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Als Mythor in der durch ALLUMEDDON veränderten Welt zu sich kommt, ist er sich seines Auftrags nicht bewusst, denn man hat ihn seiner Erinnerungen beraubt. Erst bei der Begegnung in der Drachengruft wird Mythor dieses klar, und schließlich sorgt das Duell mit Mythors anderem Ich dafür, dass unser Held in seiner Ganzheit wieder ersteht. Damit beginnt Mythor in bekannter Manier zu handeln. Inseln des Lichts zu gründen und die Welt vor einer erneuten Invasion durch die Horden Xatans zu schützen ist sein erklärtes Ziel. Und sein kluges Vorgehen führt denn auch zu einem Zusammenschluss der Clans des Drachenlands und zu einem Sieg über die Invasionsstreitkräfte Xatans. Kurz darauf macht sich Mythor auf die Suche nach Coerl O'Marn, dem alten Freund und Mitkämpfer. Er folgt dabei der Spur der Albträume, erreicht eine fremde Welt, verlässt diese Welt wieder nach vielen gefährlichen Episoden - und wird schließlich ein Opfer des Traumparasiten. Amazonen von Vanga, die Gorgan erkunden, retten unseren Helden und geben ihm die Gelegenheit, das Land Ameristan zu erreichen. Auch wenn diese Mission in einem Debakel endet, so ist die Lage für Mythor und seine Gefährten nicht ganz hoffnungslos - denn in Ameristan gibt es EINE STÄTTE DES LICHTS ...
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Veröffentlichungsjahr: 2015
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Nr. 168
Eine Stätte des Lichts
von Hubert Haensel
Als Mythor in der durch ALLUMEDDON veränderten Welt zu sich kommt, ist er sich seines Auftrags nicht bewusst, denn man hat ihn seiner Erinnerungen beraubt. Erst bei der Begegnung in der Drachengruft wird Mythor dieses klar, und schließlich sorgt das Duell mit Mythors anderem Ich dafür, dass unser Held in seiner Ganzheit wieder ersteht.
Damit beginnt Mythor in bekannter Manier zu handeln. Inseln des Lichts zu gründen und die Welt vor einer erneuten Invasion durch die Horden Xatans zu schützen ist sein erklärtes Ziel. Und sein kluges Vorgehen führt denn auch zu einem Zusammenschluss der Clans des Drachenlands und zu einem Sieg über die Invasionsstreitkräfte Xatans.
Kurz darauf macht sich Mythor auf die Suche nach Coerl O'Marn, dem alten Freund und Mitkämpfer. Er folgt dabei der Spur der Albträume, erreicht eine fremde Welt, verlässt diese Welt wieder nach vielen gefährlichen Episoden – und wird schließlich ein Opfer des Traumparasiten.
Amazonen von Vanga, die Gorgan erkunden, retten unseren Helden und geben ihm die Gelegenheit, das Land Ameristan zu erreichen. Auch wenn diese Mission in einem Debakel endet, so ist die Lage für Mythor und seine Gefährten nicht ganz hoffnungslos – denn in Ameristan gibt es EINE STÄTTE DES LICHTS ...
Mythor – Der Gorganer auf dem Weg nach Cao-Lulum.
Ilfa und Ronda – Mythors Begleiterinnen.
Sagiar – Ein ausgestoßener Pfader.
Mallat – Herrscher von Torrei-Cum.
Gerrek und Sadagar
Kraftvoll stieß Ruethan von der Roten See den Beidhänder von oben herab. Mythor schrie auf. Die verzweifelte Anstrengung, unter dem gestürzten Lamor hervorzukommen, ließ die Adern auf seinen Schläfen schwellen. Gleich würde er die tödliche Klinge spüren.
Doch Ruethans Klinge verharrte über ihm. Der Albtraumritter hatte Mühe, sich im Sattel zu halten; sein Schimmelhengst stieg wiehernd auf der Hinterhand hoch und schlug mit den Vorderhufen nach einer angreifenden Schlange. Das nächste Aufbäumen ließ Ruethan den Halt verlieren und seitlich aus dem Sattel stürzen.
Die Schlange kam auf Mythor zu, der seine Waffe fester packte. Ihre schwarzen Augen schienen ihn bannen zu wollen. Im nächsten Moment stieß sie zu. Aber Mythor war nicht minder schnell, sein Schwert zuckte hoch, trennte den Schädel des Reptils vom Rumpf und schleuderte ihn etliche Schritt weit davon.
Aus den Augenwinkeln heraus gewahrte Mythor Ilfa und Ronda. Lange konnten sie sich gegen die Übermacht der Heroen wohl nicht mehr halten. Die fünf Talaijamer waren bereits gefallen.
Endlich kam Mythor frei. Sein linkes Bein war wie taub, schien aber zum Glück nicht gebrochen zu sein.
Ruethan von der Roten See griff erneut mit Ungestüm an. Mythor wich vor ihm zurück, ließ ihn mehrmals ins Leere laufen. Selbst jetzt fiel es ihm schwer, in dem Albtraumritter einen wirklichen Gegner zu sehen. Sie waren Freunde gewesen, hatten für dieselbe Sache gekämpft und taten dies wahrscheinlich noch immer, wenngleich die Umstände andere geworden waren. Klirrend prallte der Stahl ihrer Schwerter aufeinander. Ruethans stürmisch vorgetragene Ausfälle verrieten seinen Zorn nur zu deutlich. Mythor wich zurück, brachte schließlich einen abgestorbenen Baum zwischen sich und den Angreifer. »Warum willst du mich töten?«, ächzte er.
Ruethan blieb stumm. Seine heftigen Schwerthiebe schälten nur vertrocknete Rinde vom Stamm ab. Mythor warf sich herum und lief auf eine von wuchtigen Granitblöcken gebildete Erhebung zu.
Ruethan folgte ihm schnaubend. »Komm und stell dich!«, brüllte er.
»Warum sollte ich?«, rief Mythor zurück. Er stieß das Schwert in die Scheide und begann zu klettern. Ein schmales Felsband zog sich steil nach oben; es war gerade breit genug, dass er mit den Füßen hinlänglich Halt fand.
Pfeile zersplitterten unmittelbar neben ihm. Unwillkürlich hielt er inne und blickte zurück.
»Hört auf zu schießen, ihr Narren!«, schrie Ruethan den beiden Rittern zu, die ihre Bogen erneut spannten. »Er gehört mir.«
»Bist du dir dessen sicher?«, spottete Mythor.
Plötzlich brach loses Gestein unter seinen Füßen aus; faustgroße Brocken polterten gut zehn Schritt in die Tiefe. Vorübergehend krallte er sich nur noch mit den Fingerspitzen fest. Triumphierend kam Ruethan näher, aber dann fand Mythor einen breiten Riss in der Wand und zog sich daran hoch. Auf einem kaum fünf Schritt durchmessenden Plateau wartete er auf Ruethan. »Ich will mit dir reden«, sagte er. »Hör mir wenigstens zu.«
Der Albtraumritter stieß von unten her mit dem Beidhänder zu. Vergeblich versuchte Mythor, ihm die Klinge aus der Hand zu treten.
»Warum weichst du einem ehrlichen Zweikampf aus?«, fragte Ruethan.
Mythor lachte heiser. »Erzähle mir nicht, dass du ihn suchst.«
»Wir könnten noch immer Freunde sein.«
»Beweise mir, dass du es ehrlich meinst.«
»Bei Gorgans Zorn«, stieß Ruethan dröhnend hervor, »dann trenne dich endlich von den Frauen.« Mit einem blitzschnellen Satz schwang er sich empor. Mythor zögerte einen Augenblick zu lange, ihn daran zu hindern.
Sofort griff Ruethan wieder an. Der Schwerterwirbel wurde hektischer, die beiden Kämpen umkreisten sich lauernd, jeder auf eine Blöße des anderen wartend. Für überraschende Ausfälle blieb ihnen nicht genügend Platz, ein einziger Fehltritt würde den Kampf rasch entscheiden.
Die inzwischen tief stehende Sonne blendete. Ruethan verstand es geschickt, Mythor allmählich in eine schwächere Position zu bringen, ohne dass dieser es verhindern konnte. Als die Parierstangen sich verhakten, kamen sie einander so nahe wie nie zuvor. Ein zähes, verbissenes Ringen folgte, bis Ruethan unvermittelt zutrat und zur Seite wich. Mit hellem Klirren lösten die Schwerter sich voneinander. Mythor taumelte, ein seitlicher Hieb von Ruethan mit dem Knauf traf seine Schulter und den Nacken und brachte ihn endgültig zu Fall. Obwohl er hart auf den rauen Fels aufschlug, wälzte er sich sofort herum und riss abwehrend seine Klinge hoch.
Breitbeinig stand der Albtraumritter vor ihm, den Beidhänder zum Schlag erhoben. Im nächsten Moment ließ er die Waffe sinken, ein überraschter Ausdruck trat in seine Augen. »Ich kann es nicht«, stieß er abgehackt hervor. »Ich kann dich nicht töten, ohne an die alten Zeiten zu denken. Diesmal hattest du noch Glück, aber sollten wir uns jemals wieder begegnen, vertraue lieber nicht darauf.«
Abrupt wandte er sich um und machte sich an den Abstieg. Ein heiser gebrüllter Befehl ließ die gegen Ronda und Ilfa kämpfenden Albtraumritter innehalten.
Mythors Hände verkrampften sich. Schier unwiderstehlich wurde in ihm der Wunsch, aufzuspringen und Ruethan von hinten niederzustrecken.
Sein Blick brannte sich auf Ruethans Rücken fest. Er zitterte, aber er stand auf und hob das Schwert. Der Albtraumritter schien nicht zu ahnen, wie nahe ihm der Tod war.
Zögernd machte Mythor einen Schritt vorwärts, dann noch einen. Schweiß brach ihm aus allen Poren.
»Nein!«, stieß er hervor und schleuderte mit einem Fluch auf den Lippen die Klinge von sich. Klirrend fiel das Schwert auf die Felsen. Das Geräusch ließ Ruethan herumfahren; erst jetzt schien der Ritter zu begreifen. Stumm begegneten sich beider Blicke – Mythor erkannte die Bestürzung in den Augen des anderen.
Waren sie in dem Moment zu Todfeinden geworden? Die Zukunft würde es zeigen.
Er starrte Ruethan hinterher, bis dieser das Pferd bestieg und zusammen mit seinen Kriegern davonritt. Die Gewissheit, dass sie einander wieder begegnen würden, wuchs. Vielleicht lag der Zeitpunkt gar nicht fern. Mythor war überzeugt davon, dass sie beide nach ein und demselben strebten: nach dem BUCH DER ALBTRÄUME. Aber nur einer konnte es in Besitz nehmen.
Mythor hob sein Schwert auf und stieß es in die Scheide zurück. Dann machte er sich an den Abstieg.
Ronda und Ilfa hatten bereits einige der versprengten Lamore eingefangen und angepflockt. Gemeinsam trugen sie schließlich die gefallenen Talaijamer zusammen und errichteten einen Steinhaufen über ihnen.
»Sie mussten sterben, weil sie uns begleiteten«, sagte Ilfa tonlos. »Wenigstens sollen keine wilden Tiere ihre Körper zerreißen.«
»Die Männer der Nordwelt sind so anders als in Vanga«, murmelte Ronda. »Hast du den hasserfüllten Blick gesehen, den Ruethan mir zuwarf? Nie würde ein Mann in Vanga es wagen, eine Amazone so anzusehen.«
»Sag bloß, du bewunderst ihn deswegen?«, machte Ilfa überrascht.
Ronda zuckte mit den Schultern. »Ich sollte ihn verachten, aber auch das kann ich nur halbherzig. In Vanga gibt es lediglich verweichlichte Männer; sie sind zumeist Bauern und Sklaven, und wenn es hochkommt, bestreiten sie ihr Leben als Zauberlehrlinge oder Minnesänger.«
»Dafür haben die meisten Frauen auf der Nordwelt nicht sonderlich viele Rechte«, gab Ilfa zu bedenken. »Sie haben für die Kinder da zu sein und müssen im Übrigen die treusorgende Gattin spielen. Wehe, eine beklagt sich, wenn ihr Mann auf seinen Feldzügen mit anderen ...«
»Du machst auf mich nicht gerade den Eindruck, als würdest du dich mit solch tristem Schicksal zufriedengeben.« Lachend schlug Ronda auf ihre Schwerter. »Wer sollte uns daran hindern, das zu tun, wozu wir Lust verspüren?«
Mythor schwieg zu alldem. Er dachte an Coerl O'Marn und das BUCH DER ALBTRÄUME – und daran, dass Ruethan von der Roten See ihm wohl einen Großteil seines Wissens verschwiegen hatte.
*
Die Nacht holte die drei einsamen Reiter auf ihren Lamoren ziemlich bald ein. Vor ihnen erstreckten sich die Ausläufer des Shantau-Gebirges, ein verwüstetes, unwegsames Land. Das Chaos zu ALLUMEDDON hatte deutliche Spuren hinterlassen. Manche Berghänge waren vom Feuer geschwärzt; immer öfter ragten verkohlte Bäume wie stumme Wächter auf. Der Hauch des Todes lag über dieser Region. Sogar die Lamore schienen das Unheimliche zu spüren, denn sie verfielen von selbst in eine schnellere Gangart.
Die untergehende Sonne wuchs zu beängstigender Größe an. Ihr roter Schein umfloss zerstörte Palisaden auf einem der verbrannten Hügel. Sie mochten einmal ein kleines Dorf umgeben haben, jetzt lag kaum mehr ein Stein auf dem anderen.
»Hier ist nichts zu holen«, sagte Ronda. Verkohlte Balken ragten vor ihr auf. Vom Sattel aus stieß sie den untersten zur Seite, die anderen fielen krachend in sich zusammen. Als der aufgewirbelte Staub und Ruß sich verzogen hatten, lagen da zwei bleiche Skelette. Die Rüstungen neben ihnen mochten einmal kostbare Verzierungen getragen haben – wie anders waren die jeweils fingernagelgroßen Öffnungen zu erklären, deren Ränder deutliche Kratzspuren aufwiesen?
»Plünderer«, stellte die Amazone fest. »Wann mögen sie das Dorf überfallen haben?«
Mythor sah sich aufmerksam nach allen Seiten um. »Ich weiß nicht«, sagte er zögernd. »Auf jeden Fall ist es länger als nur einige Monde her.«
»Kein angenehmer Ort, um hier zu lagern«, stellte Ilfa fest. Der Wind war heftiger geworden und fuhr schneidend über den Hügel hinweg. Sie fröstelte.
Mythor warf einen prüfenden Blick zu den sich zusammenballenden Wolken hinauf, deren Ränder rasch mit der hereinbrechenden Finsternis verschmolzen. Die Lamore fanden ihren Weg dennoch mit unbeirrbarer Sicherheit.
»Ein Unwetter zieht auf«, sagte Ronda. »Wenn wir Glück haben, entlädt es sich an den Osthängen des Gebirges.«
»Wir haben einmal erlebt, wie schnell eine trockene Schlucht zum reißenden Fluss werden kann«, gab Ilfa zu bedenken. »Wir sollten lieber einen höher gelegenen ...« Plötzlich stutzte sie, kniff die Augen zusammen, wie um besser sehen zu können. »Dort«, sagte sie und streckte die Hand aus. »Wofür haltet ihr das?«
Es war flackernder Lichtschein, jedoch eng begrenzt und zu weit entfernt, um mehr erkennen zu lassen.
Mythor lenkte sein Lamor in die neue Richtung. Weitere Lichter flammten auf, vor denen sich huschende Schatten abzeichneten. »Das ist ein einsames Gehöft«, vermutete er. »Vielleicht können wir dort die Nacht verbringen.«
Tatsächlich wurden schon wenig später die Umrisse windschiefen Gemäuers gegen den Himmel erkennbar. Der allmählich zu einem Sturm auffrischende Wind trug unverständliche Gesprächsfetzen mit sich. Dazwischen war ein rhythmisches Knarren zu vernehmen.
»Eine Herberge«, stellte Ilfa überrascht fest, als sie sich bis auf wenige Dutzend Schritt genähert hatten.
Knarrend schwang ein eisernes Schild in seiner Verankerung hin und her und krachte immer wieder scheppernd gegen das Mauerwerk. Es mochte uralt sein, denn die eingeätzte Schrift war kaum mehr zu entziffern.
»ZU DEN FELDERN DES TODES«, las Ilfa schließlich. »Kein sehr einladender Name.«
»Aber ein beziehungsreicher«, gab Ronda zur Antwort. »Du wirst dich davon nicht schrecken lassen?«
»Unsinn«, winkte Ilfa ab.
Das untere Geschoss der Herberge war aus rauen Quadern gemauert und mit rotem Sand verfugt. Darüber erhob sich ein kunstvolles, von Wind und Wetter ausgebleichtes Fachwerk. Lücken in dem mit Schindeln gedeckten Dach hatte jemand dürftig mit Strohbüscheln ausgestopft. Zur Linken schlossen sich langgestreckte Stallungen an, in denen an die hundert Tiere Platz finden mochten. Trotz aller deutlich zu erkennenden Schäden wirkten beide Gebäude auf seltsame Art zeitlos. Efeu und wilder Wein rankten an den Mauern hoch und hatten begonnen, sogar die mit Häuten verhängten Fenster zu überwuchern.
»Heda, ist da jemand?«, rief Ronda lautstark.
Die Stimmen im Innern der Herberge verstummten augenblicklich. Wenig später öffnete sich die Tür, ein weißhaariger Alter steckte seinen von Falten übersäten Schädel durch die Öffnung.
»Was wollt ihr?«, fuhr er die drei an. »Verschwindet, hier ist kein Platz für Lumpengesindel.«
»Wir suchen eine Bleibe für die Nacht«, sagte Mythor. »Wenn es sein muss, nehmen wir auch mit dem Stall vorlieb.«
»Du bist wohl ein feiner Herr?«, spottete der Alte und trat vollends ins Freie heraus. Er war spindeldürr, wahrscheinlich hielt nur noch die runzlige, bleiche Haut seine Knochen zusammen. Er trug ein ärmelloses, bis zu den Knien fallendes, zerschlissenes Leinengewand, seine Füße steckten in hölzernen Pantoffeln. In der Hand hielt er eine alte Öllampe, deren verdreckter Windschutz kaum mehr Licht durchließ.
»Bist du der Wirt?«, fragte Ronda.
»Was sollte ich sonst sein?«, entgegnete der Alte krächzend. »Einer von den Kriegern, die hier nächtigen?« Ein trockener, keuchender Husten folgte seinen Worten.
Mythor war inzwischen abgesessen. »Was verlangst du für ein Mahl und eine mit Stroh geschüttete Ecke?«, wollte er wissen.
Der Wirt deutete auf den Stall. »Bindet eure Tiere dort drinnen an und dann kommt. Aber beeilt euch, ich warte nicht lange.«
»Ein seltsamer Kauz«, bemerkte Ilfa verwundert. »Falls ich diese Nacht wirklich schlafen kann, werde ich mein Schwert in der Hand halten.«
Gestank schlug ihnen entgegen, als sie den Stall betraten. Der Unrat lag zum Teil kniehoch. Hier war lange nicht mehr ausgemistet worden. Frisches Stroh gab es kaum, das meiste war verrottet oder von Pilzen durchsetzt. Fünfzehn Lamore standen eng beieinander; sie machten einen ausgezehrten Eindruck. Es war fraglich, ob sie überhaupt noch einen Tagesritt durchhielten, ohne vor Erschöpfung zusammenzubrechen. Während Mythor und Ronda ihre eigenen Tiere anbanden und ihnen die Sättel und das Zaumzeug abnahmen, verteilte Ilfa mit einer Heugabel das am besten erhaltene Stroh. Die Lamore fraßen, als hätten sie seit Tagen nichts erhalten.
»Der Alte sprach von Kriegern«, gab Ronda zu bedenken. »Hoffentlich treffen wir nicht wieder auf welche von Ruethans Männern.«
»... oder auf Zoon«, erwiderte Ilfa.
»Und wenn schon«, zuckte Mythor mit den Schultern. »Ich bin so ziemlich auf jede Überraschung gefasst.«
Tatsächlich fanden sie die Tür zur Herberge verschlossen. Der weißhaarige Alte hatte also sein Versprechen wahrgemacht. Grölende Gesänge drangen nach außen. Die Krieger versuchten offenbar, sich gegenseitig im Erfinden unflätiger Lieder zu übertreffen. Die meisten der holprigen Reime handelten von den Reizen der Frauen, denen manch tapferer Krieger erlag, obwohl er auf dem Schlachtfeld unbesiegt blieb. Ronda verhielt überrascht und lauschte. Zögernd wandte sie sich zu Mythor um. »Sind alle Männer in Gorgan so?«, fragte sie. »Ich bewundere ihre Dreistigkeit.«
»... sie war eine Hexe, vom Fuß bis zum Scheitel«, erklang es dröhnend und von heiserem Gelächter unterbrochen, »verführte gleich sechse und ...« Mit dem Schwertknauf schlug Ronda gegen die Tür. Augenblicklich wurde es still.
»Verschwindet!«, dröhnte die Grabesstimme des Wirts. »Fremde haben hier nichts verloren.«
»Du hast uns ein Quartier für die Nacht versprochen«, erwiderte Ronda lautstark.
»Davon weiß ich nichts.«
»Es genügt, wenn ich es sage. Öffne, oder ich trete die Tür ein.«
»Schon gut«, erklang es besänftigend. Schritte näherten sich. Quietschend schwang die Tür in ihren rostigen Angeln herum.