbe zur Aufbewahrung als vatterländisches Andenken dem Museum zum Präsent zu übergeben.

Hier lege ich (von die bis jetzt zusammen gebrachten) die Gegenwärtigen vor, und beschreibe die noch Vorhandenen im Anhange wobeÿ ich die Wahl gehorsamst freÿstelle, ob von den Erstern alle übernohmen, oder nur Aushebungen gemacht, und von den letzten einige, oder Keines, genommen werden wollen. Nur setze ich die Bitte beÿ, mir hierüber die baldige Entscheidung ehemöglichst wissen zu lassen, weil ich die in Insbruk sich befindlichen noch rükständigen, von meiner baldigen Abreisse noch nachtragen, und so das Ganze vorher endigen möchte.“29

Der angekündigte Anhang besteht aus einem Verzeichnis mit den noch im Besitz des Künstlers befindlichen oder erst anzufertigenden Porträts. Darin sind die Präsidenten Trentinaglia und Ganahl sowie die Kreishauptmänner Mersi, Kern, Eichendorff und Riccabona aufgelistet. Außerdem „Oberst Siking. Profesor Maurer. Forstmeister Bacher in Bozen. Gstl. Preiß […] Mazurana in Trient. Dokto. Mazonella […] StuPräs. Luchi. […] Dallabona in Pergine. Dokt. Taddei in Ala. Don Frigo in Borgo. Wisshofer Dechant in S. Johan. Dokt. Rossi. […] Holler. Zaoti in Mailand. Ferrari in London. Rinaldi in Strigno.“ Und schließlich: „Lampi, müste erst um der gleichheit willen copiert werdn. Schöpf, der auch übersetzt werden müßte, u. für mein Auge gut getroffen scheint, wird von allen andern nicht ähnlich gefunden. Crafonara von Riva, wäre schon wie die andern Stüke gezeichnet.“30 Vergleicht man die Namen auf der Liste mit den Zeichnungen in der Porträtmappe, wird ersichtlich, dass alle angeführten Herren in dieser zu finden sind. Davon ausgenommen sind die drei Künstler Giovanni Battista Lampi d. Ä. (1751–1830) – möglich wäre aber auch Giovanni Battista Lampi d. J. (1775–1837) –, Joseph Schöpf (1745–1822) und Giuseppe Craffonara (1790–1837). Ihre Bildnisse aus der Hand Wegers liegen nicht vor.

Eine zweite, dem Schreiben Wegers hinzugesetzte Bleistiftnotiz verrät, in welcher Präsentationsform er die Werke dem Ferdinandeum übereignete: „Daß die Papierblätter, worauf die Zeichnungen befestiget sind, und die Befestigung selbst durch wax [Wachs; Anm.] nichts bleibendes ist, verstehet sich von selbst, bis dieselben in einer bleibenden Ordnung bestimt sind.“31 Auf die Montageart wird in der Folge nochmals eingegangen. Das Dankesschreiben des Museumsausschusses für die Übersendung der „wohlgetroffenen Porträte“ datiert auf den 7. Mai 1833. Man sicherte Weger im Zuge dessen zu, dass man „diesen Beweis Ihrer patriotischen Theilnahme an unserm Institute im Jahresbericht für das Jahr 1833 gebührend anrühmen werde“. Mit großem Interesse, so heißt es abschließend, erwarte man die noch ausstehenden Zeichnungen.32 Tatsächlich findet sich im Jahresbericht des Jahres 1833 unter der Rubrik der Handzeichnungen ein kurzer Eintrag zur Schenkung:

Abb. 7, 8: Wohl als Privatauftrag geschaffen: Dipauli im Hausrock und mit Kappe sowie dessen Gattin. Fotos: Innsbruck, TLM, Bibliothek, Dip. 1372/148, 149

„Dreiundsechzig Stücke größten Theiles sehr glücklich getroffene Porträte theils lebender, theils jüngst verstorbener in verschiedener Beziehung verdienter Tiroler, nach der Natur gezeichnet von Joseph Weger, Geschenk dieses Künstlers.“33

Die Schenkung wurde natürlich auch im Erwerbungsbuch des Museums vermerkt, leider ohne eine genaue Datierung der Übergabe: „Eine Sammlungen Portraite (Handzeichnungen) der Mitglieder des Ausschusses des Ferdinandeums und anderer Tirolischer Honoratioren. Vom Zeichner Herrn Jos. Weger verehrt an das Ferdinandeum.“34

DIE ZWEITE LIEFERUNG

Es blieb vorerst bei dieser Teillieferung. Eine auffallend lange Pause von zwei Jahren trat ein, ehe sich Joseph Weger am 30. April 1835 wieder an den Ausschuss des Ferdinandeums wandte, endlich die ausstehenden Zeichnungen (29 Stück) einreichte und das lange Schweigen auf die folgende Weise erklärte:

„Ganz ergebnst erlaube ich mir mich zu entschuldigen über jene noch nicht eingesendeten beÿ meiner Porträts-Übergebung im Monat Maÿ 1833 nachträglich versprochenen Stüke. – Meine eben aber jenes Jahr angetrettene Reisse nach Vorarlberg, und 1½ Jahr Aufenthalt dorten, indem ein Theil dieser Stücke während dieser Zeit in Bozen lagen, war die Ursache dieser langen Zögerung. Ich gebe mir also die Ehre nach meiner Zurükkunft in Bozen dieselbe ergebnst einzusenden, bin aber nebstbeÿ so freÿ, offenherzig zu gestehen, daß mein bisher auf Jahre langen Reissen gehabter regen Eiffer zu dessen Sammlung wegen nachstehender Beschuldigung die meiner reinen Absicht zuwider läuft, zum Theil sich verloren hat.

Ich vernahm nämlich aus sicherer Quele, daß man mir zur Last legt, ich hätte nicht nur allein einen grossen Theil von die von mir portrierten und dem Museum bestimten Mänern Zahlung, – sondern selbst für eben diesse gelieferten Stücke, noch eine Remuneration erhalten. Über das Erste kan ich ergebnst und mit reinem Bewustsein versichern, daß diese Samlung von mir nur aus wahrer Achtung und Liebe verdiente Männer auf dieser Art Porträte – da ich selbst kein anderes Verdienst besitze – verewigen zu wollen, und aus reiner uneigennütziger Absicht unternohmen wurde, ja machte es mir diesen meinen Grundsatz gemäß – auch beÿ meinem beschränkten Verhältniß – zur Pflicht beÿ dessen ganzer Samlung kein Stück mir bezahlen zu lassen, selbst die sich zu zahlen antrugen, da ich freÿ von jeden Eigennutz, diese Samlung als einen kleinen Beÿtrag dem Museum übergeben wollte. Es befindet sich also unter alle die übergebenen Stücke, nur ein einziges, für welches ich unausweichlich Zahlung nehmen muste, von allen übrigen bleibt es eine für mich schmerzliche Unwahrheit. Es müste den wohl der Fall sein, das jene Herrn die sie für sich selbst zeichnen liessen im Glauben waren, dieses für sich bestelte Porträt mit jenen zweiten welches ich für das Museum bestimmte, mit einen Thaler damaliger allgemeinen Porträts Taxe für 1 Stuk beÿde zugleich bezahlt zu haben, welches aber den doch ein sehr ungegründhiges [?] Benehmen heissen dürfte.

Das Zweÿte – eine erhaltene Remuneration betreffend – wird ein hoher löblicher Ausschuß selbst mir das Zeugniß geben könen, daß diesess Unwahrheit seÿe, es müste den wohl der Fall sein, das selbes wol einmal bestimmt und ausgestekt, aber auszufolgen unterdrükt worden wäre, welches, – wen es deme also wäre – mich bitter schmerzen darf!

Ich schliese mit der gehorsamsten Bitte um Vergebung, über diese meine offene ungebundene Sprache, und zeichne mich mit gränzenlosser Hochachtung Eines hohen Hoch verehrtesten Ausschusses“35

Die Verspätung der zweiten Lieferung kann nicht nur durch Wegers Aufenthalt in Vorarlberg erklärt werden, sondern auch mit einer deutlich nachgelassenen Begeisterung für das Projekt. Was den Künstler zusätzlich störte, waren die Gerüchte um entgegengenommene Porträttaxen und Belohnungen sowie eine Remuneration des Ferdinandeums. Offenbar wurde Wegers mehrmalig geäußerte Bedingung, dass er für die Bilder absolut keine Entlohnung haben wolle, vom Museumsausschuss missverstanden; man vermutete wohl, dass der Künstler mit dem auffälligen Beharren genau das Gegenteil erreichen wollte. Aus diesem Grund ließ der Ausschuss eine Zahlung von 40 Gulden an Weger in die Wege leiten; dies zeigt eine kurze, nachträglich auf den Brief gesetzte Notiz. Man hoffte, dass sich Wegers verletzter Stolz durch die Zuwendung ein wenig besänftigte, doch gerade das Gegenteil trat ein, denn dessen Antwortschreiben vom August 1835 präsentiert einen nun vollends verärgerten Künstler:

„Ich bin tief beschämt, das mein den Porträten beÿgelegtes Schreiben vielleicht so Unklug abgefaßt gewessen sein sollte, daß man auf demselben ein Honorar von 40 f mir ausgestellt hatte! Ich kann nur nochmal versichern, das ich nie einen Gedanken gehabt habe, etwas annehmen zu wollen, da es aber nun einmal ausgesprochen ist, so hiesse einer solchen Großmuth (im Falle des nichtannehmens). einen mir unangemessenen Stolz entgegen setzen, welches wenigstens gegenwärtig nicht meine Sache ist, und sohin übersende ich inliegend die Quittung.“36

Damit endet der Briefverkehr zwischen Joseph Weger und dem Museumsausschuss; weitere Schreiben sind im Bestand der Museumsakten zumindest keine zu finden. Die zweite Lieferung ist im Erwerbungsbuch des Ferdinandeums unter dem 9. Mai 1835 verzeichnet worden: „Nachträglich 29 gezeichnete Portraite zur Ergänzung der Weger’schen Sammlung“; ein „Honorirt“ wurde hinzugesetzt.37 Im Jahresbericht wurde die Schenkung unter der Rubrik der Handzeichnungen ebenfalls kurz angeführt: „29 Porträts tirolischer Staatsdiener, Geistlichen und Gelehrten, gezeichnet von J. Weger.“38 Es kann nur darüber spekuliert werden, ob Weger eine dritte Lieferung geplant hatte, etwa mit Porträts seines Aufenthalts in Vorarlberg (sofern er sich dort nicht anderen Themen gewidmet hatte); auch von den erwähnten Entwürfen zu den Künstlern Lampi, Schöpf und Craffonara fehlt bisher jede Spur. Ebenso unklar bleibt, was mit den Blättern unmittelbar nach der Übernahme durch das Museum geschah, wann diese geordnet, neu montiert und in der heutigen Mappe gebunden wurden. Vermutlich wurden die Porträtzeichnungen schon sehr bald in die Sammlungen der Bibliothek integriert, welche sich damals im X. Saal des k. k. Lycealgebäudes in der Universitätsstraße (heute: Theologische Fakultät; Abb. 9) befand. Es gibt allerdings keinen Hinweis darauf, dass die Werke den Museumsbesucherinnen und -besuchern öffentlich präsentiert wurden; die Blätter waren wohl nur auf Anfrage einsehbar.39

Abb. 9: Ansicht der Alten Universität, in deren Räumlichkeiten zwischen 1823 bis 1845 die Ferdinandeumssammlungen ausgestellt waren. Kolorierte Tuschezeichnung aus dem Aigner-Codex (um 1825) von Josef L. Strickner (1744–1826). Foto: Innsbruck, TLM, Bibliothek, FB 1673/5b

DIE PORTRÄTMAPPE

Die von Joseph Weger an das Ferdinandeum gesandten Zeichnungen waren von diesem mit Wachs auf einen Träger montiert worden. Auf diese Weise war ein Ablösen leicht möglich, denn schließlich hatte der Künstler die endgütige Reihung und kostenintensive Montage der Porträts dem Museum überlassen. Da eine einheitliche Bindung der Blätter vorliegt und die Zeichnungen keine Klebungen mittels Wachs aufweisen, darf mit Sicherheit angenommen werden, dass die Porträtsammlung tatsächlich vor Ort im Museum in die aktuelle Form gebracht wurde. Die Mappe befindet sich heute unter der Signatur FB 4360 in der Bibliothek des Tiroler Landesmuseums Ferdinandeum.

Sie besteht aus einer Art aufklappbarer, schmaler Schachtel im Folio-Format, die mit braun marmoriertem Papier überzogen ist und auf der Vorderseite ein aufgeklebtes, ovales Etikett mit der Aufschrift „Gezeichnete Porträte / Gesammelt / in den Jahren von / 1825–1830 / 1841.“ sowie der später hinzugesetzten Signatur „FB. 4360“ aufweist. Das Innere der Schachtel ist mit einem blaugrauen Papier ausgekleidet, dasselbe Papier übrigens, auf das auch die Zeichnungen montiert wurden. Auf der Innenseite des Deckels befindet sich ein rechteckiges Stück Papier mit der folgenden Aufschrift: „Durch Gott, – Geist, – und – Herz – kömt alles Grosse und Gutte, deswegen verdient alles diesses im Bild und Schrift unvergeßlich gemacht zu werden. Sprüchw[o]rte, der Vernunft u[nd]. Wahrheit.“ Ein in die Schachtel montiertes, längsgestreiftes, mit grüner Seide unterlegtes Band dient zum leichteren Herausheben des nun folgenden Blätterkonvoluts.

Das Deckblatt wird durch ein auf dem Träger aufgeklebtes Blatt gebildet, das den folgenden Schriftzug bzw. Titel aufweist: „Gezeichnete Porträts. sowohl von des Ferdinandeums Begründer als desselben erstem Vorstande den ersten Curatoren, und erstem Verwaltungs Ausschusse zur Zeit der Entstehung im Jahre – 1824 Nebst jenen der damaligen sämtlichen Kreishauptleute beÿder Fürstbischöfe von Trient u. Brixen, der Landesmilitär Chefs, und anderer G[ei]stl[icher]. und weltlicher verdienter Männer Tirols Welche zur Zeit der Begründung und nicht lange darnach vom gefertigten auf sein aus eigenem Antriebe gestellten Ersuchen, nach erhaltener Bewilligung (ausser jenen die es Ihm abschlugen) nach der Natur flüchtig gezeichnet, und dem Museum zum Vaterländischen Andenken übergeben worden sind.“ Der Künstler unterzeichnete mit: „Porträtmahler Weger aus dem Etschkreiße“ (Abb. 10).

Am 8. Oktober 1904 setzte der damalige Bibliothekskustos Conrad Fischnaler (1855–1912) die folgende Notizen hinzu: „Das Namens-Verzeichnis Weger’s s. am End. – Die ‚ergänzten‘ Namen unterhalb der einzelnen Bilder sind auf Grund der Mitglieder-Verzeichnisse des Ferdinandeums, der Beamten- u. geistl. Schematismen u. a. Hilfsquellen beigesetzt worden, doch kann für absolute Richtigkeit einzelner Bestimmungen eine volle Garantie nicht geleistet werden.“ bzw. „Bl 25½ scheint später eingeklebt.“; auf diesen letzten Kommentar wird noch eingegangen. Die Angaben legen nahe, dass Fischnaler die Verifizierungen selbst vorgenommen hat.

Abb. 10: Die Porträtmappe von Joseph Weger wird von einem erklärenden Titelblatt eingeleitet, das der Künstler selbst verfasst hat. Die ergänzenden Notizen stammen von Conrad Fischnaler. Foto: Innsbruck, TLM, Bibliothek, FB. 4360, Bl. 1

Ob das Namensverzeichnis im Anhang und die Beischriften auf den einzelnen Zeichnungen auch erst zu diesem Zeitpunkt entstanden sind und wer diese ausgeführt hat, ist allerdings nicht bekannt; Fischnaler kommt aufgrund orthografischer Unterschiede nicht dafür infrage.

Als Zierelemente finden sich um den oberen Rand des aufgeklebten Blattes mehrere Gegenstände dargestellt, nämlich im Zentrum ein ovaler Schild mit dem Tiroler Adler, dahinter und daneben Gemälde, Malerpalette, Bücher, Zirkel, Zahnrad, diverse Werkzeuge, Fernrohr und Blumengirlanden. Ohne Zweifel handelt es sich um eine Anspielung auf die vielfältige Sammlungstätigkeit des Museums. Die Zeichnung wurde mit schwarzem Stift und Deckweiß geschaffen. Die Mappe besteht insgesamt aus 37 foliierten Blättern in blaugrauer Farbe mit den Maßen 53 x 37 cm und umfasst ein Titelblatt und den Hauptteil mit den Porträts. Ein 38., nicht nummeriertes Blatt mit einem Namensverzeichnis liegt als Anhang lose bei. Der Aufbau ist klar gegliedert, denn nach dem Titelblatt und dem vorangestellten Porträt des Landesgubernators folgt die Wiedergabe der einzelnen Persönlichkeiten in acht Abteilungen, die sich einerseits an deren Funktion bzw. Stand orientieren, andererseits an einem geografischen Rahmen. Bei den Abschnitten, die durch acht Trennblätter eingeleitet werden, handelt es sich um:

1. Vorstände und Kuratoren des Verwaltungsausschusses des Ferdinandeums,

2. Kreishauptleute und der Präsident des Tribunals in Rovereto,

3. Fürstbischöfe und Militärs,

4. Personen aus den Kreisen Innsbruck und Unterinntal,

5. Personen aus den Kreisen Brixen und Pustertal,

6. Personen aus dem Kreis Bozen,

7. Personen aus dem Kreis Trient,

8. Personen aus dem Kreis Rovereto.40

Bei der genaueren Sichtung fällt allerdings auf, dass die Zuordnung nicht immer stringent erfolgte bzw. in manchen Abschnitten unlogisch erscheint. So finden sich innerhalb eines Kreises Personen, die zwar aus diesem Verwaltungsbereich stammten, doch nicht mehr dort lebten, sodann wiederum Menschen, die aus einem anderen Kreis stammten, doch nun dem Kreis aufgrund ihrer Ansässigkeit oder Tätigkeit zugeordnet wurden.

Die Anzahl der auf den Blättern montierten Zeichnungen variiert und orientiert sich entweder an der Bedeutung und dem Rang des Dargestellten oder an den unterzubringenden Werken, die zu den einzelnen Abschnitten vorhanden waren. Aus diesem Grund finden sich drei Blätter mit einem Porträt (= 3 Porträts), zwei Blätter mit drei Porträts (= 6 Porträts) und 24 Blätter mit vier Porträts (= 96 Porträts). In Summe handelt es sich also nicht um 101 Zeichnungen, wie in der Literatur immer zu lesen ist, sondern um 105 Porträts. Der Grund dafür liegt darin, dass die vier Zeichnungen auf dem eingefügten Blatt 25½ erst nachträglich hinzukamen, sodass Wurzbach zu Recht von nur 101 Bildern sprach. Davon kann wiederum abgeleitet werden, dass das betreffende Blatt erst nach 1886 hinzugekommen sein kann.

Die Einheitlichkeit der Mappe wird auch in den Formaten der einzelnen Zeichnungen (ca. 22 x 16 cm) ersichtlich, wobei sie nur um wenige Millimeter variieren. Einige wenige Ausnahmen sind allerdings auch hier gegeben, vornehmlich bei jenen Persönlichkeiten, denen eine eigene Seite gewidmet wurde; hier weisen die Zeichnungen eine Größe von ca. 24,5 x 18 cm auf.

Da die Porträtsammlung als groß angelegte Serie gedacht war, richtet sich die Ausfertigung der Zeichnungen nach einem durchgehenden Muster, das beim Großteil auch eingehalten wurde. So handelt es sich fast ausnahmslos um Brustbilder, wobei die Dargestellten in Dreiviertelansicht nach rechts oder links wiedergegeben werden.

Die Zeichnung ist stets zentriert angeordnet und lässt zum Rand hin genügend Raum; einzig und allein im Fall von zwei Zeichnungen – jene von Joseph Rinaldi (Blatt 35) und Antonio Frigo (Blatt 36) – wird die Fläche bis zum Rand hin ausgenutzt. Die Porträtierten erscheinen wie Büsten, die ohne eine räumliche Einbettung auskommen müssen, wobei es auch hier vier Ausnahmen gibt: Die Zeichnungen des Wiltener Prälaten Alois Röggl (Blatt 4), des Paters Philipp Benitius Mayr (Blatt 9) und des Universitätsprofessors Franz Seraph von Zallinger (Blatt 10) weisen einen markanten, jene des Jurist Johann Reinhart (Blatt 5) nur einen leichten Ansatz eines Schattenrisses auf, der für eine gewisse Räumlichkeit sorgt.

Vier Porträts scheren aus dem üblichen Schema aus und zeigen die Dargestellten im Profil. Dabei handelt es sich um die Zeichnungen des Kapuzinerpaters Benedikt Peintner (Blatt 26) – dessen stattlicher Bart damit noch deutlicher in Erscheinung tritt –, des Erzpriesters Antonio Frigo (Blatt 36), des Abtes Giacomo Luigi Pisoni (Blatt 37) und des Komponisten Giacomo Gotifredo Ferrari (Blatt 37) (Abb. 11). Die Gestaltungsabweichungen betreffen (abgesehen vom Blatt mit Pater Peintner aus dem Kreis Bozen) vor allem Porträtierte aus dem Kreis Rovereto. Wie bereits bekannt, hatte Weger die Arbeiten an seinem Zyklus mit Welschtiroler Persönlichkeiten begonnen und diese Bilder damit in einer Phase geschaffen, als das Projekt wohl noch im Reifeprozess steckte. Ein weiterer Grund für diese Gestaltung könnte aber auch im Umstand zu suchen sein, dass sich der Künstler nicht direkt an der darzustellenden Person orientieren konnte, sondern anstelle des lebenden Modells auf Vorlagen (Gemälde, Stiche, Büsten etc.) zurückgreifen musste. Im Zuge dessen sei auch darauf hingewiesen, dass das Porträt von Pisoni nur als Skizze vorliegt und von Weger nicht mehr ausgearbeitet worden war. Handelt es sich dabei möglicherweise um ein Zeugnis von Wegers abnehmendem Interesse am Projekt?

Abb. 11: Streng im Profil: Das Porträt des Komponisten Giacomo Gotifredo Ferrari von Joseph Weger. Foto: Innsbruck, TLM, Bibliothek, FB 4360, Bl. 37

Wie in einem seiner Briefe angekündigt, versuchte Weger die einzelnen Herren für sein Vorhaben zu gewinnen und diese mit deren Zustimmung nach der Natur zu zeichnen, um auf diese Weise ein detailgetreues Abbild des Einzelnen für die Nachwelt festzuhalten. Die wenigen auf den Blättern zu findenden Signaturen verdeutlichen, dass der Künstler auch auf diese Weise vorgegangen ist. Und dennoch machen einige Zeichnungen – vor allem jene, die von der üblichen Darstellungsform abweichen – stutzig. Dies zu Recht, denn Weger hat mit Sicherheit auch nach Vorlagen gemalt, insbesondere dann, wenn das gewünschte Modell nicht greifbar war. Zwei Beispiele sollen dies verdeutlichen: Bei der eingehenden Betrachtung von Blatt 21 fällt auf, dass sich die Zeichnung mit dem Abbild von Matthias Wieshofer, dem Dekan von St. Johann in Tirol, von den restlichen drei Bildern in Art und Darstellungsweise unterscheidet. Der Grund dafür liegt darin, dass Weger sich hierbei an einem Ölgemälde von Maria Anna Moser (1758–1838) orientierte; diese hatte Wieshofer im Jahr 1820 gemalt. Die Übereinstimmung von Zeichnung und Gemälde – das sich übrigens in der Älteren kunstgeschichtlichen Sammlung der Tiroler Landesmuseen befindet41 – ist augenscheinlich und liegt auf der Hand (Abb. 12, 13). Eine Vorlage dürfte auch beim Porträt des gebürtigen Roveretaners Giacomo Gotifredo Ferrari zum Einsatz gekommen sein. Dieser war als Komponist und Gesangslehrer in Frankreich und schließlich in London tätig, wie die Notiz auf der Zeichnung belegt. Ohne Zweifel hat ihn Weger nicht nach der Natur zeichnen können, wofür auch dessen Wiedergabe im Profil spricht; Weger musste sich wohl oder übel an einer Vorlage orientieren. Die Technik der Kunstwerke wurde in der bisherigen Literatur häufig etwas lapidar mit „Bleistiftzeichnung“ angegeben. Eine exakte Bestimmung ist allerdings nicht ganz einfach, da es sich in den meisten Fällen um eine

Abb. 12: Die Kopie: Porträt von Dekan Matthias Wieshofer aus der Mappe Wegers. Innsbruck, TLM, Bibliothek, FB 4360, Bl. 21 – Abb. 13: Die Vorlage: Porträt von Dekan Matthias Wieshofer. Ölgemälde von Maria Anna Moser (1758–1838) von 1820. Foto: Innsbruck, TLM, Ältere kunstgeschichtliche Sammlung, Gem 1641

Mischtechnik aus Bleistift (Vorzeichnungen) und schwarzem Stift (Kohle/Kreide) handelt; allerdings lässt sich dies nicht für alle Porträts durchgehend behaupten. Auffallend ist des Weiteren die zum Teil deutlich variierende Ausführung und die unterschiedliche Auffassung in der Gesichtsgestaltung, was die Vermutung aufkommen lässt, ob bei den Porträts nicht etwa unterschiedliche Hände am Werk waren. Zwar ist Weger anhand der bekannten Quellen als alleiniger Künstler anzusehen, doch kann die Existenz eines Ateliers bzw. von Helfern oder Schülern nicht ausgeschlossen werden. Auch greift es zu kurz, die Unterschiede durch die unterschiedlichen Entstehungsphasen, das Porträtieren nach einem Original oder einer Vorlage, den zeitlichen Druck etc. zu erklären, weshalb nur eine genaue Sichtung und Untersuchung der Blätter eine Klärung bringen dürfte.42

Das am Ende angefügte Namensverzeichnis listet die Dargestellten nach deren Reihenfolge in der Mappe auf, nennt dabei jedoch leider nur deren Nachnamen, und verweist auch auf das Blatt, auf dem der Porträtierte zu finden ist. Dabei hat sich allerdings ein Fehler eingeschlichen, denn der Abbildung von Sebastian Anton Pungg wird fälschlicherweise das Blatt 25 zugeteilt, doch sie findet sich korrekterweise auf Blatt 24. Die vier nicht bezeichneten Herren auf dem später hinzugekommenen Blatt 25½ werden im Namensverzeichnis überhaupt nicht angeführt; sie bleiben deshalb anonym. Ohne Zweifel fungierte die Liste als Basis, als zu einem späteren Zeitpunkt versucht wurde, die einzelnen Porträts in der Mappe mit einem erklärenden Namen zu versehen, wobei die Bleistiftnotiz in den meisten Fällen im rechten unteren Eck der Zeichnung angebracht wurde. Im Zuge dessen war offenbar auch der Versuch unternommen worden, die Personen zu verifizieren und deren Namen zu ergänzen, sodass sich auf den Blättern entweder der vollständige Name, der Nachname und abgekürzte Vorname oder aber nur der Nachname des entsprechenden Herrn befindet. Auf diese Weise konnten direkt am Blatt die teilweise falschen Namensformen aus dem Verzeichnis ausgebessert werden. So wurde aus „Daddei“ (Verzeichnis) die richtige Schreibweise „Taddei“ (Bild) oder aus „Benitzi“ (Verzeichnis) der vollständige und noch dazu korrigierte Name „Mayr Philipp Benitius“ (Bild).

Bei den Dargestellten handelt es sich um Adelige, Kleriker, Beamte, Mediziner, Universitätsprofessoren, Kaufleute und Fabrikanten sowie Schriftsteller, Komponisten und Künstler.43 Die meisten davon bekleideten wichtige weltliche und geistliche Ämter, gehörten damit zu tonangebenden Vertretern im Land oder waren für ihre wissenschaftlichen und künstlerischen Fähigkeiten bekannt und geschätzt. Die meisten der Herren waren aber vor allem Mitglieder des Museumsvereins und zum Zeitpunkt der Entstehung der Bilder der breiten Öffentlichkeit wohl bekannt.44 Dies dürfte auch der Grund sein, warum in der beigegebenen Namensliste keine vollständigen Bezeichnungen, sondern nur die Nachnamen aufgelistet wurden. Dieser Umstand zwang später allerdings zur oben erwähnten Verifizierung der Dargestellten. Dabei konnten allerdings nicht alle Porträtierten einwandfrei namhaft gemacht werden. Im Zuge dieses Beitrags wurde erneut der Versuch unternommen, die Dargestellten zumindest mit einem vollständigen Namen, dem Geburtsund Todesjahr und der Berufsbezeichnung oder dem Tätigkeitsbereich zu versehen (s. Anhang).

Interessant ist allerdings, welche Personen in der Mappe zu finden sind und wer nicht in die Auswahl kam. Weger selbst sprach davon, dass eine Voraussetzung dafür das Einverständnis der Einzelnen war. Seiner Bitte, eine Liste mit möglichen Kandidaten zu erstellen, kam man von Seiten des Museumsausschusses nicht nach, sodass die letztendliche Auswahl bei Weger selbst lag. Dieser berücksichtigte in erster Linie wichtige Protagonisten aus Politik und Kirche (Landesgouverneur, Fürstbischöfe von Brixen und Trient), sodann Mitglieder des Museumsvereins, hochrangige Beamte, Militärs und Kleriker sowie Künstler und Wissenschaftler. Daraus Rückschlüsse zu ziehen – etwa auf die Wichtigkeit der Dargestellten oder die Beziehungen des Künstlers zu diesen –, wäre allzu spekulativ. Interessant ist jedoch das Fehlen einiger markanter Vertreter öffentlicher Ämter (etwa Bürgermeister) oder auch Namen, die man sehr wohl erwarten würde. Nur ein Beispiel: Wenn Weger eine Gallerie der verdienstvollsten und berühmtesten Tiroler zusammenzustellen beabsichtigt hatte, dann hätte er auch Joseph Freiherr von Hormayr zu Hortenburg (1781–1848)45 berücksichtigen müssen, schließlich war der umtriebige, gut vernetzte Politiker, Geschichtsschreiber und frühe Förderer des Museumsvereins ein Meister der Selbstdarstellung, der auf die bildliche Verherrlichung in einer Sammlung wie dieser sicherlich nicht verzichtet hätte. Weger hatte in seinem ersten Schreiben an das Museum zwar deutlich dargelegt, dass er die in „Tirol, gegenwärtiger Zeit lebenden, mir jetzt bekannt, u. noch bekannt werdenden berühmten, u. verdienstvollen“46 Persönlichkeiten festzuhalten gedachte, doch bleibt gerade deshalb unklar, warum er beispielsweise den in London lebenden Komponisten Ferrari berücksichtigte, etwaige in Wien oder an anderen Destinationen tätige Landsleute hingegen nicht. Nach dieser grundlegenden Beschreibung der Porträtmappe soll noch auf einige Details und Besonderheiten hingewiesen werden: Da die Blätter im Großen und Ganzen alle gleich gestaltet sind, sticht das erste Bildnis der Mappe (Blatt 2) hervor und das mit gutem Grund, zeigt es doch Karl Graf Chotek, Landesgubernator und Initiator des Ferdinandeums (Abb. 14).47 Allerdings handelt es sich bei diesem Blatt um eine Lithografie (die einzige in der Mappe), welche nicht nur die Signatur bzw. Datierung „Wgr. delin 25 May 1825.“ aufweist, sondern den Dargestellten auch mit einem kalligrafisch gestalteten Namenszug benennt. Zusätzlich ist das Blatt von einem einfachen Rahmen eingefasst und mit handschriftlichen Beischriften versehen, so am oberen Rand mit „Landes Guberneur vom Jahre 1819 bis im Jahre 1825“ (wobei der Teil „Landes Guberneur“ von einem Lorbeer- und Strahlenkranz umschlossen wird) und am unteren Rand mit „Gründer des Ferdinandeums“. Diese Elemente und die Zeichnungen auf dem Titelblatt stammen eindeutig aus derselben Hand und sind wohl im Zuge der Endanfertigung der Mappe entstanden.

Abb. 14: Das Bildnis des Gubernators Karl Graf Chotek ist als Lithografie ausgeführt. Foto: Innsbruck, TLM, Bibliothek, FB 4360, Bl. 2

Abb. 15: Die Schnitt- und Klebespuren um das Porträt von Wilhelm Freiherr von Eichendorff sind deutlich auszumachen. Foto: Innsbruck, TLM, Bibliothek, FB 4360, Bl. 13

Wie bereits erwähnt, finden sich in der Mappe insgesamt drei Blätter, die jeweils nur ein Porträt aufweisen. Einerseits ist dies das eben beschriebene Blatt mit Graf Chotek, andererseits jenes mit dem Bildnis des Servitenpaters Philipp Benitius Mayr (Blatt 9) und des Universitätsprofessors Franz Seraph von Zallinger (Blatt 10).48 Warum gerade diese Herren eine solche Würdigung erfuhren, ist nicht ersichtlich, denn sie nahmen weder im Museumsausschuss eine spezielle Position ein noch gehörten sie dem Kreis der Ehrenmitglieder an.49 Es war wohl allein ihre Popularität und Bedeutung für die Tiroler (Kirchen- bzw. Bildungs-)Geschichte, die für diese besondere Behandlung innerhalb der Mappe gesorgt hatte. Auch diese Zeichnungen werden von einem einfachen Rahmen eingefasst; ein Namenszug oder malerisches Beiwerk fehlen hier allerdings.

Eine weitere Auffälligkeit findet sich auf Blatt 13, das unter anderem das Porträt des Trentiner Kreishauptmannes Wilhelm Freiherr von Eichendorff (1786–1849) zeigt, denn rund um dieses sind deutlich sichtbare Schnitte und Klebespuren festzustellen (Abb. 15). Mit großer Wahrscheinlichkeit war das Bildnis anlässlich der Ausstellung zu Ehren des Dichters Joseph Freiherr von Eichendorff (1788–1857) im Prinz Carl-Palais in München im Jahr 1957 der Sammlung entnommen worden. Das Porträt des Kreishauptmannes Eichendorff, ein Bruder des Dichters, war in der Ausstellung zu sehen gewesen, wie anhand des dazu erschienenen Katalogs überprüft werden kann.50

Eine Besonderheit stellt des Weiteren das offenbar nachträglich eingefügte Blatt 25½ dar, auf das bereits Fischnaler in seiner Notiz auf dem Titelblatt verwiesen hat: „Bl 25½ scheint später eingeklebt.“ Tatsächlich zeigt die Seite vier namenlose Herren, die natürlich auch im beigegebenen Personenregister fehlen und deshalb ohne weitere Anhaltspunkte oder Vergleichsbilder wohl kaum oder nur mit viel Glück identifiziert werden können. Außerdem kann ausgeschlossen werden, dass sich die von Weger eingeplanten Künstler Lampi, Schöpf und Craffonara unter den vier Herren befinden, wie Vergleiche mit Selbstporträts der Maler zeigen.

WAHRNEHMUNG UND WIRKUNG

Auch wenn die Porträtsammlung im Museum wohl nicht öffentlich ausgestellt und zugänglich gemacht wurde, so galt ihr aufgrund ihres Inhalts und Informationsgehalts bzw. der lebensnahen Porträts doch eine entsprechende Aufmerksamkeit. Ohne Zweifel wurde die Mappe auch als ein außergewöhnliches Werk sowie als ein besonderer Verdienst Wegers angesehen. Aus diesem Grund widmete der Biblio- und Lexikograf Constantin von Wurzbach (1818–1893) der Person Wegers in seinem biografi-schen Lexikon einen Eintrag und behandelte dabei auch vergleichsweise ausführlich die Porträtmappe. Conrad Fischnaler hatte ihm dazu aus den Museumsakten und dem Jahresbericht Abschriften und Informationen zukommen lassen. So heißt es bei Wurzbach unter anderem: „Bildnisse malte er nicht blos in Oel und Aquarell, viele führte er in schwarzer Kreide aus, und eine stattliche Folge solcher Bildnisse um das Land verdienter Tiroler übergab er im Jahre 1833 dem Ferdinandeum in Innsbruck. Weger lebte damals zu Bozen und schickte die Blätter mit den Bildnissen, welche wir unten verzeichnen, weil sie lauter geschichtlich oder literarisch interessante Persönlichkeiten darstellen, an das Museum in Innsbruck ein, welches, die nicht ganz klare Widmung des Künstlers mißverstehend, ihm dafür mit Schreiben vom 11. Mai 1835 ein Honorar von 40 fl. zuerkannte. Diese Bildnisse führt der zehnte Jahresbericht (1833) des Ferdinandeums als ‚größtentheils sehr glücklich getroffene Porträts theils lebender, theils jüngst verstorbener in verschiedener Beziehung verdienter Tiroler nach der Natur gezeichnet‘ an. Sie befinden sich in einer buchartigen Mappe auf 36 Blättern dargestellt und sind folgende (wir behalten die Schreibung der Namen, wie sie der Künstler gebraucht, bei): […].“

Wie angekündigt, folgt die Aufzählung der Porträtierten, ehe abschließend vermerkt wird: „Diese hundertundein Bildnisse – der Künstler hatte nämlich nach der ersten Partie von 63 Bildnissen im Jahre 1835 eine neue Partie dem Museum zum Geschenke gemacht, deren Aehnlichkeit beglaubigt ist – bilden eine interessante Pinakothek denkwürdiger Menschen Tirols.“51

Wie bereits dargelegt, sprach Wurzbach nur deshalb von 101 Zeichnungen bzw. 36 Blättern, weil das Blatt 25½ bzw. die vier darauf befindlichen Bilder sowie die beigelegte Namensliste noch nicht in der Mappe enthalten waren.

Dass Wegers Zeichnungen auch als Vorlage für die Druckgrafik herangezogen wurden, wird nicht nur anhand des lithografierten Porträts von Gouverneur Karl Graf Chotek in der Mappe ersichtlich, sondern auch in Form eines weiteren Blattes zu diesem, das als weiß gehöhte Tonlithografie herausgegeben und vertrieben wurde; die Innsbrucker Lithografieanstalt von Josef Grader (1794–1858) zeichnete sich dafür verantwortlich.52

Offenbar waren auch kolorierte Lithografien (oder Zeichnungen?) der Blätter im Umlauf, etwa das Bildnis von Dekan Francesco Tecini.53 Im selben Stil sind auch die Porträts von Josef Anton Stecher (1775–1862), Wirt zum Gasthaus Hirschen in Mals, und dessen Sohn Anton Stecher (1805–1895) bekannt, obwohl sich deren Bildnisse (im Gegensatz zu jenem Tecinis) nicht in der Mappe finden, auch nicht auf jener Seite mit den vier nicht identifizierbaren Herren.54 Die Abbildungen von Vater und Sohn Steger waren vermutlich für eine geplante dritte Lieferung gedacht gewesen oder aber (was eher anzunehmen ist) als Privataufträge entstanden. Dasselbe gilt für vier Porträts, welche Mitglieder der Brixner Druckerfamilie Weger zeigen (mit welcher der Künstler Weger nicht verwandt war!), denn sie weisen denselben Stil wie jene von Vater und Sohn Steger auf. Die nicht datierten bzw. signierten Bleistiftzeichnungen wurden nachträglich koloriert.55 Mit dem Porträt von Balthasar Leiter (1771–1850), Wirt zum Goldenen Löwen in Algund sowie Hauptmann der dortigen Schützenkompanie im Jahr 1809, liegt ein weiteres Werk Wegers vor, das sich mit der Darstellungsweise der Bilder in der Mappe deckt. Die Zeichnung diente offenbar als Vorlage zu einem Ölgemälde des Gastwirtes, das sich heute im Kaiserjägermuseum am Bergisel befindet; dieses war 1893 von Wilhelm Blatt (1859–1935) gemalt worden.56

Abb. 16: Ein nachträglich eingefügtes Blatt in der Mappe zeigt vier Porträts, deren Dargestellte noch einer Verifizierung harren. Foto: Innsbruck, TLM, Bibliothek, FB 4360, Bl. 25½

Aufgrund der (teilweise sehr) engen Verbindungen der meisten Dargestellten zum Ferdinandeum bzw. der attestierten Detailtreue der Porträtierten darf es nicht verwundern, dass Wegers Zeichnungen häufig als Illustrationen für Publikationen herangezogen wurden. Dies in erster Linie (und sinnvollerweise) natürlich bei Darstellungen der Museumsgeschichte.57 Die eingangs thematisierte Verwendung der Zeichnungen auf der Homepage der Ferdinandeumszeitschrift schlägt schließlich in dieselbe Kerbe.

ANHANG: INHALT DER PORTRÄT-MAPPE

Ob die Mappe einer genauen Sichtung unterzogen oder nur überblicksartig durchgeblättert wird, ein Umstand wird sogleich ersichtlich: Zahlreiche Dargestellte werden nur mit dem – nicht von Weger, sondern zu späterer Zeit hinzugesetzten – Nachnamen bezeichnet und dieser in manchen Fällen noch zusätzlich mit einem Fragezeichen versehen.

Die Identität einiger der Herren ist also äußerst fraglich, und sie kann weder durch die Angaben auf den Zeichnungen selbst noch durch die Namensliste am Ende der Mappe gelöst werden (Abb. 16). Aufgrund des Bekanntheitsgrades der Einzelnen bzw. ihrer Nahebeziehung zum Ferdinandeum möchte angenommen werden, dass das Unterfangen einer Verifizierung keine großen Hürden bereithält, doch dies täuscht, wie einige Beispiele zeigen: Auf dem Blatt 36 findet sich das Porträt des Herrn „Lucchi“, der dem Kreis Rovereto zugeordnet ist; das Inhaltsverzeichnis nennt natürlich auch nur den Nachnamen.

Die Zuordnung gestaltet sich schwierig, kommen doch mehrere Vertreter dieses Namens infrage, so etwa Giorgio Lucchi, Gymnasialpräfekt in Trient, oder Leonard Lucchi, Professor ebendort. Ohne vergleichbare Porträts gestaltet sich die Zuschreibung als reine Spekulation, wäre in diesem Fall nicht das Schreiben Wegers vom Mai 1833 mit der Liste der noch ausstehenden Porträts, das in diesem Fall weiterhilft. In diesem wird „Präfekt Luchi“58 angeführt, womit die Zeichnung als Bildnis des Gymnasialpräfekten Giorgio Lucchi verifiziert werden kann. Daneben gibt es allerdings noch einige weitere Fälle, die mangels (schriftlicher) Hilfen keine eindeutige Zuweisung zulassen: Ebenso auf Blatt 36 (Kreis Rovereto) findet man das Porträt eines gewissen Herrn aus der weitverzweigten Familie Rosmini, wobei zum Zeitpunkt der Entstehung drei Vertreter derselben infrage kommen: Antonio Rosmini (Stadtpfarrer in Rovereto), Leonardo Rosmini (Lehrer in Trient) und Pietro Rosmini (Jurist in Rovereto). Da die Person auf der Zeichnung weltlich gekleidet ist, kann der Stadtpfarrer ausgeschlossen werden. Wer von den beiden Übrigen von Weger verewigt worden ist, bleibt ohne hilfreiche Informationen oder ein Vergleichsporträt allerdings unklar.

Auf Blatt 19